100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum

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100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
· Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum ·   10 0 J a h r e S t u d i e r e n d e n w e r k
                                            Freiburg | 1921-2021
                                                                                                 Freiburg
                                                                                                 10 0 J a h r e 1921-2021
                                                                                                 Studierendenwerk

                                                   · Festschrift zum 100 - jährigen Jubiläum ·
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Kolumnentitel   100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Kolumnentitel                                       100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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                 100 J a h r e 1921-2021
                 Studierendenwerk
                 Freiburg
                · Festschrift zum 100 - jährigen Jubiläum ·
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
I n h a lt s v e r z e i c h n i s                                        100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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                                     Einladung Clemens Metz                         7

                                     Grußwort Ministerin Theresia Bauer            11

                                     Grußwort Martin Horn                          13

                                     Grußwort Achim Meyer auf der Heyde            15

                                     1920-1930 er Jahre                            17

                                     Grußwort Kerstin Krieglstein                  27

                                     1930-1940 er Jahre                            29

                                     Grußwort Ulrich Druwe                         39

                                     1940-1950 er Jahre                            41

                                     Grußwort Joachim Beck                         51

                                     1950-1960 er Jahre                            53

                                     Grußwort Theodor Sproll                       63
Inhalt
                                     1960-1970 er Jahre                            65

                                     Grußwort Stephanie Bohlen                     77

                                     1970-1980 er Jahre                            79

                                     Grußwort Ulrich Kotthaus                      89

                                     1980-1990 er Jahre                            91

                                     Grußwort Renate Kirchhoff                    101

                                     1990-2000 er Jahre                           103

                                     Grußwort Ludwig Holtmeier                    111

                                     2000-2010 er Jahre                           113

                                     Grußwort Rolf Schofer                        123

                                     2010-2020 er Jahre                           125

                                     Grußwort Winfried Lieber                     135

                                     Ausblick                                     137

                                     Grußwort Lucas Flach                         144

                                     Grußwort Josefine Morgan                     145

                                     # swfr 100                                   147

                                     Grußwort Hans-Jochen Schiewer                157

                                     Chronik der Geschäftsführenden               158

                                     Bildnachweis                                 160

                                     Impressum                                    166
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Clemens Metz                                                                                                             100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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Einladung
                Foto: Kay Herschelmann
                                                                            Clemens Metz
                                                                            G e sch ä ftsf ü h r e r d e s S t u d i e r e n d e n w e r ks F r e i b u r g

                                         Seit 100 Jahren an eurer Seite
                                         Das Studierendenwerk Freiburg feiert in diesem Jahr seinen hundertsten Geburtstag. Seit 100 Jahren
                                         beraten und unterstützen wir Studierende darin, ein optimales Studienumfeld vorzufinden – ganz
                                         nach dem Motto „Du studierst – wir machen den Rest!“
                                         Dies gilt es zu feiern, und aus diesem Grund haben wir eine Reihe von Veranstaltungen und Jubi-
                                         läumsfesten geplant. Daneben wurde eine historische Ausstellung erstellt, die im Jubiläumsjahr an
                                         prägnanten Standorten der Stadt sowie in den Außenstellen des Studierendenwerks in der Region
                                         präsentiert werden soll. Danach wird sie dauerhaft auf unserer Website zu sehen sein.

                                         Darüber hinaus ist diese Festschrift das Herzstück unseres Jubiläums: In ihr werden zunächst die
                                         geschichtlichen Rahmenbedingungen eines jeden Jahrzehnts beleuchtet (#spotlighthistory).
                                         In der Folge wollen wir die soziale Situation der Freiburger Studierenden im historischen Kontext
                                         untersuchen (#studylifeblackforest) und die Entwicklung ihrer Betreuung im Lauf der vergangenen
                                         hundert Jahre aufzeigen (#swfr100). Im Anschluss legen wir den Fokus auf das gegenwärtige Selbstver-
                                         ständnis des Studierendenwerks als Partner der Studierenden und der Hochschulen: Wie können wir
                                         optimale Rahmenbedingungen schaffen, damit das Studium, unabhängig von der sozialen Herkunft
                                         der Studierenden, gelingt? Und natürlich wollen wir auch einen Blick in die Zukunft werfen und
                                         unsere Zielsetzungen aufzeigen: Nachhaltige Ernährung in unseren Mensen, bezahlbares Wohnen,
                                         soziale Unterstützung für mehr Chancengleichheit und vieles mehr!

                                         Lassen Sie sich von uns auf eine Zeitreise durch die Weltpolitik und die wechselvolle Geschichte
                                         Südbadens mitnehmen und gewinnen Sie spannende Einblicke in das „Studentenleben“ in Freiburg
                                         und der Region – gestern und heute.

                                         Clemens Metz
                                         Geschäftsführer Studierendenwerk Freiburg
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Einladung   100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Theresia Bauer                                                                                                      100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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Grußwort
                  Foto: Sabine Arndt
                                                                         T h e r e s i a Ba u e r
                                                                         M i n i st e r i n f ü r W i ss e n schaft, F o r sch u n g u n d
                                                                         K u n st Bad e n - W ü r tt e m b e r g

                                       Studierendenwerke bieten Chancengleichheit
                                       Gute Rahmenbedingungen sind für ein Studium wichtig und sie sind ein essenzieller Beitrag zur
                                       Chancengerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Jeder und jede Studierwillige soll – unabhängig von der
                                       sozialen Herkunft – die gleichen Möglichkeiten haben, einen akademischen Abschluss zu erreichen.
                                       Die soziale Betreuung und Förderung der Studierenden sind für ein erfolgreiches Studium genauso
                                       wichtig wie ein exzellentes Lehrangebot. Die Studierendenwerke des Landes leisten hierzu einen ganz
                                       wesentlichen Beitrag.

                                       Das Studierendenwerk Freiburg kümmert sich nun seit 100 Jahren um die sozialen Belange von derzeit
                                       fast 50.000 Studierenden. Das Studierendenwerk schafft nicht nur bezahlbaren Wohnraum für Studie-
                                       rende und bietet preisgünstige Verpflegungsangebote an, sondern unterstützt seine Studierenden auch
                                       bei Fragen der Studienfinanzierung oder Kinderbetreuung und bietet Anlaufstellen in persönlichen
                                       Krisensituationen.

                                       Das Wissenschaftsministerium unterstützt die Studierendenwerke hierbei durch die verlässliche
                                       Bereitstellung von Landesmitteln. Zudem stellt das Land je nach Verfügbarkeit Grundstücke für
                                       Wohnheimbauten im Rahmen von Erbbaurechten zur Verfügung, um so die notwendige Infra-
                                       struktur für Studierende zu sozial verträglichen Preisen zu gewährleisten.

                                       Ich bedanke mich hiermit ganz herzlich im Namen der Landesregierung bei allen Mitarbeiterinnen
                                       und Mitarbeitern des Studierendenwerks Freiburg für ihren unermüdlichen Einsatz für unsere
                                       Studierenden. Auf die nächsten 100 erfolgreichen Jahre!

                                       Theresia Bauer MdL
                                       Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
M artin Ho rn                                                                                                       100 Jahre Studi e re n denwerk freiburg

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Grußwort
                 Foto: Fionn Große
                                                                        Martin Horn
                                                                        O b e r b ü r g e r m e i st e r d e r S tadt F r e i b u r g

                                     Die Stadt und die Universität gehören zusammen
                                     Im Namen der Stadt Freiburg und des Gemeinderates gratuliere ich dem Studierendenwerk Freiburg
                                     ganz herzlich zum 100. Geburtstag.
                                     Besucherinnen und Besucher unserer schönen Stadt stellen schnell fest: Die Stadt und die Universität
                                     Freiburg gehören fest zusammen. Die übers Stadtgebiet verteilten Gebäude der Uni und der weiteren
                                     Hochschulen prägen das Stadtbild ebenso wie die zahlreichen Studierenden. Damit das Studium in
                                     Freiburg gelingt, braucht es aber nicht nur gute Hörsäle und qualifiziertes Lehrpersonal – vermutlich
                                     genauso wichtig sind gutes, gesundes Essen und ein sicheres sowie bezahlbares Dach über dem Kopf.
                                     Darum kümmert sich mit großem Einsatz das Studierendenwerk.

