Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau

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Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Ausgabe 1 | 2016

Landinfo

                                                    Schwerpunktthema: Weinbau

  Informationen für die Landwirtschaftsverwaltung
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Impressum

Herausgeber
Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und
der ländlichen Räume (LEL)
Oberbettringer Str. 162
73525 Schwäbisch Gmünd
Telefon: 07171/ 917-100
Telefax: 07171/ 917-101

Schriftleitung
Susanne Mezger
Telefon: 07171/ 917-114
E-Mail: susanne.mezger@lel.bwl.de

Redaktionsbeirat
Dr. Peter Grün, LRA Schwäbisch Hall
Gottfried Bleyer, WBI Freiburg
Martina Burkhardt, RP Stuttgart
Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd
Robert Koch, LVG Heidelberg
Andreas Maier, RP Karlsruhe
Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis
Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg
Marcus Köhler, LSZ Boxberg
Daniela Schweikhart, EZ Bodensee/Oberschwaben Bad Waldsee
Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg

Layout
Ramona Maier
E-Mail: ramona.maier@lel.bwl.de

Hinweis
Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei:
online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene
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Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter:
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Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder.
Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich.

Druck
e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh
Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart

Erscheinungsdatum
Februar 2016

ISSN 0947-9392

Titelbild
A. Bader, LEL
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Editorial

Landinfo 1/2016
Grußwort von Dr. Rolf Steiner

Der Klimawandel mit höheren Temperaturen hat sich bisher grundsätzlich positiv auf die wärmelieben-
de Kultur Rebe in Baden-Württemberg ausgewirkt. In den letzten 30 Jahren gab es keine qualitativ un-
terdurchschnittlichen Weinjahrgänge mehr wie z.B. 1972, 1978 und 1984. Allerdings fordern die ver-
mehrten Witterungsextreme und die frühere Reife der Trauben eine ganze Reihe von Anpassungen im
Weinberg und im Keller. Insbesondere die frühere Traubenernte bei höheren Temperaturen schon
Anfang September zwingt die Winzer zu schnelleren Abläufen in den Verarbeitungsprozessen.

Der Steillagenweinbau prägt viele Kultur- und Erholungslandschaften in unserem Land und ist ein
Kulturgut ersten Ranges. Die Erhaltung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die von den Weingärtnern
und Winzern nicht allein übernommen werden kann. Neben der Förderung durch das Land Baden-
Württemberg müssen auch Gastronomie und Handel spezielle Vermarktungsstrategien für den Steilla-
genwein aufbauen.

Innovationen im Weinbau und in der Kellerwirtschaft sind notwendig zur Erhaltung der Wettbewerbs-
fähigkeit des heimischen Weinbaus. Dazu gehören beispielsweise neue Techniken zur schnellen Messung
der Traubenqualität wie auch die Einführung neuer pilzwiderstandsfähiger Rebsorten. Das Staatliche
Weinbauinstitut in Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, neue Rebsorten, die weniger Pflanzenschutz be-
nötigen, nicht nur zu entwickeln und der Weinwirtschaft anzubieten, sondern auch zu zeigen, dass man
davon qualitativ hochwertige Weine erzeugen kann. Und was noch wichtiger ist, es wird in der Praxis
demonstriert, dass man diese Weine auch zu angemessenen Preisen vermarkten kann.

Diese und andere Themen finden Sie in diesem Heft. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel
Freude bei der Lektüre. Ich freue mich, wenn Sie sich nicht nur ein Bild über die Aktivitäten der Land-
wirtschaftsverwaltung machen können, sondern auch, wenn Ihnen die Lektüre zahlreiche Anregungen
für Ihre tägliche Arbeit bieten kann. 

Rolf Steiner

                                                                                                          Dr. Rolf Steiner
                                                                                                          Institutsleiter
                                                                                                          WBI Freiburg
                                                                                                          Tel. 0761/ 40165-0
                                                                                                          Rolf.Steiner@wbi.bwl.de

Landinfo 1 | 2016
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Inhaltsverzeichnis

Inhalt
Editorial                                                                                                           1

     Aktuelles
Kurz mitgeteilt                                                                                                     3
UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb - Wissen, worauf man steht                                          Roth      4

     Schwerpunktthema
Produktionstechnische Anpassungen an den Klimawandel im Staatsweingut Freiburg                           Huber      9
Weinbau in terrassierten Steillagen                                                                   Schreieck    11
Schnelle und objektive Erkennung der Traubenqualität mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS)   Pour Nikfardjam    16
Trockener badischer Wein bleibt weiterhin im Trend                                                       Krebs     21
Lassen sich Roséweine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten vermarkten?                              Bitzenhofer    23
Sanierung von Weinbergtrockenmauern                                                                       Heck     26

     Mitten im Leben
Ernährungsinformation: Mandel                                                                                      28
Rezept: Salat mit Roter Bete und Schafskäse
Personal / Rezensionen                                                                                             30

       Pflanzen- und Tierproduktion
Fleischrindersymposium Plantahof (CH/Landquart) 2016                                                     Piecha    31
Altgrasnarbe und Bewirtschaftung beeinflussen Erfolg bei Anlage artenreichen Grünlands                  Seither    32
Die Verödung der Hornanlage beim Kalb                                                                  Albrecht    36
Wer hat Angst vorm „bösen“ Wolf - Neues vom Ludwigsburger Pferdetag                                      Henze     38

     Gartenbau und Sonderkulturen
Workshop Stickstoff-Düngung im Freiland-Gemüsebau an der LVG Heidelberg                                  Rather    40
Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie und dem Einsatz von
Temperaturregelstrategien                                                                                Albers    44
Biologische Vielfalt und Qualität bei Heil-, Kosmetik- und Gewürzpflanzen                              Paeslack    49

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Der Wein ist unter den Getränken ...

Redaktionsschluss der Ausgabe 2/2016:
15.03.2016

2                                                                                                    Landinfo 1 | 2016
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles

                                                      finden gemeinsame Mahlzeiten wichtig. Die digi-
KTBL-Tage 2016                                        tale Welt gibt dieser Gemeinschaft eine neue Di-
Fachtagung „Ressourcen effizienter                    mension: Rund 17 % der Deutschen teilen mehr-
nutzen“                                               mals im Monat, manche sogar täglich Bilder von
                                                      Mahlzeiten auf ihrem Teller. Etwa 29 % haben
Herausforderung Ressourceneffizienz – Was kann        bereits ein Food-Video ins Internet gestellt, jeder
die Landwirtschaft tun, um ihre Produktionspro-       Siebte teilt online mehrmals im Monat Kochtipps
zesse effizienter zu gestalten? Dieser Frage gehen    und Rezepte. Es ist nicht überraschend, dass Frau-

                                                                                                            Bild: KTBL
die KTBL-Tage 2016 unter dem Titel „Ressour-          en häufiger über Ernährungsthemen kommuni-
cen effizienter nutzen“ am 19. und 20. April in       zieren als Männer. Vor allem junge Menschen im
Kassel nach.                                          Alter von 14 bis 29 Jahren liken und kommentie-
                                                      ren diese Beiträge und leiten sie weiter. Rund 56 %
Wo die zentralen Herausforderungen liegen und         der Deutschen suchen online Rezeptanregungen,
welche Rolle der Ressourceneinsatz in der land-       etwa in Foren, Portalen und in Food-Blogs. Sie
wirtschaftlichen Produktion in der Bereitstel-        nutzen das Internet als Inspiration und Ideenge-
lungskette für unsere Nahrungs- und Futtermittel      ber für ihre Kochaktivitäten. Spezielle Ernäh-
spielt, wird in einführenden Vorträgen und einer      rungs-Apps werden allerdings nur von 4 % der
Podiumsdiskussion beleuchtet. Weitere Vorträge        Befragten genutzt.
befassen sich mit der Frage der Verfügbarkeit von
Arbeitskräften, Kapital und Boden.                    Auch beim Lebensmitteleinkauf spielt offenbar
                                                      das Internet eine immer größere Rolle. Jeder dritte
Wie kann die Futtermittelversorgung ressour-          der Befragten bestellt mehr oder weniger regelmä-
ceneffizient gestaltet werden, welche Optionen        ßig Lebensmittel oder Tiernahrung per Mausklick
ergeben sich für die Lenkung von Nährstoffströ-       direkt nach Hause. Eine neue Idee ist die „Koch-
men in Gebieten mit intensiver Tierhaltung - diese    box“: User können sich auf der Homepage Re-
und weitere Themen im Zusammenhang mit na-            zepte inklusive Zutaten als Box bestellen, zu Hau-
türlichen Ressourcen stehen am zweiten Tag der        se zubereiten und sich online über die Erfahrun-
Veranstaltung im Fokus.                               gen austauschen. Immerhin zwei Prozent aller
                                                      Haushalte nutzen diesen Service. Weitere Infor-
Details zum Programm sowie die Anmeldung fin-         mationen: www.nestle.de/verantwortung/nestle-
den Sie unter www.ktbl.de.                            studie/2016

