Zwischenbericht Identifikation

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Zwischenbericht Identifikation
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                                       Flugunfalluntersuchung

Zwischenbericht
Identifikation
Art des Ereignisses: Unfall
Datum:               11.07.2021
Ort:                 Kavala (Griechenland)

Luftfahrzeug:        Flugzeug
Hersteller:          Airbus
Muster:              A320-214

Personenschaden:     ohne Verletzte
Sachschaden:         Luftfahrzeug schwer beschädigt
Drittschaden:        keiner
Aktenzeichen:        BFU21-0555-2X

Kurzdarstellung
Nach der Landung eines Airbus A320 auf dem Flughafen Kavala, Griechenland, mit
einem drucklosen Bugfahrwerksdämpfer wurden schwere Beschädigungen der
Rumpfstruktur im Bereich des Bugfahrwerks festgestellt.
Zwischenbericht Identifikation
Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Sachverhalt

Ereignisse und Flugverlauf
Im Zuge dieser Untersuchung wurden 2 Ereignisse betrachtet. Bei dem ersten Ereig-
nis handelte es sich um einen Startabbruch mit dem betroffenen Luftfahrzeug auf
dem Flughafen Heraklion, Griechenland, am 10.07.2021 und bei dem zweiten um ei-
ne Landung auf dem Flughafen Kavala, Griechenland, am 11.07.2021 mit einem
drucklosen Bugfahrwerksdämpfer.
Startabbruch auf dem Flughafen Heraklion am 10.07.2021
Mit dem betroffenen Flugzeug war am 10.07.2021 ein Flug von Heraklion nach Düs-
seldorf geplant. An Bord befanden sich 122 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder.
Es handelte sich um den zweiten geplanten Flug des Luftfahrzeuges an diesem Tag.
Die verantwortliche Luftfahrzeugführerin (PIC) war die überwachende Pilotin (PM)
und der Copilot fungierte als steuernder Pilot (PF).

Die Flugbesatzung bekam um ca. 12:10 Uhr1 auf der Piste 27 die Startfreigabe. Zu
diesem Zeitpunkt herrschte ein Seitenwind von der rechten Seite mit 12 kt. Aus den
Aufzeichnungen des FDR und den Aussagen des Copiloten ging hervor, dass wäh-
rend der ersten etwa 23-sekündigen Phase des Startlaufs bis zu einer Geschwindig-
keit von 126 kt CAS der Copilot den Seitenwind durch linke Ruderpedaleingaben kor-
rigierte. Dabei wurde das Seitenruder immer wieder in die Neutrallage zurückgeführt.
Um 12:10:51 Uhr kam es zu einem Ruderpedalinput nach rechts. Das Flugzeug än-
derte den Steuerkurs um ca. 10° nach rechts auf 281° und befand sich kurze Zeit
später etwa 230 m hinter dem Kreuzungspunkt der Piste 27 mit der Piste 30, 3,7 m
vom rechten Rand der Piste 27 entfernt. Kurz vor der größten Annäherung an den
Pistenrand überprüfte die verantwortliche Luftfahrzeugführerin die Triebwerkspara-
meter, dann äußerte der Copilot nach Aussagen beider Piloten sinngemäß „Sorry,
das Flugzeug zieht nach rechts“.

Danach brach die verantwortliche Luftfahrzeugführerin bei einer Geschwindigkeit von
137 kt CAS, 2 kt unterhalb der Entscheidungsgeschwindigkeit V1, den Start ab. Da-
bei zog sie nach eigenen Angaben die Schubhebel auf Leerlauf und anschließend in
die Stellung Full Reverse. Des Weiteren gab die verantwortliche Luftfahrzeugführerin
einen Ruderpedalinput nach links in Richtung Startbahnmittellinie und zog den Side

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    Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit

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Stick nach hinten. An die Bedienung des Side Sticks kann sie sich ihrer Aussage
nach nicht mehr erinnern. Unmittelbar danach hob das Bugfahrwerk vom Boden ab.
Nachdem die verantwortliche Luftfahrzeugführerin das Anheben der Flugzeugnase
realisierte, drückte sie den Side Stick nach vorne, und das Bugfahrwerk berührte
wieder den Boden. Bei diesem Bodenkontakt des Bugfahrwerks befand sich das
Flugzeug in einer Drehbewegung um die Hochachse nach links in Richtung der
Startbahnmitte.

Die Groundspoiler wurden nach dem Startabbruch automatisch ausgefahren und das
automatische Bremssystem in der Stufe MAX aktiviert. Das Flugzeug bewegte sich
im Verlauf des Bremsvorgangs zurück in Richtung Startbahnmittellinie und kam auf
der Piste vor dem Rollweg C zum Stehen.

Nachdem das Flugzeug abgestoppt war, informierte der Copilot den Tower über den
Startabbruch und forderte die Feuerwehr an. Nach kurzen Aufenthalt in dieser Positi-
on und u.a. der Überprüfung der Bremstemperaturen entschloss sich die Flugbesat-
zung, die Piste zu verlassen und rollte auf die ihr zugewiesene Parkposition 12.

Die verantwortliche Luftfahrzeugführerin informierte die Mechaniker einer vom Luft-
fahrtunternehmen beauftragten Wartungsfirma nach deren Angaben darüber, dass
der Start abgebrochen wurde, da das Flugzeug nach rechts weggezogen sei. Das
Luftfahrtunternehmen wurde durch die verantwortliche Luftfahrzeugführerin zunächst
per Kontaktaufnahme mit der Verkehrszentrale (Operations Control Center, OCC)
über den Vorfall informiert.

Die Mechaniker waren während ihrer Arbeit an dem betroffenen Flugzeug im Aus-
tausch mit dem Wartungskontrollzentrum des Luftfahrtunternehmens in Deutschland,
von denen sie auch ihren Auftrag für die durchzuführenden Arbeiten erhielten.

Zunächst begannen die Mechaniker nach eigenen Aussagen mit einer General Visu-
al Inspection (GVI) des Flugzeugs, bei der sie feststellten, dass alle 4 Reifen des
Hauptfahrwerks, insbesondere der äußere Reifen des rechten Hauptfahrwerks (Rei-
fen Nr. 4), beschädigt waren und gewechselt werden mussten. Keiner der Reifen war
drucklos.

Dann setzten sie ihre Arbeit mit der „AMM (Aircraft Maintenance Manual) Inspection
05-51-15 after a Tire Burst or Tread Throw or Wheel Failure” fort. Parallel zu den Ar-
beiten fand eine Begutachtung der Piste 27 durch den Flughafenbetreiber statt. Da
keiner der Reifen drucklos war und bei der Pistenüberprüfung nach dem Startab-
bruch keine Reifenteile gefunden wurden, wendeten die Mechanikern vor Ort

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schließlich die „AMM Inspection 05-51-16 after Brake Emergency Application or
Overheat“ an.

Die 4 Hauptfahrwerksreifen wurden am Abend des 10.07.2021 ausgetauscht.

Die Abbildung 1 zeigt die Spuren der Gummiabriebe, die dem Startabbruch am
10.07.2021 zugeordnet werden konnten und die durch die Reifen aller 3 Fahrwerke
entstanden sind.

Abb. 1: Gummiabriebspuren durch den Startabbruch              Quelle: Luftfahrtunternehmen

Abbildung 2 stellt den Verlauf des Startabbruchvorgangs dar, der durch den Luftfahr-
zeughersteller rekonstruiert wurde (rote Linie: Verlauf des linkes Hauptfahrwerks,
grüne Linie: Verlauf des rechtes Hauptfahrwerks, gelbe Linie: Verlauf des Flugzeug-
schwerpunkts).