                                     Zu den Wohnheimen, Mensen und Cafeterien kommen unverzichtbare Leistungen zur Studien-
                                     finanzierung, Kitas, hilfreiche Beratungsangebote, Sport- und Freizeitaktivitäten, die Betreuung
                                     ausländischer Studierender und viele weitere Serviceangebote dazu. Es ist eine beeindruckende Zahl:
                                     Das Studierendenwerk kümmert sich um fast 50.000 Studierende in der Hochschulregion Freiburg
                                     und Schwarzwald.
                                     Hier in Freiburg unterstützt das Studierendenwerk die Programme für bezahlbares Wohnen der Stadt
                                     mit der Planung eines Studierendencampus im künftigen Stadtteil Dietenbach. Stolze 660 Wohnheim-
                                     plätze sollen dort in den kommenden Jahren entstehen. Ein weiteres Beispiel ist das Projekt „Wohnen
                                     für Hilfe“: Es vermittelt Wohnpartnerschaften zwischen Studierenden und Senior*innen oder Allein-
                                     erziehenden. Das erfolgreiche Programm wurde 2014 mit dem Deutschen Engagementpreis ausge-
                                     zeichnet, seit letztem Jahr wird es personell von der Stadtverwaltung gefördert.

                                     Für die wichtige und ausgezeichnete Arbeit des Studierendenwerk Freiburg an die Leitung und alle
                                     Aktiven ein großes Dankeschön – und alles Gute zum Geburtstag!

                                     Martin W. W. Horn
                                     Oberbürgermeister der Stadt Freiburg
100Jahre 1921-2021 Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum
Achi m Meyer auf der H ey d e                                                                                                            100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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Grußwort
                                 Foto: Kay Herschelmann
                                                                                              A ch i m M e y e r a u f d e r H e y d e
                                                                                              G e n e r als e k r e tä r d e s D e u tsch e n S t u d e n t e n w e r ks

                                                          Freiburg leuchtet. Freiburg liegt am Meer
                                                          100 Jahre alt? Unglaublich! Das Attribut „alt“, im direkten Zusammenhang mit dem Studierendenwerk
                                                          Freiburg, das geht nur schwer zusammen. Das 100 Jahre alte Studierendenwerk Freiburg ist ein junges
                                                          Studierendenwerk, ein agiles, frisches, fröhliches, erfolgreiches. Freiburg leuchtet. Weit über Baden-
                                                          Württemberg hinaus.

                                                          Wo sonst hat ein Studierendenwerk so viele Leuchtturm-Projekte vorzuweisen? Die MensaBar in der
                                                          Mensa Rempartstraße beispielsweise ist einzigartig. Zumindest in Nicht-Pandemie-Zeiten gehen hier
                                                          Mensa und studentische Kultur eine wunderbare Symbiose ein: Mensa als Kultur-Ort; Kultur in der
                                                          Mensa; Essen und Kultur. Welches andere Studierendenwerk hat eine eigene, studentische Musical-
                                                          Truppe mit einer Inszenierung wie „Freiburg liegt am Meer“? Bei welchem anderen Studierendenwerk
                                                          kann ich sonntagabends in der Mensa bei einer heißen Suppe „Tatort“ gucken?

                                                          Wie das Studierendenwerk Freiburg in seiner Kommunikation über die Sozialen Medien Studierende
                                                          selbst einbindet, wie Studierende für Studierende hier posten, schreiben, fotografieren, reflektieren,
                                                          schreiben: einsame Spitze. Wie das Studierendenwerk Freiburg internationale Studierende mit seinem
                                                          „Internationalen Club“ erreicht, integriert ins Hochschulleben und in die Stadt, in der Pandemie mit
                                                          über Nacht klug digitalisierten Angeboten: absolut preiswürdig. Findet übrigens nicht nur das Auswär-
                                                          tige Amt. Ich persönlich auch.

                                                          Wie gern hätte ich das alles auch genossen – vor 46 Jahren, als ich in Freiburg ein Jahr studiert habe.

                                                          Ein Hoch auf das Studierendenwerk Freiburg!

                                                          Achim Meyer auf der Heyde
                                                          Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks
GRUSSWORT                          100 Jahre Studierendenwerk freiburg

16                                                                 17

n     1920-30 er Jahre
      1930-40er Jahre
      1940-50er Jahre
      1950-60er Jahre
      1960-70er Jahre
      1970-80er Jahre
      1980-90er Jahre
      1990-00er Jahre
      2000-10er Jahre
                         Die Altstadt an der Fischerau

      2010-20er Jahre
1920 - 30er Jahre                                                                                                                                                                                             100 Jahre Studierendenwerk freiburg

18                                                                                                                                                                                                                                            19

         1920 - 1930

                                                                                                                   Foto: Stadtarchiv Karlsruhe
                                                                                                                                                 Plakat des Lebensbedürfnisvereins Karlsruhe, um 1925
                                                                                                                                                 Der 1865 gegründete Lebensbedürfnisverein bot seinen
                                                                                                                                                 Mitgliedern günstige Lebensmittel und Waren des täglichen
                                                                                                                                                 Bedarfs und spielte in den Notzeiten der Weimarer Republik
                                                                                                                                                 eine wichtige Rolle.

         #spotlighthistory
         Die Gründung der Freiburger Studentenhilfe e.V., der
         Vorgängerorganisation des heutigen Studierendenwerks,
         fällt in eine schwierige Zeit. Der Erste Weltkrieg (1914-
         1918), die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, endet im
         November 1918 mit der militärischen Niederlage des
         deutschen Kaiserreiches und seines Bündnispartners
         Österreich-Ungarn. Die Zahl der Toten und Verletzten
         bis 1918 ist immens: Weltweit sterben rund neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen
         Zivilist*innen. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges ist das deutsche Kaiserreich Geschichte und eine
         neue Staatsform nimmt Gestalt an: Im Jahr 1919 wird die „Weimarer Republik“ gegründet, die erste
         deutsche Demokratie.
         Durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg und den Versailler Friedensvertrag mit seinen Reparations-
         forderungen hat die junge Republik schwere Lasten zu tragen, sowohl außen- als auch innenpolitisch.
         Die Bevölkerung ist gespalten. Außerdem muss sich die parlamentarische Demokratie von Beginn
         an gegen radikale Kräfte zur Wehr setzen, die das demokratische System ablehnen. Dennoch kann
         sich die Weimarer Republik zunächst behaupten und den Grundstein für einen modernen Sozialstaat
         legen. Durch die Aufnahme in den Völkerbund wird das „besiegte“ Deutschland 1926 schließlich
         außenpolitisch als gleichberechtigtes Mitglied der Völkergemeinschaft anerkannt.
         Einschneidende Folgen für die neue deutsche Republik hat die Weltwirtschaftskrise 1929. Bedeu-
         tende Kredite aus dem Ausland bleiben aus, die Industrieproduktion sinkt um 40 Prozent und sechs
         Millionen Menschen werden arbeitslos. Ein großer Teil der Bevölkerung verelendet und die Skepsis
                                                                                                                                                         Die Weltwirtschaftskrise 1929 löst eine gewaltige
         gegenüber der Stärke und der Stabilität der demokratischen Weimarer Republik wächst. Innerhalb
                                                                                                                                                         Inflation in der Weimarer Republik aus, sodass
         von elf Jahren hat die junge Demokratie ihren zehnten Regierungschef. Viele Bürger*innen verlieren                                              immer mehr Geld von der deutschen Reichsbank
                                                                                                                                                         gedruckt wird. Weil die Mengen an Papier nicht
         den Glauben in die Weimarer Republik. Sie wollen eine Regierung, die sie vor Inflation und Arbeits-
                                                                                                                                                         schnell genug bedruckt werden können, müssen
         losigkeit rettet, manche wollen sogar eine Regierung, die sich selbstbewusst gegen die Siegermächte des                                         auch Städte und Gemeinden mit der Ausgabe von
         Ersten Weltkrieges (Russland, Großbritannien, Irland, Frankreich und Italien) stellt.                                                           Notgeld einspringen.
Kolumnentitel                                                                                                                                                             100 Jahre Studierendenwerk freiburg

20                                                                                                                                                                                                        21

                                                                           Hoher Freizeitwert im Schwarzwald
                                                                           und Spiegel der Gesellschaft – die geringe
                                                                           Frauenquote ist zu jener Zeit nicht nur
                                                                           an der Universität sichtbar.

        #studylifeblackforest
        Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ist die Not unter den Studierenden besonders groß. Un-
        terernährt und in zerschlissener Kleidung sitzen sie in kalten Räumen und lernen. Der Mangel an
        Brennstoffen zwingt dazu, die Lehrveranstaltungen einzuschränken. Da Bücher durch die Inflation
        nahezu unerschwinglich werden, sind die Lesesäle der Bibliotheken stets überfüllt. Krieg und Infla-
        tion haben die alten Stipendienfonds der Universität erschöpft. Mittellose Studierende müssen sich
        daher an den Staat oder an kirchliche Hilfswerke wenden, um Unterstützung zu bekommen. Wer
        dabei leer ausgeht, ist auf Ermäßigungen der Gebühren, Kohlenzuteilungen und andere Vergünsti-
        gungen angewiesen.