Kuratorium für Technik und Bauwesen in der            Aid-Newsletter 3/2016 
Landwirtschaft e. V. (KTBL), Bartningstraße 49,
64289 Darmstadt, Germany, Telefon: +49 6151
7001-0, Fax: +49 6151 7001-123, E-Mail:ktbl@          Themenbereich Haushaltsnahe
ktbl.de, Internet: www.ktbl.de                       Dienstleistungen
                                                      Haushaltsnahe Dienste in Baden-
                                                      Württemberg
Kochen in einer digitalen Welt
Food-Posting ist Trend                                Das neue Online Portal „Haushaltsnahe Dienste
                                                      Baden-Württemberg“ möchte Familien im Haus-
(aid) - Immer mehr Menschen holen ihre Freunde        halt oder bei der Kinderbetreuung entlasten, ältere
virtuell in die Küche, statt sie wie früher zum Es-   oder pflegebedürftige Menschen zu Hause unter-
sen einzuladen. Fotos von perfekt dekorierten         stützen und Berufstätigen mehr Zeit für ihr Pri-
Speisen werden in sozialen Netzwerken und Blogs       vatleben ermöglichen. Kundinnen und Kunden
gepostet.                                             soll es deshalb möglich sein, über eine einfache
                                                      Suche mittels Postleitzahl oder Karte schnell das
Das hat die Nestlé Studie 2016 „So is(s)t Deutsch-    passende Angebot zu finden. Angeboten wird ei-
land“ gezeigt, die nach 2009 und 2011 zum dritten     ne Datenbank mit Anbieterinnen und Anbietern
Mal veröffentlicht wurde. Rund 4.000 Menschen         von Dienstleistungen für Haushalt und Garten
im Alter von 14 bis 74 Jahren wurden online zu        sowie Kinder- und Seniorenbetreuung in Baden-
ihrem Ernährungs- und Einkaufsverhalten be-           Württemberg, die sich zur Einhaltung von Quali-
fragt.                                                tätskriterien verpflichten. Wenn Sie haushaltsnahe
                                                      Dienstleistungen anbieten können Sie sich dort
Menschen essen demnach gerne gemeinsam mit            kostenlos registrieren. Informationen finden Sie
Freunden und Familie. Knapp 90 % der Befragten        hier: www.haushaltsnahedienste-bw.de 

Landinfo 1 | 2016                                                                                                               3
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles

Siegfried Roth

                                                                                                                                             Bild: R. Enkelmann
UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb
– Wissen, worauf man steht
Als Geoparks werden Landschaften ausgezeichnet, die über ein besonderes erd- und kultur-
geschichtliches Erbe verfügen. Das Gütesiegel „Geopark“ ist also keine Schutzgebietskategorie im
Sinne des Naturschutzrechtes wie etwa Naturparke oder Biosphärengebiete. Kennzeichnend für
Geoparks ist deren Entstehung aus der Region heraus im Sinne des Bottum-up-Ansatzes. Meist sind
es Kommunen, Landkreise, Vereine, Tourismuseinrichtungen oder sogar Privatpersonen, die sich als
Verein zusammenschließen und das erdgeschichtliche Erbe einer Region als Geopark „vermarkten“.
Das Instrument Geopark bietet in erster Linie vielen ländlichen und strukturschwachen Räumen
weltweit die Möglichkeit, sich mit ihrem erdgeschichtlichen Erbe in besonderer Weise hervorzutun
und durch Nutzung oder touristische Vermarktung der Geopotenziale Wertschöpfung zu erzielen.

Der Geopark Schwäbische Alb von
oben. Blick über den Albtrauf auf
der Höhe von Schopfloch nach
                                    G     eoparks können zwei Geopark-Netzwerken
                                          angehören, dem nationalen und dem europä-
                                    ischen bzw. globalen Netzwerk. Als Nationale
                                                                                         Rio 1992 und Johannesburg 2002 im Sinne einer
                                                                                         umfassenden ökologischen, ökonomischen und
                                                                                         sozialverträglichen Entwicklung. Ihre Bildungsar-
Westen. Im Bild unten ist der
kreisrunde Krater des Randecker     Geoparks können Landschaften ausgezeichnet           beit fußt auf den Grundsätzen der Bildung für
Maars zu sehen, einem der           werden, wenn diese geologische Sehenswürdigkei-      Nachhaltige Entwicklung (BNE).
bedeutendsten
Hinterlassenschaften des            ten (Geotope) haben, die von regionaler und nati-
Schwäbischen Vukans.                onaler geowissenschaftlicher Bedeutung, Selten-      Die Schwäbische Alb ist seit 2002 ein Nationaler
                                    heit oder Schönheit sind und als repräsentativ für   und seit 2004 ein Europäischer und Globaler
                                    die ausgezeichnete Landschaft gelten können.         Geopark. Im November 2015 beschloss die
                                                                                         UNESCO-Vollversammlung die Annahme eines
                                    Nationale Geoparks mit einem herausragenden          International Geoscience and Geoparks Program-
                                    erdgeschichtlichen Erbe können darüber hinaus        me (IGGP) und die Einführung der Bezeichnung
                                    noch die Auszeichnung Europäischer und Globa-        UNESCO Global Geopark. Wie alle anerkannten
                                    ler Geopark erlangen. Von den derzeit 15 Natio-      Globalen Geoparks darf sich auch der Geopark
                                    nalen Geoparks in Deutschland sind sechs Geo-        Schwäbische Alb seither UNESCO Global Geo-
                                    parks Europäischer und Globaler Geopark. Glo-        park nennen. Neben den Biosphärengebieten und
                                    bale Geoparks sehen ihre Schwerpunkte vor allem      den Welterbe-Stätten gibt es mit den Geoparks
                                    in der internationalen Kooperation und in der        nunmehr eine dritte von der UNESCO anerkann-
                                    Umwelt-/ Geobildung. Sie verfolgen die Ziele von     te Flächenkategorie.

4                                                                                                                     Landinfo 1 | 2016
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles

                       Die Schwäbische Alb ist ein Geopark                  Ein Geotop mit Alleinstellungscharakter ist ein
                       der Superlative                                      Meteoritenkrater, das Steinheimer Becken im
                                                                            Landkreis Heidenheim. Es ist der „kleinere Bru-
                     In geologischer Sicht handelt es sich bei der          der“ des benachbarten Nördlinger Rieses. Beide
                     Schwäbischen Alb um ein Kalkgebirge, dessen            Einschläge haben vor ca. 15 Mio. Jahren wohl zeit-
                     Schichten während der Jurazeit vor ca. 205 – 140       gleich stattgefunden. Das Besondere am Steinhei-
                     Millionen Jahren in einem Meer abgelagert wor-         mer Becken ist der sehr gut erhaltene Zentralke-
                     den sind. Die Alb bildet mit ihren jurassischen        gel, der ihn weltweit einmalig macht.
                     Schichten die erdgeschichtlich jüngste und obers-
                     te Landschaftseinheit der Südwestdeutschen             Auch einen Vulkanismus hat die Alb im Angebot.
                     Schichtstufenlandschaft. Die Gebietskulisse des        Unter dem landläufigen Begriff des „Schwäbi-
                     Geoparks umfasst den Naturraum Schwäbische             schen Vulkans“ werden über 350 Vulkanschlote
                     Alb (Oberjura, Mitteljura) und Teile des Natur-        zwischen Urach und Kirchheim zusammenge-
                     raums Albvorland (Unterjura). Er erstreckt sich        fasst, die heute als heraus erodierte Vulkanembry-
                     über eine Gesamtfläche von ca. 6.800 qkm. Inner-       one, Maare, Moore, Hülben oder Thermal- und
                     halb seiner Gebietskulisse leben 1,4 Millionen         Mineralquellen in der Landschaft hervortreten.

