Landinfo - Schwerpunktthema: Weinbau
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Impressum Herausgeber Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (LEL) Oberbettringer Str. 162 73525 Schwäbisch Gmünd Telefon: 07171/ 917-100 Telefax: 07171/ 917-101 Schriftleitung Susanne Mezger Telefon: 07171/ 917-114 E-Mail: susanne.mezger@lel.bwl.de Redaktionsbeirat Dr. Peter Grün, LRA Schwäbisch Hall Gottfried Bleyer, WBI Freiburg Martina Burkhardt, RP Stuttgart Jürgen Käßer, LEL Schwäbisch Gmünd Robert Koch, LVG Heidelberg Andreas Maier, RP Karlsruhe Walter Maier, LRA Schwarzwald-Baar-Kreis Uwe Michelfelder, LVWO Weinsberg Marcus Köhler, LSZ Boxberg Daniela Schweikhart, EZ Bodensee/Oberschwaben Bad Waldsee Renate Lindner, LAZBW Baden-Württemberg Layout Ramona Maier E-Mail: ramona.maier@lel.bwl.de Hinweis Alle Artikel werden im Intranet der Landwirtschaftsverwaltung bei: online-Service/Publikationen/Landinfo eingestellt. Bereits erschienene Artikel können dort recherchiert werden, die Abbildungen erscheinen farbig. Ältere Jahrgänge der Landinfo sind allgemein zugänglich unter: www.landinfo.landwirtschaft-bw.de Die namentlich gekennzeichneten Beiträge geben die Auffassung der Autoren wieder. Für die fachliche Richtigkeit zeichnet die Redaktion nicht verantwortlich. Druck e. kurz + co. druck und medientechnik gmbh Kernerstr. 5, 70182 Stuttgart Erscheinungsdatum Februar 2016 ISSN 0947-9392 Titelbild A. Bader, LEL
Editorial Landinfo 1/2016 Grußwort von Dr. Rolf Steiner Der Klimawandel mit höheren Temperaturen hat sich bisher grundsätzlich positiv auf die wärmelieben- de Kultur Rebe in Baden-Württemberg ausgewirkt. In den letzten 30 Jahren gab es keine qualitativ un- terdurchschnittlichen Weinjahrgänge mehr wie z.B. 1972, 1978 und 1984. Allerdings fordern die ver- mehrten Witterungsextreme und die frühere Reife der Trauben eine ganze Reihe von Anpassungen im Weinberg und im Keller. Insbesondere die frühere Traubenernte bei höheren Temperaturen schon Anfang September zwingt die Winzer zu schnelleren Abläufen in den Verarbeitungsprozessen. Der Steillagenweinbau prägt viele Kultur- und Erholungslandschaften in unserem Land und ist ein Kulturgut ersten Ranges. Die Erhaltung ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die von den Weingärtnern und Winzern nicht allein übernommen werden kann. Neben der Förderung durch das Land Baden- Württemberg müssen auch Gastronomie und Handel spezielle Vermarktungsstrategien für den Steilla- genwein aufbauen. Innovationen im Weinbau und in der Kellerwirtschaft sind notwendig zur Erhaltung der Wettbewerbs- fähigkeit des heimischen Weinbaus. Dazu gehören beispielsweise neue Techniken zur schnellen Messung der Traubenqualität wie auch die Einführung neuer pilzwiderstandsfähiger Rebsorten. Das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, neue Rebsorten, die weniger Pflanzenschutz be- nötigen, nicht nur zu entwickeln und der Weinwirtschaft anzubieten, sondern auch zu zeigen, dass man davon qualitativ hochwertige Weine erzeugen kann. Und was noch wichtiger ist, es wird in der Praxis demonstriert, dass man diese Weine auch zu angemessenen Preisen vermarkten kann. Diese und andere Themen finden Sie in diesem Heft. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Freude bei der Lektüre. Ich freue mich, wenn Sie sich nicht nur ein Bild über die Aktivitäten der Land- wirtschaftsverwaltung machen können, sondern auch, wenn Ihnen die Lektüre zahlreiche Anregungen für Ihre tägliche Arbeit bieten kann. Rolf Steiner Dr. Rolf Steiner Institutsleiter WBI Freiburg Tel. 0761/ 40165-0 Rolf.Steiner@wbi.bwl.de Landinfo 1 | 2016
Inhaltsverzeichnis Inhalt Editorial 1 Aktuelles Kurz mitgeteilt 3 UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb - Wissen, worauf man steht Roth 4 Schwerpunktthema Produktionstechnische Anpassungen an den Klimawandel im Staatsweingut Freiburg Huber 9 Weinbau in terrassierten Steillagen Schreieck 11 Schnelle und objektive Erkennung der Traubenqualität mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS) Pour Nikfardjam 16 Trockener badischer Wein bleibt weiterhin im Trend Krebs 21 Lassen sich Roséweine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten vermarkten? Bitzenhofer 23 Sanierung von Weinbergtrockenmauern Heck 26 Mitten im Leben Ernährungsinformation: Mandel 28 Rezept: Salat mit Roter Bete und Schafskäse Personal / Rezensionen 30 Pflanzen- und Tierproduktion Fleischrindersymposium Plantahof (CH/Landquart) 2016 Piecha 31 Altgrasnarbe und Bewirtschaftung beeinflussen Erfolg bei Anlage artenreichen Grünlands Seither 32 Die Verödung der Hornanlage beim Kalb Albrecht 36 Wer hat Angst vorm „bösen“ Wolf - Neues vom Ludwigsburger Pferdetag Henze 38 Gartenbau und Sonderkulturen Workshop Stickstoff-Düngung im Freiland-Gemüsebau an der LVG Heidelberg Rather 40 Erfahrungen mit der Nutzung der oberflächennahen Geothermie und dem Einsatz von Temperaturregelstrategien Albers 44 Biologische Vielfalt und Qualität bei Heil-, Kosmetik- und Gewürzpflanzen Paeslack 49 Letzte Seite Der Wein ist unter den Getränken ... Redaktionsschluss der Ausgabe 2/2016: 15.03.2016 2 Landinfo 1 | 2016
Aktuelles finden gemeinsame Mahlzeiten wichtig. Die digi- KTBL-Tage 2016 tale Welt gibt dieser Gemeinschaft eine neue Di- Fachtagung „Ressourcen effizienter mension: Rund 17 % der Deutschen teilen mehr- nutzen“ mals im Monat, manche sogar täglich Bilder von Mahlzeiten auf ihrem Teller. Etwa 29 % haben Herausforderung Ressourceneffizienz – Was kann bereits ein Food-Video ins Internet gestellt, jeder die Landwirtschaft tun, um ihre Produktionspro- Siebte teilt online mehrmals im Monat Kochtipps zesse effizienter zu gestalten? Dieser Frage gehen und Rezepte. Es ist nicht überraschend, dass Frau- Bild: KTBL die KTBL-Tage 2016 unter dem Titel „Ressour- en häufiger über Ernährungsthemen kommuni- cen effizienter nutzen“ am 19. und 20. April in zieren als Männer. Vor allem junge Menschen im Kassel nach. Alter von 14 bis 29 Jahren liken und kommentie- ren diese Beiträge und leiten sie weiter. Rund 56 % Wo die zentralen Herausforderungen liegen und der Deutschen suchen online Rezeptanregungen, welche Rolle der Ressourceneinsatz in der land- etwa in Foren, Portalen und in Food-Blogs. Sie wirtschaftlichen Produktion in der Bereitstel- nutzen das Internet als Inspiration und Ideenge- lungskette für unsere Nahrungs- und Futtermittel ber für ihre Kochaktivitäten. Spezielle Ernäh- spielt, wird in einführenden Vorträgen und einer rungs-Apps werden allerdings nur von 4 % der Podiumsdiskussion beleuchtet. Weitere Vorträge Befragten genutzt. befassen sich mit der Frage