Gutes Regieren - Zentrum für Verwaltungsforschung
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ÖFFENTLICHES MANAGEMENT UND FINANZWIRTSCHAFT 13 herausgegeben vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung mit Unterstützung des Österreichischen Städtebundes und des Bundeskanzleramtes Gutes Regieren Konzepte – Realisierungen – Perspektiven herausgegeben von H. Bauer, P. Biwald, E. Dearing redaktionell bearbeitet von A. Steffek Wien · Graz 2011
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. ISBN 978-3-7083-0760-2 Neuer Wissenschaftlicher Verlag GmbH Nfg KG Argentinierstraße 42/6, A-1040 Wien Tel.: +43 1 535 61 03-24 Fax: +43 1 535 61 03-25 E-Mail: office@nwv.at Geidorfgürtel 20, A-8010 Graz E-Mail: office@nwv.at Internet: www.nwv.at © NWV Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien · Graz 2011 Druck: Széchenyi Nyomda Kft., H-9024 Györ
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes 1. Internationale Trends von Haushaltsreformen In den OECD-Staaten hat es in den vergangenen zwei Jahrzehnten be- deutsame Modernisierungsschritte in der öffentlichen Verwaltung und weit reichende Haushaltsreformen gegeben. Zu den Pionieren gehören insbe- sondere die angelsächsischen Staaten (Großbritannien, Neuseeland, Australien, USA, Kanada) und die skandinavischen Länder (Dänemark, Schweden). Österreich zählt eher zu den Nachzüglern. Getragen wurden diese Reformprozesse vor allem von der Überzeugung, dass das Design von Budgetierungssystemen erheblichen Einfluss auf die Budgetdisziplin und auf die Wirkungen budgetpolitischer Maßnahmen („Outcomes“) haben kann. Aus den zahlreichen Initiativen in den Ländern der OECD filterte Blondal auf Basis von umfangreichem Datenmaterial die zentralen Re- 1 formansätze heraus. Die ersten beiden Gruppen von Reformansätzen – ergebnisorientierte Budgetierung und „Accrual Accounting“ – sind eng verknüpft mit den Grundsätzen des Public Managements. Die Steuerung über „Outputs“ und „Outcomes“ sowie die Einführung dezentraler Fach- und Ressourcenverantwortung dienen der Erhöhung der Autonomie und der Ergebnisverantwortung jener Organisationseinheiten, die mit der Auf- gabenausführung betraut sind. Zentrales Ziel ist dabei die Verbesserung von Entscheidungsprozessen auf Basis besserer Informationen über die Performance von Organisationseinheiten und Programmen. Der Übergang von einer ausgaben- zu einer ressourcenorientierten Haushaltsführung („Accrual Accounting“) stellt dem Prinzip der kaufmännischen Rechnungs- führung folgend die wertmäßige Betrachtung in den Mittelpunkt. Eine letz- te Gruppe von Reformansätzen umfasst mittelfristige Fiskalregeln, vorsich- tige wirtschaftliche Annahmen und die Top down-Budgetierung zur Erhö- hung der Budgetdisziplin. In manchen Staaten – etwa in der Schweiz – wurden diese Reformansätze mit Reformen des föderalen Systems ver- knüpft. Diese Haushaltsreformen, die in den Pionierstaaten sehr unterschied- lich ausgestaltet sind, entfalteten zum Teil weit reichende Wirkungen, 2 werden aber aufgrund zahlreicher Probleme nicht nur positiv gesehen. Im Folgenden werden einige Blitzlichter auf diese Reformansätze geworfen. 1 Vgl. dazu: Blondal: Reform, 2008. 2 Vgl. dazu die Literatur zu einzelnen Reformansätzen sowie Länderstudien im OECD Journal on Budgeting: http://www.oecd.org/document/14/0,3343,en_ 2649_34119_2074062_1_1_1_1,00.html [Download: 21.02.2011]. 128
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes 1.1 Ergebnisorientierte Budgetierung und dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung Den breitesten Raum nehmen in den OECD-Staaten Reformen ein, die aus dem Bereich des Public Management stammen. Im Fokus steht der Übergang von einer input- zu einer ergebnisorientierten Steuerung auf Basis von Outputs und Outcomes („Performance Budgeting“) sowie die 3 Einführung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung. „Per- formance Budgeting“ (PB) beruht auf dem einfachen Konzept, Informatio- nen über budgetpolitische Programme, öffentliche Dienstleistungen und die Organisationseinheiten zur Überprüfung der Effizienz und Effektivität zur Verfügung zu stellen. Es gibt keine Standarddefinition von Performan- ce Budgeting. Die OECD definiert Performance Budgeting sehr breit „as a form of budgeting that allocates funds to measurable results“ und unter- scheidet auf Basis dieser Definition drei Kategorien von Performance 4 Budgeting: Abbildung 1: Kategorien von Performance Budgeting Verknüpfung zwischen geplante und Performance Hauptziel im Kategorie tatsächliche Information und Budgetprozess Performance Mittelbereitstellung auf die Präsentation keine Verknüpfung Performance-Ziele Verantwortlichkeit bezogenes und/oder Performance- Performance Budgeting Ergebnisse auf Information lockere/indirekte Performance-Ziele Planung und/oder aufbauendes Verknüpfung und/oder Performance- Verantwortlichkeit Performance Budgeting Ergebnisse direktes Performance enge/direkte Verknüpfung Performance- Ressourcenallokation Budgeting Ergebnisse und Verantwortlichkeit Quelle: OECD: Budgeting, 2007, S. 21. Es gibt auch nicht das Benchmarkmodell von Performance Budgeting. Selbst wenn Staaten ähnliche Modelle eingeführt haben, unterscheiden sich oft die Implementierungsstrategien und es werden nationale Prioritä- ten und die jeweiligen kulturellen Spezifika berücksichtigt. Es sind vor allem drei Faktoren, die die Einführung von Performance Budgeting auslösen: budgetäre Krisen (z.B. Dänemark, Schweden), zu- nehmender Druck zur Senkung von Ausgaben (Schweden, Dänemark) oder ein Regierungswechsel (z.B. Großbritannien). In vielen Fällen war die Einführung von Performance Budgeting in ein breiteres Reformkonzept eingebettet. Zumeist standen mehrere Ziele im Vordergrund: Kontrolle der Ausgaben und Steigerung der Allokation, effiziente Verwendung der Mittel, Verbesserung der Performance des öffentlichen Sektors und die Steige- rung der Verantwortlichkeit. Während in den skandinavischen Ländern 3 Für einen Überblick über die Reformen in den OECD-Staaten vgl.: OECD: Budgeting, 2007. 4 Vgl. dazu: OECD: Budgeting, 2007, p. 21f. 129
