Zwischenraum PAN - das ambulante Palliativnetz - Hospizkreis - Hospizkreis Minden
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Ausgabe 31 | 2. Halbjahr 2020 Hospizkreis Minden e. V. Zwischenraum PAN – das ambulante Palliativnetz Vernetzte Palliativversorgung für schwersterkrankte und sterbende Menschen im Mühlenkreis Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 1
Editorial eingestimmt Liebe Freundinnen und Freunde der Hospizarbeit, Sie halten unser zweites Magazin „Zwischen- Schwer erkrankte Menschen waren auf sich raum“ in den Händen. Wir haben das Thema gestellt. Aber lesen Sie selbst … „Palliative Versorgung“ gewählt, weil uns immer wieder gespiegelt wird, wie wenig sich In unserer Reihe „Kino & Hospiz“ zeigen wir viele Menschen darunter vorstellen können. diesmal drei sehr besondere Dokumentationen. In den Redaktionsgesprächen wurde schnell Ein Bonbon: Die Regisseure kommen nach Min- deutlich, dass es wir mit den gewohnten den zu einem Filmgespräch. Bitte merken Sie 28 Seiten nicht auskommen. Nun sind es sich die Termine vor. Wir wissen zum jetzigen 40 Seiten geworden. Es gibt diesmal sechs Zeitpunkt allerdings nicht, ob jede Veran- Hauptartikel zu Themen wie: „Wer oder was ist staltung auch in der ausgeschriebenen Form PAN?“, „Begegnung mit dem Tod“, „Umfrage- stattfinden kann. Bitte schauen Sie kurz vorher ergebnisse zu PAN“, „Ethik und Patientenver- auf unsere Webseite. fügung“, „Wer macht was bei PAN?“ und schließlich erklären wir einige Fachbegriffe. Wir hoffen, das Lesen dieses Magazins wird Sie bereichern. Für Ihre Fragen oder Anmerkungen Die Fülle der Beiträge macht deutlich, wie in stehen wir gerne zur Verfügung und freuen uns über zehn Jahren palliativer Versorgung aus über jede Rückmeldung. einem Blümchen eine große Blumenwiese entstanden ist – mit unterschiedlichen Pflanzen. Mein herzlicher Dank gilt allen Autorinnen und Jede für sich hat ihren Wert und dient letztlich Autoren, aber auch unserem kleinen Redakti- den betroffenen Menschen, die diese Wiese onsteam, das mit viel Liebe und Engagement betreten. das Entstehen der Ausgaben garantiert hat! In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viel Freude In der Rubrik „Menschen“ finden Sie zwei beim Lesen. weitere Artikel, die ganz konkret und lebensnah die Situation von Sterbenden, gerade in Zeiten Helmut Dörmann der Corona-Pandemie, lebendig werden lassen. Für das Redaktionsteam: Helmut Dörmann Über diese Artikel freue ich mich besonders, Koordinator des Hospizkreises Minden e. V. weil über die Situation von schwerkranken Menschen in Corona-Zeiten viel zu wenig Hinweis: Aus Gründen der Lesbarkeit wird gesprochen wurde und wird. Gerade jetzt stellenweise die männliche Form gewählt, bräuchten Betroffene Unterstützung durch nichtsdestoweniger beziehen sich die Begegnung. Das war leider oft nicht möglich. Angaben auf Angehörige aller Geschlechter. Impressum Herausgeber: Bürozeiten: Spendenkonto: Hospizkreis Minden e. V. Montag 9.00-12.30 Uhr Hospizkreis Minden e. V. Simeonsplatz 3, 32423 Minden Dienstag 9.00-12.30 Uhr Volksbank Mindener Land eG Donnerstag 9.00-12.30 Uhr IBAN: DE06 4906 0127 0890 1102 00 Redaktion: BIC: GENODEM1MPW Helmut Dörmann (V.i.S.d.P.) Sekretariat: Elvira Gahr Bettina Mattausch Spendenbescheinigungen stellen wir ab Inge Tegtmeier Tel.: 0571/2 40 30 100,00 Euro aus. Bitte tragen Sie gut lesbar Guido Meyer Namen und Anschrift auf dem Überweisungs- Koordinatoren: träger ein. Bis zu einer Spende von 200,00 Euro Lektorat: Helmut Dörmann, Tel.: 0571/645 67 321 pro Einzelspende genügt den Finanzbehörden Illa Traub, kontakt@illa-traub.de Elvira Gahr, Tel.: 0571/645 67 322 ein „vereinfachter Spendennachweis”, z. B. Layout und Satz: meyer kommunikation Ulrike Riechmann, Tel.: 0571/645 67 323 eine Buchungsbestätigung der Bank oder eine Fotos: Peter Hübbe, Anja Kruse, Fotolia, Kopie des Überweisungsträgers. Adobe Stock und Unsplash E-Mail/Internet: Druck: Bruns Druckwelt GmbH & Co. KG info@hospizkreis-minden.de hospizkreis-minden.de 2 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
inhaltlich Inhalt 04 26 Sterbende begleiten Veranstaltungen während der 2. Halbjahr 2020, Pandemie u. a.: 14. Filmreihe KINO UND HOSPIZ 08 Begegnung mit dem Tod – wie Abschied 10 verbindet Sechs Beiträge zum Hauptthema Palliativ Ambu- lantes Netzwerk Inhalt Vereinsarbeit ________________________________________________________ 04 Stimmen ___________________________________________________________ 07 Schwerpunktbeitrag: Begegnung mit dem Tod – wie Abschied verbindet _ _________ 08 Schwerpunktbeitrag: Was ist das Netzwerk PAN? ____________________________ 10 Schwerpunktbeitrag: Aufgabenverteilung im Palliativ-Netzwerk _ ________________ 14 Schwerpunktbeitrag: Umfrage zu PAN _____________________________________ 16 Schwerpunktbeitrag: Ethik und Patientenverfügung _ _________________________ 18 Schwerpunktbeitrag: Begriffe aus der Palliativ- und Hospizarbeit – ein Glossar _ ____ 20 Schwerpunktbeitrag: Trauer als Bestandteil palliativer Versorgung _______________ 24 Wir brauchen Ihre Menschen – Eindrücke aus Begleitungen _ _________________________________ 25 Unterstützung! Kooperation – Kriegsenkel e. V., die Krisenkompetenz der Kriegsenkel ____________ 28 Wenn Ihnen unser Sinnliches – „Was so kommt“ von Michael Voß, ehrenamtlich Mitarbeitender_______ 30 Magazin gefällt, Medien – Buchtipps _ _________________________________________________ 31 spenden Sie – Veranstaltungen – Aktuelle Termine _ _____________________________________ 32 auch online: Über uns – Der Hospizkreis _____________________________________________ 38 hospizkreis-minden.de Mithilfe – Spenden _ __________________________________________________ 39 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 3
Vereinsarbeit aktiv Sterbende begleiten mit Einschränkungen? Die COVID-19-Pandemie hat unsere tägliche Arbeit und die Arbeit in den stationären Pflegeeinrichtungen deutlich verändert. Durch die Infektion mit dem Coronavirus sind ältere und hochaltrige Menschen, die häufig chronisch mehrfach erkrankt und gebrechlich sind, am stärksten gefährdet, zu erkranken oder sogar zu versterben. Von Ulrike Riechmann, Elvira Gahr und Helmut Dörmann Begleitungen in den stationären Pflegeeinrichtungen Seit dem 12. Mai sind die Besuchsregelungen gelockert. Da- durch dürfen Angehörige nach Absprache und unter Einhaltung Laut behördlicher Vorgabe durften seit Mitte März die Bewoh- der Vorsichtsmaßnahmen kurze Besuche machen. Wir als Hos- ner in den Pflegeeinrichtungen von ihren Angehörigen nicht pizdienst wünschen uns, dass Schwerkranke und Sterbende mehr besucht werden. Der Kontakt beschränkt sich auf Tele- nicht allein und einsam sind und so betreut werden können, fonate. Dies betrifft auch die hospizlichen Begleitungen durch wie sie es sich selbst wünschen – entweder durch eigene unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen. Das bedeutet, dass Angehörige und bei Wunsch gern durch Hospiz- und andere seit Mitte März keine Bewohner*innen von Pflegeeinrichtungen soziale Dienste. mehr vom Hospizkreis Minden dort besucht und hospizlich Wir wünschen allen Mut, Kraft und Durchhaltevermögen für begleitet werden dürfen. unsere gemeinsame Arbeit. Bei sterbenden Bewohner*innen dürfen die Pflegeeinrich- Von Ulrike Riechmann, tungen eine Ausnahme vom Besuchsverbot machen. Nahen Koordinatorin des Hospizkreises Minden e. V. Angehörigen wird einmal täglich unter Einhaltung der Hygiene- maßnahmen ein kurzer Besuch gestattet. Für Hospizdienst- Begleitung im häuslichen Bereich Mitarbeitende gilt dies nicht. