18 50 Photonics Flashlight

Die Seite wird erstellt Hannes Hennig
 
WEITER LESEN
18 50 Photonics Flashlight
Ausgabe 2 | September 2021

          FL ASHL IGHT

                       18      Laserbiomimetik –
                               ( R ) evolutionierte
                               Oberflächen

                                   50
38
     Thermoplastische
     Nanomaterialien               Hinterspritzte OLEDs
     für die Massenfertigung       für Beleuchtungen
     transparenter Gläser          an Bedieneinheiten
18 50 Photonics Flashlight
Experten in Optikfertigung
und Messtechnik
• Einfache Werkstückeinrichtung dank präziser Messung des Werkzeug-Offsets
• Berührungslose Messtechnik für schnelle und hochgenaue Messung ohne Beschädigung der Oberfläche
• Zuverlässige und vergleichbare Messergebnisse durch abgestimmte Lösungen mit AMETEK
  Ultrapräzisionstechnologie-Systemen

          Diamant                      3D – Form-                      Oberflächen-
          Drehen                       messtechnik                     messtechnik

Precitech’s Nanoform X            Taylor Hobson’s LUPHOScan HD      ZYGO’s Nexview™ NX2
18 50 Photonics Flashlight
ediTorial

Liebe Photonics flashlight-Leser,

Wir leben in komplizierten Zeiten – und ich meine ausnahmsweise einmal nicht
Corona.
   Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Aber die
Zusammenhänge sind vielschichtig und für Nicht-Wissenschaftler schwer verständ-
lich. Viele stehen ratlos vor der Mammutaufgabe, den Klimawandel aufzuhalten.            Dr. thomas r. Dietrich
Dabei müssen viele Teildisziplinen ihren Beitrag leisten. Denn nur in Kooperation        Geschäftsführer,
                                                                                         ivAm fachverband für
und Zusammenarbeit können wir die Auswirkungen unseres Handelns verstehen                mikrotechnik
und dann auch gezielt gegensteuern.
   Ein weiteres gesellschaftliches Problem ist die Überalterung unserer Gesellschaft,
die u. a. unser Gesundheitssystem an seine Leistungsgrenzen bringt. Es gibt nicht aus-
reichend Pflegekräfte, Krankenhausbetten sind rar und teuer. Hier kann technologi-
sche Unterstützung, z. B. durch mobile Diagnostik, Telemedizin und Pflegeroboter,
helfen. Die Zusammenarbeit von Medizinern und Technologen wird immer wichtiger.
    In allen diesen Bereichen ist die Mikrotechnik ein Teil der Lösung. Ob man
Umweltdaten z. B. durch optische Sensorsysteme oder ob man hochsensible Kör-
perdaten in mobilen Diagnosegeräten erfasst, ob man Produktionsmaschinen oder
Autos, Flugzeuge, Züge oder Raumschiffe steuern will: Überall spielt Mikrotechnik
eine große Rolle.
   Aber auch für die Mikrotechnik gilt, wie bereits für andere Bereiche gesagt: nie-
mand kann alles wissen, Kooperationen sind das Mittel, um einen umfassenden
Überblick zu erhalten.
   Das gilt genauso für Netzwerke und Verbände. Deshalb freue ich mich sehr, dass
IVAM und Optence so gut und erfolgreich zusammen arbeiten. Wir konnten z. B.
gerade auf unserem Hightech Summit die spannenden Ideen der Optence-Mit-
gliedern den IVAM-Mitgliedern vorstellen. Herzlichen Dank an Frau Reuter und
Frau Murr!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre bei der Beschreibung
von optischen Technologien und Produkten, die unsere Welt ein Stück besser machen
werden.

Dr. thomas r. Dietrich
Geschäftsführer, IVAM Fachverband für Mikrotechnik

                                                                           PhotonicS fLAShLiGht              3
18 50 Photonics Flashlight
Inhalt

    Branchen - News                                    Forschung und
                                                       Entwicklung
    6     KI im Mittelstand: Roadmaps und
          Praxisbeispiele für den Einstieg

    6     Meyer Optik Görlitz – Neugründung als
          eigenständiges Unternehmen
                                                            Hochleistungslaser
    7     Zentrum für Künstliche Intelligenz
          in Coburg
                                                            für die Neurowissenschaft

                                                            12
    7     SPEEDKongress „Optik & Beleuchtung“
          ein voller Erfolg

    8     TRUMPF gründet Unternehmen für
          Ortungstechnologie

    8     Excelitas Technologies trifft Vereinbarung
                                                       12    Hochleistungslaser für die
          zur Übernahme der PCO AG                           Neurowissenschaft
    8     Photovoltaics Report informiert über
                                                       16    Durchbruch in der Fusionsforschung
          Fakten zur Solarenergie weltweit
                                                       17    Neues Konzept für intensive XUV-Laser
    9     Innovationslage im Mittelstand
          macht Sorgen                                 18    Laserbiomimetik – (R)evolutionierte
                                                             Oberflächen
    10    Europäische Photonikbranche wächst mehr
          als doppelt so stark wie das globale BIP     24    Forscherteam weist „Spin“ einer
                                                             Nanoschallwelle erstmals in Echtzeit nach
    10    Neue optische Fingerabdrucksensoren mit
          IR-Wellenlängen bei 1380 nm                  25    Paradoxe Wellen: Gefangene Lichtteilchen
                                                             auf dem Sprung
    11    Optence feiert 20-jähriges Bestehen
                                                       25    Schaltbare IR-aktive organische Pigmente

                                                       26    Beleuchtung des Beobachtungs­feldes zur
                                                             Aufnahme von spektral aufgelösten Bildern

                                                                      21
                                                                      Neues Konzept
                                                                      intensive
                                                                      XUV-Laser

4        photonics Flashlight                                                             2 | September 2021
18 50 Photonics Flashlight
Inhalt

TECHNOLOGIE UND                                 Quanten -
APPLIKATION                                     technologie
35   Satelliten zur Erkennung von Waldbränden   54   Erster Quantencomputer wird im
                                                     Jahr 2025 enthüllt
36   Verbesserte Lade­fähigkeit von Batterien
     durch laserbasiertes Verfahren             54   Fraunhofer IOF bekommt mehr Raum
                                                     für Quantenforschung
36   Smarte Optiken mit Nano­strukturen
     für kostengünstiges Lichtmanagement        55   Initiative QuNET demonstriert
                                                     Quantenkommuniktion
37   Head-Mounted Displays im direkten
     Vergleich: Welches System hat die beste
     Reichweite und Präzision?

38   Thermoplastische Nanomaterialien für die
     Massenfertigung transparenter Gläser
                                                56
42
                                                Veranstaltungen
     Fraunhofer IWS erprobt tausendfach
     schnellere Strahlformung

42   Filteraufwand beim Reaktorrückbau durch
     Laserstrahlschneiden reduzieren
                                                58
43   Miniatur-Spektrometer fürs Smartphone

44   Kunststofflinsen für kostengünstigere
                                                Produkt -
     Head-Up-Displays                           und ­Lieferanten -
48   Infrarot-Detektor für Smartphones und
     autonome Fahrzeuge
                                                verzeichnis
49   Optronia macht digitale Rehkitz-
     Rettung möglich
                                                64
50   Hinterspritzte OLEDs für Beleuchtungen
     an Bedieneinheiten
                                                Impressum

50          Hinterspritzte OLEDs
            für Beleuchtungen an
            Bedieneinheiten

                                                                     photonics Flashlight     5
18 50 Photonics Flashlight
BraNcheN - News

                 ki im mittelstand: roadmaps und Praxisbeispiele für den
                 einstieg

                Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie für die zukünftige Wett-
                bewerbsfähigkeit von Unternehmen jeder Größe. Sie bietet ein wirksames Werk-
                zeug, um betriebliche Prozesse und bestehende Produkte zu verbessern oder neue
                Geschäftsmodelle zu entwickeln. Deutsche Mittelständler nutzen die Chancen von
                KI allerdings bislang kaum. Ihnen fehlen häufig gut aufbereitete Daten, Know-how
                und Investitionsspielraum. In einer aktuellen Publikation zeigt die Plattform Ler-
                nende Systeme die Potenziale von KI anhand erfolgreicher Praxisbeispiele aus dem
                Mittelstand und gibt Unternehmen konkrete Umsetzungspläne für die Einführung
                intelligenter Systeme an die Hand.
                  Eine große Hürde stellt häufig die erforderliche KI-Expertise dar. Unternehmen
                müssen das notwendige Know-how nicht selbst aufbauen, sondern können erfor-
                derliches Wissen von außen einholen. Neben externer Beratung sind auch Koope-
                rationen mit Forschungseinrichtungen oder Hochschulen möglich. Das Papier stellt
                dazu verschiedene Förderprogramme und Anlaufstellen für mittelständische Unter-
                nehmen vor.
                  Die Plattform Lernende Systeme wurde 2017 vom Bundesministerium für Bil-
                dung und Forschung (BMBF) auf Anregung des Fachforums Autonome Systeme des
                Hightech-Forums und acatech gegründet. Sie vereint Expertinnen und Experten aus
                Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft aus dem Bereich Künstliche
                Intelligenz.
                > weitere informationen

                 meyer optik Görlitz – neugründung als eigenständiges
                 unternehmen

