Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik - Année politique Suisse

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Ausgewählte Beiträge zur
Schweizer Politik
  Suchabfrage           18.05.2019

  Thema                 Keine Einschränkung
  Schlagworte           Kultur, Medien und Sprachen
  Akteure               Keine Einschränkung
  Prozesstypen          Keine Einschränkung
  Datum                 01.01.1989 - 01.01.2019

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.89 - 01.01.19
Impressum
Herausgeber
Année Politique Suisse
Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
CH-3012 Bern
www.anneepolitique.swiss

Beiträge von
Ackermann, Nadja
Benteli, Marianne
Bernet, Samuel
Bühlmann, Marc
Gerber, Marlène
Giger, Nathalie
Gökce, Melike
Hirter, Hans
Rinderknecht, Matthias

Bevorzugte Zitierweise

Ackermann, Nadja; Benteli, Marianne; Bernet, Samuel; Bühlmann, Marc; Gerber,
Marlène; Giger, Nathalie; Gökce, Melike; Hirter, Hans; Rinderknecht, Matthias 2019.
Ausgewählte Beiträge zur Schweizer Politik: Kultur, Medien und Sprachen, 1989 - 2018.
Bern: Année Politique Suisse, Institut für Politikwissenschaft, Universität Bern.
www.anneepolitique.swiss, abgerufen am 18.05.2019.

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.89 - 01.01.19
Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chronik                                                                    1
    Grundlagen der Staatsordnung                                                      1
        Rechtsordnung                                                                 1
            Strafrecht                                                                1
            Grundrechte                                                               1
        Institutionen und Volksrechte                                                 1
            Bundesverwaltung - Organisation                                           1
    Öffentliche Finanzen                                                              2
            Indirekte Steuern                                                         2
    Bildung, Kultur und Medien                                                        3
        Kultur, Sprache, Kirchen                                                      3
            Kulturpolitik                                                             3
            Kirchen und religionspolitische Fragen                                    8
            Urheberrecht                                                             10
            Archive, Bibliotheken, Museen                                            10
            Sprachen                                                                 10
        Medien                                                                       21
            Radio und Fernsehen                                                      21
            Presse                                                                   22
            Medienpolitische Grundfragen                                             22

Parteien, Verbände und Interessengruppen                                             22
       Verbände                                                                      22
          Kultur, Medien und Sprachen                                                22
          Arbeitnehmer, Gewerkschaften                                               22

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK   01.01.89 - 01.01.19   I
Abkürzungsverzeichnis
UNO              Organisation der Vereinten Nationen
BAK              Bundesamt für Kultur
ETH              Eidgenössische Technische Hochschule
BFS              Bundesamt für Statistik
GPK-NR           Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates
EU               Europäische Union
EDI              Eidgenössisches Departement des Inneren
UNESCO           Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und
                 Kultur
EWR              Europäischer Wirtschaftsraum
SRG              Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft
WAK-NR           Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats
EPFL             Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne
SGDA             Swiss Game Developers Association

ONU              Organisation des Nations unies
OFC              Office fédéral de la culture
EPF              École polytechnique fédérale
OFS              Office fédéral de la statistique
CDG-CN           Commission de gestion du Conseil national
UE               Union européenne
DFI              Département fédéral de l'intérieur
UNESCO           Organisation des Nations unies pour l'education, la science et la culture
EEE              l'Espace économique européen
SSR              Société suisse de radiodiffusion
CER-CN           Commission de l'économie et des redevances du Conseil national
EPFL             École polytechnique fédérale de Lausanne
SGDA             Swiss Game Developers Association

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK            01.01.89 - 01.01.19   II
Allgemeine Chronik
                            Grundlagen der Staatsordnung
                            Rechtsordnung
                            Strafrecht
BUNDESRATSGESCHÄFT          Unmittelbar vor den Verhandlungen im Nationalrat traten allerdings namhafte
DATUM: 23.06.1989
HANS HIRTER
                            Kulturschaffende, Berufsorganisationen der Medienschaffenden und auch die
                            eidgenössische Filmkommission mit ihren Bedenken gegen ein sogenanntes
                            Brutaloverbot an die Öffentlichkeit. Ihrer Meinung nach könnten die neuen
                            Bestimmungen bei restriktiver Auslegung der Gerichte zur Einrichtung einer Zensur in
                            Fragen der Kunst und zur Behinderung der Berichterstattung über tatsächlich
                            ausgeübte Gewalt führen. In der Ratsdebatte wurden zum beantragten Verbot der
                            Herstellung, Verbreitung und des Konsums von brutalen Darstellungen eine Reihe von
                            Abänderungsanträgen vorgebracht. Einerseits wurde verlangt, das Verbot auf
                            Jugendliche zu beschränken, zum andern wurden Präzisierungen des Straftatbestandes
                            resp. eine Ausweitung der erlaubten Ausnahmen gefordert. Zwar herrschte Einigkeit,
                            dass sich die neuen Bestimmungen gegen die Verherrlichung von Gewalt in Videofilmen
                            richten sollten und nicht gegen die künstlerische Freiheit in Text und Bild. Trotzdem
                            drang von den Abänderungsvorschlägen nur derjenige durch, der schriftliche
                            Erzeugnisse explizit aus den neuen Vorschriften ausnimmt. Nachdem die
                            Differenzbereinigung keine Probleme bot, und ein von politisch nicht organisierten
                            Personen aus Genf angekündigtes Referendum nicht zustande kam, konnte das neue
                            Gesetz auf den 1. Januar 1990 in Kraft gesetzt werden. 1