                                                                                                                                      Bild: U. Sauerborn
                     Menschen. Damit gehört er zu den größten Geo-
                     parks in Europa.
                                                                              Welche Aufgaben hat der Geopark
Bild: R. Enkelmann

                     Friedrich August Quenstedt, der das geologische          Schwäbische Alb?
                     Wissen über die Schwäbische Alb geprägt und die
                                                                                                                                 Der Ölschiefer des Unterjuras am
                     Schichtfolge sowie den Fossilreichtum des Schwä-       Der Geopark Schwäbische Alb hat folgende Auf-        Fuß des Albtraufs ist
                     bischen Juras, wie er auch genannt wird, schon im      gaben:                                               außerordentlich reich an Fossilien.
                     19 Jh. umfassend erforscht hat, bezeichnete die                                                             Der gute Erhaltungszustand der
                                                                                                                                 Fossilien - wie hier am Beispiel
                     „Alp“ als „Zierde des schwäbischen Stufenlan-          1. Geotopschutz: Hierzu gehören die Dokumen-         eines Meereskrokodils - machen
                     des“ und als eines der „interessantesten Gebirge          tation von Geotopen, die Verhinderung der Be-     den Ölschiefer weltweit bekannt.
                     Deutschlands“ (1864). Dieses Prädikat verdient            einträchtigung oder der Zerstörung der Geoto-     Familien mit Kindern können in
                                                                                                                                 den Klopfplätzen bei Holzmaden,
                     die Schwäbische Alb nicht nur ihrer landschaftli-         pe sowie die Geotoppflege.                        Bad Boll und Dotternhausen
                     chen Schönheit wegen, sondern besonders auch                                                                selbst auf Fossiljagd gehen.
                     aus erdgeschichtlicher und kulturhistorischer          2. Umwelt- bzw. Geobildung: Aufgabe des Geo-
                     Sicht. Die Alb ist in jeder Hinsicht ein Gebirge der      parks ist es, Menschen für Erdgeschichte zu
                     Superlative.                                              begeistern und sie für Themen wie etwa Geo-
                                                                               topschutz, die nachhaltige Nutzung von Roh-
                     Die Schwäbische Alb ist als Karstgebirge die höh-         stoffen/Geotopen und deren Bedeutung für
                     lenreichste Region Deutschlands. Etwa 2.600               den Lebensraum Schwäbische Alb zu sensibili-
                     Höhlen sind dokumentiert, davon sind 10 Höhlen            sieren.
                     als Schauhöhlen zu besichtigen. Die Alb besitzt
                     die einzige mit dem Boot befahrbare, die älteste       3. Geotourismus: Die Schwäbische Alb ist eine
                     und die tiefste begehbare Höhle sowie eine der            wichtige Destination im Tourismusland Baden-
                     längsten Schauhöhlen in Deutschland.                      Württemberg. Zahlreiche Geotope wie z.B. der
                                                                               Blautopf, die Schauhöhlen oder die Donauver-
                     Der Geopark Schwäbische Alb ist der „Jurassic             sinkung bei Tuttlingen gehören zu den Top-
                     Park“ unter den Geoparks. Neben dem Höhlen-               Reisezielen auf der Alb, die jährlich Tausende
                                                                                                                                 Bild: Uni Tübingen

                     reichtum ist der unglaubliche Fossilienreichtum           von Urlaubsgästen und Tagesausflüglern anzie-
                     ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Manche Fos-          hen. Aufgabe des Geoparks ist es, die touristi-
                     silfundstellen sind von weltweiter wissenschaftli-        schen Potenziale, auch der weniger bekannten
                     cher Bedeutung, wie z.B. Holzmaden, Nusplin-              Geo-Highlights, freizulegen und sie für den re-
                     gen, Dotternhausen oder Aalen.                            gionalen Tourismus nutzbar zu machen.
                                                                                                                                 In einigen Höhlen des Lonetals
                                                                                                                                 und des Ur-Donautals bei
                     In einigen Höhlen der Schwäbischen Alb wurden          4. Nachhaltige Regionalentwicklung: Dem Geo-         Blaubeuren wurden die ältesten
                     die ältesten figürlichen Kunstwerke und die ältes-        park kommt hierbei die Aufgabe zu, die geolo-     figürlichen Kunstwerke der
                                                                                                                                 Menschheit gefunden wie z.B. die
                     ten Musikinstrumente der Menschheit gefunden.             gischen/ erdgeschichtlichen Potenziale einer      Venus vom Hohle Fels bei
                     Diese machen die Alb zur Wiege der menschli-              Landschaft zu erkennen, zu bewerten und ge-       Schelklingen. Aufgrund ihrer
                     chen Kultur. Bekannte Funde sind z.B. die Venus           meinsam mit den Akteuren vor Ort Projekte         weltweiten Bedeutung stehen die
                                                                                                                                 Höhlen auf der bundesweiten
                     vom Hohle Fels bei Schelklingen oder der Löwen-           und Aktivitäten entwickeln, die einen Beitrag     Liste zur Bewerbung als
                     mensch aus dem Lonetal.                                   zur nachhaltigen Regionalentwicklung leisten.     Weltkulturerbe.

                     Landinfo 1 | 2016                                                                                                                            5
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles
Bild: Geopark Schwäbische Alb

                                                                       Bild: Geopark Schwäbische Alb

Die Bildungsarbeit gehört zu den wichtigen Aufgaben des                               Jährlich findet in einer Infostelle des Geoparks das Geopark-Fest statt.
Geoparks. Viele Partner, wie das Werkforum der Fa. Holcim in                          An diesem Fest präsentieren sich alle mit Geologie und Erdgeschichte
Dotternhausen, unterstützen den Geopark hierbei. Im                                   befassten Partner-Einrichtungen des Geoparks. Interessierte Besucher
Fossilienmuseum des Zementwerkes erfahren die Besucher etwas                          können sich bei dieser Veranstaltung umfassend über die Geo-
über das Leben im damaligen Urmeer.                                                   Highlights der Schwäbischen Alb informieren und an den zahlreichen
                                                                                      Aktionen, wie z.B. Fossilienklopfen, teilnehmen.

                                     Wie ist der Geopark Schwäbische Alb                                ser, Museen, Naturschutzzentren und Bildungs-
                                     organisiert?                                                       einrichtungen. Neben ihren fachlichen Schwer-
                                                                                                        punkten stellen sie ihren Besuchern unter ande-
                                   Der Geopark war in seinen Anfängen an den da-                        rem die regionale Geologie vor und geben Tipps
                                   maligen TVSA (Tourismusverband Schwäbische                           für Ausflüge in die Erdgeschichte. Sie stellen so-
                                   Alb) angegliedert. Im Jahr 2008 wurde der Verein                     mit Eintrittspforten in den Geopark dar und las-
                                   Geopark Schwäbische Alb e.V. gegründet. Sitz der                     sen ihn auf diese Weise vor Ort sichtbar werden.
                                   Geschäftsstelle des Vereins ist Münsingen (Altes                     Der Geopark hat derzeit 22 Infostellen (Tab. 1).
                                   Lager).
                                                                                                        Ein weiterer Partner ist der Schwäbische Alb Tou-
                                   Die Mitglieder des Vereins sind die 10 Landkreise                    rismusverband e.V. (SAT). Über den Arbeits-
                                   der Schwäbischen Alb, der Schwäbische Alb Tou-                       schwerpunkt Geotourismus des Geoparks gibt es
                                   rismusverband e.V. (SAT), der Industrieverband                       eine gemeinsame Klammer. Der Geopark unter-
                                   Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (IS-                         stützt den SAT in der touristischen Vermarktung
                                   TE) und die Gemeinde Steinheim a. Albuch. Die-                       der Geo-Reiseziele und seines Tourismus-Projekts
                                   se Organisationen stellen überwiegend das Budget                     „Zeitreisen“. Der SAT seinerseits vermarktet die
                                   des Geopark. Die Geschäftsstelle besteht derzeit                     vom Geopark entwickelten geotouristischen Pro-
                                   aus dem Geschäftsführer, einer Projektmanagerin                      dukte mit und unterstützt die Bewerbung und den
                                   sowie einer Mitarbeiterin, die für die Verwaltung                    Vertrieb seiner Informationsbroschüren.
                                   und Buchhaltung zuständig ist.
                                                                                                        In der Vergangenheit wurden auf der Schwäbi-
                                                                                                        schen Alb zahlreiche Landschaftsführer ausgebil-
                                     Die Partner des Geoparks                                           det. Der Geopark steht mit vielen Landschafts-
                                     Schwäbische Alb                                                    führern im engen Austausch. Die Zusammenar-
                                                                                                        beit beinhaltet derzeit die gemeinsame Bewerbung
                                   Wichtige Partner des Geoparks sind die soge-                         von deren Wanderangeboten im Geopark sowie
                                   nannten Geopark-Infostellen. Infostellen sind                        die Entwicklung von Fortbildungsangeboten zu
                                   Einrichtungen des Geoparks wie z.B. Höhlenhäu-                       den Themen Boden und Wasser.