                Meyer Optik Görlitz, bislang lediglich ein Markenname, firmiert mit sofortiger Wir-
                kung als eigenständiges Unternehmen und manifestiert so seine Basis für zukünftige
                Entwicklungen.
                   Ende 2018 hat OPC Optics die Marke „Meyer Optik Görlitz“ übernommen und
                seither die gesamte Struktur, inklusive Portfolio, vollständig neu aufgebaut. Die
                Konsequenz daraus ist nun die neue Meyer Optik Görlitz GmbH, mit Sitz in Bad
                Kreuznach. „Besonders hervorheben möchte ich, dass die Gründung perfekt in das
                Jubiläumsjahr von Meyer Optik passt und wir somit, 125 Jahre nach der initialen
                Gründung, dem Ganzen nun noch mehr Substanz und Leben einhauchen können“
                erläutert der Geschäftsführer Timo Heinze.
                > weitere informationen

6     PhotonicS fLAShLiGht                                                           2 | sepTemBer 2021
18 50 Photonics Flashlight
BraNcheN - News

 Zentrum für künstliche intelligenz
 in coburg

Die Hochschule Coburg schafft ein neues Kompetenz-
zentrum für angewandte künstliche Intelligenz (KI).
Es wird sich mit den Entwicklungen in den Bereichen
Industrie 4.0, Mobility und Smart City, Visual Compu-
ting, IT-Sicherheit sowie dem Internet der Dinge beschäf-
tigen. Darüber hinaus sollen ethische Fragestellungen der
künstlichen Intelligenz untersucht wer-den. Und es gibt
einen Schwerpunkt, in dem es um die Auswirkungen von
KI auf die Versicherungswirtschaft geht.
   Mit dem KI-Kompetenzzentrum bündelt die Hoch-

                                                                  Bildquelle: hochschule coburg
schule Coburg ihre bereits vorhandenen Kompeten-
zen auf den Gebieten Data Mining, KI für virtuelle und
erweiterte Realität, Bioinformatik, Internet der Dinge
und Sensordatenverarbeitung. Anfang des Jahres erhielt
die Hochschule vom Freistaat Bayern zudem die Zusiche-
rung der Finanzierung eines Institutsbaus in Höhe von             Die Anwendungen der künstlichen intelligenz
4,1 Mio. Euro.                          > weitere informationen   werden in Zukunft immer vielfältiger.

 SPeeDkongress „optik & beleuchtung“ ein voller erfolg

Am 31. August 2021 lud das Kunststoff-Institut Lüdenscheid                                                     Kunststoff-Institut
zum SPeeDkongress ein.                                                                                         Lüdenscheid
                                                                                                               kimW management Gmbh
                                                                                                               karolinenstraße 8
Die knapp 100 Teilnehmer, die auf Grund der Corona-Pandemie hauptsächlich                                      58507 Lüdenscheid

Online teilnahmen, konnten sich von Experten aus dem Kunststoff-Institut über die
Herausforderungen und Chancen im boomenden Markt für Optik und Beleuchtung
informieren.
  Hierzu gab es eine Reihe von spannenden Fachvorträgen zu den Themen Wachs-
tumsmarkt Polymeroptiken, Werkstoffinnovationen, Technologie und Trends im
Lichtdesign, Material- und Schadensanalyse, Einstieg in neue Märkte und dem ZIM
Kooperationsnetzwerk CAM-SYS-4.0 “Mikrooptiksysteme aus Kunststoff“, welches
durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert wird.
                                                                                                               tobias kammans
  Zusätzlich gab es eine Live-Schaltung aus dem Technikum zu den Themen Herstel-                               netzwerkmanager
lung von Kunststoffoptiken mittels Spritzguss-/Spritzprägetechnik und Leuchtdich-                              optische technologien
                                                                                                               +49 (0) 15 16 7 33 28 24
tenmessung an Symbolbeleuchtungen.                                                                             kammans@kimw.de

                                                                                                  PhotonicS fLAShLiGht                    7
18 50 Photonics Flashlight
BraNcheN - News

                 trumPf gründet unternehmen für ortungstechnologie

                TRUMPF hat am 1. Juli 2021 die Gesellschaft „TRUMPF Tracking Technologies
                GmbH“ gegründet. Es entwickelt und produziert Ortungssoftware und -elektro-
                nik für Fabrikausrüster, die sie in ihre Produkte einbauen können. Dadurch lassen
                sich elektronische Geräte wie W-LAN-Router, 5G-Sender oder Industrieleuchten zu
                einem Sender für Ortungstechnologie aufrüsten. Sie können dann beispielsweise in
                Fertigungsfabriken dafür sorgen, dass sich Produktionsaufträge und einzelne Pro-
                dukte orten und nachverfolgen lassen. „Mit unseren standardisierten Ortungslö-
                sungen ermöglichen wir smarte Logistik für die vernetzte Fertigung. Sie basiert auf
                offenen Standards und legt damit die Basis für einen anbieteroffenen und wirtschaft-
                lichen Einsatz.“, sagt Eberhard Wahl, langjähriger TRUMPF Mitarbeiter und CEO
                von TRUMPF Tracking Technologies. Das Unternehmen beschäftigt zunächst rund
                20 Mitarbeiter.
                   Sitz der neuen Gesellschaft ist Ditzingen.
                > weitere informationen

                 Excelitas Technologies trifft Vereinbarung zur Übernahme
                 der Pco AG

                Excelitas erweitert sein Photonikportfolio um die wissenschaftliche CMOS-Kamera-
                technologien von PCO. Die PCO AG aus Kelheim, Deutschland, ist ein privat geführ-
                tes Unternehmen und ein marktführender Entwickler und Hersteller von hochwerti-
                gen wissenschaftlichen CMOS-Kameras für die Bildgebung in der Biomedizin und in
                industriellen Hochgeschwindigkeitsanwendungen.
                > weitere informationen

                 Photovoltaics report informiert über fakten zur Solarenergie
                 weltweit

                Seit zehn Jahren veröffentlicht das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE,
                unterstützt durch die PSE Projects GmbH, regelmäßig den Photovoltaics Report, kurz
                PV Report. Dieser stellt die wichtigsten Fakten zur Photovoltaik in Deutschland, der
                Europäischen Union und weltweit zusammen und dokumentiert damit insbesondere
                die Entwicklung des Photovoltaikmarkts, der Solarzellen- und Moduleffizienz sowie
                der Preise in den letzten Jahrzehnten.
                > download des aktuellen pV reports
                > aktuelle fakten zur photovoltaik in deutschland

8     PhotonicS fLAShLiGht                                                              2 | sepTemBer 2021
18 50 Photonics Flashlight
BRANCHEN - NEWS

 Innovationslage im Mittelstand macht Sorgen

Die verhaltene Innovationstätigkeit im deutschen Mittelstand vor und während der
Corona-Krise macht zunehmend Sorge. Laut dem jüngsten von der KfW veröffent-
lichten Innovationsbericht Mittelstand ist nur rund jeder fünfte deutsche Mittel-
ständler mit Innovationen aktiv.
   Eine Aktivierung kleiner und mittlerer Unternehmen für mehr Innovationen kann
nach Auffassung der Zuse-Gemeinschaft daher am besten über zielgenaue Projekt-
förderung gelingen.
   Zu konstatieren ist, dass die starke Steigerung der Forschungsausgaben in Deutsch-
land bisher viel zu wenig im Mittelstand ankommt. „Während staatliche Forschungs-
ausgaben wie zugunsten des „Pakts für Forschung und Innovation“ sowie die Aufwen-
dungen von Großunternehmen für FuE weiter steigen, fehlt es bei der Entwicklung
der Innovatorenquote im Mittelstand bislang an Dynamik“, erklärt Dr. Klaus Jansen,
Geschäftsführer der Zuse-Gemeinschaft.

    INNOVATORENQUOTE IM MITTELSTAND UND FORSCHUNGSAUSGABEN
    Während Deutschlands Forschungsausgaben immer stärker gestiegen sind, liegt der Anteil der
    Innovationen hervorbringenden Mittelständler auf relativ niedrigem Niveau.

    Ausgaben in Milliarden Euro                                                                                         Innovatorenquote in Prozent*
    120                                                                                                                                            50

                                                                                                                                                   45
            42 %
    100
                                                                                                                                         109,5
                                                                                                                                         Mrd. € 40

                                                                                                                                                   35
     80
                                                                                                                                                   30

     60                                                                                                                                            25
                                                                                                                                           22 %
          55,0                                                                                                                                     20
     40
          Mrd. €                                                                                                                19 %
                                                                                                                                                   15
                                                                                                                                          33,9
     20                                                                                                                                  Mrd. € 10

           16,9                                                                                                                                    5
          Mrd. €
      0                                                                                                                                            0
           2004       2005      2006      2007     2008   2009   2010   2011   2012     2013    2014    2015     2016    2017     2018    2019

                  Forschungsausgaben des Staates und der Wirtschaft       *Erhebung der KfW erfolgt jeweils für einen Dreijahreszeitraum, z.B. wurde
                  FuE-Ausgaben von Bund und Ländern                        in der 2019er Erhebung nach der Innovationstätigkeit 2016–2018 gefragt.
                                                                           Der entsprechende Wert 19 % wurde für 2018 aufgetragen. Methodische
                                                                           Umstellung 2019, daher direkter Vergleich zu Vorjahren nicht möglich.