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Abb. 2: Verlauf des abgebrochenen Starts auf der Piste 27 in Heraklion       Quelle: Luftfahrzeughersteller

Die Flugbesatzung flog am darauffolgenden Tag (11.07.2021) ohne Passagiere von
Heraklion nach Düsseldorf. Auf diesem Flug fungierte die verantwortliche Luftfahr-
zeugführerin als PM und der Copilot als PF. Der Outside Check vor dem Flug wurde
durch die verantwortliche Luftfahrzeugführerin durchgeführt. Der Flug verlief nach
Aussagen der Flugbesatzung ohne weitere Probleme.

Landung mit drucklosem Bugfahrwerksdämpfer auf dem Flughafen Ka-
vala am 11.07.2021
Mit dem Flugzeug war am 11.07.2021 ein Flug von Kavala, Griechenland, nach Düs-
seldorf geplant. An Bord befanden sich 74 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder.
Es handelte sich um den dritten Flug des Luftfahrzeuges an diesem Tag. Der ver-
antwortliche Luftfahrzeugführer war der PF und der Copilot fungierte als PM.

Den vorherigen Flug von Düsseldorf nach Kavala hatte die gleiche Flugbesatzung
durchgeführt. Nach deren Angaben hatte der Copilot sowohl den Outside Check vor
dem Flug von Düsseldorf nach Kavala als auch den vor dem geplanten Flug von Ka-
vala nach Düsseldorf gemacht. Der erste Outside Check wurde nach Aussagen der
Besatzung auf Grund der hohen Arbeitsbelastung des PICs durch diesen an den Co-
piloten gemäß SOP (Standard Operating Procedures) delegiert.

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Nach dem Abheben von der Piste 23 in Kavala um 19:42:15 Uhr war es den Piloten
nach eigenen Angaben nicht möglich, das Fahrwerk einzufahren. Der Fahrwerkshe-
bel war in der Stellung DOWN blockiert und ließ sich durch den Copiloten nicht in die
Stellung UP bewegen. Kurz darauf wurde die ECAM-Meldung L/G SHOCK ABSOR-
BER FAULT ausgelöst. Der verantwortliche Luftfahrzeugführer schaltete um
19:42:39 Uhr in einer Höhe von 930 ft AMSL den Autopiloten (AP1) ein, der nach 8 s
automatisch wieder abgeschaltet wurde. Dabei wurden die weiteren ECAM-
Meldungen AUTO FLT AP OFF und AUTO FLT A/THR OFF ausgelöst. Es war da-
nach nicht möglich, einen der beiden Autopiloten oder das Autothrust System zu ak-
tivieren. Das Flugzeug wurde für den Rest des Fluges manuell gesteuert. Während
des Steigflugs informierte der Copilot Kavala Tower über das Problem, das Fahrwerk
nicht einfahren zu können. Die Geschwindigkeit wurde um 19:43:32 Uhr durch den
verantwortlichen Luftfahrzeugführer auf 220 kt reduziert und der Flugweg in Start-
bahnrichtung fortgesetzt.

Danach wurde das Verfahren zur ECAM-Meldung L/G SHOCK ABSORBER FAULT
abgearbeitet. Die Piloten stellten fest, dass alle 3 Fahrwerke als ausgefahren und
gesichert angezeigt wurden, bestätigt durch die Fahrwerksanzeige (Landing Gear In-
dication Panel) sowie durch die Darstellung auf der ECAM WHEEL Page.

Um 19:50:15 Uhr beendeten die Piloten den Steigflug in FL 100 und flogen in Ab-
sprache mit dem Platzverkehrslotsen innerhalb des 25 NM Radius vom Drehfunkfeu-
er VOR KPL oberhalb der MSA (Minimum Sector Altitude) entlang von Radialen des
VOR KPL mit Steuerkursen, die in etwa parallel zur Piste verliefen (Abb. 3). Dabei
wurde das VOR KPL mehrfach überflogen. Unterstützung durch Radarvektoren war
nicht möglich, da in diesem Bereich keine Radarabdeckung vorhanden war.

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Abb. 3: Flugweg des betroffenen Luftfahrzeugs       Quelle: Luftfahrtunternehmen, Bearbeitung BFU

Der durch das ausgefahrene Fahrwerk erhöhte Kraftstoffverbrauch wurde von beiden
Piloten nach eigener Aussage realisiert und die restliche zur Verfügung stehende
Flugzeit mit ca. 2 Stunden abgeschätzt. Vor der Entscheidungsfindung wurde die lei-
tende Flugbegleiterin über die aktuelle Situation informiert. Mit Hilfe der FORDEC2
Methode kamen die Piloten zu dem Entschluss, mit dem vorhandenen technischen
Fehler wieder in Kavala zu landen.

Den Piloten war bei der vorliegenden ECAM-Meldung L/G SHOCK ABSORBER
FAULT nach eigener Aussage nicht klar, welches Fahrwerk von diesem Fehler be-
troffen war. Der Copilot vermutete einen Fahrwerksdämpfungsfehler an einem der

2
    FORDEC ist eine Methode zur strukturierten Entscheidungsfindung. Hierbei steht F für Facts, O für
    Options, R für Risks & Benefits, D für Decision, E für Execution und C für Check.

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beiden Hauptfahrwerke. Ein eventueller Zusammenhang des Fehlers mit dem am
Vortag stattgefundenen Startabbruch in Heraklion wurde von den Piloten diskutiert.

Die Flugbesatzung konnte das Wartungskontrollzentrum des Luftfahrtunternehmens
nicht über das System ACARS (Aircraft Communication and Reporting System) er-
reichen. Während des Vorfalls lag keine Datenverbindung vor und das System zeigte
den Status STBY (Standby).

Der Copilot informierte den Platzverkehrslotsen über die Entscheidung, wieder in Ka-
vala zu landen. Die Flugbesatzung forderte sicherheitshalber die Feuerwehr an. Da
der Platzverkehrslotse einen Mayday Call seitens der Piloten zur Bedingung machte,
die Feuerwehr zur Landung bereitzustellen, erklärte der Copilot nach Rücksprache
mit dem verantwortlichen Luftfahrzeugführer eine Luftnotlage.

Der verantwortliche Luftfahrzeugführer übergab die manuelle Kontrolle des Flug-
zeugs an den Copiloten und informierte anschließend die Kabinenbesatzung sowie
die Passagiere über die Entscheidung nach Kavala zurückzukehren. Der VOR-DME-
Anflug auf die Piste 23 in Kavala wurde vom verantwortlichen Luftfahrzeugführer
vorbereitet, gebrieft und nach erneutem Wechsel der Kontrolle durch ihn durchge-
führt.

Durch den Mayday Call hatte der Flughafen Kavala nach Angaben der Piloten alle
VFR-Flüge eingestellt bzw. vom betroffenen Flugzeug ferngehalten. Zum Zeitpunkt
des Anfluges befand sich auch kein weiterer an- oder abfliegender IFR-Verkehr im
Bereich des Flughafens Kavala.

Die Landung mit dem Hauptfahrwerk erfolgte um 20:35:03 Uhr. Nach dem Aufsetzen
des Bugfahrwerks fühlte sich nach Aussage der Flugbesatzung gegenüber der BFU
das weitere Einsinken des Bugfahrwerks in den Dämpfer ungewöhnlich hart an. Das
Flugzeug wurde mit Full Reverse und Auto Brake MED abgebremst. Auch beim Rol-
len war nach Angaben der Flugbesatzung eine fehlende Dämpfung des Bugfahr-
werks zu spüren.