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN Public Management-Ansätze im Vordergrund stehen, die die Ergebnis- steuerung zur Steigerung der Qualität der öffentlichen Leistungen in den Mittelpunkt rücken, wurden in Ländern mit neoliberaler Modernisierungs- politik Public Management-Strategien gefahren, bei denen Deregulierung und Entstaatlichung/Privatisierung dominierten (z.B. Neuseeland, Austra- lien, USA). Performance Budgeting hat in den OECD-Staaten eine lange Ge- schichte. Heute haben nahezu alle Staaten Output und Outcomemaße und führen Evaluierungen mit unterschiedlicher Intensität durch. Mehr als die Hälfte der OECD-Staaten arbeitet seit mehr als zehn Jahren damit. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass sich viele Informationen zwar in den Budgetdokumenten niederschlagen, aber bislang nicht den Weg in budge- täre Entscheidungsprozesse gefunden haben (z.B. Kanada, USA). Austra- lien, die Niederlande, Neuseeland und Großbritannien haben hingegen ihre Budgetstrukturen verändert und stellen auf Ergebnisse ab. Schweden wiederum hat seine Budgetstrukturen geändert, trennt aber immer noch die finanziellen Aspekte von den Ergebnisaspekten. Häufig fließen Ergeb- nisinformationen in die Verhandlungen zwischen dem Finanzministerium und den Ausgabenministerien bzw. zwischen den Ministerien und den Organisationseinheiten ein. Es zeigt sich jedoch, dass es in den meisten OECD-Staaten keinen systematischen Ansatz zur Verknüpfung von Aus- gaben und Ergebnissen gibt, der alle Ressorts mit einbezieht. Ergebnis- pläne und Ergebnisziele werden im Budgetprozess nicht immer diskutiert und genehmigt, in einigen Ländern sind Planungs- und Budgetierungspro- zess sogar getrennt. Zur Verbesserung der Performance setzen die Fi- nanzministerien drei Instrumente ein: finanzielle Belohnungen bzw. Sank- tionen, finanzielle Flexibilität bzw. Flexibilität bei leitenden Bediensteten sowie „naming an shaming“. Ein großes Problem stellt die Messung dar. Der Quantifizierungs- 5 mythos der Reformansätze des Public Managements geht implizit davon aus, dass alles Relevante quantifiziert werden kann, während qualitative Beurteilungen vielfach als nicht notwendig angesehen werden. In der Folge setzt die Messung der Wirkungen voraus, dass es Ziele und geeig- nete Indikatoren gibt. Dennoch zeigen Fallstudien und die akademische Literatur, dass Informationen über Ergebnisse die Performance und die Effizienz der öffentlichen Leistungserbringung verbessert und die Verant- wortlichkeit erhöht haben. Wenngleich sich durch die Performance Infor- mationen die Transparenz erhöht hat, wird viel zu wenig dem Aspekt Rechnung getragen, dass Information allein kein Ziel an sich ist. Entschei- dend ist die Verknüpfung „objektiver“ Information mit den Entscheidungs- prozessen über Programme und Prioritäten. Länder mit Erfahrung in der Verwendung von Performance Informatio- nen verweisen auf einige Vorteile, darunter – erhöhter Druck auf Regierungen, den Fokus auf Ergebnisse zu legen – mehr und bessere Information über Ziele und Prioritäten der Regierung 5 Vgl. dazu sowie für eine generelle Kritik an den Public Management- Ansätzen: Rossmann: Governance, 2005. 130
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes – Ermutigung zu mehr Planung sowie Signalfunktion für die administrati- ven und politischen Akteurinnen und Akteure – erhöhte Transparenz für das Parlament und die Öffentlichkeit – Potenzial zur Verbesserung der Effizienz und der Implementierung von Programmen. Trotz dieser Vorteile sind aus den Fallstudien einzelner Länder die Probleme und Herausforderungen nicht zu übersehen. Dazu gehören vor allem Verbesserungen in Hinblick auf die Messung von Outputs und Out- comes (nicht selten kommt es zur Manipulation von Daten); konsequente- re und systematische Einbettung von Performance Information in den Budgetprozess; die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entschei- dungsträger müssen dazu gewonnen werden, diese Informationen in den Entscheidungsprozess einfließen zu lassen. Nach einer Studie der OECD verwenden nur 19 Prozent der politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in der Legislative Performance Information im Ent- scheidungsprozess, in den Budgetausschüssen sind es gar nur 8 Pro- 6 zent. Ferner müssen die Widerstände in der öffentlichen Verwaltung überwunden werden. Es zeigt sich, dass die meisten Regierungen es schwierig finden, die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger rechtzeitig mit relevanter, zuverlässiger und qualitativ hochwertiger Infor- mation zu versorgen und die entsprechenden Anreize zur tatsächlichen Verwendung dieser Informationen für Budgetentscheidungen zu setzen. Vielfach fehlt es an klaren Zielsetzungen, die das Performance Budgeting scheitern lassen. Ein weiterer Reformansatz, der in vielen Ländern im Zuge von Konsoli- dierungsprozessen zunehmend mit Erfolg Anwendung gefunden hat, ist die schrittweise Einführung von dezentraler Fach- und Ressourcenverant- wortung sowie die korrespondierende Einführung von Globalbudgets. Der Erfolg beruht darauf, dass die leitenden Akteurinnen und Akteure von Organisationseinheiten am besten in der Lage sind, den effizientesten Ressourceneinsatz zu wählen, so dass dieselben Leistungen zu geringe- ren Kosten oder mehr Leistungen zu gleichen Kosten erbracht werden können. Die Umsetzung der dezentralen Fach- und Ressourcenverantwor- tung führte in vielen OECD-Ländern zu erhöhtem betriebswirtschaftlichen Denken und rückte strategische Überlegungen stärker in den Mittelpunkt. 1.2 Ressourcenorientierte Haushaltsführung („Accrual Accounting“) Veränderungen der Budgetstrukturen wurden nicht nur im Rahmen von Performance Budgeting, sondern auch im Zuge von Reformen des Rech- nungswesens implementiert. Auch in dieser Hinsicht hat sich in den OECD-Ländern in den letzten zehn Jahren viel getan, viele Länder haben ihr Rechnungswesen von Cash-Basis auf Accrual-Basis umgestellt. Heute verfügt etwa die Hälfte der OECD-Staaten über eine ressourcenorientierte Haushaltsführung, wobei die Ausgestaltungen sehr unterschiedlich sind. 6 Vgl. dazu: OECD: Government, 2005, p. 72. 131
