Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ

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akzente
      Das Magazin der GIZ
                                             1/2021

                                   Sprießendes
                                   Miteinander
                                   Erfolgreiches Mentoring
                                             in Südostasien

                                   Zum Wandel
                                    angestachelt
                                          Produktion von
                                     Biomasse in Namibia

                                  Mit den Augen
                                     der Kinder
                                        Sichere Schulwege
                                            in der Ukraine

Ernährung
 Basis für eine gesunde Zukunft
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Gesichter und Geschichten

                    MEHR SPASS
                 IM K L A S S E N Z I M M E R
                            FARID EL-HOUZIA
     Nach 20 Jahren in Deutschland kehrte Farid El-Houiza in seine Heimat Marokko zurück.
Er gründete mit Unterstützung des Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM)
   ein Start-up. Mit Robotern und digitalen Tools begeistert er Kinder spielerisch fürs Lernen.

          Diese und weitere „Gesichter und Geschichten“ finden Sie online auf
                               www.giz.de/geschichten

                             Code mit Smartphone einscannen und Video ansehen
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Editorial

                                                                                                            DER KLEINE
                                                                                                           UNTERSCHIED
                                                                                       Warum es im Kampf gegen Hunger auf jede und jeden von uns ankommt.

                                                                    EIN UNGEWOHNTES MANGELGEFÜHL erle-               schaft vorgenommen. Wie das gelingen
                                                                    ben wir in Deutschland derzeit durch die         kann, dem geht diese akzente-Ausgabe nach.
                                                                    Corona-Pandemie: Mangel an sozialen Kon-         Die afrikanische Wissenschaftlerin Jemimah
                                                                    takten oder menschlicher Wärme, an Mög-          Njuki bezeichnet unser derzeitiges Ernäh-
                                                                    lichkeiten und Freiheiten. Dazu kommt die        rungssystem als grundlegend falsch und er-
                                                                    Angst vor Verlusten – etwa des Arbeitsplatzes    klärt in einem Essay, warum das auch viel mit
                                                                    oder der Existenz. Am Anfang der Pandemie        mangelnder Geschlechtergerechtigkeit zu
                                                                    blitzte sogar die Sorge auf, dass womöglich      tun hat. Die Ruanderin und UN-Sonderbe-
                                                                    das Allernötigste gefährdet sei, es an Strom,    auftragte Agnes Kalibata vertritt in einem In-
                                                                    Wasser oder Lebensmitteln fehlen könnte.         terview die Ansicht, dass es mit einzelnen
                                                                    Deshalb horteten manche Toilettenpapier,         Maßnahmen nicht getan sei. Wir müssten
                                                                    andere Mehl, Nudeln oder sogar Rotwein.          das gesamte System auf den Prüfstand stel-
                                                                                                                     len, nachhaltiger gestalten und dabei die Fol-
                                                                    ZUM ERSTEN MAL seit dem Zweiten Welt-            gen des Klimawandels im Blick behalten.
                                                                    krieg erfährt der Westen einen Einbruch in
                                                                    seine Konsumwelt. Doch das sind vielfach         AUFFÄLLIG IST, dass Frauen bei diesem The-
                                                                    Luxusprobleme. Viel dramatischer trifft es       ma deutlich unterrepräsentiert sind, obwohl
                                                                    andere Weltgegenden, wo der Mangel Teil          es gerade auf sie bei Produktion und Zube-
                                                                    des Alltags ist, weil es nie genug gibt, und     reitung von Essen ganz entscheidend an-
                                                                    zwar von einer ganz elementaren Sache:           kommt. Dieses Muster wollten wir brechen,        SABINE TONSCHEIDT,
                                                                    Nahrung. Statistisch betrachtet geht jeder       mindestens in unserem Einflussbereich.           Leiterin Unternehmenskommunikation
                                                                    neunte Mensch hungrig zu Bett. Hunderte          Deshalb kommen im Schwerpunkt mehr-              sabine.tonscheidt@giz.de
                                                                    Millionen Menschen müssen auch im 21.            heitlich Frauen zu Wort. Abgesehen vom
                                                                    Jahrhundert, wörtlich genommen, um ihr           Gender-Aspekt zeigen ihre Beiträge vor al-
                                                                    tägliches Brot kämpfen. Corona hat die Lage      lem eins: Wir sind Teil eines größeren Gan-
                                                                    verschlimmert, doch das Problem existierte       zen. Wir alle prägen das Ernährungssystem
                                                                    schon vorher. Es herrscht gewissermaßen          durch unsere täglichen Entscheidungen mit.
                                                                    Hunger satt.                                     Wir alle können einen kleinen, aber maß-
                                                                                                                     geblichen Unterschied machen.
                                                                    DAS MÜSSTE NICHT SEIN. Die Erde könnte
FOTO: TRISTAN VOSTRY (S. 2), DIE HOFFOTOGRAFEN/MARIA VOGEL (S. 3)

                                                                    alle Menschen ernähren und könnte es auch        WAS ZU TUN IST, wissen wir längst: Weniger
                                                                    noch lange weiter, trotz eines Bevölkerungs-     Fleisch, mehr Gemüse, nichts verderben las-
                                                                    wachstums auf neun oder zehn Milliarden          sen und wegwerfen, regional kaufen, Maß
                                                                    Menschen. Wo genau die Belastungsgrenze          halten, lauten die Stichworte. Ohne es
                                                                    liegt, darüber ist sich die Wissenschaft nicht   schönreden zu wollen, aber manchmal kann
                                                                    einig, aber klar ist: Wir haben sie noch nicht   der Mangel auch durchaus positiv wirken.
                                                                    erreicht. Und trotzdem hat es die Welt­          Bei uns jedenfalls. Andernorts dagegen ist er
                                                                    gemeinschaft bisher nicht geschafft, jeden       einfach nur: ein inakzeptables Versäumnis.
                                                                    Menschen mit ausreichend und gesunder
                                                                    Nahrung zu versorgen.                            Ihre

                                                                    BIS ZUM JAHR 2030 soll der Hunger ver-
                                                                    schwinden. Das hat sich die Weltgemein-

                                                                    akzente 1/21                                                        3
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REP OR TAGE
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                                                                                         Zu Besuch im Norden Malis S. 18
                                                                                         ÜBERBLICK
                                                                                         Smarte Lösungen
                                                                                         Landwirtschaft neu gedacht S. 22
                                                                                         GA S T BEI T R AG
                                                                                         Hier Verschwendung, dort Hunger
                                                                                         Von Jessica von Blazekovic S. 23
                                                                                         E S S AY
                                                                                         Repariert das System!
                                                                                         Von Jemimah Njuki S. 24
                                                                                         INF OGR AF IK
                                                                                         Hunger ohne Ende
                                                                                         Ernährung in Zahlen S. 30
                                                                                         IN T ER VIE W

                            SCHWERPUNK T: ERNÄHRUNG                                      „Nicht genug und nicht gesund“
                                                                                         Mit Agnes Kalibata S. 32

                           Aufgetischt
                           Eine Welt ohne Hunger – ein ferner Traum?
                                                                                         ERKL ÄR T
                                                                                         Über den Tellerrand blicken
                                                                                         Von Albert Engel S. 34
                           Trotz aller Anstrengungen haben immer noch
                           Millionen Menschen nicht ausreichend zu                       AUS DER ARBEI T DER GIZ
        EDITORIAL

                           essen. Wie können wir das ändern?                             Viele Wege, ein Ziel
                                                                                         Projektbeispiele der GIZ S. 35

01 02   03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

                                                                                                                                           FOTOS: MALTE JAEGER/LAIF (S. 4, OBEN), ILLUSTRATION: JULIAN RENTZSCH (S. 4, LINKS), TIM BRUNAUER (S. 4, RECHTS)

                    MELDUNGEN
                    Was die Welt
                    bewegt
                    Neuigkeiten, Projekte sowie                             REP ORTAGE
                    Zahlen und Fakten aus aller
                    Welt S. 6
                                                                            Zum Wandel angestachelt
                                                                            Wie Namibia die Verbuschung eindämmt
                                                                            und Arbeitsplätze schafft. S. 10

                                                                        4                                                   akzente 1/21
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
Inhalt

                                                                                                                                                                                                                                                                         PERSPEK TIVEN
                                                                                                                                                                                                                                                                      Sprießendes

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    NACHGEHALT EN, IMPRES SUM
                                                                                                                                    MOMEN TAUF NAHME
                                                                                                                                                                                                                                                                      Miteinander
                                                                                                                                   Es grünt so grün                                                                                                                   So funktioniert erfolgreiches
                                                                                                                                   Wo Basilikum und anderes frisches                                                                                                  Mentoring in Südostasien. S. 42
                                                                                                                                   Grün ganz ohne Erde gedeihen. S. 36

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          SERVICE
                                                                                                                                       27 28 29    30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
FOTOS: ALBERTO BERNASCONI/LAIF (S. 5, OBEN LINKS), AUNG NAING OO (S. 5, OBEN RECHTS), MARIA WARENIKOWA (S. 5, UNTEN LINKS)

                                                                                                                                                                           VORGES T ELLT
                                                                                                                                                                           Salam aus
                                                                                                                                                                           Islamabad
                                                                                                                                                                           Von Peer Gatter,
                                                                                                                                                                           dem Leiter des FATA-­
                                                                                                                                                                           Entwicklungsprogramms
                                                                                                                                                                           in Pakistan S. 50

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        AKZENTE DIGITAL

                                                                                                                              REP ORTAGE                                                                             akzente                                                                1/2021
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Unser Magazin gibt es
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        natürlich auch online,
                                                                                                                                                                                                                                                       Das Magazin der GIZ

