Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V - Gesellschaft ...

 
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Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V - Gesellschaft ...
Leitlinien der Gesellschaft für
Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V.

Akuttherapie und Management
der Anaphylaxie
S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI),
des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AeDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie
und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Akademie für Allergologie und Umweltmedizin (DAAU),
des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands (BVKJ), der Österreichischen
Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), der Schweizerischen Gesellschaft für
Allergologie und Immunologie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und
­Intensiv­medizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Pharmako­logie (DGP), der Deutschen
 Gesellschaft für Psychosomatische Medizin (DGPM), der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training
 und Edukation (AGATE) und der Patienten­organisation Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB)
Johannes Ring 1, Kirsten Beyer 2, Tilo Biedermann 3, Andreas Bircher 4, Dorothea Duda 5, Jörg Fischer 3, Frank Friedrichs 6, Thomas Fuchs 7, Uwe Gieler 8,
Thilo Jakob 9, Ludger Klimek 10, Lars Lange 11, Hans F. Merk 12, Bodo Niggemann 13, Oliver Pfaar 10, Bernhard Przybilla 14, Franziska Ruëff 14, Ernst Rietschel 15,
Sabine Schnadt 16, Roland Seifert 17, Helmut Sitter 18, Eva-Maria Varga 19, Margitta Worm 20, Knut Brockow 1
1
   Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, Technische Universität München; 2 Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumologie und
 Immunologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin; 3 Universitäts-Hautklinik ­Tübingen; 4Klinik für Dermatologie, Universitätskrankenhaus Basel, Schweiz;
 5
   Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Katholisches Klinikum Mainz; 6 Kinderarztpraxis Laurensberg, Aachen; 7 Hautklinik, Universitätsmedizin
­Göttingen; 8 Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universität Gießen; 9 Universitäts-Hautklinik Freiburg; 10 Zentrum für Allergologie und Rhinologie
 Wiesbaden, Universitäts-HNO-Klinik Mannheim; 11 St.-Marien-Hospital Bonn; 12 Hautklinik, Universitätsklinikum Aachen; 13 DRK Kliniken Berlin Westend;
 14
    Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München; 15 Zentrum für Kinder- und ­Jugendmedizin,
 Universitätsklinikum Köln; 16 Deutscher Allergie- und Asthmabund e. V., Mönchengladbach; 17 Institut für Pharmakologie, Medizinische Hochschule Hannover;
 18
    Institut für Chirurgische Forschung, Philipps-Universität, Marburg; 19 Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Graz,
 Österreich; 20 Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Allergie-Centrum-Charité, Charité-Universitätsmedizin Berlin

Entwicklungsstufe: S2                  AWMF-Leitlinien-Register-Nummer: 061-025                        Fertigstellung: 1. Dezember 2013

Gültigkeit: bis April 2019             Überprüfung: geplant für 1. April 2018                          ICD-10-Nummern: T 78, T 80, J.45, L 23

Englische Fassung: http://link.springer. com/journal/40629

               Problemstellung                          den verschiedene Klassifikationssys­te­
                                                        me verwendet. Im deutschen Sprach­                                 Verwendete Abkürzungen
   Unter Anaphylaxie versteht man ei­                   raum ist bislang überwiegend die hier
                                                                                                                    ACE       Angiotensinkonvertierendes
ne akute systemische Reaktion mit Sym­                  verwendete Klassifikation eingesetzt                                  Enzym
ptomen einer allergischen Sofortreak­                   worden.
                                                                                                                    FiO2      Inspiratorischer Sauerstoffanteil
tion, die den ganzen Organismus erfas­                    Anaphylaktische Reaktionen gehö­
sen kann und potenziell lebensbedroh­                   ren zu den schwersten und potenziell                        HES       Hydroxyethylstärke
lich ist [1–3].                                         lebensbedrohlichen, dramatischen Er­                        NaCl      Natriumchlorid
   Die Definition der Anaphylaxie ist                   eignissen in der Allergologie. Die Akut­                    NSAR      Nichtsteroidale Antirheumatika
weltweit nicht einheitlich. Derzeit wer­                behandlung wird auf der Grundlage

                                                                                                                                                                      1
Akuttherapie und Management der Anaphylaxie - Leitlinien der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin e.V - Gesellschaft ...
internatio­naler Leitlinien und Empfeh­       nehmer sowie auf theoretischen Überle­
lungen von Lehrbüchern durchgeführt.          gungen. Fallserien erlangten die größ­                Häufige Auslöser schwerer
1994 erschien das Ergebnis einer inter­       te Bedeutung, während theo­retische                  anaphylaktischer Reaktionen
disziplinären Konsensuskonferenz als          Überlegungen nur dann die Bewertung               bei Kindern und Erwachsenen [10]
Positionspapier der Deutschen Gesell­         beeinflussten, wenn weder Einzelfälle
schaft für Allergologie und klinische Im­     noch Fallserien oder experimentelle Un­            Auslöser     Kinder   Erwachsene
munologie (DGAKI) im Allergo Journal          tersuchungen für die Beurteilung heran­
[4], welches im Jahr 2007 aktualisiert als    gezogen werden konnten. Insgesamt ist              Nahrungs-
                                                                                                 mittel (%)    58          16
Leitlinie veröffentlicht wurde [5].           die Anzahl aussagekräftiger Studien zur
   Auf Vorstandsbeschluss der DGAKI           Anaphylaxie so gering, dass das Ma­                Insekten-
von 2009 wurde die Arbeitsgruppe „Ana­        nagement in vielen Bereichen empirisch             gifte (%)     24          55
phylaxie“ beauftragt, die Leitlinie zu ak­    bleibt und sich häufig aus patho­physio­
tualisieren. Die Teilnehmer dieser Ar­        logischen Überlegungen ableitet.                   Arznei-
beitsgruppe haben sich zusammen mit              Anaphylaktische Reaktionen können               mittel (%)     8          21
Experten anderer Fachgesellschaften           auf jeder Stufe der Symptomatik spon­
mehrmals getroffen. Sie kommen aus            tan zum Stillstand gelangen, aber auch          Tab. 1
den Bereichen Allergologie, Anästhe­sio­      trotz adäquater Therapie fortschreiten.
logie und Intensivmedizin, Dermatolo­         Diese Unwägbarkeit erschwert es, die            Klärungsbedarf bezüglich der Frage, ob
gie, Pädiatrie, Innere Medizin, Otolaryn­     Wirksamkeit therapeutischer Maßnah­             wiederholte kutane Reaktionen bei be­
gologie, Notfallmedizin, Pharmakologie,       men zu beurteilen. Einzelfallbeobach­           stehender Typ-I-Allergie bereits einer
Pneumologie und theoretische Chirur­          tungen erlauben keine Einschätzung da­          Anaphylaxie zuzuordnen sind, ob per
gie.                                          rüber, ob spezifische Maßnahmen wirk­           definitionem die Beteiligung von min­
   Neben Mitgliedern der DGAKI sind           sam waren. Bekannt ist, dass Patienten          destens zwei Organsystemen zu fordern
Vertreter des Ärzteverbandes Deutscher        nach einer Anaphylaxie infolge eines            ist oder ob nur der Organbefall des Re­
Allergologen (AeDA), der Gesellschaft         Insektenstichs nur unzureichend nach­           spirations- und/oder Herz-Kreislauf-Sys­
für Pädiatrische Allergologie und Um­         betreut wurden [6, 7]. Die nur unzurei­         tems eine schwere Reaktion darstellt
weltmedizin (GPA), des Berufsverbands         chende Grundversorgung der Patienten            und somit als Anaphylaxie zu werten
der Kinder und Jugendärzte Deutsch­           unterstreicht die Notwendigkeit wei­            ist. Hier besteht derzeit weder national
lands (BVKJ), der Deutschen Akademie          terer wissenschaftlicher Arbeit sowie die       noch international ein Konsens. Publi­
für Aller­ gologie und Umweltmedizin          Bedeutung der vorliegenden Leitlinie.           zierte Daten zur Epidemiologie müssen
(DAAU), der Österreichischen Gesell­             Diese Leitlinie richtet sich an alle Ärzte   daher unter Berücksichtigung dieser As­
schaft für Allergologie und Immunolo­         sowie andere im Medizinbereich tätige           pekte bewertet werden [10].
gie (ÖGAI), der Schweizerischen Gesell­       Personen, die an der Akutbehandlung,               Retrospektive Studien lassen darauf
schaft für Allergologie und Immunolo­         Diagnostik und Beratung von Patienten           schließen, dass bis zu 1 % der Patienten
gie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft        mit Anaphylaxie beteiligt sind.                 in einer Notaufnahme einer Klinik der
für Anästhesiologie und Intensivmedi­                                                         Maximalversorgung wegen einer ana­
zin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft            Epidemiologie der Anaphylaxie               phylaktischen Reaktion vorstellig wer­
für Pharmakologie (DGP), der Deutschen                                                        den [11]. Man rechnet mit ein bis drei
Gesellschaft für psychosomatische Me­            Seit der Erstbeschreibung der Ana­           durch Anaphylaxie bedingten Todesfäl­
dizin (DGPM), der Arbeitsgemeinschaft         phylaxie [8] gibt es wenige exakte epide­       len im Jahr pro eine Million Einwohner
Anaphylaxie Training und Edukation            miologische Studien zur Häufigkeit (Prä­        [12].
(AGATE) sowie der Patientenorganisa­          valenz und Inzidenz) anaphylaktischer              Zur Epidemiologie der Anaphylaxie
tion Deutscher Allergie- und Asthma­          Reaktionen. Aufgrund der uneinheit­             liegen aktuelle Studien aus den USA,
bund e. V. (DAAB) eingebunden. Kon­           lichen Definition (s. unten) ist von einer      Großbritannien und Australien vor. Sie
sensuskonferenzen fanden im Septem­           erheblichen Dunkelziffer auszugehen.            zeigen Inzidenzen der Anaphylaxie zwi­
ber 2009 in Wiesbaden, im März 2011              Eine Limitation bei den Daten zur Epi­       schen 7 bis 50/100.000/Jahr [13–15].
in Grainau, im Januar 2012, im Oktober        demiologie der Anaphylaxie besteht              Diese Zahlen implizieren eine Zunah­
2012 und im Dezember 2012 in Mün­             in der fehlenden einheit­lichen Kodie­          me der Anaphylaxie in den letzten Jahr­
chen statt. Die auf den Konferenzen erar­     rung der Anaphylaxie nach der ICD-10.           zehnten, wobei die Ursachen hierfür un­
beiteten Empfehlungen beruhen auf Li­         So exis­tieren zahlreiche ICD-10-Kodie­         geklärt sind. Zahlen aus dem deutsch­
teraturrecherchen unter Bewertung von         rungen, die eine Anaphylaxie einschlie­         sprachigen Anaphylaxie-Register und
klinischen Studien, Fallserien, Einzelfall­   ßen können. Des Weiteren ist die Defi­          auch Daten aus anderen Ländern der
beschreibungen, experimentellen Un­           nition der Anaphylaxie weltweit nicht           Welt zeigen, dass Nahrungsmittel die
tersuchungen, auf Erfahrungen der Teil­       einheitlich [9]. Insbesondere besteht           häufigsten Auslöser einer Anaphyla­

