Studieren geht über Absolvieren - Hochschullehrerbund
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Ausgabe 04-2017 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST Studieren geht über Absolvieren Campusnotizen hlb aktuell Aus Wissenschaft Wissenswertes Musik eröffnet neue DNH im Gespräch mit & Politik Urteil zur Konsumtion Horizonte HRK-Vizepräsidentin Bayern fördert besonderer Leistungs- Prof. Monika Gross Entrepreneurship-Ausbildung bezüge in Niedersachsen 4 20 31 34
2 Inhalt Campusnotizen hlb aktuell Titelthema: 4 Hochschule Esslingen: 20 DNH-Sommerinterview: HRK- Musik eröffnet Horizonte Studieren geht Vizepräsidentin Monika Gross über das Studium hinaus über Absolvieren blickt auf ein Jahr im Amt zurück | Von Dr. Karla Neschke HMKW Berlin: Philosophie im digitalen Zeitalter 21 hlb- Kolumne: Grundfinanzierte Forschung ist überfällig | Von Prof. 5 Hochschule Eberswalde: Dr. Olga Rösch, Vizepräsidentin der ALNUS e. V. 8 Wie aus BWL-Studenten Manager hlb Bundesvereinigung 6 Hochschule Bremen: SPAGAT auf werden | Von Prof. Dr. Fabian Dittrich dem TELLERRAND 12 Lehre 4.0 revolutioniert E-Learning in Hochschule und Weiterbildung | Von Prof. Dr. Dr. Wissenswertes Heribert Popp und Monica Ciolacu Fachaufsätze 33 Leserbrief 16 „Frischzellen“-Projekt zur Förderung neuer Lehr- und 34 Alles, was Recht ist 22 Wo sind deutsche Hochschulen in den Social Media? | Von Dr. Lernformen | Von Prof. Dr. Alexander 35 Neue Bücher von Kolleginnen Matthias Johannes Bauer Tsipoulanidis und Kollegen 26 Bildung 4.0 aus Sicht der 36 Neuberufene Wirtschaftswissenschaften | Von Prof. Dr. Felicitas G. Albers und Aus Wissenschaft Prof. Dr. Wolfgang Renninger & Politik Standards 30 Baden-Württemberg: care4care: 3 Editorial Neuer Forschungsverbund entwickelt Strategien gegen den 7 Autoren gesucht & Impressum Fachkräftemangel in der Pflege 38 Stellenanzeigen 31 Bayern: Wissenschaftsminister gibt 40 hlb Seminartermine 2017 Förderung der Entrepreneurship- Ausbildung mit dem Schwerpunkt Digitalisierung bekannt Niedersachsen: Kindheitspädagogik gestärkt 32 Hochschulfinanzierung: Mehr als eine Milliarde Euro jährlich für ostdeutsche Hochschulen gefordert 33 Hochschulrektorenkonferenz: HRK-Hochschulkompass erweitert und optimiert 04 | 2017 DNH
Editorial 3 Studieren geht über Absolvieren Nirgendwo steht geschrieben, dass ein „Bologna“-Studium eine einzige Punktejagd sein muss, bei der die Studierenden per Bulimie-Lernen von Prüfung zu Prüfung hetzen. Stattdessen werden vielerorts neue Lehr- und Lernformen entwickelt, und es bleibt auch noch Zeit für Aktivitäten außerhalb des vorgesehenen Lernpfads. „Bologna“ erzwingt ein verschultes Studi- Einerseits verlangt der zunehmende um. So oft dieser Satz auch zu hören ist, Weiterbildungsbedarf während des Berufs- wird er doch auch durch Wiederholung lebens eine stärkere Ausdifferenzierung Foto: hlb/Judith Wallerius nicht wahr. Gerade wir Professorinnen des Lehrstoffs. Andererseits soll die Lehr- und Professoren mit unserer Gestaltungs- methodik stärker auf die individuellen freiheit in der Lehre und mit unserer Lernvoraussetzungen eingehen. Ihre starken Position in den Gremien haben Antwort auf beide Herausforderungen keinen Grund, Studienstrukturen und lautet „Lehre 4.0“ (Seite 12). Christoph Maas Lehrformen als gegeben hinzunehmen, wenn sie uns wenig sinnvoll erscheinen. Alexander Tsipoulanidis praktiziert Erfreulicherweise sieht die Realität ja auch in seinen Lehrveranstaltungen nicht vielerorts anders aus. Kolleginnen und einfach nur Teamteaching, sondern die Kollegen entwickeln und erproben neue Lehrenden verstehen sich dort zugleich Formate für Lehrveranstaltungen. Damit auch als Coaches, die die Studierenden verbessert sich nicht nur die Passung bei selbstständigen Lernprozessen unter- zwischen Studium und Arbeitswelt – stützen. Die HWR Berlin hat sich vorge- so nützlich das auch ist –, sondern das nommen, diesen Ansatz auf weitere Lehr- Lernerlebnis selbst verändert sich. Studie- veranstaltungen zu übertragen (Seite 16). ren fühlt sich sinnvoller an und macht mehr Spaß. Aber ein Studium ist mehr als ein Quali- fikationsprozess. Es gehört auch vieles Fabian Dittrich stellt das Kompetenz- dazu, das sich außerhalb vorgegebener und Forschungszentrum casem an der Lehrveranstaltungen abspielt. Als Erstes FH Dortmund vor, das über das gesamte fällt vielen von uns hier wahrscheinlich Bachelor- und Masterstudium der BWL der Hochschulsport ein, der fast an jedem hinweg die Auseinandersetzung mit Hochschulort präsent und sowohl natio- Fragestellungen aus realen Unterneh- nal als auch international ausgezeichnet men ermöglicht. Der Blick von Studie- vernetzt ist. In der Rubrik „Campusno- renden auf betriebliche Entscheidungs- tizen“ werfen wir einen Blick auf ande- prozesse entwickelt sich weiter, wenn sie re Bereiche wie Theater, Musik, Umwelt dabei laufend selbst Position beziehen oder Philosophie. Muss ich noch geson- müssen (Seite 8). dert sagen, dass Kontaktaufnahme zum Erfahrungsaustausch oder zur Nachah- Heribert Popp und Monica Ciolacu mung ausdrücklich erwünscht ist? setzen sich an der TH Deggendorf gleich mit zwei Anforderungen auseinander: Ihr Christoph Maas DNH 04 | 2017
4 Campusnotizen Hochschule Esslingen Musik eröffnet Horizonte über das Studium hinaus Studium und Lehre verlangen von den zum Berufsleben arbeitet man eng zusam- Beteiligten ein Höchstmaß an Konzentra- men und lernt die Stärken (und auch tion und Ausdauer. Da mutet es fast wie Schwächen) der anderen kennen. Man ist ein gewagtes Angebot an, in seiner Freizeit an einem langfristigen Wachstumsprozess noch am Hochschulorchester, der Band beteiligt und kann sich auf konstruktive oder dem Chor teilzunehmen. Weise einbringen. Der hieraus entstehen- de Spaß an der Sache ist kein schnel- Musik als Nebenfach oder auch als ler, leicht zugänglicher „Spontan-Spaß“, Arbeitsgemeinschaft hatte es in allgemein sondern eine tiefe Freude darüber, gemein- bildenden Einrichtungen in Deutschland sam etwas Bedeutsames zu schaffen. schon immer schwer. In einem Orches- Foto: R. Kraning ter oder einer Band zu spielen bedeutet, Im Jahr 1959 wurde das Orchester von dass man sich zeitlich bindet: Man muss dem Studenten Karl Mündl gegründet. Proben vorbereiten und daran teilneh- Dass hier heute die 12-jährige Cellistin in men und darüber hinaus auch zu Auftrit- einer Stimmgruppe mit der Studienanfän- ten zur Verfügung stehen. Hoher Aufwand gerin sowie der Sekretärin eines ehema- Alle Musikgruppen begleiten darüber steht einem vermeintlich kleinen Mehr an ligen Rektors der Hochschule musiziert, hinaus Veranstaltungen der Hochschule Lebensqualität gegenüber. ist faszinierend. Denn in welchem ande- bei Festen, beim Tag der offenen Tür und ren Zusammenhang würden sie sich sonst beim traditionellen Hochschulkonzert am Warum also treffen sich mittwochs