                            Grundrechte
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Wie weit darf Humor gehen? Zu Beginn des Jahres 2014 wurde in den Schweizer Medien
DATUM: 05.01.2014
NADJA ACKERMANN
                            eine moralistisch aufgeladene Humordebatte geführt. Den Auftakt bildeten Italiener-
                            Witze, die der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät (sp) im Rahmen der
                            Kulturreihe „Das Zelt“ zum Besten gab und die ihm eine Anzeige wegen Verletzung der
                            Anti-Rassismus-Strafnorm einhandelten. Es folgten Proteste gegen das Blackfacing von
                            Birgit Steinegger und Äusserungen über den jüdischen Humor durch Massimo Rocchi.
                            Im Zentrum stand jeweils die Frage, wo die Linie zwischen Freiheit von
                            Kulturschaffenden und Rassismus zu ziehen sei. Umstritten waren auch die als
                            antisemitisch eingestuften, aber dennoch restlos ausverkauften Auftritte des Franzosen
                            Dieudonné M’bala M‘bala in Nyon. Der Komiker war in Frankreich mit einem
                            Auftrittsverbot belegt worden. Eine präventive Zensur wurde jedoch von der
                            Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martine Brunschwig
                            Graf, abgelehnt. Die Anti-Rassimus-Strafnorm sei kein Zensurinstrument und führe
                            auch nicht zu einem landesweiten Lachverbot. Zudem belegten die Zahlen keine
                            Zunahme von Klagen gegen Rassismus seit der Einführung der Strafnorm im Jahr 1995. 2

                            Institutionen und Volksrechte
                            Bundesverwaltung - Organisation
MOTION                      Martina Munz (sp, SH) stiess sich am Begriff Expertenkommission und forderte mit einer
DATUM: 15.06.2018
MARC BÜHLMANN
                            Motion geschlechtergerechte Namen für Fachkommissionen. In der Tat könnten – so
                            der Bundesrat in seiner Antwort – «zusammengesetzte Wörter [...], deren erstes Glied
                            eine Personenbezeichnung ist, manchmal als nicht geschlechtergerecht empfunden [...]
                            werden». Es entspreche dem Sprachgesetz und den Empfehlungen des Bundes, dass
                            dies vermieden werden soll. Auch wenn es momentan lediglich vier
                            ausserparlamentarische Kommissionen gebe, die den Titel «Expertenkommission»
                            trügen, empfehle der Bundesrat die Motion zur Annahme und werde die vier erwähnten
                            Gremien anregen, bei nächster Gelegenheit den Namen zu ändern, etwa in den von der
                            Motionärin vorgeschlagenen Begriff «Fachkommission». Die zweite Forderung, nämlich
                            für eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter innerhalb dieser Kommissionen zu
                            sorgen, erachtete die Regierung als bereits erfüllt, da entsprechende Massnahmen
                            schon seit einiger Zeit ergriffen worden seien und auch Früchte trugen.
                            Normalerweise wird eine vom Bundesrat zur Annahme beantragte Motion
                            stillschweigend angenommen. Dies war allerdings hier nicht der Fall, weil der Vorstoss
                            von Natalie Rickli (svp, ZH) bekämpft wurde. Eine Diskussion über das Anliegen muss

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK      01.01.89 - 01.01.19   1
nun also noch stattfinden. 3

                     Öffentliche Finanzen
                     Indirekte Steuern
BUNDESRATSGESCHÄFT   Der Bundesrat hatte dem Parament im Juni 2008 eine Botschaft zur Reform des
DATUM: 12.06.2009
NATHALIE GIGER
                     Mehrwertsteuergesetzes vorgelegt. Diese Vorlage enthält zwei Teile: Teil A beinhaltet
                     den Entwurf eines totalrevidierten Mehrwertsteuergesetzes, das zahlreiche
                     Vereinfachungen vorsieht und generell anwendungsorientierter ist. Mit über 50
                     Einzelmassnahmen sollen die Unternehmen administrativ entlastet werden, die
                     geltenden Steuertarife werden jedoch beibehalten. Hier setzt Teil B der Reform an, der
                     alle Änderungsvorschläge des ersten Teils enthält, jedoch darüber hinaus einen
                     einheitlichen Mehrwertsteuersatz von 6,1% vorschlägt und weiter möglichst viele
                     Ausnahmen abschaffen will. Der Bundesrat strebte die Umsetzung sowohl der in Teil A
                     als auch der in Teil B enthaltenen Reformen an.

