FAIR DAS MAGAZIN - Bank im Bistum Essen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
FAIR DAS MAGAZIN FÜR NACHHALTIGE FINANZWIRTSCHAFT // 02.2021 BANKING WENN ICH EINMAL REICH WÄR … STANDPUNKT STIFTUNGEN DIGITALISIERUNG KEIN REICHTUM OHNE REICHTUM GEGEN WISSEN IST REICHTUM, VERANTWORTUNG ARMUT INS FELD FÜHREN DER ALLEN GEHÖRT // 14 // 17 // 24
2 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 3 Liebe Leserinnen und Leser, Wenn ich einmal reich wär ... ...................................................................... 6 Susanne Bergius: Kapital killt ökologischen Reichtum .................................. 8 aus meiner Sicht wäre die Welt reicher, wenn Bildung »Gut ist der Reichtum, wenn keine Schuld an ihm nicht zu einem Luxusgut wird und Frauen und Mädchen klebt«, heißt es in Jesus Sirach. Aber ist Reichtum gene- Prof. Dr. Armin Falk: Wie viel ist uns die Zukunft wert? ............................... 10 überall auf der Welt die gleiche Chance auf Teilhabe rell unmoralisch? Verdirbt Geld immer den Charakter? Elke Scheffer: Reichtum ist in uns selbst ..................................................... 12 hätten, wenn Hunger und Armut zurückgedrängt und Und warum kommt die Jugend auch ohne Reichtum an die Stelle von Nationalismus internationale Koope- aus? In dieser Ausgabe finden Sie Anregungen, um Standpunkt .................................................................................................. 14 ration treten würden. Die Welt wäre auch reicher, wenn Ihre Einstellung zum Vermögen zu justieren. Geistlicher Impuls ....................................................................................... 16 Menschenrechte überall auf der Welt geachtet würden und Achtsamkeit zwischen Menschen und gegenüber Viel Freude beim Lesen und einen schönen Herbst, der der Natur selbstverständlich wäre. uns mit seinem Farben-Reichtum die ausdauernde Was bedeutet Reichtum für Sie? Wir haben in der Pandemiezeit erleichtern möge, wünscht Ihnen neuen Ausgabe unseres FAIRBANKING-Magazins Men schen in sehr unterschiedlichen Lebenssituationen zu Ihr FINANZEN UND GELDANLAGE Armut und Reichtum befragt und Strömungen in der Stiftungen: Reichtum gegen Armut ins Feld führen – Becker/Cordes-Stiftung .... 17 Gesellschaft beleuchtet. Zum Einstieg finden Sie in unserer Titelstory ab Mikrofinanzierung: Mikrofinanzierung macht auf verschiedene Arten reich ...... 18 Seite 6 drei Positionen, die zeigen, was uns arm, aber Nachhaltige Vermögensanlage: auch, was uns reich machen kann. Hier steht Reichtum Vernetzt denken und handeln .......................................................................... 20 dem Klima gegenüber, die zukünftige Gesellschaft steht auf dem Prüfstand und Achtsamkeit im Fokus. Dr. Peter Güllmann VORSTANDSSPRECHER DER BIB Neues vom Fonds für Stiftungen Invesco........................................................... 22 17 Dazu haben wir acht ganz persönliche Einstellungen Privatkunden: Neues Onlinebanking ............................................................... 23 zum Thema Reichtum zusammengetragen. Ob Wissen, wie etwa die Plattform Wikipedia, ein Reichtum ist, der allen gehören sollte, erläutern wir auf AUS DER BANK Seite 24. Die BIB ist jetzt übrigens auch auf Facebook Gesichter der Bank: Mikrofinanzkredite fördern eine ganz besondere und Instagram. Folgen Sie uns über Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ............................................................ 26 Form des Reichtums: Sie sichern die finanzielle Existenz Unsere neuen Auszubildenden ......................................................................... 29 von Menschen langfristig. Über die Prinzipien unserer Arbeit im Bereich Mikrofinanzfonds und einen Gene www.facebook.com/bib.fairbanking und Jugend und Ausbildung: Jugend – reich ohne Geld ......................................... 28 28 rationswechsel in der Auslandsabteilung lesen Sie ab www.instagram.com/bib.fairbanking Kunden stellen sich vor: Ist denn nicht jedes Kind ein Schatz? Seite 18. Kinder- und Jugendhilfe Sozialwerk St. Georg e.V. ............................................ 30 Versicherer im Raum der Kirchen: Wann sind wir reich? .................................. 32 IM FOKUS IMPRESSUM Kurz notiert ....................................................................................................... 4 32 Herausgeber: BIB – BANK IM BISTUM ESSEN eG, Der Nachdruck ist mit Nennung der Quelle gestattet. Dieses Dokument wurde Digitalisierung: Wissen ist Reichtum, der allen gehört ...................................... 24 Gildehofstraße 2, 45127 Essen, www.bibessen.de mit Sorgfalt erstellt, dennoch kann keine Gewähr für Aktualität, Richtigkeit Chefredaktion (v.i.S.d.P): Sabine Kelp und Vollständigkeit übernommen werden. Die Gültigkeit der hier abgebildeten Auflage: 11.500 Exemplare Informationen, Daten und Meinungsaussagen ist auf den Zeitpunkt der Erstel- Nachhaltigkeits-ABC: G – Gini-Koeffizient ...................................................... 33 Redaktion: Ulrich Callegari, Dr. Peter Güllmann, Irmgard Kleine-Altekamp, lung dieser Kundenzeitung beschränkt. Aktuelle Entwicklungen der Märkte, Michael Sommer, Malin Zinke gesetzliche Bestimmungen oder andere wesentliche Umstände können dazu Nachhaltigkeit: Ziel Nummer 1 – Keine Armut ................................................. 34 Autoren: Andreas Künzel, PRO SECUR Vermögensberatung und -verwaltung führen, dass die hier dargestellten Informationen, Daten und Meinungsaus- GmbH, smply.gd, Vera Steinkamp, vrk, Prof. Joachim Wiemeyer sagen gegebenenfalls auch kurzfristig ganz oder teilweise überholt sind. Die Gestaltung und Realisation: Schröter Werbeagentur GmbH, Mülheim/Ruhr Beiträge können nicht das jeweilige, den individuellen Verhältnissen ange- Medientipps ................................................................................................... 35 Fotografie: BIB; Schröter Werbeagentur GmbH, Mülheim/Ruhr; Lokomotiv – passte, Beratungsgespräch ersetzen. Thomas Willemsen (sofern nicht anders angegeben) ISSN 2194-2528 // Ausgabe 02.2021 BIB vor Ort: Rückblick – Ausblick .................................................................... 36 Druck: Lensing Druck, Dortmund/Ahaus Gedruckt auf holzfrei weiß matt gestrichen Bilderdruck FSC® TITELBILD: SUSANNE MONREAL Denkraum ...................................................................................................... 38 Wir sind für Sie da .......................................................................................... 39