und überhaupt begegnen und ihr Leben ein ersten Advent. donnerstags – selbst in stressigen Zeiten – kleines Stück weit teilen? an der Hochschule Esslingen engagierte Dies alles ist nur möglich an einer Studierende, Lehrende, Mitarbeiterinnen Dass die Pep-Band, die 2010 gegründet Hochschule, die ihren Studierenden und und Mitarbeiter sowie Freunde der Hoch- wurde, weit und breit das einzige Ensem- Lehrenden dieses Mehr an Erfahrung schule im Alter zwischen zehn und 75plus ble seiner Art ist, welches jährlich zur ermöglicht. Die organisatorische sowie Jahren? Was verbindet diese Menschen, Verabschiedung der Absolventinnen und finanzielle Unterstützung durch die Hoch- die verschiedenste Biografien haben und Absolventen beim traditionellen Kandel- schule und den Verein der Freunde der auf sehr unterschiedliche Weise zur Musik marsch mit Lehrenden, Förderern und Hochschule Esslingen e. V. (VDF) sind ein (und somit in das Hochschulensemble) Absolventen durch die Stadt zieht, zeigt klares Bekenntnis zu einer ganzheitlichen gekommen sind? Die selbst nach Auslands- nach außen vor allem eines: Musik ist hier Bildung, welche über die rein fachliche semestern zurückkehren und sich weiter- nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern Ausbildung ihrer Studierenden hinausgeht. hin künstlerisch einbringen? Ausdruck eines Lebensgefühls. Dass sich Studierende in der SING_UNI nicht nur www.hs-esslingen.de/musik Die Haltung zu dem, was wir tun, spielt als Sängerinnen und Sänger, sondern sicher eine große Rolle. Genau wie beim auch als Bühnenbildner, Regisseur-Teams Musical Candy Shop 16. März 2016 Fitnesstraining oder im Tai Chi verschreibt und Autoren einbringen, dokumentiert h t t p s : / / w w w. y o u t u b e . c o m man sich einer gemeinsamen Sache, die eindrucksvoll, wie Verantwortung über- watch?v=yx08BdmWlH4 einen beschäftigt und inspiriert. Analog nommen wird. Steffi Bade-Bräuning, OStR‘ Leiterin Orchester, SING_UNI und Pep-Band der Hochschule Esslingen HMKW Berlin Philosophie im digitalen Zeitalter Am 5. Juli 2017 fand in der Hochschule Ziel der Veranstaltung war es, den Philosophie informiert werden. Bis für Medien, Kommunikation und Wirt- Leuten die Scheu vor dem Thema Philoso- zum Schluss sollte es sie emotionali- schaft in Berlin HMKW das Event „Philoso- phie zu nehmen und Interessierte zusam- sieren und in ihrem wirtschaftlichen Bieren // Philosophische Fragen im digi- menzubringen. Die Besucher sollten eige- Handeln sensibilisieren. Die Besucher- talen Zeitalter“ unter der Leitung von Prof. ne Gedanken entwickeln und über den anzahl betrug ca. 50 bis 60 Leute – Dr. Lorenz Pöllmann statt. Zusammenhang von Wirtschaft und darunter nicht nur Studenten, sondern 04 | 2017 DNH
5 auch Dozenten, weitere Mitarbeiter der darauffolgenden Podiumsdiskussion über- vom Fass, welches den gemütlichen Teil HMKW sowie „Außenstehende“, die nahm Dr. Andreas Pagiela die Moderation des Abends unterstrich. durch externe Werbemaßnahmen auf und sprach mit den Experten Dr. Barba- das Event aufmerksam geworden waren. ra Strohschein, Expertin für Ethik und Die Veranstaltung klang mit dem Werte-Fragen, und Sascha Zöller, Busi- Auftritt der Band „Somebody Else“ Im Rahmen der Veranstaltung fanden ness-Experte für die Digitale Transformati- gegen 19 Uhr aus, die für die richtige Gedankenexperimente und eine on. Die Besucherinnen und Besucher des Stimmung mit Pop-Musik sorgte. In anschließende Podiumsdiskussion statt. Events nahmen an der Diskussion rege einem gemütlichen Rahmen wurde Die Co-Moderaterin eröffnete die Veran- teil und äußerten ihre Gedanken zu den getanzt und diskutiert. Das „Philoso- staltung mit Gedankenexperimenten. Themen Leistungsgesellschaft und wie Bieren“ war ein voller Erfolg und das Nachdem diese diskutiert wurden, die Digitalisierung unseren Alltag und Ziel der Veranstaltung erreicht. öffnete sich das Publikum gedanklich unser Verhalten prägt. Auch an der Bar für die nachfolgenden Themen. Bei der war viel los. Die Gäste genossen das Bier Diego Unternährer Hochschule Eberswalde ALNUS e. V. Die „Arbeitsgemeinschaft für Land- schaftspflege, Naturschutz, Umweltbil- dung und Stadtökologie“ (ALNUS e. V.) wurde 1997 von Studenten des Fachbe- reichs Landschaftsnutzung und Natur- schutz der damaligen Fachhochschule Eberswalde, jetzt Hochschule für Nach- haltige Entwicklung Eberswalde – HNEE, gegründet. Ausschlaggebend war ihr Wunsch, neben dem Studium praktisch im Natur- und Umweltschutz tätig zu werden. Die Mitglieder des ALNUS sind überwiegend Studenten und Absolventen der HNEE, die neben ihrem Studium oder Foto: ALNUS e. V. Job Zeit finden, sich ehrenamtlich für den Naturschutz zu engagieren. Seit 2006 betreibt der ALNUS einen Die jährliche Wiesenmahd fördert die Artenvielfalt. Schulgarten in Kooperation mit der Goethe-Grundschule. Schülerinnen und Schüler helfen regelmäßig bei der Pfle- ist notwendig, um eine für diese Regi- in andere Länder verlagerte Umweltzer- ge des Gartens und Studierende können on typische vielfältige Pflanzengesell- störung, klimafreundlich und gesund ihre Fähigkeiten im Bereich Umweltbil- schaft zu erhalten. Für die Pflege erhält zu leben. dung testen. Bei der Pacht des Grund- der Verein Vertragsnaturschutzmit- stücks und bei der Realisierung von Bau- tel, die unter anderem dafür eingesetzt In den letzten Jahren hat sich eine und Bildungsprojekten unterstützt die werden, einen Bundesfreiwilligendienst- Verschiebung der Tätigkeiten des Vereins Stadt den ALNUS finanziell. Seit 2010 ler zu finanzieren, aber auch um Veran- vom praktischen Naturschutz hin zu wird ein zweiter Garten in dem Bran- staltungen zu fördern, die von unseren Tätigkeiten für eine nachhaltige sozial- denburgischen Viertel, dem größten Plat- Helfern organisiert werden. ökologische Gesellschaftserneuerung voll- tenbauquartier in Eberswalde, betrieben. zogen. Entscheidend dafür war einer- Bei der Landschaftspflege geht es nicht seits die zunehmende Desillusionierung, Eine der langjährigen Tätigkeiten des nur um die Natur, sondern darum, selbst dass die Politik imstande ist, die sich Vereins ist die Landschaftspflege. Zwei zu erfahren und anderen zu zeigen, wie zuspitzende soziale und ökologische artenreiche Wiesen, ein Trockenrasen reichhaltig die Natur ist. Auf Grundlage Krise zu bewältigen, und andererseits und eine Feuchtwiese an der Finow der Wertschätzung der Natur versuchen die dadurch in Eberswalde entstandenen werden jährlich mit der Sense gemäht ALNUS-Mitglieder zusammen mit vielen Initiativen, die sich für einen grund- sowie eine Streuobstwiese durch Obst- anderen eine Lebensweise zu praktizie- sätzlichen Wandel einsetzen, wie etwa baumschnitt gepflegt. Die Wiesenmahd ren, die es ermöglichen soll, ohne die die Transition-Bewegung. Paul Venuß DNH 04 | 2017