Nach dem Abstellen des Flugzeugs auf der Parkposition, wurde ein druckloser Bug-
fahrwerksdämpfer sowie ein Strukturschaden im vorderen Bereich des Rumpfes,
insbesondere im Bereich des Frames 20, festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt gab es
keine sichtbare Leckage des Bugfahrwerksdämpfers.

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Angaben zu Personen
Personen beteiligt am Startabbruch in Heraklion
Verantwortliche Luftfahrzeugführerin

Die 40-jährige verantwortliche Luftfahrzeugführerin war Inhaberin einer zuletzt am
05.04.2019 durch das Luftfahrt-Bundesamt nach Teil-FCL (Flight Crew Licensing)
ausgestellten EU-Lizenz für Verkehrsflugzeugführer (ATPL(A)). In der Lizenz waren
die Berechtigungen als verantwortliche Luftfahrzeugführerin (PIC) für das Muster Air-
bus A320 und die zugehörige Instrumentenflugberechtigung eingetragen, jeweils gül-
tig bis zum 30.11.2021. Außerdem waren Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch
für Level 6 unbefristet gültig eingetragen.

Ihr flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war am 11.08.2020 ausgestellt
worden und bis zum 11.08.2021 gültig, verbunden mit der Auflage eine Brille zu tra-
gen.

Die verantwortliche Luftfahrzeugführerin hatte eine Gesamtflugerfahrung von
9 870 Stunden, davon 3 052 Stunden auf dem Muster A320. In den letzten 90 Tagen
hatte sie auf dem Muster 26 Stunden absolviert.

Copilot

Der 28-jährige Copilot war Inhaber einer zuletzt am 05.08.2019 durch das Luftfahrt-
Bundesamt nach Teil-FCL ausgestellten EU-Lizenz für Verkehrsflugzeugführer in
mehrköpfigen Besatzungen (MPL(A)). In der Lizenz waren die Berechtigungen als
Copilot (COP) für das Muster Airbus A320 und die zugehörige Instrumentenflugbe-
rechtigung eingetragen, jeweils gültig bis zum 31.07.2021. Außerdem waren Sprach-
kenntnisse in Deutsch für Level 6 unbefristet gültig und in Englisch für Level 4 gültig
bis zum 31.01.2025 eingetragen.

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war am 03.11.2020 ausgestellt
worden und bis zum 18.11.2021 gültig.

Der Copilot hatte eine Gesamtflugerfahrung von 808 Stunden, davon 718 Stunden
auf dem Muster A320. In den letzten 90 Tagen hatte er auf dem Muster 87 Stunden
absolviert.

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Personen beteiligt an der Landung in Kavala
Verantwortlicher Luftfahrzeugführer

Der 48-jährige verantwortliche Luftfahrzeugführer war Inhaber einer zuletzt am
26.03.2020 durch das Luftfahrt-Bundesamt nach Teil-FCL ausgestellten EU-Lizenz
für Verkehrsflugzeugführer (ATPL(A)). In der Lizenz waren die Berechtigungen als
verantwortlicher Luftfahrzeugführer (PIC) für das Muster Airbus A320 und die zuge-
hörige Instrumentenflugberechtigung eingetragen, jeweils gültig bis zum 31.12.2021.
Außerdem waren Sprachkenntnisse in Englisch für Level 4 gültig bis zum 30.11.2022
eingetragen.

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war am 08.07.2021 ausgestellt
worden und bis zum 10.08.2022 gültig, verbunden mit der Auflage eine Brille zu tra-
gen.

Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hatte eine Gesamtflugerfahrung von
5 068 Stunden, davon 4 772 Stunden auf dem Muster A320. In den letzten 90 Tagen
hatte er auf dem Muster 89 Stunden absolviert.

Copilot

Der 34-jährige Copilot war Inhaber einer zuletzt am 02.07.2019 durch das Luftfahrt-
Bundesamt nach Teil-FCL ausgestellten EU-Lizenz für Verkehrsflugzeugführer in
mehrköpfigen Besatzungen (MPL(A)). In der Lizenz waren die Berechtigungen als
Copilot (COP) für das Muster Airbus A320 und die zugehörige Instrumentenflugbe-
rechtigung eingetragen – gemäß Prüfungsprotokoll der letzten Berechtigungsüber-
prüfung vom 04.05.2021 – jeweils gültig bis zum 30.06.2022. Außerdem waren
Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch für Level 6 unbefristet gültig eingetragen.

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war am 09.12.2020 ausgestellt
worden und bis zum 12.01.2022 gültig, verbunden mit der Auflage eine Brille zu tra-
gen.

Der Copilot hatte eine Gesamtflugerfahrung von 1 108 Stunden, davon 774 Stunden
auf dem Muster A320. In den letzten 90 Tagen hatte er auf dem Muster 101 Stunden
absolviert.

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Angaben zum Luftfahrzeug
Allgemein
Der Airbus A320-214 ist ein Verkehrsflugzeug mit 2 Turbofan-Triebwerken für die
Kurz- und Mittelstrecke.

Hersteller:                 Airbus

Muster:                     A320-214

Werknummer:                 2142

Baujahr:                    2003

Gesamtbetriebszeit:         50 290:27 Stunden, 18 375 Zyklen

Maximale Startmasse:        77 000 kg

Die Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit (Airworthiness Review Certifi-
cate) des Luftfahrzeugs war bis zum 03.06.2022 gültig. Am 10.07.2021 stellte der
Wartungsbetrieb des Luftfahrtunternehmens die letzte Freigabebescheinigung (Air-
craft Certificate of Release to Service) aus.

Bugfahrwerksdämpfer
Abbildung 4 zeigt den Bugfahrwerksdämpfer (NLG3 Shock Absorber), der mit Hyd-
rauliköl und Stickstoff gefüllt ist. Der bewegliche Zylinder (Sliding Rod) inklusive der
Bugfahrwerksachse und den Bugfahrwerksrädern kann sich gegenüber dem im
Fahrwerksbein (NLG Strut) fest installierten Kolben (Piston) in vertikaler Richtung
bewegen. Zwischen beiden Bauteilen existiert im oberen Bereich eine dynamische
Abdichtung. Über Drehmomentverbindungen (Torque Links) ist der bewegliche Zy-
linder (sliding rod) mit dem steuerbaren Rohr (Rotating Tube) der Bugfahrwerkssteu-
erung gekoppelt.

Der Bugfahrwerksdämpfer wird in Abbildung 4 im ausgefahrenen Zustand gezeigt,
z.B. nach dem Abheben des Flugzeugs. In diesem Fall befinden sich die beiden
Messobjekte (Target Assemblies) der beiden jeweiligen Annäherungssensoren (Sen-
sor Assemblies) dicht unterhalb dieser Sensoren, so dass die zugehörigen Fahr-
werkscomputer LGCIU1 und LGCIU2 (Landing Gear Control and Interface Unit) für
das Bugfahrwerk das Signal „Flight“ erhalten.

3
    NLG Nose Landing Gear

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Bewegt sich der Kolben inklusive dem Fahrwerksbein auf Grund des Flugzeugge-
wichts am Boden nach unten, dreht sich der obere Teil der Drehmomentverbindung
nach links (Abb. 4), so dass über einen weiteren Verbindungshebel der Hebel mit
den Messobjekten nach vorn schwenkt. Sobald die Messobjekte genügend weit von
den Sensoren entfernt sind, erhalten die zugehörigen Fahrwerkscomputer das Signal
„Ground“.