     Quellen: OECD, Statistisches Bundesamt, KfW
     Stand: Juni 2021

                                                                                                                                            PHOTONICS FLASHLIGHT   9
18 50 Photonics Flashlight
BraNcheN - News

                 europäische Photonikbranche wächst mehr als
                 doppelt so stark wie das globale biP
                 Eine Studie der Deep-Technology-Forschungsgruppe Tematys zeigt, dass die euro-
                 päische Photonik mehr als doppelt so schnell wächst wie das globale Bruttoin-
                 landsprodukt (BIP) – und damit das BIP der EU und die Industrieproduktion der
                 EU um das Drei- bzw. Fünffache übertrifft. Photonisch Technologien, die für viele
                 High-End-Produkten der nächsten Generation unverzichtbar sind, haben sich als
                 langfristiger Wachstumstreiber in wichtigen Zukunftsmärkten erwiesen.
                    Die Photonik eine der resilientesten und am schnellsten wachsenden Branchen
                 in Europa und übertrifft laut der neuen „Marktforschungsstudie – Photonik 2020“
                 viele andere Marktsegmente. Die europäische Photonik ist der Schlüssel zu mehreren
                 Megamärkten – darunter Industrie 4.0, Digitalisierung, Quantentechnologie, Künst-
                 liche Intelligenz, IoT – und hat viele Marktsegmente und Anwendungen geschaffen
                 z. B. in den Bereichen Raumfahrt, Gesundheitswesen, Umwelt, Verteidigung oder
                 Sicherheitstelekommunikation.
                    Die Studie liefert Marktzahlen der europäische Photonik von 2015 bis 2019: Die
                 Branche wuchs mit einer jährlichen Wachstumsrate von 7 % und hatte einen Wert
                 von 103 Milliarden Euro im Jahr 2019.
                 > weitere informationen zur marktstudie

                 neue optische fingerabdrucksensoren mit
                 ir-Wellenlängen bei 1380 nm
                 IR-Emitter bei 1380 nm ermöglichen den Einsatz optischer Fingerabdrucksensoren
                 unterhalb von Displays ohne Einbrennphänomene, erfordern jedoch hochauflösende
                 Testgeräte für eine präzise Spektral- und Leistungscharakterisierung.
                   Instrument Systems hat eine modulare IR-Testlösung entwickelt, die die hohen
                 Anforderungen bei der Anwendung von optischen Fingerabdrucksensoren unter
                 dem Display mit Wellenlängen oberhalb von 1100 nm erfüllt. Mittels IR-Strahlungs-
                 quellen bei 1380 nm können Einbrennphänomene bei Displays vermieden werden.
                 Allerdings erfordert die Prüfung dieser Applikationen eine High-End-Lösung: hoch-
                 auflösend und kalibriert für die präzise Messung radiometrischer Größen, Pulsmes-
                 sung im μs-Bereich und mit Temperatur-Steuerung.
                 > weitere informationen

10     PhotonicS fLAShLiGht                                                          2 | sepTemBer 2021
BraNcheN - News

optence feiert 20-jähriges                                          Bestehen
Mit einem Sommerfest auf einem rheinhessi-       gehen. Optence wurde im Januar 2001 gegrün-
schen Hofgut haben die Mitglieder von Optence    det. Nach dem Auslaufen der Förderung 2008
bei bester Laune und bestem Wetter das 20-jäh-   wird Optence nun durch Industriemittel getra-
rige Bestehen des Vereins gefeiert.              gen. Die Gründung der Photonics Hub GmbH,
   Aus der Schweiz angereist war der „Gründer-   die Internationalisierung des Clusters und Weg
vater“ von Optence, Prof. Theo Tschudi, der      zu ZIM Innovationsnetzwerken sind weitere
als Ehrenvorsitzender dem Verein immer noch      Meilensteine der erfolgreichen Entwicklung des
verbunden ist. Durch seine Mitwirkung im Len-    Netzwerks, das heute 109 Mitgliedern hat und
kungskreis der „Agenda Optische Technologien     unter dem Motto „Gemeinsam mehr erreichen“
für das 21. Jahrhundert“ konnten die deutschen   noch viel vor hat.
Photoniknetzwerke mit Fördermitteln des Bun-
desforschungsministeriums ab 2000 an den Start   > www.optence.de

                                                                                                  motive: photonics hub

                                                                       PhotonicS fLAShLiGht       11
TechNologie uNd applikaTioN

      Hochleistungslaser
           Neuro-          für die

      wissenschaft

                                                                                            © ag visuell / stock.adobe.com
       Autoren: Dr. robert riedel · Luisa hofmann
       class 5 Photonics Gmbh

        Die hochleistungslaser der    multiphotonenmikroskopie in der
                                      neurobiologie
           class 5 Photonics Gmbh
             eröffnen Biologen und    Die Multiphotonenmikroskopie ist eine Schlüs-
        neurowissenschaftlerinnen     seltechnologie für Biologen und Neurowissen-
           neue, zukunftsweisende     schaftlerinnen um ein besseres Verständnis des
                                      Gehirns und seiner Funktionalitäten zu gewin-
            mikroskopiemethoden.      nen: Wie entstehen Gefühle? Wie funktioniert
     Somit könnten bahnbrechende      der Tastsinn? Wie werden komplexe Entschei-
        erkenntnisse in der neuro-    dungen getroffen? Die Technik der Multiphoto-
                                      nenmikroskopie erlaubt nicht nur die Auflösung
       wissenschaft erzielt werden.   einzelner Zellen, sondern auch die volumetri-
                                      sche in-vivo Messung der neuronalen Aktivität.
                                      Hierzu werden spezielle genetisch kodierte Kal-
                                      ziummarker (genetically encoded calcium indi-
                                      cators GECIs) eingesetzt, welche nur dann ein
                                      Fluoreszenzsignal liefern, wenn eine bestimmte
                                      Kalziumkonzentration und damit ein Aktions-
                                      potential an der Nervenzelle anliegt, wenn die
                                      Nervenzelle also aktiv ist, und ein Laser zur

12        PhotonicS fLAShLiGht                                         2 | sepTemBer 2021
Forschung und Entwicklung

Fluoreszenz anregt. Ist genug Laserleistung vor-      misst, trägt bereits ein erheblicher Anteil der
handen, erlauben verschiedene, neue Strategien        Laserintensität in oberen Gewebeschichten vor
der Strahl- und Pulsformung im Mikroskop die          dem Fokus zur Fluoreszenz bei und verhindert
Abtastung sehr großer Volumina im mm3-Maß-            daher eine gute Tiefenauflösung. Zudem wer-
stab und annähernd in Echtzeit. Dies ermög-           den die kurzen Wellenlängen für lineare Fluo-
licht das Abrastern größerer neuronaler Popu-         reszenzmikroskopie im sichtbaren Bereich bei
lationen, in welchen massive parallele Prozesse       ca. 480 nm stärker vom Gewebe gestreut und
ablaufen. Wissenschaftlerinnen und Biologen           reduzieren damit weiter die optische Auflösung.
erwarten, dass dies zu einem tieferen Verständ-       Bei der Zwei-Photonenmikroskopie, dem ersten
nis führen kann, wie auf neuronaler Ebene             Schritt in der Multiphotonenmikroskopie, wird
gleichzeitig Sensorikinformationen sowie Ver-         die doppelte Anregungswellenlänge verwendet,
haltensinformationen ausgewertet werden. Eine         welche üblicherweise im nah-infraroten Bereich
neu demonstrierte, zukunftsweisende Technik           bei 960 nm liegt. Dies verringert einerseits die
ermöglicht zum Beispiel die Abtastung einer           Streuung, andererseits ist eine deutlich höhere
Hirnregion mit ca. 1 Millionen Neuronen inner-        Lichtintensität erforderlich, um die Fluoreszenz
halb eines Volumens von 16 mm3 bei einer Bild-        mittels Zwei-Photonenabsorption nichtlinear
rate von 2 Hz [1].                                    anzuregen. Dieser Schwellenwert wird erst sehr
                                                      nah am Fokus erreicht, wie in Abb. 1 dargestellt
                                                      ist. Die erreichten Tiefen mit Zwei-Photonen­
Messen in der Tiefe                                   mikroskopie betragen zwischen 500 und 800 μm.
                                                      In GECI-ausdrückenden Labormäusen, welche
Ein Vorteil der Multiphotonenmikroskopie im           häufig als Modellsysteme verwendet werden lie-
Gegensatz zur linearen Fluoreszenzmikrosko-           gen jedoch die wirklich interessanten Regionen,
pie ist ein sehr hoher Kontrast in der Tiefe und      wie Teile des Hippocampus, deutlich unterhalb
somit die Messung tief im Inneren liegender           eines Millimeters Tiefe. Traditionell führte bis-
Neuronen und Zellen. Denn sobald man mittels          lang kein Weg an invasiven Methoden vorbei,
linearer Fluoreszenzmikroskopie in der Tiefe          um diese relevanten Regionen freizulegen.