6 Campusnotizen Hochschule Bremen SPAGAT auf dem TELLERRAND Wer diese Anstrengung erbringen möch- te, benötigt außergewöhnliche körper- liche Geschicklichkeit. Mehr noch. Wer zum Spagat ansetzen will, braucht Willenskraft und Ausdauer, muss sein eigenes Scheitern, aber auch das der anderen Mitstreiter aushalten können, darf nicht lamentieren, sondern muss seine Energie in innovative Lösungsstra- tegien umsetzen können. Werden Grenz- erfahrungen in einem lustvollen Lernpro- Foto: Sabrina Peters zess gelebt, schaffen sie den Blick auf das Neue, das Unbekannte. Mut und Neugier sind hierbei unverzichtbare Vorausset- zungen. Der Lernprozess erfordert Mut und Neugier auf das Unbekannte. Diese Aus der aktuellen Inszenierung von „Peer Gynt“ Prinzipien zu beherzigen, wünscht man sich in Forschung und Lehre. Im Thea- Angeboten eher fakultative Angebote. sein. Nur so gelingt die Aneignung terprozess sind sie konstitutiv. Dieser Blick auf kulturelle Inhalte wird von Wirklichkeit. Die Übernahme durchaus auch von den Studierenden so von gesellschaftlicher Verantwortung gesehen. Kulturelle Kompetenzen haben fordert Kompetenzen wie Selbstwirksam- Kultur als Schlüsselkompetenz demnach mit einem erfolgreichen Studi- keit, Konfliktfähigkeit, Urteilsfähigkeit, enabschluss wenig zu tun. Perspektivenübernahme, Partizipation Forschung und Lehre stehen an der und das bewusste Reflektieren des eige- Hochschule Bremen zwar im Mittel- Das kulturelle Grundverständnis von nen Tuns: Empathie. punkt. Im oft zitierten „Blick über den Studierenden lässt sich aber nicht primär Tellerrand“ werden den Studierenden durch konsumtive Teilnahme an Thea- Kultur ist grundsätzlich identitätsbil- aber auch kulturelle Angebote gemacht. ter-, Musik- und Literaturveranstaltungen dend. Das haben besonders die Insze- Hierzu gehören neben der Theaterwerk- entwickeln, sondern durch aktive Einbe- nierungen „Schiff der Träume“ und statt auch der Hochschulchor „IntoNa- ziehung kultureller Schlüsselwerte in unser aktuelles Stück „Peer Gynt“ deut- tion“ und das Literaturfestival „poetry die Inhalte von Lehre und Forschung. lich gemacht. Die Zusammenarbeit und on the road“. das Einbeziehen von Flüchtlingen und Wenn sich für das Studium der Stellen- geistig behinderten Menschen bedeuten wert für kulturelle Inhalte verändern soll, für alle Beteiligten neue und fruchtbare Theater als Wahlpflichtmodul muss ihre Bedeutung curricular sichtbar Erfahrungen. werden.“ Mit Beginn des Wintersemesters 2017/18 Die Theaterwerkstatt arbeitet jedes bekommen die Studierenden an der Studienjahr mit zwei Gruppen, soge- Hochschule Bremen erstmals die Möglich- Inszenierung von Authentizität und nannten Einsteigern und Fortgeschrit- keit, die Theaterwerkstatt als Modul anzu- Erwerb von Demokratie-Kompetenz tenen. Leiter der Gruppen sind Roland wählen und sich dafür entsprechende Zwei Gründe, warum wir Theater machen Huhs und Holger Möller. Creditpoints anrechnen zu lassen. Zwar lebt die Theaterwerkstatt von Beginn „Theater darf nicht langweilig sein. Es darf an ab 1999/2000 von der Freiwilligkeit nicht konventionell sein. Es muss uner- Einblicke in unsere Arbeit: der Anwahl. Die Anerkennung zu einem wartet sein. Theater führt uns durch Über- Modul durch die Hochschulgremien ist raschung, durch Erregung, durch Spiel, facebook.com/Theaterwerkstattder- jedoch das Ergebnis einer gewachsenen durch Freude zur Wahrheit. Es macht die HochschuleBremen Akzeptanz. Kulturelle Angebote haben Vergangenheit und die Zukunft zu Teilen es an der Hochschule Bremen zunächst der Gegenwart, es ermöglicht uns eine Holger Möller einmal nicht leicht. Nahezu 70 Studi- Distanz zu dem, was uns normalerweise engänge sind überwiegend technisch umfängt, und überwindet die Distanz zu ausgerichtet und auch ihr geisteswissen- anderem, was normalerweise weit weg schaftlicher Anteil u. a. mit dem Schwer- liegt.“ (Peter Brook) punkt Wirtschaft haben nur wenig kultu- relle Kompetenzziele im Programm. Ein lebendiges, gegenwärtiges Thea- Viele Professoren sehen in kulturellen tererlebnis muss nah am Puls der Zeit 04 | 2017 DNH
Impressum 7 AUTOREN GESUCHT 5/2017: Hochschule für die Region, Redaktionsschluss: 25. August 2017 6/2017: Studienangebote in internationaler Kooperation, Redaktionsschluss: 27. Oktober 2017 1/2018: Service-Learning – Lernen durch Engagement, Redaktionsschluss: 29. Dezember 2017 Schicken Sie uns Ihre Beiträge, Informationen und Meinungen! Kontakt: Prof. Dr. Christoph Maas @ christoph.maas@haw-hamburg.de IMPRESSUM Herausgeber: Verlag: Hochschullehrerbund – DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH Bundesvereinigung e. V. hlb Kaiser-Friedrich-Straße 90 Godesberger Allee 64 10585 Berlin 53175 Bonn Telefon: 030 212 987-0 Telefon: 0228 555 256-0 info@duz-medienhaus.de Fax: 0228 555 256-99 www.duz-medienhaus.de Chefredakteur: Dr. Wolfgang Heuser (Geschäftsführer) Prof. Dr. Christoph Maas w.heuser@duz-medienhaus.de Molkenbuhrstr. 3 22880 Wedel Anzeigen: Telefon: 04103 141 14 DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH christoph.maas@haw-hamburg.de Luisa Steinhäuser (verantwortlich im Sinne des Presserechts Telefon: 030 212 987-31/27 für den redaktionellen Inhalt) Fax: 030 212 987-20 anzeigen@duz-medienhaus.de Redaktion: Dr. Karla Neschke Erscheinung: Telefon: 0228 555 256-0 zweimonatlich karla.neschke@hlb.de in Kooperation mit der DUZ Verlags- Bezugsbedingungen: und Medienhaus GmbH Jahresabonnements für Nichtmitglieder 45,50 Euro (Inland), inkl. Versand Gestaltung und Satz: 60,84 Euro (Ausland), inkl. Versand DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH Probeabonnement auf Anfrage Nina Reeber-Laqua, Kronberg Erfüllungs-, Zahlungsort und Gerichtsstand ist Bonn. Titelbild: luckybusiness 123RF.com Piktogramme: S. 34, 35, 36, 38 und 39: 123rf.com Verbandsoffiziell ist die Rubrik „hlb-aktuell“. Alle mit Namen des Autors/der Autorin verse- Herstellung: henen Beiträge entsprechen nicht unbedingt der Wienands Print + Medien GmbH Auffassung des hlb sowie der Mitgliedsverbände. Linzer Straße 140, 53604 Bad Honnef Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 16. Juni 2017 ISSN 0340-448 x Mit dem Smartphone gelangen Sie hier direkt auf unsere Homepage. DNH 04 | 2017