                                                                                                                             Mit den Augen der Kinder                                                                                                                             Sprießendes
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Miteinander
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Erfolgreiches Mentoring
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        optimiert für die mobile
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Nutzung. akzente.giz.de
                                                                                                                                                                                                                                                                                            in Südostasien

                                                                                                                             Durch welche Mittel ukrainische Schulwege
                                                                                                                                                                                                                                                                                 Zum Wandel
                                                                                                                                                                                                                                                                                  angestachelt
                                                                                                                                                                                                                                                                                         Produktion von
                                                                                                                                                                                                                                                                                    Biomasse in Namibia

                                                                                                                             in Zukunft sicherer werden. S. 38                                                                                                                  Mit den Augen
                                                                                                                                                                                                                                                                                    der Kinder
                                                                                                                                                                                                                                                                                       Sichere Schulwege
                                                                                                                                                                                                                                                                                           in der Ukraine

                                                                                                                                                                                                                            Ernährung          Basis für eine gesunde Zukunft

                                                                                                                                                                                    \GIZ\1_Produktion\2_Reproweitergabe\GIZ_21-01_Umschlag_D_DEU 105                                              08.03.2021 17:11:49

                                                                                                                             akzente 1/21                                   5
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
Meldungen

IN ZAHLEN

>91 Std.
So lange dauerte der EU-Gipfel vom
17. bis 21. Juli 2020 in Brüssel – und
ist damit nach jenem in Nizza im Jahr
2000 der zweitlängste EU-Gipfel der
Geschichte. Die Themen waren komplex
und reichten von einem Aufbaufonds zur
Bewältigung der Pandemie-Folgen bis
zur Abstimmung des neuen Mehrjährigen
Finanzrahmens (MFR).

40 Mio.
So viele Wörter hat das maschinelle
Übersetzungsprogramm, der sogenannte
EU Council Presidency Translator, bereits
in 24 Sprachen übertragen. Es übersetzt
aus jeder und in jede EU-Sprache und
ist allen interessierten Bürger*innen zu-

                                             Wissen nutzen
gänglich. Das Übersetzungssystem wur-
de speziell für die deutsche EU-Rats­
präsidentschaft entwickelt und basiert
auf künstlicher Intelligenz.
                                                   Die GIZ hat in Berlin ihren Evaluierungsbe-
                                             BERICHT

                                             richt vorgestellt. Darin werden 215 Projektbewer-

1,8 Bio.
So hoch ist das Volumen des histori-
                                             tungen begutachtet. Das Fazit ist positiv: Qualität
                                             und Vergleichbarkeit der Evaluierungen haben sich
                                             erhöht. Die systematische Prüfung der Wirksamkeit
schen Finanzpakets in Euro, das während      ist wichtiger Bestandteil der Arbeit der GIZ. Vor-
der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
geschnürt wurde: Man einigte sich auf        standsmitglied Ingrid-Gabriela Hoven: „Wir haben
den EU-Finanzrahmen für die nächsten
sieben Jahre und einen Aufbaufonds für
                                             den Anspruch, Transparenz zu schaffen, unsere
die Bekämpfung der Folgen der Corona­        Instrumente weiterzuentwickeln und so unsere
virus-Pandemie. Die EU-Gelder werden
zudem durch einen neuen Rechtsstaats-        Leistungen dauerhaft zu verbessern. Wir wollen
mechanismus geschützt.
                                             wissen, was wirkt, und als Institution dazulernen.“
Quelle für alle Zahlen: bundesregierung.de   www.giz.de/de/ueber_die_giz/516.html

                                                                      6                   akzente 1/21
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
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                                                                                                                                                                                                       DREI FRAGEN AN

                                                                                                            „Wir müssen unsere Ernährung
                                                                                                               ändern. Der Planet kann
                                                                                                                 nicht Milliarden von
                                                                                                              ­Fleischessern versorgen.“
                                                                                                                                    SIR DAVID ATTENBOROUGH
                                                                                                                    in seinem Dokumentarfilm „Mein Leben auf unserem Planeten“
                                                                                                                                                                                                                     TOUTY SY

                                                                                                                                                                                               Die Modedesignerin hat eine klare Vision: Mode
                                                                                                                                                                                               „made in Senegal“. Durch Ausbildung und Beschäfti-
                                                                                                                                                                                               gung von Jugendlichen und Frauen will sie die hei-
                                                                                                                                                                                               mische Textilbranche voranbringen. Bei der Gründung
                                                                                                                                                                                               einer Interessengemeinschaft unterstützte sie das
                                                                                                                                                                                               bilaterale GIZ-Vorhaben „Erfolgreich im Senegal“.

                                                                                                                                                                                               Wie kam es zu Ihrer Karriere in der Modebranche?
                                                                                                                                                                                               Abendkurse in Modedesign in Paris und ein florie-
                                                                                                                                                                                               rendes Importgeschäft von Kleidung und Accessoires
                                                                                                                                                                                               lagen hinter mir. Da wurde mir klar, dass ich lieber
                                                                                                                                                                                               in mein eigenes Land investieren wollte. Ich schloss
                                                                                                                                                                                               mich mit einer Schneiderschule in Dakar zusammen
                                                                                                                                                                                               und schuf in meinem Atelier TOUTY 25 Arbeitsplätze.
                                                                                                                                                                                               Seit 2015 fertigen wir Maßkonfektion und Prêt-à-
                                                                                                                                                                                               porter für den afrikanischen Markt.
FOTOS: THOMAS IMO/PHOTOTHEK.NET (S. 6), I SOLARPOWER EUROPE (S. 7), ILLUSTRATION: JULIAN RENTZSCH (S. 7)

                                                                                                           Shine On                                                                            Wobei hat Sie das Vorhaben „Erfolgreich im Senegal“
                                                                                                                                                                                               unterstützt?
                                                                                                                                                                                               Ich habe mich mit anderen senegalesischen Desi-
                                                                                                           AUDIO Solarbetriebene Wasserpumpen       Michael Franz wird interviewt, er ist      gnerinnen und Designern von Mode und Schmuck
                                                                                                           verdoppeln das Einkommen von Bäue-       Teamleiter von GET.invest, das den         zusammengetan. Wir teilen uns die Kosten für
                                                                                                           rinnen und Bauern in Tansania – ein      Podcast gemeinsam mit dem Verband          Räume, Anschaffungen und Fortbildungen. Die GIZ
                                                                                                           Bespiel von vielen, die der Podcast      SolarPower Europe betreibt. GET.invest     beriet uns 2019 bei der Gründung unserer Inte-
                                                                                                           „Shine On“ vorstellt, in dem es um er-   ist ein europäisches Instrument, das       ressengemeinschaft „Atelier 221“ und organisierte
                                                                                                           folgreiche Projekte und Geschäftsideen   Investitionen in dezentrale erneuerbare    Pop-up-Stores.
                                                                                                           rund um die Solarenergie in Afrika       Energien mobilisiert. Es richtet sich an
                                                                                                           geht. Auch Themen wie Gesetze, Tarife    Unternehmen und Projektentwickler          Die Coronavirus-Pandemie trifft die Textilbranche
                                                                                                           und Einstiegsbarrieren in den Markt      und hilft ihnen dabei, finanzierungsfä-    besonders schwer. Auch Sie?
                                                                                                           kommen zur Sprache. Erfolgsgeschich-     hige Ansätze zu entwickeln, um nach-       Alle Boutiquen mussten im Lockdown 2020 schlie-
                                                                                                           ten sprechen für sich. So erzählt Ar-    haltige Energiemärkte in Partnerlän-       ßen. Also beteiligte sich das „Atelier 221“ an der
                                                                                                           noud de Vroomen vom mosambikani-         dern aufzubauen. Die Europäische           landesweiten Kampagne „1 Sénégalais, 1 Masque“.
                                                                                                           schen Unternehmen SolarWorks!, wie       Union, Deutschland, Schweden, die          Wir konnten die Produktion von 300.000 Mund-Na-
                                                                                                           eine seiner Mitarbeiterinnen vom Job     Niederlande und Österreich unterstüt-      sen-Masken anleiten. 600 Menschen fanden da-
                                                                                                           als Putzfrau zur Leiterin des Callcen-   zen GET.invest. Die GIZ setzt es um.       durch Arbeit. Die GIZ nahm insgesamt Masken im
                                                                                                           ters aufstieg. Auch GIZ-Mitarbeiter      https://shineon.buzzsprout.com             Wert von 15.000 Euro ab.

                                                                                                           akzente 1/21                                                        7
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
Meldungen

Nachhaltig fischen
ABKOMMEN Gute Nachrichten für die               Fischbestände zurückgegangen und minder-
Ohrid-Forelle: Die Fischerei in den Seen        ten das Einkommen der Fischer. Bei der Aus-
Ohrid und Prespa soll in Zukunft nachhal-       handlung des Abkommens unterstützte die
tigen Prinzipien genügen. Die Regierungen       GIZ gemeinsam mit dem Institut für Binnen-
von Albanien und Nordmazedonien haben           fischerei e.V. Potsdam-Sacrow die Verhand-
Anfang Dezember 2020 ein Abkommen un-           lungspartner. Sie führt dort im Auftrag des
terzeichnet, um die nachhaltige Bewirtschaf-    BMZ ein regionales Projekt zum Schutz und
tung der Fischressourcen in den grenzüber-      zur Nutzung der Biodiversität durch. Die Ver-
schreitenden Gewässern sicherzustellen. Die     handlungspartner haben vereinbart, in Zu-
beiden Seen gehören zu den ältesten der Welt    kunft ihre Maßnahmen zur nachhaltigen Be-
und haben einen sehr hohen ökologischen         wirtschaftung in den beiden Seen aufeinander
Wert. Der Artenreichtum dort zählt zu den       abzustimmen und im Rahmen ihrer geteilten
größten in Europa und umfasst auch aus-         Bestrebungen, der EU beizutreten, stärker
schließlich dort auftretende Arten wie die      miteinander zu kooperieren. Zu diesem
Ohrid-Forelle oder die Prespa-Barbe. Für die    Zweck wurde ein neues, gemeinsames Gremi-
Anwohner der Seen ist die Fischerei eine        um geschaffen, die Gemeinsame Fischerei-
wichtige Lebensgrundlage. Zuletzt waren die     kommission für die Seen Ohrid und Prespa.