Der Zustand „Ground“ bleibt nach dem Abheben des Flugzeugs erhalten, wenn sich
der bewegliche Zylinder auf Grund eines beschädigten Bugfahrwerksdämpfers trotz
des Eigengewichts der Bugfahrwerksachse und -räder sowie dem Gasdruck des
Dämpfers nicht in den ausgefahrenen Zustand bewegt.

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Abb. 4: Bugfahrwerksdämpfer im ausgefahrenen Zustand     Quelle: Luftfahrzeughersteller, Bearbeitung BFU

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Zusammenhänge beim Landing Gear Shock Absorber Fault
Wenn einer der Fahrwerksdämpfer nach dem Abheben des Flugzeugs nicht voll aus-
fährt, wird die ECAM-Meldung L/G Shock Absorber Fault ausgelöst. Die ECAM-
Meldung gibt keine Auskunft darüber, welcher der Fahrwerksdämpfer betroffen ist.

Der Luftfahrzeughersteller hat zu einem Vorfall am 10.04.2013, bei dem es ebenfalls
zu einem L/G Shock Absorber Fault mit einem Bugfahrwerk kam (AAIB Report
EW/C2013/04/01 im AAIB Bulletin 7/2014), folgende Information gegeben. Dabei
werden die Zusammenhänge zwischen den Signalen der Proximity Sensoren, den
Landing Gear Control Interface Units, den Flight Augmentation Computern (FACs)
und dem Auto Flight System erläutert.
[…] if the NLG did not fully extend due to some mechanical damage, the Nose
Shock-Absorber discrete associated with the proximity sensor, and directly connect-
ed to the FAC […] from each LGCIU […], will be set to the Nose Shock-Absorber ‘ON
GROUND’ state.

[…] if the compression status of the nose landing gear differs from that of the main
gears for more than 20 seconds, the LGCIU is considered invalid. Since both sets of
proximity switches failed to register ‘air mode’, both LGCIUs were considered failed
by the Flight Augmentation Computers (FACs) […].

[…] the invalid LGCIU status meant that the FACs, which, among other functions,
provide flight envelope protection, would have no indication of landing gear position.
This information is used in complex configuration and operational speed computation
so the lack of it reduces the integrity of these calculations. This in turn can lead to er-
rors in the weight and selectable speeds and is the reason why the Autopilot, Auto
Thrust and flight directors cannot be engaged. […]

[…] In this case, AP1+2 and ATHR will be displayed in the INOP SYS on the ECAM
[…] Status page.

Centralized Fault Display System
Ziel des Centralised Fault Display Systems (CFDS) ist es, Wartungsaufgaben einfa-
cher zu machen, indem Fehlermeldungen im Cockpit angezeigt werden und es der
Flugbesatzung erlauben, bestimmte Tests durchzuführen, wie im FCOM (Flight Crew
Operating Manual) Kapitel Aircraft Systems / Maintenance System / Description be-
schrieben.

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Das CFDS besteht aus einer Centralised Fault Display Interface Unit (CFDIU), dem
Built-In Test Equipment (BITE) für jedes elektronische System, zwei Multipurpose
Control and Display Units (MCDU), die u.a. auch für das Flight Management and
Guidance System (FMGS) verwendet werden, und einem Drucker.

Das CFDS besitzt 2 Betriebsarten. Im Flug existiert der Reporting Mode und am Bo-
den der Interactive Mode. Im Reporting Mode werden nur Fehlermeldungen über die
MCDU oder den Drucker angezeigt, während im Interactive Mode am Boden u.a.
auch Systemtests initiiert werden können.

Eine der Hauptaufgaben des CFDS ist es, Fehlermeldungen, die von den BITEs der
elektronischen Systeme oder vom Flight Warning Computer (FWC) kommen, zu er-
halten und zu speichern. Bei den Meldungen des FWC handelt es sich um ECAM-
Messages bzw. um Warning/Maintenance Status Messages und bei denen der BITE
Systeme um Failure Messages.

Beide Arten der Fehlermeldungen können während des Fluges über die MCDU oder
durch einen Ausdruck mit Hilfe des Druckers im Current Flight Report des CFDS ein-
gesehen werden. Nach der Landung, wird dann statt des Current Flight Reports der
Post Flight Report generiert, der alle im Flug aufgetretenen Warning/Maintenance
Status Messages und Failure Messages enthält.

Wenn der Fahrwerksdämpfer des Bugfahrwerks nach dem Abheben des Flugzeugs
nicht voll ausfährt, wird wie oben beschrieben die ECAM-Message L/G Shock Absor-
ber Fault ausgelöst. Des Weiteren werden durch das BITE der beiden LGCIUs die
folgenden Failure Messages generiert:

N L/G EXT PROX SNSR 25GA TGT POS

N L/G EXT PROX SNSR 24GA TGT POS

Diese zeigen an, dass beide Fahrwerkscomputer (LGCIU 1 und LGCIU 2) nach dem
Abheben kein gültiges ‘Flight‘ Signal durch die Proximity Sensoren des Bugfahrwerks
erhalten haben.

Sowohl die ECAM-Message L/G Shock Absorber Fault als auch beide Failure Mes-
sages können nach dem Abheben im Flug über den Current Flight Report und nach
der Landung über den Post Flight Report eingesehen werden.

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Meteorologische Informationen
Bezogen auf den Startabbruch in Heraklion herrschten laut Routinewettermeldung
(METAR) des Flughafens Heraklion vom 10.07.2021, Ausgabezeit 08:50 UTC, dort
folgende Wetterbedingungen:

Wind:              310°, 20 kt

Sichtweite:        mehr als 10 km

Bewölkung:         1 bis 2 Achtel mit einer Untergrenze von 2 500 ft AGL

Temperatur:        28 °C

Taupunkt:          19 °C

Luftdruck (QNH):   1 009 hPa

Bezogen auf den Start in Kavala herrschten laut Routinewettermeldung (METAR)
des Flughafens Kavala vom 11.07.2021, Ausgabezeit 16:20 UTC, dort folgende Wet-
terbedingungen:

Wind:              230°, 7 kt

Sichtweite:        mehr als 10 km

Bewölkung:         1 bis 2 Achtel mit einer Untergrenze von 3 000 ft AGL

Temperatur:        30 °C

Taupunkt:          17 °C

Luftdruck (QNH):   1 010 hPa

Bezogen auf die Landung in Kavala herrschten laut Routinewettermeldung (METAR)
des Flughafens Kavala vom 11.07.2021, Ausgabezeit 17:20 UTC, dort folgende Wet-
terbedingungen:

Wind:              220°, 6 kt

Sichtweite:        mehr als 10 km

Bewölkung:         1 bis 2 Achtel mit einer Untergrenze von 3 000 ft AGL

Temperatur:        28 °C

Taupunkt:          20 °C

Luftdruck (QNH):   1 010 hPa

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Navigationshilfen
Der ursprünglich geplante Flug von Kavala nach Düsseldorf am 11.07.2021 mit der
anschließenden Landung in Kavala wurde unter IFR durchgeführt. Für die Navigation
im Luftraum Kavala und für den Anflug auf die Piste 23 wurde das Drehfunkfeuer
KPL mit der dazugehörigen Entfernungsmessstation genutzt.

Funkverkehr
Der Funkverkehr zwischen der Besatzung und den Flugverkehrskontrollstellen wurde
für beide Vorfälle aufgezeichnet. Eine Umschrift der Aufzeichnungen wurde über die
Griechische Untersuchungsbehörde AAIASB (Hellenic Air Accident Investigation and
Aviation Safety Board) der BFU zur Verfügung gestellt.