8 Titel: Studieren geht über Absolvieren Wie aus BWL-Studenten Manager werden Fachhochschulen bieten dank bewährter Methoden eine praxisnahe Ausbildung. In Dortmund werden diese Methoden zielgerichtet mit innovativen didaktischen Ansätzen weiterentwickelt | Von Prof. Dr. Fabian Dittrich Foto: dolgachov123RF.com 22:00 Uhr, Laptops und Tablets leuchten, für unsere praxisnahe Ausbildung. Vor das Flipchart voller Zahlen, Pizzageruch allem Praxissemester, kooperative Projekt- steht im Raum. Es klopft und alle Köpfe sowie Abschlussarbeiten mit Unterneh- drehen sich zur Türe. Die Hausmeiste- men und Institutionen, Praxisvorträge, rin: „Jetzt ist aber wirklich mal Schluss Gruppenarbeiten, Fallbeispiele und Plan- hier.“ In kurzer Hektik werden die Sachen spiele sollen die Studierenden näher an Foto: privat gepackt und es geht in die Bibliothek – die die Arbeitswelt bringen. ist noch bis Mitternacht geöffnet. Universitäten setzen heutzutage die Prof. Dr. Fabian Dittrich In vielen mittleren und großen Unter- genannten Methoden ebenfalls in ihrer nehmen ist es die stille Erwartungshal- Ausbildung ein. Dies geschieht zwar oft Fachhochschule Dortmund tung an den Manager-Nachwuchs, in im geringeren Umfang, doch ist es trotz- Fachbereich Wirtschaft, Ausnahmefällen auch einmal die Extra- dem schwer, sich als Fachhochschule auf Unternehmensführung meile bis in die Nacht zu gehen. In Start- dieser Basis zu differenzieren. Es bedarf ups und Unternehmensberatungen wird des Einsatzes weiterführender praxisnaher Professur für Entrepreneurship sogar ganz offen darüber im Bewerbungs- Methoden. gespräch gesprochen. Als Fachhoch- Emil-Figge-Str. 44 schule (FH) sollten wir die Studierenden 44227 Dortmund der Generation Y auch darauf vorberei- Center for Applied Studies & Education ten. Allerdings ist dies im Rahmen von in Management – casem. fabian.dittrich@fh-dortmund.de Prüfungsordnungen und Lehrplänen gar nicht so einfach. Im Fall oben wurde in Am Fachbereich Wirtschaft der Fach- Weiterführende Literatur einem Fallstudienseminar eine so inten- hochschule Dortmund hat sich das von sive Gruppendynamik geschaffen, dass Prof. Jan-Philipp Büchler gegründete und BWL – Was ich im Studium hätte alle 30 Studierenden in fünf Teams frei- geleitete Kompetenz- und Forschungszen- lernen sollen. Von Fabian Dittrich. willig bis in die Nacht an der FH blieben. trum casem. unter anderem der Entwick- Erschienen 2017 im EWK Verlag. lung solcher weiterführenden Methoden Bei der Evaluation solcher Veranstal- gewidmet. Zahlreiche Kollegen, derzeit tungen durch die Studierenden zeigt sich insbesondere die Professoren Axel Faix, von Begeisterung bis Frust ein breites Sabine Quarg, Gregor Brüggelambert und emotionales Spektrum. Nahezu immer Fabian Dittrich, sowie Doktoranden und wird ein hoher und wertvoller Wissens- wissenschaftliche Mitarbeiter realisieren und Erfahrungszuwachs attestiert. Auch interdisziplinäre und anwendungsorien- wenn es dann einmal heißt: „Jetzt weiß tierte Forschung und Lehre. Dies geschieht ich, welchen Job ich später (nicht) in einem internationalen Netzwerk von machen will.“ Hochschulen, Forschungseinrichtungen sowie Industrie-, Handels- und Außen- An den Fachhochschulen wird – über handelskammern. Ziel ist es, kleine und alle Fachrichtungen hinweg – eine brei- mittelständische Unternehmen kontinu- te Palette an bewährten Methoden und ierlich wettbewerbsfähiger zu machen, Instrumenten eingesetzt. Diese bilden auch im globalen Markt. Der inhaltliche auch an der FH Dortmund die Grundlage Fokus liegt auf Wachstumsstrategien 04 | 2017 DNH
9 – insbesondere durch Internationalisierung und Inno- Internationalisierung, Innovation und Gründung um vation – von kleinen und mittelständischen Unter- den Ordnungsrahmen und stimulierende Impulse für nehmen sowie von Start-ups. Unternehmen auf ihrem Wachstumspfad, u. a. mit spieltheoretischen Methoden und Modellen. Die Forschungsperspektive ist ganzheitlich und integriert wirtschaftliche und technologieorientierte Fragestellungen zu den zentralen betriebswirtschaft- Fallstudien als zentrale Lernmethode lichen Themen Internationalisierung, Innovation, Entrepreneurship und Institutionen wie in der Abbil- „Fallstudie“ klingt zunächst wie ein alter Hut. Alle dung dargestellt. Die Forschungsprojekte sind anwen- Dozenten verwenden schließlich Praxisbeispiele. In dungs- und handlungsorientiert durch eine intensive Fallstudien geht es darum, auf Basis verschiedener Kooperation mit Unternehmen und Institutionen. Informationen Lösungsansätze für eine komplexe Problemstellung zu entwickeln. Allerdings beschrän- casem. verfolgt einen integrierten Forschungs- ken sich im Bereich Wirtschaftswissenschaften die ansatz, der qualitative und quantitative Metho- Fallstudien an deutschen Hochschulen oft auf klei- den ergänzend einsetzt. Fragen der internationalen ne Einheiten von meist 45 bis maximal 90 Minuten. Marktbearbeitung werden in Forschungs- und Fall- Grundlage sind kurze Texte und Tabellen mit explizi- studienprojekten zu sogenannten Hidden Cham- ten Aufgabenstellungen. Die Fallstudien dienen dabei pions – mittelständische Weltmarktführer – bear- als Ergänzung zu theoretischen Inhalten. Der didak- beitet. Im Bereich der Fallstudienmethode ist die tische Ansatz von casem. vertauscht diese Gewich- FH Dortmund mittlerweile europaweit anerkannt tung. Der zentrale Inhalt ist die Fallstudie, während und vernetzt. Beispielsweise wird jährlich ein „Case theoretische Überlegungen als Ergänzung dienen, Method Workshop“ zum integrierten Einsatz von sodass ein gänzlich fallstudienbasierter Kurs („case Fallstudien in Forschung und Lehre angeboten, der based curriculum“) entsteht. von über 20 Dozenten internationaler Partnerhoch- schulen besucht wird. Insbesondere in der Innovati- Beispielsweise müssen die Studierenden im Kurs onsforschung findet mit dem IHK-InnoMonitor eine „Strategic Management Toolbox“ (6 ECTS) eine der größten, regelmäßigen deutschen Erhebungen Marktstrategie im Bereich Reinigungsmittel für einen zum Thema Innovation statt. Die InnoMonitor-Daten führenden globalen Markenhersteller entwickeln. dienen als Basis für Forschende Lehre und Forschen- Dazu werden den Studierenden schrittweise umfang- des Lernen, welche vor allem im Master-Bereich reiche quantitative und qualitative Informationen zur eingesetzt werden. Teils über ganze Veranstaltungen Verfügung gestellt. Die Studierenden agieren jeweils hinweg beschäftigen sich die Studierenden mit der in der Rolle eines bestimmten Managers (Marke- Lösung praxisrelevanter Fragestellungen auf Basis ting, Vertrieb, Forschung etc.). Dabei werden einige der quantitativen Primärdaten. Bei den Fragen zu Informationen nur selektiv zur Verfügung gestellt „Entrepreneurial Management“ geht es um Manage- und es gibt verdeckte Sonderaufgaben. D. h. einzel- mentmethoden in Bereichen höchster Unsicherheit. ne Studierende verfolgen in ihrer Rolle individuelle In diesem Bereich werden besonders intensiv Simu- Ziele, welche dem Teamziel mitunter entgegenstehen. lationen wie etwa Business Wargaming oder Szena- Dadurch entwickelt sich im Kurs eine hohe Dyna- riotechnik sowie E-Learning-Konzepte entwickelt mik. Quantitative Analysefähigkeiten sind genau- und eingesetzt. Die volkswirtschaftliche und insti- so gefragt wie Soft Skills. Die erforderliche Theorie tutionelle Perspektive ergänzt die Fragestellungen zu wird zwar in ihren Grundzügen dargestellt, allerdings DNH 04 | 2017