Abbildung 1: Prinzip der linearen Fluoreszenzmikroskopie im Vergleich zur Multiphotonenmikroskopie
(Zwei-Photonen- und Drei-Photonenmikroskopie). In der Drei-Photonenmikroskopie kann gezielt in der
Tiefe gemessen werden, da nur im Fokus genug Laserintensität erreicht wird um via Drei-Photonen­
absorption zur Fluoreszenz anzuregen. Somit lässt sich Gewebe unterhalb eines Millimeters Tiefe abtasten.
                                                                                                        © Class5 Photonics

                                                                                photonics Flashlight                         13
Forschung und Entwicklung

     Durchbruch in der                                einem Millimeter – und weiterhin große Volu-
     Drei-Photonenmikroskopie                         mina abzurastern [2], werden neuartige Femto-
                                                      sekundenlaser benötigt, welche die genannten
     Heutzutage ermöglichen neuartige Hochleis- Spektralbereiche um ca. 1300 und 1700 nm mit
     tungslaser und optische Systeme den Zugang genügend Pulsenergie und Leistung liefern.
     zu diesen noch tieferen Bereichen mittels
     Drei-Photonenmikroskopie, der nächste Schritt
     gegenüber der Zwei-Photonenmikroskopie. Das Neue Hochleistungslaser
     Prinzip ist sehr ähnlich, nur dass Wellenlängen
     im kurzwelligen Infrarot bei 1300 oder 1700 nm Die Class 5 Photonics GmbH hat sich darauf
     eingesetzt werden. Durch die noch höhere spezialisiert Laser für Drei-Photonenmikrosko-
     Laserintensität, die für Drei-Photonabsorption pie mit einigen μJ Pulsenergien und -repetitions­
     benötigt wird, wird die Fluoreszenz nur in einem raten bis zu 16 MHz zu bauen. Die resultieren-
     sehr kleinen Fokalbereich angeregt. Eine Kon- den mittleren Leistungen von 6 W sind einzig
     trastverringerung durch Fluoreszenzstreuung mittels der sogenannten optisch-parametrischen
     vor dem Fokus ist kaum vorhanden. In Abb. 2 Verstärkung bei den eher exotischen Wellenlän-
     ist eine Vergleichsmessung zwischen Zwei-Pho- gen 1300 und 1700 nm zu erreichen, welches
     tonen- und Drei-Photonenmikroskopie gezeigt, ebenfalls ein nichtlineares Verfahren darstellt.
     und zwar im sogenannten Gyrus dentatus des Das Unternehmen setzt diese Verstärkertechnik
     Hippocampus einer Maus. Beide Abbildungen gezielt ein, um Hochleitungs-Femtosekunden-
     wurden mit dem gleichen Mikroskopaufbau laser mit mittleren Leistungen von sogar bis zu
     der Rapp OptoElectronic GmbH aufgezeichnet. 100 W zu realisieren. Der White Dwarf OPCPA
     In der hier gezeigten Tiefe von 500 μm ist der (siehe Abb. 3) ist ein Lasersystem welches eigens
     Kontrast der Zwei-Photonenmessung bereits für die Drei-Photonenmikroskopie entwickelt
     deutlich schlechter, als bei der Drei-Photonen- wurde und liefert die höchste Pulsspitzen-
     messung. Um jedoch die hohen erforderlichen leistung und -repetitionsrate für den Mikros­
     Intensitäten zu erreichen um noch tiefer – unter kopiemarkt. Das für seine hohe Leistung sehr

                                                                                                  Abbildung 2:
2p                                     3p
                                                                                                  Zwei-Photonen-
                                                                                                  messung (2p) and
                                                                                                  Drei-Photonen­
                                                                                                  messung (3p) des
                                                                                                  Gyrus dentatus im
                                                                                                  Hippocampus der
                                                                                                  Maus. Gemeinsame
                                                                                                  Messkampagne von
                                                                                                  Rapp OptoElectronic
                                                                                                  GmbH und Class 5
                                                                                                  Photonics GmbH
                                                                                                  in Hamburg. Die
                                                                                                  Probe wurde von
                                                                             © Class5 Photonics

                                                                                                  der Universitätsklinik
                                                                                                  Hamburg-Eppendorf
                                                                                                  (UKE) bereit gestellt.

14      photonics Flashlight                                                                             2 | September 2021
forschuNg uNd eNTwickluNg

kompakte Lasersystem zeichnet sich nicht nur
durch seine Leistungsparameter aus, sondern
insbesondere durch seine einfache Bedienbar-
keit und Wartungsfreiheit. „Unsere Technologie
erlaubt es uns die Nutzererfahrung von heutigen
Industrielasern auf cutting-edge Femtosekun-
denlaser zu übertragen. Damit ermöglichen wir
in der Lasertechnik weniger erfahrenen Neuro-
                                                                                                                            © class5 photonics
wissenschaftlerinnen und Biologen den Zugang
zu modernster Drei-Photonenmikroskopie“, so                               Abbildung 3: White Dwarf oPcPA Lasersystem welches eigens
                                                                          für die Drei-Photonenmikroskopie entwickelt wurde.
Thomas Braatz, Produktionsleiter bei Class 5
Photonics. Die Drei-Photonenmikroskopie zu
immer höheren Volumina und Geschwindig-
keiten zu entwickeln stellt hohe Anforderungen
                                                                              class 5 Photonics Gmbh
an die Messtechnik und die Lasersysteme. Dank
der überragenden Performance seiner Produkte                                  class 5 Photonics baut hoch spezialisierte Laser für
                                                                              die Spitzenforschung. Zum Beispiel eröffnen die
ist das Unternehmen in der Position eine gestal-
                                                                              oPcPA Laser verstärker von class 5 Photonics neuro-
tende Rolle im Drei-Photonemikroskopiemarkt                                   wissenschaftlern ganz neue mikroskopiemethoden
einzunehmen.                                                                  oder ermöglichen Physikerinnen ultraschnelle Prozesse
                                                                              – auf femtosekundenskala – in molekülen und
                                                                              festkörperstrukturen zu untersuchen. class 5 Photonics
                                                                              wurde 2014 als Spin-off des Deutsches Elektronen-
Zusammenfassung                                                               Synchrotron (DeSy) und des helmholtz-institut Jena
                                                                              gegründet.

Die Multiphotonenmikroskopie erreicht mit-
tels fortgeschrittener Scan- und Messtechnik
und modernster Lasersysteme volumetrische
in-vivo Echtzeitmessungen neuronaler Aktivität
in großen Volumina und für einzelne Neuronen.
Damit erhoffen sich Neurowissenschaftlerinnen                                 Autoren
und Biologen in Zukunft komplexe Studien und
                                                                                                  Dr. robert riedel
Erkenntnisse zu fundamentaler Hirnaktivität,                                                      ceo
wie Lernen, Gedächtnis und anderer kognitiver                                                     class 5 Photonics Gmbh
Funktionen.                                                                                       notkestraße 85
                                                                                                  22607 hamburg
                                                                                                  robert.riedel@class5photonics.com

                                                                                                  Luisa hofmann
                                                                                                  Sales managerin
 Literatur                                                                                        class 5 Photonics Gmbh
                                                                                                  notkestraße 85
 [1] demas J., manley J., Tejera f., and et al. high-speed, cortex-wide                           22607 hamburg
     volumetric recording of neuroactivity at cellular resolution using
     light beads microscopy. Nat methods, 2021.
                                                                                                  luisa.hofmann@class5photonics.com
 [2] weisenburger et al. Volumetric ca2+ imaging in the mouse Brain
     using hybrid multiplexed sculpted light microscopy. cell, 177,
     2019.

                                                                                                   PhotonicS fLAShLiGht                   15
forschuNg uNd eNTwickluNg

     Durchbruch in der fusionsforschung
     Am Lawrence Livermore National Laboratory          das Prinzip des „direct-drive“, bei dem die Kapsel
     (LLNL) in Kalifornien ist in diesen Tagen ein      direkt von Laserstrahlen getrieben wird. Dieses
     Durchbruch in der Fusionsforschung geglückt.       Verfahren ist ein vielversprechender Ansatz für
     Erstmals konnte fast genau so viel Energie         die kommerziell attraktive Energieproduktion
     erzeugt werden, wie Laserenergie aufgewendet       und ist unbrauchbar für militärische Anwen-
     wurde – mehr als 1.300 Kilojoule. Professor        dung. Die TU Darmstadt hat darüber hinaus
     Markus Roth, Physiker und Experte für Laser-       ein Verfahren entwickelt, welches verspricht, mit
     fusions-Forschung an der TU Darmstadt, hat         kleineren Laseranlagen und höherem Energie-
     am Bau des bei dem Experiment verwendeten          gewinn einen effizienteren Weg zur sauberen,
     Lasers mitgearbeitet. Die Fusionsforschung an      sicheren und zuverlässigen Energieversorgung
     der TU Darmstadt arbeitet seit vielen Jahren auf   zu beschreiten.
     dem Gebiet der zivilen Nutzung der Fusion mit
     dem Lawrence Livermore National Laboratory
     zusammen. Dabei verfolgt die TU Darmstadt          > weitere informationen

                                                  ANzEIgE

              Sie sind auf der Suche nach einer praxisnahen, spannenden
              und hochqualitativen Weiterbildung im Bereich Laserschutz?