Angaben zu den Flugplätzen
Verkehrsflughafen Heraklion
Der Verkehrsflughafen Heraklion (LGIR, Abb. 5) befindet sich ca. 7 km östlich vom
Stadtkern Heraklions in einer Höhe von 35 m (115 ft) AMSL. Das Flughafengelände
verfügte über eine 2 714 m lange und 45 m breite Asphaltpiste mit der Ausrichtung
091°/271° und einer zweiten 1 566 m langen und 50 m breiten Asphaltpiste mit der
Ausrichtung 122°/302°. Zur Zeit des Startabbruchs war die Piste 27 in Betrieb.
Für den Verkehrsflughafen gibt es sowohl die Bezeichnung Iraklion als auch Herakli-
on. In diesem Bericht wird die Bezeichnung Heraklion verwendet.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 5: Verkehrsflughafen Heraklion                         Quelle: Luftfahrtunternehmen

Verkehrsflughafen Kavala
Der Verkehrsflughafen Kavala (LGKV) befindet sich ca. 18 km östlich der Stadt Ka-
vala in einer Höhe von 5 m (18 ft) AMSL. Das Flughafengelände verfügte über eine
3 000 m lange und 45 m breite Asphaltpiste mit der Ausrichtung 050°/230°. Zur Zeit
des Unfalls war die Piste 23 in Betrieb.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Flugdatenaufzeichnung
Angaben zum Flugdatenschreiber (FDR) und Stimmenrekorder (CVR).

Hersteller FDR                    Allied Signal
Teilenummer                       980-4700-042
Seriennummer                      5534

Hersteller CVR                    Honeywell
Teilenummer                       980-6022-001
Seriennummer                      CVR120-12085

Zustand der Rekorder
Der FDR und der CVR standen der BFU zur Auswertung zur Verfügung. Die Daten
beider Recorder konnten ausgelesen werden.

FDR Diagramme
Startabbruch auf dem Flughafen Heraklion am 10.07.2021

Im Diagramm in Abbildung 6 sind wesentliche FDR-Parameter in einem Zeitraum von
25 s vor bis 20 s nach dem Startabbruch in Heraklion dargestellt.

Zum Ausgleich des rechten Seitenwinds waren von 09:10:31 UTC bis 09:10:50 UTC
positive Ruderausschläge nach links zu erkennen, die immer wieder in die Neutral-
lage zurückkehrten. In dieser Zeitspanne lag der magnetische Steuerkurs (Magnetic
Heading) in etwa bei 272°. Um 09:10:51 UTC wurde ein Ruderausschlag von -12°
nach rechts aufgezeichnet. Der magnetische Steuerkurs stieg in den folgenden 2 s
auf 281°. Um 09:10:52 UTC erfolgte ein Ruderausschlag in die entgegengesetzte
Richtung nach links auf +25°.

Dies war in etwa auch der Zeitpunkt, an dem der Start bei einer Geschwindigkeit von
137 kt CAS, abgebrochen wurde. Es wurden dann innerhalb von 3 s beide Schubhe-
bel (Throttle Lever Position Engine 1 und 2) von 40° in die Position -20° (entspricht
Full Reverse) bewegt. Die Geschwindigkeit stieg auf einen maximalen Wert von
140 kt CAS an.

Die Abbildung 6 zeigt 1 s nach dem Startabbruch einen Side-Stick-Input der verant-
wortlichen Luftfahrzeugführerin nach hinten. Die Längsneigung des Flugzeugs stieg
auf 2,8° und die Weight on Wheel (WOW) Sensoren des Bugfahrwerks meldeten das
Bugfahrwerk als abgehoben (Stellung „AIR“). Kurz darauf, um 09:10:54 UTC, erfolgte

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

ein Side-Stick-Input auf Seiten der verantwortlichen Luftfahrzeugführerin nach vorne,
der zunächst konstant blieb. Die negative Pitch Rate stieg in diesem Moment auf den
maximalen Wert von -9,7°/s und die WOW-Sensoren des Bugfahrwerks meldete das
Bugfahrwerk wieder am Boden (Stellung „GND“). Zum Zeitpunkt des Wiederaufset-
zens des Bugfahrwerks lag eine maximale Drehbewegung des Flugzeugs um die
Hochachse (Yaw Rate) nach links von -8°/s vor. Die Drehbewegung führte das Flug-
zeug zurück auf einen Steuerkurs in Richtung der Startbahnmittellinie, dabei stieg
der Rollwinkel nach rechts auf einen maximalen Wert von 1,4° an. Ebenfalls in dem
Moment, als das Bugfahrwerk wieder aufsetzte, ergab sich eine maximale vertikale
Beschleunigung (Vertical Acceleration) von 1,7 g. Die seitliche Beschleunigung be-
wegte sich während des Startabbruchs zwischen -0,36 g und +0,53 g.

Außer dem rechten Ruderinput um 09:10:51 UTC gibt es bislang keinen weiteren
Hinweis für eine plötzliche Bewegung des Flugzeugs nach rechts.

Die in Abbildung 6 dargestellte Pitch Rate ergibt sich aus der Ableitung der Längsla-
ge (Pitch) nach der Zeit, da im FDR die Pitch Rate als Parameter nicht direkt zur Ver-
fügung steht. Damit unterliegt die Pitch Rate in Abbildung 6 einer gewissen Unge-
nauigkeit. Im betroffenen Flugzeug war ein Digital AIDS Recorder (DAR) installiert,
der die von den ADIRUs (Air Data Inertial Reference Unit) deutlich genauer berech-
nete Pitch Rate direkt aufzeichnet. Verwendet man die akkuratere Pitch Rate vom
DAR erhält man den gleichen maximalen Wert von -9,7°/s im Moment des Wieder-
aufsetzens des Bugfahrwerks.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 6: FDR-Daten des Startabbruchs in Heraklion am 10.07.2021                Quelle: BFU

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Start auf dem Flughafen Heraklion am 11.07.2021

Im Diagramm in Abbildung 7 sind wesentliche FDR-Parameter des Starts in Herakli-
on am Tag nach dem Startabbruch in einem Zeitraum von 26 s vor bis 11 s nach
dem Abheben dargestellt.

Vom Luftfahrzeughersteller wurde festgestellt, dass ca. 2,5 s nach dem Rotieren und
Anstieg der Längsneigung (Pitch Angle) um ca. 07:22:35 UTC zunächst die zugehö-
rigen WOW Sensoren (Right Gear WOW und Left Gear WOW) die Hauptfahrwerke
als abgehoben (Stellung „AIR“) meldeten. Erst 1,6 s später gingen die WOW Senso-
ren des Bugfahrwerks (Nose Gear WOW) in die Stellung „Air“.

Von der üblichen Sequenz während des Abhebens, bei der durch die zugehörigen
WOW Sensoren zunächst das Bugfahrwerk und dann die Hauptfahrwerke als abge-
hoben gemeldet werden, wurde nur bei diesem Flug abgewichen. Bei allen anderen
auf dem FDR gespeicherten Flügen vor dem Startabbruch als auch bei dem Flug von
Düsseldorf nach Kavala am 11.07.2021 war eine normale Reihenfolge der WOW
Stellungen zwischen Bugfahrwerk und Hauptfahrwerken zu erkennen.