                                                                                                                                                                           Snack „made
So entsteht Hunger                                                                                                                                                         in Nigeria“
IM VERGLEICH Weltweitwaren 2019 135 Mio. Menschen                                                                                                                          INNOVATION Eine neue Leckerei hat sich
von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen – der                                                                                                                          das Unternehmen Pacific Ring West Af-
extremsten Form des Hungers. Hauptursachen waren                                                                                                                           rica (PRWA) aus Nigeria einfallen lassen:
                                                                                                                                                                           „Cassanovas“, Chips aus Maniok, sollen
Konflikte, gefolgt von extremen Wetterereignissen                                                                                                                          den Weltmarkt erobern. Der Maniok für
und Wirtschaftskrisen.                                                                                                                                                     die Chips stammt aus regionalem Anbau.
                                                                                                                                                                           Die GIZ unterstützt seit Ende 2019 im Rah-
                                                                                          Quelle: Food Security Information Network, „2020 Global Report on Food Crises“

                                                                                                                                                                           men einer Entwicklungspartnerschaft zwi-
                                                                                                                                                                           schen dem nigerianischen Unternehmen
                                                                                                                                                                           und develoPPP.de die Teilhabe der lokalen
                                                                                                                                                                           Bäuerinnen und Bauern an der Wertschöp-
                                               24
                                               Mio.           Wirtschaftskrisen
                                                                                                                                                                           fungskette des Produkts. Die Chips wer-
                                                                                                                                                                           den jetzt nach Europa exportiert und sind
                                                                                                                                                                           etwa im Sortiment der Handelskette Edeka
                                                                                                                                                                           enthalten. Die beteiligten Kleinbäuerinnen
                                                                                                                                                                           und -bauern werden in einem vom BMZ fi-
                                                                                                                                                                           nanzierten Grünen Innovationszentrum in
                                                                                                                                                                           guter landwirtschaftlicher Praxis und un-
                  77                                   34
                                                       Mio.
                                                                                                                                                                           ternehmerischen Fähigkeiten ausgebildet.
                                                                                                                                                                           300 Arbeitsplätze sind durch die Produk-
                  Mio.
                                                                                                                                                                           tion der Maniok-Chips entstanden, über-
                                                                                                                                                                           wiegend für Frauen. 1.500 Kleinbäuerinnen
                                                                                                                                                                           und -bauern erzielen höhere Erträge und
                                                                                                                                                                           ein stabiles Einkommen. Bisher ist das Un-
                                                                                                                                                                           ternehmen gut durch die Corona-Krise ge-
                                                                                                                                                                           kommen und konnte Ausfälle, die durch
  Konflikte                                                    Wetterextreme                                                                                               eine vorübergehende Störung der Liefer-
                                                                                                                                                                           ketten entstanden waren, ausgleichen.

                                                                        8                                                                                                                                  akzente 1/21
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
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                                                                                                                                                            Digitaler Ausweis                                                                                   PERU-WIKI

                                                                                                                                                            für Bäume
                                                                                                                                                                                                                                                Landessprachen: Quechua, Aimara, Spanisch (1) /
                                                                                                                                                                                                                                                Hauptstadt: Lima (2) / Regierungsform: Republik (1) /
                                                                                                                                                                                                                                                Fläche: 1.285.220 km2 (2) / Bevölkerung: 33 Mio. (2) /
                                                                                                                                                                                                                                                Bevölkerungsdichte: 25,8 pro km2 (2)
                                                                                                                                                            PERU Eine Software hilft dabei, Bäume aus dem Amazonasgebiet Perus ein-
                                                                                                                                                            deutig zu identifizieren. Jeder Stamm bekommt einen Strichcode – gewisser-
                                                                                                                                                            maßen sein Personalausweis. Dies ist wichtig, um illegalen Holzeinschlag einzu­
                                                                                                                                                            schränken. Mit Hilfe der Software „DataBOSQUE“ ist es möglich, die legale
                                                                                                                                                            Herkunft eines Stamms nachzuweisen. Die Software registriert zunächst die
                                                                                                                                                            Standorte aller Bäume, die legal gefällt werden sollen. Die gefällten Bäume
                                                                                                                                                            erhalten den Strichcode. Sägewerke stellen auf diese Weise sicher, dass sie
                                                                                                                                                                                                                                                                     PERU
                                                                                                                                                            kein illegal geschlagenes Holz verarbeiten. Sowohl Forstunternehmen als auch
                                                                                                                                                            die Forstüberwachungsbehörde Perus können jederzeit effizient nachvollziehen,
                                                                                                                                                            woher ein Stamm kommt. Eine nachhaltige Bewirtschaftung des Amazonaswal­
                                                                                                                                                            des stellt das Einkommen der Forstunternehmen und indigenen Gemeinden vor
                                                                                                                                                            Ort sicher. Es werden selektiv bestimmte Baumarten genutzt, während der Ama­
                                                                                                                                                            zonaswald als Ganzes erhalten bleibt. Die nachhaltige Bewirtschaftung trägt
                                                                                                                                                            dazu bei, die Entwaldung zu vermindern, und leistet einen wichtigen Beitrag
                                                                                                                                                            zum Artenschutz. Die Fläche legal und nachhaltig bewirtschafteter Wälder hat
                                                                                                                                                            sich in den letzten zwei Jahren verdoppelt und erreichte 2019 fast 4 Mio. Hektar.   Quellen: (1) Statistisches Bundesamt, (2) UNdata
FOTOS: MURALINATH/GETTY IMAGES (S. 8), BSWEI/GETTY IMAGES (S. 9, LINKS), TOBIAS BARTH/GETTY IMAGES (S. 9, MITTE), ARTRACHEN01/GETTY IMAGES (S. 9, RECHTS)

                                                                                                                                                            NEUE PROJEKTE

                                                                                                                                                            Dekarbonisierung                                Grüne Genossenschaften                           Green Recovery
                                                                                                                                                            LATEINAMERIKA Das Konsortium IDOM               POLEN Die GIZ fördert im Auftrag des BMU         ZENTRALAMERIKA Die GIZ lädt gemeinsam
                                                                                                                                                            und die GIZ, repräsentiert durch ihr In-        Genossenschaften in zwei Regionen Polens,        mit dem Generalsekretariat des Zentral­
                                                                                                                                                            ternational-Services-Büro in Latein­            um erneuerbare Energien im ländlichen            amerikanischen Integrationssystems (SG-
                                                                                                                                                            amerika, unterstützen Unternehmen aus           Raum auszubauen. Die Genossenschaften            SICA) Unternehmen der Region ein, sich
                                                                                                                                                            Argentinien, Brasilien, Chile und Kolum-        gewinnen grünen Strom für den Eigenbe-           an zwei Ideenwettbewerben zum Thema
                                                                                                                                                            bien dabei, neue Geschäftsbeziehungen           darf und speisen Überschüsse ins Netz ein.       „Green Recovery“ zu beteiligen. Unter den
                                                                                                                                                            zu Europa zu entwickeln. Das Vorhaben           Das Projekt wird aus dem Programm zur            Einsendungen werden 40 Projekte ausge-
                                                                                                                                                            konzentriert sich auf erneuerbare Ener­         Unterstützung von Strukturreformen (SRSP)        wählt, die zu einem umweltfreundlichen
                                                                                                                                                            gien, Abfallmanagement, Energieeffi-            der EU-Kommission kofinanziert und von           Aufschwung beitragen, um die Auswir-
                                                                                                                                                            zienz sowie Land- und Forstwirtschaft,          der GIZ umgesetzt. Damit ist die GIZ nach        kungen der Coronavirus-Pandemie abzu-
                                                                                                                                                            um eine Kreislaufwirtschaft mit gerin-          20 Jahren wieder in Polen aktiv. Der Ge-         mildern. Ziel des Projekts im Auftrag des
                                                                                                                                                            gen Kohlenstoffemissionen anzustoßen.           schäftsbereich International Services sorgt      BMZ ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und
                                                                                                                                                            Es wird von der EU finanziert.                  für die finanzielle Abwicklung.                  grüne Innovationen anzuregen.