              Bei uns erwartet Sie Know-How direkt von einem der international
              führenden Laser-Spezialisten in Medizin, Biotechnologie und Industrie.
              Mit über 20 Jahren Erfahrung mit Schulungen für Laserschutzbeauftragte
              gemäß den jeweils aktuellen gesetzlichen Vorschriften können wir
              individuell auf Ihre Anwendung eingehen – ob online oder vor Ort in
              unserem modernen Omicron TechCamp bei Frankfurt am Main.

                                                   Sie haben noch Fragen?
                                                   Unser Team freut sich auf Sie.

                                                   Tel.: +49 (0)6106 8224 0
                                                   Mail: sales@omicron-laser.de
                                                         www.omicron-laser.de

16      PhotonicS fLAShLiGht                                                               2 | sepTemBer 2021
Forschung und Entwicklung

                                                                                                     Kompakte intensive
                                                                                                     XUV-Quelle.
                                                                                                     Ein NIR-Puls (rot)
                                                                                                     wird fokussiert und
                                                                                                     Höhere Harmonische
                                                                                                     werden in einem
                                                                                                     Jet von Atomen
                                                                                                     erzeugt, der sich
                                                                                                     vor oder hinter dem
                                                                                                     NIR-Fokus befindet.
                                                                                                     Auf diese Weise hat
                                                                                                     der erzeugte XUV-
                                                                                                     Strahl eine Größe
                                                                                                     und Divergenz,
                                                                                                     die der Größe und
                                                                                                     der Divergenz des
                                                                                                     NIR-Strahls ähneln.
                                                                                                     Aufgrund der
                                                                                                     kürzeren Wellenlänge
                                                                                                     ist der Fokus des
                                                                                                     XUV-Strahls jedoch
                                                                                                     viel kleiner als der
                                                                                                     Fokus des NIR-Strahls.
                                                                                                     Dies ermöglicht
                                                                                                     die Erzeugung von
                                                                                                     intensiven XUV-
                                                                                                     Pulsen die z. B. für

     Neues Konzept für
                                                                                                     die Multiphotonen-
                                                                                                     Ionisation von
                                                                                                     Atomen genutzt
                                                                                                     werden können

    intensive XUV-Laser
                                                                                                     (oberer Teil).

                                                                                    © Balázs Major

Ein internationales Team von Wissen-          erstreckt. Das neue Schema ist einfach
schaftlern vom Max-Born-Institut (Ber-        und könnte in vielen Laboren auf der
lin), ELI-ALPS (Szeged, Ungarn) und           ganzen Welt umgesetzt werden, was dem
INCDTIM (Cluj-Napoca, Rumänien)               Feld der ultraschnellen XUV-Wissen-
hat ein neues Konzept für die Erzeugung       schaft einen Auftrieb verleihen könnte.
von intensiver extrem-ultravioletter
(XUV) Strahlung basierend auf Höhe-
rer Harmonischen Generation (HHG)
demonstriert. Der Vorteil liegt darin, dass      Originalpublikation:
sein Fußabdruck viel kleiner als bei bis-
                                                 Compact intense extreme-ultraviolet source
her genutzten intensiven XUV-Lasern ist.         B. Major, O. Ghafur, K. Kovács, K. Varjú, V. Tosa, M. J. J. Vrakking
Forschern vom Max-Born-Institut ist es           and B. Schütte
                                                 Optica 8 (2021) 960-965 (Open Access)
nun gelungen, einen intensiven XUV-La-
                                                 https://doi.org/10.1364/OPTICA.421564
ser zu schrumpfen, sodass der gesamte
                                                 >	Weitere Informationen
Aufbau sich nur noch über zwei Meter

                                                                                  photonics Flashlight                   17
Forschung und Entwicklung

(a)
           Laserbiomi                           (b)

           (R)evolutionierte
           Oberflächen
                                    Autoren: Tim Kunze et al.
                                    Fusion Bionic GmbH

      18     photonics Flashlight                        2 | September 2021
Forschung und Entwicklung

imetik –                            (c)

Abbildung 1: Beispiele biomimetischer Oberflächen.
                                                                                                      Motive: Pixabay/com/de

(a) Lotusblatt mit wasserabweisender Oberfläche. (b) Mottenauge mit Anti-Reflexionsoberfläche.
(c) Flügel des Morpho-Schmetterlings mit blauer Struktur­farbe.

In
               der Natur haben sich im Laufe         und Anwendung von Erkenntnissen, die an bio-
               der Evolution vielfältige Struk-      logischen Vorbildern gewonnen werden, techni-
               turen und Prozesse entwickelt,        sche Fragestellungen zu lösen“ [1].
               welche optimal auf ihr Umfeld            Der Beginn der „modernen“ Biomimetik führt
abgestimmt sind. Von diesen natürlichen Prin-        zurück in die 1950er und 1960er Jahre. In dieser
zipien kann der Mensch bei der Entwicklung           Zeit wurden vor allem die Struktur und Fortbe-
neuer Technologien profitieren. Die Anwendung        wegung von Lebewesen untersucht, um prakti-
biologischer Phänomene in der Technik wird           sche Probleme im industriellen Kontext, wie in
unter dem Begriff der „Biomimetik“ zusam-            der Luft- und Raumfahrttechnik, zu lösen. Das
mengefasst.                                          wohl am weitesten verbreitete, biomimetischen
                                                     Beispiel ist der sogenannte Lotus-Effekt (siehe
                                                     Abbildung 1a). Entdeckt von Wilhelm Barthlott
Evolutionäre Oberflächen als                         in den 1990er Jahren ermöglicht der Lotus-­
Blaupause für technische Innovation                  Effekt die Selbstreinigung von Oberflächen nach
                                                     dem Vorbild der Lotuspflanze. Aber auch wei-
Heute, im 21. Jahrhundert, stellt die Biomimetik     tere biomimetische Effekte lassen sich beobach-
– im deutschen Sprachraum unter dem Begriff          ten: Beispielsweise zeigt sich am Mottenaugen­
Bionik zusammengefasst – ein breites, wissen-        effekt (siehe Abbildung 1b), dass die Reflexion
schaftliches Feld dar. Der Verein Deutscher Inge-    von Licht an einer Oberfläche kontrolliert redu-
nieure (VDI) definiert Bionik als „interdiszipli-    zierbar ist. Darüber hinaus veranschaulicht der
näre Zusammenarbeit von Biologie und Technik         Flügel des Morpho-Schmetterlings (siehe Abbil-
mit dem Ziel, durch Abstraktion, Übertragung         dung 1c), dass Farbeffekte auch allein durch

                                                                               photonics Flashlight               19
forschuNg uNd eNTwickluNg

2-Strahlinterferenz                                Linienmuster      Struktureffekte und gänzlich ohne Pigmente
                                                                     möglich sein können. Alle biomimetische Bei-
                                                                     spiele haben gemein, dass sie mit Oberflächen-
                                                                     strukturen mit Merkmalen im Mikrometer- und
                                                                     Nanometerbereich verknüpft sind.
4-Strahlinterferenz                                Punktmuster