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN Wenn man bedenkt, dass Neuseeland als erstes Land das „Accrual Ac- counting“ erst in der ersten Hälfte der 1990er Jahre eingeführt hat, muss man von einer sehr raschen Ausbreitung gesprochen werden. Die ressourcenorientierte Sicht stellt, dem Prinzip der kaufmännischen Rechnungsführung folgend, die wertmäßige Betrachtung in den Mittel- punkt. Leitend ist das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung, das eine zeitliche Abgrenzung aller Wertflüsse notwendig macht. Demnach werden Ein- und Auszahlungen nicht im Zeitpunkt ihres Zu- und Abflusses erfolgswirksam, sondern jenen Perioden zugeordnet, denen sie wirtschaft- lich zuzuordnen sind. Die Kosten werden also jenem Haushaltsjahr zuge- wiesen, in dem sie entstehen. Im ressourcenorientierten Haushalt schla- gen sich Aufwendungen nieder, die in der Kameralistik als Ausgaben keinen Niederschlag finden (z.B. Abschreibungen auf Anlagegüter, Rück- stellungen für Verpflichtungen). Ressourcenorientierte Haushalte gewäh- ren also Einsichten in die öffentlichen Finanzen, die durch die Kameralistik (Einnahmen- und Ausgabenrechnung) nicht gewonnen werden können. In der einschlägigen Literatur werden daher dem Accrual-Konzept fol- 7 gende Vorteile zugeschrieben: – bessere Messung der finanziellen Lage öffentlicher Haushalte – Effizienzsteigerung der öffentlichen Verwaltung – Sicherung der Nachhaltigkeit Hinsichtlich der finanziellen Lage gewährt das ressourcenorientierte Konzept umfassendere Informationen als die Kameralistik, weil alle Res- sourcenflüsse aufgezeichnet werden und nach erfolgs-, zahlungs- und vermögenswirksamen Vorgängen unterschieden werden. Die umfassen- den Aufzeichnungen erlauben eine Integration der Finanzflüsse in die Bilanz und ermöglichen eine getreue Darstellung der Vermögenslage, der Leistungsfähigkeit und Zahlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Das Accrual-Konzept sorgt für die periodengerechte Finanzierungs-, Erfolgs- und Vermögensrechnung. Erfolgt die Bewertung der Finanzlage auf Kas- senbasis, dann ist sie unvollständig und kann leicht manipuliert werden. Ressourcenorientierten Konzepten wird weiters zugeschrieben, dass sie bessere Bedingungen für ein effizientes öffentliches Management und für die Stärkung der Accountability schaffen, weil sie alle Kosten berück- sichtigen und somit geeignet sind, das Kostenbewusstsein in der öffentli- chen Verwaltung zu steigern. Die Kosten- und Leistungsrechnung lässt sich in diesem Konzept leichter mit ressourcenorientierten Haushalten verbinden. Gelingt das, dann sind positive Effekte auf die öffentlichen Haushalte aus Effizienzsteigerungen zu erwarten. Voraussetzung dafür ist aber die erfolgreiche Umsetzung der dezentralen Fach- und Ressourcen- verantwortung. Der dritte Vorteil wird schließlich darin gesehen, dass eine ressourcen- orientierte Budgetierung einen effektiveren Umgang mit öffentlichen Mit- teln fördert. So etwa kann die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellun- gen für sozialpolitische Leistungen – beispielsweise für Beamtenpensio- 7 Vgl. dazu: Schick: Budgeting, 2009. Fleischmann: Haushaltswesen, 2008. 132
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes nen – ein sorgloses Eingehen von Verpflichtungen verhindern. Das Accru- al-Konzept spiegelt wider, inwieweit eine Regierung von heute die Kosten der Leistungen von morgen bezahlt. In diesem Sinne stellt es eine länger- 8 fristige Perspektive zur Abschätzung von politischen Einflüssen bereit. Das kaufmännische Rechnungswesen stellt somit aufgrund der knapp skizzierten Vorteile nach Ansicht der Befürworterinnen und Befürworter ressourcenorientierter Haushaltsführung ein bedeutendes Instrument dar, um zukünftige Implikationen in den laufenden Budgets in Rechnung zu stellen. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der Politik, die zukünfti- gen Lasten tatsächlich offen zu legen. Fleischmann weist auf einen weite- ren wichtigen Aspekt in Zusammenhang mit der Einführung neuer Instru- mente hin. Er meint, dass bei der Einführung neuer Instrumente die Aus- wirkung auf die Budgetarbeit berücksichtigt werden muss. „Wenn sie [Anm. der Verfasser: die Instrumente] den Prozess überladen, mehr In- formationen verlangen als zeitlich verarbeitet werden können, werden sie schließlich nicht mehr verwendet, weil sie der Budgeterstellung nur im 9 Weg stehen.“ Die Anwendung der ressourcenorientierten Haushaltsführung ist in vie- len OECD-Staaten auf erhebliche Reservationen gestoßen. Schick führt drei Gründe an: die Aushöhlung der fiskalischen Disziplin, Manipulations- möglichkeiten aufgrund komplizierter technischer Annahmen und die Probleme der Politikerinnen und Politiker. Das Konzept zu verstehen. Während die Niederlande von der Einführung überhaupt Abstand genom- men haben, gelangt eine Fallstudie über Australien zu einem vernichten- den Urteil: „Australia has invested heavily in its accrual budgeting framework and is unlikely to abandon it. However, as one senior official noted, ‚knowing what we now know, we would not have introduced accrual budgeting‘. The practise of appropriating cash for non-cash items 10 (such as depreciation) is peculiar and should be reconsidered.“ 1.3 Top down-Budgetierung und mittelfristige Fiskalregeln Die Implementierung von Reformen zur Verbesserung der Budgetdisziplin ist eine Reaktion auf behauptete Unzulänglichkeiten traditioneller Budge- tierungsprozesse („Inkrementalismus“) und damit einhergehender chroni- scher Budgetdefizite, hoher bzw. steigender Staatsschulden- und Staats- quoten. Die Top down-Budgetierung hat sich mittlerweile international gegen- über der Bottom up-Budgetierung durchgesetzt. Sie ist aus mehreren Gründen vorteilhaft: Die Regierung kann am Beginn politische Ziele, Stra- tegien und Prioritäten setzen, wodurch die budgetpolitische Steuerung deutlich verbessert werden kann. Zudem handelt es sich um ein einfaches Budgetierungssystem mit deutlich geringerem Zeitaufwand. Ein wichtiges 8 Vgl. dazu: Fleischmann: Haushaltswesen, 2008, S. 143. 9 Fleischmann: Haushaltswesen, 2008, S. 147. 10 Blöndal et al.: Budgeting, 2008, S. 31. 133
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN Instrument zur Top down-Budgetierung ist das Globalbudget, das die Spielräume auf der operativen Ebene in den Ausgabenressorts erhöht („Jede/r Minister/in ist sein/ihre eigene/r Finanzminister/in.“). Fiskalregeln zielen in erster Linie darauf, dass die politischen Entschei- dungsträgerinnen und Entscheidungsträger unabhängig von politischen Stimmungen und der wirtschaftlichen Entwicklung vorherbestimmte Grenzwerte einhalten. Sie werden weitgehend unabhängig von ihrer Aus- gestaltung als Schlüsselfaktor sowohl für eine effektive Kontrolle öffent- licher Ausgaben als auch für eine erfolgreiche Konsolidierungsstrategie 11 angesehen. Auch der politische Wille zur Erhöhung der Budgetdisziplin hat deutlich zugenommen. Die Ausgestaltung von Fiskalregeln ist sehr unterschiedlich. Die in der Europäischen Union dominierende fiskalische Regel ist der Stabilitäts- und Wirtschaftspakt (SWP), der für die Staaten der Eurozone für finanzpoliti- sche Stabilität sorgen soll. Auf nationaler Ebene gibt es häufig Ergänzun- gen durch Schuldenbremsen (z.B. Deutschland), Ausgabenregeln (z.B. Belgien), mittelfristige Finanzrahmen (z.B. Schweden, die Niederlande, Österreich) sowie unterschiedlichste Regelungen für die nachgeordneten Gebietskörperschaften – von Koordinationsmechanismen mit oder ohne Sanktionen bis hin zu nationalen