                                                                                                                                                            akzente 1/21                                                       9
Akzente 1/2021 - Ernährung - Sprießendes Miteinander Zum Wandel angestachelt Mit den Augen der Kinder - akzente | Das Magazin der GIZ
ZUM WANDEL
ANGESTACHELT
     In den Weiten Namibias breitet sich der Busch aus.
Farmer*innen stellen sich der Herausforderung und ernten die
 Biomasse. Das schafft Arbeitsplätze und sichert das Überle­
 ben kleinbäuerlicher Betriebe. Ein Besuch im Nordosten des
   Landes zeigt, wie aus dornigen Zweigen Futter entsteht.
                 TEXT LEONIE MARCH   FOTOS TIM BRUNAUER
VISIONÄR

Chief Ruben Uazukuani
  hat während der
jüngsten Dürre durch
 das Buschfutter das
  Überleben seiner
 Viehherde gesichert.
Reportage

                                                                                            A
                                                                            „Als ich in deinem Alter war, gab es all diese Büsche hier
                                                                            noch nicht“, sagt Chief Ruben Uazukuani zu seinem
                                                                            zwölfjährigen Sohn Rusuvero, während er das Tor zum
                                                                            Pferch öffnet. Seine Kühe warten schon, sie laufen in die
                                                                            Buschlandschaft und sind schon bald nicht mehr zu se-
                                                                            hen. „Früher konnte man von hier die Savanne überbli-
                                                                            cken und es wuchs noch überall Gras“, erzählt der
                                                                            Kleinbauer. Heute muss sein Vieh mühsam nach Futter
                                                                            suchen, die Büsche, die teilweise eine Größe von Bäu-
                                                                            men erreichen, haben das Gras verdrängt. An etlichen
                                                                            Stellen ist der Wuchs sogar so dicht und dornig, dass die
                                                                            Kühe gar nicht oder nur mit Blessuren durchkommen.
                                                                                 Expertinnen und Experten sprechen von Ver-
                                                                            buschung, ein Problem, das viele Regionen Namibias
                                                                            betrifft. Auf bis zu 45 Millionen Hektar hat der Busch
                                                                            überhandgenommen. Das entspricht in etwa der Fläche
                                                                            von Deutschland und Österreich. Und das Problem
                                                                wächst: jedes Jahr um rund drei Prozent. Hauptursache sei die jahr-
Ruben Uazukuani schlägt das Buschholz kurz über dem             zehntelange Überweidung, erklärt GIZ-Mitarbeiter Johannes Laufs:
Wurzelstock ab. Dann wird es mit einer Hammermühle              „Das Ganze wird durch den Klimawandel beschleunigt, denn der
zerkleinert. Ernte und Verarbeitung sind arbeitsintensiv,       Busch wächst unter hohem CO2-Gehalt in der Atmosphäre besser
deshalb beschäftigt er dafür Arbeiter.                          als Gras.“ Die Folgen für die Landwirtschaft sind verheerend. Mit
                                                                Unterstützung des Projekts „Busch-Kontrolle und Nutzung von Bio-
                                                                masse“, das Laufs leitet, reagiert Namibia auf die Klimaveränderun-
                                                                gen und versucht seine Resilienz zu stärken. Das ist dringend nötig,
                                                                denn zur Verbuschung kamen in den vergangenen Jahren folgen-
                                                                schwere Dürren. „Viele Kleinbauern aus unserer Region haben ihre
                                                                Tiere verloren und waren gezwungen, in die Städte abzuwandern“,
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs)             erzählt Ruben Uazukuani. Er arbeitet selbst schon seit etlichen Jah-
der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei:                  ren in der Hauptstadt Windhuk und kommt nur an den Wochen-
                                                                enden ins rund vier Stunden entfernte Okamatapati, wo seine Fa-
                                                                milie mehrere Tausend Hektar Land bewirtschaftet, das dem Staat
                                                                gehört und er gepachtet hat.
                                                                     Gemeinsam mit seinem Sohn und zwei Arbeitern schleppt er
                                                                aus einem Schuppen seine Hammermühle, die mittels rotierender
                                                                Hämmer verschiedene Buschmaterialen unterschiedlich grob mah-

                                                               12                                                           akzente 1/21
Zum Wandel angestachelt

len kann. Er hievt sie auf seinen Pick-up und nach kurzer Fahrt stei-
gen die Männer aus, greifen sich Macheten und beginnen, die Bü-
                                                                          NEUE WEGE AUS DEM BUSCH
sche am Rand der ungeteerten Straße, die nach langersehntem Regen         Befördert durch den Klimawandel verwandeln sich weltweit
nun frisch austreiben, kurz über dem Wurzelstock abzuhacken. Ua-          ­Savannen in Dickicht. Namibia versucht die Verbuschung ein­
zukuani zerkleinert die Äste mit Hilfe der Mühle, nach und nach            zudämmen und gleichzeitig Chancen für neue Arbeitsplätze und
füllt sich die Ladefläche seines Pick-ups. „Eine gute Ernte“, meint er.    die Landwirtschaft zu schaffen. Die Buschkontrolle und die
Denn während der Busch früher nur als Problem angesehen und                ­Förderung von Biomasse-Wertschöpfungsketten sind ein wichti-
teils mit Chemikalien vernichtet wurde, wird er heute auch als wert-        ger Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit zwischen
volle Ressource betrachtet. Der 47-Jährige ist einer von über eintau-       ­Namibia und Deutschland. Das „Bush Control and Biomass Uti-
send Farmerinnen und Farmern, die bei Workshops gelernt haben,               lisation“-Projekt (BCBU) der GIZ im Auftrag des Bundesminis­
wie sie aus der Buschbiomasse Tierfutter herstellen können. Der              teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
„De-bushing Advisory Service“ wurde von der GIZ gegründet und                ­arbeitet eng mit dem namibischen Umweltministerium zusammen.
organisiert die praktischen Trainings. Etliche von ihnen finden auf           Innerhalb dieser Kooperation sind Rahmen­bedingungen für eine
der Farm von Anton Dresselhaus statt, der in Namibia als Pionier in           nachhaltige Buschnutzung entwickelt und umgesetzt worden.
diesem Bereich gilt.                                                          Dabei wird neben der Tierfutterproduktion auch Wertschöpfung
                                                                              durch erneuerbare Energie, Pflanzen- und Holzkohle sowie
Jetzt lacht keiner mehr über das Buschfutter                                  Baumaterialien unterstützt. Und mit dem „De-bushing Advisory
                                                                              Service“ wurde ein Wissenszentrum für Farmer*innen und
Bereits vor zehn Jahren begann er mit Rezepturen zu experimentie-             ­Unternehmer*innen aufgebaut. Bisher konnten zusätzlich 5.300
ren, zunächst aus der Not heraus, später aus Überzeugung. „Viele               Jobs geschaffen werden und während der letzten Dürre produ-
Leute haben mich damals ausgelacht und gesagt: ‚Kühe sind Weide-               zierten 860 Bäuerinnen und Bauern Viehfutter aus Buschmasse.
tiere und fressen keinen Busch‘“, erinnert er sich. Doch der innova-           Jährlich wird der Busch auf 300.000 Hektar eingedämmt.
tive Landwirt bewies das Gegenteil. „Wenn das Buschmaterial fein
genug ist und aussieht wie Gras oder Wolle, dann fressen sie es sogar     Kontakte: Johannes Laufs, johannes.laufs@giz.de;
sehr gern.“ Angereichert wird die Masse mit Zutaten wie Melasse,          Asellah David, asellah.david@giz.de
Salz, Urea oder Phosphat, um die Tiere gleichzeitig mit Proteinen

                                                                                   Oben: Anton Dresselhaus ist ein Pionier bei der
                                                                                   Herstellung von Buschfutter und teilt sein Know-how.
                                                                                   Links: Ruben Uazukuani zeigt seinem Sohn, wie sich die
                                                                                   Verbuschung durch den Klimawandel beschleunigt hat.

                                                                                                 Wie eine Brauerei in Namibia die
                                                                                                 Buschbiomasse nutzt, sehen Sie im Video
                                                                                                 auf der akzente-Website: akzente.giz.de
und Mineralstoffen zu versorgen. Neben der Basisrezeptur gibt es
                                             weitere spezielle Mischungen, beispielsweise für trächtige Muttertie-
                                             re. Dresselhaus hat alles genauestens dokumentiert. Es freut ihn, dass
                                             seine Tiere schneller Gewicht zulegen und daher auch früher ver-
                                             kauft werden können. Das spart Kosten. Außerdem konnte er zu-
                                             sätzliche Arbeitsplätze für die Buschernte und -verarbeitung schaf-
                                             fen. Während der Dürre konnte er sich vor Anfragen kaum retten,
                                             die Nachfrage nach überschüssigem Buschfutter aus seiner Produk-
                                             tion war damals sehr groß.
                                                  Inzwischen tauschen sich die verschiedenen Farmerinnen und
                                             Farmer über ihre Erfahrungen aus und konnten auch anfängliche
  „Unser Ziel ist es,                        Skeptiker wie Ruben Uazukuani überzeugen. Zunächst habe er
                                             nicht glauben können, dass sein Vieh „Zweige fressen“ würde. Aber
   die Balance des                           er war schnell überzeugt. „Dieses Konzept hat meiner Herde das Le-
                                             ben gerettet. Ohne das Buschfutter hätte sie die letzte Dürre nicht
 Ökosystems wieder­                          überlebt“, betont Kleinbauer Uazukuani, als er nach der Buschernte
                                             auf seinen kleinen Hof zurückkehrt. Zwischen den kleinen Gebäu-
    herzustellen.“                           den, gegenüber der Kochstelle, wo die Frauen der Familie gerade das
                                             Mittagessen vorbereiten, hat er bereits am Vortag gemischtes Futter
                                             auf einer Plastikplane in der Sonne ausgebreitet.
          PROGRESS KASHANDULA,
  Geschäftsführer des „De-bushing Advisory
         Service“ (DAS) in Namibia           Der Farmer spart und dem Bullen schmeckt’s
                                             Den reinen Buschschnitt könne man einige Zeit lagern, erklärt er,
Lesen Sie das komplette Interview unter      die fertige Mischung müsse jedoch bald verfüttert werden. Er füllt
             akzente.giz.de                  einen Eimer und trägt ihn zu einem Trog. Direkt trabt ein Jungbulle
                                             herbei und macht sich über das Futter her. Offenbar schmeckt es