4 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 5 KURZ NOTIERT VERDIRBT GELD DEN FOLGEN SIE UNS REICHER MANN UND ARMER MANN STANDEN CHARAKTER? DA UND SAH‘N SICH AN. UND DER ARME SAGTE BLEICH: George Lucas, Andrew Lloyd Webber, Sting, Ted Turner, Elton John, Mark bib.fairbanking »WÄR ICH NICHT ARM, WÄRST DU NICHT REICH.« Zuckerberg – all diese sogenannten Superreichen wollen laut Yellow- BERTOLT BRECHT, ALFABET, 1934 press ihren Kindern nichts oder nur einen Bruchteil ihres Vermögens BIB – Bank im vererben. Die Motivation: Die Kinder sollen durch eigene Leistung Bistum Essen erfolgreich werden, Respekt für Geld und Arbeit ausbilden. So weit, so Dr. Gerd Müller, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- nachvollziehbar. Im Fall Zuckerberg wäre das geplante eine Prozent wicklung, bekräftigt mit seiner offenen Äußerung »Wir haben Afrika arm gemacht« Erbe allerdings immer noch über eine Milliarde Dollar. dieses Brecht-Zitat. Im Interview mit dem Magazin ›kontinente‹ sagte er neulich: »Wir haben das Glückslos gezogen, dass wir in Europa leben. Es sollte uns aber bewusst sein, dass unser Wohlstand ein Stück auf der Ausbeutung von Mensch und Natur in den Entwicklungsländern aufbaut. Deswegen kämpfe ich dafür, Globali- sierung gerecht zu gestalten. Das ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.« ES GIBT KEINE EINFACHEN LÖSUNGEN ZU GERECHTER VERTEILUNG, ABER … Den ganzen Beitrag finden Sie hier: … »wenn man bedenkt, wie viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser haben und dass es f w ww.kontinente.org/de/interview_gerd_mueller.html ungefähr halb so viel kostete, ganz Afrika zumindest mit einer rudimentären Wasserversorgung zu versehen als den Stuttgarter Bahnhof tiefer zu legen – da kommt man schon ins Grübeln und fragt sich, ob unsere Prioritäten eigentlich sinnvoll sind.« FOTO: JANINE SCHMITZ PHOTOTHEK_NET2 Andreas Eschbach, Autor des Bestsellers »Eine Billion Dollar« in: INFORMATIONEN ZUR f www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2011/freiraeume/ GELDANLAGE – »DIE ARMEN HABT IHR wenn-ich-einmal-reich-waer DIE DZ BANK-WEBKONFERENZEN IMMER BEI EUCH« Aktuelle Informationen und Prognosen zu den Entwicklun- gen an den weltweiten Kapitalmärkten erhalten Sie in den Unter diesem Leitwort (Mk 14,7) ruft Papst Franziskus anlässlich des diesjährigen Welttags der Armen am DEUTSCHLAND kostenfreien DZ BANK-Webkonferenzen. 14. November dazu auf, gegen die weltweite Armut IST KEINE »ABSTIEGSGESELLSCHAFT« vorzugehen, die die Corona-Pandemie zusätzlich ver- Der nächste Termin ist Dienstag, 9. November 2021, 16.00 bis 16.40 Uhr stärkt hat. Das Bündnis »Gemeinsam solidarisch«, bei Ist das nun eine beruhigende Erkenntnis, die der sechste Armuts- und Reichtumsbericht hervor- oder 18.00 bis 18.40 Uhr. dem sich auch die BIB engagiert, lädt auch in diesem bringt? Vielleicht ist es bei vielen von uns an der Zeit für ein bisschen Dankbarkeit. Die ganze Wahr- Jahr wieder zu einer Challenge ein, die das Miteinan- heit lautet allerdings: »Problematisch ist die Verfestigung in den unteren sozialen Lagen, aus denen Inhaltliche Details und die Anmeldedaten zur Webkonferenz der stärken soll. Das Motto: »Lernt! voneinander« es im Zeitablauf immer weniger Personen gelungen ist, aufzusteigen.« finden Sie Ende Oktober/Anfang November hier: Selten war es so spannend, den Armuts- und Reichtumsbericht zu lesen. Für die BIB ist besonders f www.welttagderarmen.de interessant, dass er unsere zentralen Engagement-Bereiche Gesundheit, Bildung und Wohnen explizit aufgreift: »In Zeiten der Krise rückt verstärkt in den Vordergrund, dass die im Bericht betrach- teten Lebenslagen ›Erwerbstätigkeit‹, ›Bildung‹, ›Wohnen‹, ›Gesundheit‹ und ›Soziale Teilhabe‹ un- trennbar verbunden sind und große Bedeutung dafür haben, wie gut Krisen bewältigt werden f www.bibessen.de/dz-bank-webkonferenz können.« Den ganzen Bericht in der Kurz- und Langfassung finden Sie hier: f www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Service/Meldungen/Meldungen/ sechster-armuts-und-reichtumsbericht.html;jsessionid=81079842D43FF0DF3375B6 DF54846808
6 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 7 GENÜGSAMKEIT. Sagen Sie das mal einem Grundsicherungs-Empfänger. »Mit voller Hose ist leicht stinken«, hält der Volksmund dagegen, und tatsächlich lässt sich Reichtum am besten aus einer gewissen wirtschaftlichen Komfortzone heraus kritisieren. Doch so richtig weit her scheint es mit der Genügsamkeit der Privilegierten ohnehin nicht zu sein, IST NATÜRLICHER. denn laut eines Oxfam-Berichts aus dem letzten Jahr ist es so: »Das reichste 1 Pro- zent, 63 Millionen Menschen, blies zwischen 1990 und 2015 mehr als doppelt so viele klimaschädliche CO2-Emissionen in die Atmosphäre wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen«. REICHTUM, »Weißt du, die beste Art, um reiche Leute zu treffen, ist, sie in Arme zu verwan- deln,« lautet eine Erkenntnis im Film »Die Glücksritter«. Aber muss man den Rei- chen wirklich Schaden zufügen? Damit lässt sich das Ungleichgewicht in der Welt LUXUS IST. vermutlich auch nicht beheben. Es würde doch schon genügen, wenn jeder, der weit mehr zum Leben hat, als er braucht, daraus eine Verantwortung für den anderen ableiten würde. Wir haben hier drei Positionen zusammengetragen, die Reichtum aus einer anderen KÜNSTLICHE ARMUT. Perspektive betrachten und zukunftsweisende Wege denken. Die Erkenntnisse spre- chen vielen – allen voran Captain Jack Sparrow aus »Fluch der Karibik« – aus dem Herzen: »Nicht jeder Schatz besteht aus Silber und Gold.« SOKRATES .