der Verfügbarkeit von Arbeitskräften, Kapital und Boden. Auch beim Lebensmitteleinkauf spielt offenbar das Internet eine immer größere Rolle. Jeder dritte Wie kann die Futtermittelversorgung ressour- der Befragten bestellt mehr oder weniger regelmä- ceneffizient gestaltet werden, welche Optionen ßig Lebensmittel oder Tiernahrung per Mausklick ergeben sich für die Lenkung von Nährstoffströ- direkt nach Hause. Eine neue Idee ist die „Koch- men in Gebieten mit intensiver Tierhaltung - diese box“: User können sich auf der Homepage Re- und weitere Themen im Zusammenhang mit na- zepte inklusive Zutaten als Box bestellen, zu Hau- türlichen Ressourcen stehen am zweiten Tag der se zubereiten und sich online über die Erfahrun- Veranstaltung im Fokus. gen austauschen. Immerhin zwei Prozent aller Haushalte nutzen diesen Service. Weitere Infor- Details zum Programm sowie die Anmeldung fin- mationen: www.nestle.de/verantwortung/nestle- den Sie unter www.ktbl.de. studie/2016 Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Aid-Newsletter 3/2016 Landwirtschaft e. V. (KTBL), Bartningstraße 49, 64289 Darmstadt, Germany, Telefon: +49 6151 7001-0, Fax: +49 6151 7001-123, E-Mail:ktbl@ Themenbereich Haushaltsnahe ktbl.de, Internet: www.ktbl.de Dienstleistungen Haushaltsnahe Dienste in Baden- Württemberg Kochen in einer digitalen Welt Food-Posting ist Trend Das neue Online Portal „Haushaltsnahe Dienste Baden-Württemberg“ möchte Familien im Haus- (aid) - Immer mehr Menschen holen ihre Freunde halt oder bei der Kinderbetreuung entlasten, ältere virtuell in die Küche, statt sie wie früher zum Es- oder pflegebedürftige Menschen zu Hause unter- sen einzuladen. Fotos von perfekt dekorierten stützen und Berufstätigen mehr Zeit für ihr Pri- Speisen werden in sozialen Netzwerken und Blogs vatleben ermöglichen. Kundinnen und Kunden gepostet. soll es deshalb möglich sein, über eine einfache Suche mittels Postleitzahl oder Karte schnell das Das hat die Nestlé Studie 2016 „So is(s)t Deutsch- passende Angebot zu finden. Angeboten wird ei- land“ gezeigt, die nach 2009 und 2011 zum dritten ne Datenbank mit Anbieterinnen und Anbietern Mal veröffentlicht wurde. Rund 4.000 Menschen von Dienstleistungen für Haushalt und Garten im Alter von 14 bis 74 Jahren wurden online zu sowie Kinder- und Seniorenbetreuung in Baden- ihrem Ernährungs- und Einkaufsverhalten be- Württemberg, die sich zur Einhaltung von Quali- fragt. tätskriterien verpflichten. Wenn Sie haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten können Sie sich dort Menschen essen demnach gerne gemeinsam mit kostenlos registrieren. Informationen finden Sie Freunden und Familie. Knapp 90 % der Befragten hier: www.haushaltsnahedienste-bw.de Landinfo 1 | 2016 3
Aktuelles Siegfried Roth Bild: R. Enkelmann UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb – Wissen, worauf man steht Als Geoparks werden Landschaften ausgezeichnet, die über ein besonderes erd- und kultur- geschichtliches Erbe verfügen. Das Gütesiegel „Geopark“ ist also keine Schutzgebietskategorie im Sinne des Naturschutzrechtes wie etwa Naturparke oder Biosphärengebiete. Kennzeichnend für Geoparks ist deren Entstehung aus der Region heraus im Sinne des Bottum-up-Ansatzes. Meist sind es Kommunen, Landkreise, Vereine, Tourismuseinrichtungen oder sogar Privatpersonen, die sich als Verein zusammenschließen und das erdgeschichtliche Erbe einer Region als Geopark „vermarkten“. Das Instrument Geopark bietet in erster Linie vielen ländlichen und strukturschwachen Räumen weltweit die Möglichkeit, sich mit ihrem erdgeschichtlichen Erbe in besonderer Weise hervorzutun und durch Nutzung oder touristische Vermarktung der Geopotenziale Wertschöpfung zu erzielen. Der Geopark Schwäbische Alb von oben. Blick über den Albtrauf auf der Höhe von Schopfloch nach G eoparks können zwei Geopark-Netzwerken angehören, dem nationalen und dem europä- ischen bzw. globalen Netzwerk. Als Nationale Rio 1992 und Johannesburg 2002 im Sinne einer umfassenden ökologischen, ökonomischen und sozialverträglichen Entwicklung. Ihre Bildungsar- Westen. Im Bild unten ist der kreisrunde Krater des Randecker Geoparks können Landschaften ausgezeichnet beit fußt auf den Grundsätzen der Bildung für Maars zu sehen, einem der werden, wenn diese geologische Sehenswürdigkei- Nachhaltige Entwicklung (BNE). bedeutendsten Hinterlassenschaften des ten (Geotope) haben, die von regionaler und nati- Schwäbischen Vukans. onaler geowissenschaftlicher Bedeutung, Selten- Die Schwäbische Alb ist seit 2002 ein Nationaler heit oder Schönheit sind und als repräsentativ für und seit 2004 ein Europäischer und Globaler die ausgezeichnete Landschaft gelten können. Geopark. Im November 2015 beschloss die UNESCO-Vollversammlung die Annahme eines Nationale Geoparks mit einem herausragenden International Geoscience and Geoparks Program- erdgeschichtlichen Erbe können darüber hinaus me (IGGP) und die Einführung der Bezeichnung noch die Auszeichnung Europäischer und Globa- UNESCO Global Geopark. Wie alle anerkannten ler Geopark erlangen. Von den derzeit 15 Natio- Globalen Geoparks darf sich auch der Geopark nalen Geoparks in Deutschland sind sechs Geo- Schwäbische Alb seither UNESCO Global Geo- parks Europäischer und Globaler Geopark. Glo- park nennen. Neben den Biosphärengebieten und bale Geoparks sehen ihre Schwerpunkte vor allem den Welterbe-Stätten gibt es mit den Geoparks in der internationalen Kooperation und in der nunmehr eine dritte von der UNESCO anerkann- Umwelt-/ Geobildung. Sie verfolgen die Ziele von te Flächenkategorie. 4 Landinfo 1 | 2016
Aktuelles Die Schwäbische Alb ist ein Geopark Ein Geotop mit Alleinstellungscharakter ist ein der Superlative Meteoritenkrater, das Steinheimer Becken im Landkreis Heidenheim. Es ist der „kleinere Bru- In geologischer Sicht handelt es sich bei der der“ des benachbarten Nördlinger Rieses. Beide Schwäbischen Alb um ein Kalkgebirge, dessen Einschläge haben vor ca. 15 Mio. Jahren wohl zeit- Schichten während der Jurazeit vor ca. 205 – 140 gleich stattgefunden. Das Besondere am Steinhei- Millionen Jahren in einem Meer abgelagert wor- mer Becken ist der sehr gut erhaltene Zentralke- den sind. Die Alb bildet mit ihren jurassischen gel, der ihn weltweit einmalig macht. Schichten die erdgeschichtlich jüngste und obers- te Landschaftseinheit der Südwestdeutschen Auch einen Vulkanismus hat die Alb im Angebot. Schichtstufenlandschaft. Die Gebietskulisse des Unter dem landläufigen Begriff des „Schwäbi- Geoparks umfasst den Naturraum Schwäbische schen Vulkans“ werden über 350 Vulkanschlote Alb (Oberjura, Mitteljura) und Teile des Natur- zwischen Urach und Kirchheim zusammenge- raums Albvorland (Unterjura). Er erstreckt sich fasst, die heute als heraus erodierte Vulkanembry- über eine Gesamtfläche von ca. 6.800 qkm. Inner- one, Maare, Moore, Hülben oder Thermal- und halb seiner Gebietskulisse leben 1,4 Millionen Mineralquellen in der Landschaft hervortreten. Bild: U. Sauerborn Menschen. Damit gehört er zu den größten Geo- parks in Europa. Welche Aufgaben hat der Geopark Bild: R. Enkelmann Friedrich August Quenstedt, der das geologische Schwäbische Alb? Wissen über die Schwäbische Alb geprägt und die Der Ölschiefer des Unterjuras am Schichtfolge sowie den Fossilreichtum des Schwä- Der Geopark Schwäbische Alb hat folgende Auf- Fuß des Albtraufs ist bischen Juras, wie er auch genannt wird, schon im gaben: außerordentlich reich an Fossilien. 