6                                                                                                                                          Landinfo 1 | 2016
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles

                                      Infostelle
 Nr.   Einrichtung                                 Erdgeschichtliche Themen / Schwerpunkte
                                      seit ...
       Riff-Museum,                   2004         Dokumentation der Entstehung eines Riffs im Jurameer mit seiner faszinieren-
  1
       Gerstetten                                  den Unterwasserwelt, UrMeerpfad
       Urgeschichtliches Museum,      2004         Schwerpunktmuseum für die Altsteinzeit und die Eiszeitkunst. Originalfunde
  2
       Blaubeuren                                  Venus vom Hohle Fels und älteste Musikinstrumente (Flöten)
       Meteorkrater-Museum,           2005         Dokumentation des Meteoriten-Einschlags, Vorstellung der Tier- und Pflanzen-
  3
       Steinheim a. Albuch                         welt des Kraters und Kratersees, Geologischer Lehrpfad Meteorkrater
       HöhlenErlebnisWelt,            2005         Charlottenhöhle mit Erlebnismuseum und HöhlenHaus
  4
       Giengen-Hürben
       Höhle des Löwenmenschen,       2005         Vorstellung der Lonetalhöhlen mit ihren archäologischen Funden der
  5
       Rammingen                                   Eiszeitkunst
       Jurafangowerk Bad Boll;        2006         Fossiliensammlung des „Albpatriarchen“ Dr. Theodor Engel, Fossilien mit
  6    Naturkundliches Museum                      Schwerpunkt Unterjura, Jurafangowerk mit Erlebnissteinbruch im Posidonien-
       Göppingen                                   schiefer
       Tiefenhöhle Laichingen         2006         Tiefste begehbare Schauhöhle in Deutschland mit Höhlenkundlichem
  7
                                                   Museum
       Münsinger Bahnhof,             2006         Ausstellung Reiseziel Natur mit Informationen zur Geologie, Landschaft und
  8    Zentrum für Natur, Umwelt                   den Lebensräumen der Schwäbischen Alb
       und Tourismus
       Alb-Gold-Kundenzentrum,        2006         Geologie zum Anfassen. Gesteinstisch und 2 ha großer Kräutergarten.
  9
       Trochtelfingen                              Barfußpfad
       Fossilienmuseum im Werkfo-     2006         Schwerpunkt liegt auf den Fossilien des Ölschiefers im Unterjura. Werkseige-
  10   rum der Fa. Holcimm,                        nes Fossilienmuseum mit Dokumentation des Lebens im Jurameer. Klopfplatz
       Dotternhausen                               und Geologischer Lehrpfad rund um den Ölschiefer
       Museum im Kräuterkasten,       2006         Dokumentation der Vor- und Frühgeschichte der Ebinger Alb. Naturkundliche
  11   Albstadt                                    Sammlung mit Präsentation der Geologie (u.a. Fossilien) und der Lebensräu-
                                                   me der Schwäbischen Alb
       Burg Katzenstein,              2007         Baumaterialien der Burg spiegeln die Geologie der Region wieder, u.a. Suevit
 12
       Dischingen
 13    Urweltmuseum Aalen             2008         Schwäbisches Schichtstufenland, Fossilien des Unter-, Mittel- und Oberjura
       Freilichtmuseum                2008         25 historische und original wiederaufgebaute und eingerichtete Häuser aus
  14
       Neuhausen ob Eck                            dem Südwesten B.-W..
       Naturschutzzentrum             2011         Landschaftsgeschichte, Geologie, Vulkanismus, Landschaft und Biotope der
 15
       Schopflocher Alb                            Schwäbischen Alb, Steinbruch und Pflanzenschaugarten
       Schloss Brenz                  2011         Ältestes Heimatmuseum Württembergs mit geologischer und paläontologi-
 16
       Sontheim                                    scher Sammlung, Gesteinssammlung Hans Wagner mit Fossilien des Juras
       Biosphärenzentrum,             2011         Dauerausstellung zum Biosphärengebiet und seinen Landschaften. Infostelle
 17
       Münsingen                                   des Geoparks mit sprechenden Steinen
       Bärenhöhle/Nebelhöhle,         2013         Sehenswerte Tropfsteinhöhlen. Höhlentiere (u.a. Höhlenbär). Ausgeklügelte
 18
       Sonnenbühl                                  Illuminationen.
       Naturkundliches                2013         Fossilien aus den Zeitepochen des Jura und Tertiär. Mineralien des Ulmer
  19   Bildungszentrum, Ulm                        Raums mit Schwerpunkt Kalk. Dokumentation der Nutzungsgeschichte des
                                                   „Ulmer Weiß“
       Museum Auberlehaus,            2014         Dokumentation der Stadtgeschichte. Präsentation der Saurierfunde der welt-
 20
       Trossingen                                  größten Fundstätte aus der Trias ("Schwäbischer Lindwurm")
       Haus des Tourismus,            2015         Entdeckerwelt für Kinder. Module zum Thema Höhlenbildung, Schwäbischer
 21
       Bad Urach                                   Vulkan und regionale Gesteine
 22    Museum Ehingen                 2016         Umfangreiche geologische Sammlung

Tabelle 1
Die GeoPark-Infostellen mit Themenschwerpunkten

Landinfo 1 | 2016                                                                                                                 7
Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
Aktuelles

                                                                                              Ausblick
Die Geo-Highlights der
Schwäbischen Alb müssen, damit
sie von den Besuchern                                                                       Der Geopark ist auf einem guten Weg. In 2015
wahrgenommen werden, gut
                                                                                            wurde ein Masterplan für den Geopark erarbeitet
ausgeschildert sein. Das Ziel eines
Besucherkonzeptes des Geoparks                                                              und im Dezember verabschiedet. Er gibt die
ist es, die geotouristischen                                                                Richtschnur vor, wie sich der Geopark bis 2020
Besonderheiten der Alb für
                                                                                            weiterentwickeln will. Er umfasst Maßnahmen,
Besucher zugänglich zu machen
und die Informationen zum Objekt                                                            die darauf abzielen, bestehende gute Ansätze im
vor Ort spannend zu vermitteln.                                                             Bereich Bildung, Tourismus, Geotopschutz und
                                                                                            Regionalentwicklung weiter zu entwickeln sowie
                                                                                            neue Ideen und Entwicklungen zu integrieren.

                                                                                            Eine große Chance in der Weiterentwicklung des
                                                                                            Geoparks steckt in der in 2015 erfolgten Anerken-
                                                                                            nung als UNESCO-Globaler Geopark. Untersu-
                                      Bild: Geopark Schwäbische Alb

                                                                                            chungen belegen den volkswirtschaftlichen Nut-
                                                                                            zen von Geoparks für eine Region. Die positiven
                                                                                            Wirkungen einer UNESCO-Anerkennung kön-
                                                                                            nen aber nur generiert werden, wenn Geoparks
                                                                                            personell und finanziell gut ausgestattet sind.

                                                                                            In der UNESCO-Anerkennung stecken nicht nur
                                                                                            Chancen für den Geopark sondern überhaupt für
                                                                                            das Land Baden-Württemberg. Ein gut ausgestat-
                                      Was macht der Geopark Schwäbische                     teter Geopark hat das Potenzial, ein wichtiger Mo-
                                      Alb?                                                  tor der Regionalentwicklung auf der Schwäbi-
                                                                                            schen Alb und ein Aushängeschild des Landes zu
                                      Auch wenn die Gebietskulisse (Schwäbische Alb)        werden. Alle politischen Akteure im Land und
                                      riesig ist und die personellen und finanziellen Ka-   alle Partner des Geoparks sind eingeladen, den
                                      pazitäten derzeit beschränkt sind, bewegt die Ge-     Geopark auf diesem Weg zu unterstützen.
                                      schäftsstelle viel - in enger Zusammenarbeit mit
                                      dem großen Netz von Akteuren, die sich - über-        Mehr Informationen zum Thema Geologie und
                                      wiegend ehrenamtlich - für das geologische und        Geopark Schwäbische Alb finden Sie unter:
                                      archäologische Erbe der Schwäbischen Alb einset-
                                      zen. Zu den laufenden Aufgaben gehört z.B.:           Geopark Schwäbische Alb
                                                                                            Von der Osten Str. 4,6
                                      • Öffentlichkeitsarbeit: Herausgabe von Info-         72525 Münsingen
                                        Broschüren (u.a. Entdeckerkarte, Abenteuer          Tel: +49 (0)7381-501 575
                                        Geopark, Schauhöhlenführer); Präsenz auf            Fax: +49 (0)7381-501 277
                                        Reisemesse CMT; Organisation des Geopark-           E-Mail: info@geopark-alb.de
                                        Festes, des Tags des Geotops und der Woche          Internet: www.geopark-alb.de 
                                        der Europäischen Geoparks

                                      • Geobildung: Entwicklung von Geo-Lehrpfa-
                                        den und Geotouren; Schulung von Landschafts-
                                        führern; Entwicklung von Schulmaterialien in
                                        Kooperation mit der Uni Tübingen

                                      • Geotopschutz: Aufbau eines Geotop-Katasters
                                        mit Geotopmanagementkonzept
Siegfried Roth
Geopark Schwäbische Alb               • Geotourismus: Ausbau des Netzwerks der Geo-
Münsingen                               park-Infostellen, Aufbau eines geotouristischen
Tel. 07381/ 501 575                     Besucherlenkungskonzeptes, Vernetzung der
roth@geopark-alb.de                     touristischen Akteure

8                                                                                                                        Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema

Bernhard Huber

Produktionstechnische Anpassungen an den
Klimawandel im Staatsweingut Freiburg
Auch wenn der Klimawandel durch die jährlichen Witterungsschwankungen keine konstante
Veränderung darstellt, so ist jedoch Fakt, dass die Temperaturen während der Vegetationsperiode
deutlich angestiegen sind. Dies führt zu einem etwas früheren Austrieb der Reben, zu einer früheren
Blüte, zu einem früheren Erntezeitpunkt und insgesamt zu einer verlängerten Vegetationsperiode.