                                                                                                                                    2
xie im Kindesalter sind [10]. Insekten­      S­ erumtryptase und/oder Mastozytose                                      Klinische Symptomatik
gifte sowie ­Medikamente stehen an ers­       kann die Anaphylaxie besonders schwer
ter Stelle der Auslöser bei Erwachsenen       verlaufen [21–23].                                             Anaphylaktische Reaktionen mani­
in Deutschland (Tab. 1), wobei hier in­          Eine vorangegangene Einnahme von                         festieren sich im Wesentlichen an Haut,
ternational bezüglich der Reihenfolge         β-Adreno­zeptorantagonisten und ACE-                        Atemwegen, Gastrointestinaltrakt und
Unterschiede bestehen. Im Kindesalter        Hemmern (ACE: angiotensinkonvertie­                          kardiovaskulärem System. Die Arbeits­
sind Jungen häufiger von einer Anaphy­       rendes Enzym) kann zu einer Verstärkung                      gruppe hat diskutiert, ob der Leitlinie
laxie betroffen als Mädchen, eine Anglei­    der anaphylaktischen Symptome führen                         eine Schweregradeinteilung zugrun­
chung der Geschlechtsverteilung findet       [24]. Bei β-Adrenozeptorantagonisten                         de gelegt werden soll, da die Behand­
sich nach der Pubertät [16].                 spielen die Blockade der kardiostimula­                      lung der Anaphylaxie symptombezo­
                                             torischen ebenso wie eine mastzellsta­                       gen erfolgt. Eine Mehrzahl sprach sich
           Pathophysiologie                  bilisierende Wirkung von Adrenalin ei­                       für eine Schweregradeinteilung aus. In
                                             ne Rolle, und bei den ACE-Hemmern ein                        der Literatur existieren verschiedene
    Die Symptome anaphylaktischer Re­        verminderter Bradykininabbau mit da­                         Schweregradeinteilungen [7, 9, 25, 26].
aktionen werden verursacht durch die         raus resultierender ausgeprägter Vaso­                       Jede Schweregradeinteilung bringt Vor-
Freisetzung verschiedener Mediatoren         dilatation. Auch nach Einnahme nicht­                        und Nachteile mit sich. Eine Mehrheit
(z. B. Histamin, Prostaglandine, Leuko­      steroidaler Antirheumatika (NSAR) kann                       der Gruppe hat sich für eine Modifika­
triene, Tryptase, plättchenaktivierender     es durch eine vermehrte Leukotrienbil­                       tion der derzeit in Deutschland am häu­
Faktor, Zytokine, Chemokine) aus Mast­       dung und durch Erleichterung der Ab­                         figsten eingesetzten Schweregradein­
zellen und basophilen Granulozyten           sorption oral zugeführter Allergene zu                       teilung entschieden [26]. Entsprechend
[17–19], deren Bedeutung im Einzelnen        verstärkten anaphylaktischen Reaktio­                        der Intensität der klinischen Symptoma­
nicht einheitlich beurteilt wird. Es be­     nen kommen.                                                  tik wird demzufolge die Anaphylaxie in
steht hingegen Einigkeit darüber, dass
Histamin an anaphylaktischen Reaktio­
nen zentral beteiligt ist.
    Ursächlich liegt der Anaphylaxie meist
                                                       Schweregradskala zur Klassifizierung anaphylaktischer Reaktionen
eine immunologische Reaktion – am                                                         (modifiziert nach [26])*
häufigsten als Immunglobulin-E-vermit­
telte Allergie – zugrunde. Aber auch spe­       Grad       Haut- und subjek- Abdomen                        Respirations-               Herz-Kreislauf
zifische Antikörper anderer Klassen kön­                   tive Allgemein- 		                               trakt
                                                           symptome
nen über die Bildung zirkulierender Im­
munkomplexe eine komplementabhän­               I          Juckreiz                   –                     –                           –
gige ähnliche Symptomatik auslösen                         Flush
(Immunkomplex-Anaphylaxie) [20].                           Urtikaria
    Daneben gibt es eine Vielzahl ana­                     Angioödem
phylaktischer Reaktionen, bei denen
keine immunologische Sensibilisierung           II
                                                 Juckreiz  Nausea    Rhinorrhö                                                          Tachykardie
                                                 Flush     Krämpfe   Heiserkeit                                                         (Anstieg >20/min)
fassbar ist. Diese Reaktionen werden
                                                 Urtikaria Erbrechen Dyspnoe                                                            Hypotension
als „pseudoallergische Reaktionen“ [20]
                                                 Angioödem			                                                                           (Abfall >20 mmHg
oder neuerdings als „nichtallergische           				                                                                                    systolisch)
Anaphylaxie“ bezeichnet [1]. Die Me­            				                                                                                    Arrhythmie
chanismen dieser nichtallergischen Ana­
phylaxie umfassen eine G-Protein-ver­           III        Juckreiz  Erbrechen                              Larynxödem                  Schock
mittelte, direkte Freisetzung vasoaktiver                  Flush     Defäkation                             Bronchospasmus
Mediatorsubstanzen, eine direkte Akti­                     Urtikaria		                                      Zyanose
vierung des Komplementsystems, Inter­                      Angioödem
aktionen mit dem Kallikrein-Kinin-Sys­
                                                IV         Juckreiz                   Erbrechen             Atemstillstand              Kreislaufstillstand
tem, Interaktionen mit dem Arachidon­                      Flush                      Defäkation
säurestoffwechsel sowie psychoneuro­                       Urtikaria
gene Reflexmechanismen. Der Kennt­                         Angioödem
nisstand über die Pathophysiologie die­
ser Reaktionen ist wesentlich geringer          * Die Klassifizierung erfolgt nach den schwersten aufgetretenen Symptomen (kein Symptom ist obligatorisch).
als bei der allergischen Anaphylaxie.
    Bei Patienten mit erhöhter basaler       Tab. 2