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen auch vor den Diese Situation ist auch für uns schwer aushaltbar. Sterbende Sterbebegleitungen zu Hause nicht halt. Die wöchentlichen und schwerkranke Menschen haben ja weiterhin das Bedürf- persönlichen Kontakte durch die ehrenamtlich Mitarbeiten- nis, nicht einsam zu sein und mit Fragen zu Leben, Sterben den des Hospizkreises wurden, auch auf Empfehlung des und Tod nicht allein gelassen zu werden. Wo es möglich ist, Verbandes, erst einmal ausgesetzt. Die Kontakte liefen erst wird telefonischer Kontakt angeboten. So können Betroffene einmal nur telefonisch. Aber Telefonkontakte sind natürlich mit und vor allem Angehörige sich telefonisch beim Hospizkreis einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht zu verglei- melden und haben so die Möglichkeit, Gespräche zu führen. chen. „Nach 15 Minuten ist alles gesagt“, berichtete einer der Das ist anders, als wenn man sich gegenübersitzt, aber auch Ehrenamtlichen. „Ohne die Mimik meines Gegenübers kann ich ein Gespräch am Telefon kann helfen. nicht zwischen den Zeilen lesen.“ 4 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
aktiv Vereinsarbeit ©AdobeStock Besonders traurig war die Zeit ohne persönliche Kontakte für Sehr zum Leidwesen der Betroffenen aber auch der Mitarbei- die Menschen, die kein familiäres Umfeld haben. Häufig ist die tenden des Hospizes. Die Leiterin Dorothea Stentenbach for- Begleitung durch den ehrenamtlich Mitarbeitenden die einzige mulierte es so: „Wir und die Gäste vermissen euch“. Auch wir Verbindung zur Außenwelt. als Mitarbeitende des Hospizkreises haben die Gäste und die Seit Ende Mai sind im häuslichen Bereich nun die persönlichen Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden im Hause vermisst. Kontakte wieder möglich. (Selbstverständlich unter Berück- sichtigung der Sicherheitsmaßnahmen, wie Maske, Hände Gerade in dieser Zeit offensichtlicher Not ist dies für alle waschen und Händedesinfektion.) Da es auch einige neue schwer auszuhalten. Um durch diese Zeiten gut hindurch- Anfragen gibt, hat man das Gefühl, dass nach dieser Zeit der zugehen, braucht es eine Haltung von Respekt, Achtsamkeit Abgeschiedenheit der Gesprächsbedarf besonders hoch ist. und Mitgefühl und die Tatsache, dass es um unser aller Wohl geht. Ein Lernprozess, mit dem uns dieses Virus eine Chance Von Elvira Gahr, Koordinatorin des Hospizkreises Minden e. V. bietet, die uns als Gesellschaft voranbringen kann, vor allem in Bezug auf unsere Haltung. Denn „Hospiz ist kein Ort, sondern Begleitungen im stationären Hospiz „Volker Pardey Haus“ eine Haltung“. Sie erinnern sich: Das „Hospiz Minden“ eröffnete im August Seit dem 2. Juni sind die Sicherheitsregelungen gelockert und 2019 seine Pforten. Die sterbenden Menschen im Hause, die Begleitungen von ehrenamtlich Mitarbeitenden des Hospiz- man als „Gäste“ betrachtet, werden von einem Team ehren- kreises sind wieder möglich. Natürlich sind alle Besucher (und amtlich Mitarbeitender des Hospizkreises in ihrer letzten somit auch wir), gehalten sich dann das Hygienekonzept des Lebensphase begleitet. Volker Pardey Hauses zu halten. Die Begleitungen im Hospiz fanden zwei Mal in der Woche statt. Dann kam die Corona-Pandemie mit all den bekannten Wir sind froh, dass Begleitungen im stationären Hospiz wieder Einschränkungen. Es konnten ab Mitte März keine Besuche möglich sind und die Gäste endlich wieder Besucher und Be- im Hause mehr stattfinden. Somit fehlte die die psychosoziale gleiter empfangen dürfen. Ich hoffe, dies kann auch so bleiben. Begleitung durch ehrenamtlich Mitarbeitende. Helmut Dörmann, Koordinator des Hospizkreises Minden e. V. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 5
Vereinsarbeit aktiv Newsletter Im April 2020 ist der erste Newsletter des Hospizkreises „News“ zu versorgen. Wir sichten die Informationen und Sie erschienen und im Juni dann der Zweite. Letzterer ist ein bekommen sie in komprimierter Form. Wenn Sie Vorschläge Sonder-Newsletter geworden. Wir wollten aktuell über die haben, was in einem solchen Newsletter unbedingt zu lesen Unterstützungsangebote des Hospizkreises in den Bereichen sein sollte, lassen Sie es uns bitte wissen. Sterbebegleitung, Trauerangebote und Beratung informieren. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass sich fast wöchentlich Zur Zeit gibt es 83 Abonnenten. Wir möchten Sie einladen, die Dinge ändern. Die Rückmeldungen hierzu waren positiv. sich auf unserer Webseite zu registrieren, um sich unseren Newsletter zusenden zu lassen oder zu abonnieren. Es ist ganz Warum ein Newsletter? Wir planen drei bis vier Newsletter im einfach und bedarf nur weniger Klicks. Jahr mit aktuellen Informationen rund um alles, was sich im Persönlichen, im Verein und auch im Gesellschaftlichen um Helmut Dörmann, Koordinator des Hospizkreises Minden e. V. Hospizarbeit dreht. Denn wir haben den Anspruch, Sie mit Weiterführung der Trauergruppengespräche Seit einigen Jahren wird die Begleitung von Trauernden in den Erstaunlich war, dass auch die emotionale Öffnung wie Gruppen „Trauernde Eltern“, „Trauernde Angehörige nach Suizid“ Lachen, Weinen, Schweigen, Gestik usw. im Verlauf möglich und „Trauernde Angehörige“ vom Hospizkreis angeboten. waren und phasenweise sehr intensiv empfunden wurden. In monatlichen Gruppengesprächen werden die Teilnehmer- Am Ende der Zusammenkunft äußerten sich alle Teilnehmer *innen in einem geschützten Rahmen in der Verarbeitung ihrer positiv zu dieser Form der Gruppenabende. Das direkte Treffen Trauer professionell begleitet und gestützt. Dieses Angebot können sie allerdings nicht ersetzen. auch in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie mit dem Für das jeweils doppelt besetzte Leitungsteam ergaben sich Kontaktverbot weiterzuführen, erforderte die Suche nach auch neue bisher nicht gekannte Hürden. Die Durchführung neuen Kommunikationswegen. Mit einer sicheren Video- des Gesprächskreises hing von der störungsfreien Life-Über- Konferenzschaltung konnte schon im April ein Angebot für tragung und der Schaffung eines