Stabilitätspakten. Der SWP fordert im Wesentlichen, dass die Mitgliedstaaten in wirtschaftlich normalen Zeiten einen annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt sowie eine Begrenzung ihrer öffentlichen Verschuldung beachten. Wegen seiner prozyklischen Ausgestaltung und seiner Unvereinbarkeit mit den Zielen der Lissabon Strategie war er von Beginn an heftiger Kritik ausgesetzt. Zudem hat der SWP den massiven Anstieg der Staatsverschuldung im Gefolge der Fi- nanz- und Wirtschaftskrise nicht verhindern können. Durch die Krise ist offenkundig geworden, dass die bestehenden institutionellen Rahmenbe- dingungen mit ihrem einseitigen Fokus auf die öffentliche Verschuldung für die Europäische Währungsunion nicht adäquat sind. Die derzeitigen Finanzschwierigkeiten sind nicht eine Folge eines verschwenderischen Lebensstils, sondern der Finanzmarktkrise und der damit verbundenen Stützung von Banken und der Konjunktur. Eine fundamentale Ursache für die Euroraumkrise liegt im Auseinanderlaufen der internationalen Wettbe- werbsfähigkeit, was sich in einer divergierenden Entwicklung der Leis- tungsbilanzsalden niederschlägt. Der SWP ignoriert also zusätzlich zu anderen Schwächen die Finanzierungsposition des Privatsektors und des Auslands, die sich im Leistungsbilanzsaldo widerspiegeln. Ein Festhalten an den fehlkonzipierten Regeln des gescheiterten SWP oder gar eine Verschärfung desselben ist daher mit hohen Risiken für den Euroraum verbunden, dessen Stabilität gegenwärtig auf dem Spiel steht. In dieser Situation ist eine Reform des Paktes gefordert, die vorrangig an den makroökonomischen Ungleichgewichten ansetzt und den Kohäsions- prozess in der Europäischen Union nicht aus dem Auge verlieren darf. Die gegenwärtig vorliegenden Vorschläge zur Steuerung und Überwachung der Wirtschafts- und Währungsunion, das sind die Ergebnisse der Task 11 Vgl. dazu: Schick: Rules, 2003. 134
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes Force unter der Leitung von Herman Van Rompuy und sechs Legislativ- vorschläge der Europäischen Kommission zur Verschärfung des SWP und zu den makroökonomischen Ungleichgewichten – sind wenig ermutigend. Einerseits wird der fehlkonzipierte SWP verschärft und andererseits fehlt in Hinblick auf die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mut, die enge natio- nale Perspektive aufzugeben und einer europäischen Perspektive Platz 12 machen. In einigen Ländern wurde erkannt, dass Budgetdefizite nicht das ge- eignete Steuerungsaggregat für eine nachhaltige Finanzpolitik sind. Sie setzen daher auf mittelfristige Finanzrahmen. Sie haben den Vorteil, dass sie Budgetkonsolidierungen im Konjunkturaufschwung unterstützen, weil den Ausgabenerhöhungen Grenzen gesetzt werden. Gleichzeitig eignen sie sich besser zur wirtschaftlichen Stabilisierung im Abschwung, weil die automatischen Stabilisatoren zumindest auf der Einnahmenseite wirksam werden können. Durch diese doppelte Zielsetzung sind Finanzrahmen prinzipiell geeignet, die Glaubwürdigkeit der Budgetpolitik zu erhöhen, während der SWP seit geraumer Zeit erhebliche Glaubwürdigkeitsproble- me hat, die sich durch das Verhalten Griechenlands intensiviert haben. Freilich werfen auch mittelfristige Finanzrahmen Probleme auf und ihre Ausgestaltung ist keineswegs trivial. Auch zu rigide Finanzrahmen können prozyklisch wirken, und die Annahmen über die mittelfristige wirtschaft- 13 liche Entwicklung sind von großer Bedeutung. Aufgrund der Erfahrungen mit fiskalischen Regeln in den letzten Jahr- zehnten und insbesondere der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise erscheint es zielführend, einen europäischen Pakt zu schnüren, der nicht vorrangig auf Defizite, sondern auf den Leistungsbilanzsaldo fokussiert. Mittelfristige Finanzplanungen auf Basis vorsichtiger wirtschaftlicher An- nahmen könnten diesen neuen Pakt ergänzen. Auf mittlere Sicht führt kein Weg an einer Europäisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik und somit an einer stärkeren politischen Union vorbei. Die jüngste Krise hat die Budgetpolitik durch eine globale Vorgangs- weise um eine Facette erweitert, indem die konjunktursteuernden Maß- nahmen „Spillovers“ über die nationalen Grenzen hinaus auslösten. Die noch wenig diskutierte Frage in diesem Kontext ist jene nach dem Budge- tieren nach der Krise. Schick entwickelt die These, dass die Nachwirkun- gen der Krise die Staaten anregen werden, ihre Budgetpolitiken so zu harmonisieren und integrieren, dass sie auf das internationale Finanzsys- 14 tem einwirken. Es wird sich zeigen, ob die Reformprozesse sich in diese Richtung weiter entwickeln werden. 12 Für Vorschläge in dieser Richtung vgl.: Horn et al.: Wirtschaftspolitik, 2011. 13 Vgl. dazu: Rossmann: Rules, 2006. 14 Vgl. dazu: Schick: Budgeting, 2009. 135
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN 2. Bundeshaushaltsreform – Erreichtes und kritische Aspekte15 Während von den Pionierstaaten der OECD erste Modernisierungsschritte im Haushaltswesen bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten einsetzten, hinkten Reformen in Österreich trotz erheblicher Schwachstellen (unzurei- chende Budgetplanung, Haushaltssteuerung über Inputs, mangelnde Koordination zwischen den Gebietskörperschaften, Ineffizienzen als Folge von Fehlanreizen in der Ausgestaltung der föderalen Beziehungen etc.) deutlich nach. Den Anstoß zur Modernisierung des Haushaltsrechts in Österreich gab der im Mai 2003 eingesetzte Österreich-Konvent. Ein für den Österreich-Konvent erarbeiteter Vorschlag des Finanzministeriums, der die wesentlichen Schwachstellen der haushaltsrechtlichen Bestim- mungen und Budgetgrundsätze aufgriff, fand jedoch dort keine Zustim- mung. Erst eine vom Finanzministerium ins Leben gerufene Experten- gruppe und eine sie begleitende politische Runde mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen Parlamentsparteien schaffte 2005 den Durchbruch durch eine Einigung auf neue verfassungsrechtliche Haushaltsgrundsätze, 16 die im Dezember 2007 vom Nationalrat verabschiedet wurden. Zeitgleich wurden im Rahmen der ersten Etappe der Haushaltsrechtsreform einige zentrale Elemente auf einfachgesetzlicher Ebene mit Wirksamkeitsbeginn 1. Januar 2009 beschlossen, darunter insbesondere die Umsetzung der mittelfristigen Budgetplanung (Bundesfinanzrahmen). Die zweite Etappe der Haushaltsrechtsreform, die auf die ergebnisorientierte Steuerung und das Rechnungswesen fokussiert, wurde im Dezember 2009 beschlossen und gelangt erstmals mit dem Bundeshaushalt 2013 zur Anwendung. 