                                                                                                                                                              3
die Schweregrade von I bis IV eingeteilt      (systemische Ausbreitung). Die Haut ist     Tachykardie. Direkte kardiale Symptome
(Tab. 2).                                     bei der Anaphylaxie am häufigsten be­       wie Arrhythmie oder Bradykardie sind
   Die Symptomatik anaphylaktischer           troffen.                                    möglich.
Reaktionen setzt meist akut ein und              An den oberen Atemwegen beschrei­           Zentralnervöse Symptome sind Un­
kann sehr rasch fortschreiten. So kann        ben die Patienten oft als Frühzeichen       ruhe oder Rückzugsverhalten, Kopf­
es innerhalb von Minuten zu einer Ver­        ein Brennen, Kribbeln oder Juckreiz der     schmerzen, zerebrale Krämpfe, Bewusst­
stärkung der Symptome bis hin zum             Zunge oder am Gaumen. Im Oropha­            seinseinschränkung und Bewusstlosig­
Tod kommen. Die Reaktion kann jedoch          rynx kann eine Schwellung der Uvula         keit. Bei Kindern wird häufig eine Verhal­
auch auf jeder Stufe spontan zum Still­       und der Zunge beobachtet werden. Kli­       tensveränderung beobachtet. Sie äußert
stand kommen und im Verlauf rückläu­          nische Zeichen sind eine kloßige Spra­      sich in Ängstlichkeit oder teilweise auch
fig sein. Bei einer Reaktion vom Schwe­       che, Schluckbeschwerden mit Spei­           Aggressivität. Ältere Kinder, Jugendli­
regrad I ist die weitere Entwicklung und      cheln oder ein inspiratorischer Stridor.    che und Erwachsene können ein „Gefühl
Dynamik der Reaktion zunächst primär          Die mögliche Folge eines Larynxödems        drohenden Unheils“ erleben.
nicht absehbar. Die Symptome können           kann eine innerhalb kürzester Zeit ent­        Ursachen eines tödlichen Verlaufs
in unterschiedlicher Weise gleichzeitig       stehende Verlegung der ­Atemwege mit        einer Anaphylaxie sind insbesondere
oder nacheinander auftreten. Es kann          lebensbedrohlicher Hypoxie sein.            Atemwegsobstruktion und/oder kardio­
primär zu Kreislaufreaktionen kommen,            An der Lunge kann es besonders bei       vaskuläres Versagen, entweder direkt
ohne dass zuvor kutane oder pulmona­          Patienten mit Asthma zur Bronchokon­        am Herz oder als Folge der Mikrozirku­
le Reaktionen auftreten. Gelegentlich         striktion mit Entwicklung von Dyspnoe       lationsstörung mit Schock. Selten findet
kommt es nach erfolgreicher Therapie          kommen. Klinische Zeichen sind Gie­         man disseminierte intravaskuläre Gerin­
zu protrahierten oder biphasischen Ver­       men, verlängertes Exspirium und Tachy­      nung oder Adrenalinüberdosierung [32].
läufen mit erneuter Symptomatik meist         dyspnoe. Die bronchiale Obstruktion
nach sechs bis 24 Stunden [27]. Neben         ist besonders bei Kindern und Jugend­               Allergene und Auslöser
einer akut einsetzenden Symptoma­             lichen das führende Symptom bei le­
tik und biphasischen Verläufen gibt es        bensbedrohlichen Reaktionen. Hierbei           Die häufigsten Auslöser schwerer
auch primär verzögert einsetzende ana­        korreliert der Grad des Asthmas direkt      anaphylaktischer Reaktionen sind Arz­
phylaktische Reaktionen, bei denen die        mit dem Schweregrad der anaphylak­          neimittel, Insektengifte und Nahrungs­
Symptomatik erst Stunden nach der Ex­         tischen Reaktion. In unterschiedlichem      mittel. Die Rangfolge der Auslöser ist
position beginnt. Diese besondere Kine­       Ausmaß kann auch eine Vasokonstrik­         erhebungsabhängig. Bei Kindern sind
tik ist beispielsweise für das Allergen Ga­   tion mit zum Teil extremer Erhöhung         Nahrungsmittel sehr häufige Auslöser,
lactose-alpha-1-3-Galactose bei der Säu­      des pulmonalen vaskulären Widerstands       während bei Erwachsenen eher Insek­
getierfleischallergie eindrucksvoll doku­     entstehen, bis hin zu Atemstillstand und    tengifte oder Medikamente (inklusive
mentiert und basiert wahrscheinlich auf       Reanimationspflicht. Als Folge der Per­     Präparate zur allergenspezifischen Im­
einer verzögerten Freisetzung oder sys­       meabilitätsstörung kann ein Lungen­         muntherapie und Chemotherapeutika)
temischen Verfügbarkeit der Allergene         ödem auftreten [29–32].                     genannt werden (Tab. 1).
oder ihrer Bindungsstellen [28].                 Die gastrointestinalen Symptome             Der Kontakt zum Anaphylaxieauslöser
   Zu Beginn einer Anaphylaxie kön­           umfassen teils krampfartige Bauch­          entsteht am häufigsten durch orale oder
nen sich im Sinn von Prodromalsym­            schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Di­      parenterale/hämatogene Zufuhr. Selten
ptomen leichtere Beschwerden bemerk­          arrhö. Darüber hinaus kann es zu ver­       kann auch aerogen oder über die Appli­
bar machen, wie Juckreiz bzw. Brennen         stärkter Darmmotorik mit Meteorismus        kation auf der Hautoberfläche bei stark
an Handinnenflächen und Fußsohlen             und Stuhldrang bis hin zur unwillkür­       Sensibilisierten bereits eine Anaphylaxie
oder im Genitalbereich, metallischer Ge­      lichen Defäkation kommen. Weitere ab­       ausgelöst werden [33].
schmack, A  ­ ngstgefühle, Kopfschmerzen      dominale Symptome können als Harn­             Anaphylaktische Symptome können
oder Desorientierung. Diese Beschwer­         drang und Miktion sowie Uteruskrämp­        auch abhängig von einer Kombination
den können junge Kinder nicht spezi­          fe auftreten. Bei Kindern sind milde ora­   verschiedener Faktoren auftreten, z. B.
fisch zum Ausdruck bringen. Bei ihnen         le Symptome oder periorale Rötungen         Allergenexposition zusammen mit phy­
treten häufig als Initialsymptome noch        mit Erbrechen als ausschließliche Sym­      sischer Anstrengung („exercise-induced
vor Eintritt objektiver Beschwerden Un­       ptome einer nahrungsmittelinduzierten       anaphylaxis“) [34], Alkohol, mentalem
ruhe oder Rückzugsverhalten auf.              Anaphylaxie möglich.                        oder emotionalem Stress, akutem Infekt
   An Haut und Schleimhäuten zeigen              Infolge der Vasodilatation und Per­      oder gleichzeitiger Exposition gegen an­
sich Juckreiz, Erythem („flush“), sowie       meabilitätsstörung kommt es zu Flüs­        dere Allergene sowie Anwendung von
Urtikaria und Angio-(Quincke-)Ödem            sigkeitsverlust ins Gewebe und zu einer     anaphylaxiefördernden Medikamenten.
auch an Hautarealen, die keinen di­           Hämokonzentration und Hypovolämie,          Dieses Phänomen wird als „Augmenta­
rekten Kontakt mit dem Auslöser hatten        gefolgt von arterieller Hypotension und     tion“ oder „Summation“ bezeichnet. Ei­