Abb. 7: FDR-Daten des Starts in Heraklion am 11.07.2021                 Quelle: BFU

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Landung mit drucklosem Bugfahrwerksdämpfer auf dem Flughafen Kavala am
11.07.2021

Im Diagramm in Abbildung 8 sind wesentliche FDR-Parameter der Landung in Kava-
la in einen Zeitraum von 21 s vor bis 19 s nach dem Aufsetzen der Hauptfahrwerke
dargestellt.

Kurz vor dem Aufsetzen betrug die Längsneigung (Pitch Angle) des Flugzeugs 6°.
Beide Hauptfahrwerke setzten um 17:35:03 UTC auf, die jeweiligen WOW-Sensoren
meldeten die Hauptfahrwerke am Boden (Stellung „GND“). Die WOW-Sensoren des
linken Hauptfahrwerks zeigten 1 s später kurzzeitig die Stellung „AIR“ und dann wie-
der „GND“ an. Der vertikale Beschleunigungswert (Vertical Acceleration) betrug beim
Aufsetzen beider Hauptfahrwerke 1,29 g.

Die Position der WOW-Sensoren des Bugfahrwerks gab keine Auskunft darüber,
wann das Bugfahrwerk aufgesetzt hat. Die WOW-Sensoren des Bugfahrwerks hatten
während des gesamten Flugs die Stellung „GND“ nicht verändert.

Durch die bekannte Startzeit um 16:42:21 UTC und die Synchronisation der Zeiten
zwischen dem FDR und dem CVR war es möglich, die Aufsetzzeit des Bugfahrwerks
mit 17:35:05 UTC zu berechnen, da auf dem CVR das ungewöhnlich laute Geräusch
bei der Bodenberührung des Bugfahrwerks zu hören war.

Kurz vor dem Aufsetzen der Hauptfahrwerke, ab einer Radio Height von ca. 50 ft war
eine oszillierende Bewegung des Side Sticks des verantwortlichen Luftfahrzeugfüh-
rers in der Längsneigung (Stick Left Position Pitch) in der Abbildung 8 zu erkennen,
die nach dem Aufsetzen der Hauptfahrwerke mit einer Vorwärtsbewegung des Side
Sticks über den Neutralpunkt hinaus in Richtung Drücken fortgeführt wurde. Danach
stieg während der Derotation Phase die negative Pitch Rate auf einen maximalen
Wert von -5,6°/s an, die in etwa zum Zeitpunkt erreicht wurde, als das Bugfahrwerk
aufsetzte.
Die Landung wurde mit dem automatischen Bremssystem in der Stufe MED und mit
vollem Umkehrschub (Full Reverse) durchgeführt. Dies entsprach einer Schubhebel-
stellung von -20° wie Abbildung 8 zu entnehmen ist.

Die in Abbildung 8 dargestellte Pitch Rate unterliegt genauso wie die in Abbildung 6
einer gewissen Ungenauigkeit. Verwendet man die akkuratere Pitch Rate vom DAR,
erhält man beim Aufsetzen des Bugfahrwerks einen geringeren maximalen Wert von
-4,6°/s (statt -5,6°/s), der als Grundlage für weitere Betrachtungen dient.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 8: FDR-Daten der Landung in Kavala am 11.07.2021                 Quelle: BFU

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Startabbruch auf dem Flughafen Heraklion
In Abbildung 1 sind die während des Startabbruchs entstandenen Gummiabriebspu-
ren aller Fahrwerksreifen gut zu erkennen. Mitarbeiter des Flughafens Heraklion ha-
ben den geringsten Abstand (Abb. 9) zwischen der Spur des rechten Hauptfahrwer-
kreifens (Reifen Nr.4) und des rechten Pistenrandes mit 3,7 m gemessen. Diese
Stelle lag etwa 230 m hinter dem Kreuzungspunkt zwischen Piste 27 und Piste 30.

Abbildung 10 zeigt die Gummiabriebspuren der beiden Bugfahrwerksreifen kurz nach
dem Wiederaufsetzen. Jeder Bugfahrwerksreifen besitzt ein Profil mit 5 Laufflächen
(Abb. 11). In Abbildung 10 sind die von den 5 Laufflächen des linken Bugfahrwerks-
reifens stammenden 5 Abriebspuren gut zu erkennen. Über eine Entfernung von 4 m
bis 5 m erstreckt sich rechts von den beiden Spuren, die die Bugfahrwerksreifen hin-
terlassen haben, eine weitere stärker sichtbare sechste Abriebspur.

Abb. 9: Geringster Abstand zwischen der Spur des rechten Hauptfahrwerksreifens und dem rechten Pistenrand
                                                                             Quelle: Luftfahrtunternehmen

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 10: Gummiabriebspuren der Bugfahrwerksreifen            Quelle: Flughafen Heraklion, Bearbeitung BFU

Abb. 11: Laufflächen eines Bugfahrwerksreifens   Quelle: BFU

Abbildung 12 zeigt die relative Lage der Spur des Bugfahrwerks gegenüber den Spu-
ren der Hauptfahrwerke. Es ist zu erkennen, dass nach dem Wiederaufsetzen des

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Bugfahrwerks, die Spuren der beiden Bugfahrwerksräder über eine längere Strecke
dichter zu denen des linken Hauptfahrwerks als zu denen des rechten verlaufen.
Dies ist in etwa die Strecke, bei der der Luftfahrzeughersteller durch Rekonstruktion
der Startabbruchstrecke einen positiven Driftwinkel des Flugzeugs von 6° bis 7° be-
rechnet hat.

Abb. 12: Relative Position der Spur des Bugfahrwerks gegenüber den Spuren der Hauptfahrwerke
                                                                 Quelle: Luftfahrtunternehmen

Landung mit drucklosem Bugfahrwerksdämpfer auf dem Flughafen Ka-
vala
Strukturschäden im vorderen Rumpfbereich

Nach der Landung in Kavala am 11.07.2021 mit einem drucklosen Bugfahr-
werksdämpfer wurden mehrere Strukturschäden im vorderen Rumpfbereich festge-
stellt. Die Untersuchung an der Struktur war bis zum Zeitpunkt der Berichtserstellung
noch nicht abgeschlossen.

In Abbildung 13 sind Verformungen der Rumpfaußenhaut im Bereich von Frame 20
auf der linken unteren Rumpfseite zu erkennen. In Abbildung 14 ist nahezu die glei-
che Beschädigung auf der rechten unteren Rumpfseite ebenfalls im Bereich von
Frame 20 zu sehen. Weitere Verformungen wurden im unteren Bereich des Rumpfes
bei Frame 21 und im oberen Bereich bei Frame 24 festgestellt.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 13: Beschädigung Rumpfblech linke Seite            Abb. 14: Beschädigung Rumpfblech rechte Seite
              Quelle: Luftfahrtunternehmen                               Quelle: Luftfahrtunternehmen

Die Lasten des Bugfahrwerks werden über die NLG Torque Box aufgenommen und
über Stützen (Struts) in die Rumpfstruktur weitergeleitet. In Abbildung 15 sind die rot
markierten Umrisse der inneren Struktur der NLG Torque Box zusammen mit dem
Bugfahrwerk abgebildet.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 15: Bugfahrwerk mit Fahrwerkschacht      Quelle: Luftfahrzeughersteller, Bearbeitung BFU

Abbildung 16 zeigt eine Skizze des Rumpfquerschnitts bei Frame 16 und Frame 20
zusammen mit blau markierten Stützen, die u.a. die Lasten in die darüber liegenden
grün markierten Querbalken (Cross Beams) der Rumpfstruktur weiterleiten.