19 Jh. umfassend erforscht hat, bezeichnete die Der gute Erhaltungszustand der Fossilien - wie hier am Beispiel „Alp“ als „Zierde des schwäbischen Stufenlan- 1. Geotopschutz: Hierzu gehören die Dokumen- eines Meereskrokodils - machen des“ und als eines der „interessantesten Gebirge tation von Geotopen, die Verhinderung der Be- den Ölschiefer weltweit bekannt. Deutschlands“ (1864). Dieses Prädikat verdient einträchtigung oder der Zerstörung der Geoto- Familien mit Kindern können in den Klopfplätzen bei Holzmaden, die Schwäbische Alb nicht nur ihrer landschaftli- pe sowie die Geotoppflege. Bad Boll und Dotternhausen chen Schönheit wegen, sondern besonders auch selbst auf Fossiljagd gehen. aus erdgeschichtlicher und kulturhistorischer 2. Umwelt- bzw. Geobildung: Aufgabe des Geo- Sicht. Die Alb ist in jeder Hinsicht ein Gebirge der parks ist es, Menschen für Erdgeschichte zu Superlative. begeistern und sie für Themen wie etwa Geo- topschutz, die nachhaltige Nutzung von Roh- Die Schwäbische Alb ist als Karstgebirge die höh- stoffen/Geotopen und deren Bedeutung für lenreichste Region Deutschlands. Etwa 2.600 den Lebensraum Schwäbische Alb zu sensibili- Höhlen sind dokumentiert, davon sind 10 Höhlen sieren. als Schauhöhlen zu besichtigen. Die Alb besitzt die einzige mit dem Boot befahrbare, die älteste 3. Geotourismus: Die Schwäbische Alb ist eine und die tiefste begehbare Höhle sowie eine der wichtige Destination im Tourismusland Baden- längsten Schauhöhlen in Deutschland. Württemberg. Zahlreiche Geotope wie z.B. der Blautopf, die Schauhöhlen oder die Donauver- Der Geopark Schwäbische Alb ist der „Jurassic sinkung bei Tuttlingen gehören zu den Top- Park“ unter den Geoparks. Neben dem Höhlen- Reisezielen auf der Alb, die jährlich Tausende Bild: Uni Tübingen reichtum ist der unglaubliche Fossilienreichtum von Urlaubsgästen und Tagesausflüglern anzie- ein weiteres Alleinstellungsmerkmal. Manche Fos- hen. Aufgabe des Geoparks ist es, die touristi- silfundstellen sind von weltweiter wissenschaftli- schen Potenziale, auch der weniger bekannten cher Bedeutung, wie z.B. Holzmaden, Nusplin- Geo-Highlights, freizulegen und sie für den re- gen, Dotternhausen oder Aalen. gionalen Tourismus nutzbar zu machen. In einigen Höhlen des Lonetals und des Ur-Donautals bei In einigen Höhlen der Schwäbischen Alb wurden 4. Nachhaltige Regionalentwicklung: Dem Geo- Blaubeuren wurden die ältesten die ältesten figürlichen Kunstwerke und die ältes- park kommt hierbei die Aufgabe zu, die geolo- figürlichen Kunstwerke der Menschheit gefunden wie z.B. die ten Musikinstrumente der Menschheit gefunden. gischen/ erdgeschichtlichen Potenziale einer Venus vom Hohle Fels bei Diese machen die Alb zur Wiege der menschli- Landschaft zu erkennen, zu bewerten und ge- Schelklingen. Aufgrund ihrer chen Kultur. Bekannte Funde sind z.B. die Venus meinsam mit den Akteuren vor Ort Projekte weltweiten Bedeutung stehen die Höhlen auf der bundesweiten vom Hohle Fels bei Schelklingen oder der Löwen- und Aktivitäten entwickeln, die einen Beitrag Liste zur Bewerbung als mensch aus dem Lonetal. zur nachhaltigen Regionalentwicklung leisten. Weltkulturerbe. Landinfo 1 | 2016 5
Aktuelles Bild: Geopark Schwäbische Alb Bild: Geopark Schwäbische Alb Die Bildungsarbeit gehört zu den wichtigen Aufgaben des Jährlich findet in einer Infostelle des Geoparks das Geopark-Fest statt. Geoparks. Viele Partner, wie das Werkforum der Fa. Holcim in An diesem Fest präsentieren sich alle mit Geologie und Erdgeschichte Dotternhausen, unterstützen den Geopark hierbei. Im befassten Partner-Einrichtungen des Geoparks. Interessierte Besucher Fossilienmuseum des Zementwerkes erfahren die Besucher etwas können sich bei dieser Veranstaltung umfassend über die Geo- über das Leben im damaligen Urmeer. Highlights der Schwäbischen Alb informieren und an den zahlreichen Aktionen, wie z.B. Fossilienklopfen, teilnehmen. Wie ist der Geopark Schwäbische Alb ser, Museen, Naturschutzzentren und Bildungs- organisiert? einrichtungen. Neben ihren fachlichen Schwer- punkten stellen sie ihren Besuchern unter ande- Der Geopark war in seinen Anfängen an den da- rem die regionale Geologie vor und geben Tipps maligen TVSA (Tourismusverband Schwäbische für Ausflüge in die Erdgeschichte. Sie stellen so- Alb) angegliedert. Im Jahr 2008 wurde der Verein mit Eintrittspforten in den Geopark dar und las- Geopark Schwäbische Alb e.V. gegründet. Sitz der sen ihn auf diese Weise vor Ort sichtbar werden. Geschäftsstelle des Vereins ist Münsingen (Altes Der Geopark hat derzeit 22 Infostellen (Tab. 1). Lager). Ein weiterer Partner ist der Schwäbische Alb Tou- Die Mitglieder des Vereins sind die 10 Landkreise rismusverband e.V. (SAT). Über den Arbeits- der Schwäbischen Alb, der Schwäbische Alb Tou- schwerpunkt Geotourismus des Geoparks gibt es rismusverband e.V. (SAT), der Industrieverband eine gemeinsame Klammer. Der Geopark unter- Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (IS- stützt den SAT in der touristischen Vermarktung TE) und die Gemeinde Steinheim a. Albuch. Die- der Geo-Reiseziele und seines Tourismus-Projekts se Organisationen stellen überwiegend das Budget „Zeitreisen“. Der SAT seinerseits vermarktet die des Geopark. Die Geschäftsstelle besteht derzeit vom Geopark entwickelten geotouristischen Pro- aus dem Geschäftsführer, einer Projektmanagerin dukte mit und unterstützt die Bewerbung und den sowie einer Mitarbeiterin, die für die Verwaltung Vertrieb seiner Informationsbroschüren. und Buchhaltung zuständig ist. In der Vergangenheit wurden auf der Schwäbi- schen Alb zahlreiche Landschaftsführer ausgebil- Die Partner des Geoparks det. Der Geopark steht mit vielen Landschafts- Schwäbische Alb führern im engen Austausch. Die Zusammenar- beit beinhaltet derzeit die gemeinsame Bewerbung Wichtige Partner des Geoparks sind die soge- von deren Wanderangeboten im Geopark sowie nannten Geopark-Infostellen. Infostellen sind die Entwicklung von Fortbildungsangeboten zu Einrichtungen des Geoparks wie z.B. Höhlenhäu- den Themen Boden und Wasser. 6 Landinfo 1 | 2016