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Zum Wandel angestachelt

ihm mindestens so gut wie konventionelles Futter. Dabei sei es um       schiedene Anwendungen, mit Erfolg. Ebenso ehrgeizig sind seine
rund ein Drittel günstiger, so Uazukuani. „Ich spare viel Geld.“ Seit   Pläne zur weiteren Ausdünnung des Buschbestands: Bis zu rund vier
es wieder geregnet hat, ernährt sich seine Herde jedoch wieder über-    Hektar will der 45-Jährige im Lauf des Jahres von den Arten befreien,
wiegend von Gras. Nur ausgewählte Tiere, etwa jene, die besonders       die sich besonders stark ausbreiten und das Gras in der Savanne ver-
wertvoll sind, wie der Bulle, bekommen zusätzlich das Biobuschfut-      drängen. Die Kosten für zwei Arbeiter, die er dafür anheuert, würden
ter. Denn die Herstellung ist arbeitsintensiv und braucht ein gewis-    sich auszahlen. „Ich habe gesehen, wie sich das Weideland dort erholt,
ses Know-how. Uazukuani produziert es selbst mit größter Sorgfalt,      wo wir den Busch bereits ausgedünnt haben“, betont er. Auf diesen
denn eine falsche Rezeptur kann den Tieren schaden und im Ex­           Flächen hält er nun Ziegen, die die nachwachsenden Triebe fressen
tremfall sogar ihren Tod bedeuten. „Wenn ich dauerhaft hier wäre,       und so das neuerliche Wachstum in Schach halten.
würde ich das Futter permanent herstellen“, sagt der Kleinbauer.             Und noch etwas hat der Kleinbauer beobachtet: Seine beiden
„Denn es ist wirklich hervorragend, mehr als nur ein Notfutter.“        Brunnen haben wieder mehr Wasser, seit er die Büsche, die teils tiefe
     Das findet auch Salomo Kauari, ebenfalls Kleinbauer auf kom-       Pfahlwurzeln haben, entfernt hat. „Vorher konnten wir nur für ein
munalem Land. Nach dem Tod seines Vaters hat er seinen Job bei          paar Stunden am Tag daraus schöpfen, aber nun sind die Pegel deut-
einem Agrarunternehmen an den Nagel gehängt, um sich ganz der           lich gestiegen.“ Angesichts dieser Erfolge hat Kauari keinen Zweifel,
Landwirtschaft zu widmen. „Das Biobuschfutter war eine echte Ent-       dass dem Biobuschfutter die Zukunft gehört. Sein größter Traum ist
deckung“, erzählt er. „Ich kann dafür vieles nutzen, was hier auf der   eine Pelletiermaschine, mit der er gepresstes Futter herstellen kann,
Farm bereits vorhanden ist oder was ich selbst anbauen kann.“ Und       das länger haltbar ist. „Ich spare bereits dafür. Ich könnte die Farmer
so wachsen neben seinem Haus unter anderem Lupine und Morin-            in der Nachbarschaft mit Tierfutter versorgen und hätte eine weitere
ga, die er dem Futter beimischt. In einem Schuppen stehen mehrere       Einkommensquelle.“ Gleichzeitig kann sich sein Land weiter rege-
Ballen und Säcke mit getrockneten Zutaten, darunter auch protein-       nerieren. Und vielleicht wird die Landschaft dann irgendwann wieder
haltige Schoten einiger Buscharten.                                     so aussehen wie zu den Zeiten von Ruben Uazukuanis Kindheit. —
     Kauari hat sich vorgenommen, dieses Jahr gar kein Futter zu
kaufen, sondern es selbst herzustellen. Nicht nur, weil er bis zum
nächsten Geschäft für landwirtschaftliche Produkte in die rund 150                                          LEONIE MARCH         lebt und arbeitet
Kilometer entfernte größere Stadt fahren muss und Geld knapp ist,                                           seit 2009 als freie Korrespondentin in
sondern auch, weil er von der Qualität überzeugt ist. „Dank des Bio-                                        Südafrika. TIM BRUNAUER ist ein
buschfutters ist während der Dürre keines meiner Tiere verendet,                                            namibischer Fotograf, der bedeutungs-
gleichzeitig haben meine Nachbarn viele Tiere verloren“, erzählt er.                                        volle Geschichten schätzt.
Nun experimentiert er mit unterschiedlichen Rezepturen für ver-

                                                                                                 Kleinbauer Salomo Kauari hält seine
                                                                                                 Tiere auf kommunalem Land. Die Ziegen
                                                                                                 verhindern, dass der Busch wieder
                                                                                                 schnell nachwächst.
                                                                                                 Links oben: Kauari mischt das kleinge­
                                                                                                 häckselte Buschfutter mit proteinreichen
                                                                                                 Pflanzen, die es noch wertvoller machen.

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SCHWERPUNKT

ER
NÄHR
UNG
Eine Welt ohne Hunger – ein ­ferner
Traum? Trotz aller Anstrengungen
haben immer noch Millionen Menschen
nicht ausreichend zu essen.
Wie können wir das ändern?
REPORTAGE
Die Ernte der Frauen
Kleinbäuerinnen im Norden Malis sorgen mit neuen und
wiederentdeckten Methoden für gute Ernährung. S. 18

 ÜBERBLICK
Smarte Lösungen
Wo Informations- und Kommunikations-
technologie Landwirtschaft verbessert. S. 22

 GASTBEITRAG
Hier Verschwendung,
dort Hunger
Ein Kommentar von FAZ-Wirtschaftsredakteurin
Jessica von Blazekovic S. 23

 ESSAY
Repariert das System!
Die afrikanische Wissenschaftlerin Jemimah Njuki
erklärt, was nötig ist, um die Welt zu ernähren. S. 24

 INFOGRAFIK
Hunger ohne Ende
Auswirkungen auf die Ernährungssituation S. 30

 INTERVIEW
„Unser Essen ist nicht genug
und nicht gesund“
UN-Sonderbeauftragte Agnes Kalibata über die Zukunft
von Ernährungssystemen S. 32

 ERKLÄRT
Über den Tellerrand blicken
Eine Analyse von Albert Engel, Leiter der GIZ-Stabsstel-
le Evaluierung S. 34

 AUS DER ARBEIT DER GIZ
Viele Wege, ein Ziel
Wie die GIZ zur Ernährungssicherheit beiträgt. S. 35
Schwerpunkt: Ernährung

               Aissata Mahamane (oben) mit ihren
               Enkeln im Gemüsefeld, Zainabou Cissé bei
               der Reisernte (Mitte, rot-schwarzes Kleid)
               und Fadimata Moulaye inmitten ihrer Tiere

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Reportage

                                       Die Ernte
                                       der Frauen
          Im Norden Malis sorgen Kleinbäuerinnen für gute Ernährung.
     Und dank neuer Gemüsesorten, verbessertem Reisanbau und Ziegenzucht
     stärken sie mit ihrem Einkommen auch ihr Ansehen in den Gemeinden.

                        Text KATRIN GÄNSLER            Fotos D.T. ROMAIN GEORGES ARNAUD AKÉMINOU

E
             s ist diese eine Zahl, die für Zai-   doch es ist eine komplexe, fragile Zone mit
             nabou Cissé von großer Bedeu-         höchst unterschiedlicher Vegetation. Karge                      MALI
             tung ist: neun Tonnen. So viel        Regionen mit ausgelaugten, harten Böden                  Hauptstadt: Bamako /
             Reis pro Hektar hat der 63-Jäh-       gibt es ebenso wie Flächen mit Bäumen und           Bevölkerung: 19,66 Millionen /
             rigen die letzte Ernte gebracht.      Sträuchern. Gute Bedingungen bieten die            Jährliches Bevölkerungswachstum:
Es ist ein Ergebnis, auf das sie stolz ist. Die    fruchtbaren Uferregionen des Nigers. Dort       3 Prozent / Rang im Human Development
Mutter von sechs Kindern und Großmutter            bewirtschaftet Zainabou Cissé mit 42 weite-               Index: 184 von 189
von drei Enkelkindern wohnt in Alafia, ei-         ren Frauen insgesamt 16 Hektar Land. „Co-
ner Gemeinde im Norden Malis, die rund             opérative agropastorale Nafagoumo“ heißt
4.000 Menschen zählt. Die Stadt Timbuktu           der Zusammenschluss der Kleinbäuerinnen.
mit ihren Lehmmoscheen und Mausoleen,                   Um gute Erträge zu erzielen, haben sie
die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehö-                bisher viel Dünger und Saatgut auf die                               MALI
ren, ist eine gute Stunde entfernt. Alafia         feuchten Felder gebracht. Dennoch stagnier-                             Timbuktu
selbst hat eine Schule, Moscheen und eine          ten die Ernten, erinnert sich Zainabou Cissé:
                                                                                                            Bamako
Krankenstation, bietet aber kaum Ver-              „Wir hatten pro Hektar etwa fünf Tonnen.“
dienstmöglichkeiten.                               Das war zwar durchaus ein guter Ertrag, aber
     Während die Männer in der Region              die Wende brachte die Vorstellung einer ver-
meist Viehzucht und Landwirtschaft betrei-         änderten Anbaumethode, des sogenannten               Quellen: Weltbank, UN, WFP
ben, leben die Frauen vom sogenannten              Systems der Reis-Intensivierung. Wie dieses
„petit commerce“: Auf kleinen Holzständen          funktioniert, haben Mitglieder der Koopera-     Neben Mali ist das Programm „Ernäh-
verkaufen sie Waren des täglichen Bedarfs          tive in einer Schulung des Projekts „Ernäh-     rungssicherung und Resilienzstärkung“
wie Tomaten und Zwiebeln, Seife, Wasch-            rungssicherheit und Stärkung der Resilienz      derzeit in weiteren Ländern Afrikas und
pulver, Salz und Zucker. Und sie bauen im          in Mali“ (ProSAR) gelernt. Die GIZ setzt es     Asiens aktiv: Äthiopien, Benin, Burkina
kleinen Rahmen Gemüse und Reis an.                 mit Partnern im Auftrag des BMZ um.             Faso, Indien, Kambodscha, Madagaskar,
Landwirtschaft im Sahel zu betreiben, klingt            Ziel der Reisanbaumethode ist es, trotz    Malawi, Sambia und Togo.
zunächst nach einem Widerspruch. Viele             weniger Dünger und Saatgut die Erträge zu
haben trockene Landschaften vor Augen,             erhöhen. Dazu werden Anzuchtbeete ange-         Kontakt: nutritionsecurity@giz.de