                                                                                                                                  4
ne häufiger vorkommende Form ist die
nahrungsallergeninduzierte anstren­                             Wichtige Differenzialdiagnosen der Anaphylaxie
gungsgetriggerte Anaphylaxie („food-
dependent exercise-induced anaphy­             Kardiovaskuläre Erkrankungen
laxis“, FDEIA), die am häufigsten durch         § vasovagale Synkope                                 § kardiogener Schock
Weizenmehl ausgelöst wird [35].                 § Herzrhythmusstörungen                              § hypertone Krise
                                                § Lungenembolie                                      § Herzinfarkt
          Risikofaktoren der
        schweren Anaphylaxie                   Endokrinologische Erkrankungen
                                                § Karzinoidsyndrom                                   § Phäochromozytom
                                                § thyreotoxische Krise                               § Hypoglykämie
   Es gibt Risikofaktoren für das Auftre­
ten von schwerer (Grad III und Grad IV)
Anaphylaxie. Solche Risikofaktoren, die        Neuropsychiatrische Erkrankungen
unabhängig vom Auslöser bestehen,               § Hyperventilationssyndrom                           § Angst- und Panikstörungen
                                                § Dissoziative Störungen und                         § Psychosen
sind ein hohes Lebensalter [16], schwere
                                                  Konversion (z. B. Globus hystericus)               § Artefakte (Münchhausen-Syndrom)
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestehen­          § Somatoforme Störungen (z. B. psychogene            § Epilepsie
des und insbesondere schlecht einge­              Atemnot, „vocal cord dysfunction“)                 § Koma (z. B. metabolisch, traumatisch)
stelltes Asthma bronchiale, die Einnah­
me von Medikamenten, die eine Mast­            Atemwegs­erkrankungen
zellaktivierung bzw. Leukotrienbildung           § Status asthmaticus (ohne Beteiligung weiterer Organe)
fördern (z. B. NSAR) und eine Mastozy­           § akute stenosierende Laryngotracheitis
tose. Für die Insektengiftallergie ange­         § tracheale/bronchiale Obstruktion (z. B. Fremdkörper)
geben sind zudem die Einnahme von
β-Adrenozeptorantagonisten und ACE-            Hauterkrankungen
Hemmern, körperliche und psychische             § Urtikariaerkrankungen und hereditäres/erworbenes angio­neurotisches Ödem
Belastungen sowie eine erhöhte basale             Anmerkung: Bei physikalischen Urtikariaformen kann intensive Einwirkung des jeweiligen
Serumtryptase [24].                               Auslösers zu Anaphylaxie führen.
   Unter Berücksichtigung der auslö­
serbezogenen Untergruppen der Ana­             Pharmakologisch-toxische Reaktionen
phylaxie gibt es für die Nahrungsmit­           § Ethanol                                           § Opiate (Morphin)
telanaphylaxie Daten, die zeigen, dass          § Histaminose z. B. bei Fischvergiftung (Scombroid) § Hoigné-Syndrom
das allergische Asthma bronchiale auch
hier einen wichtigen Risikofaktor dar­      Tab. 3
stellt [36]. Der Auslöser selbst kann ein
Risikofaktor sein: So ist beispielswei­     tige Differenzialdiagnosen sind in Tab.                dor) oder plötzlichem Blutdruckab­
se bekannt, dass die Erdnuss als hoch       3 aufgelistet. Nach adäquater Akutver­                 fall bzw. dessen Manifestationen
potentes Allergen ein Risikofaktor für      sorgung ist es hilfreich, im Blut Media­               (z. B. Kollaps, Herzrasen, Inkontinenz),
schwere Reaktionen ist [37].                toren zu bestimmen, vor allem Serum­                   oder
                                            tryptase, idealerweise etwa ein bis drei           n   plötzliches Auftreten von Sympto­
        Diagnose und wichtige               Stunden nach dem Einsetzen der Ana­                    men an zwei oder mehr der Organ­
        Differenzialdiagnosen               phylaxie und falls möglich im Vergleich                sys­teme Haut (z. B. akute Urtikaria,
                                            zur basalen Serumtryptase, die auch im                 Angioödem, Flush, Schleimhaut­
   Die klinische Symptomatik der Ana­       Nachhinein – sogar post mortem – be­                   schwellung), Gastrointestinaltrakt
phylaxie ist nicht immer charakteris­       stimmt werden kann [38, 39].                           (z. B. Bauchkrämpfe, Erbrechen),
tisch, sodass die Diagnose Schwierig­          Folgende Symptome wurden in ei­                     Atemtrakt (z. B. Atemnot, Giemen,
keiten bereiten kann. Insbesondere in       ner Konsensuskonferenz als charakte­                   Husten, Stridor) oder Kreislaufsystem
diesen Situationen ist es wichtig, an­      ristische Kriterien für eine Anaphylaxie               (z. B. Blutdruckabfall, Kollaps, Inkonti­
dere Ursachen von Symptomen ei­             angesehen [9]:                                         nenz) nach einem Kontakt mit einem
ner anaphylaktischen Reaktion ab­           n plötzliches Auftreten von Sympto­                    wahrscheinlichen Allergen oder Ana­
zugrenzen, z. B. andere Auslöser von           men an der Haut (z. B. akute Urtika­                phylaxietrigger, oder
isolierter Urtikaria, Atemwegsobstruk­         ria, Angioödem, Flush, Schleimhaut­             n   Blutdruckabfall nach Kontakt mit
tion, Erbrechen, Nausea, Diarrhö, Un­          schwellung) zusammen mit plötz­                     einem für den betroffenen Patienten
ruhe, Bewusstlosigkeit, Herzrhythmus­          lichen respiratorischen Symptomen                   bekannten Allergen oder einem an­
störungen oder Herzstillstand. Wich­           (z. B. Atemnot, Giemen, Husten, Stri­               deren Anaphylaxietrigger.

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Pharmakologie der                  Kreislaufstillstand sie­he eigenes Kapi­     Andere vasoaktive Substanzen
       wichtigsten Medikamente               tel. Bei Patienten unter Therapie mit           Dopamin, Noradrenalin sowie Vaso­
    in der Anaphylaxiebehandlung             β-Adrenorezeptor­antagonisten und feh­       pressin werden in bedrohlichen Situa­
                                             lendem Ansprechen auf mehrfache Ga­          tio­nen von Notärzten und unter inten­
  In der spezifischen medikamentösen         be von Adrenalin oder anderer vasoak­        sivmedizinischen Bedingungen mit Mo­
Therapie haben sich folgende Substan­        tiver Stoffe (s. unten) wird die Gabe von    nitorkontrolle eingesetzt.
zen bewährt:                                 Glukagon empfohlen [41]. Glukagon hat
                                             jedoch ausschließlich eine Wirkung auf          Dopamin: Ein günstiges Wirkprofil
Vasoaktive Substanzen                        die kardiale Symptomatik.                    für die Therapie kardiovaskulärer Reak­
   Adrenalin: Das wichtigste Medika­            Die zusätzliche inhalative Gabe von       tionen bietet Dopamin, das auf α- und
ment in der Akuttherapie bei Anaphyla­       Adrenalin zur intramuskulären Applika­       β-Adrenorezeptoren wirkt und eine kur­
xie ist Adrenalin (­Epinephrin). Adrenalin   tion ist wirksam bei Larynxödem und          ze Halbwertszeit besitzt. Dopamin be­
antagonisiert funktionell über Aktivie­      wirkt auch bei Bronchospasmus. Hier          wirkt in niedrigen Dosen über vasku­
rung von α- und β-Adrenorezeptoren           wird die Gabe von Adrenalin (z. B. 2 ml à    läre D1-dopaminerge Rezeptoren eine
alle wichtigen Pathomechanismen der          1 mg/ml) über einen Vernebler mit einer      Vasodilatation im renalen, mesenteri­
Anaphylaxie durch Vasokonstriktion,          Atemmaske zusammen mit Sauerstoff            alen und koronaren Gefäßbett [43, 44].
Erniedrigung der Gefäßpermeabilität,         empfohlen. Die inhalative Applikation        Bei höheren Konzentrationen überwiegt
Bronchodilatation, Ödemreduktion und         von Adrenalin kann die parenterale Ga­       der blutdrucksteigernde Effekt durch
positive Inotropie am Herzen. Es zeigt,      be nicht ersetzen.                           Stimulation der α- und β1-Rezeptoren.
wenn es intravenös verabreicht wird,            Bei überwiegender Bronchialobstruk­       Über eine Aktivierung des β2-Adreno­
den schnellsten Wirkungseintritt aller       tion ist die zusätzliche Gabe eines in­      zeptors kommt es auch zu einer Bron­
Anaphylaxiemedikamente.                      halativen β-Adreno­rezeptoragonisten,        chodilatation. Allerdings ist diese ge­
   Beim nicht reanimationspflichtigen        z. B. Salbutamol oder Terbutalin, in ei­     ringer ausgeprägt als bei Adrenalin, da
Patienten ist die sofortige intramusku­      ner Dosierung von zwei bis vier Hüben        Dopamin am Adrenozeptor nur partiell­
läre Applikation einer Dosis von 0,3–0,5     wirksam. Die Effektivität der Inhalation     agonistisch wirkt. Bei ungenügender
mg Adrenalin (ab 30–50 kg KG) in die         eines Dosier­aerosols sollte, wenn mög­      Wirkung von Adrenalin und Volumen­
Außenseite des Oberschenkels die me­         lich, durch Anwendung eines „Spacers“        substitution kann Dopamin anstelle
dikamentöse Therapie der ersten Wahl.        erhöht werden.                               von Adrenalin als intra­venöse Dauerin­
Gegenüber der intravenösen Applika­             Früher wurde bei Hypotonie in der         fusion verabreicht werden. Die übliche
tion ist das Risiko schwerer kardialer Ne­   Schwangerschaft vereinzelt statt Adre­       Dosierung beträgt 2–15 µg/kg/Minu­
benwirkungen erheblich geringer. Bei         nalin die Gabe von Ephedrin empfohlen.       te. Der Einsatz von Dopamin ist an ein
fehlender Wirkung in Abhängigkeit von        Die Datenlage ist für Ephedrin jedoch        Puls- und Blutdruckmonitoring gebun­
den Nebenwirkungen kann die Injek­           noch unzureichender als für Adrenalin,       den. Dopamin wird besonders bei Pa­
tion alle fünf bis zehn Minuten wieder­      sodass wir in Übereinstimmung mit an­        tienten unter Therapie mit β-Adreno­
holt werden.                                 deren Autoren auch bei Anaphylaxie in        rezeptorantagonisten eingesetzt.
   Die subkutane Injektion von Adrena­       der Schwangerschaft die Gabe von Ad­
lin wird wegen unzureichender Resorp­        renalin empfehlen [42].                         Noradrenalin: Noradrenalin ist ein po­
tion und damit verbundenem verzöger­            Auch bei adäquater Gabe von Adre­         tenter ­α- und β1-Adrenozeptoragonist
tem Wirkungseintritt nicht mehr emp­         nalin können ein Therapieversagen oder       und hat im Vergleich zu Adrenalin eine
fohlen.                                      Nebenwirkungen beobachtet werden.            niedrigere stimulatorische Potenz am
   Bei fehlender Stabilisierung des Pati­    Die Erhöhung des Herzminutenvolu­            β2-Adrenozeptor, sodass in therapeu­
enten und drohender Dekompensation           mens führt zu erhöhtem Sauerstoffver­        tischer Dosierung die bronchodilatato­
von Atmung oder Kreislauf sollte Adre­       brauch und kann arrhythmogen wir­            rische Wirkung geringer ist. Daher über­
nalin intravenös appliziert werden [40].     ken, sodass bei Patienten mit koronarer      wiegt eine Zunahme des peripheren Wi­
Hierfür wird die Verdünnung von 1  mg        Herzkrankheit insbesondere durch intra­      derstands und systolischen Blutdrucks.
Adrenalin in 10 ml Natriumchlorid (NaCl)     venöse Gabe von Adrenalin Angina pec­        Die Wirkung auf die Lunge ist gering.
0,9 %, d. h. eine Lösung von 0,1  mg/        toris oder ein Myokardinfarkt ausgelöst      Noradrenalin wird insbesondere bei un­
ml unter kontinuierlicher Kontrolle der      werden können. Bei schwerer lebensbe­        genügender Wirkung von Volumenzu­
Kreislaufparameter in Abhängigkeit von       drohlicher Anaphylaxie gibt es keine ab­     fuhr und Adrenalin/Dopamin eingesetzt
Wirkung und Nebenwirkungen verab­            solute Kontraindikation für Adrenalin, je­   [45, 46]. Wegen seiner ausgeprägten va­
reicht. Eine Dauerinfusion von ca. 0,05–     doch sollte die Indikation bei Patienten     sokonstriktorischen Wirkung soll es aus­
1 μg/kg/Minute ist ebenso effektiv. Eine     mit vorbestehender Herzerkrankung ge­        schließlich als intravenöse Dauerinfu­
Puls- und Blutdruckkontrolle ist erfor­      prüft werden.                                sion unter striktem Blutdruck- und Puls­
derlich. Adrenalindosierung bei Herz-/                                                    monitoring verabreicht werden. Die üb­