2.1 Die neuen verfassungsrechtlichen Bestimmungen Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Haushaltsrecht wurden in mehrfacher Hinsicht geändert. Erstens wurde die Staatszielbestimmung zum gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht neu gefasst (Art. 13 Abs. 2 B-VG). Diese Bestimmung adressiert zum einen gängige Ziele des „magi- schen Vielecks“, die Bund, Länder und Gemeinden im Rahmen ihrer Haushaltsführung anzustreben haben. Dazu zählen: das Wirtschafts- wachstum, die Preisstabilität, die Vollbeschäftigung und der Umwelt- schutz. Nicht explizit verwiesen wird auf die Verteilungsgerechtigkeit, stattdessen ist analog zum Vertrag von Lissabon lediglich von sozialem Fortschritt die Rede. Damit bleiben Fragen der Verteilungsgerechtigkeit weiterhin Randfragen der Budgetpolitik. Zum anderen wird auf „nachhaltig geordnete Haushalte“ abgestellt, wobei die Formulierung „nachhaltig ge- ordnete Haushalte“ nicht zwangsläufig im Sinne eines „ausgeglichenen Haushalts über den Konjunkturzyklus“ zu verstehen ist. Gänzlich neu und international einmalig ist die Verankerung des Gen- der Budgetings für die Haushaltsführung von Bund, Ländern und Gemein- den als Staatszielbestimmung in Art. 13 Abs. 3 B-VG. Allerdings wird in 15 Vgl. dazu ausführlicher: Rossmann: Haushaltsrecht, 2009. 16 Vgl. dazu auch: Steger: Reform, 2010. 136
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes den erläuternden Bemerkungen sehr unklar zum Ausdruck gebracht, was genau darunter zu verstehen ist. Der Literatur über Gender Budgeting 17 entsprechend umfasst es unter anderem: – eine genderspezifische Wirkungsanalyse der Budgets, der Einnahmen und Ausgaben – die Einbeziehung der Gender-Perspektive auf allen Ebenen und in allen Phasen des Budgetprozesses und – eine Umstrukturierung von Einnahmen und Ausgaben in Hinblick auf die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern. Mit der neuen Staatszielbestimmung zum Gender Budgeting wird der Startschuss für eine geschlechtergerechte Budgetpolitik gegeben, wobei die konkrete Umsetzung im Rahmen der Wirkungsorientierung – einem neuen Budgetgrundsatz – erfolgen soll. Zweitens wird der Bund verpflichtet, einen auf vier Jahre ausgelegten mittelfristigen Finanzrahmen mit verbindlichen Ausgabenobergrenzen vor- zulegen, der alljährlich um ein weiteres Jahr vorgerollt wird. Die Bestim- mungen über den mittelfristigen Finanzrahmen in Art. 51 B-VG und im gleichzeitig novellierten Bundeshaushaltsgesetz zielen zusammen mit der Nachhaltigkeit der öffentlichen Haushalte darauf ab, die Steuerung der öffentlichen Haushalte im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang durch eine verstärkte mittelfristige Orientierung und Gestaltung der Budgeterstel- lung und des Budgetvollzugs zu verbessern. Drittens werden vier leitende Budgetgrundsätze in der Bundesverfassung festgelegt: die Wirkungsorien- tierung unter Berücksichtigung des Gender Budgetings, Effizienz, Trans- parenz und möglichst getreue Darstellung der finanziellen Lage. Viertens schließlich wurden die Bestimmungen für das Budgetprovisorium gestraffen. 2.2 Mittelfristiger Finanzrahmen mit verbindlichen Ausgabenobergrenzen Der mittelfristige Finanzrahmen mit (fixen und variablen) Ausgabenober- grenzen adressiert zwei Ziele. Internationale Erfahrungen (z.B. die Nieder- lande, Schweden) zeigen, dass er zum einen die Budgetdisziplin sowie die Planungssicherheit und Flexibilität steigern kann, weil die durch den Fi- nanzrahmen festgelegten Ausgabenobergrenzen nur in gesetzlich defi- nierten Ausnahmefällen überschritten werden dürfen. Von wenigen Aus- nahmen abgesehen können nicht ausgeschöpfte Ausgaben automatisch einer Rücklage zugeführt und zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst wer- den. Durch die Neuregelung des Rücklagenregimes wird daher dem so genannten „Dezemberfieber“ ein Riegel vorgeschoben. Zum anderen eignet er sich zur Wachstumsstabilisierung im Konjunkturabschwung, weil die Steuereinnahmen ebenso wie der Budgetsaldo keiner Bindung unter- liegen. Bleiben die Steuern im Konjunkturabschwung zurück, erhöht sich das Budgetdefizit, so dass die so genannten automatischen Stabilisatoren wirken können. Umgekehrt können die Steuermehreinnahmen im Auf- schwung zur Konsolidierung genutzt werden, vorausgesetzt die Politik hält 17 Vgl. dazu: Beigewum: Budgets, 2002. 137
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN sich an die mittelfristig fixierten Ausgabenobergrenzen. Der Finanzrahmen kann daher wesentlich zur Glaubwürdigkeit der Budgetpolitik beitragen. 2.3 Ergebnisorientierte Budgetierung und neues Rechnungswesen Im Fokus der zweiten Etappe der Haushaltsrechtsreform, deren umfang- reiche Änderungen in das neue Bundeshaushaltsgesetz 2013 mündeten, stehen der Übergang von der Kameralistik (Einnahmen-Ausgaben- Rechnung) auf die Doppik (kaufmännisches Rechnungswesen) und die Implementierung der wirkungsorientierten Budgetierung unter Einbezie- hung der geschlechterspezifischen Auswirkungen des Budgets. Die wirkungsorientierte Haushaltsführung versteht sich als zentrales Steuerungsinstrument für Wirkungen und Ressourcen. Die Grundprinzi- pien der neuen Steuerungsarchitektur liegen internationalen Reformansät- zen folgend in: – einer Dezentralisierung der Ressourcenverantwortung sowie der Zu- sammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung, – der Integration von Wirkungen, Leistungen und Ressourcen in der neuen Steuerung sowie – der Verantwortlichkeit auf der Ebene der politischen Steuerung, der strategischen Verwaltungssteuerung und der betriebswirtschaftlichen Steuerung. Eine zentrale Schwäche der neuen Steuerungsarchitektur, nach der die Untergliederungen (frühere Budgetkapitel) in Global- und Detailbudgets herunter gebrochen werden, besteht darin, dass die Ergebnissteuerung sehr zentralistisch angelegt ist. Wirkungsziele sind nur auf der Ebene der haushaltsleitenden Organe – also für die Untergliederungen – vorgese- hen. Die Verantwortung auf der Ebene der Globalbudgets ist hingegen sehr schwach ausgeprägt. Auf dieser Ebene sind keine Wirkungsziele, sondern nur Maßnahmen vorgesehen. Das hat zur Folge, dass die Um- setzungsverantwortung bei den haushaltsführenden Stellen, also auf der untersten Ebene, angesiedelt ist. Nur dort gibt es Ressourcen-, Ziel- und Leistungspläne. Damit wird in der neuen Steuerungsarchitektur die Stel- lung, Rolle und Funktion der Verantwortlichen für die jeweiligen Global- budgets sehr unklar. Ein Konzept mit Dezentralisierung auf allen Ebenen, wonach Ressourcen-, Ziel- und Leistungspläne auch zwischen den Ver- antwortlichen des Globalbudgets und jenen des Ressorts vereinbart wer- den, wäre daher geeigneter gewesen. Die neue Steuerungsarchitektur ist mit einer Verschiebung des Macht- gefälles zwischen der Exekutive und der Legislative verbunden. In Hin- kunft sind die gesetzlichen Bindungswirkungen auf Rubriken, Untergliede- rungen und Globalbudgets beschränkt, während die Auszahlungen in den darunter liegenden Budgets (Detailbudgets 1. und 2. Ebene) nur mehr verwaltungsinternen Bindungswirkungen unterliegen. Das stärkt die Rolle der Regierung gegenüber dem Parlament. Diese asymmetrischen Implika- tionen sind in der Public Management-Steuerung angelegt. Eine solche Verschiebung der „Checks and Balances“ ist demokratiepolitisch bedenk- 138