        Dennoch ist Freiburg eine attraktive Studienstadt. Wegen ihres hohen Freizeitwerts kommen
        die Studierenden aus allen Teilen der deutschen Republik für ein paar Semester an den Fuß des
        Schwarzwalds. Vor allem sind es männliche Studierende, die im Sommer die Umgebung zu Fuß oder
        mit dem Rad erkunden und im Winter Ski laufen. Frauen werden in Baden erst seit der Jahrhun-                    Thomas Theodor Heine: Frauen-
        dertwende zum Studium zugelassen. Im Jahr 1900 setzt die Regierung das Frauenstudium durch,                     studium. Kandidatin, sagen Sie mir,
                                                                                                                        was fällt Ihnen an der Patientin auf?
        gegen die männlichen Proteste aus der Professorenschaft. Die Universität Freiburg ist die erste in der          – Daß das Mensch einen seidenen
        Region, die das umsetzt. Und so schreiben sich hier die ersten Studentinnen ein!                                Unterrock anhat, 1901
        Doch sie haben es nicht leicht. Von den Dozenten oft nicht ernst genommen und von den Kom-
        militonen angefeindet, müssen sie ihr Können ständig unter Beweis stellen. Die Vorurteile gegen
        Studentinnen sitzen auch 20 Jahre nach der Einführung des Frauenstudiums noch tief: Frauen, so
        wird behauptet, seien unfähig, wissenschaftlich-abstrakt zu denken. Wissenschaft schade zudem der
        Gesundheit und mache unweiblich. Viele Dozenten und Studenten unterstellen den Studentinnen,
                                                                                                                             Zulassung der Frauen zum Studium aus:
        sich an der Universität lediglich einen Akademiker „angeln“ zu wollen. In Sprüchen und Zeichnun-                              UAF: Registraturakten XIV 2/11
        gen lassen die Männer ihren Ängsten und Aggressionen freien Lauf,                                                     Als erstes Bundesland lässt Baden 1903
                                                                                                                          Frauen offiziell zum Studium zu. Die ersten
        während sie den Kontakt mit Kommilitoninnen eher meiden. Selbst
                                                                                                                           Studentinnen haben es jedoch nicht leicht.
        die Vermietenden sind zunächst misstrauisch. Einige Studentinnen                                                      Von vielen Dozenten und Kommilitonen
                                                                                                                          nicht ernst genommen, müssen sie sich auch
        müssen daher in Pensionen oder Mädchenpensionaten wohnen.
                                                                                                                              noch sexistische Sprüche gefallen lassen,
                                                                                                                            welche sogar auf die Sitzbänke geschrieben
                                                                                                                                                               werden.
                                                                                 Kollegbankspruch zum Frauen-
                                                                                 studium, 1911
1920 - 30er Jahre                                                                                                                                      100 Jahre Studierendenwerk freiburg

22                                                                                                                                                                                                                         23

                                                                                                                                                            Kampf auf „hoher See“ – Studierende am Ufer
                                      Abgangszeugnis Medizin,                                                                                               des Waldsees, vermutlich um 1930 (li.)
                                      Georg Klöß, 1924                                                                                                      Belegungsplan des Fechtbodens (u.)

                                        Schilder, die auf ein freies Zimmer hinweisen, sieht man in den
                                        20er Jahren höchstens in den Semesterferien, da viele Studieren-
                                        de ihre Unterkunft zwischenvermieten, bevor sie nach Hause
                                        fahren. Obwohl die Universität regelmäßig vor Beginn des Se-
                                         mesters Aufrufe an die Freiburger Bevölkerung richtet, Zimmer
     zu vermieten, kann der Wohnraumbedarf nicht gedeckt werden. Wochenlang leben Studierende in
     Hotels oder Jugendherbergen, bevor sie ein frei werdendes Zimmer übernehmen können. Die Pläne,
     ein Studierendenwohnheim zu errichten, scheitern. Es fehlt an Geld.
     Trotz der schwierigen finanziellen Verhältnisse wird dennoch gefeiert in Studentenkreisen. Und das
     nicht schlecht. Danach hilft das beliebteste Katerfrühstück der damaligen Zeit: Heringe und Ochsen-
     maulsalat!

                                                                                      Ausstellung „Die Frau in
                                                                                      Haus und Beruf“ / Frauen-
                                                                                      studium Berlin 1912
                                                                                      Dennoch steigt die Zahl
                                                                                      der Studentinnen nach und
                                                                                      nach weiter an. 1911 sind
                                                                                      es bereits 155!

                                                                                                                  Kontakt suchen die männlichen Studierenden        Die Mehrheit der Studierenden in Freiburg lehnt
                                                                                                                  besonders gern in studentischen Verbindungen      jedoch die Mensuren ab. Sie fokussieren sich
                                                                                                                  oder beim Fechten, einer besonders beliebten      stattdessen auf politische Kundgebungen. Die
                                                                                                                  Freizeitbeschäftigung. Manche Verbindungen        wachsende deutsch-nationale Gesinnung in wei-
                                                                                                                  machen bei „Mensuren“ mit, dem traditionellen,    ten Teilen der Studentenschaft äußerst sich unter
                                                                                                                  streng reglementierten Fechtkampf zwischen        anderem in der Stiftung eines Denkmals für den
                                                                                                                  zwei männlichen Mitgliedern unterschiedli-        hochverehrten Reichsgründer Bismarck und in
                                                                                                                  cher Studentenverbindungen mit geschärften        Versammlungen, bei denen der Kampfgeist des
                                                                                                                  Klingenwaffen. Verletzungen, auch „Schmisse“      deutschen Heeres trotz der Niederlage im ersten
                                                                                                                  genannt werden von ihnen mit Stolz getragen.      Weltkrieg wortreich beschworen wird.
1920 - 30er Jahre                                                                                                                                                                                           1 0 0 J ah r e S t u d i e r e n d e n w e r k f r e i b u r g

24                                                                                                                                                                                                                                                                    25

                                                                                                                                     E i n S t u d e n t, d e r e i n e n A n t r a g a u f F r e i t i sch e st e llt,
                                                                                                                                     sch i ld e r t s e i n e N o tla g e :
                                                                                                                                     „Bin der älteste Sohn des Lehrers (...) und stehe im 8. Sem. meines medizinischen
                                                                                                                                     Studiums. (...) Wenn ich auch in den letzten zwei Jahren in jeden Ferien als Werk-
                                                        Übersichtlich:
                                                                                                                                     student im Bergwerk gearbeitet habe, und so den größten Teil meines Studiums selbst
                                   Die Bilanz des Freiburger Studen-
                                                                                                                                     bezahlen konnte und mußte, sind jedoch jetzt durch die Geldentwertung und Teuerung
                                     tenhilfe e.V. zum 31. März 1926
                                                                                                                                     meine Ersparnisse aus den Ferien vollständig aufgebraucht. Mit den geringen Zu-
                                                                                                                                     schüssen von Zuhause ist es mir trotz aller Selbsthilfe und Einschränkung nicht
                                                                                                                                     möglich, die täglichen notwendigsten Ausgaben zu bestreiten.“
                                                                                                                                     Aus: Erfahrungs- und Tätigkeitsbericht der Freiburger Studentenhilfe e.V. über die
                                                                                                                                     erste Hälfte des W-S. 1923/24, in UAF, B1/1819.