                                                                                                                                 6
liche Dosierung beträgt 0,02–0,15 µg/       tenz bzw. der Möglichkeit, selbst Ana­      kagabe wird offiziell primär die maxi­
kg/Minute.                                  phylaxien auszulösen (z. B. bei Dextran     mal zugelassene Dosis empfohlen. Die
                                            ohne Vorbehandlung mit niedermole­          Expertengruppe ist sich jedoch einig,
  Vasopressin: Von Anästhesisten wird       kularem Dextranhapten) in der Thera­        dass in Einzelfällen auch erhöhte Dosen
zur Behandlung von schwerer Hypoto­         pie der Anaphylaxie zurückhaltend be­       (bis maximal der vierfachen Dosis der
nie auch der Einsatz von Vasopressin be­    trachtet.                                   jeweilig zugelassenen Einzeldosis) ge­
schrieben [47].                                Hydroxyethylstärke(HES)-Präparate,       geben werden können, wie das für die
                                            z. B. mittelmolekulares HES (HES 6 %        Behandlung der chronischen Urtikaria
Sauerstoff                                  200/0,5) sind die am häufigsten einge­      empfohlen wurde [55]. In höheren Do­
   Bei manifesten kardiovaskulären          setzten Plasmaersatzmittel bei anaphy­      sierungen können Antihistaminika je­
oder pulmonalen Reaktionen empfiehlt        laktischem Schock. Ablagerungen im          doch anticholinerge Wirkungen wie Ta­
sich die sofortige Applikation von Sau­     retikuloendothelialen System sind für       chykardie, Mundtrockenheit, Darmato­
erstoff über die Atemmaske insbeson­        HES 200/0,5 ab etwa 1,5 l beim Erwach­      nie, Harnverhalt, Augeninnendrucker­
dere mit Reservoirbeutel. Die Gabe von      senen zu erwarten [48]. Für den not­        höhung bis hin zum Glaukomanfall so­
100 % Sauerstoff mit hohem Fluss wird       ärztlichen oder intensivmedizinischen       wie paradoxe Erregungszustände auslö­
empfohlen. Eine ­Larynxmaske oder ein       Einsatz stehen bei fehlender Kreislauf­     sen [56]. Auf diese Symptome ist daher
Larynxtubus können hilfreich sein. Nur      stabilisierung auch hypertone, hype­        zu achten.
in seltenen Fällen wird eine endotrache­    ronkotische Lösungen oder mittelmole­          Die H1-Antihistaminika der zweiten
ale Intubation durch einen darin erfah­     kulares HES 130/0,4 in 6-prozentiger Lö­    Generation sind zur Therapie der Ana­
renen Arzt (zumeist Notarzt, Anästhe­       sung zur Verfügung. In der akuten kurz­     phylaxie noch nicht zugelassen und ste­
sist) notwendig werden.                     fristigen Gabe ist das Risiko einer even­   hen nicht zur intravenösen Injektion zur
                                            tuellen Niereninsuffizienz gering [52].     Verfügung. Dennoch werden zur oralen
Volumengabe                                 Nach neuerer Literatur wird der Wert        Notfalltherapie häufig die neueren se­
    Ein wichtiger pathophysiologischer      kolloidaler Volumenersatzmittel ge­         lektiveren H1-Antihistaminika empfoh­
Aspekt der Anaphylaxie ist die resul­       genüber kristalloi­den Lösungen in der      len, die in placebokontrollierten Haut­
tierende Hypovolämie, die durch ad­         Akutbehandlung von Schock­zuständen         teststudien einen schnellen Wirkungs­
äquate Volumengabe behandelt wird           eher kritisch beurteilt [53].               eintritt zeigten [54]. Weitere Studien mit
[48–51]. Schwere anaphylaktische Re­                                                    neueren H1-Antihistaminika zur Thera­
aktionen erfordern die Zufuhr großer        Antihistaminika (H1-Rezeptor­               pie der Anaphylaxie sind dringend zu
Mengen Flüssigkeit innerhalb kurzer         antagonisten)                               fordern. Dabei wären insbesondere in­
Zeit. Dies ist nur über großkalibrige in­      Die zentrale Rolle von Histamin als      travenöse Präparate von modernen,
travenöse Zugänge zu erreichen. Ist ein     Mediator allergischer Reaktionen und        nichtsedierenden H1-Antihistaminika
intravenöser Zugang nicht herzustel­        die Wirkung von H1-Antihistaminika bei      wünschenswert.
len, kann eine spezielle intraossäre Na­    akuter Urtikaria oder Rhinokonjunktivi­        Zur Wirksamkeit von H2-Rezeptoren­
del vorzugsweise in die Tibia eingeführt    tis sind unbestritten, ihre Wirkungen auf   blockern in der Therapie akuter anaphy­
werden. Der anaphylaktische Schock er­      den Kreislauf und die Bronchokonstrik­      laktischer Reaktionen gibt es wenig Evi­
fordert innerhalb kürzester Zeit bei Er­    tion sind jedoch nicht belegt [54]. Anti­   denz. Eine Studie berichtet über eine
wachsenen eine Zufuhr von 0,5–1 Liter,      histaminika haben einen langsameren         Reduktion kutaner Symptome nach zu­
gegebenenfalls bis zu 2–3 Liter Flüssig­    Wirkungseintritt im Vergleich zu Adre­      sätzlicher Verabreichung von Ranitidin
keit je nach Ansprechen, im Kindesalter     nalin, besitzen aber ein günstiges Nut­     gegenüber einem H1-blockierenden
initial 20 ml/kg KG.                        zen-Nebenwirkungs-Profil und eine           Antihistaminikum alleine in der Thera­
    Primär sollten physiologische Koch­     große therapeutische Breite. Eine Wir­      pie allergischer Reaktionen [57]. Die Prä­
salzlösung (NaCl 0,9 %) oder balancierte    kung auf die allergische Reaktion ist an­   vention von Überempfindlichkeitsreak­
Vollelektrolytlösungen eingesetzt wer­      zunehmen. Darum sollten sie bei allen       tionen durch Zugabe von H2-Rezepto­
den. Bei Gabe größerer Mengen ver­          anaphylaktischen Reaktionen zur Blo­        renblockern ist etwas besser belegt, wo­
bleiben Elektrolytlösungen jedoch nur       ckade der Histaminwirkung bereits im        bei der Effekt nicht getrennt von ande­
kurzfristig im Intravasalraum. Deshalb      Anfangsstadium gegeben werden.              ren Arzneistoffen untersucht wurde [58,
kann nach Gabe höherer Volumina von            Zur intravenösen Applikation in der      59]. Zu anaphylaktischen Reaktionen
Elektrolyten (> 1 l) und fehlender Stabi­   Akuttherapie der Anaphylaxie sind nur       durch Ranitidin finden sich Fallberichte
lisierung der zusätzliche Einsatz kolloi­   die H1-Antihistaminika der ersten Gene­     in der Literatur [60]. Wir empfehlen die
daler Lösungen erwogen werden.              ration Dimetinden (0,1 mg/kg KG) und        zusätzliche Anwendung von H2-Rezep­
    Gelatine- und Dextranlösungen wer­      Clemastin (0,05 mg/kg KG) mit den be­       torantagonisten bei schweren und the­
den – trotz positiver Eigenschaften –       kannten sedierenden Nebenwirkungen          rapieresistenten Anaphylaxien, weil sie
wegen ihrer histamin­liberierenden Po­      verfügbar. Bei der oralen Antihistamini­    zwar nur eine geringe Evidenz für eine