Aktuelles Infostelle Nr. Einrichtung Erdgeschichtliche Themen / Schwerpunkte seit ... Riff-Museum, 2004 Dokumentation der Entstehung eines Riffs im Jurameer mit seiner faszinieren- 1 Gerstetten den Unterwasserwelt, UrMeerpfad Urgeschichtliches Museum, 2004 Schwerpunktmuseum für die Altsteinzeit und die Eiszeitkunst. Originalfunde 2 Blaubeuren Venus vom Hohle Fels und älteste Musikinstrumente (Flöten) Meteorkrater-Museum, 2005 Dokumentation des Meteoriten-Einschlags, Vorstellung der Tier- und Pflanzen- 3 Steinheim a. Albuch welt des Kraters und Kratersees, Geologischer Lehrpfad Meteorkrater HöhlenErlebnisWelt, 2005 Charlottenhöhle mit Erlebnismuseum und HöhlenHaus 4 Giengen-Hürben Höhle des Löwenmenschen, 2005 Vorstellung der Lonetalhöhlen mit ihren archäologischen Funden der 5 Rammingen Eiszeitkunst Jurafangowerk Bad Boll; 2006 Fossiliensammlung des „Albpatriarchen“ Dr. Theodor Engel, Fossilien mit 6 Naturkundliches Museum Schwerpunkt Unterjura, Jurafangowerk mit Erlebnissteinbruch im Posidonien- Göppingen schiefer Tiefenhöhle Laichingen 2006 Tiefste begehbare Schauhöhle in Deutschland mit Höhlenkundlichem 7 Museum Münsinger Bahnhof, 2006 Ausstellung Reiseziel Natur mit Informationen zur Geologie, Landschaft und 8 Zentrum für Natur, Umwelt den Lebensräumen der Schwäbischen Alb und Tourismus Alb-Gold-Kundenzentrum, 2006 Geologie zum Anfassen. Gesteinstisch und 2 ha großer Kräutergarten. 9 Trochtelfingen Barfußpfad Fossilienmuseum im Werkfo- 2006 Schwerpunkt liegt auf den Fossilien des Ölschiefers im Unterjura. Werkseige- 10 rum der Fa. Holcimm, nes Fossilienmuseum mit Dokumentation des Lebens im Jurameer. Klopfplatz Dotternhausen und Geologischer Lehrpfad rund um den Ölschiefer Museum im Kräuterkasten, 2006 Dokumentation der Vor- und Frühgeschichte der Ebinger Alb. Naturkundliche 11 Albstadt Sammlung mit Präsentation der Geologie (u.a. Fossilien) und der Lebensräu- me der Schwäbischen Alb Burg Katzenstein, 2007 Baumaterialien der Burg spiegeln die Geologie der Region wieder, u.a. Suevit 12 Dischingen 13 Urweltmuseum Aalen 2008 Schwäbisches Schichtstufenland, Fossilien des Unter-, Mittel- und Oberjura Freilichtmuseum 2008 25 historische und original wiederaufgebaute und eingerichtete Häuser aus 14 Neuhausen ob Eck dem Südwesten B.-W.. Naturschutzzentrum 2011 Landschaftsgeschichte, Geologie, Vulkanismus, Landschaft und Biotope der 15 Schopflocher Alb Schwäbischen Alb, Steinbruch und Pflanzenschaugarten Schloss Brenz 2011 Ältestes Heimatmuseum Württembergs mit geologischer und paläontologi- 16 Sontheim scher Sammlung, Gesteinssammlung Hans Wagner mit Fossilien des Juras Biosphärenzentrum, 2011 Dauerausstellung zum Biosphärengebiet und seinen Landschaften. Infostelle 17 Münsingen des Geoparks mit sprechenden Steinen Bärenhöhle/Nebelhöhle, 2013 Sehenswerte Tropfsteinhöhlen. Höhlentiere (u.a. Höhlenbär). Ausgeklügelte 18 Sonnenbühl Illuminationen. Naturkundliches 2013 Fossilien aus den Zeitepochen des Jura und Tertiär. Mineralien des Ulmer 19 Bildungszentrum, Ulm Raums mit Schwerpunkt Kalk. Dokumentation der Nutzungsgeschichte des „Ulmer Weiß“ Museum Auberlehaus, 2014 Dokumentation der Stadtgeschichte. Präsentation der Saurierfunde der welt- 20 Trossingen größten Fundstätte aus der Trias ("Schwäbischer Lindwurm") Haus des Tourismus, 2015 Entdeckerwelt für Kinder. Module zum Thema Höhlenbildung, Schwäbischer 21 Bad Urach Vulkan und regionale Gesteine 22 Museum Ehingen 2016 Umfangreiche geologische Sammlung Tabelle 1 Die GeoPark-Infostellen mit Themenschwerpunkten Landinfo 1 | 2016 7
Aktuelles Ausblick Die Geo-Highlights der Schwäbischen Alb müssen, damit sie von den Besuchern Der Geopark ist auf einem guten Weg. In 2015 wahrgenommen werden, gut wurde ein Masterplan für den Geopark erarbeitet ausgeschildert sein. Das Ziel eines Besucherkonzeptes des Geoparks und im Dezember verabschiedet. Er gibt die ist es, die geotouristischen Richtschnur vor, wie sich der Geopark bis 2020 Besonderheiten der Alb für weiterentwickeln will. Er umfasst Maßnahmen, Besucher zugänglich zu machen und die Informationen zum Objekt die darauf abzielen, bestehende gute Ansätze im vor Ort spannend zu vermitteln. Bereich Bildung, Tourismus, Geotopschutz und Regionalentwicklung weiter zu entwickeln sowie neue Ideen und Entwicklungen zu integrieren. Eine große Chance in der Weiterentwicklung des Geoparks steckt in der in 2015 erfolgten Anerken- nung als UNESCO-Globaler Geopark. Untersu- Bild: Geopark Schwäbische Alb chungen belegen den volkswirtschaftlichen Nut- zen von Geoparks für eine Region. Die positiven Wirkungen einer UNESCO-Anerkennung kön- nen aber nur generiert werden, wenn Geoparks personell und finanziell gut ausgestattet sind. In der UNESCO-Anerkennung stecken nicht nur Chancen für den Geopark sondern überhaupt für das Land Baden-Württemberg. Ein gut ausgestat- Was macht der Geopark Schwäbische teter Geopark hat das Potenzial, ein wichtiger Mo- Alb? tor der Regionalentwicklung auf der Schwäbi- schen Alb und ein Aushängeschild des Landes zu Auch wenn die Gebietskulisse (Schwäbische Alb) werden. Alle politischen Akteure im Land und riesig ist und die personellen und finanziellen Ka- alle Partner des Geoparks sind eingeladen, den pazitäten derzeit beschränkt sind, bewegt die Ge- Geopark auf diesem Weg zu unterstützen. schäftsstelle viel - in enger Zusammenarbeit mit dem großen Netz von Akteuren, die sich - über- Mehr Informationen zum Thema Geologie und wiegend ehrenamtlich - für das geologische und Geopark Schwäbische Alb finden Sie unter: archäologische Erbe der Schwäbischen Alb einset- zen. Zu den laufenden Aufgaben gehört z.B.: Geopark Schwäbische Alb Von der Osten Str. 4,6 • Öffentlichkeitsarbeit: Herausgabe von Info- 72525 Münsingen Broschüren (u.a. Entdeckerkarte, Abenteuer Tel: +49 (0)7381-501 575 Geopark, Schauhöhlenführer); Präsenz auf Fax: +49 (0)7381-501 277 Reisemesse CMT; Organisation des Geopark- E-Mail: info@geopark-alb.de Festes, des Tags des Geotops und der Woche Internet: www.geopark-alb.de der Europäischen Geoparks • Geobildung: Entwicklung von Geo-Lehrpfa- den und Geotouren; Schulung von Landschafts- führern; Entwicklung von Schulmaterialien in Kooperation mit der Uni Tübingen • Geotopschutz: Aufbau eines Geotop-Katasters mit Geotopmanagementkonzept Siegfried Roth Geopark Schwäbische Alb • Geotourismus: Ausbau