I m Durchschnitt der letzten 30 Jahren ist der Ern-
  tezeitpunkt um ca. 10 - 14 Tage nach vorne ge-
rückt. Hinzu kommt, dass die Niederschläge zwar
                                                      ist vorprogrammiert. Der Klimawandel begünstigt
                                                      diese negative Konstellation erheblich. Dem ent-
                                                      gegenzuwirken ist von wirtschaftlich größter Be-
in der Summe gleich geblieben sind, aber die Ver-     deutung, da 54 % der Rebflächen des Staatlichen
teilung sich massiv geändert hat. Die Niederschlä-    Weinbauinstituts (WBI) mit Burgundersorten be-
ge fallen zunehmend als Starkregen und im Som-        pflanzt sind. Weiterhin ist zu beachten, dass die
mer gibt es vermehrt längere Phasen der Trocken-      Ernte meist schon Mitte September beginnt und
heit. Der frühe Austrieb ist ein Problem hinsicht-    die reifen und leicht verderblichen Trauben bei
lich eines erhöhten Spätfrostrisikos. Ein             relativ warmer Witterung geerntet werden müs-
gravierendes Problem sind die Eigenschaften der       sen.
Trauben bei Burgundersorten. Die Traubenarchi-
tektur bedingt, dass die Beeren sehr kompakt im
Verband angeordnet sind – das ist besonders nach        Veränderungen in der
einer guten Blüte der Fall. Kommt dann im August        Rebsortenstruktur notwendig                       Links:
und September feuchte Witterung hinzu, drücken                                                            Tropfbewässerung

sich die Beeren gegenseitig ab bzw. platzen auf       Welche Möglichkeiten hat das Staatsweingut ge-      Rechts:
und der Befall mit Botrytis cinerea und Essigfäule    nutzt, um diesen Klimaveränderungen entgegen        Maschinelle Entblätterung
Bild: WBI Freiburg

                                                                      Bild: WBI Freiburg

Landinfo 1 | 2016                                                                                                                     9
Schwerpunktthema

                                                                                                         Abweichung der Jahrestemperatur vom Mittel 1961-90 (8,2 °C)
                                                                                                    (deutsches Flächenmittel) + 10-jähriges und 30-jähriges gleitendes Mittel

                                                                 2,5

Abbildung
                                                                 2,0
Abweichungen der
Jahresmitteltemperaturen in
                                                                 1,5
Deutschland für die Jahre
1901 bis 2014 im Vergleich
                                   Temperaturabweichung [Grad]
                                                                 1,0
zum Referenzzeitraum
1961-1990. Schwarze Kurve:                                       0,5
10-jähriges gleitendes Mittel.
Rosa Kurve: 30-jähriges                                          0,0
gleitendes Mittel.
Diagramm: WBI                                                    -0,5
Daten: DWD
                                                                 -1,0

                                                                 -1,5

                                                                 -2,0
                                                                        1901

                                                                               1906

                                                                                      1911

                                                                                             1916

                                                                                                      1921

                                                                                                             1926

                                                                                                                    1931

                                                                                                                           1936

                                                                                                                                  1941

                                                                                                                                         1946

                                                                                                                                                1951

                                                                                                                                                       1956

                                                                                                                                                              1961

                                                                                                                                                                     1966

                                                                                                                                                                            1971

                                                                                                                                                                                   1976

                                                                                                                                                                                          1981

                                                                                                                                                                                                 1986

                                                                                                                                                                                                        1991

                                                                                                                                                                                                                1996

                                                                                                                                                                                                                       2001

                                                                                                                                                                                                                              2006

                                                                                                                                                                                                                                     2011
                                 zu treten? In Neuanlagen werden im Gutsbetrieb                                                                          Flächen beregnet werden, ca. 11 ha in Form der
Burgundersorten und              Blankenhornsberg am Kaiserstuhl bereits keine                                                                           Tropfbewässerung und die restlichen Flächen mit
Riesling sind besonders          frühreifen Sorten wie z.B. Müller-Thurgau mehr                                                                          einem Überkopfberegner.
vom Klimawandel                  gepflanzt. Hier ist aber vor allem der Riesling der
betroffen.                       Verlierer des Klimawandels. Riesling benötigt zur
                                 Ausbildung seiner typischen Sortencharakteristik                                                                             Traubengesundheit im Fokus
                                 eine langsame und kühle Abreife. Hinzu kommt,
                                 dass reife Rieslingtrauben bei feuchtwarmer Wit-                                                                        Bei der Bewirtschaftung der Rebanlagen steht die
                                 terung sehr schnell von Fäulniserregern befallen                                                                        Traubengesundheit im Focus. Lockere Trauben
                                 werden. Deshalb wurden in den letzten Jahren fast                                                                       sind hierfür die Grundlage. In der Bewirtschaf-
                                 alle Rieslinganlagen gerodet und vorzugsweise                                                                           tung lässt sich das erreichen durch den Einsatz
                                 durch Burgundersorten ersetzt. Für die etwas küh-                                                                       von Bioregulatoren in die Rebblüte oder durch
                                 lere Lage Freiburger Schloßberg wurden bereits                                                                          pulsierende Druckluft unmittelbar nach Fruchtan-
                                 ähnliche Überlegungen angestellt: Hier soll Char-                                                                       satz zum Entfernen (Ausblasen) von Beeren oder
                                 donnay den Riesling ersetzen. Um bei diesen Bur-                                                                        aber auch durch Traubenteilen während des Bee-
                                 gundersorten keine kompakten Trauben zu be-                                                                             renwachstums. Eine weitere Maßnahme ist das
                                 kommen, wurden Klone bei der Neupflanzung                                                                               Ausblasen von Blütenresten, welche als Nährsub-
                                 gewählt, welche eine lockerere Traubenarchitektur                                                                       strat für den Fäulniserreger Botrytis cinerea die-
                                 besitzen, wie z. B. der vom WBI gezüchtete Spät-                                                                        nen und damit latenten Befall an Trauben verursa-
                                 burgunder-Klon FR 1801. Als weitere Antwort                                                                             chen kann. Neben dem Einsatz von Fungiziden
                                 auf den Klimawandel wurde der Anteil pilzwider-                                                                         gegen Botrytis cinerea ist das Entblättern der
                                 standsfähiger Rebsorten (Piwis) ausgeweitet und                                                                         Traubenzone eine weitere wichtige Maßnahme
                                 damit auch die ökologisch bewirtschaftete Fläche,                                                                       zur Erzeugung gesunder Trauben. Diverse Unter-
                                 welche aktuell 5,0 ha umfasst.                                                                                          suchungen zeigten, dass die Entblätterung der
                                                                                                                                                         Traubenzone die Bedingungen für den Befall mit
                                                                                                                                                         den Fäulniserregern an Trauben deutlich redu-
                                   Bewässerung                                                                                                           ziert. In den Betrieben sind deshalb mittlerweile
                                                                                                                                                         verschiedenste Entblätterungsgeräte und -techni-
                                 Der Klimawandel bedingt Trockenphasen wäh-                                                                              ken vorhanden, um zu jedem Zeitpunkt der Vege-
                                 rend der Vegetationsperiode, besonders auf                                                                              tationsperiode entsprechend reagieren zu können.
                                 Standorten mit geringem Wasserspeicherungsver-                                                                          Die beste und teuerste Entblätterungsqualität
Bernhard Huber                   mögen. Im Gutsbetrieb Blankenhornsberg wurde                                                                            wird nach wie vor von Hand erzielt. Welche Maß-
WBI Freiburg                     deshalb bereits 2003 ein Beregnungsbrunnen ge-                                                                          nahme in einem Jahr am geeignetsten ist, ist sehr
Tel. 07668/ 9915-12              bohrt und die Infrastruktur für die Verteilung des                                                                      verschieden. Die jährlich unterschiedlichen An-
bernhard.huber@wbi.              Wassers gebaut. Das Bewässerungssystem wurde                                                                            passungsmaßnahmen verteuern die Produktion
bwl.de                           seither sukzessive erweitert. Es können heute alle                                                                      jedoch erheblich. 