10 Titel: Studieren geht über Absolvieren Abbildung: Lehr- und Forschungsfokus am casem. (www.casem.eu) erkennen die Studierenden rasch die Grenzen der Managementproblem. Dann gilt es, dazu relevante reinen Lehre. Sie müssen die erforderliche Anpas- Daten eigenständig im Unternehmen zu erheben sung und Transferleistung im Rahmen einer durch und aufzubereiten, zum Beispiel durch Interviews Tutoren unterstützten Gruppenarbeit mit Zwischen- und Datenabfragen. Neben der eigentlichen Fall- präsentationen selbst erbringen. studie müssen die Studierenden auch die Teaching Note für den Lehrenden entwickeln. Diese enthält Die Fallstudien des casem. basieren stets auf Primär- Lernziele, didaktische Methoden, Theoriebausteine daten. Dazu gehören Interviews, Datenbankauszüge und inhaltliche Zusatzinformationen. Das Kursfor- und Originaldokumente aus Unternehmen. So wird mat führt damit zu einem Perspektivenwechsel, Authentizität, Praxisnähe und infolgedessen die Iden- vom Lernenden hin zum gestaltenden Vermittler. tifikation der Studierenden mit dem Management- Dies geht mit einem ausgeprägten Identifikationsge- problem erreicht. Ein 360°-Review von Professoren, fühl und höchster Motivation einher. Dieses Format Unternehmensvertretern und Studierenden vor Veröf- bedarf leistungsfähiger Studierender und intensiver fentlichung sichern die Qualität der Fallstudien. Dies Betreuung sowie Erfahrung mit der Fallstudienme- heißt allerdings nicht, dass die Daten in den Fallstu- thode, ermöglicht allerdings einen gemeinsamen dien aus einem Guss sind. Im Unternehmensalltag ist Lern- und Forschungsprozess. dies auch nicht gegeben. Es gibt verschiedene Stand- punkte, uneinheitliche Kategorisierungen von Daten, Ein ähnliches Veranstaltungsprofil setzen wir im Dopplungen und teils auch widersprüchliche Infor- Bachelor-Bereich mit der Teilnahme an der Interna- mationen. Die Studierenden sollen schon im Studi- tional Case Competition des casem.-Partners Fach- um mit Komplexität und Ambiguität umgehen lernen hochschule Rotterdam (RUAS) um. Den Rahmen und eigene Entscheidungskompetenz entwickeln. dafür bildet die im Aufbau befindliche Europäische Case Study Alliance (ECASA). Im Kurs geht es zwar Ein weiteres Beispiel ist der Kurs „Marketing & zunächst um die Lösung einzelner Fallstudien, doch Sales Controlling“ (3 ECTS). Über eine Semesterhälfte ist das dahinterliegende Ziel ein Verständnis der Fall- hinweg bearbeiten die Studierenden eine Fallstudie studienmethode. Auch hier findet ein Perspektiven- zur Komplexitätsreduktion eines führenden europä- wechsel statt. Vom einzelnen Fall wird der Blick der ischen Konsumgüterherstellers. In den über 30.000 Studierenden auf die Methode gelenkt. In kleinen Datensätzen gibt es zahlreiche „Qualitätsprobleme“, Teams treten die Studierenden in einen Vorentscheid da die SAP-Auszüge unterschiedliche Darstellungs- gegeneinander an. Das beste Team vertritt die FH weisen, fehlende Stammdaten, doppelte Einträge Dortmund im einwöchigen Seminar in Rotterdam. und Ähnliches aufweisen. Die Studierenden müssen vor der Komplexitätsanalyse zunächst die Datenpro- bleme identifizieren und bewerten. Entrepreneurship – erleben statt erlernen Das Themengebiet Entrepreneurship eignet sich Fallstudien selbst entwickeln hervorragend zum Einsatz von Praxismethoden. Es berührt viele zentrale Aspekte der Betriebswirt- Im Master-Bereich wurde zuletzt erfolgreich ein schaftslehre und wird daher bisweilen als Rahmen weiteres innovatives Lehrformat entwickelt, welches für die Veranstaltung „Einführung in die Betriebs- sich an Ideen des Forschenden Lernens orientiert. wirtschaftslehre“ genutzt, inklusive Fallbeispiele und Studierende entwickeln Lehrfallstudien selbst in Übungen. An der FH Dortmund gehen wir jedoch Kooperation mit Partnerunternehmen von casem., noch einen Schritt weiter. Der gesamte Kurs findet wie den Hidden Champions „Vaillant“ oder „GEA“ für die Studierenden aus der Unternehmerperspek- sowie dem Sozialunternehmen „CoffeeCircle“. Die tive statt. Sie durchleben den gesamten Gründungs- Studierenden identifizieren zunächst ein geeignetes zyklus von der Ideenfindung über Teambildung und 04 | 2017 DNH
11 Geschäftsmodellentwicklung bis hin zur Wachstums- strategie mit digitaler Marketingstrategie und Finan- zierungsfragen. Die Theorie im Vorlesungsteil umfasst ca. 20 Prozent des Zeitaufwands der Studierenden „Die Studierenden sollen schon im und gibt lediglich einen Impuls. Wie in der Praxis auch, müssen die Studierenden die genaue Funkti- Studium mit Komplexität und Ambiguität onsweise der Managementtechniken während der Anwendung entdecken. Teilweise finden komplette umgehen lernen und eigene Sitzungen auf Basis von Materialien der Studieren- den statt. Entscheidungskompetenz entwickeln.“ Ein wichtiges Instrument in den Entrepreneurship- Kursen ist die Einbindung von digitalen und sozialen Medien. So müssen die Studierenden ihre Geschäfts- Rollenspielen etc., die ein ganzheitliches Verständnis ideen einer Crowd zur Bewertung vorstellen und und Aha-Erlebnisse fördern. Tatsächlich hängen am in ihren sozialen Netzwerken dafür Aufmerksam- Nettoumlaufvermögen erhebliche Kosten, die auf den keit generieren, z. B. mittels checkideas.com. Für die ersten Blick für einen Vertriebsmanager oder Einkäufer verschiedenen Geschäftsmodelle müssen die Studie- nicht sichtbar sind. Zahlreiche solcher Aha-Erlebnisse renden digitale Marketingstrategien entwickeln. von Managern habe ich basierend auf Erfahrungen Zentrales Element ist die Konzeption und Umset- aus Managementtrainings im Buch „BWL – zung einer Google-AdWords-Kampagne – es handelt Was ich im Studium hätte lernen sollen“ verarbei- sich dabei um die Textanzeigen, die bei einer Google- tet. Diese reichen von komplexen Zusammenhän- Suche oben in den Suchresultaten angezeigt werden. gen wie beim Nettoumlaufvermögen bis hin zu ganz Google schenkt Gründern zum Start 75 Euro Anzei- einfachen Dingen. genguthaben. Mit diesem „echten Geld“ müssen die Studierenden größte Aufmerksamkeit erreichen. Ziel ist es, so viele Besucher wie möglich auf die eigene Lernen wie Manager Bewertungsseite für die Geschäftsidee zu leiten. Der Erfolg der Kampagne wird von den Studierenden mit Neben den Inhalten sind es aber auch die Metho- Google Analytics ausgewertet. den aus den Managementtrainings, die das Studium noch praxisnäher machen. Gelegentliche Nachtsit- zungen wie im Intro beschrieben und die Fallstudien BWL – Was ich im Studium hätte lernen sollen – die auch an den führenden internationalen Busi- ness Schools den Rahmen für die überwiegenden Die Professorinnen und Professoren an Fachhoch- Lehraktivitäten bilden – wurden bereits genannt. schulen besitzen einen breiten Erfahrungsschatz aus Darüber hinaus sind es kleine Tools und Tricks, der Praxis. Diesen lassen sie inhaltlich und metho- die helfen, die Aufmerksamkeit von Managern wie disch in die