Die Stützen zwischen der NLG Torque Box und den darüber liegenden Querbalken
waren u.a. im Bereich von Frame 20 und von Frame 16 an den Verbindungsstellen
verbogen.

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Abb. 16: Skizze des Rumpfquerschnitts bei Frame 16 und Frame 20         Quelle: BFU

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abbildung 17 zeigt die beiden links und rechts liegenden verbogenen Stützen im Be-
reich des Frames 20.

Abb. 17: Stützen zwischen NLG Torque Box und Querbalken von Frame 20   Quelle: Luftfahrtunternehmen

Unter anderem waren die in Abbildung 16 grün markierten Querbalken im Bereich
von Frame 20 und von Frame 16 ebenfalls deformiert, sowohl in der Längs- als auch
der Querausrichtung.

Beim Frame 20 wurde auf der linken unteren Seite ein Riss (Abb. 18, linkes Bild) und
auf der rechten unteren Seite eine Deformierung festgestellt (Abb. 18, mittleres Bild).
Auf der rechten Seite des Frames 20 hatte sich zusätzlich eine Verbindung zwischen
einer Längsstrebe und dem Frame abgelöst (Abb. 18, rechtes Bild).

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Abb. 18: Beschädigungen am Frame 20                         Quelle: Luftfahrtunternehmen

Bugfahrwerksdämpfer

Der Bugfahrwerksdämpfer wurde nach der Landung drucklos vorgefunden. Die
Chromschicht vom beweglichen Zylinder des Dämpfers war nicht mehr sichtbar
(Abb. 19, linkes Bild). Zunächst gab es keine Leckage am Bugfahrwerksdämpfer,
diese trat erst am folgenden Tag (12.07.2021) auf. Das rechte Bild von Abb. 19 zeigt
das ausgelaufene Hydrauliköl unterhalb des Dämpfers.
Bei einer Boroscope Inspektion des Bugfahrwerksdämpfers wurden im Bereich des
Kolbens u.a. metallisch aussehende Späne entdeckt. Die genaue Zuordnung dieser
Späne zu bestimmten Bauteilen des Dämpfers war nicht möglich. Es ist geplant, das
gesamte Bugfahrwerk, insbesondere den Bugfahrwerksdämpfer, beim Fahrwerks-
hersteller zu untersuchen.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 19: Druckloser Bugfahrwerksdämpfer      Leckage am Bugfahrwerkdämpfer
                          Quelle: BFU                     Quelle:Luftfahrtunternehmen

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Bugfahrwerksreifen

Beide Bugfahrwerksreifen wiesen deutlich sichtbare Beschädigungen an den jeweili-
gen rechten Reifenflanken auf (Abb. 20).

Abb. 20: Beschädigungen an den rechten Reifenflanken der Bugfahrwerksreifen   Quelle: BFU

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Post Flight Report

Der Post Flight Report (PFR) wurde u.a. von dem verantwortlichen Luftfahrzeugfüh-
rer nach der Landung selbstständig ausgedruckt. Er beinhaltete die in Abbildung 21
aufgelisteten Warning/Maintenance Status Messages und Failure Messages.

Abb. 21: Post Flight Report nach der Landung in Kavala      Quelle: Luftfahrtunternehmen

Organisationen und deren Verfahren
Technische Kontrollen nach einem Startabbruch
Kriterium für die Auswahl der korrekten AMM Inspection nach Startabbruch

Nach Aussage vom Luftfahrzeughersteller und gemäß AMM gibt es nach einem er-
folgtem Startabbruch keine generelle AMM Inspection, die durch die Technik durch-
geführt wird. Die anzuwendende AMM Inspection richtet sich im Wesentlichen nach

                                                   - 35 -
Zwischenbericht BFU21-0555-2X

den Informationen bzw. Schilderungen durch die Piloten. Mit diesen Informationen
wird ein Kriterium zur Auswahl der korrekten AMM Inspection getroffen.

Nach Angaben der Mechaniker besaßen sie nach dem Startabbruch durch die ver-
antwortliche Luftfahrzeugführerin die Information, dass das Flugzeug nach rechts
weggezogen war. Der Eintrag der verantwortlichen Luftfahrzeugführerin im Techni-
schen Logbuch lautete: Aborted TO at V 120 KTS.

Durchgeführte Kontrollen und Befunde nach dem Startabbruch

● Allgemeine Sichtprüfung

Bei der Befragung der Mechaniker durch die BFU gaben diese an, dass sie zunächst
eine Allgemeine Sichtprüfung (General Visual Inspection (GVI)) des Flugzeugs
durchgeführt hatten und dabei feststellten, dass alle 4 Reifen des Hauptfahrwerks,
insbesondere der äußere Reifen des rechten Hauptfahrwerks (Abb. 8), beschädigt
waren und gewechselt werden mussten. Keiner der Reifen war drucklos. Nach Aus-
sage der Mechaniker beinhaltete die GVI u.a. eine Sichtprüfung des Bugfahrwerks-
bereichs, des Bugfahrwerksschachts und der vorderen Rumpfsektion. Die Ergebnis-
se der Inspektion dieser Bereiche waren nicht im Detail dokumentiert.

Abb. 8: Zustand der Reifen Nr. 3 und Nr. 4 nach dem Startabbruch    Quelle: Luftfahrtunternehmen

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

● AMM Inspection 05-51-15 after a Tire Burst or Tread Throw or Wheel Failure

Nach der GVI wurde nach Angaben der Mechaniker die Kontrolle mit der „AMM In-
spection 05-51-15 after a Tire Burst or Tread Throw or Wheel Failure” fortgesetzt.

● AMM Inspection 05-51-16 after Brake Emergency Application or Overheat

Nachdem bei einer Begutachtung der Piste 27 durch den Flughafenbetreiber keine
Reifenteile gefunden worden waren und keiner der Reifen drucklos war, wendeten
die Mechanikern die „AMM Inspection 05-51-16 after Brake Emergency Application
or Overheat“ an. Diese Vorgehensweise ist durch Email-Korrespondenz zwischen
den Mechanikern und dem Wartungskontrollzentrum des Luftfahrtunternehmens in
Deutschland belegt. Außer den 4 beanstandeten Hauptfahrwerksreifen, wurden
durch diese Inspektion keine weiteren Schäden festgestellt.

Im Gegensatz zur „AMM Inspection 05-51-15 after a Tire Burst or Tread Throw or
Wheel Failure“ beschränkt sich die „AMM Inspection 05-51-16 after Brake
Emergency Application or Overheat“ hauptsächlich auf die Hauptfahrwerksräder und
-bremsen.

Die durchgeführte „AMM Inspection 05-51-16 after Brake Emergency Application or
Overheat“ und der Wechsel aller 4 Hauptfahrwerksreifen waren im Technischen
Logbook des Flugzeuges eingetragen.

Nach Aussage der Mechaniker wurde auch die begonnene „AMM Inspection 05-51-
15 after a Tire Burst or Tread Throw or Wheel Failure“ komplett durchgeführt, die
auch die Inspizierung des vorderen Rumpfbereichs (4. Procedure / B. Inspection of
the Fuselage (FR1 to FR34)) und des Bugfahrwerks sowie des Bugfahrwerkss-
chachts (4. Procedure / C. Inspection of the NLG and the NLG Well) beinhaltet.
Ebenfalls wurde nach ihrer Aussage die sichtbare Länge des Bugfahrwerksdämpfers
mit 7 Inches gemessen.