                                                                                                                                7
Wirkung, aber auch keine wesentlichen                       kokortikoiddosen (500–1.000 mg unab­                      Bei einer Anaphylaxie sollte zunächst
Nebenwirkungen aufweisen [61].                              hängig von der Potenz des Glukokorti­                 geprüft werden, ob ein Stopp einer wei­
                                                            koids) wurde in Reviews postuliert [2,                teren Allergenexposition möglich ist.
Glukokortikoide                                             4, 62]. Bei fehlendem intravenösem Zu­                In besonderen Situationen (z. B. Infu­
    Glukokortikoide spielen aufgrund                        gang können Glukokortikoide bei Klein­                sio­nen) ist dies ohne größeren Zeitauf­
des langsamen Eintritts ihrer Wirkung                       kindern rektal (z. B. Prednisolon-Zäpf­               wand möglich. Das Abbinden einer Ex­
in der akuten Phase einer anaphylak­                        chen) oder oral appliziert werden.                    tremität und/oder die subkutane Um­
tischen Reaktion therapeutisch eine                                                                               spritzung eines lokalen Allergendepots
untergeordnete Rolle [62]. Zu ihrer An­                                           Therapie                        (z. B. Wespenstich oder Injektionsstel­
wendung in dieser Indikation liegen                                                                               le einer spezifischen Immuntherapie)
keine systematischen klinischen Stu­                           Für die Notfalltherapie der Anaphy­                mit Adrenalin wird nicht empfohlen,
dien vor. Glukokortikoide sind aber ef­                     laxie ist wichtig, dass sie zeitnah und               da d  ­ ies von zweifelhaftem therapeu­
fektiv bei Behandlung von Asthma und                        symptomgerecht erfolgt. Ein Schema,                   tischem Nutzen ist und das Risiko birgt,
wirken protrahierten oder biphasischen                      welches die Therapie für den Arzt und                 von wichtigen Maßnahmen abzulen­
anaphylaktischen Reaktionen entge­                          das Notfallteam abbildet, wurde bereits               ken. Weitere Hilfe ist anzufordern, um
gen. Eine unspezifische membranstabi­                       publiziert und im Rahmen dieser Leitli­               die Voraussetzungen für eine ausrei­
lisierende Wirkung innerhalb von zehn                       nie aktualisiert und angepasst (Abb. 1)               chende medizinische Versorgung zu
bis 30 Minuten nach Zufuhr hoher Glu­                       [63].                                                 schaffen. Jeder Arzt in der Praxis sollte
                                                                                                                  eine Notfallausrüstung zur Behandlung
                                                                                                                  anaphylaktischer Reaktionen vorrätig
                                                                                                                  haben (Tab. 4). Eine Arbeit im Team mit
           Notfallausrüstung zur Behandlung anaphylaktischer Reaktionen                                           der Möglichkeit der Arbeitsteilung ist
                                                                                                                  anzustreben.
   § Stethoskop, Blutdruckmessgerät                         § Infusionslösungen (physiologische                       Zunächst sind eine Anamnese und Ba­
                                                              NaCl-/Elektrolytlösungen, kolloidale                sisuntersuchung durchzuführen (Abb.
   § Stauschlauch, Spritzen, Venenverweil­                    ­Lösungen)
     kanülen, Infusionsbesteck
                                                                                                                  1). Dies beinhaltet:
                                                                                                                  n die Prüfung von Lebenszeichen
                                                            § Glukokortikoid zur intravenösen Injektion
   § Sauerstoff mit Maske/Brille                                                                                      (spontane Bewegung und Atmung),
                                                                                                                  n die Beurteilung von Puls und Blut­
                                                            § Bronchodilatator (rasch wirksame β2-
   § Guedel-Tubus, Beatmungsbeutel,                                                                                   druck (Stärke, Frequenz, Regelmäßig­
                                                              Adrenozeptoragonisten zur Inhalation
     Absaugvorrichtung, Intubationsbesteck                                                                            keit),
                                                              bzw. zur intravenösen Injektion)
                                                                                                                  n die Beurteilung der Atmung (Sprech­
   § Adrenalin zur Injektion
                                                            § Evtl. automatischer externer Defibrillator              dyspnoe, inspiratorischer oder exspi­
   § H1-Antihistaminika zur intravenösen                                                                              ratorischer Stridor, Giemen; optional:
     Injektion                                              § Evtl. Pulsoximeter                                      Auskultation, Bestimmung des „Peak
                                                                                                                      flow“ mittels mechanischem Peak-
                                                                                                                      flow-Meter, Pulsoximetrie),
Tab. 4
                                                                                                                  n die Inspektion leicht einsehbarer
                                                                                                                      Hautareale sowie der Schleimhäute,
                                                                                                                  n das Erfragen weiterer Beschwerden
                             Mögliche Alarmgrenzen für Vitalwerte*
                                                                                                                      (z. B. Übelkeit, Brechreiz, Kopfschmer­
    Alarmgrenzen in                    bis 1 Jahr          1–5 Jahre          6–14 Jahre          > 14 Jahre          zen, thorakales Druckgefühl, Sehstö­
    Abhängigkeit vom Alter                                                                                            rung, Pruritus),
                                                                                                                  n das Erfragen bekannter Allergien.
   Herzfrequenz (/min)                      > 160                > 130               > 120                > 110
                                                                                                                      Mögliche Alarmwerte von Vitalpara­
   Blutdruck (systolisch, mmHg)               < 50                < 60                < 60                < 70    metern sind in Tab. 5 angegeben. Diese
                                                                                                                  Untersuchungen sollten im Verlauf re­
   Atemfrequenz (/min)                        > 40                > 35                > 30                > 25    gelmäßig wiederholt werden.
                                                                                                                      Jüngere Kinder können initial oft auf
   Sauerstoffsättigung (%)                    < 92                < 92                < 92                < 92    dem Arm der Eltern untersucht werden.
   * Diese Werte sind aufgrund hoher individueller Schwankungen der Ausgangswerte nur als orientierende
                                                                                                                  Ziel ist zunächst die Beruhigung des
     Anhaltspunkte zu verstehen. Studiendaten hierzu fehlen.                                                      Kindes und der Eltern, um eine adäqua­
                                                                                                                  te Untersuchungs- und Behandlungs­
Tab. 5                                                                                                            atmosphäre zu schaffen. Bei unruhigen