des Netzwerks der Geo- Münsingen park-Infostellen, Aufbau eines geotouristischen Tel. 07381/ 501 575 Besucherlenkungskonzeptes, Vernetzung der roth@geopark-alb.de touristischen Akteure 8 Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema Bernhard Huber Produktionstechnische Anpassungen an den Klimawandel im Staatsweingut Freiburg Auch wenn der Klimawandel durch die jährlichen Witterungsschwankungen keine konstante Veränderung darstellt, so ist jedoch Fakt, dass die Temperaturen während der Vegetationsperiode deutlich angestiegen sind. Dies führt zu einem etwas früheren Austrieb der Reben, zu einer früheren Blüte, zu einem früheren Erntezeitpunkt und insgesamt zu einer verlängerten Vegetationsperiode. I m Durchschnitt der letzten 30 Jahren ist der Ern- tezeitpunkt um ca. 10 - 14 Tage nach vorne ge- rückt. Hinzu kommt, dass die Niederschläge zwar ist vorprogrammiert. Der Klimawandel begünstigt diese negative Konstellation erheblich. Dem ent- gegenzuwirken ist von wirtschaftlich größter Be- in der Summe gleich geblieben sind, aber die Ver- deutung, da 54 % der Rebflächen des Staatlichen teilung sich massiv geändert hat. Die Niederschlä- Weinbauinstituts (WBI) mit Burgundersorten be- ge fallen zunehmend als Starkregen und im Som- pflanzt sind. Weiterhin ist zu beachten, dass die mer gibt es vermehrt längere Phasen der Trocken- Ernte meist schon Mitte September beginnt und heit. Der frühe Austrieb ist ein Problem hinsicht- die reifen und leicht verderblichen Trauben bei lich eines erhöhten Spätfrostrisikos. Ein relativ warmer Witterung geerntet werden müs- gravierendes Problem sind die Eigenschaften der sen. Trauben bei Burgundersorten. Die Traubenarchi- tektur bedingt, dass die Beeren sehr kompakt im Verband angeordnet sind – das ist besonders nach Veränderungen in der einer guten Blüte der Fall. Kommt dann im August Rebsortenstruktur notwendig Links: und September feuchte Witterung hinzu, drücken Tropfbewässerung sich die Beeren gegenseitig ab bzw. platzen auf Welche Möglichkeiten hat das Staatsweingut ge- Rechts: und der Befall mit Botrytis cinerea und Essigfäule nutzt, um diesen Klimaveränderungen entgegen Maschinelle Entblätterung Bild: WBI Freiburg Bild: WBI Freiburg Landinfo 1 | 2016 9
Schwerpunktthema Abweichung der Jahrestemperatur vom Mittel 1961-90 (8,2 °C) (deutsches Flächenmittel) + 10-jähriges und 30-jähriges gleitendes Mittel 2,5 Abbildung 2,0 Abweichungen der Jahresmitteltemperaturen in 1,5 Deutschland für die Jahre 1901 bis 2014 im Vergleich Temperaturabweichung [Grad] 1,0 zum Referenzzeitraum 1961-1990. Schwarze Kurve: 0,5 10-jähriges gleitendes Mittel. Rosa Kurve: 30-jähriges 0,0 gleitendes Mittel. Diagramm: WBI -0,5 Daten: DWD -1,0 -1,5 -2,0 1901 1906 1911 1916 1921 1926 1931 1936 1941 1946 1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2001 2006 2011 zu treten? In Neuanlagen werden im Gutsbetrieb Flächen beregnet werden, ca. 11 ha in Form der Burgundersorten und Blankenhornsberg am Kaiserstuhl bereits keine Tropfbewässerung und die restlichen Flächen mit Riesling sind besonders frühreifen Sorten wie z.B. Müller-Thurgau mehr einem Überkopfberegner. vom Klimawandel gepflanzt. Hier ist aber vor allem der Riesling der betroffen. Verlierer des Klimawandels. Riesling benötigt zur Ausbildung seiner typischen Sortencharakteristik Traubengesundheit im Fokus eine langsame und kühle Abreife. Hinzu kommt, dass reife Rieslingtrauben bei feuchtwarmer Wit- Bei der Bewirtschaftung der Rebanlagen steht die terung sehr schnell von Fäulniserregern befallen Traubengesundheit im Focus. Lockere Trauben werden. Deshalb wurden in den letzten Jahren fast sind hierfür die Grundlage. In der Bewirtschaf- alle Rieslinganlagen gerodet und vorzugsweise tung lässt sich das erreichen durch den Einsatz durch Burgundersorten ersetzt. Für die etwas küh- von Bioregulatoren in die Rebblüte oder durch lere Lage Freiburger Schloßberg wurden bereits pulsierende Druckluft unmittelbar nach Fruchtan- ähnliche Überlegungen angestellt: Hier soll Char- satz zum Entfernen (Ausblasen) von Beeren oder donnay den Riesling ersetzen. Um bei diesen Bur- aber auch durch Traubenteilen während des Bee- gundersorten keine kompakten Trauben zu be- renwachstums. Eine weitere Maßnahme ist das kommen, wurden Klone bei der Neupflanzung Ausblasen von Blütenresten, welche als Nährsub- gewählt, welche eine lockerere Traubenarchitektur strat für den Fäulniserreger Botrytis cinerea die- besitzen, wie z. B. der vom WBI gezüchtete Spät- nen und damit latenten Befall an Trauben verursa- burgunder-Klon FR 1801. Als weitere Antwort chen kann. Neben dem Einsatz von Fungiziden auf den Klimawandel wurde der Anteil pilzwider- gegen Botrytis cinerea ist das Entblättern der standsfähiger Rebsorten (Piwis) ausgeweitet und Traubenzone eine weitere wichtige Maßnahme damit auch die ökologisch bewirtschaftete Fläche, zur Erzeugung gesunder Trauben. Diverse Unter- welche aktuell 5,0 ha umfasst. suchungen zeigten, dass die Entblätterung der Traubenzone die Bedingungen für den Befall mit den Fäulniserregern an Trauben deutlich redu- Bewässerung ziert. In den Betrieben sind deshalb mittlerweile verschiedenste Entblätterungsgeräte und -techni- Der Klimawandel bedingt Trockenphasen wäh- ken vorhanden, um zu jedem Zeitpunkt der Vege- rend der Vegetationsperiode, besonders auf tationsperiode entsprechend reagieren zu können. Standorten mit geringem Wasserspeicherungsver- Die beste und teuerste Entblätterungsqualität Bernhard Huber mögen. Im Gutsbetrieb Blankenhornsberg wurde wird nach wie vor von Hand erzielt. Welche Maß- WBI Freiburg deshalb bereits 2003 ein Beregnungsbrunnen ge- nahme in einem Jahr am geeignetsten ist, ist sehr Tel. 07668/ 9915-12 bohrt und die Infrastruktur für die Verteilung des verschieden. Die jährlich unterschiedlichen An- bernhard.huber@wbi. Wassers gebaut. Das Bewässerungssystem wurde passungsmaßnahmen verteuern die Produktion bwl.de seither sukzessive erweitert. Es können heute alle jedoch erheblich. 