vertraulichen Rahmens ab. die Fortführung der Gesprächsrunden erstellt werden. Erst damit waren dann die Gesprächsräume für die eigent- Über Mail- und direkte Anschreiben wurden die bisherigen liche Gruppenarbeit gegeben. Die Teilnehmerzahl von fünf Teilnehmer*innen informiert und erhielten den Datenzugang. bis sieben Personen pro Sitzung bewerten wir als erfolgreich. Leider hatten drei Gruppenmitglieder keinen Zugang zum Bedauerlich war es allerdings, dass ca. ein Drittel der Grup- Internet. penmitglieder aus technischen bzw. persönlichen Gründen Für Trauernde, die per Internet den technischen Zugang zum nicht teilnehmen konnte. geschützten Live-Video-Raum, herstellen konnten, ergab sich folgendes Szenario: Am gewohnten Gruppenabend setzten sich Zusammenfassend kann das Angebot Trauergruppenabende die Teilnehmer Zuhause an Computer, Tablet oder Smart- per Videokonferenz in Zeiten von Kontaktsperren fortzuführen, phone. Mit den notwendigen Kamera-, Mikrofon- und Lautspre- als weitere Möglichkeit des Hospizangebots als erfolgreich cherfunktionen konnten sie sich in den virtuellen Konferenz- angesehen werden. raum einwählen. Diese ersten Schritte waren technisch nicht für jede*n Teilnehmer*in gleich umsetzbar. Nach Behebung Michael Voß, ehrenamtlicher Mitarbeiter der anfänglichen Verbindungsprobleme ergab sich eine neue zunächst ungewohnte Gesprächsatmosphäre. Die Teilneh- mer äußerten ein gewisses Befremden, sich selbst auf dem Hinweis: Bildschirm zu sehen und mit den in weiteren Porträtfenstern Die Trauergruppentreffen finden ab Juni 2020 wieder in sichtbaren Teilnehmern aktuell zu kommunizieren. Aber schon den Räumlichkeiten des Hospizkreises statt. Natürlich nach der ersten Vorstellungs- und Befindlichkeits-Runde stellte unter Beachtung der aktuellen Sicherheitsvorschriften in sich die vertraute Gesprächsatmosphäre ein. Abstimmung mit dem Gesundheitsamt Minden. 6 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
mitgeteilt Stimmen Wer oder was ist PAN? Erfragt von Ulrike Riechmann, Koordinatorin des Hospizkreises Minden e. V. Hat PAN mit Musik zu PAN kenne ich. Sie haben tun? meine Bekannte in einer schweren Erkrankung gut PAN hat mit palliativ zu unterstützt, als der Haus- tun. Es ist ein Netzwerk. arzt nicht erreichbar war. PAN kenne ich nicht. Ich glaube ich kenne PAN. Eine Freundin ist zu- PAN ist ein Zusammen- sätzlich vom Palliativarzt schluss von Organisati- behandelt worden. onen und Vereinen mit dem Ziel, die Betreuung Es hat mit Palliativ zu tun. von schwerkranken Es werden schwerkranke Menschen zuhause und Menschen zuhause ver- in den Heimen zu sorgt, damit sie nicht ins optimieren. Krankenhaus müssen. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 7
Titelthema Das Palliativ-Netzwerk Schwerpunkthema Palliatv-Netz Begegnung mit dem Tod Von Elvira Gahr Seit 10 Jahren arbeite ich als Koordinatorin beim Hospizkreis einem guten Umgang mit Sterben, Tod und Trauer kommen, Minden. Mein Hauptarbeitsbereich umfasst die Koordination der wenn diese Themen mit einem Tabu belegt sind und man darü- Begleitungen von schwer erkrankten und sterbenden Menschen ber nicht spricht? Wenn mein Umfeld gar nicht hören möchte, im häuslichen Bereich und im Johannes-Wesling-Klinikum. wie schwer es mir fällt, meinen Angehörigen in den Tod zu Das heißt, bevor die ehrenamtlich Mitarbeitenden die Begleitung begleiten? übernehmen, findet ein erster Besuch durch die Koordination Auf die Frage „Was wünschen Sie sich?“ antworten sterbende statt. Im Zentrum dieses ersten Besuchs stehen natürlich die Menschen häufig: „Jemanden, der mir zuhört. Jemanden, dem Bedarfe der Familien und des Sterbenden, aber es geht häufig ich erzählen kann, wie wütend ich bin zu sterben. Jemanden, auch darum, das Unausweichliche und Unaussprechliche der meine Sprachlosigkeit mit mir aushält. Jemanden, mit dem auszusprechen; es geht darum, dem Tod und der Endlichkeit zu ich schweigen kann. Jemanden zum Weinen und zum Lachen. begegnen. Jemanden, der einfach mit mir sein kann. Jemanden, der mich Oft kennen wir den Tod nur aus dem Fernsehen, haben noch nie nicht überzeugen will, dass alles wieder gut wird. Jemanden, der jemanden sterben sehen, geschweige denn begleitet. Laut einer mich ernst nimmt und den Weg des Abschieds mit mir geht.“ Statistik haben die meisten bis zum 65. Lebensjahr noch nie Im ersten Moment denkt man: „Das ist nicht schwer, das kann einen Toten gesehen. Dazu kommt auch, dass das Thema „Tod“ ich.“ Im nächsten Moment wird jedoch deutlich, dass das nur in der Gesellschaft oft ausgeklammert wird. Wie soll man zu geht, wenn ich mich berühren lasse – von dem Sterben des 8 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 ©Foto: Andreas Bohnenstengel
Das Palliativ-Netzwerk Titelthema ©AdobeStock anderen und von meiner eigenen Sterblichkeit. seinem Bett; sie sprachen über gemeinsame Erlebnisse und die Wenn ich den Mut habe, mich auf mein Gegenüber einzulassen, liebenswerten Macken des Vaters und Großvaters. Herr W. starb wird das auch die Sicht auf mein Leben verändern. zehn Tage später im Kreis seiner Familie. In einem abschlie- ßenden Gespräch berichtete die Familie von dieser besonderen An dieser Stelle möchte ich von Herrn W. erzählen: Zeit als eine sehr besondere, bereichernde Erfahrung. Herr W. war bei unserem ersten Treffen 78 Jahre alt. Er lebte Ein Sohn erwähnte noch, dass für ihn der Tod seinen Schrecken mit seiner Ehefrau und dem Sohn samt Familie in einem Haus. verloren habe. „Ich habe nicht nur meinen Vater sterben sehen, Er hatte vier Kinder und Schwiegerkinder und neun Enkel. sondern bin auch meiner eigenen Sterblichkeit begegnet!“, be- Herr W. hatte eine Darmerkrankung, unter der er sehr litt. Im richtete er später. Für alle Familienmitglieder waren diese zehn Laufe der Jahre hatte er gelernt, mit den Einschränkungen zu Tage von Nähe und Verbundenheit geprägt. „Eine besondere leben, er war aber jetzt an einem Punkt, an dem er das nicht Zeit, die wir nicht missen möchten, und die für immer in unseren mehr tolerieren wollte. Er hatte für sich beschlossen, dass es Herzen bleibt. Diese Zeit hat uns als Familie noch einmal anders an der Zeit wäre, sich aus seinem Leben zu verabschieden und zusammengebracht und verbunden.“ hatte daher das Essen und Trinken eingestellt. Ich möchte noch einmal betonen, dass es nie einfach ist, mit Bei meinem ersten Besuch sagte er: „Ich habe mein Leben dem Tod eines geliebten Menschen zu leben; ohne den Men- gelebt, aber jetzt ist es genug. Ich möchte in Frieden sterben. schen, den man geliebt hat, weiterzuleben. Der Tod kann aber Ich möchte von meiner Familie Abschied nehmen und hier zu auch etwas Verbindendes haben. Wenn wir die Menschen, Hause in aller Ruhe gehen.