Lehrveranstaltungen einfließen. Studierenden und die Interaktion im Kurs zu erhö- hen. So kann in fast sämtlichen Veranstaltungen Inhaltlich hilft der „Blick der Manager“ auf zweierlei zu Beginn eine Online-Mindmap auf dem Input Weise. Er erleichtert zu priorisieren und zu verknüp- der Studierenden z. B. mittels www.mindmup.com fen. Einerseits lernen die Studierenden an der FH erstellt werden. Am Ende der Veranstaltung wird das eine enorme Breite an praxisrelevanten Modellen Lernergebnis anhand der Mindmap reflektiert. Dies kennen, doch haben nur wenige davon eine zentrale erhöht die „Ownership“ der Lernenden und motiviert Bedeutung in der Praxis. Andererseits wird in vielen zum Mitgestalten von Lehre und Lernen. Auch live Bereichen Expertenwissen vermittelt. Dieses ist zwar durchgeführte Online-Umfragen finden mittlerweile höchst praxisrelevant, aber eben nur im „Experten- Verbreitung in Managementtrainings. Mit dem mobi- silo“. Für alle Manager im Unternehmen, egal ob z. len Endgerät wird abgestimmt, das Ergebnis ist live B. in den Funktionen Marketing, Controlling oder zu sehen. Auch in Lehrveranstaltung hat sich dieses Forschung, ist es entscheidend, das Gesamtbild zu Tool, z. B. Directpoll.com, als sehr hilfreich erwie- verstehen. Wie hängen Probleme zusammen und wie sen. Umfragen können während des Unterrichts in können die verschiedenen Abteilungen gemeinsam weniger als einer Minute erstellt werden. Zum Beispiel eine Lösung realisieren? Wie ist dabei die Fachspra- kann man so den aktuellen Wissensstand visualisie- che der jeweils anderen Abteilungen zu verstehen? ren, über Ideen abstimmen oder Noten für Präsenta- Beispielsweise führt die vom Controlling getriebene tionen vorschlagen lassen. Optimierung des Nettoumlaufvermögens bei vielen im Unternehmen zu Unverständnis und Frust. Lager- Die Möglichkeiten innovativer Lehrformate und bestände sollen immer weiter reduziert, Lieferanten -formen lassen sich noch viel weiterdenken. Lehren- möglichst spät bezahlt und Rechnungen sofort einge- de, die Interesse an einem Gedankenaustausch haben, trieben werden. Es sind die Perspektivwechsel, z. B. sind herzlich eingeladen, mit casem. in Kontakt zu durch echte Lernerfahrungen mittels Fallstudien, treten. DNH 04 | 2017
12 Titel: Studieren geht über Absolvieren Lehre 4.0 revolutioniert E-Learning in Hochschule und Weiterbildung Die große Bildungsherausforderung durch Industrie 4.0 erfordert neben interaktivem Präsenzunterricht individualisierte, zielorientierte digitale Lernprozesse und Entlastung für die Wissensvermittler. | Von Prof. Dr. Dr. Heribert Popp und Monica Ciolacu Die Arbeitswelt verändert sich aufgrund und Neuronaler Netze etliche KI-basier- der vierten Industriellen Revolution te Techniken in Industrie, Wirtschaft enorm, was eine Studie mit den Strategie- und Privatleben Einzug halten konn- verantwortlichen und Personalchefs von ten, z. B. Computer schreiben von selbst fast 400 großen Unternehmen aus aller den Code von Programmen oder sind Welt 2016 ergab (World Economic Forum intelligente Antwortgeber wie ALLO von Foto: privat 2016). Das Ergebnis war: Sieben Millio- Google. Es gibt also einen Technologie- nen Jobs werden verschwinden und zwei druck nach Lehre 4.0. Millionen neue Jobs in den Bereichen der Prof. Dr. Dr. Heribert Popp Computerwissenschaften, der Mathema- tik oder Informationstechnologie entste- Vier Lehrrevolutionen TH Deggendorf hen; eine große Qualifizierungsheraus- Fakultät AWW forderung. Untersucht man nun die Lehre in Analo- Dieter-Görlitz-Platz 1 gie zu den vier industriellen Revoluti- 94469 Deggendorf Daher werden in diesem Artikel onen, ging die erste Lehrrevolution von zunächst der Bedarfssog und der Techno- der Einführung des Buchdrucks durch heribert.popp@th-deg.de logiedruck nach Lehre 4.0 dargelegt, dann Gutenberg aus, da dadurch massenhaft die vier Lehrrevolutionen hin zu Lehre 4.0 Lehrbücher produziert werden konn- aufgezeigt. Schließlich werden die acht ten. Mitte der 60er-Jahre des vorigen Facetten von Lehre 4.0 erläutert, die diese Jahrhunderts entstand als zweite Lehr- Qualifizierungsaufgabe erleichtern sollen, revolution der programmierte Unter- und, wo bereits möglich, jeweilige Reali- richt in Lernbüchern und Lehrmaschi- sierungen aufgezeigt. nen von F. B. Skinner und Crowder (Heinrichs 1971, S. 231). Dabei wird ein Lehrtext in nummerierte Abschnitte Foto: privat Bedarfssog und Technologiedruck für gegliedert, an deren Ende jeweils kleine Lehre 4.0 Prüfungsfragen stehen. Von der jewei- ligen Antwort des Lernenden hängt es Dipl.-Ing. Monica Ciolacu Wegen der mittelfristigen gewaltigen Zahl ab, zu welchem Abschnitt er als Nächs- TH Deggendorf/ von Umschulungen und der verstärk- tes geleitet wird. Polytechnische Universität Bukarest ten Hochschulausbildung bei IT-Berufen stoßen traditionelle Lehr- und Weiterbil- Als dritte Lehrrevolution kann man monica.ciolacu@th-deg.de dungsmethoden an ihre Grenzen. Das E-Learning ansehen. Das sind alle braucht eine neue Art der Wissensvermitt- Formen von Lernen, bei denen elek- lung. Es braucht also jetzt auch eine vierte tronische und digitale Medien für die Revolution in der Lehre. Es entsteht also Präsentation und Distribution von ein richtiger Bedarfssog nach Lehre 4.0. Lernmaterialien und für die Kommu- nikation zum Einsatz kommen. Dazu Hinzu kommt, dass die Forschung starteten in den 80er-Jahren Modell- zur künstlichen Intelligenz in jüngs- versuche und es gab erste Lernpro- ter Zeit beeindruckende Entwicklungs- gramme auf CDs (CBTs). E-Learning sprünge verzeichnen konnte, sodass erlebte Mitte der 90er-Jahre durch den dank Machine Learning, Deep Learning Einbezug von Internet in Form von Web 04 | 2017 DNH
13 Based Trainings (WBTs) einen starken Aufschwung. Der Autor Popp praktiziert seit 1998 E-Learning (Popp 1999), legte 2000 einen berufsbegleiten- den Studiengang Wirtschaftsinformatik auf, der zu 50 Prozent E-Learning enthält, und deckt seit 12 Jahren ca. 50 Prozent seiner ganzen Lehre mit E-Learning ab. Nun stellt sich die Frage, wie könnte Lehre 4.0 konkret aussehen? Da empirische Untersuchungen einen Notenvorteil von bis zu 0,4 Graden bei Blen- ded Learning gegenüber der reinen virtuellen Lehre ergeben haben (Popp 2014), sollen die Vorlesungen bei Lehre 4.0 immer noch in Form von Blended Lear- ning einen sehr interaktiven Präsenzteil einschlie- ßen mit z. B. gemeinsamem Wiederholen des virtu- ellen Inhalts, Fragenbeantwortung, Aufgabenlösen in Kleingruppen und Präsentieren und Diskutieren der Ergebnisse. Der virtuelle Teil von Lehre 4.0 soll nun mit Abbildung 1: Technologische Elemente von Lehre 4.0 mit ihren folgenden sieben Funktionen diese Vorteile erzie- didaktischen Zielen len (siehe auch Abbildung 1): • individuelle Strukturierung von Lernprozessen Spielerische, interaktive- und Virtual-Reality- durch Personalisierungsmethoden, Elemente