10 Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei Rosswag-Mühlhausen e.G. Patrick Schreieck Weinbau in terrassierten Steillagen Der Steillagenweinbau ist für viele Weinbauregionen in Deutschland von großer Bedeutung, da er als Aushängeschild für den dortigen Weinbau gelten kann. In Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit und Werbung werden Steillagenweinberge vermehrt in den Fokus gerückt. Volkswirtschaftlich gesehen ist die Rebe die am besten geeignetste Kultur zur Nutzung steiler und steilster Flächen in klimatisch begünstigten Lagen. Weinreben werden allgemein als Indikator für gutes Klima gewertet. D urch das oftmals vorzügliche Landschaftsbild steigt der Wohlfühlgrad der in der Gemeinde lebenden Personen, führt zur Steigerung der Le- Durch Mechanisierung und Technisierung, neuen Erziehungs- und Anlageformen ist der Arbeits- zeitaufwand in den Direktzuglagen in den letzten bensqualität und hat positive Auswirkungen auf 130 Jahren um etwa 90% auf heute rund Tourismus und Freizeit. Die Mauern in vielen 200 Std./ha zurückgegangen. Der Steillagenwein- Steillagenweinbergen sind teilweise bis zu 1.000 bau konnte den Arbeitszeitaufwand um ca. 50% Steillagenweinberge Jahre alt. Es handelt sich um einzigartige Kultur- reduzieren, liegt aber seit etlichen Jahren stagnie- sind einzigartige landschaften – Ausdruck der Leistung vergange- rend bei etwa 1.200 Std./ha. Die relative Vorzüg- Kulturlandschaften und ner Generationen. Die Bedeutung des Steillagen- lichkeit der Steillagenweinbergsbewirtschaftung Refugien für seltene weinbaus für den Naturschutz ist unbestritten. im Vergleich zur Bewirtschaftung in Flachlagen ist Tier- und Pflanzenarten. Hänge, Saumbiotope und Weinbergsmauern sind mit jeder Neuentwicklung, technischen Verbesse- Refugien für seltene Pflanzen- und Tierarten, wel- rung und Rationalisierungsmaßnahme im Flachla- che (fast) nur in bewirtschafteten Mauersteillagen genweinbau gesunken. Hierdurch fielen und fallen beheimatet sind. Trockenmauern sind in Baden- jährlich große Flächen brach, mit negativen Aus- Württemberg als Biotoptyp nach dem Landesna- wirkungen auf Artenvielfalt und auf die angren- turschutzgesetz geschützt. zenden Weinberge. Landinfo 1 | 2016 11
Schwerpunktthema Direkte und indirekte finanzielle Förderungen Schon seit Mitte der 1970er Jahre gibt es in Baden- Württemberg eine kartenmäßige Steillagenab- grenzung. In diese Abgrenzungen sind besonders wertvolle Steillagenweinbergsflächen einbezogen. Diese Steillagenabgrenzung bildet eine wichtige Planungs- und Abgrenzungsgrundlage für diverse Fördermaßnahmen. In Baden-Württemberg kön- nen beispielsweise Einschienenzahnradbahnen oder vergleichbare Transporteinrichtungen auf Grundstücken in abgegrenzter Steillage mit bis zu 60% der zuwendungsfähigen Kosten oder maxi- mal 50.000 Euro/ha erschlossener Rebfläche be- zuschusst werden. Die Fördersätze bei der EU-Fördermaßnahme „Umstrukturierung und Umstellung von Rebflä- chen“ ist in den großen weinbautreibenden Bun- Abbildung 1 Aufgegebene Flächen – Wehret den desländern hangneigungsabhängig gestaffelt. Der Entwicklung des Anfängen! höchste Fördersatz liegt in Baden-Württemberg Arbeitszeitaufwands im bei bis zu 32.000 €/ha für reine Handarbeitsmau- Weinbau. Selbst kleine aufgegebene Steillagenweinberge in ersteillagenweinberge, in denen jegliche Mechani- einem Rebareal können den Wert und die Wirt- sierung (auch mit z.B. kleinen handgeführten Rau- schaftlichkeit der umliegenden Weinberge noch penfahrzeugen) unmöglich ist. Manchmal wäre es weiter vermindern. Schattenwurf von benachbar- durch einfache Maßnahmen (z.B. durch den Bau ten Hecken und Büschen, Wild- und Vogelfraß von kleinen Rampen) möglich, die Bewirtschaf- können den Traubenertrag und die Traubenquali- tung von Mauersteillagenweinbergen zu erleich- tät deutlich mindern. An der Mosel konnte sich in tern. Da aber solche Flächen dann nicht mehr in manchen Lagen die gefährliche Schwarzfäule eta- den Genuß des Fördersatzes von 32.000 €/ha blieren, welche sich nachweislich ausgehend von kommen können, haben die Bewirtschafter wenig Die über Generationen aufgegebenen Rebflächen ausgebreitet hat. In den Interesse an strukturellen Verbesserungen in der erschaffenen Weinbergsmauern benötigen zum Erhalt dauerhafte umliegenden Weinbergen muss seither der Pflan- Bewirtschaftung. Wartung und Pflege. zenschutzaufwand intensiviert werden. Nicht nur EU, Bund und Länder fördern den Steil- lagenweinbau, auch Kommunen oder andere öf- fentliche Träger sind rechtlich in der Lage den Steillagenweinbau zu fördern, entweder über ein bei der EU notifiziertes Förderprogramm, über die Freistellungsverordnung, oder im Rahmen der De-minimis-Verordnung. Bürgermeister und Landräte können bei geeigneten Anlässen auf die- Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei se Fördermöglichkeiten hingewiesen werden. Die Länder haben Ökokonto-Verordnungen erlassen. Hierdurch können Ökopunkte durch Anerken- nung und Anrechnung vorzeitig durchgeführter Maßnahmen (z.B. Trockenmaueraufbau) zur Kompensation von Eingriffsfolgen erzeugt und anschließend vermarktet werden. Bei der Umset- Rosswag-Mühlhausen e.G. zung wäre ein einfacheres unbürokratisches Ver- fahren, welches kostenlos für Maßnahmenträger ist, wünschenswert. Eine weitere, indirekte Förderung für württem- bergische Steillagen stellt das erhöhte Vermark- 12 Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema tungskontingent aus Rebflächen in abgegrenzter gebietes zulässig. Durch die Rodung eines zulässi- Steillage dar. Hier dürfen 150 hl/ha vermarktet gen Weinberges entstanden Wiederbepflanzungs- werden, während in Flachlagen/Normallagen le- rechte, die innerhalb von maximal 13 Jahren für diglich 110 hl/ha vermarktet werden dürfen. Ein eine Wiederbepflanzung mit Reben genutzt wer- Weinbau in Steillagen Ausgleich zwischen den Gesamthektarerträgen, den konnten. Auf Antrag konnte auch eine Über- kann über FAKT gefördert die im b.A. Württemberg für Flach- und Steillagen tragung der Pflanzrechte auf einen anderen Be- werden. Zudem gibt es gesondert berechnet werden, ist seit einigen Jah- trieb oder auf eine andere Fläche genehmigt wer- ein erhöhtes ren zulässig. In Baden-Württemberg können den, wobei eine Übertragung eines Wiederbe- Vermarktungskontigent Weinberge in abgegrenzter Steillage durch eine pflanzungsrechts von einer Fläche mit einer von 150 l/ha gegenüber Steillagenförderung über das Förderprogramm Hangneigung von über 30% auf eine Fläche mit 110 l/ha in Normallagen. für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl einer Hangneigung von weniger als 30% nach (FAKT) in Höhe von 900 Euro/ha und Jahr ge- Bundesrecht nicht zulässig war. Hierdurch sollte fördert werden. vermieden werden, dass Weinberge in Steillagen gerodet werden und in Flachlagen wieder Die Weinbauverbände konnten sich hier mit ihrer entstehen. Forderung nach einem Fördersatz von 5.000 Eu- ro/ha und Jahr nicht durchsetzen. Andere Stim- Im Rahmen der neuen EU-Anbauregelung ist men forderten vergeblich 50.000 Euro/ha und weinrechtlich eine Wiederbepflanzung auf jegli- Jahr. Dabei wird oft übersehen, dass sich Steilla- cher landwirtschaftlich nutzbarer Fläche und so- Durch die neue EU- genflächen