                                                                     Biomimetik trifft Lasertechnologie

                                                                     Die im Zuge der Evolution entwickelten Ober-
                                                                     flächenstrukturen können den Innovationsgrad
      Abbildung 2:
                                                                     von Produkten und Prozessen stark steigern. Um
      (links) optische Überlagerung von teilstrahlen
      derselben Laserquelle zum Ausprägen definierter                diese Potentiale zu nutzen, sind leistungsfähige
      Laserinterferenzmuster durch 2-Strahl- und                     Produktionstechnologien erforderlich, welche
      4-Strahlinterferenztechnologie.
                                                                     die bioinspirierten Strukturen schnell, präzise
      (rechts) resultierendes interferenzmuster im Laserspot.
      © fusion Bionic
                                                                     und mit hinreichender Auflösung auf technische
                                                                     Oberflächen übertragen. An dieser Stelle kommt
                                                                     der Laser als Werkzeug der Zukunft ins Spiel.
                                                                        Die Fusion Bionic GmbH, ein Spin-off des
                                                                     Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahl-
                                                                     technik IWS, stellt eine innovative Lasertechno-
                                                                     logie bereit, die das effiziente Erzeugen biomi-
                                                                     metischer Strukturen ermöglicht. Durch Nutzen
                                                                     des Direkten Laserinterferenzverfahrens (engl.
(a)                                       (b)                        Direct Laser Interference Patterning, DLIP)
                                                                     können Oberflächenmerkmale mit Strukturgrö-
                                                                     ßen zwischen 300 Nanometer bis 30 Mikrometer
                                                                     mit Flächenraten von derzeit bis zu 0,9 m²/min
                                                                     und perspektivisch bis zu 2–5 m²/min erzeugt
                                 5 μm                        1 μm    werden. Abbildung 2 zeigt beispielhaft die opti-
                                                                     sche Überlagerung von Teilstrahlen derselben
(c)                                       (d)
                                                                     Laserquelle zum Ausprägen definierter Laserin-
                                                                     terferenzmuster durch 2-Strahl- und 4-Strahlin-
                                                                     terferenztechnologie sowie die zugehörigen, sich
                                                                     ausprägenden Interferenzmuster im Laserspot.
                                                                        Das erzeugte Laserinterferenzmuster kann in
                                 500 nm                     100 nm   nahezu alle Materialien, von Metallen über Poly-
                                                                     mere bis Keramiken, Beschichtungen und Glas,
 Abbildung 3: verschiedene vergrößerungen einer                      übertragen werden. Abbildung 3 demonstriert
 lasergenerierten Oberflächenstruktur nach Vorbild
 der Lotusblattes, welche mit Direkter Laserinterferenz
                                                                     eine nach Vorbild des Lotusblattes erzeugte
 (2-Strahl) auf edelstahl realisiert wurde.                          DLIP-Struktur auf Edelstahl in verschiedenen
 © Jeol (germany) gmbh                                               Vergrößerungen. Dabei zeigt sich die besondere

20                      PhotonicS fLAShLiGht                                                           2 | sepTemBer 2021
forschuNg uNd eNTwickluNg

Detailtreue des laserbasierten Ansatzes, bei dem       Referenzoberfläche       biomimetische Struktur
komplexe Strukturen von wenigen Mikrome-
tern bis in den Nanometerbereich in einem Ein-
Schritt-Prozess hergestellt werden können.
    Je nach Anwendungsfall kann das DLIP-
Verfahren zum Erzeugen von bioinspirierte
Strukturen mit optimierten Oberflächeneigen-
schaften genutzt werden, so dass Selbstreini-
                                                                  Geschwindigkeit = 65 m/s;
gung, Anti-Reflexion und Strukturfarben nach
                                                                    temperatur = –10 °c
Vorbild des Lotuseffektes, des Mottenauges und
Morpho-Schmetterlings auf technischen Pro-
dukten resultieren.

Applikationsbeispiel – eisabweisende
Oberflächen durch Lotusstrukturen
                                                                  Geschwindigkeit = 120 m/s;
Eisbildung und -akkumulation auf technischen                         temperatur = –20 °c
Oberflächen ist eine ernstzunehmende Gefahr        Abbildung 4: vergleich einer unstrukturierten und
in vielen Industriezweigen wie dem Energie-        laserstrukturierten Oberfläche auf Titan in
sektor sowie Luft- und Raumfahrt. Vereisungser-    Windkanaltests unter definierten Testbedingungen.
                                                   © airBus r&T
scheinungen auf Flugzeugoberflächen stellen ein
deutliches Sicherheitsrisiko im Flugbetrieb dar,
da bereits eine dünne Frostschicht auf neural-
gischen Punkten wie dem Heck zu einer Beein-       Kraftstoffverbrauch erhöhen (ca. 4 W/cm²) und
trächtigung der Aerodynamik führen kann. Des-      zudem ein unerwünschtes Zusatzgewicht mit
halb müssen die Flugzeuge vor dem Start von        sich bringen.
Schnee und Eis befreit werden, was schätzungs-        Hier können bioinspirierte Oberflächen nach
weise in der Enteisungssaison von Oktober bis      Vorbild des Lotuseffektes eine Verbesserung
April 2019 allein in Deutschland zu Enteisungs-    bewirken, da stark wasserabweisenden Eigen-
kosten von rund 1 Mrd. € führte. Vereisung tritt   schaften (so genannte Superhydrophobie) zu
auch während des Fluges durch den Aufprall von     einer Verringerung der Eisanhaftung führen
unterkühlten Wassertröpfchen in Wolken auf,        kann [2]. Zusätzlich existieren spezielle Regeln
die entweder direkt beim Aufprall haften bleiben   für die perfekte eisabweisende Oberflächen-
oder sich aufgrund der Oberflächenspannung         textur, bei der die Strukturgröße mindestens eine
in Rinnsalen sammeln können. In den meisten        Größenordnung kleiner sein sollte als die durch-
Fällen werden Eisschutzsysteme (engl. Ice Pro-     schnittliche Größe der auftreffenden Tröpfchen,
tection Systems – IPS) beispielsweise auf Basis    um die Wasserabweisung auch auf der Mikro-
elektrothermischer Prinzipien eingesetzt, um       skala zu ermöglichen [3]. Folglich führt eine
das angesammelte Eis zu beseitigen. Der große      Kombination aus wasserabweisender Oberflä-
Nachteil dieser Heizelemente besteht jedoch        che in Verbindung mit einer hochaufgelösten
darin, dass sie den Energie- und damit den         biomimetischen Struktur zu einem eisabweisen-

                                                                              PhotonicS fLAShLiGht       21
Forschung und Entwicklung

               (a)                                                  (b)

              Abbildung 5: (a) Glasoberfläche mit Mottenaugenstruktur, welche lokal die Reflexion der Oberfläche
              reduziert. (b) Dekorative Oberflächenstruktur nach Vorbild des Morpho-Schmetterlings auf Polymer.
              © Fusion Bionic

              den Verhalten. Infolge kann die Anhaft­vermögen       lich ist (siehe Abbildung 4). Darüber hinaus kann
              von Eis (gemessen durch die Grenzflächenspan-         der Enteisungsprozess unter Nutzen eines IPS
              nung) durch eine biomime­tische Oberflächen-          bei konstanter Wärmeleistungsdichte um etwa
              struktur (siehe Abbildung 3) um bis zu 88 %           90 Prozent schneller realisiert und die erforder­
              reduziert werden [3, 4]. Zusätzlich zeigen Ver-       liche Heizleistung zum vollständigen Enteisen
              eisungstests im Windkanal, dass die Eisbildung        um bis zu 80 Prozent reduziert werden [5].
              um 15 s verzögert sowie die Eiswachstumsrate
              im Vergleich zur unstrukturierten Oberfläche
              um 34 % langsamer ausgeprägt ist [5]. Dadurch         Weitere Applikationsbeispiele –
              konnte erstmals nachgewiesen werden, dass das         Anti-Reflexionsoberflächen und
              Eiswachstum infolge der biomi­metischen Struk-        Dekoration
              tur selbstlimitierend ist und nach Erreichen einer
              bestimmten Dicke selbstständig abfällt, ohne          Biomimetische Effekte nach Vorbild des Motten­
              dass eine aktive Unterstützung des IPS erforder-      augeneffektes und des Morpho-Schmetterlings
                                                                    können mit der DLIP-Technologie ebenfalls
                                                                    realisiert werden. Dazu sind spezielle Oberflä-
                                                                    chenstrukturen erforderlich, welche das Licht
                                                                    so beugen, dass es kontrolliert zurückgeworfen
                                                                    oder besser in das Material eingekoppelt wer-
 Referenzen
                                                                    den kann. Abbildung 5a zeigt eine beispielhafte
 [1] VDI 6220 Blatt 1:2012-12                                       Oberfläche, bei der in selektiv-ausgewählten
 [2]	A. Volpe et al., Materials 2020, 13(24), 5692;
     https://doi.org/10.3390/ma13245692                             Bereichen die Reflexion durch Laserstruktruie-
 [3] V. Vercillo et al., Adv. Funct. Mater. 2020, 1910268;
     https://doi.org/10.1002/adfm.201910268                         rung verringert wurde. Die aufgebrachten Struk-
 [4]	S. Milles et al., Nanomaterials 2021, 11(1), 135;
     https://doi.org/10.3390/nano11010135
                                                                    turmerkmale können dabei grundsätzlich auch
 [5]	S. Alamri et al., Adv. Mater. Interfaces 2020, 7, 2001231;     innerhalb des Materials erzeugt werden, so dass
     https://doi.org/10.1002/admi.202001231
                                                                    diese vor äußeren Einflüssen geschützt b
                                                                                                           ­ leiben.

22                   photonics Flashlight                                                                2 | September 2021
forschuNg uNd eNTwickluNg

Abbildung 5b zeigt eine irisierende Polyme-
roberfläche, die zur kontrollierten Lichtbeugung      fusion bionic
eingesetzt werden kann.