10                                                                                                                                                                                                             Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema

                                                                                                                                            Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei Rosswag-Mühlhausen e.G.
Patrick Schreieck

Weinbau in terrassierten Steillagen
Der Steillagenweinbau ist für viele Weinbauregionen in Deutschland von großer Bedeutung, da er als
Aushängeschild für den dortigen Weinbau gelten kann. In Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit und
Werbung werden Steillagenweinberge vermehrt in den Fokus gerückt. Volkswirtschaftlich gesehen ist
die Rebe die am besten geeignetste Kultur zur Nutzung steiler und steilster Flächen in klimatisch
begünstigten Lagen. Weinreben werden allgemein als Indikator für gutes Klima gewertet.

D    urch das oftmals vorzügliche Landschaftsbild
     steigt der Wohlfühlgrad der in der Gemeinde
lebenden Personen, führt zur Steigerung der Le-
                                                     Durch Mechanisierung und Technisierung, neuen
                                                     Erziehungs- und Anlageformen ist der Arbeits-
                                                     zeitaufwand in den Direktzuglagen in den letzten
bensqualität und hat positive Auswirkungen auf       130 Jahren um etwa 90% auf heute rund
Tourismus und Freizeit. Die Mauern in vielen         200 Std./ha zurückgegangen. Der Steillagenwein-
Steillagenweinbergen sind teilweise bis zu 1.000     bau konnte den Arbeitszeitaufwand um ca. 50%           Steillagenweinberge
Jahre alt. Es handelt sich um einzigartige Kultur-   reduzieren, liegt aber seit etlichen Jahren stagnie-   sind einzigartige
landschaften – Ausdruck der Leistung vergange-       rend bei etwa 1.200 Std./ha. Die relative Vorzüg-      Kulturlandschaften und
ner Generationen. Die Bedeutung des Steillagen-      lichkeit der Steillagenweinbergsbewirtschaftung        Refugien für seltene
weinbaus für den Naturschutz ist unbestritten.       im Vergleich zur Bewirtschaftung in Flachlagen ist     Tier- und Pflanzenarten.
Hänge, Saumbiotope und Weinbergsmauern sind          mit jeder Neuentwicklung, technischen Verbesse-
Refugien für seltene Pflanzen- und Tierarten, wel-   rung und Rationalisierungsmaßnahme im Flachla-
che (fast) nur in bewirtschafteten Mauersteillagen   genweinbau gesunken. Hierdurch fielen und fallen
beheimatet sind. Trockenmauern sind in Baden-        jährlich große Flächen brach, mit negativen Aus-
Württemberg als Biotoptyp nach dem Landesna-         wirkungen auf Artenvielfalt und auf die angren-
turschutzgesetz geschützt.                           zenden Weinberge.

Landinfo 1 | 2016                                                                                                                      11
Schwerpunktthema

                                                                                                                Direkte und indirekte finanzielle
                                                                                                                Förderungen

                                                                                                              Schon seit Mitte der 1970er Jahre gibt es in Baden-
                                                                                                              Württemberg eine kartenmäßige Steillagenab-
                                                                                                              grenzung. In diese Abgrenzungen sind besonders
                                                                                                              wertvolle Steillagenweinbergsflächen einbezogen.
                                                                                                              Diese Steillagenabgrenzung bildet eine wichtige
                                                                                                              Planungs- und Abgrenzungsgrundlage für diverse
                                                                                                              Fördermaßnahmen. In Baden-Württemberg kön-
                                                                                                              nen beispielsweise Einschienenzahnradbahnen
                                                                                                              oder vergleichbare Transporteinrichtungen auf
                                                                                                              Grundstücken in abgegrenzter Steillage mit bis zu
                                                                                                              60% der zuwendungsfähigen Kosten oder maxi-
                                                                                                              mal 50.000 Euro/ha erschlossener Rebfläche be-
                                                                                                              zuschusst werden.

                                                                                                              Die Fördersätze bei der EU-Fördermaßnahme
                                                                                                              „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflä-
                                                                                                              chen“ ist in den großen weinbautreibenden Bun-
Abbildung 1                                                 Aufgegebene Flächen – Wehret den                  desländern hangneigungsabhängig gestaffelt. Der
Entwicklung des                                             Anfängen!                                         höchste Fördersatz liegt in Baden-Württemberg
Arbeitszeitaufwands im
                                                                                                              bei bis zu 32.000 €/ha für reine Handarbeitsmau-
Weinbau.
                                                          Selbst kleine aufgegebene Steillagenweinberge in    ersteillagenweinberge, in denen jegliche Mechani-
                                                          einem Rebareal können den Wert und die Wirt-        sierung (auch mit z.B. kleinen handgeführten Rau-
                                                          schaftlichkeit der umliegenden Weinberge noch       penfahrzeugen) unmöglich ist. Manchmal wäre es
                                                          weiter vermindern. Schattenwurf von benachbar-      durch einfache Maßnahmen (z.B. durch den Bau
                                                          ten Hecken und Büschen, Wild- und Vogelfraß         von kleinen Rampen) möglich, die Bewirtschaf-
                                                          können den Traubenertrag und die Traubenquali-      tung von Mauersteillagenweinbergen zu erleich-
                                                          tät deutlich mindern. An der Mosel konnte sich in   tern. Da aber solche Flächen dann nicht mehr in
                                                          manchen Lagen die gefährliche Schwarzfäule eta-     den Genuß des Fördersatzes von 32.000 €/ha
                                                          blieren, welche sich nachweislich ausgehend von     kommen können, haben die Bewirtschafter wenig
Die über Generationen                                     aufgegebenen Rebflächen ausgebreitet hat. In den    Interesse an strukturellen Verbesserungen in der
erschaffenen Weinbergsmauern
benötigen zum Erhalt dauerhafte                           umliegenden Weinbergen muss seither der Pflan-      Bewirtschaftung.
Wartung und Pflege.                                       zenschutzaufwand intensiviert werden.
                                                                                                              Nicht nur EU, Bund und Länder fördern den Steil-
                                                                                                              lagenweinbau, auch Kommunen oder andere öf-
                                                                                                              fentliche Träger sind rechtlich in der Lage den
                                                                                                              Steillagenweinbau zu fördern, entweder über ein
                                                                                                              bei der EU notifiziertes Förderprogramm, über
                                                                                                              die Freistellungsverordnung, oder im Rahmen der
                                                                                                              De-minimis-Verordnung. Bürgermeister und
                                                                                                              Landräte können bei geeigneten Anlässen auf die-
 Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei

                                                                                                              se Fördermöglichkeiten hingewiesen werden. Die
                                                                                                              Länder haben Ökokonto-Verordnungen erlassen.
                                                                                                              Hierdurch können Ökopunkte durch Anerken-
                                                                                                              nung und Anrechnung vorzeitig durchgeführter
                                                                                                              Maßnahmen (z.B. Trockenmaueraufbau) zur
                                                                                                              Kompensation von Eingriffsfolgen erzeugt und
                                                                                                              anschließend vermarktet werden. Bei der Umset-
 Rosswag-Mühlhausen e.G.

                                                                                                              zung wäre ein einfacheres unbürokratisches Ver-
                                                                                                              fahren, welches kostenlos für Maßnahmenträger
                                                                                                              ist, wünschenswert.

                                                                                                              Eine weitere, indirekte Förderung für württem-
                                                                                                              bergische Steillagen stellt das erhöhte Vermark-

12                                                                                                                                          Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema

tungskontingent aus Rebflächen in abgegrenzter       gebietes zulässig. Durch die Rodung eines zulässi-
Steillage dar. Hier dürfen 150 hl/ha vermarktet      gen Weinberges entstanden Wiederbepflanzungs-
werden, während in Flachlagen/Normallagen le-        rechte, die innerhalb von maximal 13 Jahren für
diglich 110 hl/ha vermarktet werden dürfen. Ein      eine Wiederbepflanzung mit Reben genutzt wer-        Weinbau in Steillagen
Ausgleich zwischen den Gesamthektarerträgen,         den konnten. Auf Antrag konnte auch eine Über-       kann über FAKT gefördert
die im b.A. Württemberg für Flach- und Steillagen    tragung der Pflanzrechte auf einen anderen Be-       werden. Zudem gibt es
gesondert berechnet werden, ist seit einigen Jah-    trieb oder auf eine andere Fläche genehmigt wer-     ein erhöhtes
ren zulässig. In Baden-Württemberg können            den, wobei eine Übertragung eines Wiederbe-          Vermarktungskontigent
Weinberge in abgegrenzter Steillage durch eine       pflanzungsrechts von einer Fläche mit einer          von 150 l/ha gegenüber
Steillagenförderung über das Förderprogramm          Hangneigung von über 30% auf eine Fläche mit         110 l/ha in Normallagen.
für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl            einer Hangneigung von weniger als 30% nach
(FAKT) in Höhe von 900 Euro/ha und Jahr ge-          Bundesrecht nicht zulässig war. Hierdurch sollte
fördert werden.                                      vermieden werden, dass Weinberge in Steillagen
                                                     gerodet werden und in Flachlagen wieder
Die Weinbauverbände konnten sich hier mit ihrer      entstehen.
Forderung nach einem Fördersatz von 5.000 Eu-
ro/ha und Jahr nicht durchsetzen. Andere Stim-       Im Rahmen der neuen EU-Anbauregelung ist
men forderten vergeblich 50.000 Euro/ha und          weinrechtlich eine Wiederbepflanzung auf jegli-
Jahr. Dabei wird oft übersehen, dass sich Steilla-   cher landwirtschaftlich nutzbarer Fläche und so-     Durch die neue EU-
genflächen selbst bei noch so hohen Fördersätzen     mit auch auf Flächen außerhalb der abgegrenzten      Anbauregelung steigt der
nie von selbst bewirtschaften, oder sich Trocken-    Weinanbaugebiete zulässig. Eine Differenzierung      Druck auf die Steillagen.
mauern nie von alleine sanieren. Idealismus und      zwischen Steil- und Flachlagenweinberge findet
Freude an dieser Arbeit gehören bei der Steilla-     nicht mehr statt, so dass der Druck auf den Steil-
genbewirtschaftung immer dazu!                       lagenweinbau zunehmen wird. Steilllagenweinber-
                                                     ge werden aufgegeben und statt dessen erfolgt
                                                     eine Pflanzung in wirtschaftlicheren Direkt-
  Die neue EU-Anbauregelung und                      zuglagen.
  deren Auswirkung auf die
  Steillagenweinberge
                                                       Hubschrauberapplikation von
Seit 01.01.2016 ist die neue EU-Anbauregelung          Rebschutzmitteln
für Rebflächen in Kraft getreten. Bisher war eine
Anpflanzung von Weinreben grundsätzlich nur          Rebschutzmaßnahmen stellen im Steillagenwein-
innerhalb des abgegrenzten, bestimmten Anbau-        bau eine enorme Belastung für Anwender und

 Beispiel aus der Praxis

 „Wengerter für ein Jahr“ - das Steillagenprojekt der Genossenschaftskellerei Rosswag eG

 Die Mitglieder der Genossenschaftskellerei Rosswag bewirtschaften insgesamt 150 ha Rebfläche. Davon sind ca. 40 ha terrassierte
 Steillage entlang der Enz. Mit einem Steillagenanteil von 27 % ist die Genossenschaftskellerei Rosswag eG eine der bedeutenden
 Steillagengenossenschaften Württembergs. Unter dem Motto Wein | Genuss | Landschaft werden die hochwertigen Weine aus den
 Steillagen vermarktet. Durch die optimale Sonneneinstrahlung werden Jahr für Jahr herausragende Weinqualitäten erzeugt. Die beein-
 druckende Landschaft unterstützt als Prestigeträger die Vermarktung der Weine.
 Zusammen mit dem Plenum Heckengäu wurde der „Lemberger 401“ kreiert. Über 401 Stufen, im schwäbischen „Stäffele“ genannt,
 gelangt man in Rosswag vom Ufer der Enz zu den höchsten Mauern der Weinberggemarkung. Bei der Weinbergbewirtschaftung
 müssen also ca. 23 Stockwerke überwunden werden und das ohne Aufzug und in reiner Handarbeit!
 Schon seit Jahren war ein Filetstück der Rosswager Halde nicht mehr bewirtschaftet. Um diesen Teil der Steillage nicht zu verlieren,
 erwarb der örtliche Weinbauverein den 60 ar großen Terrassenweinberg. Seit 2011 gibt es das Projekt „Wengerter für ein Jahr“. Hier
 dürfen Interessierte bei allen Weinbergarbeiten im Jahresverlauf in dieser Handarbeitslage unter Anleitung tätig werden. Bei diesem
 Gemeinschaftsprojekt sind jedes Jahr knapp 30 „Lehrlinge“ am Wirken. Die „Wengerter für ein Jahr“ erhalten am Ende einen indivi-
 duell für sie ausgebauten und abgefüllten Wein. Dieses mit großem Medienecho indizierte Projekt ist für die Beteiligten ein großer
 Spaß und für die Genossenschaft ein guter Werbeträger, der sich zudem selbst finanziert.

 Weitere Informationen unter www.wein-rosswag.de.

Landinfo 1 | 2016                                                                                                                  13
Schwerpunktthema

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                                                                                                                 wendig ist, erlangten die pilzwiderstandsfähigen
                                                                                                                 Rebsorten bisher nur bei der Direktvermarktung
                                                                                                                 ab Weingut eine gewisse Bedeutung. Im Lebens-
                                                                                                                 mitteleinzelhandel und im Discountbereich haben
 Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei

                                                                                                                 Weine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten fak-
                                                                                                                 tisch keine Bedeutung. Großhandelskellereien se-
                                                                                                                 hen Fassweine aus pilzwiderstandfähigen Rebsor-
                                                                                                                 ten bislang als Alternative zu Billiggrundweinen
                                                                                                                 aus südeuropäischen Herkünften. Für den deut-
                                                                                                                 schen Erzeuger ist hier kein kostendeckender Er-
                                                                                                                 lös zu erzielen. Die Zurückhaltung der Winzer,
 Rosswag-Mühlhausen e.G.

                                                                                                                 was die Anpflanzung mit pilzwiderstandsfähigen
                                                                                                                 Sorten betrifft, ist vor diesem Hintergrund ver-
                                                                                                                 ständlich. Daneben steht auch der bei den Konsu-
                                                                                                                 menten seit rund 10 Jahren anhaltende Trend nach
                                                                                                                 klassischen deutschen und internationalen Reb-
                                                                                                                 sorten. Der unsichere Weinliebhaber fühlt sich bei
                                                                                                                 Riesling und Spätburgunder geborgener als bei
                                                                                                                 Neuzüchtungen wie Helios oder We 88-101-13.
Postkartenidyll. Entstanden durch                         Winzer dar, da eine Behandlung mit Rücken- oder        Im Bereich der Vermarktung könnte ein Marken-
die Kräfte der Natur und durch                            Schlauchspritze mühsam und arbeitskräftezeh-           wein ohne Sortenangabe zielführend sein, auch
fleißige Hände Arbeit.
                                                          rend ist und die Anwender mit Pflanzenschutz-          um bei möglichen Veränderungen in der Rebsor-
                                                          mitteln belasten kann. Eine seit Jahrzehnten ge-       tenzusammensetzung flexibel agieren zu können.
                                                          nutzte Erleichterung stellt die Applikation mit        Diesen Ansatz greift u.a. das Staatsweingut Frei-
                                                          Hilfe von Hubschraubern dar. Diese Form der            burg mit seinem „Bacat“ (Badisches Cuvée aus
                                                          Ausbringung ist für die Winzer zwar recht kosten-      alternativen Traubensorten) auf.
                                                          intensiv, die arbeitswirtschaftlichen und gesund-
Die Ausbringung von                                       heitlichen Vorteile werden jedoch stärker gewich-
Pflanzenschutzmitteln via                                 tet. Auf manchen Flächen (z.B. direkt an Gewäs-          Die Weinbergsmauern
Hubschrauber ist durch                                    sern, im Wohngebiet, etc.) ist eine Hubschraube-
das neue Pflanzenschutz-                                  rapplikation nicht möglich. Durch das neue             Größte potentielle Kostenposition im Steillagen-
gesetz in Frage gestellt.                                 Pflanzenschutzgesetz haben sich die rechtlichen        weinbau ist der Erhalt von Mauern und Terrassen.
Eine Lösung könnten                                       Rahmenbedingungen geändert. Ob künftig eine            Da für eine Weinbergsbewirtschaftung lediglich
pilzwiderstandsfähige                                     ausreichende Behandlung via Luftfahrzeuge über-        eine tragfähige Fläche notwendig ist (stabile Bö-
Rebsorten sein. Bisher                                    haupt möglich sein wird, ist fraglich. Viele, insbe-   schungen, Gabionen oder Betonfertigteile wür-
fehlt allerdings die                                      sondere ältere Winzerinnen und Winzer knüpfen          den ausreichen), können die Mehrkosten für na-
Akzeptanz des                                             die Bewirtschaftung ihrer Steillagenweinberge an       turschutzrechtliche Auflagen nicht direkt dem
Verbrauchers.                                             die Möglichkeit der Hubschrauberapplikation.           Weinbau zugeordnet werden. Mauerterrassen-
                                                                                                                 weinberge sind von hoher naturschutzfachlichen
                                                                                                                 Bedeutung. Die Rekultivierung ehemaliger Wein-
                                                            Pilzwiderstandsfähige Rebsorten in                   bergsterrassen durch engagierte Bürger werden
                                                            Steillagen – Möglichkeiten und                       allerdings nicht selten durch naturschutzrechtliche
                                                            Grenzen                                              Regelungen und deren Auslegung verhindert.
                                                                                                                 Auch geringfüginge Eingriffe bei Trockenmauern
                                                          Auf nicht direktzugfähigen Steillagen ist eine         zur Erleichterung der Bewirtschaftung von noch
                                                          Pflanzung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten         bestehenden Mauersteillagenweinbergen werden
                                                          überlegenswert. Eine breite Auswahl guter Reb-         in den allermeisten Fällen untersagt. Diese Flä-
                                                          sorten steht der Praxis inzwischen zur Verfügung.      chen fallen dann recht schnell brach und verbu-
                                                          Hier haben die baden-württembergischen Wein-           schen, so dass der naturschutzfachliche Wert der
                                                          bau-Landesanstalten sehr gute Vorarbeit geleistet      Fläche leider rasch sinkt.
                                                          und können ein breites Spektrum unterschiedli-
                                                          cher Rebsorten anbieten, die einen erheblich ge-
                                                          ringeren Pflanzenschutzmittelaufwand benötigen           Flurneuordnung als Option?
                                                          und in Punkto Weinqualität den Standardsorten
                                                          nicht nachstehen. Da für die Vermarktung von           Mauersteillagenweinberge wurden von Flurneu-
                                                          Weinen aus wenig bekannten Rebsorten immer             ordnungsmaßnahmen bisher in der Regel ausge-