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Schwerpunkt: Ernährung

legt und die kleinen Setzlinge schon nach      seit Jahren das beherrschende Thema in der      vielfältigem Gemüseanbau mit nährstoffrei-
acht Tagen in gut umgegrabene Böden ge-        Region ist. „Wir dürfen doch nicht aufge-       chen Sorten auf neue Ideen kamen. Maha-
pflanzt, und zwar einzeln, in ordentlichen     ben. Wir müssen uns arrangieren“, sagt sie.     mane, die fünf erwachsene Kinder hat und
Reihen und mit Abstand. Das bedeutet                 Im Norden Malis rebellierten Anfang       zudem ihre sieben Enkelkinder betreut, hat
zwar mehr Arbeit, aber die Pflänzchen kon-     2012 Teile der Tuareg-Bevölkerung gegen         seither ihren Nutzgarten komplett umge-
kurrieren nicht mehr um Nährstoffe, so wie     den Staat. Es folgten ein Militärputsch und     staltet. „Kartoffeln baue ich an und Kohl,
es bisher war, wenn mehrere an eine Stelle     die Besatzung des Nordens durch zwei Ter-       Kürbis, Tomaten, Auberginen, Zwiebeln,
gesetzt wurden. Zudem ist der Wasserver-       rorgruppen. Trotz internationaler Militär-      Salat“, zählt sie auf. Mit einigen Sorten hat
brauch beim SRI geringer als beim konven-      missionen und des Friedensabkommens von         sie erst Bekanntschaft gemacht. Neue Re-
tionellen Reisanbau, da die Pflanzen geziel-   2015 bleibt die Region instabil. Im August      zepte hat die Malierin auch gleich bei der
ter bewässert werden. Durch die in Mali        2020 kam es erneut zum Staatsstreich.           Schulung ausprobiert. Am liebsten bereitet
neue Methode wurde die Ernte fast verdop-            Auch Aissata Mahamane, die ebenfalls      sie Kartoffeln und Kürbisse zu. „Der Kürbis
pelt, freut sich Zainabou Cissé.               in Alafia lebt, denkt ungern zurück. „Es wa-    hat wichtige Nährstoffe, weshalb er gut für
                                               ren schwierige Zeiten“, sagt sie knapp über     Kinder mit Mangelernährung ist“, sagt sie
Mehr Sicherheit durch                          die Krise von 2012 und 2013, „immer wie-        über ihr Lieblingsgemüse.
                                               der wurden Frauen vergewaltigt und wir               Das ist jedoch nicht nur für ihre eigene
lokalen Anbau                                  hatten Angst, auf den Feldern zu arbeiten.“     Familie bestimmt. Die Ernte ist inzwischen
Das bringt nicht nur mehr Geld in die          Das habe sich mittlerweile verbessert, sagt     so gut, dass ein Teil verkauft wird. Die Kun-
Haushaltskassen, sondern sorgt auch für Si-    die 60-Jährige. Die Region werde nicht          den und Kundinnen kommen direkt zu ih-
cherheit. Wenn genügend Reis vor Ort pro-      mehr von Terroristen kontrolliert, die ihre     rem Nutzgarten. Außerdem beliefert sie
duziert wird, reduziert das die riskanten      „Regeln“ gewaltsam durchsetzen.                 zwei Märkte. Die zusätzlichen Einnahmen
Fahrten zum Einkaufen in Nachbarorte                 Im Rückblick muss Aissata Mahamane        kann sie gut gebrauchen, finanziert sie doch
oder gar nach Timbuktu. Gerade auf den         immer wieder den Kopf schütteln – auch          die Ausbildung ihrer Enkelkinder. Pro Kind
Überlandstraßen ist die Gefahr groß, von       über ihre Wirtschaftsweise: „Damals haben       zahlt sie jährlich umgerechnet knapp 23 Eu-
Banditen überfallen zu werden. Sie errich-     wir nur Zwiebeln und Tabak angebaut.“           ro für Schulbeitrag, Bücher, Stifte, Kleidung
ten Straßensperren, bedrohen Reisende und      Über eine vollwertige Ernährung machte          und einen Rucksack. In Mali ist das viel
erpressen Geld. „Jede Fahrt macht Angst“,      sie sich ebenso wenig Gedanken wie die üb-      Geld. Dort leben knapp 43 Prozent der
gibt Zainabou Cissé zu. Unterkriegen lässt     rigen Frauen ihrer Kooperative. Das änder-      rund 20 Millionen Einwohner und Ein-
sie sich aber nicht, auch wenn Unsicherheit    te sich 2019, als sie durch ein Training zu     wohnerinnen unterhalb der Armutsgrenze

                                                                                       Links: Aissata Mahamane mit Frauen
                                                                                       ihrer Kooperative. Seit ihrem Training
                                                                                       bauen sie besonders nährstoffreiche
                                                                                       Gemüsesorten an.

                                                                                       Oben: Fadimata Moulaye gibt die
                                                                                       Milch ihrer Ziegen täglich ihren
                                                                                       Enkelkindern zu trinken.

                                                                      20                                                          akzente 1/21
Reportage

und haben täglich weniger als 1,90 US-Dol-
lar zur Verfügung. Aissata Mahamane ist
stolz darauf, dass sie mit dem Gewinn aus
dem Gemüseverkauf ihre Enkel unterstüt-
zen kann: „Mein Traum ist es, dass alle eine
gute Ausbildung erhalten.“ Das bereite sie
auf die Zukunft vor und mache sie anpas-
sungsfähig, ist sich die Großmutter sicher.
      Auch Fadimata Moulaye sorgt für ihre
Enkelkinder. Sie lebt mit ihnen und ihrem
Sohn in Goundam, 85 Kilometer südwest-
lich von Timbuktu. Um die Familie zu er-            Zu folgenden             „Die Frauen berichten,
nähren, züchtet die 48-Jährige Ziegen und
Schafe. Damit angefangen hat sie 2016, als
                                                    Nachhaltigen
                                                 Entwicklungszielen          dass ihre Kinder jetzt
sie im Rahmen des ProSAR-Projekts vier
Ziegen und einen Bock erhielt. Die weißen
                                                (SDGs) der Vereinten
                                                 Nationen trägt das           seltener krank sind.“
Tiere mit den hängenden Ohren bildeten             Vorhaben bei:
den Grundstock für ihren Erfolg. Inzwi-                                                       FATIMATA KONÉ,
schen könnte sie einige Tiere aus der Nach-                                       Ärztin und Ernährungswissenschaftlerin
                                                                            bei der Welthungerhilfe, dem Projektpartner in Mali
zucht verkaufen und das Geld reinvestieren.
„14 têtes“, berichtet Fadimata Moulaye
stolz über ihre Herdenerweiterung; 14 Köp-                                Lesen Sie Interviews zur Ernährungssicherheit
fe, also 14 Tiere hält sie inzwischen selbst.
                                                                             und Stärkung der Resilienz in Mali unter
                                                                                           akzente.giz.de
Das tut den Enkelkindern gut, kann sie ih-
nen doch täglich Ziegenmilch zum Trinken
geben. Pro Tag geben die Tiere drei bis vier
Liter. „Einen Teil der Milch erhalten Freun-                                 MULTISEKTORALER ANSATZ
de und Nachbarn. Was übrig bleibt, verkau-
fe ich.“ Das bringt ihr täglich zusätzliche                            Um die Ernährung der Menschen in Mali zu verbessern,
1,50 Euro.                                                             arbeitet die GIZ in vielen Bereichen. Der Ansatz verknüpft
      Die einzige Einnahmequelle ist das                               umfangreiche Maßnahmen, etwa in ernährungssensitiver
aber nicht. Fadimata Moulaye war sofort                                Bewässerungslandwirtschaft und Viehwirtschaft, Kommuni­
klar, was sie mit den ersten Gewinnen ma-                              kation zu einer gesunden, diversifizierten Ernährung
chen wollte. Sie erfüllte sich einen Traum.                            sowie Trinkwasser-, Sanitärversorgung und Hygiene (Water,
„Ich habe mir ein kleines Geschäft aufge-                              Sanitation and Hygiene, WASH). Erfolgreiche Ansätze
baut und verkaufe heute Tomaten, getrock-                              (best practices) auf lokaler Ebene werden mit den relevan-
nete Zwiebeln, Öl und Salz.“ Das höhere                                ten Gremien und Institutionen geteilt und in den entsprechen-
Einkommen hat auch die Essgewohnheiten                                 den Strukturen verankert.
verbessert. Die Familie isst regelmäßiger
und häufiger. „Ein Frühstück und ein
Abendessen kann ich immer zubereiten“,                                        Kontakt: Raymond Mehou, raymond.mehou@giz.de
nickt sie zufrieden. Sorgen, dass sich das
wieder ändert, hat sie nicht. Für Zeiten, in
denen die Ziegen weniger Milch geben, hat                                    DAS PROJEKT IN MALI IN ZAHLEN
sie sich mit dem kleinen Laden ein zweites
Standbein geschaffen.
      Und ihre Tiere sind zu ihrer privaten
                                                                                       6.000 Menschen
                                                                                  wurden in nachhaltiger Landwirtschaft
Bank geworden. Sollte jemand aus der Fa-                                   und im Anbau nährstoffreicher Gemüse fortgebildet –
milie krank werden, kann im Notfall eins                                             davon knapp die Hälfte Frauen.
verkauft werden, um beispielsweise Medizin
und Krankenhausrechnungen zu bezahlen.
Fadimata Moulaye hält einen Moment inne                                                  10.000 Frauen
und sagt dann: „Ich hoffe aber, dass es dazu                                ernähren sich jetzt vielfältiger. Zuvor waren sie von
nie kommt.“ —                                                                           Mangelernährung bedroht.