“ Auf meine Frage, was ich für ihn die uns nahe sind, in den Tod begleiten, hat das etwas Verbin- tun könne, sagte er: „Ich brauche jemanden, der meiner Familie dendes und bereichert das weitere Leben. Der Tod macht uns erklärt, was ich möchte, und jemanden, der mir und meiner Frau Zurückbleibenden Angst, weil wir nicht wissen, was nach dem zur Seite steht. Ich möchte, dass die kommende Zeit eine gute Tod des geliebten Menschen kommt; wie die Zukunft ohne den Zeit wird.“ Sterbenden aussieht. Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: „Wir Meine Aufgabe war es, mit der Familie zu sprechen, die anfäng- müssen das, was wir am meisten fürchten, in unser Leben ein- lich skeptisch war. Es gab viele Fragen und viele Vorschläge, wie laden; müssen uns das, was wir fürchten, zum Freund machen, man den Vater und Großvater überzeugen könne weiterzuleben. dann verliert es seinen Schrecken. Die Trauer allerdings müssen Da Herr W. aber bei seinem Entschluss blieb, hat die Familie wir akzeptieren und durchwandern, um uns dann in dem neuen diese Entscheidung akzeptiert. Alle verbrachten viel Zeit an Leben zurechtzufinden und es neu zu ordnen. Was aber immer dem Bett von Herrn W., führten Gespräche und nahmen sich bleibt, ist die Liebe, wenn wir uns erinnern.“ Zeit für den Abschied. Es kam die Zeit, dass Herr W. nicht mehr ansprechbar war und die Familie versammelte sich weiter an Elvira Gahr, Koordinatorin des Hospizkreises Minden e. V. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 9
Titelthema Palliativ-Netzwerk Was ist das Palliativ- Netzwerk PAN? Die Frage „Wer oder was ist PAN?“ haben wir unter anderem im Rahmen von verschiedenen Öffentlichkeitstagen in den Innenstädten von Minden, Bad Oeynhausen und Lübbecke der Bevölkerung gestellt. Manchmal kam als Reaktion nur ein Achselzucken oder der Hinweis auf den Hirtengott aus der griechischen Mythologie. Von Daniela Möller-Peck Zunehmend mehr Menschen konnten die Abkürzung jedoch Das Logo symbolisiert das Netzwerk. Dabei steht der Punkt bereits eindeutig zuordnen, und so stellen wir fest, dass der hinter dem Schriftzug symbolisch für die Patienten sowie ihre Begriff PAN in der Region bekannter geworden ist. An- und Zugehörigen, die von dem Netzwerk „getragen“ und von Die Bürgerinnen und Bürger haben davon gehört, hatten direkt den verschiedenen Partnern unterstützt werden. Kontakt zu einem der Partner des Netzwerkes oder haben die Leistungen selbst in Anspruch genommen. Was oder wer verbirgt sich nun aber hinter diesem Netzwerk? Die Abkürzung steht für Palliativ Ambulantes Netzwerk. Zum ersten „Runden Tisch“ kamen im Jahr 2007 neben den Palliativä- rzten, die Vertreter von drei Pflegediensten, die Hospizinitiativen der Region, die kreisweit tätige Krebsberatung und die ambu- lante Palliativberatung. Das Klima war geprägt von Interesse an den anderen Berufsgruppen und dem Ziel, künftig gemeinsam Was sind die Grundlagen der vernetzten Versorgung? Strukturen und Inhalte zu erarbeiten, die sterbenden Menschen und ihren Angehörigen dienlich sein könnten. Die Basis der im Kreis Minden-Lübbecke in den vergangenen Nach intensiven Abstimmungsprozessen fanden alle – trotz der Jahren etablierten flächendeckenden Palliativversorgung ist verschiedenen Anliegen und Trägerschaften – schnell zu einer der gesetzliche Anspruch der Versicherten auf eine ambulante gemeinsamen Zielsetzung. Rückblickend betrachtet ist dies Schmerztherapie am Lebensende. Die Leistungen der Palliativ- keineswegs selbstverständlich. Es ist wohl dem Engagement der versorgung tragen die gesetzlichen sowie die privaten Kranken- Mitglieder der ersten Stunde zu verdanken und ihrer Fähigkeit, kassen. Über die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe sich selbst zurückzunehmen, wenn es dem Ganzen dient. Das existiert ein hausarztzentrierter Vertrag, der den behandelnden galt damals und gilt für die aktuelle Runde der Partner immer Ärzten Palliativ Konsildienste (PKD) und eine Koordinationskraft noch. zur Seite stellt. So auch hier im Kreis Minden-Lübbecke. Koope- Heute ist aus dem etwas holprig klingenden Palliativ Ambulantes rierende Ärzte können den diensthabenden Palliativarzt des PKD Netzwerk das Ambulante Palliativ Netz im Mühlenkreis ge- konsiliarisch in palliativmedizinischen Fragestellungen einbezie- worden mit inzwischen mehr als 70 Partnern aus den Bereichen hen, ihn zur Mitbehandlung auffordern oder ihn den Patienten Medizin – Pflege – Hospiz – Versorgung – Seelsorge - etc. übernehmen lassen. Neben den Partnern aus der ambulanten Versorgung sind auch die beiden stationären Hospize in Lübbecke und Minden, die Der PKD Kreis Minden-Lübbecke ist aufgrund der Größe des Palliativstation im Johannes Wesling Klinikum und die Palliativ- Kreisgebietes in aktuell vier Teilregionen untergliedert. Im PKD teams im Krankenhaus Bad Oeynhausen sowie im Herz- und sind ca. 15 Palliativmediziner und -medizinerinnen vertreten. Diabeteszentrum aktive Kooperationspartner. Die übernehmen diese Rolle im PKD zusätzlich zu ihren Auf- Alle kommen unter dem Netzwerk-Dach zusammen, folgen gaben in der eigenen Hausarztpraxis. In jeder der Teilregionen einheitlichen Leitlinien und zeigen ihre Verbundenheit durch den ist eine Patientenkoordinatorin eingestellt, die Palliative Care Hinweis „Wir sind vernetzt mit PAN“. Fachkraft ist. 10 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
Palliativ-Netzwerk Titelthema Palliativärzte Haus- und Fachärzte Pflegeberufe Patientinnen und Angehörige Patienten- Hospizdienste koordinatoren Für jede Teilregion gibt es einen anerkannten ambulanten palli- beteiligter Praxen und einer kontinuierlich wachsenden Zahl ativen Pflegedienst. Daneben arbeiten die meisten ambulanten von eingeschriebenen Patient*innen geführt (in 2011: 500 Pflegedienste eng mit dem Netzwerk zusammen. eingeschriebene Patient*innen, in 2019: 1.500 eingeschriebene Alle ambulanten Hospizdienste im Kreis werden im Bedarfs- Patient*innen). fall an der Versorgung von Betroffenen beteiligt. In der Region existieren die ambulanten Hospizdienste länger als das Netz- Zuhause versorgt und begleitet – was heißt das konkret? werk. Dank ihres Engagements hat sich in den vergangenen Jahrzehnten eine flächendeckende Hospizkultur entwickelt. Zuhause bestmöglich begleitet und versorgt – das ist die ober- Die Hospizkoordinator*innen stimmen sich eng mit den ste Zielsetzung der Partner. Nach verschiedenen statistischen Patientenkoordinator*innen des PKD ab und koordinieren den Erhebungen (u.a. Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2015) ist Einsatz der zahlreichen Ehrenamtlichen. das auch der Ort, an dem die Menschen am liebsten sterben möchten. Mit der Begleitung der PAN-Partner ist das möglich Die Kontaktaufnahme zum Netzwerk erfolgt auf unterschied- und auch gut möglich wie die Ergebnisse der Angehörigen- lichen Wegen. Um die Leistungen der vernetzten Versorgung in be-fragungen aus den Jahren 2016 bis 2020 (s. Seite 16) zeigen. Anspruch nehmen zu können, muss der Patient in das Netzwerk „eingeschrieben“ sein. Was heißt das nun konkret? Mit dem Zuhause ist neben der eigenen Wohnung und dem eigenen Haus auch die stationäre Pflegeeinrichtung gemeint. Wie arbeitet das Netzwerk? Hausbesuche sind für das Palliativteam unabdingbar, da nur hier die Möglichkeiten und Grenzen einer ambulanten palliativen Der Zugang zu der integrierten Versorgung im Kreis Minden- Versorgung sichtbar werden. Lübbecke, d.h. die Einschreibung, erfolgt immer über die Haus- oder Fachärzte. Parallel melden sich Betroffene direkt bei Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses ist die Basis einer den beteiligten Palliativärzten und -ärztinnen, den Patientenkoor- Begleitung und Versorgung. Das kann im Vorfeld bereits durch dinatorinnen, den ambulanten Hospizdiensten oder den anderen den ambulanten Hospizdienst passiert sein, der dann zu einem Netzwerkpartnern. späteren Zeitpunkt die Informationen an die Patientenkoordina- Wichtige Schnittstellen sind die von der stationären in die torin oder den Patientenkoordinator weitergibt. Oder der ambu- ambulante bzw. die von der fachärztlichen zur hausärztlichen lante Hospizdienst wird eingebunden, wenn ein psychosoziales Versorgung. Hier werden Betroffene durch den Sozialdienst Unterstützungsangebot angezeigt erscheint. oder die onkologischen Praxen über die Netzwerkleistungen Die Gesamtsituation vor Ort, die Krankheitsgeschichte und wie informiert und auf Wunsch übermittelt. So können Versor- die Diagnose empfunden wird, ist eine wichtige Grundlage der gungslücken überbrückt werden, was für Betroffene zu einer weiteren Begleitung. schnelleren und effektiveren Versorgung im eigenen Zuhause führt. Die Einschreibung erfolgt aber auch hier immer über den Weiter interessiert, wer an der Versorgung in welcher Form be- beteiligten Haus- und Facharzt. reits beteiligt ist, welche aktuellen Symptome und Probleme am Weiter klärt die Patientenkoordinatorin oder der Patientenko- stärksten wahrgenommen werden, welche Heil- und Hilfsmittel ordinator in neuen oder den vereinzelt noch nicht beteiligten vorhanden sind oder benötigt werden. Wie stellen sich die pfle- Hausarztpraxen über den Rechtsanspruch der Patientinnen und gerische und vielleicht auch die finanzielle Situation dar? Welche Patienten und den Vertragsinhalt auf. Das hat im Kreis Minden- weiteren Sicherungsmaßnahmen (Sturzgefahr, Vollmachten und Lübbecke in den letzten Jahren zu einer stetig steigenden Zahl Verfügungen) sind nötig? Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 11
Titelthema Palliativ-Netzwerk Rettungsdienste PAN e. V. Gesundheits- und Pflege- Pflege- konferenz beratungs- Palliativ- indirekt auch mittelfristig in zentren Sozialarbeit stationen der Region (Lerneffekte). Durch die abgestimmte Haus- Koordination werden Kranken- Krebs- und Kostenträger Leistungen, die bis- Patienten- häuser beratung Fachärzte her nebeneinander koordina- Bürgerinnen toren erbracht wurden, sinnvoll vernetzt. Das verstärkt zum einen Palliativ- Ambulante Hospiz- die Einzelleistung medizin Pflegedienste dienst (Synergieeffekte) Seelsorge Ausbildungs- und verhindert Über-, Palliativ- stätten Unter- oder Fehlver- Gemeinden pflegedienst sorgung. Auch müssen Therapeuten sich Betroffene nicht Stationäre selbst im Dickicht des Pflegeheime Gesundheitswesens Stationäre Hospize orientieren, sondern Medizintechnik Seniorenbeiräte haben Ansprechpartner, an die sie sich mit allen Anliegen Die wenden können. Bedenkt man zen- die krisenhafte Situation vieler Apotheken Regionalpolitik trale Betroffener, stellt das einen großen Frage Mehrwert dar. ist, was der sterbende Mensch Welche weiteren Informationen zum möchte. Das heißt, es Netzwerk sind wissenswert? wird gemeinsam ein individu- eller Hilfeplan erstellt, der alle Bedürfnisse Durch ein großes und kompetentes Netzwerk erschließen sich und Bedarfe berücksichtigt. So können alle benötigten Helfer Möglichkeiten, Sterbende ganzheitlich und damit sehr hospiz- und Helferinnen gemeinsam mit der Familie und/oder Freunden lich im Mühlenkreis zu begleiten. Aktuell sind insgesamt passend tätig werden. Da sich die Situation oft recht schnell ca. 70 Partner aus verschiedenen Bereichen im engeren Netz- verändert, ist ein enger Kontakt notwendig, um schnell regieren werk vertreten. Es ist ein lockerer Verbund von Organisationen, zu können. Auch ist ein Notfallplan mit wichtigen Ansprechpart- Einrichtungen, Stationen, Teams und Einzelpersonen, die sich nern oder Handlungsoptionen zu erstellen, um Sicherheit zu alle im Sinne des Sterbenden einbringen. geben. Der Patientenkoordinator übernimmt hier die weitere Folgende Leitlinien bestimmen die Zusammenarbeit: Abstimmung aller Partner und hält neben dem ggf. hinzugezo- genen ambulanten Hospizdienst den engen Kontakt zur Familie. • gemeinsames Bewusstsein im Sinne von „Es geht nur gemeinsam“ Oft ist die Zeit der Begleitung für die Angehörigen sehr belastend • ernsthaftes Ringen um einen Interessensausgleich, und anstrengend. Wenn sich die Situation verschärft und auch der Hierarchien vermeidet der Schlaf in den Nächten zunehmend weniger wird, können • eine geteilte Verantwortung und deutlich erkennbare Arbeits- Nachtwachen zur Entlastung eingesetzt werden. Diese stellt teilung, die niemanden zum „Einzelkämpfer“ werden lässt das Netzwerk bereit. Der Palliativarzt entscheidet gemeinsam • Offenheit, Wertschätzung und gemeinsames Lernen mit dem Patientenkoordinator über die Notwendigkeit und den • Transparenz, fließende Informationen und eine aktive Einsatz. Öffentlichkeitsarbeit • die Tatsache, dass die Zusammenarbeit vor dem Welche Vorteile bietet diese vernetzte Versorgungsstruktur Wettbewerb steht den Betroffenen? Vereinbart ist außerdem eine systematische Struktur-, Pro- Ein nennenswerter Vorteil ist, dass Betroffene weiterhin durch zess- und Ergebnisqualität durch eine ständige Überprüfung ihren, in der Regel vertrauten, Hausarzt betreut werden. Nimmt der entwickelten Prozesse und Strukturen. Zur Abstimmung der die Beratungsleistung seiner Palliativkollegen in Anspruch, treffen sich die Netzwerkpartner mindestens einmal im Jahr zum verbessert sich die medizinische Versorgung im Einzelfall, aber Gesamtnetzwerk-Treffen in großer Runde. 12 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