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Schwerpunktthema

nommen. Solche Maßnahmen sind schwierig
durchzuführen, könnten aber wesentlich zum Er-
halt des Steillagenweinbaus beitragen. Die Flur-
stücke sind hier durch die in Württemberg vor-
herrschende Realteilung kleinstrukturiert. Nicht
selten sind die Rebzeilen in den Terrassen nicht
länger als 10 m. Was in früheren Zeiten durchaus
praktisch sein konnte, ist heute nicht mehr zeitge-
mäß und unwirtschaftlich. Größere Bewirtschaf-

                                                                                                                                      Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei
tungseinheiten wären auch im Steillagenweinbau
eine Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige
Weinbergsanlage.

Im Wein- und Luftkurort St.Martin in der Pfalz
wurde eine traditionelle, aber zwischenzeitlich
weitgehend brachgefallene und verbuschte Wein-

                                                                                                                                      Rosswag-Mühlhausen e.G.
bergssteillage („Wingertsberg“) durch eine Flur-
neuordnungsnahme neu gegliedert. Das unter
Naturschutz stehende Areal konnte dadurch auf-
gewertet werden. Viele der alten Mauern in der
ehemaligen Kleinterrassierung waren inzwischen
leider eingefallen und damit unwiederbringlich
verloren. Durch eine rechtzeitige Durchführung
der Maßnahme hätten sicherlich viele der alten
Mauern gerettet werden können.                          Fazit                                               Kleinstrukturierte Handarbeits-
                                                                                                            mauersteillagenweinberge an der
                                                                                                            Enz, bei Rosswag.
                                                      Der Erhalt des Steillagenweinbaus ist eine gesamt-
  In der Weinbergsbewirtschaftung                     gesellschaftliche Aufgabe. Eine Verbuschung von
  durchaus noch Optimierungspotential                 Steillagenflächen hat negative Effekte auf den
                                                      Weinbau, auf den Tourismus und auf seltene Tier-
Aber auch Weinbergsbewirtschafter, Winzer und         und Pflanzenarten. Daher sollte der Steillagen-
Vermarkter können durch Nutzung der vorhande-         weinbau erhalten bleiben. Steillagen sind als
nen rechtlichen Regelungen die Bewirtschaftung        Imageträger für einen Betrieb bzw. für eine Region
des Steillagenweinbaus optimieren. Da die Ver-        sehr interessant. Während Möglichkeiten im Be-
marktungskontingente verrechenbar sind, können        reich des Weinrechts inzwischen weitestgehend
Mindererträge durch Premiumproduktion in den          ausgereizt sind, stehen die Möglichkeiten einer
Steillagen durch Mehrerträge in den einfacher be-     flächendeckenden kommunalen Förderung noch
wirtschaftbaren Flachlagen ausgeglichen werden        am Anfang. Auch im Weinbau sind Optimierun-
                                                      gen in der Bewirtschaftung und in der Vermark-
Diese Vorgehensweise kann zu einer lohnenden          tung noch möglich.
Preis- und Produktdifferenzierung führen. Im
Steillagenweinbau sind nicht selten Gassenbreiten     Ein Flurneuordnungsverfahren kann zum Erhalt
unter 1,00 m vorzufinden. Durch eine Reduktion        des Steillagenweinbaus und zum Erhalt des natur-
der Stockzahl bedingt durch breitere Gassen und       schutzfachlichen Wertes eines Areals beitragen.
einem größeren Abstand zu Mauern, können Ar-          Optimierungspotenzial hinsichtlich des Erhalts
beitszeiteinsparungen realisiert werden. Auch in      und der Rekultivierung des Steillagenweinbaus be-
pflanzenbaulicher Hinsicht bietet u.a. eine luftige   steht derzeit im Bereich der naturschutzrechtli-
und lockere Laubwand Vorteile. Eine experimen-        chen Rahmenbedingungen und Umsetzungen.
telle Maßnahme zur Extensivierung im Steillagen-
weinbau wäre der Einsatz von Schafen zur Ent-         Durch die Neuregelung der EU-Anbaureglung
blätterung, Ausdüngung und Bodenpflege im             entfallen wichtige rechtliche Bausteine für den Er-
Weinbau. Hierzu gibt es Tastversuche in einigen       halt der Steillagenbewirtschaftung. Langfristig ge-
Praxisbetrieben. Als geeignete Erziehungsform         sehen können nur noch die wichtigsten Steillagen-     Patrick Schreieck
könnte die Umkehrerziehung angesehen werden.          weinberge erhalten werden, die aufgrund ihrer         RP Stuttgart
Zu diesem Schluss kamen Forscher der LVWO             besonderen Bedeutung für Ortsbild, Tourismus          Tel. 0711/ 904-13312
Weinsberg bei ihren Versuchen zur Bodenpflege         oder vor allem als Imageträger für die Weinver-       patrick.schreieck@rps.
durch Schafe in Weinbergslagen (1999-2001).           marktung von Bedeutung sind.                         bwl.de

Landinfo 1 | 2016                                                                                                                                             15
Schwerpunktthema

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Dr. Martin Pour Nikfardjam, Sarah Mrugala, Dr. Jan Porep, Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle

Schnelle und objektive Erkennung der Traubenqualität
mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS)
Die Weinproduktion in Genossenschaften erfolgt arbeitsteilig in Traubenerzeugerbetrieben sowie
Verarbeitungs- und Weinausbaubetrieben. Allein im Anbaugebiet Württemberg bewirtschaften
aktuell 33 Genossenschaften knapp 70% der Rebfläche (HONOLD, Weinbaukartei Weinsberg, persönliche
Mitteilung).

                        D    ie Traubenproduzenten werden für ihre Er-
                             zeugungsleistung von den Genossenschaften
                        grundsätzlich nach zwei Kriterien, Menge und
                                                                             das Mostgewicht ansteigt. Dies bedeutet, dass für
                                                                             pilzbefallenes Lesegut kein Qualitätsabzug, son-
                                                                             dern sogar eine höhere Auszahlung als für gesun-
                        Qualität, entlohnt. Das traditionelle Qualitätsbe-   de Trauben erhalten wird.
                        wertungsverfahren für Trauben auf Basis des
                        Oechsle-Grades ist aber in vielen Fällen unsachge-   Darüber hinaus zeigen gerade die vergangenen
                        recht, da es maßgeblich vom Zuckergehalt beein-      Jahrgänge 2006, 2010 und 2014 im Hinblick auf
                        flusst wird. Es entspricht daher nicht mehr den      Essigfäule und Kirschessigfliege, wie wichtig es
                        modernen Anforderungen an eine umfassende            für die Branche ist, die angelieferten Trauben nach
                        Qualitätsanalyse und -sicherung (GISHEN et al.,      Qualität zu sortieren und zu verarbeiten. Darüber
                        2001). So kann Traubenfäulnis mit diesem Verfah-     hinaus kann Traubenfäulnis zu Fehlgeschmack
                        ren nicht detektiert werden, obwohl Fäulnis die      und -geruch sowie Bitterkeit führen und sogar die
                        Genussqualität der Weine erheblich beeinträchti-     Lebensmittelsicherheit durch die Bildung von
                        gen kann (DITTRICH, 1989). Traubenfäule, hervor-     Schimmelpilzgiften (Mykotoxinen) beeinträchti-
                        gerufen durch Botrytis cinerea, kann zu Konzen-      gen (WALTER, 2012; RIBÉREAU-GAYON et al., 2006,
                        trierungseffekten in den Beeren führen, wodurch      HAUSINGER, 2014).

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