akzente 1/21                                                      21
Schwerpunkt: Ernährung

Smarte                                     und wann die Maschinen am besten           Faire Verteilung
                                           eingesetzt werden. Dadurch wird ihre

Lösungen                                   Nutzung effizienter und kostengünstiger.
                                           In einer Pilotphase sanken durch den
                                           Einsatz der Web-App die Kosten für die
                                                                                      NIGERIA Die nigerianische Regierung hat
                                                                                      2012 ein elektronisches Gutscheinsystem
                                                                                      für Kleinbäuerinnen und -bauern einge-
                                           Reisernte um bis zu zehn Prozent.          führt. Zuvor hatte es oft Probleme mit Ver-
Vier Beispiele, wie                        Nachernteverluste, die in Asien jährlich
                                           einen wirtschaftlichen Schaden von etwa
                                                                                      untreuung gegeben. Farmer*innen erhalten
                                                                                      nun digitale Gutscheine auf ihr Handy, die
die Informations-                          drei Milliarden US-Dollar verursachen,     sie beim Kauf von Dünger und Saatgut
                                           konnten um zwei Prozent vermindert         einsetzen können. Das System stellt
und Kommunikations-                        werden. —                                  sicher, dass alle die korrekten subventio-
                                                                                      nierten Güter erhalten. Mit dem System
technologie die                                                                       wurden rund 20 Millionen Menschen
Landwirtschaft in                                                                     erreicht, was etwa 90 Prozent der
                                                                                      Zielgruppe entspricht. Eine Untersuchung
Entwicklungs- und                                                                     zeigte, dass die E-Gutscheine zum Anstieg
                                                                                      der Maisernte und damit des Einkommens
Schwellenländern                                                                      um gut ein Viertel beigetragen haben. —
verbessert.
                                                                                      Wissen per Radio­
                                                                                      ÄTHIOPIEN Menschen, die sich überwie-
                                                                                      gend von Mais ernähren, leiden häufig
                                                                                      unter Lysin- und Tryptophan-Mangel, vor
                                                                                      allem Kinder und Frauen. Die Maiszüch-
                                                                                      tung Quality Protein Maize (QPM) enthält
                                                                                      besonders hohe Anteile dieser Amino-
                                                                                      säuren, um den Mangel auszugleichen.
                                           Erkenntnisse in                            In Äthiopien wurde eine Radiosendung
                                                                                      eingesetzt, um Menschen über die
                                           jedem Tropfen                              Vorteile des Anbaus und Verzehrs von
                                                                                      QPM zu informieren. Vier lokale Radio­
                                           MEXIKO Aquakulturen werden häufig          stationen übertrugen 320 Episoden einer
                                           kritisiert, weil sie durch Überdüngung     Infosendung in vier wichtige Maisanbau-
                                           die Wasserqualität verschlechtern. Eine    gebiete des Landes. Sie erreichten damit
                                           smarte Lösung aus Mexiko hilft Betrei-     66 Prozent der kleinbäuerlichen Haus-
                                           ber*innen, ihre Aquakulturen optimal       halte. Das Interesse am Besuch von
                                           einzurichten. Junge mexikanische           Versuchsfeldern nahm in der Folge zu. —
                                           Unternehmer*innen haben dazu ein
                                           System entwickelt, das fortlaufend die
Digitale                                   Wasserqualität prüft und die Daten in
                                           Echtzeit erfasst. Gemessen werden
Erntehelfer                                pH-Wert, Temperatur, Sauerstoffgehalt
                                           und bis zu 14 weitere Parameter. Die
ASIEN Typischerweise teilen sich           Farmer*innen können so frühzeitig auf
mehrere Landwirte für die Reisernte teu-   eine Verschlechterung der Wasserquali-
re Maschinen, anstatt sie selbst           tät reagieren und die Ausbreitung von
anzuschaffen. Die neue Webapplikation      Bakterien verhindern. Aquakultur-Betrei-
„EasyHarvest“ kann ihnen dabei helfen,     bende können ständig über eine App und
die Ernte- und damit Ausleihzeiten         eine Online-Plattform auf die Daten
optimal abzustimmen. Mittels Smart­        zugreifen. Wenn bestimmte Grenzwerte
phone oder Computer informieren sich       überschritten werden, erhalten sie eine
Landwirte und Maschinenverleiher, wie      automatische Warnung. —

                                                                22                                                     akzente 1/21
Gastbeitrag

                                                                                                                                                                         Hier Verschwendung,                                                    Das ist angesichts von rund 700 Millionen hungernden Menschen
                                                                                                                                                                                                                                                auf der Welt (eine Zahl, die seit 2014 wieder steigt) nicht nur aus

                                                                                                                                                                         dort Hunger                                                            ethischen Gründen ein Problem. Zwar konnte ein kausaler Zusam-
                                                                                                                                                                                                                                                menhang zwischen dem verschwenderischen Lebensstil der Indus­
                                                                                                                                                                                                                                                trienationen und dem Hunger in den Entwicklungsländern bislang
                                                                                                                                                                                                                                                nicht hergestellt werden. Und doch gehen Organisationen wie die
                                                                                                                                                                         Millionen Menschen sind unter­                                         Welthungerhilfe davon aus, dass unser Verhalten durchaus einen
                                                                                                                                                                                                                                                Einfluss auf den sicheren Zugang zu Nahrung für Menschen in an-
                                                                                                                                                                         ernährt, während zugleich tonnen­                                      deren Weltgegenden hat.

                                                                                                                                                                         weise Lebensmittel verderben oder
                                                                                                                                                                         weggeworfen werden. Das geht                                                „Kein Kind in Äthiopien
                                                                                                                                                                         uns alle etwas an.                                                         wird allein deshalb satt zu
                                                                                                                                                                                                                                                    Bett gehen, weil der kleine
                                                                                                                                                                         Von JESSICA VON BLAZEKOVIC,                                                Noah in Berlin-Kreuzberg
                                                                                                                                                                         Wirtschaftsredakteurin bei FAZ.NET
                                                                                                                                                                                                                                                      seinen Kartoffelstampf
FOTOS: SURACHETKHAMSUK/ISTOCK (S. 22, LINKS), DELIORMANLI/GETTY IMAGES (S. 22, MITTE), AVDYACHENKO/GETTY IMAGES (S. 22, RECHTS), BUNDESREGIERUNG/SANDRA STEINS (S. 23)

                                                                                                                                                                                                                                                         aufgegessen hat.“
                                                                                                                                                                                                                                                So liegen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge inzwischen
                                                                                                                                                                                                                                                rund zwei Drittel der Ackerflächen im Ausland, die für die Produk-
                                                                                                                                                                                                                                                tion von Lebensmitteln für deutsche Verbraucher benötigt werden.
                                                                                                                                                                                                                                                Je größer hierzulande also die Nachfrage nach Lebensmitteln, desto
                                                                                                                                                                                                                                                mehr Anbaufläche wird andernorts für den Export benötigt und
                                                                                                                                                                                                                                                geht dem Heimatmarkt verloren. Werden die Anbauflächen knap-
                                                                                                                                                                                                                                                per, steigen zudem die Preise für Lebensmittel; das erschwert Men-
                                                                                                                                                                                                                                                schen in Entwicklungsländern den Zugang zu Nahrung noch zusätz-
                                                                                                                                                                                                                                                lich. Ein in diesem Zusammenhang häufig verwendeter Begriff ist
                                                                                                                                                                                                                                                das „Land Grabbing“ internationaler Investoren, die Ackerland für
                                                                                                                                                                                                                                                den Anbau sogenannter Cash-Crops aufkaufen. Das sind lukrative
                                                                                                                                                                                                                                                Nutzpflanzen wie zum Beispiel Soja oder Mais, die nur dem Export
                                                                                                                                                                                                                                                und nicht der Selbstversorgung der Bäuerinnen und Bauern dienen.
                                                                                                                                                                                                                                                     Der Klimawandel verschärft die globale Hungersnot. Von Asien
                                                                                                                                                                                                                                                bis Afrika zerstört er die Lebensgrundlage von Millionen Menschen,