         #swfr100
         Happy Birthday! Die Notsituation der Nachkriegszeit                                                         zusammenstellen. Auf Antrag erhalten mittellose Studierende beim Fürsorgeamt
         wird zur Geburtsstunde des heutigen Studierendenwerks                                                       der Studentenhilfe sogenannte „Freitische“, also kostenlose Mensaessen. Pro Tag
         Freiburg. Auf Anregung des damaligen Universitätsrek-                                                       werden 1923/24 rund 150 kostenlose Mahlzeiten ausgegeben, bei rund 2.500 Studie-
         tors Oskar de la Camp wird 1921 der „Freiburger Studentenhilfe e.V.“ gegründet. Die                         renden an der Universität. Auch heute noch vergibt das Studierendenwerk Gutschei-
         Organisation hat das Ziel, den vielen in Not geratenen Studierenden zu helfen. Finanziert aus Spen-         ne für kostenloses Essen an Studierende in Not.
         den sowie Zuschüssen des Staates werden die Studierenden vielfältig unterstützt.
         Das Werbeamt der Studentenhilfe bemüht sich um die Akquise von Spenden und Zuschüssen aller                 Zusätzlich zu den Ämtern gibt es noch eine Darlehenskasse für Kredite und Stipen-
         Art. Mit Erfolg: Insgesamt aus 45 Ländern fließen Spenden: Aus Südafrika, den USA, Spanien uvm.             dien. In den Räumen der Alten Universität ist eine Näh-, Flick- und Waschstube
         Aus Mexiko gibt es zu Weihnachten 1923 zwei Kisten Mehl, Zucker, Reis, Schmalz, Milchpulver und             eingerichtet, in der die Studierenden ihre Wäsche waschen und reparieren können.
         andere Grundnahrungsmittel für bedürftige Studierende. Das Wirtschaftsamt sorgt für verbilligte             In der Schreibstube werden für wenig Geld Examensarbeiten getippt und gedruckt.
         Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs. Bei der Holzabgabestelle im Jahr 1923 zum               Von Beginn an bemüht sich die Arbeitsvermittlung der Freiburger Studentenhilfe,
         Beispiel holen 600 Studierende sich insgesamt 300 Zentner (= 15.000 kg) Feuerholz! Das Bücheramt            neue Beschäftigungsmöglichkeiten für die Studierenden zu finden, die im Zusam-
         gewährt für bedürftige Studierende einen Rabatt von 20-25% für notwendige Studienbücher. Und                menhang mit dem Studium stehen. Viele Studierende sind auch nach 1923, als sich
         das Wohnungsamt der Studentenhilfe bemüht sich mit Anzeigen und Aufrufen um die Vermittlung                 die soziale Lage allmählich etwas entspannt, auf Unterstützung und eigene Erwerbs-
         von Zimmern an Studierende. „Wer ein Zimmer nicht gegen Entgelt abgeben will (es ist dabei an die           tätigkeit zusätzlich zum Studium angewiesen. Einige Kommiliton*innen können in
         zahlreichen Villenbesitzer gedacht), der möge es kostenlos tun; Abnehmer finden sich.“ Der Wunsch           den Einrichtungen der „Freiburger Studentenhilfe“ beschäftigt werden, die anderen
         nach einem eigenen Wohnheim der Studentenhilfe scheitert jedoch am Geld.                                    arbeiten in unterschiedlichsten Branchen, sogar in Sägewerken und im Bergbau.
         Allmählich wird der Ruf nach einer Mensa lauter. Denn mit leerem Magen studiert es sich wirklich            Dennoch darf auch das Vergnügen nicht zu kurz kommen: Ob Theaterfreikarten
         schwer. Da man jedoch keine geeigneten Räume findet, wird die von Ordensschwestern geführte                 oder ein eigener Skiverleih seit 1926 – der Freiburger Studentenhilfe e.V. ist in jeder
         Kantine „vorläufig“ im Keller des Kollegiengebäudes eingerichtet. Das Provisorium wird übrigens bis         Lebenslage für die Studierenden da!
                                                                         in die 60er Jahre hinein genutzt. Mittags
                                                                         und abends können sich die Studierenden
                                                                         in dieser „mensa academica“ aus dem
                                                                         jeweiligen Angebot eine billige Mahlzeit
                                                                                                                                             Um den vielen in Not geratenen Studierenden zu helfen wird 1921 die
                                                                                                                                       „Freiburger Studentenhilfe“ gegründet, die sich aus Beiträgen, Spenden und
                                                                                                                                                 Zuschüssen des Staates finanziert. Sie versorgt und unterstützt die
                                                                         Neben dem Studium jobben? Schon                                               Studierenden bei zahlreichen Dingen des alltäglichen Lebens.
                                                                         1931 werden Studierende über die                                    Zentrale Anlaufstelle ist das Hauptbüro der Freiburger Studentenhilfe
                                                                         Arbeitsvermittlung der „Freiburger                              in der alten Universität. In der Näh- und Flickstube können Kleider billig
                                                                         Studentenhilfe“ vermittelt. Bis heute                      repariert, in der Schreibstube Examensarbeiten für wenig Geld getippt werden.
                                                                         ist Studijob, die Jobvermittlung des
                                                                         Studierendenwerks Freiburg ein be-
                                                                         gehrter und kostenfreier Service.
K e r st i n k r i e g lst e i n                                                                                                             100 Jahre Studierendenwerk freiburg

 26                                                                                                                                                                           27

Grußwort
                                    Foto: Jürgen Gocke
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                                                                                             R e kt o r i n d e r U n i v e r s i tät F r e i b u r g

                                                         Hervorragende Hochschulen und exzellente Betreuung
                                                         gehören zusammen
                                                         Bildung ist Zukunft. Und Hochschulen sind Orte, an denen Zukunft entsteht. Um die Gesellschaft
                                                         von morgen mitprägen zu können, stehen wir in der Verantwortung, alle Bildungsressourcen zu nut-
                                                         zen und die Vielfalt der Lehrenden und Lernenden als Bereicherung von Forschung und Lehre
                                                         zu begreifen.
                                                         Die Teilhabe möglichst aller am Bildungsprozess ist eine Grundlage unseres Bildungssystems.
                                                         Dennoch gibt es vor allem im Hochschulbereich Barrieren, seien sie ökonomischer, sozialer oder
                                                         persönlicher Art, die sich hemmend auf den Hochschulzugang und den Studienverlauf auswirken
                                                         können.
                                                         Eine exzellente Hochschule verlangt nach Spitzenleistungen. Sie kann aber nur dann wirklich
                                                         „exzellent“ sein, wenn sie sich auch das Ziel setzt, ihre Studierenden individuell zu fördern und so
                                                         zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen. Das Studierendenwerk Freiburg ist der Universität in
                                                         diesem Kontext ein verlässlicher und unverzichtbarer Partner. Es kümmert sich um die Studien-
                                                         finanzierung, es sorgt für erschwinglichen Wohnraum und günstiges Essen, es steht Studierenden
                                                         mit sozialen oder psychischen Problemen zur Seite und fördert den interkulturellen Austausch der
                                                         Studierenden aus aller Welt.
                                                         Das deutsche Bildungssystem muss sich im internationalen Kontext behaupten, um zukunftsfähig
                                                         zu sein. Hervorragende Hochschulen und eine exzellente soziale Betreuung sind dabei entscheidende
                                                         Faktoren. Ich freue mich auf die gute Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk Freiburg in den
                                                         kommenden Jahren und gratuliere sehr herzlich zum 100-jährigen Jubiläum.

                                                         Prof. Dr. Kerstin Krieglstein
                                                         Rektorin der Universität Freiburg
1930 -40er Jahre                                                 1 0 0 J ah r e S t u d i e r e n d e n w e r k f r e i b u r g

28                                                                                                                         29

         1920-30er Jahre
n        1930-40 er Jahre
         1940-50er Jahre
         1950-60er Jahre
         1960-70er Jahre
         1970-80er Jahre
         1980-90er Jahre
         1990-00er Jahre
         2000-10er Jahre
                            SA-Fackelumzug für Stabschef Lutze durch die Innenstadt

         2010-20er Jahre
1930 -40er Jahre                                                                                                                                                                             1 0 0 J ah r e S t u d i e r e n d e n w e r k f r e i b u r g

30                                                                                                                                                                                                                                                     31

         1930 - 1940

                                                Plakat zum Auftritt Hitlers in Freiburg
                                                    1932 im Möslestadion am Waldsee

         #spotlighthistory
         Wieso scheitert die Weimarer Republik, unsere erste deutsche Demokra-
         tie? Trotz der Erfolge der jungen Republik, die sich Mitte der 20er Jahre
         allmählich stabilisiert, ist die Demokratie in den Köpfen der Bevölkerung und in denen der Politiker
         nicht wirklich verankert. Die Altlasten aus dem Kaiserreich mit dem obrigkeitsstaatlichen Militär-
         und Beamtenapparat wiegen schwer. Im Parlament gibt es keinen tragfähigen Verfassungskonsens,
         der alle Teile des politischen Spektrums von rechts bis links einbindet. Der ökonomische Zusammen-
         bruch durch die Weltwirtschaftskrise 1929 führt schließlich dazu, dass die radikalen Kräfte an den
         linken und rechten Rändern immer mehr Zustimmung aus dem Volk bekommen.
         Zwei Tage vor den Reichstagswahlen 1932 kommt Adolf Hitler mit dem Flugzeug für einen Wahl-
         kampfauftritt seiner Partei, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), nach
         Freiburg. Bei der Wahl erhält die NSDAP 33,1 % der Wählerstimmen. Auch in Freiburg erfährt die
         neue Partei großen Zuspruch. Durch die offizielle Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch
         Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30.01.1933 wird aus der parlamentarischen Demokratie der
         Weimarer Republik eine Ein-Parteiendiktatur unter der Führung Hitlers. Gestützt durch das Füh-
         rerprinzip und die NS-Ideologie, die danach strebt, eine einheitliche deutsche Volksgemeinschaft zu
         schaffen, führt er Deutschland und die Welt in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) –
         unterstützt von Interessengruppen aus allen gesellschaftlichen Bereichen und großen Teilen der
         Bevölkerung.