zur Motivation (Gamification) • Motivationssteigerung durch Gamification und mehr Anschaulichkeit durch VR/AR-Methoden, Aus den Erfahrungen der immer schwieriger • mobile Vernetzung von Lernenden in virtuellen werdenden Motivation der Erstsemester soll man in Lerngruppen zu Communities of Practice, virtuellen Kursen der Grundlagenfächer spielerische • Lernmaterialanpassung an den Kenntnisstand der Momente einbauen. So finden die Lerner spielerische Lerner durch Adaptivitätsmethoden, Elemente wie Erfahrungspunkte, Highscores, Fort- • frühes Erkennen von gefährdeten Studierenden schrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter und virtu- durch Learning Analytics, um Gegenmaßnahmen elle Praxisaufgaben. einzuleiten, die dadurch die Drop-out-Rate senken, • Entlastung des Kommunikationsaufwandes der Ein Motivationswerkzeug durch verbesserte Illus- Dozenten durch intelligente Teletutoren in Form trationen wären Virtual-Reality (VR)/Augmented- von Chatbots, Reality (AR)-Elemente. Unser Beispiel einer Virtual- • Entlastung des Prüfaufwandes durch E-Assessment. Reality-Gruppenarbeit zur Internetrecherche und EXCEL-Arbeit aus dem Jahr 2009 findet man auf YouTube.1 Die Grundausstattung zu VR ist mittler- Verschiedene Lerntypen bedienen (Personalisierung) weile erschwinglich. Deutsche Unternehmen werden bis zum Jahr 2020 knapp 850 Millionen Euro in VR-/ Der Stoff soll für verschiedene Lerntypen aufbe- AR-Lösungen investieren, lautet die Prognose der reitet sein, da nicht jeder Lernende mit den glei- Unternehmensberatung Deloitte. VR wird ein fester chen virtuellen Materialien gleich gut umgehen Bestandteil der betrieblichen Bildung werden. kann. Auf der Grundlage der im Jahre 2006 durch- geführten Experimente mit den sechs Lerntypen Praktiker, Punktweise Wissen Suchender, Maßge- Communities of Practice der mobilen Lerner schneidert Lernender, Klassischer E-Learning-Studie- render, Videolerner und Chatter empfehlen sich für Auch der Kontakt unter den Teilnehmern spielt bei einen mehr textuell Lernenden das interaktive Buch Lehre 4.0 eine große Rolle. Die Lerner sind (mobil) und für mehr mediengetrieben Lernende das inter- vernetzt und bilden Communities of Practice (CoP), aktive Video. Sie decken jeweils den ganzen Stoff ab. also virtuelle Lerngruppen. In ihnen geben kundige Die Steuerung beim interaktiven Buch ist der mit Studierende ihr Wissen weiter. Ein gelungenes Beispiel Hypertext verlinkte Text, der mit Videos und interak- dazu ist das Wissensmanagement „von Studierenden tiven Kontrollfragen durchsetzt ist. Beim interaktiven für Studierende“ der TH Deggendorf, bei dem die Video gibt es immer eine Wiederholung des Tripels Studierenden Tipps & Tricks zu Prüfungen (wie soll „kurzes Video, Test des Gesehenen und Video zum man sich gut auf die jeweilige Prüfung vorbereiten?) Test“. Bei den eingesetzten Videos, die eine Länge und digitale Materialien wie Mitschriften zu Vorle- von nur 5 bis 15 Minuten haben, ist links der Dozent sungen oder Klausurlösungen weitergegeben haben zu sehen und rechts werden die Folien faktenweise (Popp 2015). Ihre Wissensbasis ist zurzeit mit 2600 weitergeblättert (Popp 2014). Wissenseinheiten gefüllt. DNH 04 | 2017
14 Titel: Studieren geht über Absolvieren Anpassung der Kursbausteine an Vorkenntnisse systematisch unterschiedlich (siehe Tabelle 1). In den und Lernverhalten (Adaptivität) nächsten Kursdurchgängen, in der Arbeitsphase, wird bei jedem Studierenden am Ende jedes Zeitabschnitts Die Anpassung geschieht am Anfang durch einen nachgeschaut, in welcher Klasse („erfolgreich“ und Einstiegstest mit Kurskonfigurator oder permanent „gefährdet“) er mit seinem aktuellen Klickverhalten mit empfohlenen Kursnuggets, entweder zum Vorbe- liegen würde. Dieses Verfahren zeigte in vier Kursen reiten oder Nachbereiten der aktuellen Lehreinheit. eine durchschnittliche Prognosegenauigkeit von 65 bis 74 Prozent. Nun sind die gefährdeten Studieren- Beim Einstiegstest mit Kurskonfigurator ist jedes den lokalisiert und können „mit psychologischen Kurskapitel mit zwei bis drei Fragen im Einstiegstest E-Mails“ besser motiviert werden. vertreten, den das Programm automatisch auswertet und eine prozentuale Einschätzung des vorhandenen Das erfolgreichste Learning-Analytics-Projekt Wissens in dem jeweiligen Kapitel entwickelt. Daraus ist PACE mit 41.000 Studierenden in Rio Salando generiert es eine Empfehlung, welche Kapitel für den College, Arizona. Es berücksichtigt als Haupteinfluss- einzelnen Studierenden aufgrund des vorhandenen faktoren auf den studentischen Erfolg die Anmelde- Basiswissens überflüssig sind bzw. welche Kapitel frequenz, das Engagement im Kurs und die Anzahl aufgrund von Wissenslücken studiert werden sollten. der Punkte bei den Online-Tests. Aus diesen Ergebnissen konfiguriert das Programm dynamisch eine individuelle Kursoberfläche. Reali- siert wurde der Einstiegstest in Moodle mit Java- Fragenbeantwortung durch intelligente Teletu- Skript-Teilen und die Kurskonfiguration mit einem toren (Chatbots) speziellen Template (Ciolacu 2016). Wir verwenden zum Programmieren von Chatbots Eine andere Form der Adaptivität liegt vor, wenn ALICE3 mit der Sprache AIML und dem Bot-Program bei interaktiven Kontrollfragen das Programm einen O, das mittels Pattern Matching AIML „versteht“. Fehler feststellt und auf eine Zusatzlehreinheit Program O ist ein AIML Interpreter, der in PHP verlinkt, um Kenntnisse erwerben zu lassen, damit programmiert ist und zur Speicherung der Wissens- dieser Fehler nicht mehr gemacht wird. basis (vorüberlegte Frage in verschiedenen Varian- ten, auch mit wild characters, mit der möglichen TutorGen, Inc bietet mit SCALE ein studentenzen- Antwort darauf) eine MySQL-Datenbank verwendet. triertes, adaptives Lernsystem an, das mit Methoden des Maschinellen Lernens vom Studentenverhalten Im Folgenden sieht man einen Auszug aus einem lernt und sich durch datengesteuerte Methoden und Dialog über Logik: Benutzermodelle mit der Zeit verbessert.2 Bot: Hallo, herzlich willkommen! Du kannst dich mit Da jeder Studierende beim digitalen Lernen Spuren mir unterhalten, indem du das Eingabefeld nutzt! hinterlässt, z. B. in den Weblogs des LMS Moodle, Student: Kannst du mir sagen, was eine Implikation ist? wird die Nutzungsintensität anhand der Anzahl der Bot: Bei der Implikation ... Ressourcenaufrufe (Klicks im Kurs und Klicks auf die Student: Hast du auch ein Beispiel dazu parat? Testfragen) untersucht. Jeder Studierende wird hier Bot: Nehmen wir z. B. ... bewertet durch seine Klickhäufigkeit auf die Kurs- Student: Was ist dann aber eigentlich der Unterschied ressourcen (x-Achse in Abbildung 2) und der Klick- zwischen Implikation und Äquivalenz? häufigkeit auf Kontrollfragen (y-Achse in Abbildung Bot: Der Unterschied ... 2). Ein Clusterprogramm findet dann Häufungen, Student: Ok, danke! z. B. Cluster 1 „wenig aktiv“ (siehe Abbildung 2 Bot: Kein Thema :) linkes Cluster), Cluster 2 „mittelaktiv“, Cluster 3 „sehr aktiv“. Ermittelt man z. B. im Kurs Mathema- Dieser Bot wird zurzeit durch den Einbau einer tik die Klausurnotendurchschnitte, sind sie mit 4,1 Ontologie (Begriffsnetze mit Ober-, Unterbeziehung, in Cluster 1, 3,5 im Cluster 2 und 3,0 im Cluster 3 Synonymbeziehung usw.) intelligent gemacht. Ø Kontroll- Ø Gesamt- Anzahl Stu- Klausur- Ø Note Std. abw. fragenklicks klicks denten teilnahme Note Cluster 1 0,7 46,6 39 (58 %) 77 % 4,08 0,86 Cluster 2 1,14 166,6 21 (31 %) 100 % 3,53 0,77 Cluster 3 28,1 304,4 7 (11 %) 100 % 3,04 0,72 Tabelle 1: Clusterergebnisse (insbes. Cluster-Klausurdurchschnittsnoten) des Mathematikkurses der OTH Amberg-Weiden im Sommersemester 16 mit 67 Studierenden 04 | 2017 DNH