                     Die vorberatende Kommission des Nationalrates beschloss zuerst nur Eintreten auf den
                     Teil A der Reform und vertagte den Eintretensentscheid zu Teil B. Sie wollte damit eine
                     möglichst rasche Beschlussfassung bezüglich des Teils A gewährleisten. Der Nationalrat
                     hatte in der Folge über Eintreten auf Teil A der Vorlage zu befinden. Es lagen zwei
                     Anträge auf Rückweisung vor. Ein erster wollte den Bundesrat beauftragen nur eine
                     Teilrevision zu präsentieren und wurde von der SP, nicht aber von der grünen Fraktion
                     unterstützt. Er scheiterte im Parlament deutlich. Auch ein zweiter Rückweisungsantrag
                     von Nationalrat Zisyadis (al, VD), der eine komplette Neugestaltung der Mehrwertsteuer
                     verlangt hatte, wurde klar abgelehnt.

                     In der Detailberatung des Nationalrates war der Sondersatz für Hotellerieleistungen
                     umstritten. Der bundesrätliche Entwurf sah dessen Fortführung vor, die Ratslinke und
                     die Grünen bekämpften diesen Sondersatz. Mit 109 zu 57 Stimmen setzte sich die
                     bürgerliche Ratsmehrheit und Bundesrat Hans-Rudolf Merz durch. In der Frage des
                     Verzichts auf die Befreiung von der Steuerpflicht, eine Regelung, die vor allem bei
                     neugegründeten Firmen angewendet wird und diesen Anspruch auf den Vorsteuerabzug
                     gibt, entschied der Rat nach Vorgabe seiner Kommissionsmehrheit, aber gegen den
                     Bundesrat und die Ratslinke. Er setzte dabei insbesondere durch, dass der Verzicht
                     rückwirkend auf bis zu drei zusammenhängende Steuerperioden ermöglicht werden
                     soll. Die Kommission setzte sich mit ihrem Vorschlag auch bei der Erhöhung der
                     unteren Umsatzgrenze für die Steuerpflicht von gemeinnützigen Institutionen, Sport-
                     und Kulturverbänden von 100'000 auf 300'000 Fr. pro Jahr durch. Dieser Vorschlag
                     wurde diskussionslos angenommen. Mehr zu reden gab die von der Kommission
                     vorgeschlagene Verkürzung der Verjährungsfrist, also jener Frist, innerhalb derer die
                     Steuerverwaltung eine Steuerforderung stellen kann. Die Kommission hatte entgegen
                     dem Entwurf des Bundesrates eine Verkürzung dieser Frist von fünf auf drei Jahre
                     gefordert. Eine links-grüne Minderheit sowie Bundesrat Merz argumentierten, dass eine
                     solche Verkürzung nicht nur zu Steuerausfällen sondern auch zu administrativem
                     Mehraufwand führen werde. Dennoch setzte sich die Kommissionsmehrheit, wenn auch
                     relativ knapp, mit 81 zu 72 Stimmen durch. Eine vorwiegend aus SVP-Vertretern
                     zusammengesetzte Minderheit wollte den Entwurf dahingehend ändern, für
                     Mehrwertsteuerberater, Steuerexperten oder Treuhändler eine Art Berufsgeheimnis
                     einzuführen und sie somit nicht der Auskunfts- und Offenlegungspflicht zu
                     unterstellen. Dieser Antrag setzte sich gegen die Kommissionsmehrheit knapp mit 87 zu
                     86 Stimmen durch, dafür hatte neben der SVP- auch die FDP-Fraktion gestimmt. Die
                     Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 110 zu 59 Stimmen angenommen, die
                     Ratslinke hatte geschlossen dagegen, die bürgerlichen Fraktionen ebenso geschlossen
                     dafür votiert.