                                                                                                                                                           8
Abb. 1

         9
Kleinkindern sind die Untersuchung          gravation der Anaphylaxie (Kofaktor)          stoppen. Eine sofortige Verlegung und
der Mundhöhle und die Auskultation          zu vermeiden. Bei eingeschränkter Be­         Therapie auf einer Intensivstation ist an­
oft schwierig bzw. nicht durchführbar.      wusstseinslage, ­insbesondere in präkli­      zustreben (Tab. 6).
Irritationen mit dem Mundspatel kön­        nischer ­Situation, ist die stabile Seiten­
nen eine obere Atemwegsobstruktion          lage anzuwenden. Zur Verbesserung             Anaphylaxie mit führender
verstärken und sind zu vermeiden. In        der hämodynamischen Situa­tion kann           Herz-Kreislauf-Reaktion
diesem Fall sollte auf klinische Zeichen    eine Trendelenburg-Lagerung (Beine                Als Sofortmaßnahme ist hier die in­
einer Atemwegsobstruktion wie ver­          hoch) durchgeführt werden. Bei Situa­         tramuskuläre Injektion von Adrenalin
längertes Exspirium, in- oder exspirato­    tionen mit führender Atemnot ist eine         zu empfehlen, dies gilt insbesondere,
rischer Stridor, Giemen, Speicheln, Ein­    (halb-)sitzende Position zu bevorzugen.       wenn noch kein intravenöser Zugang
ziehungen von Thorax oder Nasenflü­         Bei der Therapie von Kindern ist darauf       besteht (Abb. 1; Tab. 6). Die in der Lai­
geln geachtet werden.                       zu achten, mit der Lagerung keinen            entherapie etablierten Adrenalin-Au­
                                            Zwang auszuüben, um ihre Angst nicht          toinjektoren können wegen ihrer sehr
Beurteilung des Schweregrads                zusätzlich zu erhöhen.                        schnellen Anwendbarkeit in diesen Si­
    Aufbauend auf dieser Untersuchung                                                     tuationen von Vorteil sein. Die standar­
sollten der Grad der Bedrohlichkeit der     Anaphylaxie mit Herz-Kreislauf-               disierten Dosen der Auto­injektoren von
Anaphylaxie und das bedrohlichste,          Stillstand                                    0,3 mg bzw. 0,15 mg stellen ­praktikable
führende Symptom der Anaphylaxie               Eine kardiopulmonale Reanima­tion          Einzeldosen der Applikation dar. Bei
identifiziert werden (Abb. 1). Das vital    mit Herz-Druck-Massage und Beat­              nicht ausreichen­dem Ansprechen kann
­bedrohlichste Symptom der Anaphyla­        mung im Verhältnis von 30 : 2 ist zu be­      nach ca. fünf Minuten die intramusku­
 xie sollte priorisiert therapeutisch an­   ginnen (Abb. 1). Ein automatischer Defi­      läre Injektion wiederholt werden.
 gegangen werden. Dies führt zu sechs       brillator ist anzulegen, und im Fall eines        Die Gabe von Sauerstoff mit dem Ziel
 Szenarien:                                 Kammerflimmerns ist eine Frühdefibril­        der Anreicherung des inspiratorischen
 n Anaphylaxie mit Herz-Keislauf-Versa­     lation durchzuführen. Für die weitere         Sauerstoffanteils (FiO2) auf > 0,5 ist zu
    gen (Anaphylaxie Grad IV),              medikamentöse Therapie ist ein intrave­        empfehlen. Dies lässt sich mit Sauer­
 n Anaphylaxie mit führender Herz-          nöser oder ersatzweise ein intraossärer        stoffatemmasken mit Reservoir errei­
    Kreislauf-Reaktion (Anaphylaxie Grad    Zugang erforderlich. Intravenös verab­         chen. Nasensonden heben den FiO2 nur
    II/III),                                reichtes Adrenalin ist hier Therapeuti­       ungenügend an.
 n Anaphylaxie mit führender Obstruk­       kum der ersten Wahl. 1 ml Adrenalin (1            Bei allen Formen der Bewusstseins­
    tion der ­oberen Atemwege (Anaphy­      mg/ml) wird 1 : 10 verdünnt auf 0,1 mg/       störung muss ständig mit Erbrechen
    laxie Grad II/III)                      ml (insgesamt 10 ml Volumen) und als          des Patienten gerechnet werden. Dies
 n Anaphylaxie mit führender Obstruk­       1-mg-Bolus (= 10 ml) alle drei bis fünf       ist bei der Lagerung zu berücksichtigen.
    tion der unteren Atemwege (Anaphy­      Minuten bis zur Kreislaufstabilisierung       ­Mittels Esmarch-Handgriff ist der Mund
    laxie Grad II/III),                     gegeben. Für eine ­suffiziente Oxyge­         zu öffnen und die Mundhöhle auf Erbro­
 n Anaphylaxie mit führender gastroin­      nierung sind die Atemwege zu sichern.         chenes zu inspizieren und gegebenen­
    testinaler B­ eteiligung (Anaphylaxie   Dies kann mittels endotrachealer Intu­        falls abzusaugen. Eine e­ insatzbereite
    Grad II),                               bation erfolgen. Alternativ ist die An­       Absaugeinheit ist sinnvoll.
 n Anaphylaxie mit systemisch vermit­       wendung einer Larynxmaske, eines La­              Für die weitere Therapie ist ein intra­
    telter, generalisierter Hautmanife­     rynxtubus oder eines Kombitubus bei           venöser Zugang erforderlich (Tab. 6).
    station und subjektiven Symptomen       entsprechender Erfahrung gegenüber            Sollte es nicht gelingen, ihn zu legen,
    (Anaphylaxie Grad I).                   einer A­ temmaske zu bevorzugen. Der          ist ersatzweise ein intraossärer Zugang
                                            Anteil des inspiratorischen Sauer­stoffs      indiziert. Zentrales Therapieziel ist der
Lagerung                                    (FiO2) sollte auf > 0,8 gesteigert werden.    Ausgleich eines relativen Volumenman­
   Als Sofortmaßnahme nach der Un­          Hierfür werden ein hoher Zufluss von          gels. Hierfür ist eine forcierte Volumen­
tersuchung ist eine symptomorien­           Sauerstoff und die Anwendung eines            substitution mit Elektrolytlösung (Ziel­
tierte Lagerung des Patienten vorzu­        Reservoirbeutels benötigt. Für eine er­       größe 5–10 ml/kg KG innerhalb von fünf
nehmen. Eine Flachlagerung und die          folgreiche Reanimation ist es erforder­       Minuten) erforderlich. Eine derartige
Vermeidung weiterer körperlicher An­        lich, entsprechend der Pathophysiolo­         Flussleistung erfordert eine großvolu­
strengung (Aufrichten, Laufen, Ren­         gie der Anaphylaxie den zugrunde lie­         mige Venenverweilkanüle (≥ 18 Gau­
nen) stellen die Grundstrategie dar. Si­    genden Volumenmangel mittels for­              ge) oder mehrere Zugänge. Der Einsatz
tuationsabhängig kann die Lagerung          cierter Volumensubstitution auszuglei­         kolloidaler Volumenersatzmittel im Rah­
­variiert werden. Aufrichtung und kör­      chen sowie mit hochdosierter Gabe von          men einer forcierten Volumensubstitu­
perliche A ­ nstrengung (Laufen, Ren­       Anti­allergika (Antihistaminika/Gluko­         tion stellt eine gängige notfallmedizi­
nen) sind wegen der Gefahr einer Ag­        kortikoide) die allergische Reaktion zu        nische Praxis dar.

                                                                                                                                 10
Pharmakotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene unter Intensivbedingungen
    Wirkstoff           Applikationsweg                   < 15 kg KG                  15–30 kg KG                     > 30–60 kg KG                   > 60 kg KG
   Adrenalin intravenös, Bolus 1                          0,1 ml/kg KG                0,1 ml/kg KG                    0,05–0,1 ml/kg KG               0,05–0,1 ml/kg KG
   		                                                     (von 1 mg/10 ml) 1          (von 1 mg/10 ml) 1              (von 1 mg/10 ml) 1              (von 1 mg/10 ml) 1

   Adrenalin            Dauerinfusion                     0,05–1,0 µg/kg/min          0,05–1,0 µg/kg/min              0,05–1,0 µg/kg/min              0,05–1,0 µg/kg/min

   Adrenalin            Inhalativ-Vernebler               2 ml 2                      2 ml 2                          2 ml 2                          2 ml 2

   Dimetinden intravenös 1 ml 3 2–3 ml 3 4 ml 3                                                                                                       8 ml 3 oder
   					                                                                                                                                              1 ml/10 kg KG

   Prednisolon          intravenös                        50 mg                       100 mg                          250 mg                          250–1.000 mg

   Salbutamol  inhalativ                                  2 Hübe DA                   2 Hübe DA                       2–4 Hübe DA                     2–4 Hübe DA
   Terbutalin		                                           per ­Spacer                 per Spacer                      per Spacer                      per Spacer

   Reproterol 4         Dauerinfusion                     0,1 µg/kg/min               0,1 µg/kg/min                   0,1 µg/kg/min                   0,1 µg/kg/min

   Volumen              Bolus (NaCl 0,9%)                 20 ml/kg KG                 20 ml/kg KG                     10–20 ml/kg KG                  10–20 ml/kg KG

   Volumen              Infusion (Ringer-Lösung)          1–2 ml/kg/min               1–2 ml/kg/min                   1–2 ml/kg/min                   1–2 ml/kg/min

   Sauerstoff           inhalativ                         2–10 l/min                  5–12 l/min                      5–12 l/min                      5–12 l/min
   1
     Für die Bolusgabe wird von einer 1 mg/ml Adrenalinlösung 1 ml mit 9 ml NaCl 0,9% verdünnt (Endkonzentration 0,1 mg/ml); 2 für die Inhalation wird die Stammkonzentration
   verwendet (1 mg/ml); 3 einer (Stamm-)Konzentration von 1 mg/ml (1 ml = 1 mg); 4 Reproterol kann auch als Bolus gegeben werden.