8 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 9 KAPITAL KILLT … die Menschen barmherziger miteinander umgehen und Solidarität füreinander zeigen würden. ÖKOLOGISCHEN REICHTUM ANSELM GRÜN IST PROMOVIERTER THEOLOGE UND HAT DARÜBER HI- NAUS BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE UND VOLKSWIRTSCHAFT STUDIERT. ER WAR JAHRZEHNTELANG FÜR DIE WIRTSCHAFTLICHEN BELANGE DER BENEDIKTINERABTEI MÜNSTER-SCHWARZACH VERANTWORTLICH, DIE KUNDE DER BIB IST. ANSELM GRÜN IST BEKANNT FÜR SEINE ZAHLREI- CHEN PUBLIKATIONEN UND SEINE REFERENTENTÄTIGKEIT. f W WW.ABTEI-MUENSTERSCHWARZACH.DE/KLOSTER/ANSELM-GRUEN SUSANNE BERGIUS, Journalistin und Refe- Dabei habe ein nachhaltiger Finanzmarkt eine Menge Niederlanden und anderswo gar verbessern. Inzwischen FOTO: PRIVAT rentin für nachhaltiges Wirtschaften und Inves- Möglichkeiten, hier Verantwortung zu übernehmen: nehmen international 25 Häuser mit 6,7 Billionen Dol- tieren, befasst sich seit Jahren intensiv mit der »Banken können Anleihen von Staaten ausschließen, lar verwalteter Vermögen teil. Frage, ob und wie Kapitalanlagen die Biodiver- die die UN-Biodiversitätskonvention nicht ratifiziert »Die Europäische Zentralbank erwartet mittlerweile sität schützen und was Investoren dafür tun haben oder dagegen verstoßen«, lautet ein Ansatz. Sie von Banken, dass sie die Risiken der Naturzerstörung können. Sie ist überzeugt: »Investments und können darüber hinaus verstärkt in Fonds investieren, stärker als bisher ausweisen«, erläutert Susanne Ber- Kredite können naturkompatibel werden und die Anlagekriterien zum Artenschutz beinhalten – gius. »Hintergrund ist, dass etwa der Biodiversitätsver- … würde ich in den Sack hauen und auf meiner Yacht ökologischen Reichtum samt Agrobiodiversität etwa Negativbewertungen zu Massentierhaltung oder lust oder die Umweltverschmutzung ursächlich für Zigarren rauchen. So viel zum Klischee, aber die Frage als menschliche Lebensgrundlage sichern hel- Tierversuchen. »Emittenten von Aktien und Firmenan- Bankenrisiken sein können.« Hierzu gibt es mittlerwei- hört sich auch verräterisch leicht an. Ja, ich bin reich. Ich fen.« Wie dringend das nötig sei, zeige der Welt- leihen könnten ihre Biodiversitätsrisiken erfassen und le den »Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken. Erwar- bin Unternehmer mit 75 Mitarbeitenden und nach 25 Jah- risikobericht des Weltwirtschaftsforums 2020, darlegen, was sie dagegen tun«, erläutert Bergius. Er- tungen der Aufsicht in Bezug auf Risikomanagement ren im deutschen Mittelstand angekommen, habe eine der erstmals warnte, das Artensterben gefährde forderlich dabei ist unbedingte Transparenz, um Anle- und Offenlegungen« der EZB. Er legt dar, wie Klima- sinnvolle Arbeit in einem tollen Team. Zudem bin ich pri- die Grundlagen der Ökonomie. gern darzulegen, was man tut. und Umweltrisiken gemäß dem derzeitigen Aufsichts- vilegiert, weiß, männlich, in einem Land geboren, in dem Aber auch bei der nachhaltigen Geldanlage gilt rahmen sicher und umsichtig gesteuert werden sollten. seit über 70 Jahren Frieden ist, behütet aufgewachsen, »Die wenigsten Kapitalgeber erkennen die Herausfor- wie anderswo: Gut gemeint ist nicht immer gut ge- Wie immer gilt: Einfache Lösungen gibt es nicht. Es immer noch ziemlich gesund, gesegnet mit zwei Kindern derung allerdings an«, stellt Susanne Bergius fest. »Viel- macht. So habe zum Beispiel die Deutsche Umwelthil- ist aufwändig, Anlageprodukte zu entwickeln, die ethi- und meine Schicksalsschläge konnte ich annehmen. Je FOTO: PRIVAT FOTO: DANIEL BERGIUS mehr hat die Nichtregierungsorganisation Global Witness fe herausgefunden, dass durch den Kahlschlag von sche Aspekte – etwa zu Umweltschutz und Teilhabe – länger ich über diesen Satz nachdenke, desto mehr Reichtümer fallen mir herausgefunden, dass mehr als 300 Banken und Groß- Palmölplantagen in Indonesien der Einsatz von Biodie- und Rendite vereinbaren. »Aber Kapital kann eben ein. Dabei war mir Geld immer ziemlich egal, solange ein gewisser anleger die Entwaldung finanzieren.« Erst im Januar sel dreimal schlechter für das Klima ist als von norma- auch zur Renaturierung beitragen«, weiß die Wirt- Grundstock davon vorhanden ist. Ist mehr da, als ich brauche, gestalte 2021 habe die Umweltorganisation Global Canopy lem Diesel. »Die Zusammenhänge sind komplex und schaftsjournalistin. »Anleger müssen allerdings aus- ich damit etwas Gutes. Jetzt, kurz vor meinem 60. Lebensjahr, weiß ich: darüber hinaus festgestellt, dass 95 von 150 analysier- nicht immer auf einen Blick zu durchdringen«, so Ber- dauernd und risikobereit sein, weil Natur zum Wach- Mein Reichtum macht mich immer mehr demütig und dankbar. ten Finanzinstituten keine Vorgaben gegen die Regen- gius. Hier brauche es verbindliche Richtlinien, die das sen und Gedeihen nun mal ihre Zeit braucht.« CHRISTIAN GOERDT SETZT SICH JEDEN TAG FÜR DEN ERHALT EINER LEBENSWERTEN WELT waldzerstörung haben. »Das liegt daran, dass sie für die große Ganze in den Blick nehmen. EIN. SEIN BIO-LIEFERDIENST VERSORGT SEIT 25 JAHREN PRIVATHAUSHALTE, SCHULEN, KITAS UND UNTERNEHMEN MIT ÖKOLOGISCHEN PRODUKTEN. DAMIT LEISTET DIE »FLOTTE KAROT- negativen externen ökologischen und sozialen Effekte TE« EINEN WERTVOLLEN BEITRAG FÜR GESUNDE PFLANZEN UND BÖDEN, ARTGERECHTE nichts bezahlen müssen«, sagt die studierte Geografin. Geld als Naturschützer? TIERHALTUNG UND SOZIALE PRODUKTIONSB EDINGUNGEN. ZUVOR HAT DER AGRARINGE- NIEUR DEN KLOSTERBERGHOF DES FRANZ-SALES-HAUSES IN ESSEN AUF ÖKOLOGISCHE Dass es – im Gegensatz zu CO2 – für die Entwaldung Der Finanzsektor stehe hinsichtlich der Biodiversität noch LANDWIRTSCHAFT UMGESTELLT. keine verbindliche Maßeinheit gebe, könne nicht als am Anfang. »Aber etliche Initiativen mit praxisnahen Ausrede herhalten. Herausfordernd sei gleichwohl, dass Berechnungs- und Bewertungsmethoden sind vielver- f www.susanne-bergius.de f WWW.FLOTTEKAROTTE.DE es schwierig ist, räumlich begrenzte Ökosysteme zu sprechend«, erläutert Susanne Bergius. Als Vorreiter bewerten. Ihre Zerstörung könne man – anders als nennt sie die Partnership Biodiversity Accounting Finan- CO2-Emissionen – schon gar nicht über Zertifikate kom- cials (PBAF). Hier haben sich niederländische Finanz- WEITERE BEITRÄGE VON SUSANNE BERGIUS: LITERATURTIPP: pensieren, was manche Akteure als vage Entschuldi- institute zusammengeschlossen, die eine einheitliche tfgh BERGIUS & T. TEUCHER: JOURNALISMUS & NACHHALTIGKEIT gung für Untätigkeit vorbrächten. Messmethode für Auswirkungen von Investments auf BIODIVERSITÄT VERSTEHEN BIODIVERSITÄT VERSTEHEN & die Biodiversität entwickeln wollen. Letztlich sollen ENTSCHEIDUNGSTRÄGER*INNE N INFORMIEREN & ENTSCHEIDUNGS TRÄGER*INNEN Kapitalanlagen und Kredite die biologische Vielfalt um Krisenlösungen voranbringen Wie alle Ressorts die Diskussion können INFORMIEREN, NETZWERK schützen, eine Bank will durch Investitionen in Renatu- Susanne Bergius & Tina Teucher WEITBLICK, 2021 KAPITALANLAGEN WO BLEIBT DER BANKEN WOLLEN ARTENVERLUST BEDROHT rierung und Kreislaufwirtschaft den Artenreichtum in den KÖNNEN BIODIVER- ÖKO-SOZIALE ARTENVIELFALT GESCHÄFTSMODELLE. 13 SITÄT VERNICHTEN WUMMS? SCHÜTZEN. BIODIVERSITÄT INS WIRT- – ODER SCHÜTZEN. SCHAFTEN UND FINANZIEREN INTEGRIEREN. Netzwerk Weitblick Verband Journalismus & Nachhaltigkeit e.V.