                     Im Ständerat war die vom Nationalrat vorgenommene Erhöhung der Umsatzgrenze für
                     die Steuerpflicht von gemeinnützigen Institutionen, Sport- und Kulturverbänden ein
                     erster wichtiger Diskussionspunkt. Die Kommission schlug vor, dem bundesrätlichen
                     Entwurf zu folgen und die Grenze auf 100'000 Fr. zu senken. Felix Gutzwiller (fdp, ZH)
                     argumentierte für eine Beibehaltung der aktuell gültigen Grenze von 150'000 Fr. Der Rat
                     entschied nur mit Stichentscheid seines Präsidenten Berset (sp, FR) mit 23 zu 22 für
                     den Kommissionsvorschlag und damit in Abweichung der Fassung des Nationalrates.
                     Auch im Unterschied zum Nationalrat hielt die kleine Kammer an der vom Bundesrat
                     vorgeschlagenen fünfjährigen Verjährungsfrist fest und wollte diese nicht auf drei Jahre
                     reduzieren. Weiter setzte der Ständerat geänderte Bestimmungen zum Strafrecht der

                     ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   2
Mehrwertsteuer durch und strich das vom Nationalrat neu eingeführte
                            Auskunftsverweigerungsrecht für Steuerberater wieder. Dies vor allem weil die
                            Berufsbezeichnung Steuerberater nicht geschützt ist und somit die Umsetzung dieses
                            Artikels unklar bleiben würde. Unbestritten war im Ständerat auch die Fortführung des
                            Sondersatzes der Mehrwertsteuer auf Hotellerieleistungen. In der Gesamtabstimmung
                            wurde das Gesetz einstimmig bei 4 Enthaltungen angenommen.

                            Im Differenzbereinigungsverfahren passierte im Nationalrat ein von der WAK-NR
                            ausgearbeiteter Kompromiss, die Umsatzlimite von Sport- und Kulturvereinen sowie
                            von gemeinnützigen Organisationen auf dem bereits im bestehenden alten Gesetz
                            festgeschriebenen Betrag von 150'000 Fr. zu belassen. Sonst schloss er sich weitgehend
                            den Beschlüssen des Ständerates an. Der Ständerat übernahm die vom Nationalrat
                            bereinigte Version des Gesetzes ohne Debatte. In der Schlussabstimmung wurde das
                            Gesetz im Ständerat einstimmig, im Nationalrat mit 4 Gegenstimmen gutgeheissen. 4

                            Bildung, Kultur und Medien
                            Kultur, Sprache, Kirchen
                            Kulturpolitik
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   In Zürich wurde zu Beginn des Jahres der Kulturraum Kanzleischulhaus definitiv
DATUM: 30.12.1992
MARIANNE BENTELI
                            geschlossen, nachdem noch an Silvester rund 3000 Personen unter dem Motto "Räume
                            statt Räumung" an einer bewilligten Demonstration in der Zürcher Innenstadt
                            teilgenommen hatten. In der Folge kam es noch zu mehreren unbewilligten
                            Manifestationen, die weniger von ehemaligen "Kanzlisten" denn von "Autonomen"
                            ausgingen. Anfangs Februar genehmigte der Stadtrat (Exekutive) dann ein neues, wieder
                            mehr schulisch ausgerichtetes Nutzungskonzept. Die ehemalige Turnhalle wurde
                            hingegen für die nächsten zwei Jahre für kulturelle Animation freigegeben, was
                            Stadtparlamentarier von CVP, SVP und EVP umgehend auf den Plan rief, welche
                            befürchteten, die linksalternative Szene könne sich so erneut im Kanzlei etablieren. Die
                            auf September angekündigte Neueröffnung der Turnhalle verzögerte sich dann aber
                            über die Jahreswende hinaus. 5

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Eine von der Präsidialabteilung der Stadt Zürich in Auftrag gegebene Studie erbrachte
DATUM: 06.04.1993
MARIANNE BENTELI
                            neues Zahlenmaterial zu den Kulturausgaben der grossen Schweizer Städte und
                            erlaubte auch den internationalen Vergleich mit dem Nachbarland Deutschland.
                            Unterscheidet man in den Stadtkantonen Basel-Stadt und Genf die gesamten
                            Kulturausgaben nach Bildung und eigentlichen Kultursubventionen und wendet den in
                            Zürich praktizierten Verteilschlüssel zwischen Kanton und Stadt an, so stand 1989
                            Zürich mit knapp 87 Mio Fr. Kulturausgaben deutlich an der Spitze der Schweizer Städte
                            vor Basel (62 Mio), Genf (32 Mio), Bern (24 Mio) und St. Gallen (14 Mio). Verglichen mit
                            den grossen deutschen Städten Hamburg (240 Mio), Frankfurt (214 Mio) und München
                            (162 Mio) nimmt sich das kulturelle Engagement der Schweizer Städte relativ bescheiden
                            aus, doch vergleicht man die Ausgaben, die jede Stadt pro Kopf der Einwohnerschaft
                            tätigt, ergibt sich eine ganz andere Rangliste, in welcher nun Basel (368 Fr. pro Kopf) vor
                            Frankfurt (343 Fr.) und Zürich (253 Fr.) führt. Genf, St. Gallen und Bern folgen auf den
                            folgenden Rängen, noch vor Stuttgart, Hamburg und München. Der Anteil der
                            Kulturausgaben an den gesamten städtischen Ausgaben sollte gemäss der Studie auch
                            zeigen, wie hoch die Bedeutung ist, die eine Stadt der Kultur im Vergleich zu anderen
                            Aufgabenbereichen wie Bildung, Gesundheit, Verkehr, soziale Wohlfahrt etc. beimisst.
                            Auch bei dieser Betrachtungsweise schnitten die Schweizer Städte in ihrem Kultureffort
                            nicht schlecht ab. An erster Stelle lag Genf, wo 6,1 % der städtischen Ausgaben auf die
                            Kultur entfallen. In Frankfurt sind es 5,5%, in St. Gallen 4,5% und in Hamburg und Basel
                            4,4%. Zürich und Bern verzeichnen lediglich einen Anteil von 3,5 bzw. 3,1%. 6