Tab. 6

   Antiallergische Medikamente (Anti­                        der oberen Atemwege. Dies kann an ei­                          rapie ist von zentraler Bedeutung
histaminika [cave anticholinerge Ne­                         ner Zungen- oder Uvulaschwellung, an                           (Abb. 1). Verschiedene kurz wirksame
benwirkungen] und Glukokortikoide)                           einer Dysphonie oder einem inspirato­                          β2-Sympathikomimetika (β2-Adre­no­
sind hochdosiert einzusetzen (Tab. 6).                       rischen Stridor erkennbar sein. Diese                          zeptorago­nisten, z. B. Salbutamol, Ter­
Bei persistierenden oder bedrohlichen                        Situationen können durch eine Verle­                           butalin) sind zur Therapie einer bron­
Schockzuständen ist die fraktionierte                        gung des Kehlkopfeingangs lebensbe­                            chialen Obstruktion zuge­las­sen (Tab. 6,
intravenöse/­intraossäre oder intramus­                      drohlich werden. Als Sofortmaßnahme                            Tab. 7). Zu beachten ist, dass manche
kuläre Gabe von Adrenalin indiziert. Ei­                     werden auch in diesen Situationen die                          Anaphylaxiepatienten wenig Erfah­
ne Überwachungsmöglichkeit mit kon­                          intramuskuläre Injektion von Adrena­                           rung mit einer Inhalationstherapie ha­
tinuierlichem Blutdruck- und Pulsmoni­                       lin und die Sauerstoffgabe empfohlen                           ben und daher Inhalationshilfen („Spa­
toring ist in diesen Situationen dringlich                   (Abb. 1). Die inhalative Applikation von                       cer“) bei Dosieraerosolen oder die
angezeigt. Bei entsprechenden notfall­                       Adrenalin ist indiziert (Tab. 6, Tab. 7). Bei                  Anwendung von Inhalationsverfah­
medizinischen Kenntnissen können                             unzureichendem Ansprechen auf die                              ren mit kontinuierlicher Aerosolabga­
weitere sympathikomimetische Wirk­                           therapeutischen Maßnahmen ist gege­                            be (Aero­solmasken für Druck-/Sauer­
stoffe wie Dopamin oder Noradrenalin                         benenfalls eine Koniotomie vorzuneh­                           stoffanschluss oder elektrische Sprüh­
zugegeben oder eine kontinuierliche                          men.                                                           vernebler) vorteilhaft sind. Mittlerwei­
Dauerinfusion über Pumpensysteme                                                                                            le sind sehr kompakte batteriebetrie­
unter Monitorkontrolle eingesetzt wer­                       Anaphylaxie mit führender                                      bene Sprühvernebler erhältlich, die
den.                                                         bronchialer Obstruktion                                        auch für den rettungsdienstlichen prä­
                                                                Dieses Symptom gehört zu den häu­                           klinischen Einsatz geeignet sind. Im Fall
Anaphylaxie mit führender                                    figsten bei einer Anaphylaxie. In al­                          der Notwendigkeit der Therapieeska­
Obstruktion im Bereich der                                   len bedrohlich eingeschätzten Situa­                           lation ist der intravenöse Einsatz von
oberen Atemwege                                              tio­nen ist als Sofortmaßnahme Adre­                           Adrenalin oder eines injizierbaren β2-
   Kennzeichnend hierfür ist eine kli­                       na­lin intramuskulär zu injizieren. Die                        Sympathomimetikums (Terbutalin s.c.
nisch fassbare Schwellung im Bereich                         topische bronchodilatatorische The­                            oder Reproterol i.v.) möglich (Tab. 6).

                                                                                                                                                                                11
Pharmakotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene unter ambulanten Bedingungen
    Wirkstoff            Applikationsweg                   < 15 kg KG                  15–30 kg KG                     > 30–60 kg KG                 > 60 kg KG
    Adrenalin intramuskulär                                0,01 ml/kg KG               0,01 ml/kg KG                   0,01 ml/kg KG                 0,01 ml/kg KG
    		                                                     (1 mg/1 ml)                 (1 mg/1 ml)                     (1 mg/1 ml)                   (1 mg/1 ml)

    Adrenalin            Autoinjektor i. m.                siehe i. m.                 150 µg                          300 µg                        300–600 µg

    Adrenalin            Inhalativ-Vernebler               2 ml 2                      2 ml 2                          2 ml 2                        2 ml 2

    Adrenalin intravenös, Bolus 1                          0,1 ml/kg KG                0,1 ml/kg KG                    0,05–0,1 ml/kg KG             0,05–0,1 ml/kg KG
    		                                                     (von 1 mg/10 ml) 1          (von 1 mg/10 ml) 1              (von 1 mg/10 ml) 1            (von 1 mg/10 ml) 1

    Dimetinden intravenös 1 ml 3                                                       1 ml/10 kg KG 3 1 Ampulle = 4 ml 3                            1–2 Ampullen = 4–8 ml 3
    			                                                                                (max. 4 ml)		                                                  (1 ml/10 kg KG)

    Prednisolon          intravenös                        50 mg                       100 mg                          250 mg                        500–1.000 mg

    Salbutamol inhalativ                                   2 Hübe DA                   2 Hübe DA                       2–4 Hübe DA                   2–4 Hübe DA
    		                                                     per S
                                                               ­ pacer                 per S
                                                                                           ­ pacer                     per ­Spacer                   per S
                                                                                                                                                         ­ pacer

    Volumen              Bolus (NaCl 0,9%)                 20 ml/kg KG                 20 ml/kg KG                     10–20 ml/kg KG                10–20 ml/kg KG

    Volumen              Infusion (Ringer-Lösung)          1–2 ml/kg/min               1–2 ml/kg/min                   1–2 ml/kg/min                 1–2 ml/kg/min

    Sauerstoff           inhalativ                         2–10 l/min                  5–12 l/min                      5–12 l/min                    5–12 l/min
    1
      Für die Bolusgabe wird von einer 1 mg/ml Adrenalinlösung 1 ml mit 9 ml NaCl 0,9% verdünnt (Endkonzentration 0,1 mg/ml); 2 für die Inhalation wird die Stammkonzentration
    verwendet (1 mg/ml); 3 einer (Stamm-)Konzentration von 1 mg/ml (1 ml = 1 mg)

Tab. 7

  Bei einem Status asthmaticus mit                            be von Butylscopolamin lindernd wir­                           ren Reaktionen (≥ Grad II) eine statio­
muskulärer Erschöpfung kann eine Be­                          ken.                                                           näre Überwachung indiziert. Bei Ana­
atmung erforderlich werden [64].                                                                                             phylaxien mit bedrohlicher Allgemein­
                                                              Anaphylaxie mit führender                                      reaktion ist eine intensivmedizinische
Anaphylaxie mit überwiegend                                   ­Hautmanifestation                                             Überwachung sinnvoll.
­abdominaler Symptomatik                                         Das Legen eines intravenösen Zu­                               Bei Entlassung sollte die Indikation
   Eine abdominale Symptomatik wird                           gangs stellt in diesen Fällen die Sofort­                      für die Verordnung eines Notfallsets
zunächst therapeutisch wie eine Ana­                          maßnahme dar. Es empfiehlt sich, den                           zur Soforthilfe (Adrenalin-Autoinjektor,
phylaxie mit Hautbeteiligung thera­                           Zugang mittels Anlegen einer Infusion                          Antihistaminikum und Glukokortikoid,
piert (Abb. 1). Nur bei unzureichendem                        mit Vollelektrolytlösung oder physio­                          gegebenenfalls Bronchodilatator Do­
Ansprechen auf systemisch verab­reich­                        logischer Kochsalzlösung offen zu hal­                         sieraerosol) geprüft werden. Die Hand­
te antiallergische Medikamente be­                            ten. Antiallergische Medikamente wie                           habung des Notfallsets zur Soforthil­
kommen gastrointestinale Symptome                             Dimetinden und Glukokortikoid sind                             fe, insbesondere des Adrenalin-Auto­
eigenständigen Krankheitswert. Übel­                          in üblicher Dosierung zu verabreichen                          injektors, soll durch Schulung trainiert
keit, Brechreiz sowie Abdominalkoliken                        (Abb. 1; Tab. 7).                                              werden (Tab. 8; s. unten). Eine Vorstel­
stellen in diesen Fällen zumeist die rele­                                                                                   lung bei einem Allergologen zur weite­
vante Symptomatik dar.                                        Überwachungsmanagement                                         ren Abklärung und langfristigen Thera­
   Therapeutisch zu erwägen sind An­                             Eine Überwachung bis zur sicheren                           pie ist notwendig. Um Daten zu Auslö­
tiemetika wie Metoclopramid, Antihis­                         und anhaltenden Remission der Ana­                             sern, Begleitumständen und der Thera­
taminika wie Dimenhydrinat oder die                           phylaxie ist indiziert (Abb. 1). Die Mög­                      pie von anaphylaktischen Reaktionen
Gabe eines Serotonin-(5-HT3)-Antago­                          lichkeit eines biphasischen Verlaufs ei­                       im deutschen Sprachraum zu erhalten,
nisten (z. B. Ondansetron). Bei Abdomi­                       ner Anaphylaxie ist zu berücksichtigen.                        wurde das Anaphylaxie-Register ein­
nalkrämpfen kann die intravenöse Ga­                          Daher ist bei allen ausgeprägten schwe­                        gerichtet, wohin über einen Online-Zu­

                                                                                                                                                                                 12
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