15 Abbildung 2: Anhand von Clusterverfahren können Lerner mit Problemen (Vertreter des linken Clusters) identifiziert werden. Ein gutes Beispiel eines „klugen“ Frage-Antwort- automatisch von Moodle ausgewertet. Eine E-Assess- Systems im Bereich Mathematik ist WolframAlpha. ment-Vorzeigehochschule ist die Friedrich-Alexan- com. Die Suchmaschine findet nicht nur Informa- der-Universität Erlangen-Nürnberg, die 2015 schon tionen, sondern versucht sie schon gleich aufzu- 2.160 Online-Prüfungen durchgeführt hat. Dabei bereiten. Es können Fragen eingetippt werden, läuft das Prüfungs-LMS als eigenes Moodle-System bei denen direkte Antworten gefiltert und dank mit allen möglichen Abschottungen. der Software Mathematica berechnet und abge- leitet werden. Fazit Entlastung bei Korrekturarbeit durch automatisch Lehre 4.0 entlastet die Lehrenden (siehe E-Assessment ausgewertete Kompetenztests oder Fragen beantwortende Chatbots) und indivi- dualisiert zielorientiert den elektronischen Lernpro- Seit vier Jahren werden an der TH Deggendorf zess und motiviert durch Notenprognose, damit die nicht curriculare Mathematikklausuren in Form Drop-out-Rate sinkt. Die Forschergruppe experimen- von Multiple-Choice-Fragen, Auswahlboxen und tiert an all diesen Funktionen zukünftiger virtueller kleinen Zahleneingaben am Rechner absolviert und Kurse der Generation „Lehre 4.0“. Literatur Ciolacu, Monica; Beer, R. (2016): Adaptive User Interface for Higher Education Based on Web Technology. Research and Innovation in Industry 4.0. In: Proceedings of IEEE 22nd International Symposium for Design and Technology in Electro- nic Packaging (SIITME) 2016 (Oradea, Romania, October 20-23 2016), S. 300–303. Heinrichs, Heribert (Hrsg.) (1971): Lexikon der audio-visuellen Bildungsmittel. München: Kösel. Popp, Heribert (1999): Erfahrungen beim Einsatz von Internet, Fernsehen und CBT in der Betriebswirtschaft. In: Herbert Kopp und Werner Michl (Hg.): MeiLe – Neue Medien in der Lehre: Lernsystem-Entwicklung an Fachhochschulen – Erfah- rungen und Ergebnisse. Neuwied: Hermann Luchterhand Verlag, S. 168–178. Popp, Heribert; Reitmaier, Martina (2014): Mathematik an der Hochschule: Die Potenziale virtuellen Lernens und die Bedeu- tung von Learning Analytics. DNH 4 _2014, S. 130–133. Popp, Heribert; Ciolacu, Monica (2015): Technische Hochschule Deggendorf – Projekt: V-, W- und A-MINT-Coach. In: Baye- risches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (Hrsg.): Erfolgreicher MINT-Abschluss an baye- rischen Hochschulen. Bilanz der Hochschulprojekte, S. 72–81. Online verfügbar unter https://www.km.bayern.de/down- load/13359_stmbw_abschlussbericht_best_mint.pdf. World Economic Forum (2016): The Future of Jobs – Employment, Skills and Workforce. Global Challenge Insight Report 1.2016. 1 http://www.youtube.com/watch?v=wBlGXE9rmLw 2 http://www.tutorgen.com 3 http://www.alicebot.org DNH 04 | 2017
16 Titel: Studieren geht über Absolvieren „Frischzellen“-Projekt zur Förderung neuer Lehr- und Lernformen Innovation der Hochschullehre durch Teamteaching | Von Prof. Dr. Alexander Tsipoulanidis Studierende sollten heutzutage in der Lehre zu erlangen (s. Kiehne/Tsipoulani- Lage sein, sich in einem sich kontinu- dis, 2016). Es geht also in der Tat um das ierlich verändernden Unternehmens- Studieren und nicht nur um das Absol- umfeld zurechtzufinden. Insbesonde- vieren! re globale Wertschöpfungsnetzwerke unterliegen einer sehr hohen Dynamik, Das interaktive Lehrkonzept wurde Foto: privat die eine stetige Anpassung der Beschaf- durch die Dozenten Prof. Dr. Alexander fungs-, Produktions- und Logistikpro- Tsipoulanidis und Dipl.-Wirt.-Ing. Harald zesse erfordern (Ivanov et al. 2017). Pflughaupt entwickelt, um die Theorie- Prof. Dr. Alexander Tsipoulanidis Einen wesentlichen Beitrag zur Vorbe- Praxis-Verzahnung im Vorlesungssaal zu reitung der Studierenden auf die beruf- verankern, und erfolgte am Beispiel des Professor für Supply Chain und Operations liche Praxis leistet selbstverständlich die Moduls „Supply Chain Management und Management Hochschullehre. Informationssysteme“. Jedoch lässt sich der Ansatz ohne Weiteres auf Vorlesungen Hochschule für Wirtschaft und Recht Die hier vorgestellte Lehrveranstal- anderer Fächer anwenden. Das Ziel war es, (HWR) Berlin tung wurde als „Frischzellen“-Projekt zur • zusammen mit den Studierenden aktu- Campus Schöneberg Förderung neuer Lehr- und Lernformen elle Herausforderungen im Supply Badensche Straße 52 der Hochschule für Wirtschaft und Recht Chain und Operations Management 10825 Berlin (HWR) Berlin durch das Bundesministe- (SCOM) zu sammeln und auszuarbei- rium für Bildung und Forschung (BMBF) ten, alexander.tsipoulanidis@hwr-berlin.de ausgezeichnet. Die HWR Berlin hat in • um dann ein eigenes Lern-Produkt ihrem Leitbild (HWR Berlin, 2016) als Ziel anzufertigen (siehe „KORRIDOR – und Selbstverständnis definiert, „neue Modell“) und Lehr- und Lernformen“ zu fördern, um • ein Beispiel anhand einer kleinen Fall- die didaktische Qualität und Problemnä- studie zu erarbeiten, um dies dann an he des Studiums zu erhöhen. Ein wich- realen, globalen Wertschöpfungsnetz- tiges Element dabei sind die sogenannten werken darzustellen und „Frischzellen – Innovation der Hoch- • somit die Prozesse in Wertschöpfungs- schullehre durch Teamteaching“ (HWR netzwerken und Prozess-Anforderun- Berlin, 2015, S. 4). Besonders hervorzu- gen zu identifizieren und darauf basie- heben ist dabei die Anreicherung der rend die notwendige IT-Architektur zu Lernprozesse und -ergebnisse sowie die bestimmen. didaktisch-methodische Weiterentwick- • Anschließend an diese Phase war es lung von Lehrveranstaltungen. möglich, das Erlernte zu reproduzieren, anzuwenden und auf andere Unter- Durch das hier vorgestellte Projekt nehmensfallstudien transferieren zu wurde es Studierenden ermöglicht, Berufs- können. kompetenzen durch die Anwendung multidimensionaler Perspektiven in der 04 | 2017 DNH
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