10 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 11 WIE VIEL IST UNS DIE ZUKUNFT WERT? … würde ich eine Designschule in der Karibik eröffnen. In den 1990er Jahren war ich als Studentin einige Male auf Tobago und fand den kulturellen Mix der Bevölkerung extrem spannend. Meiner Meinung nach fehlt dort allerdings die PROF. DR. ARMIN FALK, Direktor des Beha- kaum existent. […] Für das Individuum wäre es also den Veränderungen, die mit Blick auf das Rauchen im Auseinandersetzung mit der eigenen Identität, die über vior and Inequality Research Institute, kurz briq, rational, sich unkooperativ zu verhalten und weiter viel öffentlichen Raum erreicht wurden. Was früher selbst- Jahrhunderte untergegangen ist. Denn heute sind die Men- zählt zu den forschungsstärksten Volkswirten zu fliegen – was für alle zusammen in die Katastrophe verständlich war, ist inzwischen scham- und schuldbe- schen dort nicht mehr nur einfach afrikanisch, indisch, und weiß: »Es ist den meisten Menschen ziem- führt.« Entsprechend geht es für Armin Falk eben nicht setzt und wird sozial sanktioniert. Der Nachteil: Laut kreolisch, englisch oder holländisch, da sich jedes Leben lich egal, was in 20 oder 30 Jahren mit der Welt nur um Kosten und Nutzen, sondern genauso um rich- Armin Falk ist anzunehmen, dass die Herausbildung im Zusammenleben weiterentwickelt und verändert. FOTO: JENS JENSEN los sein wird.«1 Das müsse sich dringend ändern, tig oder falsch. Und übermäßiger Ressourcenverbrauch solcher Normen zu lange dauert. Wir können mit ihm ANKE PLÖGER IST »STEINREICH« – SO HEISST JEDENFALLS IHRE SCHMUCK-G ALERIE IN DÜS- aus Sicht der Verhaltensökonomie sei jedoch sei nun mal moralisch falsch. auf das Gegenteil hoffen. Oder besser noch: vielleicht SELDORF. FÜR SIE BEDEUTET REICHTUM, MÖGLICHST FREI UND MIT EINER GEWISSEN FINAN- ZIELLEN ABSICHERUNG LEBEN ZU KÖNNEN. AUS IHRER SICHT WÄRE DIE WELT REICHER kaum Besserung in Sicht. »Es ist zu einfach, sich sogar selbst dazu beitragen. OHNE RASSISMUS, SEXISMUS, DUMMHEIT UND WENN DAS STÄNDIGE STREBEN NACH falsch zu verhalten und trotzdem gut dazu … zu wirkmächtigen Ausreden WACHSTUM ENDLICH AUFHÖRTE. IHRE GEGENFRAGE AN UNS: »WARUM SIND WIR NICHT stehen.« Und wer richtig handelt, kann nicht Das wissen wir allerdings (meistens) selbst – und han- GELD ODER LEBEN? ZUFRIEDEN?« f W WW.GALERIE-STEINREICH.DE mit unmittelbarem Lohn oder direktem Nutzen deln trotzdem anders. Dabei helfen uns unter anderem Wie wirkt es sich auf unsere individuellen moralischen rechnen. zwei einfache Kniffe, die wir schon als Kinder gelernt Maßstäbe aus, wenn wir mit anderen am Markt inter- haben: auf andere zeigen oder einfach »stimmt doch agieren, wenn wir unsere persönlichen (Konsum-) Wün- Richtig heißt nicht glücklich gar nicht« sagen. Die meisten von uns, so Armin Falk, sche verfolgen? Diese Frage hat Armin Falk bereits 20133 Gegen die Erwartung verantwortungsbewussten Ver- kooperieren nur dann, wenn die Menschen in ihrem zusammen mit seiner Kollegin Nora Szech untersucht. haltens spricht zum Beispiel dieses Untersuchungser- Umfeld das ebenfalls tun. Sonst wäre man ja »der In einem mehrteiligen Experiment stellten sie die Teil- FOTO: BRIQ gebnis »Nehmen macht glücklicher als geben«. In einer Dumme«. In diese Kategorie gehört auch der Ruf nach nehmer vor die Wahl, … wir einander besser zuhören und uns die Studie haben Armin Falk und sein Kollege Thomas einer internationalen Lösung: Bevor die nicht gefun- entweder Geld zu erhalten und die Tötung einer jun- Mühe machen würden, die Argumente anderer Graeber herausgefunden, dass Geld zu bekommen auf den ist, brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Alter- gen und gesunden, aber überzähligen Labormaus für einen Moment ernsthaft zu bedenken. lange Sicht zufriedener macht, als etwa das Leben eines nativ behaupten wir, unser Verhalten überhaupt nicht zu akzeptieren oder anderen Menschen zu retten. Die Teilnehmer konnten ändern zu müssen – schließlich sei der Klimawandel das Leben der Maus zu retten und kein Geld zu DR. JUDITH WOLF WEISS ALS AKADEMIEDIREKTORIN DER KATHOLISCHEN AKADEMIE DIE WOLFSBURG IN MÜLHEIM AN DER RUHR UM DEN STEL- in einer Lotterie entweder 100 Euro gewinnen oder wissenschaftlich nicht bewiesen. Oder wir erlauben uns bekommen. LENWERT DES ZUHÖRENS. FÜR SIE IST ZUHÖREN AUSDRUCK VON GEDULD, 350 Euro an eine Hilfsorganisation überweisen. Zu spen- den Kauf eines SUV, weil es mit »sauberem Diesel« Die entsprechende Entscheidung trafen sie in einem OFFENHEIT UND RESPEKT UND DAMIT GRUNDLAGE JEDES KONSTRUKTIVEN AUSTAUSCHS. DAS GILT INSBESONDERE FÜR IHRE KERNTHEMEN MEDIZIN- den, so Falk, hebe zwar vorübergehend die Stimmung, fährt. Armin Falk hat dazu eine klare Haltung: »Ein SUV ersten Szenario individuell; in zwei weiteren handelten ETHIK, ETHIK IM GESUNDHEITSWESEN UND DIE CHRISTLICHE SOZIALETHIK doch schon vier Wochen später waren jene glücklicher, zu fahren ist, wie in einen Bach zu pinkeln, aus dem sie als Käufer oder Verkäufer in einem bi- oder multilate- IM HINBLICK AUF SOZIALSTAAT, BILDUNG UND INTEGRATION. die Geld gewonnen hatten. Mit dieser Erkenntnis wider- flussabwärts getrunken wird.« Dennoch wirkt der »sau- ralen Marktgeschehen. Schon bei der Einzelentscheidung f W WW.DIE-WOLFSBURG.DE FOTO: MAIC SCHULTE sprechen die Forscher der in Wissenschaft und Gesell- bere Diesel« – genauso wie viele weitere Geschichten, waren 45,9 Prozent bereit, die Maus für 10 Euro töten schaft vorherrschenden Meinung, altruistisches Han- die uns entlasten und verantwortungsloses Verhalten zu lassen. Agierten sie am Markt, stieg dieser Anteil auf deln führe zu einem zufriedeneren Leben. »Wir waren rechtfertigen sollen. 72,2 bzw. 75,9 Prozent, wobei die Teilnehmenden dafür ehrlich gesagt auch überrascht«, fasst Armin Falk zu- 10 Euro oder weniger, das bedeutet durchschnittlich sammen. Die Konsequenz: »Nur auf das Glück zu hof- Kann Kant helfen? 5,1 Euro erhielten. Menschen scheinen also »ihre mora- fen, nur auf die Zufriedenheit, scheint eben nicht aus- Wie wähle ich »einen Konsumweg, von dem ich wol- lischen Maßstäbe zu ignorieren, wenn sie als Marktteil- … alle Menschen wüssten, dass Geld nur reichend zu sein.« len kann, dass ihn 7,5 Milliarden Menschen auch wäh- nehmer handeln, die billigsten elektronischen, Mode- einen kleinen Teil ausmacht, um wirklich len«? Das ist für Armin Falk – frei nach Immanuel Kant oder Lebensmittelwaren suchen und kaufen und dabei reich zu sein. Vom Kooperationsdilemma … – die moralisch relevante Frage. Doch obwohl viele bewusst oder unbewusst die unerwünschten negativen Wie bringen wir uns selbst und andere dazu, füreinan- Antworten darauf längst bekannt sind, braucht es of- Folgen verursachen, die sie im Allgemeinen ablehnen.«4 AXEL WEBER HAT ALS ABTEILUNGSLEITER PUBLIC AFFAIRS/KOMMUNI- KATION/RESPONSIBLE GAMING BEI WESTLOTTO EINEN GANZ BESONDE- der und für unseren Lebensraum einzutreten, für das fenbar konkrete Anreize, damit sich Staaten, Unter- REN BLICK AUF REICHTUM. NEBEN SEINER ZITIERTEN PERSÖNLICHEN 1 » ICH UND DAS KLIMA« IN: DIE ZEIT, N° 48, VOM 21.11.2019 Gemeinwohl kooperativ zu handeln? Und zahlt sich nehmen und wir als Individuen danach richten. Ein 2 » MEHR ALS GEWINN – WIE FINDEN WIR EIN NEUES WERTE EINSTELLUNG WEISS ER, DASS VIELE SOGENANNTE LOTTO-HOCHGEWIN- NER NICHT SELTEN GROSSZÜGIGE SPENDEN VON IHREM GEWINN TÄTIGEN. ein solches Verhalten für uns auch spürbar aus? Mit Weg besteht zum Beispiel darin, den CO2-Ausstoß zu SYSTEM FÜR EINE GLOBALISIERTE WIRTSCHAFT?« DISKUSSIONS- BEI UMFRAGEN STEHT NACH ALTERSVORSORGE UND FAMILIENABSICHE- RUNDE MIT ARMIN FALK IM DEUTSCHLANDFUNK, ZEITFORUM dieser Frage sind wir bei einem zentralen Problem, das bepreisen. Wie teuer er sein sollte, müsste sich Armin WISSENSCHAFT, AM 28.05.2021 RUNG AN DRITTER STELLE DAS FINANZIELLE ENGAGEMENT IM NAHEN SOZIALEN UMFELD – ETWA IM EIGENEN STADTTEIL –, DAS MAN AM EIGE- Armin Falk das Kooperationsdilemma nennt. Am Bei- Falk zufolge danach richten, ab wann wir damit eine 3 A RMIN FALK UND NORA SZECH: »MORALS AND MARKETS«. NEN GLÜCK TEILHABEN LASSEN MÖCHTE. FOTO: WESTLOTTO IN: SCIENCE, VOL 340, 10 MAY 2013. spiel der Klimakrise erklärt er: »Meine Handlungen Verhaltensänderung erreichen.2 Eine weitere Chance 4 F LORIAN RÖTZER: »MÄRKTE SCHWÄCHEN MORAL«. f W WW.WESTLOTTO.DE kosten mich etwas, doch ihr ›Klima-Nutzen‹ ist für mich liege in der Entwicklung sozialer Normen – analog zu IN: TELEPOLIS, 18. MAI 2013.