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Nach anfänglich zögerlicher Haltung zeigte die Schweiz doch ihre Bereitschaft, im
DATUM: 05.10.1996
MARIANNE BENTELI
                            Jubiläumsjahr 1998 an der Buchmesse Frankfurt als Schwerpunktland Flagge zu zeigen.
                            Mitte März sagte BAK-Direktor Streiff der Frankfurter Messeleitung grundsätzlich zu,
                            allerdings unter dem Vorbehalt, dass sowohl der Bundesrat wie die eidgenössischen
                            Räte dem dafür notwendigen finanziellen Beitrag der Eidgenossenschaft zustimmen.
                            Kurz vor den Sommerferien sprach die Landesregierung einen Kredit von CHF 3 Mio. für
                            die Aktion. Die vorberatenden Kommissionen beider Kammern unterstützten das

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.89 - 01.01.19   3
Projekt ebenfalls deutlich. 7

ANDERES                      Kontroversen um geraubte Kunstgegenstände fanden aber nicht nur zwischen der
DATUM: 09.01.1997
MARIANNE BENTELI
                             Schweiz und dem Ausland statt, sondern auch unter Schweizer Kantonen. Vor allem der
                             Kanton St. Gallen, ehemaliges Untertanengebiet der Eidgenossen, verlangte lautstark die
                             Rückgabe von Kulturgütern, welche ihm zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert
                             entwendet worden waren. Der Zürcher Regierungsrat als Hauptakteur in dieser
                             Angelegenheit weigerte sich, auf diese Rückforderungen einzutreten, worauf St. Gallen
                             rechtliche Schritte erwog. 8

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE    Ende Mai stellte Bundesrätin Dreifuss zusammen mit dem Direktor des Bundesamtes für
DATUM: 31.05.1997
MARIANNE BENTELI
                             Kultur (BAK) sowie den Direktoren der Landesbibliothek und des Landesmuseums an
                             einer Pressekonferenz Ziele und Inhalte der schweizerischen Kulturpolitik vor. Sie
                             betonte, Kulturarbeit bestehe einerseits im Bewahren des vielgestaltigen Raums der
                             Erinnerung, gebildet aus Kunstwerken aller Art, Büchern, Bildern, Ideen und
                             Überzeugungen, und andererseits in der Bereitstellung guter Bedingungen für heutige
                             Kunst- und Kulturschaffende. Die zweimalige Ablehnung eines Kulturförderungsartikels
                             in der Bundesverfassung in den Jahren 1986 und 1994 entbinde die Eidgenossenschaft
                             nicht von ihrem Auftrag, die Kultur zu unterstützen. Nicht eine nationale Kulturpolitik,
                             wohl aber nationale Massstäbe der Kulturförderung erachtete Dreifuss für die Zukunft
                             als vordringlich, wobei sie betonte, dass auch hier die fundamentalen menschlichen
                             und politischen Werte der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der
                             Solidarität zum Zuge kommen müssten. Im Zentrum der möglichen Massnahmen stehen
                             Fragen der professionellen Weiterbildung der Kulturschaffenden, deren soziale
                             Sicherheit und Direktunterstützung sowie fiskalischer Anreize zur Kulturförderung von
                             privater Seite. 9

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE    Anfangs Juli eröffnete die Pro Helvetia in Anwesenheit von Bundesrätin Dreifuss eine
DATUM: 23.07.1997
MARIANNE BENTELI
                             neue Aussenstelle in Mailand. Das Centro culturale svizzero (CCS) hat die Aufgabe, das
                             schweizerische Kulturschaffen in der lombardischen Metropole vorzustellen und die
                             Aktivitäten der Pro Helvetia in Italien zu organisieren. Das CCS hat jedoch nicht das
                             Kaliber des Schweizer Kulturzentrums in Paris mit seinem Budget von CHF 1.5 Mio.,
                             sondern entspricht eher den "Antennen", die mit Unterstützung des Bundes in einigen
                             mittel- und osteuropäischen Städten entstanden sind. Das Budget des CCS beträgt CHF
                             600'000 pro Jahr. 10

INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN   Mit der im Vorjahr erfolgten Unterzeichnung der Unidroit-Konvention, welche die
DATUM: 23.07.1997
MARIANNE BENTELI
                             Rückführung von illegal exportiertem sowie die Rückgabe von gestohlenem Kulturgut
                             regelt, hatte der Bundesrat deutlich gemacht, dass er deren Bestimmungen zu
                             schweizerischem Recht machen will. Dieses Vorgehen wurde von linken Politikern und
                             Entwicklungsorganisationen begrüsst, von den betroffenen Kunstkreisen - Sammler,
                             Direktoren namhafter Schweizer Museen, Verbände der Antiquare und Kunsthändler -
                             hingegen nach wie vor kritisiert, da sie befürchteten, der sehr weit gefasste Begriff des
                             Kulturgutes könne zu einer Unterbindung jeglichen Handels mit Kunstgegenständen
                             führen. 11

KANTONALE POLITIK            Das juristische und politische Seilziehen um das mittlerweile 10jährige alternative
DATUM: 01.11.1997
MARIANNE BENTELI
                             Kulturzentrum in der Berner Reithalle scheint kein Ende zu nehmen. Nachdem der rot-
                             grüne Stadtrat (Legislative) im März 1996 CHF 1.489 Mio. für die dringendsten baulichen
                             Unterhaltsmassnahmen beschlossen hatte, reichte eine SVP-Parlamentarierin Rekurs
                             gegen diesen Entscheid ein. Der zuständige Regierungsstatthalter gab der
                             Beschwerdeführerin recht, welche moniert hatte, die vom Stadtrat verabschiedeten
                             Massnahmen würden auf eine spätere Gesamtsanierung hinauslaufen. Darüber aber
                             müsse das Volk frei und ohne bereits geschaffene Sachzwänge befinden können. Der
                             Stadtrat bestritt diesen Zusammenhang zwar, verzichtete aber darauf den Entscheid
                             weiterzuziehen. Der Gemeinderat legte daraufhin dem Stadtrat ein Gesamtprojekt für
                             die Sanierung von CHF 1.4 Mio. vor; dem für die Projektierungsarbeiten notwendigen
                             Kredit von CHF 480'000 stimmte der Stadtrat zu. 12

                             ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.89 - 01.01.19   4
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE       Ziemlich überraschend kündigte Urs Frauchiger, seit 1992 Direktor der Stiftung Pro
DATUM: 21.11.1997
MARIANNE BENTELI
                                Helvetia seinen Rücktritt per Ende September an. Als Hauptgrund für seine
                                Entscheidung nannte er Amtsmüdigkeit. Da auf Ende des Berichtsjahres auch das
                                Mandat der Stiftungspräsidentin, der Solothurner CVP-Ständerätin Rosmarie Simmen
                                auslief, musste gleich die ganze Führung der Pro Helvetia neu bestellt werden. Ende
                                November wählte der Stiftungsrat den Bündner CSP-Politiker und Sekretär der Lia
                                Rumantscha Bernard Cathomas zum neuen Direktor. Zur Stiftungspräsidentin ernannte
                                der Bundesrat die scheidende Stadtpräsidentin von Lausanne und frühere Waadtländer
                                SP-National und Ständerätin Yvette Jaggi. 13

INTERKANTONALE ZUSAMMENARBEIT   Eine Delegation aus der "Kulturregion am Oberrhein" bestehend aus den
DATUM: 25.11.1997
MARIANNE BENTELI
                                Kulturverantwortlichen der Kantone Basel-Stadt und Baselland sowie einem Vertreter
                                der deutschen Stadt Lörrach warb gemeinsam in Brüssel für Basel als "Kulturstadt
                                Europas 2001". Entgegen den Erwartungen fand die Wahl nicht im Berichtsjahr statt, da
                                sich die 15 EU-Kulturminister nicht auf eine der vorgeschlagenen Städte einigen
                                konnten. 14

BUNDESRATSGESCHÄFT              Ende Jahr deponierte der Bundesrat das Gesuch um eine Aufnahme von Bellinzona in
DATUM: 11.12.1997
MARIANNE BENTELI
                                die Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Grund der Bewerbung ist laut der offiziellen
                                Kandidaturrechtfertigung die historische und kulturelle Bedeutung der gut erhaltenen
                                Wehranlagen. Die Unesco-Liste umfasst weltweit 506 Denkmäler in 108 Staaten. Drei
                                davon befinden sich in der Schweiz: Es sind dies die Berner Altstadt, der Klosterbezirk
                                in St. Gallen und das Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair. 15