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes lich. Das Entstehen dieser Asymmetrie muss daher jedenfalls kompensiert werden, indem die Rechte des Parlaments ebenso wie die Berichtspflich- ten an dieses und die Öffentlichkeit im Sinne von Good Governance ge- stärkt werden. Viele Details der Umsetzung erfolgen zudem über Verord- nungen. Das schwächt die Rolle des Gesetzgebers zusätzlich. Die Einführung der Doppik sowie der Kosten- und Leistungsrechnung soll zur Erhöhung der Transparenz des Bundeshaushalts, zur Verbesse- rung der Qualität der parlamentarischen Entscheidungsgrundlagen, zu Qualitätssteigerungen in der Leistungserbringung und zu einer effektive- ren Kontrolle der Regierung beitragen. Aus einer Reihe von Gründen sind Zweifel an der Realisierbarkeit berechtigt. Drei seien genannt: Das neue Rechnungswesen, das eine Finanzierungs-, Ergebnis- und Vermögens- rechnung enthält, ist kompliziert und schwer verständlich. Die Doppik enthält Elemente, die aufwendig zu betreiben, aber wenig steuerungsrele- vant sind (z.B. Rückstellungen, aber auch die Eigenkapitalquote). Finan- zierungs- und Ergebnisrechnung sind über weite Strecken identisch. Zu- dem ist die Ergebnisrechnung unvollständig, weil Rückstellungen für Pen- sionen nicht vorgesehen sind. Im Rahmen der Vermögensrechnung ste- hen hohe Kosten einer unvollständigen und daher nicht aussagekräftigen Bilanz gegenüber. Eine kritische Prüfung der Bestimmungen des neuen Rechnungswesens führt auch zum Schluss, dass die dem kameralisti- schen System umgehängten Schwächen – darunter die fehlende Transpa- renz beispielsweise durch Nebenhaushalte, fehlende Kosten für Leistun- gen sowie fehlende Ergebnisinformationen führen zu Fehlanreizen bei der Finanzsteuerung – nicht überwunden werden (können), da Kosten- und Ergebnisinformationen auch nicht Bestandteil des kaufmännischen Rech- nungswesens sind. 2.4 Ein kritisches Resümee Mit der Novellierung der Verfassungsbestimmungen wurden die haus- haltsrechtlichen Ziele und Grundsätze in wesentlichen Teilen neu gefasst. Sie zielen auf die Überwindung der aufgezeigten Schwächen des Haus- haltsrechts – von der fehlenden mittelfristigen Orientierung im Sinne einer verbindlichen mehrjährigen Planung bis hin zur Ausrichtung der Steuerung auf die Inputs statt auf die Ergebnisse (Outputs und Outcomes). Daher sind die Reformbemühungen grundsätzlich zu befürworten. Kritisch fest- zuhalten ist, dass sich die neuen Grundsätze der Haushaltsführung und die mittelfristige Budgetplanung nur auf den Bund und nicht auch auf Län- der und Gemeinden beziehen, weil sie Eingriffe in ihre Budgetautonomie befürchteten. Die einfachgesetzliche Umsetzung im Bundeshaushaltsrecht erfolgt in zwei Etappen. Im Fokus der ersten Etappe steht die Schaffung einer ver- bindlichen mittelfristigen Budgetplanung. Die ersten Erfahrungen aus deren Umsetzung sind in mehrfacher Hinsicht enttäuschend. Die vorgeleg- ten Finanzrahmen hatten bislang den Charakter von Budgetprognosen und daher mit mittelfristiger Budgetplanung wenig gemeinsam. Es war auch nicht erkennbar, nach welchen makroökonomischen Gesichtspunk- ten die Ausgabenobergrenzen festgelegt wurden. Der den Finanzrahmen 139
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN begleitende Strategiebericht lässt budgetpolitische Prioritäten und Strate- gien nur in Ansätzen erkennen. Wenn der Strategiebericht und der Finanz- rahmen – wie beabsichtigt – tatsächlich die zentralen Budgetunterlagen sein sollen, dann muss noch kräftig nachgebessert werden. Kontraproduk- tiv –, weil vom Fokus ablenkend – erscheint in diesem Zusammenhang das gewählte Prozedere, im Frühjahr nicht nur die budgetpolitischen Stra- tegien, sondern auch die Ausgaben für die Untergliederungen für das folgende Budgetjahr zu fixieren. Die politische Selbstbindung an den Aus- gabenrahmen hat in den Jahren 2009 und voraussichtlich auch 2010, von kleineren Korrekturen abgesehen, gut geklappt. Insgesamt ist aber die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der mit der ersten Etappe einhergehen- de Kulturwandel (noch) nicht geglückt ist. Die Politik muss „nachgeschult“ werden, sonst verbleibt ein verbindlicher mittelfristiger Finanzrahmen als Disziplinierungsinstrument und die strategische Planung budgetpolitischer Schwerpunkte bleibt ebenso wie die makroökonomischen Zielsetzungen auf der Strecke. Im Fokus der zweiten Etappe stehen der Übergang von der Kameralis- tik (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) auf die Doppik (kaufmännisches Rechnungswesen) und die Implementierung der wirkungsorientierten Budgetierung unter Einbeziehung der geschlechter-spezifischen Auswir- kungen des Budgets (Gender Budgeting). Als State of the Art-Konzepte gelangen Public Management und in Ansätzen Good Governance zur Anwendung. Deren Übertragung auf öffentliche Haushalte gilt sowohl in der ökonomischen Literatur als auch in der Praxis wegen zentraler Defizite als umstritten. Als gravierende Defizite sind anzusehen: das Risiko der Denaturierung des Staates zum Wirtschaftsunternehmen und seine Ver- kürzung auf ökonomische Dimensionen; der dem Konzept inhärente Quantifizierungsmythos, wonach alles Relevante gemessen werden kann; die aus demokratiepolitischer Sicht höchst bedenkliche Verschiebung der „Checks and Balances“ zulasten der Legislative. Anstatt diese Konzepte basierend auf internationalen Erfahrungen kritisch auf den Prüfstand zu stellen, wurden sie im Rahmen der zweiten Etappe kritiklos übernommen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass Teile der Reform, wie in anderen Ländern, in der Umsetzung scheitern könnten. Aufgrund der aufgezeigten Kritik gilt das vorrangig für die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens und der Kosten- und Leistungs- rechnung. Es sind große Zweifel berechtigt, ob die Ziele der Erhöhung der Transparenz des Bundeshaushalts, der Verbesserung der Qualität der parlamentarischen Entscheidungsgrundlagen, der Qualitätssteigerungen in der Leistungserbringung und der Ermöglichung einer effektiveren Kon- trolle der Regierung mit einer Umstellung auf ein kaufmännisches Rech- nungswesen tatsächlich erreicht werden können. Es wäre ausreichend gewesen und verwaltungsökonomisch geboten, das vorhandene kamera- listische System zu erweitern und zu ergänzen. Demnach wäre eine erwei- terte, mehrdimensionale Kameralistik, die finanz-, betriebs- und gesamt- wirtschaftlichen Ansprüchen gerecht wird, erforderlich. Derartige Redukti- onen hätten den Bestimmungen im BHG 2013 die Komplexität genommen und die Übersichtlichkeit gefördert. Die Doppik ist für den Kernbereich der öffentlichen Verwaltung nur bedingt geeignet – der Staat kann nicht auf 140