12 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 13 Wenn ich einmal reich wär, dann … REICHTUM IST IN UNS SELBST … würde ich mir den Satz von Gertrud von le Fort zum Leitmotiv nehmen: ›Von allem, was ich besaß, blieb mir nur das Verschenkte‹. Achtsamkeitstrainerin ELKE SCHEFFER hat genüber. Etwa das Prinzip der Selbstfürsorge und des stresst« oder, in Verbindung mit anderen Menschen, von Berufs wegen einen anderen Blick auf Reich- Bewusstseins. »Geld können wir vermehren«, erläutert »Ich habe noch Fragen« statt »Ich bin nicht über- FÜR DR. MARGOT KÄSSMANN BEDEUTET REICHTUM, BESCHENKT ZU SEIN MIT KINDERN UND ENKELKINDERN, FREUNDINNEN UND FREUN- tum. Sie begleitet Menschen auf ihrem Weg zu Elke Scheffer, »Zeit nicht, sie ist.« Steve Jobs sagt man zeugt«, »Ich werde es ansprechen« statt »Ich werde DEN, DENN IHR LEBEN IST REICH AN WUNDERBAREN BEZIEHUNGEN. einem veränderten Bewusstsein, und das hängt in diesem Zusammenhang folgende Aussage nach: mich beschweren« oder »Ich werde sie mit meiner IHRE VORSTELLUNG EINER REICHEN WELT: SO TEILEN, DASS ALLE MEN- SCHEN NAHRUNG, OBDACH, ARBEIT, GESUNDHEITSVERSORGUNG UND nicht selten an der Erkenntnis, dass die wahren »Deine Zeit ist begrenzt. Verschwende sie nicht damit, Freude anstecken« statt »Ich muss sie überzeugen«. BILDUNGS Z UGANG FÜR SICH UND IHRE KINDER HABEN. Schätze nicht im Materiellen liegen. das Leben eines Anderen zu leben. Lass nicht zu, dass Die kleinen »Einfach-so-Momente« sind in unseren f W WW.MARGOTKAESSMANN.DE FOTO: JULIA BAUMGART PHOTOGRAPHY der Lärm anderer Menschen deine eigene innere Stim- durchgeplanten Tagen zur Rarität geworden. Doch Im Gespräch mit ihr ist schnell deutlich geworden, dass me übertönt. Hab den Mut, deinem Herzen und deiner sind es genau diese absichtslosen Momente, die Wenn ich einmal reich wär, dann … Reichtum im Achtsamkeitssinn viele Facetten haben Intuition zu folgen.« Und ist es nicht tatsächlich so, einen neuen Blickwinkel geben – das kann ein Blick kann, die stets im Menschen selbst, seiner Einstellung, dass die Reichtümer, die wir anhäufen, gar nicht so aus dem Fenster sein oder ein Moment auf einer seiner Haltung und seiner Bereitschaft zur Verände- sehr uns selbst bereichern, sondern vielmehr als Sta- Bank oder in einem Café. rung zu finden sind. »Ich staune oft, über wie viel Geld tussymbol herhalten? Innerer Reichtum ist ein Lebensgefühl. Klavierspielen … würde ich eine Stiftung für Menschen- Menschen verfügen und dennoch vom Gefühl beglei- tet sind, nicht genug zu haben«, erzählt Elke Scheffer. Reichtum ist das, was mich bereichert. lernt niemand über das Lesen eines Buches, sondern würde gründen. »Diese Menschen sind doch im Grunde arm. Hingegen Dieser Aussage kann man schnell zustimmen. Doch indem er übt, Tasten verfehlt und sich dabei freundlich ARNO KÖSTER BETREUT ALS JOURNALIST UND PR-BERATER DIE UDO- LINDENBERG-STIFTUNG UND DIE WIR – WATER IS RIGHT FOUNDATION. kann auch ein armer Mensch reich sein, wenn er bei Elke Scheffer lädt dazu ein, sich einen Moment lang zu zulächelt. ER IST VIEL IN AFRIKA UNTERWEGS UND WEISS: DIE WELT WÄRE REI- FOTO: PRIVAT sich ist.« Das ist nicht selten ein weiter Weg, der je- überlegen, wie weit das auf den eigenen Reichtum Achtsamkeit zu kultivieren bringt eine Menge Vor- CHER, WENN ES KEINE KRIEGE UND DIKTATUREN MEHR GÄBE. FÜR IHN PERSÖNLICH BEDEUTET REICHTUM, ZWEI WUNDERBARE UND VOR ALLEM doch eine interessante Begegnung bereithält, nämlich auch tatsächlich zutrifft. Sie gibt hier Impulse für die teile und eignet sich für Einzelpersonen ebenso wie für GESUNDE KINDER ZU HABEN. die mit sich selbst und den eigenen Denkmustern. Bewertung von Lebenssituationen und vielleicht auch Gruppen, und in Unternehmen geht sie im besten Fall f W WW.EASTTOOLSMEDIA.DE Doch ganz gleich, über wen oder welche Lebensein- ein Umdenken in Sachen Reichtum: von den Führungskräften aus. Bei Elke Scheffer, die Oeco FOTO: TINE ACKE stellung sie spricht, bei Elke Scheffer zeigen sich nie Es ist bekannt, dass der Stand-by-Modus Ressour- trophologie studiert hat, kann das Coaching zudem um Reichtum bedeutet für mich … Zynismus oder eine belehrende Haltung. Auch ist ihr cen verschwendet. Fragen Sie sich: Wie viel Zeit am eine Ernährungsberatung und ein Bewegungskonzept bewusst, dass für viele Menschen eine wirtschaftliche Tag bin ich über Handy, Mails oder Fernsehen auf ergänzt werden. Dass ein Besuch bei ihr das Leben er- Absicherung, eine angemessene Wohnsituation und Empfang? Und wann darf ich einfach nur sein? heblich bereichern kann, zeigte sich schon im Inter- Zugang zu optimaler Gesundheitsversorgung die Grund- Eines der zehn Gebote heißt »Liebe Deinen Nächs- view: Allein die Perspektive auf einen anderen Um- lagen für ein zufriedenes Leben sind. ten wie Dich selbst.«: Wie oft am Tag sind Sie gang mit den Anforderungen des Arbeitsalltags fühlte … in erster Linie Gesundheit. Die Welt wäre freundlich mit sich selbst – und wie oft gegenüber sich an wie Entschleunigung. zudem reicher, wenn Menschen herzlicher Reich ist man, wenn man ist. anderen? Stimmt die Bilanz? zueinander wären. Vielleicht muss man diesen Satz zweimal lesen, um Das Gefühl »Ich habe nicht genug« oder »Ich PASCAL KENNT SICH MIT DEM FEHLEN VON REICHTUM UND SICHER seinen Sinn zu verstehen. Und wie in der Einleitung bräuchte jetzt …« schafft meist den Impuls, im ACHTSAMKEIT BEREICHERT, WEIL … AUCH MIT MANGELNDER HERZLICHKEIT AUS, DENN DER 31-JÄHRIGE IST WOHNUNGSLOS. ER BESUCHT IN ESSEN REGELMÄSSIG DEN TAGESAUF- erwähnt, kann man ihm trotz aller Erkenntnis aus einer Außen nach dem Fehlenden zu suchen. Spüren Sie … sie Ruhepausen schafft ENTHALT – EINER KOOPERATION VON DIAKONIEWERK, CARITASVERBAND Wohlstandssituation heraus vermutlich leichter zu- nach innen: Wie bin ich gerade hier, wie ist meine … sie unsere Werte herausarbeitet und, wenn hilf- FÜR DIE STADT ESSEN UND STADT ESSEN. HIER KANN ER SICH IN GESCHÜTZ- TER UND MEIST AUCH HERZLICHER ATMOSPHÄRE AUFHALTEN UND ZUR stimmen, als wenn man täglich um sein Auskommen äußere Haltung, wie meine innere Haltung? Fragen reich, durch andere ersetzt RUHE KOMMEN. bangen muss. Dennoch, wir haben uns vom Sein zu- Sie sich: Was würde mir jetzt – in diesem Moment – … sie uns hilft, Situationen aus einem neuen Blick- f W WW.CARITAS-E.DE FOTO: BAHNHOFSMISSION gunsten des Scheins (im doppelten Wortsinn) entfernt. guttun? Manchmal braucht es nur ein tiefes Durch- winkel heraus zu bewerten »Das war nicht immer so, denn bis ins späte Mittelalter atmen oder ein paar Schritte zu gehen. … sie Entspannung, auch in schwierigen Situationen, galt Müßiggang als der eigentliche Sinn des Lebens«, Viele Menschen schauen eher auf das, was sie verbessert und gleichzeitig die Konzentrations- weiß die MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction)- haben. Doch füllt das aus? Halten Sie am Abend fähigkeit erhöht LITERATURTIPP: Trainerin. »Damals hieß es noch ›Reich ist nicht haben, einen Moment inne und überlegen Sie, was Sie … sie körperliche und psychische Stresssymptome EIN REISEFÜHRER INS sondern sein‹. Erst im Laufe der Zeit traten an die Stelle heute bereichert hat (z.B. eine Begegnung, ein anhaltend vermindert GENUSSREICH des Seins die Arbeit mit ihrer Anerkennung und ihren Lächeln, eine kleine Weile in der Natur). … sie die Selbstwahrnehmung und Selbstwirksam- Erfolgen, der gesellschaftliche Stand und das damit Die Wahl der Worte kann die innere Haltung ver- keit erhöht verbundene Selbstbewusstsein.« Die Lehre von der ändern: Probieren Sie aus, wie es ist zu sagen »es … sie Lebensfreude, Vitalität und Wohlbefinden Achtsamkeit stellt diesem System andere Werte ge- ist gerade anstrengend/stressig« statt »ich bin ge- fördert f www.elke-scheffer.de