                                                                                                                Eine inszenierte Friedensaktion findet im Juli 1937     zusammentreffen, um sich verstehen zu lernen und
                                                                                                                in Freiburg statt: Das Deutsch-französische Front-      gemeinsam der Opfer des Krieges zu gedenken,
                                                                                                                kämpfertreffen, bei welchem deutsche Soldaten und       so ist in diesem Ereignis eine Demonstration für den
                                                                                                                französische Soldaten aus Besançon gemeinsam mar-       Frieden zu erblicken, die Ehrfurcht gebietet und die
                                                                                                                schieren. „Wir vergessen nicht die 10 Millionen Holz-   ihre Wirkung auf die Völker trotz allem, was sich
                                                                                                                kreuze“ steht dabei als mahnender Spruch auf einem      trennend dazwischen stellt, nicht verfehlen kann.
                                                                                                                Banner über die Gefallenen des Ersten Weltkrieges –     In diesem Bewusstsein nehmen die Stadt und ihre
                                                                                                                welches man auch auf dem Foto im Hintergrund            Bewohnerschaft an der kameradschaftlichen Zusam-
                                                                                                                erkennen kann. Der damalige Freiburger Ober-            menkunft französischer und deutscher Kriegsteil-
         Stramm rechts – Plakat                                                                                 bürgermeister Dr. Franz Kerber inszeniert mit           nehmer den freudigsten Anteil und grüßen in
         zur Bücherverbren-                                                                                     pathetischen Beschwörungen den Frieden: „Die zum        aufrichtiger Gesinnung die Gäste aus Frankreich“.
         nungsaufforderung                                                                                      Internationalen Frontkämpfertreffen vereinigten
         der deutschen Studen-                                                                                  französischen und deutschen Kameraden mögen             Zwei Jahre später beginnt Deutschland den Zweiten
         tenschaft: „Wider den                                                                                  wissen, dass sie von der Bevölkerung mit ganzer         Weltkrieg und am 14. Juni 1940 ziehen die Wehr-
         undeutschen Geist!“                                                                                    Herzlichkeit aufgenommen sind. Wenn Gegner von          machtsverbände in das menschenleer wirkende Paris
                                                                                                                einst die Welt des Misstrauens in sich beseitigen und   ein.
1930 -40er Jahre                                                                                                                                                                                 100 Jahre Studierendenwerk freiburg

32                                                                                                                                                                                                                               33

                                Buntes Angebot:
                                „Erteilung von Tanz-
                                und Anstandslehre“ –
                                aber auch Modetänze.
                                Werbeblatt der Tanz-
                                schule Fritz Büttner
                                                                                                                               „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“
                                                                                                                                H e i n r i ch H e i n e

         #studylifeblackforest
         „Darf ich bitten?“ Der Besuch einer Tanzschule gehört für die Studierenden spätestens seit Beginn
         der Weimarer Republik zum beliebten „Pflichtprogramm“. Neben Gesellschaftstänzen und der Ge-
         legenheit, sein Gegenüber beim Tanzen näher kennenzulernen, stehen auch die Umgangsformen im
         Zentrum. Das ist auch nötig, denn die Zeiten, in denen die Männergesellschaft unter sich blieb, sind
         vorbei. 1931 wächst die Zahl der Studentinnen an der Universität auf 909. Sie stellen damit 23,4 %
         aller Freiburger Studierenden.
         Der Studierendenrat (StuRa) der Universität ist das Legislativorgan der Studierenden. Der StuRa
         wählt den AStA, der die Studierendenschaft nach außen vertritt, Studierende berät, sich in die Hoch-
         schulstruktur einbringt und Kultur- und Bildungsveranstaltungen organisiert. Anfang der 30er Jahre
         beschäftigt sich der AStA jedoch zunehmend mit Politik. Er fordert unter anderem die Absetzung
         von Professoren, die als Anhänger der Weimarer Republik bekannt sind. Auch die Rufe nach Auf-
         rüstung und die Wiederherstellung des Großdeutschen Reiches werden lauter. Studierendenvertreter,
         die sich solchen rechten Aufrufen widersetzen, werden von den nationalsozialistischen Studieren-
         den beleidigt, bedroht und von den Sitzungen ausgeschlossen. Im AStA-Wahlkampf 1932 wirbt der
         NS-Studentenbund für die Grundsätze der NSDAP. Obwohl dies verboten ist, wird der Bund nicht
         von der Teilnahme ausgeschlossen. Aus Protest dagegen ziehen die demokratischen Gruppen ihre
         Kandidatur zurück, ihre Anhänger*innen wählen nicht. Da das Ministerium einen Einspruch gegen
         die Wahl ablehnt, ist die Vertretung der Freiburger Studierenden bereits 1932 fest in den Händen der
         Nationalsozialisten.
         Ab der „Machtergreifung“ im Jahr 1933 ändert sich auch das Leben an den Hochschulen enorm:
         Um den künftigen Studierenden die nationalsozialistischen Vorstellungen nahe zu bringen, wird
         im August 1933 die Arbeitsdienstpflicht für Studierende eingeführt, für Männer im Straßen- und
         Bunkerbau, für Frauen vorwiegend in der Kranken- und Kinderbetreuung. Der Nachweis des
         abgeleisteten Dienstes wird zur Voraussetzung für die Zulassung zum Studium. Auch neben dem            Am 1. Mai 1939 kommt nicht nur der NS-Studentenbund auf den Münsterplatz, sondern es versammeln sich
                                                                                                                auch weitere NS-Gruppierungen und Funktionäre. Schon seit Mai 1933 wird die Studentenschaft nach dem
         Studium haben die Freiburger Studierenden viele Pflichten. Körperliche Arbeitseinsätze im
                                                                                                                Führerprinzip neu organisiert. Der NS-Studentenbund, der nun als Elite gilt, hat die politische Schulung aller
         Freiburger Umland bei der Ernte, in der Fabrik oder regelmäßige Teilnahme an politischen               Studierender sicherzustellen.
         Schulungen sind obligatorisch. Für viele Studierende sind diese Verpflichtungen eine Last, die
         Studium und Privatleben beeinträchtigen.
1930 -40er Jahre                                                                                                                                                                           100 Jahre Studierendenwerk freiburg

34                                                                                                                                                                                                                           35

                                                                                                                                                                                   Studenten und Akademiker im Visier
         Arbeitspflicht. Bereits im August 1933 wird die                                                                                                                           der Werbetreibenden.
         Arbeitsdienstpflicht für Studierende eingeführt.                                                                                                                          Durch präzise Zielgruppenansprache
         Dieser „Dienst am Volk“ bedeutet harte körperliche                                                                                                                        versuchen Geschäftsleute, die wachsende
         Arbeit, zum Beispiel auf dem Feld, im Straßenbau,                                                                                                                         Klientel zu gewinnen.
         aber auch (vorwiegend von Frauen) bei der Kranken-,
         Kinder- und Sozialbetreuung. 1935 kommt der
         Heeresdienst als weitere Pflicht für die Männer hinzu.

                                                                                                                Hochschulsport: Wettlauf im Universitätsstadion. Bilderschau der Freiburger Zeitung, Nr. 28
                                                                                                                vom 13.07.1929
         Ab 1933 wird der Anteil an Studentinnen auf zehn Prozent beschränkt, weil die nationalsozialistische
         Ideologie die Frauen als „Fruchtschoß des Dritten Reiches“ betrachtet, die ihrer „Bestimmung als
                                                                                                                Sport hat im NS-Regime eine wichtige Bedeu-           aller Fakultäten teilnehmen, wird vom diesem
         Ehefrau und Mutter“ zugeführt werden müssen. Und es wird auch weiter selektiert: Wenige Wochen         tung: Zum einen dient er zur Darstellung und          Institut organisiert. Das Angebot umfasst nicht
         nach dem Verbot linker und pazifistischer Gruppen verweist man die Studierenden, die dem National-     Formung einer rassistisch begründeten „Volks-         nur Traditionelles, wie Leichtathletik, Turnen
                                                                                                                gemeinschaft“. Zum anderen ist der Körper             und Gymnastik, auch ausgefallene Sportarten
         sozialismus vor der Machtergreifung feindlich gegenüberstanden, von der Hochschule. 1934 werden        bald mehr als nur Kultusobjekt – er wird zum          wie Jiu-Jitsu stehen auf dem Programm. Die
         rückwirkend die Akademischen Vorschriften geändert, um nicht linientreue Studierende generell          Kriegsinstrument. Anders als oft angenommen,          Sport-Stadien der Region werden aber auch
                                                                                                                wurde das Universitätsstadion in Freiburg             für Auftritte und NS-Veranstaltungen genutzt:
         vom Hochschulstudium auszuschließen. Übergriffe gegen jüdische Kommiliton*innen oder gegen             nicht in der NS Zeit erbaut, sondern schon            Zwei Tage vor den Reichstagswahlen 1932
         die jüdische Verbindung Neo Friburgia gehören bald zur Tagesordnung. Mit der im Mai 1933 begin-        1928 als „Anlage für Leibesübungen“ nach Plä-         kommt Adolf Hitler mit dem Flugzeug nach
                                                                                                                nen des Architekten Hermann Reinhard Alker            Freiburg für einen Wahlkampfauftritt seiner
         nenden Kampagne „Wider den undeutschen Geist“ werden auch in Freiburg jüdische Professoren             (1885-1967) im Auftrag des „Instituts für Lei-        Partei, der NSDAP (Nationalsozialistische
         entlassen, ebenso wie Professoren, die dem Regime kritisch gegenüberstehen. Die Zahl der jüdischen     besübungen“ der Universität Freiburg. Der all-        Deutsche Arbeiterpartei) und tritt im FFC-
                                                                                                                gemeine „Studentensport“, an dem Studierende          Stadion auf.
         Studierenden wird auf drei Prozent begrenzt. Die Ahnennachweispflicht wird eingeführt. Halb- und
         Vierteljuden bekommen statt der braunen Studierendenkarte für „Arier“ eine gelbe für Juden. Nach
         der Reichspogromnacht muss in Freiburg der letzte „Volljude“ die Hochschule verlassen.                 Die Skiverleihstelle der Studentenhilfe e.V. mit 30 Paar Ski war im Laufe des Winters ständig aus-
                                                                                                                gebucht.
1930 -40er Jahre                                                                                                                                                                                  100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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                      „Alle Juden werden beurlaubt oder aus dem Staatsdienst entlassen.
                      Überall Mißhandlungen. Diese Sünde, die das deutsche Volk begeht,
                      indem es wehrlose Menschen seelisch und körperlich mißhandelt, wird
                      sich an ihm furchtbar rächen. Gott ist auch ein rächender Gott.“
                      A u s d e m Ta g e b u ch v o n W alt e r E u ck e n , 2 1. Okt o b e r 19 3 5