                                                                                                              ©ronaldbonss.com
neue Anwendungsfelder durch
hochgeschwindigkeitslaserlösungen

Die Laserbiomimetik wird in Zukunft dazu füh-
ren, dass heutige Werkstoffoberflächen erheb-         Das Startup fusion bionic aus Dresden entwickelt und
lich verbessert und, in einige Fällen, etablierte     vertreibt Systeme zum herstellen biomimetischer
                                                      Oberflächen durch eine einzigartige Hochgeschwindig-
Prozessschritte zum Teil vollständig ersetzt wer-
                                                      keitslasertechnologie. Die angebotenen Lösungen sind
den können. Dies eröffnet neue Möglichkeiten,         bis zu 100-mal schneller als etablierte verfahren und
bestehende Probleme zu lösen und noch nie             ebnen so den Weg für Hochleistungsoberflächen mit
                                                      selbstreinigenden eigenschaften, reduzierter reibung,
dagewesene Produkte zu schaffen. Die enormen
                                                      verbesserter kontaktierung und mehr.
Potentiale für bioinspirierte Oberflächen zeich-
nen sich bereits jetzt schon in der Luftfahrt, im
Automobil- und Energiesektor sowie bei medi-
zinischen Komponenten wie Implantaten ab.
Schlussendlich werden fortschrittlichen Laser-
verfahren zum Bearbeiten von großen Flächen
mit hohen Prozessgeschwindigkeiten gepaart                                      Autor:
mit biomimetischen Ansätzen das Umsetzen                                        Dr. tim kunze
(r)evolutionierter Oberflächen nur noch weiter                                  Position: Geschäftsführer
                                                                                fusion bionic Gmbh
beschleunigen.

                                             PRESSEMITTEILUNg

     D      as Startup Fusion Bionic aus Dresden,
            eine Ausgründung aus dem Fraunhofer
      IWS, entwickelt und vertreibt Systeme zum
                                                      aus über 1800 weltweit aktiven Start-ups für
                                                      eine engere Kooperation ausgewählt. Zusätz-
                                                      lich konnte Fusion Bionic mit mehreren
      Herstellen biomimetischer Oberflächen durch     Investoren seine erste Finanzierungsrunde in
      eine einzigartige Hochgeschwindigkeitsla-       siebenstelliger Höhe abschließen, so dass der
      sertechnologie. Die angebotenen Lösungen        Aufbau eines Anwendungszentrums für die
      sind bis zu 100-mal schneller als etablierte    laserbasierte Oberflächenfunktionalisierung
      Verfahren und ebnen so den Weg für Hoch-        sowie eine auf künstlicher Intelligenz basie-
      leistungsoberflächen mit selbstreinigenden      renden Vorhersageplattform zur Beschleuni-
      Eigenschaften, reduzierter Reibung, verbes-     gung der Entwicklung von Laserfunktionali-
      serter Kontaktierung und mehr. Fusion Bionic    täten umgesetzt werden kann.
      wurde kürzlich von Heraeus im Rahmen des
      konzerneigenen Accelerator-Programms 2021       > https://fusionbionic.com/press-release/funding/

                                                                                 PhotonicS fLAShLiGht         23
Forschung und Entwicklung

                         Forscherteam weist „Spin“
                         einer Nanoschallwelle erstmals
                         in Echtzeit nach
                         Brückenschlag zwischen Akustik und Optik

                         Einem deutsch-amerikanischen Forscherteam aus Augsburg, Münster, Edmonton,
                         West Lafayette und München ist es gelungen, die rollende Bewegung einer Nano-
                         schallwelle nachzuweisen, die der berühmte Physiker und Nobelpreisträger Lord
                         Rayleigh 1885 vorhersagte. In einer in der Fachzeitschrift „Science Advances“ ver-
                         öffentlichten Studie verwenden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen
                         Nanodraht, in dessen Inneren Elektronen durch den „Spin“ der Schallwelle auf
                         Kreisbahnen gezwungen werden. Dieses nun nachgewiesene Phänomen kann bei-
                         spielsweise in akustischen Quantentechnologien oder in sogenannten phononischen
                         Bauelementen, mit denen sich die Ausbreitung akustischer Wellen kontrollieren lässt,
                         gezielt verwendet werden.
                         >	Weitere Informationen

Darstellung des Spins
einer Nanoschallwelle
in einem Nanodraht
auf einem piezo­
elektrischen Kristall.
Kleine Pfeile:
Richtung und Stärke
des gyrierenden
elektrischen Feldes;
große Pfeile:
Ausbreitungsrichtung
und transversaler Spin

                         © Maximilian Sonner

24             photonics Flashlight                                                            2 | September 2021
Forschung und Entwicklung

   F&E September 2021

Paradoxe Wellen:
Gefangene Lichtteilchen
auf dem Sprung
Universität Rostock ist es in Zusammenarbeit mit Professor Stefano Longhi von der
Universität Mailand (Italien) gelungen, ein neuartiges Verhalten von Lichtwellen zu
beobachten, bei welchem Licht durch eine neue Art von Unordnung auf kleinste
Raumbereiche begrenzt wird. Paradoxerweise kann das Licht trotzdem sprungartig
seinen Ort ändern, was das aktuelle Verständnis über Lichtwellen auf die Probe stellt.
Lichtsignale in einem fünf Kilometer langen optischen Kabel werden durch diesen
neuartigen Effekt zunächst an einem spezifischen Punkt gesammelt und fokussiert,
bis sie schlagartig zu einem anderen, weit entfernten Punkt springen. Die bahnbre-
chenden Entdeckungen stellen nach Ansicht der Forscher einen wichtigen Schritt in
der Grundlagenforschung dar und heben das Verständnis über die Ausbreitung von
Wellen – egal ob Licht, Schall oder Elektronen– auf eine neue Ebene.
> Originalveröffentlichung S. Weidemann, M. Kremer et al. Nature Phot. 16 (2021).

Schaltbare IR-aktive organische
Pigmente
In der Photosynthese und der organischen Photovoltaik wandeln Pigmente Licht in
elektrische Ladung um. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben nun ein
ungewöhnliches organisches Pigment hergestellt, das sich durch elektrische Ladung
„anschalten“ und dann zu einem intensiven Farbstoff wird, der Licht im Nahinfra-
rotbereich absorbiert. Solche Systeme sind für neue Anwendungen für organische
Leuchtdioden, in der Photovoltaik und der Sensorik interessant. Die Arbeit wurde in
der Zeitschrift Angewandte Chemie publiziert.
> Originalveröffentlichung

                                                                                    photonics Flashlight   25
TECHNOLOGIE UND APPLIKATION

     Beleuchtung des
     Beobachtungsfeldes
     zur Aufnahme von
     spektral aufgelösten
     Bildern (Hyperspektrale Abbildungen)

       Autoren:
       H. Zeng, M. Hoppe, P. Rotsch
       OSA Opto Light GmbH, Berlin

26       photonics Flashlight           2 | September 2021
Forschung und Entwicklung

                                          D
  Die Verfahren der hyperspektralen                   ie von einer Strahlungsquelle ausge-
           Bildaufnahme haben in den                  hende Strahlung ist unter anderem
          letzten Jahren zunehmendes                  durch ihr Spektrum beschreibbar, im
           Interesse für verschiedenste               Wellenlängenbereich der Strahlung
        Anwendungen, beispielsweise       100 nm bis 1 mm wird zwischen UV, VIS (sicht-
            bei fertigungsbegleitender    bar) und Infrarot unterschieden (1). Als Licht
           Messtechnik, gefunden. Die     im sichtbaren Bereich wird elektromagnetische
                                          Strahlung der Wellenlänge 380–780 nm definiert.
     erheblichen Fortschritte bei den
                                          Teilt man den sichtbaren Bereich in 3 Bereiche
  Bildaufnahmekameras und bei der
                                          ein, kann eine Farbinformation erhalten werden.
      Analyse der Daten ermöglichen
                                          Diese Bereiche werden allgemein als Rot / Grün /
        neue Einsatzfelder. Neben der     Blau bezeichnet (2). Diese drei Farbkanäle sind
    Erarbeitung der Algorithmen zur       Basis des menschlichen Farbsehens (2), der addi-
       Auswertung der Spektraldaten       tiven Farbmischung (aktive Displays) (3) und
      ist die Wahl und Auslegung der      der digitalen Farbfotographie (4). Dabei wird
           Beleuchtungseinheit für die    das Spektrum jedes Bildpunktes in 3 Farbkanäle
     Qualität und Reproduzierbarkeit      unterteilt, d. h. die Fläche des Sensors je Bild-
 der Messdaten von entscheidender         punkt wird, da diese nebeneinander liegen, auf-
     Bedeutung, so wie die Wahl der       geteilt. Ein Farbfilter absorbiert das dem Farb-
         Lichtquelle für den Erfolg der   kanal nicht entsprechende Licht. Bei mehr als
     Einführung einer automatischen       3 Farbkanälen / Bildpunkt wird von multispekt-
       Bildverarbeitung entscheidend      ralen Bildern gesprochen, die mit verschiedenen
        ist. Im Folgenden werden drei     Technologien aufgenommen werden können (4).
      mögliche Strahlungsquellen für      Wenn man nun dem Spektrum am Bildpunkt
                                          mehr als 100 Wellenlängenkanäle zuweist, wird
       eine breitbandige Beleuchtung
                                          der Begriff hyperspektrale Bildaufnahme ver-
verglichen, die thermischen Strahler
                                          wendet (5). Dieser Begriff wurde erstmals 1988
   (Halogen- oder Glühlampen), aus
                                          verwendet, als das Verfahren für die satellitenge-
      LED verschiedener Wellenlänge       stützte Fernerkundung und Luftbildaufnahmen
           zusammengesetzte Strahler      entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um die
       und Strahler aus breitbandigen     Analyse reflektierter Strahlung, wobei das Verfah-
    LEDs. Deren Eigenschaften in der      ren der Bildaufnahme aber ebenso auf Lichtquel-
       Anwendung werden diskutiert.       len selbst und die Absorption bei Transmission
                                          (Untersuchung von Dünnschliffen und Gewebe­
                                          schnitten) anwendbar ist. Das Potential dieser
                                          Technik kam auch im Innovationsforum Hyper-
                                          spektraltechnologien für Prozessüberwachung
                                          und Medizintechnik (HyperInno) des Photonics
                                          BW e.V. zum Ausdruck, bei dem die Technik und
                                          potentielle Anwendungen dargestellt und disku-
                                          tiert wurden (7) Der aktuelle Stand bei der Ent-
                                          wicklung von Kameras und Software wird auch
                                          im Heft 27/21 der Markt und Technik beschrie-
                                          ben (8).