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE       Immer häufiger weisen Städte mit Zentrumsfunktion auf die ungerechte Verteilung von
DATUM: 20.12.1997
MARIANNE BENTELI
                                Kosten und Nutzen im Kulturbetrieb hin. Während die Städte praktisch allein die
                                kulturellen Institutionen finanziell über Wasser halten, sind es in weiten Teilen die
                                Einwohnerinnen und Einwohner der Agglomeration, welche das kulturelle Angebot
                                nutzen. Im 1995 revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons Bern wurde
                                festgehalten, dass die Gemeinden der Region Bern die bedeutenden Kulturinstitute der
                                Bundesstadt mitfinanzieren sollen. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich jedoch als
                                sehr schwierig, da sich mehrere Gemeinden dagegen wehrten, diesen Obolus zu
                                entrichten. Bis Ende Jahr stimmten 43 Gemeinden der Abgabe zu, 21 Gemeinden
                                lehnten den Subventionsvertrag ab, 20 weitere vertagten ihren Entscheid auf 1998. 16

KANTONALE POLITIK               Der Kanton Tessin tut sich offenbar schwer mit seiner Alternativkultur. Seit eine
DATUM: 30.12.1997
MARIANNE BENTELI
                                Gruppe Jugendlicher im Oktober 1996 im Luganeser Vorort Viganello eine leerstehende
                                Industriemühle besetzt und in ein selbstverwaltetes Gemeinschaftszentrum
                                umgewandelt hatte, bemühten sich Gemeinde und Kanton mit den Betroffenen -
                                Besetzer und Anwohner - eine tragfähige Lösung zu finden. Allerdings vergeblich, denn
                                nach einer Eskalation der Bürgerproteste ging die Liegenschaft Mitte Juni in Flammen
                                auf. Grund war eindeutig Brandstiftung. Der Versuch, die Autonomen in einem dem
                                Kanton in Canobbia gehörenden Grotto anzusiedeln, scheiterte ebenfalls. 17

ANDERES                         Für die Befreiung der kulturellen Veranstaltungen von der Mehrwertsteuer siehe
DATUM: 31.12.1997
MARIANNE BENTELI
                                oben, Teil I, 5 (Indirekte Steuern). Zum Bericht des Bundesrates "Kultur in den Medien
                                der SRG" siehe unten, Teil I, 8c (Radio und Fernsehen).

BUNDESRATSGESCHÄFT              Diskussionslos nahm der Ständerat im Rahmen der nachgeführten Bundesverfassung
DATUM: 27.04.1998
MARIANNE BENTELI
                                Art. 21 an, wonach die Kunstfreiheit gewährleistet ist. Bundesrat und Kommission
                                wiesen darauf hin, dass die freie Ausübung der Kunst zwar vom Bundesgericht nicht als
                                ungeschriebenes Verfassungsrecht anerkannt worden ist, dass sie aber den von der
                                Schweiz ratifizierten Konventionen der UNO und des Europarates entspricht. Der
                                Nationalrat stimmte ebenfalls zu. Ein von der SP unterstützter Antrag Thür (gp, AG),
                                neben der Freiheit der Kunst auch jene der Kultur verfassungsrechtlich zu verankern,
                                wurde mit 95 zu 57 Stimmen abgelehnt, weil es sich – nach den Worten von Bundesrat
                                Koller – bei der Freiheit der Kultur, einem extrem weiten und nicht abschliessend
                                definierten Begriff, nicht um einen selbständigen, direkt einklagbaren und

                                ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   5
verfassungsmässig zu schützenden Gegenstand handeln kann. Die in letzter Zeit
                    geänderten Kantonsverfassungen und die internationalen Instrumente zeigten denn
                    auch, dass diese zwar die Freiheit der Kunst, nicht aber jene der Kultur garantieren. 18

POSTULAT            Der Nationalrat überwies ein Postulat Suter (fdp, BE), welches die Landesregierung
DATUM: 18.12.1998
MARIANNE BENTELI
                    ersucht, die Schaffung einer eidgenössischen Akademie der musischen Künste zu
                    prüfen. 19

ANDERES             In Basel wurde Ende Januar das neue Schauspielhaus eingeweiht. Die Finanzierung des
DATUM: 06.02.2002
MARIANNE BENTELI
                    29 Mio Fr. teuren Neubaus war erst möglich geworden, nachdem 1998 anonym bleiben
                    wollende Frauen 7,3 Mio Fr. zur Verfügung gestellt hatten. Viele weitere Spender waren
                    ihrem Beispiel gefolgt und hatten schliesslich mehr als 20 Mio Fr. aufgebracht. 20