         #swfr100
         Der Freiburger Studentenhilfe e.V. ist nach wie vor für die Studierenden da und expandiert. Im
         Gegensatz zu den Verbindungsstudierenden stehen den Freistudierenden bis dato keine Räume zur
         Verfügung, in denen sie mit ihren Kommiliton*innen diskutieren, arbeiten oder einem Hobby nach-
         gehen können. Die Einrichtung eines Tagesheims durch die Freiburger Studentenhilfe im Jahr 1931
         schafft hier Abhilfe. Dort gibt es ab sofort beheizte Aufenthaltsräume, vier Klubräume, ein Lesezim-
         mer und einen Erfrischungsraum.
         Unter den Nationalsozialisten werden alle einzelnen, bisher selbständigen Studentenwerke Deutsch-
         lands gleichgeschaltet, die Freiburger Studentenhilfe im Jahr 1933 in Freiburger Studentenwerk
         umbenannt und 1934 in das sogenannte „Reichsstudentenwerk“ überführt. Durch den zugrundelie-
         genden Erlass des Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung wird nun die Richtung
         aus Berlin vorgegeben und nach nationalsozialistischen Kriterien definiert. Beispielsweise werden nur
         noch Studierende „nach nationaler Zuverlässigkeit“ gefördert, wie das Merkblatt für Studienförde-
         rung des Reichsstudentenwerks 1935 beweist: „Die Bewerber müssen Nationalsozialisten sein und das
         in Gliederungen der Bewegung, der HJ, SA, SS, PO, NSDStB, dem Arbeitsdienst und der Studenten-          Das Faulerbad 1933 (o.li.); Holzabgabe bei der Freiburger Studentenhilfe. Die Freiburger Studenten-
                                                                                                                 hilfe versorgt die Studierenden auch mit Heizmaterial zum Selbstkostenpreis oder – bei Studierenden,
         schaft unter Beweis gestellt haben.“                                                                    die weniger als 150 Mark im Monat verfügen – umsonst, 1931 (o.re.).
         1937 entlässt das Studentenwerk die Ordensschwestern, die bisher die „mensa academica“ betrieben        Den Freistudierenden stehen im Gegensatz zu den Verbindungsstudierenden keine Räume zur
                                                                                                                 Verfügung, in denen sie mit ihren Kommiliton*innen diskutieren, arbeiten, spielen oder einem
         haben, weil man nicht länger bereit ist, mit einer kirchlichen Institution zusammenzuarbeiten. Die      Hobby nachgehen können. Die Einrichtung des Tagesheims der „Freiburger Studentenhilfe“ schafft
         Leitung und Organisation der Mensa bleibt im Eigenbetrieb des Studentenwerks. Sie wird im Zweiten       hier Abhilfe. Außenaufnahme und Blick in das Runde Zimmer, ca. 1931 (u.re.)
         Weltkrieg auch vom Militär genutzt. Es gehen damals täglich ca. 1.000 Mahlzeiten über den Tresen.
         Das Studentenwerk erklärt sich bereit, im Falle eines Bombenangriffs auf Freiburg „den wohnungslos
         gewordenen Volksgenossen“ Essen auszuteilen.
         Der Wunsch und das Bemühen um ein dringend benötigtes Studierendenwohnheim geht weiter und
         unterschiedlichste Gespräche werden geführt. Als Standort wird auch ein Grundstück ins Auge ge-
         fasst, das unmittelbar neben dem Kollegiengebäude liegt: Das Gelände der in der Reichspogromnacht
         1938 zerstörten Synagoge. Am 15. März 1939 erwirbt die Stadt das Gelände für 67.000 RM – deutlich
                                                                                                                      Auszug aus der
         unter Wert und möchte diese „Baulücke“ dringend schließen: „Der Zustand ist jämmerlich (...). Unser       Dienstordnung der
         Ziel muß also sein: Alsbaldige Bebauung des ehem. Synagogengeländes.“ Das Grundstück soll dem             Deutschen Studen-
                                                                                                                  tenschaft von 1934.
         Studentenwerk kostenlos überlassen werden, aber das Bauvorhaben scheitert, da sich das badische
         Kultusministerium nicht in der Lage sieht, das Projekt finanziell zu unterstützen.
Ulrich Druwe                                                                                    100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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Grußwort        Zuhause im Studium!
                                                     P r o f. D r . Ul r i ch D r u w e
                                                     R e kt o r d e r P ä da g o g i sch e n H o chsch u l e F r e i b u r g

                Studieren, also Lernen und (Mit-)Forschen an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, steht (hoffent-
                lich) im Zentrum der Studierenden; aber erst mit der Bewältigung des studentischen Alltags ist die
                Grundlage für ein erfolgreiches Studium gelegt.
                  - Studieren ohne Bude? -> Wohnheimplätze, „Wohnen für Hilfe“, u.a. direkt neben der PH
                  - Geldprobleme? -> BAföG, Jobvermittlung, Überbrückungshilfe
                  - Fahrt zur PH? -> Semesterticket bis zum PH-„eigenen“ Bahnhof; kostenfreie Fahrt mit Bussen und
                    Bahn ab 19 Uhr
                  - Hunger? Kaffeedurst? -> PH-Mensa (die beste Mensa in Freiburg), Café-Cube
                  - Betreuung der eigenen Kinder? -> Kita Pusteblume, direkt neben der PH
                  - „Kulturhunger“? -> Musik, Film, Kunst – Angebote en masse von Studierenden für Studierende
                    und mit internationalem Flair.
                Um all das und noch vieles mehr kümmert sich das Studierendenwerk Freiburg. Es schafft so die
                Voraussetzungen dafür, dass sich unsere PH-Studierenden am Standort Littenweiler und in Freiburg
                wirklich wohlfühlen.

                Ständig auf der Suche nach Verbesserungen am Standort (zuletzt Café-Cube), jederzeit offen für
                studentische Anfragen und Wünsche (wg. Corona Ermöglichung studentischen Arbeitens in der
                Mensa), unterstützend auch in der Lehre (Preise für hervorragende Abschlussarbeiten) und immer
                freundlich und zuvorkommend im Service ist das SWFR ein absolut unerlässlicher Partner der
                Hochschule und aller Studierenden.
                Ich danke ganz herzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Studierendenwerk Freiburg,
                insbesondere am Standort Littenweiler, namentlich der Geschäftsführung Herrn Metz und Frau
                Heyberger, und gratuliere Ihnen allen zum 100. Geburtstag.