                                                                  photonics Flashlight         27
Forschung und Entwicklung

  Die hyperspektrale Bildaufnahme kann überall dort            Gut verfügbare Detektoren basieren vorwie-
  angewendet werden, wo aus den Absorptions- oder              gend auf Silizium und III-V-Halbleitern wie
  Reflexionseigenschaften relevante Informationen über die     (Ga,In)As für den nahen Infrarotbereich (14).
  Eigenschaften des Objekts gewonnen werden können. Zur
  Illustration seien aufgelistet:                              Damit sind Strahlungswellenlängen von 220 nm
  ● Pflanzenzucht und Landwirtschaft, z. B. Bestimmung
                                                               (UVC) bis 4200 nm (Infrarot) adressierbar.
    der Pflanzenart selbst, aber auch der Gesundheit und       Wählt man 120 Kanäle zur Bildaufnahme aus,
    die Düngerversorgung der Pflanze (9), Bild 1               umfasst bei einer Bildgröße von 1312 x 1082
  ● Lebensmittelverarbeitung, z. B. Erkennung von              Pixeln und 12 Bit Auflösung des AD-Konver-
    Reifegrad und Druckstellen von Früchten (10)               ters die reine Datenmenge ohne Adressdaten ca.
  ●	Elektronik, z. B. Erkennung thermischer Schäden auf        255 Mbyte. Damit wird verständlich, dass die
    Leiterplatten (Bild 2 OSA Opto Light GmbH)
                                                               Wahl der Parameter der Bildaufnahme und die
  ● Medizintechnik, z. B. Analyse der Oberfläche von Haut,     des Auswertealgorithmus für einen erfolgrei-
    Wunden und Operationsfeldern (11)
                                                               chen Einsatz entscheidend sind.
                                                                  Die übliche Strahlungsquelle bei der Ferner-
                                                               kundung ist das gut beschriebene Sonnenlicht
                                                               (15), Störungen, wie z. B. Einflüsse des Wetters
                                                               und der Tageszeit werden durch Wahl des geeig-
                                                               neten Aufnahmezeitpunktes umgangen. Kann
                                                               diese Strahlungsquelle nicht gewählt werden,
                                                               müssen auf die Anwendung zugeschnittene,
                                                               künstliche Strahlungsquellen eingesetzt werden.
                                                               Der folgende Artikel konzentriert sich auf den
                                                               Spektralbereich 400–1050 nm, der mit Silizi-
                                                               um-Detektoren gut messbar ist.

Abb. 1 Vergleich der Reflexionsspektren von Blättern, Bilder   Breitbandige Strahlungsquellen
Sommerlinde Tilia nach Laubfall (12), Weymouths Kiefer Pinus
strobus (13),
                                                               Thermische Quellen
                                                               Unter thermischen Quellen werden vor allem
                                                               Glühlampen und Halogen-Glühlampen zu­­
                                                               sammengefasst. Ihr Spektrum ist durch das
                                                               Planksche Strahlungsgesetzt beschrieben (15),
                                                               die entsprechenden Modellrechnungen und
                                                               die Messwerte weisen eine gute Korrelation auf.
                                                               Vor allem im roten Farbbereich und im NIR
                                                               zwischen 660 und 2000 nm weisen thermische
                                                               Strahler eine hohe Effizienz auf. Sofern keine
                                                               Bande durch die Absorption eines Materials im
                                                               Strahlengang hinzukommt, sind diese Quellen
                                                               weitgehend homogen. Beispielsweise wird die
Abb. 2 Reflexionsspektrum und Bild einer geschädigten          Infrarot-Strahlung von Reflektoren wie im Bild
Leiterplatte                                                   3 oben links bei Anwendungen der Allgemein­be­

28            photonics Flashlight                                                               2 | September 2021
Forschung und Entwicklung

                                                        bei der Verwendung von Glühlampen ist das
                                                        Ein- und Ausschaltverhalten. In Abb. 3b ist die-
                                                        ses gezeigt, neben der Schaltzeit von ca. 160 ms
                                                        (hier an einer 2500 K Quelle mit 5 V und 12 W
                                                        gemessen) ist eine längere Zeit erforderlich, bis
                                                        die Glühwendel das thermische Gleichgewicht
                                                        erreicht hat und die Emission gleichmäßig ist.
                                                        Dies bedeutet entweder einen mechanischen
                                                        Shutter oder eine thermische Belastung des
                                                        Objektes, die vor allem bei Anwendungen in der
Abb. 3a: Thermische Strahler und ihre Spektren,         Medizin und bei organischen Materialien uner-
Halogenglühlampe mit Spektrum 3000 K                    wünscht ist. Ein weiterer Nachteil ist die geringe
(modelliert), Allgemeingebrauchslampe mit
Spektrum 2500 K (gemessen)                              Lebensdauer, die sich durch Erschütterungen im
                                                        Betrieb, wie Vibrationen an einem Transportsys-
                                                        tem, zusätzlich erheblich verkürzen kann.

                                                        Multi-Chip-LED-Quellen
                                                        Ermöglicht durch die erhebliche Effizienzstei-
                                                        gerungen von LEDs im Bereich 365–1100 nm
                                                        in den letzten Jahren ist es möglich breitban-
                                                        dige Strahlungsquellen aus mehreren LEDs
                                                        zusammenzusetzen. Erste Anwendungen waren
                                                        Sonnen­lichtgeneratoren, die beispielsweise zum
                                                        Testen von Solarzellen oder für Untersuchungen
                                                        zum Langzeitverhalten von Materialien unter
                                                        Lichteinfluss eingesetzt werden können. Da im
                                                        Sonnenlicht auf der Erdoberfläche vergleichs-
Abb. 3b: Schaltverhalten einer 2500 K Glühlampe,        weise wenig UVB und UVC-Strahlung enthalten
Einschaltzeit ton = 167 ms, Abschaltzeit toff = 91 ms
                                                        ist, ist auch dieser Bereich mit LEDs gut darstell-
                                                        bar. Für die Emission eines Spektrums ähnlich
leuchtung gezielt abgeschwächt [(16), Folie 18].        dem des Sonnenlichts im Bereich 400–1100 nm
So lange diese Lichtquellen einen wesentlichen          sind LEDs mit 23 verschiedenen Wellenlängen
Marktanteil an den Lichtquellen zur Allgemein-          („LED-Kanäle“) erforderlich, siehe Abbildung 4.
beleuchtung aufwiesen, waren diese eine preis-          Auf Grund der materialbedingt geringen Effi­
werte Lösung bei sehr einfacher Ansteuerung.            zienz der direkt emittierenden LEDs im Bereich
  Glühlampen als Lichtquellen emittieren nur            520–580 nm werden häufig Konversions-LEDs
einen geringen Anteil des Spektrums bei Wel-            für den grünen und gelben Bereich eingesetzt,
lenlängen unterhalb 500 nm, UV-Licht ist also           am Beispiel im Bild 4 wurden LEDs mit einer
kaum vorhanden (siehe Bild 3). Eine Erhöhung            Peak-Wellenlänge von 545 nm beziehungsweise
der Wendeltemperatur auf 3500 K erhöht das              572 nm LED auf Konversions-Basis verwen-
Signal im Blauen und Grünen Bereich erheblich,          det. In diesem Anwendungsbeispiel ist der UV-­
geht aber drastisch zu Lasten der Lebensdauer           Bereich zwischen 265 und 385 nm noch nicht
[(16) Folie 10]. Eine weitere Herausforderung           enthalten.

                                                                                photonics Flashlight          29
Sie können auch lesen