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes ökonomische Dimensionen reduziert werden –, mit extrem hohen Imple- mentierungskosten verbunden und bedarf zudem einer Umformung bzw. Ergänzung in Hinblick auf die Erfordernisse des öffentlichen Haushaltswe- sens, insbesondere auch bezüglich der Vorgaben des ESVG und der Maastricht-Kennzahlen (öffentliches Defizit und öffentliche Verschuldung). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die erste Etappe der Haushaltsrechtsreform finanzwirtschaftlich orientiert ist und sich nicht am „Ressourcenkonzept“ ausrichtet. Der mittelfristige Finanzrahmen ist dagegen finanzwirtschaftlich orientiert und richtet sich nicht am „Ressour- cenkonzept“ aus. In Bezug auf die ergebnisorientierte Budgetierung weist der Reforman- satz fundamentale Schwächen auf. Die Steuerungsarchitektur greift den Quantifizierungsmythos – das heißt, flächendeckendes Messen von Er- gebnissen und Wirkungen – auf, ist sehr zentralistisch angelegt und führt zur Einschränkung der parlamentarischen Entscheidungsbefugnisse, so dass deren Implementierung zu einer aus demokratiepolitischer Sicht nicht akzeptierbaren Verschiebung der „Checks and Balances“ zugunsten der Exekutive führt. Zu viele Details der Umsetzung erfolgen zudem über Verordnungen, wodurch die Rolle des Gesetzgebers zusätzlich ge- schwächt wird. Die Ausarbeitung der Verordnungen erfolgt weitgehend 18 ohne Begutachtungsverfahren. Die Modernisierung des Haushaltsrechts müsste auch von einer Re- form der Institutionen begleitet sein. Es ist insbesondere in Hinblick auf den Rechnungshof, das Gender Budgeting und die Schwächung des Par- laments problematisch, dass die Umsetzung der Reform mit dem bisheri- gen organisatorischen Design das Auslangen finden will. Wesentliche Elemente der Wirkungsorientierung sind unzureichend konkretisiert, das betrifft vor allem das Zusammenspiel zwischen der Wirkungscontrolling- stelle und dem Parlament. Zur Umsetzung des Gender Budgetings bedarf es, nach einem sehr zurückhaltenden Start im Anschluss an die Be- schlussfassung der neuen Staatszielbestimmung, einer institutionellen Absicherung, etwa durch eine Gleichstellungscontrollingstelle, die mit klaren Verantwortlichkeiten und entsprechenden Ressourcen ausgestattet wird. Das neue Haushaltsrecht erfordert auch eine Neufestlegung der Rolle des Rechnungshofes als Rechnungsprüfer und Evaluator. Eine erfolgreiche Umsetzung der Wirkungsorientierung setzt daher Korrekturen und Ergänzungen voraus: an der zentralistisch ausgerichteten Steuerung, am flächendeckenden Ansatz, der wegen der Messproblema- tik angepasst werden sollte, an der neuen Rolle des Rechnungshofs und vor allem an der Stärkung des Parlaments. In institutioneller Hinsicht wird zur Aufwertung des Parlaments bzw. des Budgetausschusses die Einrich- tung eines unabhängigen „Budget Offices“ nach dem Vorbild des Congressional Budget Offices in den USA als unabdingbar angesehen. In den Schlussverhandlungen zum BHG 2013 einigten sich die fünf Parla- mentsparteien zwar auf die Einrichtung eines solchen unabhängigen Bud- 18 Bei Abschluss dieses Aufsatzes waren es nur zwei Verordnungsentwürfe zur Wirkungsorientierung, die einer Begutachtung zugeführt wurden. 141
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN getdienstes, der ab dem Jahr 2012 seine Arbeit aufnehmen soll. In Hin- blick auf die Zielsetzung dieses Budgetdienstes und die personelle Aus- stattung bleibt aber die politische Vereinbarung sehr vage. Nur unter den genannten Bedingungen kann sich die seit Jahrzehnten größte Haushaltsrechtsreform zu einem emanzipatorischen Reformprojekt entwickeln und zu einem Meilenstein für die Reform des Finanzmanage- ments in Österreich werden. Ergänzend bedarf es intensiver Schulungen von Politik (von den Ministerinnen und Ministern bis zu den Abgeordneten) und Verwaltung (von Sektionschefs bis zu den Bediensteten in den opera- tiven Einheiten). Sie sind die Voraussetzung dafür, dass der Kulturwandel angenommen wird und die bisherigen Denkmuster den neuen Platz ma- chen können. Als weitere Meilensteine zur Modernisierung der Finanz- managements müssen die haushaltsrechtlichen Grundsätze einer finanz-, betriebs- und gesamtwirtschaftlichen Steuerung auf alle Gebietskörper- schaften ausgeweitet, im Rahmen einer Aufgabenreform die Neuvertei- lung der Kompetenzen mit dem Ziel der Stärkung des Konnexitätsgrund- satzes sowie die Reform des Finanzausgleichs und seiner verfassungs- rechtlichen Grundlagen vorangetrieben werden. 3. Haushaltsreform auf Länder- und Gemeindeebene Bund, Länder und Gemeinden kamen 1974 überein, Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Länder, der Gemeinden und von Gemeindeverbänden einvernehmlich zu gestalten und als Bun- desverordnung (im Einvernehmen mit dem Rechnungshof) zu verlautba- ren. Damit wurde die Haushaltssystematik hinsichtlich der Struktur, Infor- mationstiefe und Informationsbreite der Voranschläge und Rechnungs- 19 abschlüsse festgelegt, die aktuelle Version findet sich in der VRV 1997. Die einheitliche Form und Gliederung von Voranschlag und Rechnungs- abschluss basiert auf dem § 16 Abs. 1 F-VG. Trotz einheitlicher Form- und Gliederungsvorschriften sind beispielsweise die Landeshaushalte unter- einander teilweise nicht vergleichbar. 3.1 Länderebene Der Rechnungsabschluss und Voranschlag ist in der Regel kameral auf- gebaut und rein inputorientiert. Ergebnis- und Wirkungskomponenten finden sich im Rechnungsabschluss und Voranschlag nicht wieder, haben jedoch im Zuge der Public Management-Reformen im letzten Jahrzehnt im internen Rechnungswesen in unterschiedlicher Ausprägung einen Stel- lenwert bekommen. So wurde das Rechnungswesen vom Land und der Stadt Wien ab dem Jahr 2002 um Instrumente des Public Managements weiterentwickelt und damit auch die Vereinbarkeit zwischen Kameralistik und modernen be- 20 triebswirtschaftlichen Instrumenten umgesetzt. Mit der Einführung der 19 Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) 1997, BGBl. II 787/1996 idF. 118/2007. 20 Vgl. dazu: Huemer: Analyse, 2011, S. 160ff. Sedlak: Regeln, 2010, S. 75ff. 142