selbst bei noch so hohen Fördersätzen mit auch auf Flächen außerhalb der abgegrenzten Anbauregelung steigt der nie von selbst bewirtschaften, oder sich Trocken- Weinanbaugebiete zulässig. Eine Differenzierung Druck auf die Steillagen. mauern nie von alleine sanieren. Idealismus und zwischen Steil- und Flachlagenweinberge findet Freude an dieser Arbeit gehören bei der Steilla- nicht mehr statt, so dass der Druck auf den Steil- genbewirtschaftung immer dazu! lagenweinbau zunehmen wird. Steilllagenweinber- ge werden aufgegeben und statt dessen erfolgt eine Pflanzung in wirtschaftlicheren Direkt- Die neue EU-Anbauregelung und zuglagen. deren Auswirkung auf die Steillagenweinberge Hubschrauberapplikation von Seit 01.01.2016 ist die neue EU-Anbauregelung Rebschutzmitteln für Rebflächen in Kraft getreten. Bisher war eine Anpflanzung von Weinreben grundsätzlich nur Rebschutzmaßnahmen stellen im Steillagenwein- innerhalb des abgegrenzten, bestimmten Anbau- bau eine enorme Belastung für Anwender und Beispiel aus der Praxis „Wengerter für ein Jahr“ - das Steillagenprojekt der Genossenschaftskellerei Rosswag eG Die Mitglieder der Genossenschaftskellerei Rosswag bewirtschaften insgesamt 150 ha Rebfläche. Davon sind ca. 40 ha terrassierte Steillage entlang der Enz. Mit einem Steillagenanteil von 27 % ist die Genossenschaftskellerei Rosswag eG eine der bedeutenden Steillagengenossenschaften Württembergs. Unter dem Motto Wein | Genuss | Landschaft werden die hochwertigen Weine aus den Steillagen vermarktet. Durch die optimale Sonneneinstrahlung werden Jahr für Jahr herausragende Weinqualitäten erzeugt. Die beein- druckende Landschaft unterstützt als Prestigeträger die Vermarktung der Weine. Zusammen mit dem Plenum Heckengäu wurde der „Lemberger 401“ kreiert. Über 401 Stufen, im schwäbischen „Stäffele“ genannt, gelangt man in Rosswag vom Ufer der Enz zu den höchsten Mauern der Weinberggemarkung. Bei der Weinbergbewirtschaftung müssen also ca. 23 Stockwerke überwunden werden und das ohne Aufzug und in reiner Handarbeit! Schon seit Jahren war ein Filetstück der Rosswager Halde nicht mehr bewirtschaftet. Um diesen Teil der Steillage nicht zu verlieren, erwarb der örtliche Weinbauverein den 60 ar großen Terrassenweinberg. Seit 2011 gibt es das Projekt „Wengerter für ein Jahr“. Hier dürfen Interessierte bei allen Weinbergarbeiten im Jahresverlauf in dieser Handarbeitslage unter Anleitung tätig werden. Bei diesem Gemeinschaftsprojekt sind jedes Jahr knapp 30 „Lehrlinge“ am Wirken. Die „Wengerter für ein Jahr“ erhalten am Ende einen indivi- duell für sie ausgebauten und abgefüllten Wein. Dieses mit großem Medienecho indizierte Projekt ist für die Beteiligten ein großer Spaß und für die Genossenschaft ein guter Werbeträger, der sich zudem selbst finanziert. Weitere Informationen unter www.wein-rosswag.de. Landinfo 1 | 2016 13
Schwerpunktthema eine Beratung, Erklärung oder Verkostung not- wendig ist, erlangten die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten bisher nur bei der Direktvermarktung ab Weingut eine gewisse Bedeutung. Im Lebens- mitteleinzelhandel und im Discountbereich haben Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei Weine aus pilzwiderstandsfähigen Rebsorten fak- tisch keine Bedeutung. Großhandelskellereien se- hen Fassweine aus pilzwiderstandfähigen Rebsor- ten bislang als Alternative zu Billiggrundweinen aus südeuropäischen Herkünften. Für den deut- schen Erzeuger ist hier kein kostendeckender Er- lös zu erzielen. Die Zurückhaltung der Winzer, Rosswag-Mühlhausen e.G. was die Anpflanzung mit pilzwiderstandsfähigen Sorten betrifft, ist vor diesem Hintergrund ver- ständlich. Daneben steht auch der bei den Konsu- menten seit rund 10 Jahren anhaltende Trend nach klassischen deutschen und internationalen Reb- sorten. Der unsichere Weinliebhaber fühlt sich bei Riesling und Spätburgunder geborgener als bei Neuzüchtungen wie Helios oder We 88-101-13. Postkartenidyll. Entstanden durch Winzer dar, da eine Behandlung mit Rücken- oder Im Bereich der Vermarktung könnte ein Marken- die Kräfte der Natur und durch Schlauchspritze mühsam und arbeitskräftezeh- wein ohne Sortenangabe zielführend sein, auch fleißige Hände Arbeit. rend ist und die Anwender mit Pflanzenschutz- um bei möglichen Veränderungen in der Rebsor- mitteln belasten kann. Eine seit Jahrzehnten ge- tenzusammensetzung flexibel agieren zu können. nutzte Erleichterung stellt die Applikation mit Diesen Ansatz greift u.a. das Staatsweingut Frei- Hilfe von Hubschraubern dar. Diese Form der burg mit seinem „Bacat“ (Badisches Cuvée aus Ausbringung ist für die Winzer zwar recht kosten- alternativen Traubensorten) auf. intensiv, die arbeitswirtschaftlichen und gesund- Die Ausbringung von heitlichen Vorteile werden jedoch stärker gewich- Pflanzenschutzmitteln via tet. Auf manchen Flächen (z.B. direkt an Gewäs- Die Weinbergsmauern Hubschrauber ist durch sern, im Wohngebiet, etc.) ist eine Hubschraube- das neue Pflanzenschutz- rapplikation nicht möglich. Durch das neue Größte potentielle Kostenposition im Steillagen- gesetz in Frage gestellt. Pflanzenschutzgesetz haben sich die rechtlichen weinbau ist der Erhalt von Mauern und Terrassen. Eine Lösung könnten Rahmenbedingungen geändert. Ob künftig eine Da für eine Weinbergsbewirtschaftung lediglich pilzwiderstandsfähige ausreichende Behandlung via Luftfahrzeuge über- eine tragfähige Fläche notwendig ist (stabile Bö- Rebsorten sein. Bisher haupt möglich sein wird, ist fraglich. Viele, insbe- schungen, Gabionen oder Betonfertigteile wür- fehlt allerdings die sondere ältere Winzerinnen und Winzer knüpfen den ausreichen), können die Mehrkosten für na- Akzeptanz des die Bewirtschaftung ihrer Steillagenweinberge an turschutzrechtliche Auflagen nicht direkt dem Verbrauchers. die Möglichkeit der Hubschrauberapplikation. Weinbau zugeordnet werden. Mauerterrassen- weinberge sind von hoher naturschutzfachlichen Bedeutung. Die Rekultivierung ehemaliger Wein- Pilzwiderstandsfähige Rebsorten in bergsterrassen durch engagierte Bürger werden Steillagen – Möglichkeiten und allerdings nicht selten durch naturschutzrechtliche Grenzen Regelungen und deren Auslegung verhindert. Auch geringfüginge Eingriffe bei Trockenmauern Auf nicht direktzugfähigen Steillagen ist eine zur Erleichterung der Bewirtschaftung von noch Pflanzung von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten bestehenden Mauersteillagenweinbergen werden überlegenswert. Eine breite Auswahl guter Reb- in den allermeisten Fällen untersagt. Diese Flä- sorten steht der Praxis inzwischen zur Verfügung. chen fallen dann recht schnell brach und verbu- Hier haben die baden-württembergischen Wein- schen, so dass der naturschutzfachliche Wert der bau-Landesanstalten sehr gute Vorarbeit geleistet Fläche leider rasch sinkt. und können ein breites Spektrum unterschiedli- cher Rebsorten anbieten, die einen erheblich ge- ringeren Pflanzenschutzmittelaufwand benötigen Flurneuordnung als Option? und in Punkto Weinqualität den Standardsorten nicht nachstehen. Da für die Vermarktung von Mauersteillagenweinberge wurden von Flurneu- Weinen aus wenig bekannten Rebsorten immer ordnungsmaßnahmen bisher in der Regel ausge- 14 Landinfo 1 | 2016