Palliativ-Netzwerk Titelthema Das Netzwerk unterstützt und fördert außerdem auch: Persönliche und abschließende Reflexion der Netzwerk Koordinatorin • Angebote von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für alle Partner aus den unterschiedlichen Bereichen (u.a. PAN-Fach- Sicherlich funktionieren Netzwerke nur, wenn alle Beteiligten tag) und Sammlung von Angeboten anderer Bildungsanbieter einen Nutzen davon haben, und wenn die Zusammenarbeit in der Region auch Freude bereitet. Das ist im PAN-Netzwerk nach meiner • Einen Pool von Nachtwachen für die Entlastung der beglei- Einschätzung der Fall. Ein wichtiges Kennzeichen der guten teten Familien Zusammenarbeit ist, dass sich alle Berufsgruppen zum einen um • Letzte Hilfe-Kurse in der Region ihre eigenen Aufgaben in der Palliativversorgung kümmern, sich • die Öffentlichkeitsarbeit für die Themen: Palliative und aber andererseits auch für die Belange der Anderen einsetzen hospizliche Versorgung und deren Anliegen gegenüber Dritten vertreten. Dies stärkt den • Forschungsfragen und die Zusammenarbeit mit Fach- und Zusammenhalt und funktioniert trägerübergreifend. Oft arbeiten Hochschulen viele der Partner in herausfordernden Situationen und an Bela- • die Vermittlung von Angeboten für die Zeit nach dem stungsgrenzen. Dann sind die Termine des Netzwerkes häufig Tod für Trauernde die, die zusätzlich noch hinzukommen. Es ist somit als ein gutes Zeichen zu werten, wenn diese Termine nicht abgesagt, sondern Die Steuerungsgruppe ist das Gremium, in dem alle relevanten wahrgenommen werden. An dieser Stelle an alle, die aktiv mitar- Entscheidungen getroffen werden. Hier sind alle Disziplinen beiten und ihren Beitrag leisten, ein riesengroßes Dankeschön. mit jeweils einem Vertreter aus den Teilregionen vertreten. Außerdem wird die Runde von der Vorsitzenden des NADel e.V. Und da es in einem komplexen Netzwerk immer auch Räume für (Netzwerk Ambulanter Pflegedienste) ergänzt. Die Treffen finden Reflexion und den persönlichen Austausch geben sollte, wurde alle zwei Monate statt und werden von der Netzwerk Koordina- zum 10-jährigen Bestehen in 2017 zum ersten Mal ein Som- torin vorbereitet. Außerdem findet einmal/Jahr ein Klausurtag zu merfest veranstaltet, das in den Folgejahren mit großem Erfolg einem bestimmten Themenfeld statt. wiederholt wurde. In diesem Jahr fällt dieses Fest der Corona- Doch nicht nur die Zusammenarbeit im inneren Zirkel der Part- Krise zum Opfer. Den Fachtag wird es aufgrund dessen voraus- ner ist entscheidend. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren sichtlich zum ersten Mal in virtueller Form geben. So stellt sich Einrichtungen und Organisationen in der Region ist wichtig und auch das Netzwerk aufgrund der aktuellen Krise neuen Heraus- aktuell sehr gut. Die Grafik zeigt den inneren und äußeren Kreis forderungen. Diese Erfahrungen werden in die weitere Entwick- der Netzwerkpartner. So wird z.B. gemeinsam mit dem Demenz- lungsarbeit einfließen. Netz im Kreis Minden-Lübbecke in diesem Jahr der Fachtag zum Thema „Palliative Begleitung von Menschen mit Demenz“ Abschließend ist der fachliche und auch soziale Synergieeffekt vorbereitet. im PAN-Netzwerk der Mehrwert, der das Netzwerk ausmacht. Dieser Mehrwert entsteht zum einen für die aktiven Netzwerker, Wie wird die Netzwerkarbeit finanziert? zum anderen vor allem aber auch für die betroffenen Menschen, die durch PAN begleitet und versorgt werden. Das Netzwerk ist ein loser Verbund von Partnern. Diese Tatsa- che trägt sichtlich auch zum Erfolg bei. Ökonomische Interessen Kontakt Netzwerk Koordinatorin treten in den Hintergrund. Für eine erfolgreiche Zusammen- Daniela Möller-Peck arbeit ist keine Mitgliedschaft erforderlich, sondern allein die Bismarckstraße 43 Bereitschaft, verlässlich und gut zusammenzuarbeiten und sich 32423 Minden an den Leitlinien der Zusammenarbeit zu orientieren. Bevor ein Tel.: 0151-50748024 Partner dazukommen kann, muss die Zusammenarbeit bereits E-Mail: koordination@pan-im-muehlenkreis.de erprobt sein. Dann gibt es ein erstes Gespräch mit der Netzwerk Koordinatorin, die den Wunsch in der Steuerungsgruppe vor- stellt. Nach dem OK aus dieser Runde gibt es eine persönliche Vorstellung auf dem Gesamtnetzwerk-Treffen. Im Hintergrund sorgt der Förderverein PAN e.V. für die Finanzie- rung aller Netzwerkaktivitäten. Dazu gehört z.B. die Organisation und Durchführung von Fort- und Weiterbildungen. So findet ein- mal im Jahr im November ein PAN-Fachtag zu einem speziellen Daniela Möller-Peck Thema mit rund 100 Fachkräften aus der Region statt. Der Verein finanziert außerdem die Öffentlichkeitsarbeit (Web- Sie übernimmt seit 2015 ©Bei der Autorin site, Infobrief, Presse etc.) und das Honorar der freiberuflich freiberuflich die Koordination tätigen Netzwerk Koordinatorin. Zum Teil finanziert er auch des ambulanten Palliativ- Projekte der Partner auf Antrag (u. a. „Hospiz macht Schule“ netzes. Persönliche Erfah- und die „Letzte Hilfe-Kurse“). rungen führten zur beruf- lichen Neuorientierung und zum ehrenamtlichen Engagement Der Verein ist gemeinnützig tätig und wird von einem ehrenamt- in der Hospizarbeit. Heute arbeitet sie projektbezogen für lichen Vorstand geleitet. Erster Vorsitzender ist Dr. Toni Huber, verschiedene regionale Einrichtungen und mit Menschen Haus- und Palliativarzt aus Minden. in Abschieds- und Veränderungsprozessen. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 13
Titelthema Palliativ-Netzwerk Wer macht was, wenn eine lebensbegrenzende Diagnose vorliegt? Die Aufgabenverteilung Palliativmedizinischer Konsiliardienst PKD Hausarzt/Facharzt Ambulanter Pflegedienst Patientenkoordinator PK Informiert den Patienten und Übernimmt oder führt die Nach der Einschreibung verein- seine Angehörigen über die bereits gestartete Behand- bart der PK zeitnah einen Erst- Leistungen des Palliativnetzes. lungspflege fort. besuch mit dem Patienten und seinen Angehörigen zu einem Gespräch über die weiteren Unterstützungsleistungen. Schreibt den Patienten in das Falls Palliative-Care-Kräfte Der Patientenkoordinator stellt Palliativnetz ein. Dafür ist eine im Team vorhanden sind, den Kontakt zu den verschie- vom Patienten oder seinen Be- übernehmen diese die denen Diensten her (Pflege, vollmächtigten unterzeichnete Palliativpflege. Hospizdienst, Versorger), wenn Erklärung erforderlich. dieser noch nicht vorhanden ist. Übernimmt und koordiniert Er ist Mittler zwischen Haus- die medizinische Versorgung, arzt und Palliativarzt. Er stellt die erforderlichen informiert die diensthabenden Rezepte und Verordnungen Palliativärzte über den aktu- für die Versorger aus. ellen Zustand des Patienten. Hält einen engen Kontakt Sorgt bei einer entsprechenden zum Patientenkoordinator Verordnung für die Bereitstellung des PKD und bespricht mit einer Nachtwache aus dem Pool. ihm alle wichtigen Fragen der Versorgung. Erhält bei Bedarf palliativ- Steht der Familie für alle medizinische Beratung von Fragen zur Verfügung. den Palliativärzten im PKD. 14 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