                Prof. Dr. Ulrich Druwe
                Rektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg
1940 - 1950 Jahre                        100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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         1920-30er Jahre
         1930-40er Jahre
n        1940-50 er Jahre
         1950-60er Jahre
         1960-70er Jahre
         1970-80er Jahre
         1980-90er Jahre
         1990-00er Jahre
         2000-10er Jahre
                            Blick in die Kaiser-Joseph-Straße

         2010-20er Jahre
1940 -50er Jahre                                                                                                            100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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         1940 - 1950

         #spotlighthistory
         Der Zweite Weltkrieg verändert alles: An der deut-
         schen „Heimatfront“ wird die Wirtschaft komplett
         auf Rüstung umgestellt und vor allem durch Zwangs-
         arbeitende am Laufen gehalten. Insgesamt arbeiten
         bis Ende des Krieges rund zehn Millionen von ihnen                                                                Bilder vom zerbombten Freiburg –
                                                                                                                           vom Kollegiengebäude I der Universi-
         unter teilweise mörderischen Bedingungen in der In-                                                               tät und vom zerstörten Stadttheater
         dustrie, in der Landwirtschaft, aber auch in privaten
         Haushalten. An der Front im Kriegsgebiet begehen
         die Deutschen schlimmste Kriegsverbrechen – auch
         die Zivilbevölkerung wird nicht verschont. In den
         Vernichtungs- und Konzentrationslagern werden
         Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und politische                Der „Auslandspass“ eines 16-jährigen pol-
                                                                           nischen Jungen, der in einer Uhrenfabrik
         Gegner*innen unter unwürdigsten Bedingungen festge-               als Zwangsarbeiter arbeiten muss verdeutlicht
         halten, zur Arbeit gezwungen, für medizinische Versuche           das grausame Schicksal der Zwangsarbeiten-
                                                                           den. Lange warten sie auf eine Entschädigung
         missbraucht und systematisch umgebracht. Insgesamt                – viele bis heute.
         werden über sechs Millionen Menschen in KZs ermordet,
         der Großteil von ihnen sind Juden. Auch Freiburger Juden, welche am 22. Oktober 1940 in Freiburg
         zur Deportation abgeholt werden, sind unter ihnen. Diesen Völkermord an den Juden nennt man
         „Holocaust“, griechisch für „vollständig verbrannt“. Mit weltweit fast 70 Millionen Toten, Vertrei-               Es geht friedlich aufwärts –
         bung und Zerstörung ist der Zweite Weltkrieg (1939-1945) mit der bedingungslosen Kapitulation                     Währungsreform, Juni 1948
         am 08. Mai 1945 für Deutschland vorbei. Nach Kriegsende besetzen französische Truppen die Stadt
         Freiburg, in der es nur mit Hilfe aus dem Ausland und großen eigenen Anstrengungen gelingt, das
         Überleben und den Wiederaufbau zu organisieren. Die bipolare Weltordnung, die in der Nachkriegs-
         zeit entsteht, verändert das Gesicht Europas vollkommen. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges
         können sich über die Zukunft Deutschlands nicht verständigen, zu unterschiedlich sind ihre Vorstel-
         lungen. Beide Seiten sind sich nur in ihren Bedenken einig: Ein einziger großer deutscher Einheits-
         staat könnte erneut zu einer Gefahr für Europa werden. So kommt es 1949 zu getrennten Staatsgrün-
         dungen. Deutschland ist fortan zweigeteilt: Die Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen und
         die Deutsche Demokratische Republik (DDR) im Osten.
1940 -50er Jahre                                                                                                 100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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         #studylifeblackforest
         Mit Kriegsbeginn änderte sich auch die Zusammensetzung
         der Studierenden in Freiburg. Die meisten männlichen Studie-
         renden sind in den Krieg gezogen. Die Todesanzeigen sammeln
         sich auf dem Schreibtisch des Freiburger Universitätsrektors.
         Fassungslos die einen, stolz die anderen, erinnern sich die Eltern an das kurze Leben ihrer Söhne und
         beschreiben in Briefen an die Universität Freiburg die Todesumstände. In der Region bleiben haupt-
         sächlich jugendliche Erstsemester sowie ein im Lauf des Krieges immer größer werdender Anteil Stu-
         dentinnen. Dazu kommen vom Krieg freigestellte bzw. abkommandierte Studierende: Medizinstudie-
         rende, um langfristig den hohen Bedarf an Ärzt*innen decken zu können, Abschlussstudierende und
         Kriegsversehrte oder Nicht-Wehrtaugliche. Demzufolge sind die Studierenden sehr heterogen und
         haben unterschiedliche Einstellungen zum politischen Geschehen – von bedingungsloser Begeisterung
         für das NS-Regime über den Versuch, sich unsichtbar zu machen bis hin zum organisierten Wider-
         stand, nicht zuletzt von einer Gruppe Freiburger Professoren, dem „Freiburger Kreis“: Walter Eucken,
         Adolf Lampe, Constantin von Dietze und Gerhard Ritter schreiben Denkschriften über ein anderes           Briefwechsel: Unterkunft von
         Deutschland nach dem Krieg, in dem Gerechtigkeit herrschen soll.                                         Studenten bei einer Jüdin 1942

         Nach dem Ende des Krieges ist Freiburg stark zerstört, besonders die Innenstadt und viele Univer-        Besonders hart trifft es die Jüdi-
         sitätsgebäude, sowie knapp ein Drittel aller Freiburger Wohnungen. Die französische Besatzung            sche Bevölkerung im NS-Regime.
                                                                                                                  Der Staat entrechtet sie Schritt
         stimmt dem Wiederaufbau und der Wiedereröffnung der Universität Freiburg bereits im Herbst 1945          für Schritt bis hin zu Verfolgung
         zu. Vor der Immatrikulation muss jede*r Studierende mindestens 100 Stunden beim Wiederaufbau             und Deportation. Frau A. gehört
                                                                                                                   zu den wenigen Jüdinnen, die
         mit anpacken. Der Zusammenhalt unter den Studierenden, der unmittelbar nach dem Krieg die                 Anfang des Jahres 1942 noch in
         Stimmung an der Hochschule prägt, verliert sich während des Wiederaufbaus. Die Studierenden der           der Stadt Freiburg leben. Der
                                                                                                                   Großteil der Freiburger Juden ist
         Nachkriegszeit leben und lernen mehr für sich. Gemeinsame Arbeit, der Austausch von Büchern und
                                                                                                                    zu diesem Zeitpunkt bereits in
         Fachgespräche außerhalb des Hörsaals gehören aber dennoch weiterhin zum Studienalltag – auch in            die Konzentrationslager depor-
         den zum Teil ungeheizten Räumen.                                                                           tiert worden.
1940 -50er Jahre                                                                                                                                           100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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                                                                              Viele Studierende sind froh, wenn sie
                                                                              sich nach Ableistung der vielen Pflich-
                                                                              ten endlich dem Studium widmen kön-
                                                                              nen. Ihr Arbeitseifer ist groß. Während
                                                                              des Zweiten Weltkrieges wächst dieses
                                                                              Engagement noch. Vielleicht weil die
                                                                              Arbeit in Bibliothek, Labor oder Klinik
                                                                              von den drückenden Sorgen ablenkt.
                                                                              Der gute Ruf der Medizinischen Fakul-
                                                                              tät zieht weiterhin viele Studierende an.
                                                                              In den Jahren 1935/36 ist jedoch ein ge-
                                                                              regelter Lehrbetrieb wegen Überfüllung
                                                                              kaum noch möglich. Nicht einmal die
                                                                              Hygiene-Vorschriften in den Kliniken
                                                                              können eingehalten werden.

                                                                                                                          Briefe an die Universität über
                                                                                                                          gefallene Söhne, 1939 und 1941

         Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges werden
         die meisten Studenten eingezogen und an die
         Front geschickt. Die in Freiburg Verbleibenden –
         darunter viele Frauen, wie Medizinstudentin Frau
         Kiefer – setzen ihr Studium fort und gönnen sich
         auch weiterhin kleine Vergnügungen. Die Sorgen um Verwandte und
         Bekannte sowie die Angst vor den häufiger werdenden Angriffen sind
         jedoch ihre ständigen Begleiter. Das Wiedersehen mit einem Kommi-
         litonen, der Fronturlaub hat, wird da zum großen Ereignis.
1940 -50er Jahre                                                                                                                                                                                  100 Jahre Studierendenwerk freiburg

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                      „Der Freiburger Widerstand dieser Professoren ist der einzige professorale                                   War drei Tage in Freiburg; ein Drittel der schönen Stadt, die ganze Innenstadt ist
                      Widerstand in Deutschland gewesen. Wir haben den studentischen Widerstand                                    ein Klumpen, die Straßen schon (aber nicht alle) freigelegt. – Kirchen, Theater,
                      in München, den professoralen hier in Freiburg. An den anderen Universitäten                                 Universität alles hin oder fast hin. Schauerlich toter Anblick; zwischen den Ruinen
                      hat es beides nicht gegeben. […]                                                                             liegen oft Kränze öfter Kreuze mit Inschriften, – Menschen die da verschüttet sind.“
                      P r o f. D r . B e r n d M a r t i n                                                                         A lf r e d D ö b l i n , 2 6 . 0 1.19 4 6

         #swfr100                                                                                                                                                                 Ruine „Karlskaserne“ am Siegesdenkmal,
         Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das NS-                                                                                                                                  Februar 1950
         Reichsstudentenwerk aufgelöst und die ein-
         zelnen regionalen Institutionen arbeiten vor-
         erst wieder selbstständig. Finanziert werden
         sie anfangs durch Geld- und Sachspenden, ab
         1948 durch einen Pflicht- und Solidaritätsbei-
         trag der Studierenden. Die ersten Zuschüsse
         der Länder und des Bundes kommen Anfang
         der 1950er Jahre hinzu. Freiburg ist einer der
         letzten Standorte, an dem ein Studentenwerk
         wieder gegründet wird, da man lange mit der
         Entnazifizierung und Umstrukturierung der
         Hilfsaufgaben beschäftigt ist. 1954 ist es dann
         so weit: Der „Studentenwerk e.V.“ ist wieder
         aktiv.