Schwerpunktthema nommen. Solche Maßnahmen sind schwierig durchzuführen, könnten aber wesentlich zum Er- halt des Steillagenweinbaus beitragen. Die Flur- stücke sind hier durch die in Württemberg vor- herrschende Realteilung kleinstrukturiert. Nicht selten sind die Rebzeilen in den Terrassen nicht länger als 10 m. Was in früheren Zeiten durchaus praktisch sein konnte, ist heute nicht mehr zeitge- mäß und unwirtschaftlich. Größere Bewirtschaf- Bild: C. Kaiser, Lembergerland Genossenschaftskellerei tungseinheiten wären auch im Steillagenweinbau eine Grundvoraussetzung für eine zukunftsfähige Weinbergsanlage. Im Wein- und Luftkurort St.Martin in der Pfalz wurde eine traditionelle, aber zwischenzeitlich weitgehend brachgefallene und verbuschte Wein- Rosswag-Mühlhausen e.G. bergssteillage („Wingertsberg“) durch eine Flur- neuordnungsnahme neu gegliedert. Das unter Naturschutz stehende Areal konnte dadurch auf- gewertet werden. Viele der alten Mauern in der ehemaligen Kleinterrassierung waren inzwischen leider eingefallen und damit unwiederbringlich verloren. Durch eine rechtzeitige Durchführung der Maßnahme hätten sicherlich viele der alten Mauern gerettet werden können. Fazit Kleinstrukturierte Handarbeits- mauersteillagenweinberge an der Enz, bei Rosswag. Der Erhalt des Steillagenweinbaus ist eine gesamt- In der Weinbergsbewirtschaftung gesellschaftliche Aufgabe. Eine Verbuschung von durchaus noch Optimierungspotential Steillagenflächen hat negative Effekte auf den Weinbau, auf den Tourismus und auf seltene Tier- Aber auch Weinbergsbewirtschafter, Winzer und und Pflanzenarten. Daher sollte der Steillagen- Vermarkter können durch Nutzung der vorhande- weinbau erhalten bleiben. Steillagen sind als nen rechtlichen Regelungen die Bewirtschaftung Imageträger für einen Betrieb bzw. für eine Region des Steillagenweinbaus optimieren. Da die Ver- sehr interessant. Während Möglichkeiten im Be- marktungskontingente verrechenbar sind, können reich des Weinrechts inzwischen weitestgehend Mindererträge durch Premiumproduktion in den ausgereizt sind, stehen die Möglichkeiten einer Steillagen durch Mehrerträge in den einfacher be- flächendeckenden kommunalen Förderung noch wirtschaftbaren Flachlagen ausgeglichen werden am Anfang. Auch im Weinbau sind Optimierun- gen in der Bewirtschaftung und in der Vermark- Diese Vorgehensweise kann zu einer lohnenden tung noch möglich. Preis- und Produktdifferenzierung führen. Im Steillagenweinbau sind nicht selten Gassenbreiten Ein Flurneuordnungsverfahren kann zum Erhalt unter 1,00 m vorzufinden. Durch eine Reduktion des Steillagenweinbaus und zum Erhalt des natur- der Stockzahl bedingt durch breitere Gassen und schutzfachlichen Wertes eines Areals beitragen. einem größeren Abstand zu Mauern, können Ar- Optimierungspotenzial hinsichtlich des Erhalts beitszeiteinsparungen realisiert werden. Auch in und der Rekultivierung des Steillagenweinbaus be- pflanzenbaulicher Hinsicht bietet u.a. eine luftige steht derzeit im Bereich der naturschutzrechtli- und lockere Laubwand Vorteile. Eine experimen- chen Rahmenbedingungen und Umsetzungen. telle Maßnahme zur Extensivierung im Steillagen- weinbau wäre der Einsatz von Schafen zur Ent- Durch die Neuregelung der EU-Anbaureglung blätterung, Ausdüngung und Bodenpflege im entfallen wichtige rechtliche Bausteine für den Er- Weinbau. Hierzu gibt es Tastversuche in einigen halt der Steillagenbewirtschaftung. Langfristig ge- Praxisbetrieben. Als geeignete Erziehungsform sehen können nur noch die wichtigsten Steillagen- Patrick Schreieck könnte die Umkehrerziehung angesehen werden. weinberge erhalten werden, die aufgrund ihrer RP Stuttgart Zu diesem Schluss kamen Forscher der LVWO besonderen Bedeutung für Ortsbild, Tourismus Tel. 0711/ 904-13312 Weinsberg bei ihren Versuchen zur Bodenpflege oder vor allem als Imageträger für die Weinver- patrick.schreieck@rps. durch Schafe in Weinbergslagen (1999-2001). marktung von Bedeutung sind. bwl.de Landinfo 1 | 2016 15
Schwerpunktthema Bild: S. Mezger Dr. Martin Pour Nikfardjam, Sarah Mrugala, Dr. Jan Porep, Prof. Dr. Dr. h.c. Reinhold Carle Schnelle und objektive Erkennung der Traubenqualität mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS) Die Weinproduktion in Genossenschaften erfolgt arbeitsteilig in Traubenerzeugerbetrieben sowie Verarbeitungs- und Weinausbaubetrieben. Allein im Anbaugebiet Württemberg bewirtschaften aktuell 33 Genossenschaften knapp 70% der Rebfläche (HONOLD, Weinbaukartei Weinsberg, persönliche Mitteilung). D ie Traubenproduzenten werden für ihre Er- zeugungsleistung von den Genossenschaften grundsätzlich nach zwei Kriterien, Menge und das Mostgewicht ansteigt. Dies bedeutet, dass für pilzbefallenes Lesegut kein Qualitätsabzug, son- dern sogar eine höhere Auszahlung als für gesun- Qualität, entlohnt. Das traditionelle Qualitätsbe- de Trauben erhalten wird. wertungsverfahren für Trauben auf Basis des Oechsle-Grades ist aber in vielen Fällen unsachge- Darüber hinaus zeigen gerade die vergangenen recht, da es maßgeblich vom Zuckergehalt beein- Jahrgänge 2006, 2010 und 2014 im Hinblick auf flusst wird. Es entspricht daher nicht mehr den Essigfäule und Kirschessigfliege, wie wichtig es modernen Anforderungen an eine umfassende für die Branche ist, die angelieferten Trauben nach Qualitätsanalyse und -sicherung (GISHEN et al., Qualität zu sortieren und zu verarbeiten. Darüber 2001). So kann Traubenfäulnis mit diesem Verfah- hinaus kann Traubenfäulnis zu Fehlgeschmack ren nicht detektiert werden, obwohl Fäulnis die und -geruch sowie Bitterkeit führen und sogar die Genussqualität der Weine erheblich beeinträchti- Lebensmittelsicherheit durch die Bildung von gen kann (DITTRICH, 1989). Traubenfäule, hervor- Schimmelpilzgiften (Mykotoxinen) beeinträchti- gerufen durch Botrytis cinerea, kann zu Konzen- gen (WALTER, 2012; RIBÉREAU-GAYON et al., 2006, trierungseffekten in den Beeren führen, wodurch HAUSINGER, 2014). 16 Landinfo 1 | 2016
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