14 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 15 STANDPUNKT »Abgeschotteter Reichtum ohne Sozialengagement ist aus meiner Sicht Nährboden für Größenwahn.« KEIN REICHTUM Während Multimilliardäre ihren Wettkampf ums Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt Manches war früher besser All ausfechten, will Präsident Joe Biden die »Geben ist seliger denn Nehmen«, heißt es in der Unternehmerdynastien vergangener Zeiten haben sich für das Allgemeinwohl Höchststeuerquote anheben. Schließlich sollen Apostelgeschichte. Und angesichts der weltweiten eingesetzt. Zu nennen sind hier die Unfallkassen der Textilfabriken Ende des Branson, Bezos, Musk & Co. viele Jahre ihre Ein- Verteilung sollten wir dieses Prinzip wieder mehr 19. Jahrhunderts. In der fortschreitenden Industrialisierung haben sie dafür ge- OHNE kommenssteuer lediglich im einstelligen Pro- beherzigen. Das Vermögen der Weltbevölkerung ist sorgt, dass Arbeiterinnen und Arbeiter nicht mittellos waren, denn meist folgte zentbereich bezahlt haben. so ungleich verteilt, dass einige wenige alle Optio- auf einen Betriebsunfall die Kündigung. Es scheint, als wären wir zur Kaiserzeit nen auskosten, während andere ihre Kinder nicht vor 150 Jahren schon deutlich weiter mit unserer Verantwortung gewesen als »Eigentum verpflichtet«, heißt es im Artikel 14 des ernähren können und den Hungertod sterben. Das heute angesichts der Zustände in Fabriken in Bangladesch, die ausschließlich VERANT- Grundgesetzes. »Sein Gebrauch soll zugleich dem ist zutiefst ungerecht und unmoralisch. Ein Welt- den Westen beliefern. Auch die Familie Krupp übernahm Sozialverantwortung, Wohle der Allgemeinheit dienen.« Doch liegt sozia- raumflug ist bei Branson ab 250.000 US-Dollar zu zum Beispiel mit ihren Wohnsiedlungen. Sicher erfolgte dies alles nicht ganz un- les Engagement derzeit eher in der Entscheidung haben, wie hoch die Forschungskosten bis dahin eigennützig, aber zufriedene und gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter WORTUNG des Einzelnen. Kann man denn überhaupt erwarten, waren, bleibt wohl sein Geheimnis. Rund zehn Pro- kommen nicht nur den Unternehmen, sondern der ganzen Gesellschaft zugute. dass jemand, der durch Erbschaft, Glück oder eine zent der Weltbevölkerung lebt in extremer Armut, Abgeschotteter Reichtum ohne Sozialengagement hingegen ist aus meiner Sicht Menge Arbeit Vermögen angesammelt hat, die So- also von weniger als 1,90 US-Dollar am Tag. Zehn Nährboden für Größenwahn. Wir brauchen Bildung, Gesundheit und soziale zialgemeinschaft finanziell unterstützt? Ich meine, Prozent – das mag überschaubar erscheinen, aber Sicherung für alle, sozial und ökologisch gerechte Wirtschaftssysteme und Unter- ja. Aber das bleibt bisher eben eine moralische Ver- fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Armut, nehmen, die demokratisch und gemeinwohlorientiert arbeiten. Das geht meiner pflichtung. Bei uns ist selbstverständlich, dass man also von 5,50 US-Dollar am Tag, und das ergibt ein Meinung nach nicht nach dem Goodwill-Prinzip, sondern nur über ein regulato- sich mit seiner Leistungsfähigkeit über einkommens- anderes Bild. Zum Vergleich: Eine Schulpatenschaft, risches Prinzip, das man vielleicht unter dem Aspekt einer Solidaritätssteuer den- abhängige Steuerabgaben an der Finanzierung von etwa für unser BIB-Patenkind in Guatemala, kostet ken kann. Denn sonst wird es so bleiben, wie es ist: Die einen haben alles, die Staatsaufgaben beteiligt. Vermögensabhängige Fak- rund 60 Euro inklusive Internet-Anschluss. Mir ist anderen nichts. Darüber hinaus sollte sich jeder, und da nehme ich mich nicht toren wie Kapital und Grundbesitz bleiben dabei bewusst, dass wir auf der Welt immer mit gewissen aus, der mehr zum Leben hat, als er braucht, dessen bewusst sein und etwas jedoch kaum beachtet. Was daraus resultiert, ist ein Ungleichheiten werden auskommen müssen, und weitergeben – über ein gerechtes Steuersystem, über darüberhinausgehende Steuersystem, das in erster Linie auf dem Faktor Armut ist in der weltweiten Betrachtung relativ. Es Zuwendungen und vor allem über bewussten Konsum nach dem Fairtrade-Prin- Arbeit gründet; derjenige, der ein Millionenvermö- geht mir auch nicht nur um die immerhin über 2.000 zip, der nicht auf Kosten anderer erfolgt. Nur so können wir die extreme Un- gen erbt, zu dem er nichts beigetragen hat, wird Milliardäre, die über mehr Vermögen als 60 Prozent gleichheit dieser Welt überwinden. wenig belangt. Der beste Weg zu einem gerechten der Weltbevölkerung verfügen.* Jedoch kann man Ausgleich wäre demnach eine Steuerpflicht, die ver- schon auch ihren Vermögenseinsatz infrage stellen, mögende Personen stärker zur Kasse bittet als weni- zumal die weltweiten Auswirkungen der Pandemie ger betuchte und Schlupflöcher verhindert. noch längst nicht abzusehen sind. Was hingegen si- cher ist: Sie wird die Armut weiter verstärken. *https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/themen/ soziale-ungleichheit
16 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 17 GEISTLICHER IMPULS STIFTUNGEN BECKER/CORDES-STIFTUNG IST REICHTUM REICHTUM GEGEN UNMORALISCH? ARMUT INS FELD FÜHREN FOTOS:BECKER/CORDES-STIFTUNG Nach dem Exodus aus der Knechtschaft Ägyptens war das Ideal des frühjüdischen Staates eine Gesellschaft ohne krasse soziale Unterschiede (Dtn 15,4). Dazu wurde der Boden beim Einzug ins gelobte Land unter den Familien durch ein Losverfahren gerecht verteilt. Ein Vorbild-Modell? Wirtschaftsethische Vorschriften, wie Zinsverbote, Schul- das Vermögen der besonders Reichen in Deutschland dennachlass im siebten Jahr, Rückverteilung des Bodens wie weltweit gestiegen. Reichtum beginnt dort, wo alle 50 Jahre im Jubeljahr, sollten gewährleisten, dass man, ohne arbeiten zu müssen, allein von den Erträgen keine starken sozialen Unterschiede entstehen. Tatsäch- des Vermögens überdurchschnittlich gut leben kann. lich traten aber solche Unterschiede im Laufe der Zeit In sozialethischer Hinsicht muss man zwischen Begrenzte Mittel in einem überschaubaren nachhaltige Landwirtschaft engagiert. Auf Anregung der Stiftung wurde zusätzlich immer wieder auf. Dies wird von der prophetischen Reichtumserwerb und Reichtumsverwendung unter- Rahmen für sehr konkrete Vorhaben einsetzen, »A Chance