Teil 1.1: Öffentliches Finanzmanagement – Anforderungen und Erreichtes Globalbudgetierung wurde ein wichtiger Schritt in Richtung dezentraler Ressourcenverantwortung gesetzt. Es wurden eigene Geschäftsgruppen- ansätze geschaffen und jeder einzelnen Geschäftsgruppe ein nicht zu überschreitender Ausgabenrahmen bzw. Saldo festgelegt. In diesem Zu- sammenhang wurde eine einseitige Deckungsfähigkeit bei Personalkosten geschaffen. Das heißt, Einsparungen beim Personal können für Anschaf- fungen im Rahmen des Sachaufwandes genutzt werden. Nicht verbrauch- te Budgetmittel können einer Rücklage zugeführt werden und in der Ge- schäftsgruppe in den Folgejahren genutzt werden. Begleitet wurde dies durch den Einsatz betriebswirtschaftlicher Instrumente, wie des Control- lings, der Kosten- und Leistungsrechnung, der internen Leistungsverrech- nung sowie des Kontraktmanagement. Das Kontraktsystem steht für eine umfassende Vereinbarung über Ziele, Ressourcen, Produkte bzw. Leis- tungen sowie Rahmenbedingungen zwischen Politik und Verwaltung. Inhalte dieser Vereinbarung sind insbesondere die Klärung der Frage nach den Ergebnissen und Wirkungen, die mit der Leistungserbringung erzielt werden sollen. Auf Basis der Pilotprojekte ab 1998/1999 war das Kontraktmanagement mit 2005 nahezu flächendeckend umgesetzt. Im Jahr 2004 hat auch das Gender Budgeting Eingang in das Wiener Haus- haltswesen gefunden, gute Ansätze in der Umsetzung sind gegeben. 21 Im Land Vorarlberg wird seit vielen Jahren eine der Doppik ähnliche Buchführung praktiziert. Neben der Einnahmen- und Ausgabenrechnung gibt es eine umfassende Vermögensrechnung. In Oberösterreich hat das 22 Reformprojekt WOV 2015/2021 zu einer Weiterentwicklung des internen Rechnungswesens geführt. Auch in den anderen Bundesländern wurden Elemente des Public Ma- nagements umgesetzt, ganzheitliche Ansätze zur Haushaltsreform wurden jedoch nicht verfolgt. Die mittelfristige Ausrichtung der Länderhaushalte ist allerdings noch unterentwickelt. Mittelfristige Budgetplanungen auf Basis einheitlicher Standards bestehen nicht. 23 Grundlegende, länderübergreifende Analysen zeigen, dass der In- formationsgehalt der Landesvoranschläge und Landesrechnungsab- schlüsse für die erforderlichen Steuerungs-, Informations- und Kontrollan- forderungen unzureichend ist. Die Budgetgrundsätze der Vollständigkeit und Budgetklarheit erfordern ein Haushaltswesen, das die Beteiligungen der Länder konsolidiert und mit einrechnet. Dies ist in der Praxis jedoch nicht gegeben. Eine gesamtstaatliche Steuerung erfordert konsistente, miteinander vergleichbare Informationen über alle öffentlichen Einrichtun- gen, was derzeit nicht Standard ist. Daraus ergeben sich Harmonisie- rungserfordernisse hinsichtlich der funktionalen und ökonomischen Glie- derung auf den einzelnen Ebenen. Weiters sollte das Rechnungswesen auf Länderebene neben finanzwirtschaftlichen auch betriebs- und ge- samtwirtschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. 21 Vgl. dazu: Mohr: Regeln, S. 166 ff. 22 Vgl. dazu den Beitrag von Paul Gruber, Gerold Kaltenbrunner und Eduard Pesendorfer zum Thema „WOV 2021 – Konzept, Erreichtes, Ausblick“ in der vorliegenden Publikation. 23 Vgl. dazu: Hauth: Informationsgehalt, 2011, S. 156ff. 143
Peter BIWALD, Bruno ROSSMANN 3.2 Gemeindeebene Das externe Rechnungswesen ist auf Gemeindeebene inputorientiert und von einem sehr hohen Detaillierungsgrad gekennzeichnet, der wiederum die Transparenz und Aussagekraft für externe Interessensgruppen (Bür- 24 gerinnen und Bürger, Gemeinderat) einschränkt. Eine Vermögens- rechnung ist in den Betrieben und betriebsähnlichen Einrichtungen Stan- dard – eine flächendeckende Vermögensrechnung gibt es in einigen Ge- meinden, in einzelnen Bundesländern ist sie gesetzlich festgelegt. Mit den in den letzten Jahren zunehmenden Ausgliederungen hat die Gesamtsicht auf den kommunalen Haushalt gelitten. Es gibt derzeit keine Konsolidie- rungspflicht, weder des Vermögens noch der Schulden. Die mittelfristige Finanz- und Investitionsplanung ist seit mehr als zehn Jahren in allen Bundesländern verpflichtend, die Umsetzung zeigt jedoch qualitative Mängel. Public Management bildet bei der Weiterentwicklung der öffentlichen Verwaltungen auf der Ebene der Gemeinden seit mehr als zehn Jahren das zentrale Reformkonzept. Eng damit verbunden ist der Übergang von der Input- zur Output- und Outcomesteuerung sowie dem Auf- und Aus- bau eines ganzheitlichen, ergebnis- und wirkungsorientierten Steuerungs- 25 systems. In den österreichischen Städten und Gemeinden ist diesbezüglich in den letzten 15 Jahren viel geschehen. Die ersten Produktkataloge wurden Mitte der 1990er Jahre in der Praxis eingesetzt, im Jahr 1999 ist der Pro- duktkatalog des Österreichischen Städtebundes als Handlungsanleitung 26 und Handlungsempfehlung erschienen. Ein überarbeiteter Katalog wurde 27 2009/2010 entwickelt. Globalbudgetierung und dezentrale Ressourcen- verantwortung haben in einer Vielzahl von Städten aber auch kleineren Gemeinden Anwendung gefunden. Kontraktmanagement ist seit den spä- ten 1990er Jahren ein Thema wie auch die Produktsteuerung – in Form von Produkthaushalten wie auch einer produktorientierten Budgetierung und Steuerung. Einzelne Städte verfolgen auch einen ganzheitlichen Steuerungsansatz auf Basis der Balanced Scorecard. Faktum ist derzeit immer noch, dass die outputorientierten Instrumente und Verfahren paral- lel zum inputorientierten Gemeindehaushaltswesen entwickelt wurden und eingesetzt werden. Globalbudgets haben auch in der Praxis kleiner Gemeinden einen rela- tiv großen Stellenwert. Insbesondere in Oberösterreich können die Ge- meinden für verschiedene Einrichtungen, wie z.B. Schulen, Musikschule, Kindergärten etc., bestimmte Positionen der Sachausgaben (Postenklasse 4, 6 und 7) in einem Globalbudget zusammengefasst und damit als ge- genseitig deckungsfähig erklärt werden. Nicht verbrauchte Mittel können nach – gemeindeindividuellen Regelungen – in das nächste Jahr mitge- nommen werden. Das Besondere an der oberösterreichischen Praxis ist, 24 Vgl. dazu: Biwald: Haushaltswesen, 2010, S. 395ff. 25 Vgl. dazu: Biwald: Steuerung, 2008, S. 245ff. 26 KDZ; Österreichischer Städtebund; BMF: Kommunalmanagement, 1999. 27 KDZ; Österreichischer Städtebund: Produktkatalog, 2010. 144
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