Das Technische Logbook des Flugzeugs enthielt keine Angaben über die Durchfüh-
rung der „AMM Inspection 05-51-15“ und das Vermessen der sichtbaren Länge des
Bugfahrwerkdämpfers.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Anzuwendende AMM Inspection nach einem Startabbruch mit hohen seitlichen
Beschleunigungen

Wenn hohe seitliche Beschleunigungen bei einem Startabbruch aufgetreten sind,
wird zunächst die „AMM 05-51-44 Inspection after Aircraft Operation with high Lateral
Acceleration“ angewendet. Falls die seitlichen Beschleunigungen den Wert von
0,42 g überstiegen haben, wird zur „AMM 05-51-11 Inspection after a hard Landing“
gewechselt.

Load Report 15
Bei dem betroffenen Flugzeug wurde der sogenannte „Enhanced Load Report 15“
verwendet, der automatisch, u.a. auch bei der Überschreitung von seitlichen Be-
schleunigungslimits, generiert wird. Bei einem Startabbruch wird jedoch auch bei
Überschreitung dieser Limits kein Load Report 15 ausgelöst, da sich hierbei das
Flugzeug weder in der Luft noch in der Touch Down Phase befindet.

Anzuwendende AMM Inspection nach einem Startabbruch mit hoher De-
rotation Rate

Wenn während der De-rotation Phase eine hohe Pitch Down Rate beim Aufsetzen
des Bugfahrwerks vorlag, wird die „AMM 05-51-11 Inspection after a hard Landing“
angewendet. Diese hohe Pitch Down Rate kann bei der Landung oder auch – wie im
vorliegenden Fall – bei einem Startabbruch mit anschließender Rotation und De-
rotation Phase entstanden sein.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Verfahren bei L/G Shock Absorber Fault
Das ECAM-Verfahren L/G SHOCK ABSORBER FAULT (Abb. 22) wurde im FCOM,
Kapitel Procedures / Abnormal and Emergency Procedures / L/G dargestellt und an-
gewendet, wenn ein Fahrwerksdämpfer nach dem Abheben nicht voll ausgefahren
ist.

Falls, wie im vorliegenden Fall, sich das Fahrwerk im ausgefahrenen Zustand befin-
det, soll der Fahrwerkshebel in der Position „Down“ belassen werden. Damit ergibt
sich das bei ausgefahrenem Fahrwerk gültige Geschwindigkeits- bzw. Machzahllimit
von 280 KIAS bzw. 0,67.

Durch das ausgefahrene Fahrwerk erhöht sich der Kraftstoffverbrauch. Der entspre-
chende Faktor, mit dem der Kraftstoffverbrauch ansteigt, kann im Quick Reference
Handbook (QRH) unter „OPS Fuel Penalty Factors / ECAM Alert Table“ eingesehen
werden. Es ergibt sich eine Erhöhung des Verbrauchs um 180 %.

Die Vorhersagen des Flight Management Systems sind unzuverlässig.

In einer Notiz im FCOM wurde unter dem vorliegenden Verfahren darauf hingewie-
sen, dass bei diesem Fehler auch Autopilot sowie Autothrust ausfallen können.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Abb. 22: ECAM Procedure L/G Shock Absorber Fault      Quelle: Luftfahrtunternehmen

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

De-rotation Phase
Im Flight Crew Techniques Manual (FCTM), Kapitel Procedures / Normal Proce-
dures / Standard Operating Procedures - Landing (Abb. 23), wurde beschrieben,
dass der Pilot nach dem Aufsetzen des Hauptfahrwerks, das Bugfahrwerk weich zu
landen hat, dies jedoch ohne Verzögerung. Es wurde weiterhin darauf hingewiesen,
dass die Verwendung des automatischen Bremssystems in Stufe MED zu einem har-
ten Aufsetzen des Bugfahrwerks führen kann.

Abb. 23: Landung des Bugfahrwerks                        Quelle: Luftfahrtunternehmen

Zusätzliche Informationen
Der Luftfahrzeughersteller hatte im AMM kein maximales Limit für die Pitch Down
Rate in der De-rotation Phase festgelegt. In der „AMM Inspection 05-51-11 after a
Hard Landing“ wurde im Falle einer “High Pitch-rate De-Rotation Landing” gefordert,
die Flugdaten zwecks Analyse an den Luftfahrzeughersteller zu schicken. Der Load
Report 15 sollte nicht zur Bestätigung einer hohen Pitch Down Rate verwendet wer-
de.

Statistische Werte über die Pitch Down Rate
Um die Werte der Pitch Down Rate beim Aufsetzen des Bugfahrwerks, die bei der
Landung in Kavala und beim Startabbruch in Heraklion aufgetreten waren, verglei-
chen und einordnen zu können, wurden der Luftfahrzeughersteller und das Luftfahrt-
unternehmen von der BFU gebeten, statistische Werte hierfür zu liefern.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Der Luftfahrzeughersteller hat 38 348 Flüge von insgesamt 2 Luftfahrtunternehmen
und deren A320 CEO (Current Engine Option) Flotten betrachtet. Im Durchschnitt lag
die Pitch Down Rate beim Aufsetzen des Bugfahrwerks bei -2°/s. In 1 % der Fälle
kam es zu einer Pitch Down Rate von ca. -4,5°/s oder weniger und in 0,1 % der Fälle
zu einer von -5,4°/s oder weniger. Pitch Down Raten von -7°/s oder weniger kamen
nicht vor. Die Pitch Down Rate wird direkt durch die ADIRUs berechnet und mit einer
Rate von 4 Hz aufgezeichnet.

Das Luftfahrtunternehmen hat 2 750 Flüge seiner A320 CEO Flotte betrachtet. Dabei
lag die Pitch Down Rate beim Aufsetzen des Bugfahrwerks im Durchschnitt bei -
1,7°/s. Eine Pitch Down Rate von -4,2°/s trat in ca. 3,8 % der Fälle und eine Rate von
-5,6°/s nur noch in 0,1 % der Fälle auf. Pitch Raten unterhalb von -5,6°/s kamen nicht
vor. Bei der statistischen Untersuchung des Luftfahrtunternehmens muss erwähnt
werden, dass eine Unsicherheit bei der Berechnung der Pitch Down Rate von bis zu
2,8°/s vorliegen kann.

Sicherheitsempfehlungen
Maßnahmen des Luftfahrtunternehmens
Das Luftfahrtunternehmen hat nach dem Unfall eine Veröffentlichung für Flugbesat-
zungen herausgegeben, um die Piloten darüber zu informieren, dass nach dem Auf-
treten von hohen seitlichen Beschleunigungen am Boden, insbesondere bei solchen
über 0,42 g, eine Maintenance Inspection erforderlich ist. Da am Boden kein Load
Report 15 generiert wird, ist hierbei der subjektive Eindruck der Piloten entscheidend.
Wenn die Flugbesatzung hohe seitliche Beschleunigungen am Boden wahrgenom-
men hat, soll dies im Technischen Logbuch eingetragen und der Wartungsbetrieb
darüber informiert werden.

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Zwischenbericht BFU21-0555-2X

Untersuchungsführer:        Holm Bielfeldt

Untersuchung vor Ort:       Holm Bielfeldt, Dr. Susann Winkler

Mitwirkung:                Dr. Susann Winkler, Michel Buchwald, Berndt Dreyer,
                           Jens Friedemann, Ekkehart Schubert

     Die Untersuchung wird in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
     Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Okto-
     ber 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störun-
     gen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfäl-
     len und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Unter-
     suchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.

     Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
     Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des
     Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.

Herausgeber

Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung

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38108 Braunschweig

Telefon       0 531 35 48 - 0
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