for Girls« zur Überwindung der Missachtung von Mädchen und Frauen Sozialkritik, etwa durch Amos, angeklagt. Wohlstand scheiden. Wenn man in rechtsstaatlichen Demokratien um wirklich etwas zu bewegen: So lässt sich entwickelt. Speziell geschulte lokale Kräfte fördern etwa mit Willkommenspaketen wird aber im alttestamentlichen Kontext anerkannt unter marktwirtschaftlichen Bedingungen selbst sehr die Vorgehensweise der Becker/Cordes-Stiftung eine positivere Haltung gegenüber neugeborenen Mädchen und setzen Bildungs- und durchaus als ein Segen Gottes, der über dem reich werden will, muss man Innovationen hervorbrin- zusammenfassen, die Projekte aus dem Bereich maßnahmen um. Die Arbeit ist immer dorfbezogen und verbreitet sich regional nach Menschen liegt, gedeutet (Hiob 42,10-12). gen, welche die Nachfrage von möglichst vielen Men- der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. dem Schneeballprinzip. JOACHIM WIEMEYER Im Neuen Testament behandeln Perikopen, die sich schen gewinnen. Reichtumserwerb durch Ausübung wirt- IST PROFESSOR FÜR CHRISTLICHE GESELLSCHAFTSLEHRE AN DER besonders im Lukasevangelium finden lassen, die schaftlicher Macht gegen Konkurrenten, Täuschung Wege aus der Armut bahnen Projekte, die ans Herz wachsen KATH.-THEOL. FAKULTÄT DER »Arm-Reich-Problematik«. Ein zentrales Motiv der Ver- der Konsumenten, Steuerhinterziehung, Ausbeutung von Reichtum bedeutet auch Verpflichtung. Aus dieser Über- Mit der Stiftung haben die Geschwister Cordes vielfältige Aufgaben übernommen. RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM kündigung Jesu ist, dass es Menschen, die ihr Herz an Natur und Arbeitskräften ist unredlich. Da wirtschaft- zeugung gründeten Dr. Werner Cordes (†) und seine Ehrenamtlich und nebenberuflich, nach Bedarf beraten von einem sechsköpfigen Ku- ihren Reichtum hängen, schwerfallen wird, das Reich licher Erfolg von gesellschaftlichen Voraussetzungen wie Frau Roswitha Cordes, geb. Becker, 1989 eine Stiftung, ratorium. Wie die personellen sind auch die finanziellen Ressourcen begrenzt, denn Gottes zu erlangen. Dies machen die Erzählungen vom Bildung, Infrastruktur, dem Rechtsstaat oder allgemei- die sie 2017 an ihre Kinder Tillmann und Dr. Hiltrud das Stiftungskapital muss erhalten bleiben. »Wir arbeiten mit den Kapitalerträgen reichen Jüngling (Lk 18,18-30) oder vom reichen Korn- nem Wohlstand abhängt und in der Regel gemeinsam Cordes weitergaben. Ziel war und ist es, Menschen in und zusätzlichen Spenden«, so Dr. Cordes. Entsprechend klein ist die Zahl der Projek- bauern (Lk 12,16-20) deutlich. Die Zuwendung zu in Unternehmen erarbeitet wird, ist eine gesellschaft- Ländern der sogenannten Dritten Welt Zugänge zu te, die Zusammenarbeit dafür langfristig und unbürokratisch. »Viele von ihnen sind Jesus – so die Erzählung vom Zöllner Zachäus (LK 19, liche Teilhabe, etwa über Steuern und der an der Wert- eigenständigem Einkommenserwerb und finanzieller uns über die Jahre ans Herz gewachsen.« Anstelle immer neuer Vorhaben setzt das 1-10) – setzt voraus, dass man sich von ungerechtem schöpfung beteiligten Beschäftigten geboten. Unabhängigkeit zu eröffnen. Im Fokus stehen Familien Team auf Kontinuität und Vertrauen und freut sich über greifbare Ergebnisse. »Wir Reichtum trennt. Nach der Apostelgeschichte legten Bei der Verwendung von Reichtum ist nicht in ers- planung, Bildung und Ausbildung; räumlich konzen beackern zwar nur kleinste Ausschnitte der Weltkarte. Aber hier sehen wir konkrete die ersten Christen ihr Vermögen (Apg 2,43-47) zu- ter Linie an eine moralische Pflicht zum Spenden zu triert sich die Stiftung auf Indien und Afrika. Förderun- Verbesserungen und sind auch dabei, wenn ohne Erfolgsgarantie etwas Neues aus- sammen, um daraus allen nach ihren Bedürfnissen zu- denken, sondern auf das Kerngeschäft eines Unterneh- gen gehen direkt an Projektträger vor Ort oder erfolgen probiert werden soll.« Und vielleicht können sie »ihre Projekte« – wie vor Corona zuteilen. Diese Gütergemeinschaft lebt in den Orden, mens zu fokussieren. Wie können etwa neue und bes- über erfahrene Kooperationspartner in Deutschland. Und geplant – bald einmal vor Ort besuchen. in denen sich die Mitglieder zu persönlicher Armut ver- sere Arbeitsplätze, zum Beispiel auch unter Risiken in selbst das Stiftungsvermögen arbeitet für den guten pflichten, fort. ärmeren Ländern und Regionen wie Afrika, sowie die Zweck – als Beteiligung an einem Mikrofinanzfonds Angeregt durch das ökumenische Sozialwort der Erforschung von Innovationen für mehr Nachhaltigkeit der BIB – Bank im Bistum Essen. Gemeinsam mit ihrem Bruder Tillmann Cordes repräsentiert EKD und der deutschen Bischofskonferenz 1997 legt gefördert werden? Wer kein Unternehmen unmittelbar Dr. Hiltrud Cordes den geschäftsführenden Vorstand der die Bundesregierung alle vier Jahre einen Armuts- und leitet, sollte bei den Finanzinvestitionen nach dem ge- A Chance for Girls Becker/Cordes-Stiftung. Reichtumsbericht vor (siehe auch Seite 5). In der Corona- sellschaftlichen Nutzen und Vorteilen statt allein nach Das älteste und größte Projekt der Stiftung nutzt Erfah- Krise ist – trotz des Wirtschaftseinbruchs – vor allem der Rendite fragen. rungen und partizipatorische Verfahren ihres Partners Nähere Informationen zu Geschichte, Projekten WOTR (Watershed Organisation Trust), der sich in der und Unterstützungsmöglichkeiten unter indischen Region Maharasthra in und mit Dorfgemein- schaften für eine Revitalisierung der Natur und eine f w ww.becker-cordes-stiftung.org
18 B IB FA I R B A N K I N G / / 0 2 .2 021 B I B FA IR B A N K IN G // 0 2 . 2 0 2 1 19 MIKROFINANZIERUNG MIKROFINANZIERUNG MACHT AUF VERSCHIEDENE ARTEN REICH MARTIN KREYSERN BEIM BESUCH VON ENDKUNDEN IN HONDURAS MARKUS CHRIST MIT ENDKUNDEN IN KAMBODSCHA In unserer Auslandsabteilung steht ein Generationswechsel bevor. Im nächsten März übernimmt Martin Kreysern die Abteilungsleitung, »Reichtum bedeutet für mich, wenn ich morgens vor der Arbeit nicht lange darüber »Die Welt wäre reicher, wenn wir ent- Markus Christ wird sein Stellvertreter. nachdenken muss, warum ich das tue, was ich tue.« Wenn Michael P. Sommer, schlossener die globale soziale Ungleich- Abteilungsleiter Ausland bei der BIB, so seine Gastvorträge eröffnet, wissen die heit bekämpfen würden – und die Klima- Martin Kreysern begann seine Auslandserfahrungen mit einem Schüleraus- Studentinnen und Studenten gleich, was das Thema Mikrofinanzierung so einzig- krise am besten gleich mit.