                     Die Beteiligung an den Aufräumarbeiten ist
                  für die Freiburger Studierenden eine Selbstver-
                   ständlichkeit – schließlich wollen sie schnellst-
                        möglich wieder das Studium aufnehmen.
                     Ob Aufräumarbeiten im Institutsviertel, bei
                       denen Steine sortiert und getürmt, Bücher
                      und Instrumente geborgen werden oder bei
                          Enttrümmerungsarbeiten im Gelände –
                                 der Wunsch nach Alltag ist groß.
                                                                                                                                                                                        Abhaltung von Vorlesungen und Übungen
                                                                       Trümmerzug: Jugendliche auf dem Weg zu Enttrümmerungs-                                                           der Naturwissenschaftlich-Mathematischen
                                                                       arbeiten, 1947 (o.)                                                                                              Fakultät im Sommersemester 1945 (o.)
                                                                       Studentinnen bei Aufräumarbeiten im Institutsviertel (u.)                                                        Mensa bittet um Eicheln, Badische Zeitung
                                                                                                                                                                                        15.10.1946 (li.)
j oa c h i m b e c k                                                                               100 Jahre Studierendenwerk freiburg

 50                                                                                                                                    51

Grußwort                                                  P r o f. D r . J o ach i m B e ck
                                                          R e kt o r d e r H o chsch u l e f ü r ö ff e n tl i ch e V e r walt u n g
                                                          K e hl

                        Essen beim Studierendenwerk – Lecker und gesund für
                        Kehler Studierende und die öffentliche Verwaltung von
                        morgen
                        Die Hochschule Kehl bildet mit ihren Studiengängen Menschen für die öffentliche Verwaltung von
                        morgen aus. Ohne Frage stellen die dort beschäftigten Personen eine der wichtigsten Ressourcen in
                        einer Verwaltung dar. Und damit diese effektiv, gesund und innovativ arbeiten können, muss ein gutes
                        betriebliches Gesundheitsmanagement fester Bestandteil einer jeden Verwaltung sein.
                        Wohlergehen, Gesunderhaltung und Leistungsfähigkeit erreicht man jedoch nicht nur mit körperli-
                        cher Aktivität, sondern auch mit einer gesunden Ernährung. Aus diesem Grund sind wir sehr froh,
                        dass das Studierendenwerk vor zwei Jahrzehnten eine Mensa an unsere Hochschule gebracht hat: Der
                        Mensakoch Herr Fink und sein Team sind jeden Tag für uns und insbesondere unsere Studierenden
                        da, um frisch, regional wie saisonal zu kochen und abwechslungsreiche Gerichte zu zaubern, die ein-
                        fach gut schmecken.
                        Der Gang in die Mensa ist für die Gäste zweifellos viel mehr als nur reine Nahrungsaufnahme: Essen
                        verbindet, und dieses gesellschaftliche Zusammenkommen ist von hoher Wichtigkeit für Körper, Seele
                        und Geist. Im Jahr 2020, als die Mensa mehrfach schließen musste, haben wir dies alle bedrückend er-
                        fahren müssen. Unsere Mensa und die Cafeteria in Kehl sind ein Ort des Austausches, des Zusammen-
                        kommens, der Freude und auch irgendwann der Erinnerung: Ehemalige, die sich selbst nun in hohen,
                        teils auch prominenten Positionen befinden, kommen gerne an die Hochschule zurück und freuen sich
                        immer besonders, wenn wir vorschlagen, vor oder nach einer Veranstaltung noch ein gemeinsames
                        Essen in der Mensa einzunehmen. Der Mensabesuch ist und bleibt für viele etwas Besonderes, weil er
                        mit schönen Erinnerungen an die Studienzeit verbunden ist.
                        Die Hochschule Kehl ist glücklich und dankbar, einen Partner wie das Studierendenwerk an seiner
                        Seite zu wissen. Wir wünschen uns viele weitere Jahre der tollen Zusammenarbeit.

                        Prof. Dr. Joachim Beck
                        Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
Kolumnentitel                                                     100 Jahre Studierendenwerk freiburg

52                                                                                                53

        1920-30er Jahre
        1930-40er Jahre
        1940-50er Jahre
n       1950-60 er Jahre
        1960-70er Jahre
        1970-80er Jahre
        1980-90er Jahre
        1990-00er Jahre
        2000-10er Jahre
                           Verkehr mit neuer Ampel am Bertoldsbrunnen, Dezember 1951

        2010-20er Jahre
1950 -60er Jahre                                                                                                                                                          100 Jahre Studierendenwerk freiburg

54                                                                                                                                                                                                        55

         1950 - 1960
                                                         Die Karte des Bundeslandes Baden-
                                                           Württemberg in seinen heutigen
                                                         Grenzen zeigt die drei ehemaligen
                                                                                  Länder.

         #spotlighthistory
         Freiburg ist Hauptstadt? Klingt verrückt, ist aber für einige Jahre
         für die Region Baden bis zur Bildung des neuen Bundeslandes
         Baden-Württemberg 1952 Realität.
         Mit der stetigen Wiederherstellung der Freiburger Innenstadt, die
         sich weitgehend an den ursprünglichen Straßenzügen ausrichtet, stehen die Zeichen in Deutschland
         generell auf Wiederaufbau und der Blick richtet sich nach vorne. „Beobachtet man die Deutschen
         […] die Gleichgültigkeit, mit der sie sich durch die Trümmer bewegen, […] wie sie es einem verübeln,
         wenn man sie an die Schreckenstaten erinnert, welche die ganze Welt nicht loslassen,“ konstatiert die
         deutsch-amerikanische Journalistin Hannah Arendt, die während der Nazizeit aus Deutschland ge-
         flohen war, und die nun ihre alte Heimat besucht. Dabei kritisiert sie nicht nur die Verdrängung des
         Geschehenen und der Verantwortlichkeiten der Deutschen, sondern auch die Ineffizienz der Entnazi-
         fizierung im Nachkriegsdeutschland.
                       Während die Deutsche Demokratische Republik (DDR) auf Planwirtschaft setzt und
                                                                                                                 Blick aus luftiger Höhe auf das Münster, 1953 (o.);
                       gegen Fluchtbewegungen Richtung Westen zu kämpfen hat, kommt es in der BRD zu             Schwabentor mit alter Turmspitze aus Richtung Gerber-
                       einem rasanten Wirtschaftswachstum. Ob Cocktailsessel oder Nierentisch – die 50er         au, 1952 (re.);
                                                                                                                 Pathologisches Institut mit Hörsaal für Pathologie
                       sind prägend für Design und Ausgefallenes. Der VW-Käfer wird zum Renner, Toast            und Anatomie, ca. 1960 (u.). Heute ist es das Freiburg
                       Hawaii zum exotischen Ofengericht und 1954 gewinnt die bundesdeutsche National-           Institute for Advanced Studies (FRIAS), das internati-
                                                                                                                 onale Forschungskolleg der Albert-Ludwigs-Universität
                       mannschaft die Fußball-WM mit einem sensationellen 3:2-Sieg gegen Ungarn und
                                                                                                                 Freiburg.
                       erlebt dabei sein „Wunder von Bern“. Und Freiburg? Die Stadt wird zur Autometro-
                       pole: Die Anzahl der Automobile in Freiburg ist im Verhältnis zum bundesweiten
                       Durchschnitt doppelt so hoch. Der Motorisierungstrend zieht viel Publikum an den
                       Freiburger Hausberg zum Schauinsland-Autorennen, aber sorgt auch für viele Unfälle
                       – womöglich auch weil der erlaubte Blutalkoholwert 1953 noch bei 1,5 Promille liegt.
                       Dem Arbeitskräftemangel der Nachkriegszeit begegnet man deutschlandweit mit der
         Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland: Sogenannte „Gastarbeiter“ kommen aus Italien,
         Spanien, Griechenland und der Türkei in die BRD, die ein multikulturelles Land zu werden beginnt.
         Heute hat jeder vierte Einwohnende in Deutschland einen Migrationshintergrund – darunter sind
         viele Kinder und Enkelkinder der damaligen „Gastarbeiter”. Es ist das Jahrzehnt, in dem die ersten
         europäischen Staaten zusammenfinden und den Grundstein der heutigen Europäischen Union legen.
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