Palliativ-Netzwerk Titelthema im Palliativ-Netzwerk Ambulanter Hospizdienst Palliativarzt (QPA) Hospiz- Ehrenamtlich Apotheke/ koordinator Mitarbeitende (EA) Homecare Die Palliativärzte sind über eine Vermittelt Patienten Besucht die Patienten Übernehmen die Ver- Notrufnummer in den Zeiten in das PAN-Netz oder und die Familie in sorgung mit Medika- erreichbar, wenn die Hausarzt- wird vom PK für einem gemeinsam menten, Hilfsmitteln praxis unbesetzt ist (Mittwoch- den Einsatz einer abgestimmten (z.B. Pflegebett), Sto- nachmittag, abends/nachts, am ehrenamtl. Begleitung Rhythmus. maversorgung, künst- Wochenende und an Feiertagen) angesprochen. licher Nahrung, etc. Haben ihre eigenen Praxen Vereinbart einen Steht für Gespräche Der Homecare- und sind daher nicht rund um Erstbesuch in der zur Verfügung. Versorger steht im die Uhr abrufbar. Familie (mit oder engen Kontakt mit ohne EA). der Familie. Stehen den Haus- und Fach- Wählt für die psycho- Übernimmt auch ärzten für Beratungen zur soziale Begleitung Sitzwachen. Schmerzmedikation und für einen ehrenamtlichen andere palliativen Fragen zur MA aus, der in die Verfügung. Familie passt. Stimmt gemeinsam mit dem Steht im Hintergrund Hat einen umfangrei- PK zur Entlastung der Familie für alle Fragen des EA chen Qualifizierungs- einen eventuell notwendigen und der Familie zur kurs belegt und ist Nachtwacheneinsatz ab und Verfügung. gut auf die Aufgabe verordnet ihn dem Pool. vorbereitet. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 15
Titelthema Palliativ-Netzwerk Ergebnisse einer PAN-Umfrage In den Jahren 2016-2020 hat das Ambulante Palliativ Netz im Kreis Minden-Lübbecke (PAN) im Rahmen einer empirisch angelegten Unter- suchung Angehörigenbefragungen durchgeführt. Diese erfolgten mittels eines anonymen schriftlichen Fragebogens. Von Jana Pierscianek In den Jahren 2016-20201 hat das Ambulante Palliativ Netz Inhaltlich geht es in den Aussagen unter anderem um die im Kreis Minden-Lübbecke (PAN) im Rahmen einer empirisch folgenden Themengebiete: angelegten Untersuchung Angehörigenbefragungen2 durch- geführt. Diese erfolgten mittels eines anonymen schriftlichen • Service & Kommunikation Fragebogens. • Informationen Befragt wurden die Angehörigen von Palliativpatienten, welche • Versorgung, Therapie, Symptombehandlung und -kontrolle ausschließlich im häuslichen Umfeld durch das ambulante • Psychosoziale Unterstützung/Betreuung/Aspekte, Palliativteam des Netzwerkes begleitet wurden. Personen, Kompetenz des Palliativteams, Hilfe die – eventuell auch erst zu einem späteren Zeitpunkt – in ein • Kritik Hospiz, Altenheim etc. verlegt wurden, sind von der Befragung ausgeschlossen worden. Hier ist auf Grund des vorhandenen Insgesamt wurden 771 Fragebögen versendet, von denen 420 Fachpersonals eine andere Versorgung und Begleitung möglich. Fragebögen ausgefüllt und zurückgeschickt wurden. Die gesamte Rücklaufquote in den vier Auswertungsjahren beläuft Das Ziel der Befragungen ist es, die Erfahrungen der Ange- sich demnach auf 54,47% und ist ausgesprochen hoch (siehe hörigen zusammenzutragen, um die eigene Arbeit der ca. 70 Tabelle). Das heißt, die Auswertung lässt valide Rückschlüsse zu. eingebundenen Netzwerkpartner weiterzuentwickeln und einen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten sowie eine Verbes- serung der Netzwerkarbeit zu erreichen. Zudem dienen die Er- Zeitraum Versand Rücklauf Quote gebnisse zur Optimierung der Versorgungsqualität zukünftiger Palliativpatienten und ihrer Angehörigen. Sie zeigen, inwieweit das aktuelle Angebot und die Angehörigenbedürfnisse überein- 2016 423 210 49,65% stimmen und lassen Rückschlüsse auf Bereiche mit Entwick- lungspotenzial zu. 2017 122 79 64,75% Die Angehörigenbefragungen fanden jeweils im ersten Quartal 2018 116 69 59,48% eines Jahres statt. Eine Ausnahme bildet das Jahr 2016, in dem die Befragung erstmalig stattfand. Hier lief sie über einen 2019 110 62 56,36% Zeitraum von insgesamt einem ¾ Jahr. 771 420 54,47% Der Fragebogen umfasst zwölf Aussagen, die alle eine fünf- stufige Antwortmöglichkeit beinhalten (ich stimme voll bis gar nicht zu). Ferner erhalten die Befragten die Möglichkeit, weitere Aspekte zu benennen, die in den vorherigen Aussagen Die Angehörigen meldeten dem PAN-Team ein sehr positives keinen Raum haben bzw. nicht enthalten sind. Feedback zurück. 1 Die Auswertung 2020 liegt zum Redaktionsschluss noch nicht vor. 2 Wenn hier von Angehörigen gesprochen wird, so sind auch immer die Zugehörigen inkludiert. 16 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
Palliativ-Netzwerk Titelthema Das folgende Zitat und noch weitere Mitteilungen verdeutli- im Hinblick auf die weitere Therapie und Versorgung. chen einerseits, wie wichtig das Vorhandensein eines regio- 4. Im Mittelpunkt der palliativmedizinischen Versorgung steht nalen Palliativnetzwerkes ist. Andererseits zeigt es, wie die Symptomkontrolle. Sie verfolgt das Ziel einer Verbes- entlastend es sein kann, jederzeit einen kompetenten serung der Lebensqualität am Lebensende. Ansprechpartner erreichen zu können. „Innerhalb kürzester 5. Die palliative Versorgung schließt auch die psychosoziale Zeit wurde uns qualifiziert geholfen. Wir mussten uns um Begleitung mit ein. Diese wird bislang zwar angeboten, nichts weiter kümmern und konnten uns so auf die Begleitung aber oft nicht in Anspruch genommen. meines Mannes konzentrieren. Danke dafür!“3 Die Veröffentlichung dieser Ergebnisse soll zur weiteren „Nach dem Tod meines Mannes hätten wir uns ein bisschen Motivation der handelnden Akteure und zeitgleich auch zur seelische und psychische Unterstützung gewünscht.“4 Initiierung von Optimierungsinitiativen beitragen. Beides Diese Rückmeldung zeigt exemplarisch, wie wichtig das fördert die Kommunikation innerhalb des Netzwerkes und Wissen um ein psychosoziales Unterstützungsangebot durch damit auch die Weiterentwicklung. den Hospizkreis (wie bspw. eine Trauergruppe), insbesondere nach dem Verlust eines Nahestehenden ist. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Angehöri- Die Angebote in der Region sind demnach wichtig und genbefragung ein wichtiges Instrument zur Aufdeckung von gegebenenfalls auch noch deutlicher zu kommunizieren. Entwicklungspotenzialen in Netzwerken ist. Es wird empfohlen, auf diesem Weg weiterzugehen und gegebenenfalls sogar Das Thema Kommunikation mit Patienten und Angehörigen einen einheitlichen Standard in Westfalen-Lippe zu erstellen bzw. die interne Kommunikation ist auf verschiedenen Ebenen und festzulegen. wichtig. Im Rahmen der Fortbildungsplanungen sollte dieser Tatsache immer wieder neu Rechnung getragen werden. Durch den Versand des Fragebogens und die damit direkte Kontaktaufnahme im Nachgang, wird die Meinung und Die Rückläufe zeigen auch, dass die Begleitung durch das Leistung der Angehörigen zudem wertgeschätzt. Palliativteam oft nur eine sehr kurze Zeit in Anspruch genommen wurde. In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder neu die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für die Einschreibung ist. Diese Entscheidung treffen die Hausärzte in enger Absprache mit dem Patienten und seinen Angehörigen. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass eine sehr hohe Jana Pierscianek Gesamtzufriedenheit mit der Arbeit des Netzwerkes besteht. Somit stimmt das aktuelle PAN-Angebot in weiten ist Sozialarbeiterin (B.A.) Teilen mit den Bedürfnissen der Angehörigen überein. mit Praxiserfahrungen im Klinikbereich. Aktuell Die zu Beginn des Forschungsprojektes 2019 aufgestellten studiert sie den Masterstu- Hypothesen konnten überprüft und verifiziert werden: diengang „Gesundheitsbe- ©Bei der Autorin zogene Soziale Arbeit“ an 1. PAN hilft den begleiteten Menschen, ihren Rechtsanspruch der KatHO NRW, Abteilung auf eine ambulante Palliativversorgung am Lebensende um Paderborn. Im Jahr 2019 zusetzen und ermöglicht somit ein Sterben in der häuslichen hat sie im Rahmen ihres Umgebung. Forschungsprojektes die Angehörigenbefragung durchgeführt, 2. Die PAN-Partner zeigen sich service- und bedarfsorientiert. die Ergebnisse ausgewertet und die vier Jahresauswertungen 3. Die begleiteten Menschen sowie ihre Angehörigen haben am PAN-Fachtag präsentiert. Zudem engagiert sie sich seit alle wichtigen Informationen für persönliche Entscheidungen 2017 ehrenamtlich in der ambulanten Hospizarbeit. 3 Fragebogen-Kennziffer: 43 – 2019. 4 Fragebogen-Kennziffer: 4 – 2018. Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 17
Titelthema Palliativ-Netzwerk Ethik und Patientenverfügung Immer wieder kommt es im Gesundheitswesen zu Situationen, in denen Patienten sich nicht mehr dazu äußern können, welche medizinischen Maßnahmen bei ihnen durchgeführt werden sollen. Von Inge Tegtmeier Die Gründe hierfür können vielfältig sein (z.B. aufgrund von hier eine Fürsorgepflicht für den Patienten. Allen voraus steht Koma, Hirnschädigungen, fortschreitender Demenz, altersbe- also die Kommunikation zwischen Arzt und Patient, die eine dingtem Abbau usw.). Das Treffen der richtigen Entscheidun- Grundvoraussetzung für das Finden der richtigen Entscheidung gen bzw. das Finden derjenigen Maßnahmen, die dem Patien- im Behandlungsprozess ist. ten und der Umsetzung seines Willens entsprechen, ist dann zusätzlich erschwert. Ist der Patient nicht mehr einwilligungsfähig im aktuellen Behandlungsprozess kommt u.a. die im Voraus verfügte Es gibt hier eine Reihe von Lösungsansätzen: Patientenverfügung zum Einsatz, in der der Patient all diese Dinge (was soll mit mir in bestimmten Situationen geschehen?) • die zeitnahe Absprache mit dem Patienten selbst im bereits im Vorfeld – nach ausführlicher Beratung – niederlegen aktuellen Prozess kann. • Advanced Care Planning (ACP) = Behandlung im Voraus planen Liegt eine Patientenverfügung nicht vor, ist nach dem mut- • Vorausverfügungen des Patienten (Patientenverfügung, maßlichen Willen zu ermitteln, orientiert an Wünschen und Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht) Vorstellungen des Patienten, soweit diese bekannt sind. • der mutmaßliche Wille Ist der mutmaßliche Wille nicht zu ermitteln, z.B. weil der • Orientierung am „objektiven Patientenwohl“ Patient sich mit diesen Themen niemals auseinander gesetzt hat, erfolgt eine Orientierung am objektiven Patientenwohl. Es steht außer Frage, dass die direkte Absprache mit dem einwilligungsfähigen Patienten an erster Stelle steht. Aller- Gerade jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, ist das Erstellen einer dings ist die Einwilligung des Patienten und die Ausübung Patientenverfügung von noch wichtigerer Bedeutung: Besteht seines Autonomierechtes immer abhängig vom Vorliegen einer z. B. eine Vorerkrankung oder gehöre ich zu einer Risikogruppe? Indikation: nur wenn es eine Befürwortung durch den Arzt für Oder möchte ich als älterer Mensch auf eine Intensivstaton eine medizinische Maßnahme gibt, in die der Patient einge- verlegt werden, wenn ich schwer an Covid 19 erkranke? willigt hat, darf diese Maßnahme auch durchgeführt werden. Möchte ich auf einer Intensivstation nach mehreren Wochen Dies bedeutet, dass auch wenn der Patient eine medizinische erfolgloser intensivmedizinischer Behandlung versterben oder Maßnahme wünscht, die keinen medizinischen Behandlungs- lieber in vertrauter Umgebung, palliativ begleitet durch meine erfolg verspricht, diese nicht durchgeführt wird. Der Arzt trägt Familie und ein kompetentes multiprofessionelles Team? 18 Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020
©komm-meyer.com Palliativ-Netzwerk Titelthema In der Patientenverfügung legt der Patient grundsätzlich plan Abhilfe schaffen, in welchem eindeutig dokumentiert vorausverfügend die eigenen Behandlungswünsche für die werden kann, welche Behandlungen im Notfall erfolgen sollen verschiedenen Lebens- und Krankheitssituationen (z.B. die und welche nicht. Dieses kann in Situationen, in denen Ärzte Sterbephase, eine dauerhafte Bewusstlosigkeit, eine fort- nicht lange Zeit zum Überlegen haben, sicherstellen, dass geschrittene Demenzerkrankung oder das Endstadium einer keine ungewollten Therapien erfolgen. zum Tode führenden Erkrankung) fest. Noch genauer: Es wird das Ziel einer Behandlung festgelegt, Nach alldem ist deutlich geworden, dass das Vorliegen einer das erreicht werden soll und für das man bestimmte Maß- Patientenverfügung von deutlicher Wichtigkeit ist und am nahmen (wie z.B. die Beatmung) akzeptieren würde. Bei einer besten nach einer eingehenden Beratung erfolgen sollte. Wir schweren COVID-19-Erkrankung geht es also konkret um die stehen Ihnen jederzeit zu all diesen schwierigen Entscheidun- Frage, ob der Patient die Erkrankung aufgrund der intensiv- gen und ethischen Überlegungen zu Beratungen zur Verfügung. medizinischen Behandlungsmaßnahmen überleben kann. Inge Tegtmeier, ehrenamtliche Mitarbeiterin In der Patientenverfügung kann man also festlegen, dass diese Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn die Überlebenschance von den Ärzten als sehr gering eingeschätzt wird. Umgekehrt kann man ebenso verfügen, dass wenn ein Inge Tegtmeier bestimmtes Ziel – hier die Genesung – nicht oder nur noch sehr unwahrscheinlich erreichbar ist, man dann auch die Pflegefachkraft mit Zusatz- dafür erforderliche Behandlung nicht mehr wünscht. qualifikation Palliative Care, Ehrenamtliche Sterbebe- Der Medizinethiker Alfred Simon hat sich bereits im April in gleiterin im Hospizkreis einem Interview zu dem Thema deutlich erklärt. Herr Simon Minden und Zertifizierte ©Bei der Autorin weist darauf hin, dass es derzeit ein Problem darstellen kann, Ethikberaterin im dass Mediziner in akuten Situationen, wie sie z.B. in Gesundheitswesen Italien vorgelegen haben, nicht die Möglichkeit haben, auf eine Patientenverfügung zurückzugreifen. Hier könnte ein Notfall- Hospizkreis Minden | Zwischenraum Nr. 31 | 2020 19
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