« tausch in den USA und ging zum Freiwilligendienst nach Indien. An der Frankfurt artig macht. School of Finance & Management absolvierte er sein BWL-Bachelorstudium und seinen Master in Development Finance mit Auslandsaufenthalten in Kolumbien, Viele Menschen können sich ihren Job nicht aussuchen Ethik und Rendite gehören bei der BIB zusammen Martin Kreysern hat sich schon früh für interkultu- Costa Rica und Nigeria. Seit 2011 arbeitet er in der BIB-Auslandsabteilung. und müssen mit ihrer Arbeit, teils unter schlechten Be- Das Beispiel macht deutlich, dass es bei der Mikrofinan- relle Themen und den internationalen Austausch inter- dingungen, schlicht ihr Überleben sichern. Doch ist zierung nicht um den großen Reichtum geht und der essiert und war längere Zeit in den USA, in Indien, Markus Christ lebte längere Zeit in Spanien, England und Indien und studierte auch bekannt, dass die Höhe des Einkommens nicht größte Gewinn vielmehr die Teilhabe und ein gestei- Kolumbien, Costa Rica und Nigeria. Zur Mikrofinanz Internationales Management. In der BIB-Auslandsabteilung arbeitet er seit 2012 der alles bestimmende Faktor ist. Daher setzt die Entwicklungsfinanzierung auch gertes Selbstwertgefühl ausmacht. »Daher ist die Ar- kam er über seinen Freiwilligendienst in Indien und und verantwortet derzeit die Region Asien. nicht allein bei der Überwindung von Armut an, sondern fördert vielmehr das Prinzip beit bei der BIB im Bereich Mikrofinanz auch beson- sein BWL-Studium. »Die Erfahrungen in Indien mit viel der Teilhabe. Michael P. Sommer kommt hier Juanita aus Mexiko in den Sinn, die er ders sinnstiftend«, erläutert Michael P. Sommer. »Denn Armut, aber auch viel Freude und Begeisterung, haben vor vielen Jahren kennengelernt hat: »Mexiko-Stadt, Wellblechhütte neben einer der anders als andere Kreditinstitute kennen wir unsere meine Prioritäten verschoben«, erzählt er. »Ich suchte großen Ausfallstraßen. Hier lebt Juanita mit ihren vier Kindern. Ihr Mann ist umge- Partner vor Ort, stehen mit ihnen in engem, auch per- eine Verbindung zwischen internationaler Zusammen- »Die Welt wäre reicher, wenn sich kein Mensch auf dieser Welt kommen, die Kinder gehen nicht zur Schule, sie hält sich mit Gelegenheitsarbeiten sönlichem, Kontakt und können so ihren Werdegang arbeit und der Finanzwelt, was ich dann für mich in der Sorgen um sein tägliches Überleben machen müsste.« und Lebensmitteln von der Müllhalde über Wasser. Aber sie hat eine Idee, die ihr über lange Zeit verfolgen. In diesem Fall ist der moder- Mikrofinanz fand.« Martin Kreysern hat viel zum The- Leben verändern soll: Sie will Tortillas backen und sie an vorbeikommende Autofahrer ne Begriff des Win-win für mich eine der schönsten ma Entwicklungsfinanzierung gelesen und schon seine verkaufen. Den Kreditsachbearbeiter einer örtlichen Mikrofinanzinstitution interes- Formen von Reichtum. Die Pandemie hat natürlich Bachelor-Arbeit zu Mikrofinanzinvestments geschrie- Für Markus Christ gilt »Wenn ich einmal reich wär, würde ich mehr Projekte zur siert dieses Vorhaben, und nach einem Besuch und Erkundigungen in der Nachbar- auch bei uns zu Einschränkungen bei Auslandseinsät- ben. Der Einstieg in die BIB-Auslandsabteilung mit Verbesserung der Lebenssituation von Kindern unterstützen.« Der Familienvater schaft ist er vollends überzeugt – von der Idee und auch von Juanitas persönlicher zen geführt, doch auch bei den internationalen Kon- berufsbegleitendem Masterstudium lag dann auf der blickt nach mittlerweile zehn Jahren in der BIB-Auslandsabteilung auf einen enor- Zuverlässigkeit. Sie erhält mit 50 US-$ den ersten Kredit ihres Lebens und kann damit takten läuft der Informationsfluss nun über digitale Hand. »In meiner Zeit bei der BIB haben wir bis heute men Reichtum inspirierender Erlebnisse zurück: »Das beginnt bei den unterschied- den Ofen, Kohle und Maismehl kaufen. Seither backt und verkauft sie an der Straße Kanäle kontinuierlich weiter.« über 600 Millionen Euro an Mikrofinanzinstitute aus- lichen klimatischen Eindrücken und Gerüchen, wenn man am Flughafen zum ersten ihre Tortillas. In 16 wöchentlichen Raten hat sie den ersten Kredit zurückgezahlt. Bald Die Mikrofinanzfonds der BIB schaffen also, wie gezahlt«, erläutert er. »Ich habe Kunden in Süd- und Mal Außenluft atmet. In Neu Delhi ist das eine würzige, feuchte, in Ulan Bator eine konnte sie von den zusätzlich erwirtschafteten Sparrücklagen einen zweiten Ofen alle anderen Unternehmensbereiche der Bank auch, Mittelamerika, Osteuropa, Zentralasien, Südostasien trockene, rußige Luft«, erläutert er. Eine gewisse kulinarische Aufgeschlossenheit kaufen und denkt darüber nach, einen kleinen Lebensmittelladen in ihrer armen Ge- eine besondere Form von Bereicherung und leisten ei- und Afrika besucht und gesehen, dass Mikrofinanz kann in diesem Beruf auch nicht schaden. So erinnert sich Markus Christ an philip- gend zu eröffnen. Ihre Kinder gehen mittlerweile zur Schule, werden einen Schulab- nen Dienst an der Gesellschaft – in den Zielländern kein Allheilmittel ist, um Armut zu bekämpfen. Aber sie pinische Blutsuppe, Schweineohren in China oder Hühnerfüße in Kambodscha. Am schluss machen und erhalten eine warme Mahlzeit am Tag. Was für ein Entwicklungs- ebenso wie zu Hause. Oder, wie Michael P. Sommer es ist eine wichtige Stellschraube, um Menschen den Zu- meisten beeindrucken ihn aber immer wieder die Erfolgsgeschichten von Menschen, sprung innerhalb einer Generation! Hier wurde vorhandenes Potenzial mit wenig zusammenfasst: gang zu Krediten, Spareinlagen und Versicherungen zu die von Mut und harter Arbeit erzählen. Etwa die einer Mikrofinanzkundin, die als Mitteln und einem sozial-marktwirtschaftlichen Ansatz nachhaltig erschlossen. Mit gewähren. Das ist für die Kunden unserer Partnerinsti- Mutter von vier Kindern mit einer Nähmaschine startete, mittlerweile 16 Näherinnen nur 50 US-$ war Juanita in der Lage, die Ernährungssituation ihrer Familie zu ver- »Reichtum ist für mich, wenn mein Tun tutionen ein wertvolles Gut. Wir sichern damit die Exis- beschäftigt und auch Großaufträge, z.B. einer lokalen Niederlassung eines deut- bessern, ihren vier Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen, eine Basisgesundheits- einen Sinn hat und für mich und für andere tenz von Menschen über mehrere Generationen – das schen Versicherungskonzerns, bearbeitet. Es bleiben aber auch erschütternde Bilder versorgung zu schaffen, ihre Hütte wetterfest zu machen und sich selbst eine Le- ist aus meiner Sicht eine ganz besondere Form von und Eindrücke: übelriechende Müllberge mitten in der Natur, direkt neben dem Ein- einen Mehrwert schafft.« bensperspektive zu erarbeiten. Juanita wird nicht in unserem Sinne ökonomisch Reichtum.« gang zu Hütten und Häusern vorbeifließende Abwässer, abgemagerte Kinder, die um reich werden. Aber als ich sie traf, war sie stolz darauf, nicht auf Almosen angewie- Geld und Nahrung betteln oder auf Müllbergen spielen. »Diese vielen Lebensreali- sen zu sein, selbst etwas zu leisten und als Geschäftsfrau geachtet zu werden. Ge- täten führen mir immer wieder vor Augen, wie gut es uns geht und lassen mich rade im Bereich Mikrofinanzierung bedarf es manchmal wenig, um ein großes Ziel meine persönliche Lebenssituation mit ihren vermeintlichen Selbstverständlichkei- zu erreichen.« ten stets neu wertschätzen. Reichtum bedeutet daher für mich auch, in meinem Leben Freiheiten zu besitzen und ohne ökonomische Zwänge Dinge tun zu können, die mich erfüllen.«
Sie können auch lesen