                                                                                                                                                                         I
                                                                                                                                                                                                                                                weil Böden erodieren oder Dürren und andere Wetterextreme den
                                                                                                                                                                               ss deinen Teller leer, in Afrika verhungern die Kinder“ – wer    Anbau von Nahrungsmitteln erschweren. Und auch hier spielt die
                                                                                                                                                                               kennt diesen Spruch nicht aus seiner Kindheit? Inzwischen        Verschwendung von Lebensmitteln eine Rolle: Sie hat Schätzungen
                                                                                                                                                                               sind viele Eltern glücklicherweise zu der Erkenntnis gelangt,    zufolge einen CO2-Fußabdruck von jährlich 3,6 Gigatonnen Koh-
                                                                                                                                                                               dass es falsch ist, Kinder zum Aufessen zu zwingen. Kein Kind    lendioxid und trägt damit in einem fast so großen Ausmaß zur Kli-
                                                                                                                                                                         in Äthiopien wird allein deshalb satt zu Bett gehen, weil der kleine   maerwärmung bei wie der globale Straßenverkehr.
                                                                                                                                                                         Noah in Berlin-Kreuzberg seinen Kartoffelstampf aufgegessen hat.            Nein, die Menschen in Deutschland können die weltweite
                                                                                                                                                                         Ohnehin sind es vielmehr die Erwachsenen, die sich diese Redensart     Hungersnot nicht allein dadurch beenden, dass sie weniger Lebens-
                                                                                                                                                                         aus der Mottenkiste der Erziehungsmaßnahmen zu Herzen nehmen           mittel wegwerfen. Das Thema ist weitaus vielschichtiger; fragile
                                                                                                                                                                         sollten: Weltweit landen Schätzungen zufolge jedes Jahr 1,3 Milliar-   Staaten, Krisen und Konflikte, aber auch Schwierigkeiten bei der La-
                                                                                                                                                                         den Tonnen Lebensmittel im Müll, ein Drittel der Gesamtprodukti-       gerhaltung und Verteilung von Nahrung tragen dazu bei. Doch es
                                                                                                                                                                         on. Das Bundeslandwirtschaftsministerium geht davon aus, dass al-      spricht viel dafür, dass die Art und Weise, wie wir mit Lebensmitteln
                                                                                                                                                                         lein in Deutschland jährlich 12 Millionen Tonnen Lebensmittel          umgehen, ein bedeutender Teil des Problems ist. Deshalb sollten wir
                                                                                                                                                                         weggeworfen werden – mehr als die Hälfte davon in privaten Haus-       auch alle, nicht nur Noah in Berlin-Kreuzberg, an dessen Lösung ar-
                                                                                                                                                                         halten.                                                                beiten – und beim Essen maßhalten. —

                                                                                                                                                                         akzente 1/21                                                     23
Schwerpunkt: Ernährung

          24             akzente 1/21
Essay

Repariert
das System!
Millionen Menschen gehen Abend für Abend hungrig zu Bett.
Das müsste nicht sein, die Welt könnte alle ernähren. Die afrikanische
Wissenschaftlerin Jemimah Njuki erklärt, was nötig ist, um diesen
Zustand zu ändern, und warum Frauen dabei eine wichtige Rolle spielen.

Illustrationen FLORIAN BAYER

I                                                 IN DIESEM
    m September dieses Jahres trifft sich die                                     leben die meisten dieser Unterversorgten
    Welt zum ersten UN-Gipfel zu Ernäh-                                           zwar in Asien, doch die Prognosen sehen für
    rungssystemen. Und dieses Treffen wird        BEITRAG                         das Jahr 2030 den größten Anteil unterer-
unter anderem zeigen, dass unser Ernäh-                                           nährter Menschen in Afrika voraus. Gleich-
rungssystem kaputt ist und repariert werden       1. STATUS QUO                   zeitig geht weltweit etwa ein Drittel aller Le-
muss! Ungerecht, nicht nachhaltig und un-         Ungerecht und nicht             bensmittel zwischen Acker und Teller durch
fähig, die Welt zu ernähren – diese Worte         nachhaltig: Woran das           Verlust oder Verschwendung verloren.
beschreiben den aktuellen Zustand unserer         weltweite Ernährungs­
Ernährungssysteme ziemlich gut. Der Gip-          system krankt.
                                                                                  Mehr Macht für Frauen
fel soll mit Lösungen und Verpflichtungen
der Teilnehmenden aufwarten, um dafür zu          2. WO HAKT ES?                  Dass dieses System nicht funktioniert, hat
sorgen, dass wir allen Menschen eine gesun-       Klimaschäden, Pandemie,         viele Gründe. Fehlende Geschlechtergerech-
de Ernährung und eine angemessene Exis-           ungerechte Verteilung:          tigkeit ist einer davon. Frauen haben ein um
tenzgrundlage bieten können.                      Was den Hunger der              13 Prozent höheres Risiko mittlerer oder
     Im Augenblick ist das nicht der Fall. Tat-   Welt speist.                    schwerer Ernährungsunsicherheit als Män-
sächlich leben wir in Parallelwelten – zu viele                                   ner. Eine weitere große Herausforderung ist
hungern, während immer mehr an Überge-            3. WAS HILFT?                   der Zugang zu gesunder Nahrung, die eine
wicht leiden. Zwei Milliarden Menschen,           Fördern, bilden, investieren:   ausreichende Versorgung mit Kalorien und
beinahe 26 Prozent der Weltbevölkerung,           Wie wir den größten             Nährstoffen sowie Lebensmittel aus unter-
haben im Jahr 2019 Hunger gelitten oder re-       vermeidbaren Skandal            schiedlichen Nahrungsgruppen bietet. Eine
                                                  unserer Zeit beenden.
gelmäßig nicht genug und zu wenig nahrhaf-                                        solche Ernährung kostet im Durchschnitt
tes Essen bekommen; 690 Millionen Men-                                            fünf Mal so viel wie Essen, das nur genü-
schen sind unterernährt. In absoluten Zahlen                                      gend Kalorien liefert. Allein rund 965 Milli-

akzente 1/21                                                25
onen der 1,3 Milliarden Afrikanerinnen                                           te verschlechtern abgeschnittene
und Afrikaner können sich eine gesunde Er-                                    Vertriebswege zwischen und inner-
nährung nicht leisten.                                                 halb von Ländern, die Schließung von
     Ironischerweise hungern am meisten                                Märkten und der Mangel an Arbeitskräften
diejenigen, die unsere Nahrung produzie-                               den Zugang zu Nahrungsmitteln. Auf der
ren. Weltweit gibt es 500 Millionen Klein-                             Nachfrageseite verringern Arbeitsplatzver-
bauern und -bäuerinnen. Sie erzeugen etwa                              luste sowie zunehmende häusliche Pflege-
80 Prozent der Lebensmittel für Asien und                              und Sorgearbeit vor allem für Frauen (zum
Subsahara-Afrika. Frauen stellen 43 Prozent                            Beispiel durch Homeschooling) die Kauf-
der Arbeitskräfte in diesen kleinen landwirt-                          kraft der Menschen.
schaftlichen Betrieben. Trotz ihres enorm                                   Wir erleben also eine schwere Krise, die
wich­tigen Beitrags leiden Kleinbäuerinnen,      „Ironischerweise      nicht erst durch Covid-19 entstanden ist,
-bauern und Landarbeitende oft unter Man-                              aber dadurch noch verschlimmert wurde.
gelernährung und haben keinen Zugang zu          hungern am meis-      Doch was kann helfen? Was muss wirklich
gesunden Lebensmitteln. Sie hungern buch-
stäblich neben ihren Feldern.                    ten diejenigen, die   getan werden, um den Hunger und andere
                                                                       Formen der Mangelernährung zu beenden
     Außerdem gibt es Grund zur Sorge über
die wachsende Ungerechtigkeit im weltwei-        unsere Nahrung        und gleichzeitig das System so zu verän-
                                                                       dern, dass es allen Menschen auf nachhalti-
ten Ernährungssystem. Kleine Kakaobäue-
rinnen und -bauern in Côte d’Ivoire sind         produzieren.“         ge Weise erschwingliche und gesunde Er-
                                                                       nährung bietet?
zum Beispiel heute ärmer als in den 1970er
oder 1980er Jahren, obwohl die Schokoladen­                            Auf dem Minimum bestehen
industrie jährlich mindestens 40 Milliarden
US-Dollar erwirtschaftet. Kleinbäuerliche                              Eine Studie namens „Ceres2030“ zeigt, dass
Betriebe bekommen nur etwa sechs Prozent                               Veränderungen in der Landwirtschaft nur
des Branchenumsatzes, obwohl sie einen                                 funktionieren können, wenn einige grund-
Großteil der Ernten produzieren.                                       legende Minimalanforderungen erfüllt wer-
                                                                       den: Die Produzierenden müssen über ein
Schädlich für das Klima                                                Mindesteinkommen und eine gewisse Min-
                                                                       destbildung verfügen; sie brauchen Zugang
Das derzeitige Ernährungssystem läuft auch                             zu Netzwerken und Beratungsdiensten so-
dem Umwelt- und Klimaschutz zuwider.                                   wie eine stabile Infrastruktur einschließlich
Tatsächlich trägt die Landwirtschaft zehn                              verbesserter Märkte und Straßen.
bis 14 Prozent zu den menschengemachten                                     Vor diesem Hintergrund erscheint es
Treibhausgasemissionen bei. Die Ernäh-                                 sinnvoller, vielfältige Maßnahmen zu ergrei-
rungs- und Landwirtschaftsorganisation der                             fen, als mit isolierten Eingriffen Einzelziele
Vereinten Nationen (FAO) schätzt die sozi-                             zu verfolgen. Das bedeutet zum Beispiel, die
alen Kosten der Emissionen, die auf unsere                             Existenzgrundlage der Bäuerinnen und Bau-
derzeitigen Ernährungsgewohnheiten zu-                                 ern zu verbessern, indem man Feldfrüchte
rückzuführen sind, auf unglaubliche 1,7 Bil-                           fördert, die von den Verbrauchern verlangt
lionen US-Dollar pro Jahr bis 2030.                                    werden und zugleich resistenter gegen Kli-
     Aber das ist noch nicht alles: Dieses be-                         maeinflüsse und Schädlinge sind, während
schädigte System ist zusätzlich durch die                              man gleichzeitig Zugänge zu Märkten er-
Corona-Pandemie belastet, die sowohl das                               leichtert. In Kenia gibt es zum Beispiel eine
Angebot als auch die Nachfrage weltweit                                steigende Nachfrage nach Sorghumhirse,
nachhaltig erschüttert hat. Auf Angebotssei-                           nicht zuletzt durch Brauereien. Sorghum ist

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