POSTULAT            Im März 2015 beauftragte Jacqueline Fehr (sp, ZH) den Bundesrat mit der Erstellung
DATUM: 19.06.2015
MELIKE GÖKCE
                    eines Berichtes, in welchem dieser das Potenzial der Schweizer Game-Industrie für
                    Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft aufzeigen solle. In erster Linie solle geklärt
                    werden, in welchem Rahmen politische Einflussnahmen innerhalb des
                    Entwicklungsprozesses in dieser Branche greifen sollen. Zudem sollen internationale
                    Vergleiche – insbesondere mit Kleinstaaten wie den Niederlanden oder auch den
                    skandinavischen Ländern sowie Deutschland und Kanada – dabei helfen, die Situation in
                    der Schweiz richtig einordnen zu können.
                    Auch wenn Pro Helvetia mit der Schwerpunktsetzung im Bereich der "digitalen Kultur"
                    in den vergangenen Jahren massiv dazu beigetragen habe, dass die Schweizer
                    Produktionen mitunter auch mit internationalen Auszeichnungen überhäuft wurden,
                    fehle es im internationalen Vergleich noch immer an zusätzlicher Förderung und
                    Investitionsanreizen. Daher müsse man sich diesbezüglich zunächst mit Fragen
                    auseinandersetzen, welche sich unter anderem auch auf standort-, bildungs- oder
                    steuerpolitische Bereiche beziehen.
                    Der Bundesrat beantragte dem Nationalrat die Annahme des Postulats, wobei er nicht
                    versäumte darauf zu verweisen, dass die aufgeworfenen Fragen sehr umfassend seien,
                    weshalb man sich auf einige zentrale Punkte beschränken müsse. In diesem Sinne
                    könne beispielsweise ein umfassender internationaler Vergleich nicht angestrebt
                    werden, da dieses Vorgehen schlichtweg die Möglichkeiten der Verwaltung übersteigen
                    würde. Der Nationalrat kam dem Antrag des Bundesrates nach und nahm das Postulat
                    diskussionslos an. 21

BERICHT             In Erfüllung des Postulats Fehr (sp, ZH) präsentierte der Bundesrat im Frühjahr 2018
DATUM: 21.03.2018
MELIKE GÖKCE
                    seinen Bericht zum Potenzial der Schweizer Game-Industrie für Kultur, Wissenschaft
                    und Wirtschaft. Wie bereits im Jahr 2015 in der Stellungnahme zum Postulat verkündet
                    worden war, musste sich dieser in seinen Erläuterungen aufgrund des Umfangs und der
                    Diversität der gestellten Fragen auf einzelne zentrale Punkte beschränken. In diesem
                    Sinne fokussierte der Bericht die kulturellen Aspekte von Games, welche sich im
                    Wesentlichen in Form von Kulturgütern und als ein Bereich der Kulturförderung
                    äusserten. Dieser Fokus sei primär auf das Games-Förderprogramm zurückzuführen,
                    welches 2010 vom Bund über die Kulturstiftung Pro Helvetia lanciert worden war. Im
                    Bericht wurden zunächst die Merkmale von Games aufgegriffen und ein Überblick zur
                    Game-Industrie in der Schweiz gegeben, ehe die Förderung im Allgemeinen und die
                    Entwicklung spezifisch im Schweizer Umfeld aufgegriffen wurden.

                    Unter Games seien laut Bericht grafisch-elektronische Schnittstellen zu verstehen, die
                    eine spielerische Mensch-Maschine-Interaktion ermöglichten. Zu den Grundzügen
                    eines Games zählen die Verbindung von Hard- und Software, die auf Spielregeln sowie
                    Grafik- und Tonelementen basierende Darstellungsform, das Auslösen einer
                    individuellen oder kollektiven Aktivität als Erlebnis und seine Form als (im-)materieller
                    Träger zur Vermarktung und zum Konsum. Die Geschichte der Games sei in erster Linie
                    eine Geschichte der interaktiven Entwicklung; daher könne man sie heute als eine
                    Kunstform, ein globales gesellschaftliches und kulturelles Phänomen oder als eine
                    eigenständige Industrie betrachten.
                    Als eine Kunstform zu verstehen seien Games, weil sie aufgrund der Verbindung von
                    Text, Musik und Grafik einen interdisziplinären Charakter aufwiesen, der die Spielenden
                    in einen interaktiven Prozess einbinde. Zudem seien sie in künstlerischen Traditionen

                    ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.89 - 01.01.19   6
und kulturellen Räumen verankert, bei gleichzeitiger Eigenständigkeit hinsichtlich
Merkmals- und Sprachentwicklung, und bildeten daher heute auch einen anerkannten
Bereich des Kulturschaffens.
Als soziokulturelles Phänomen könnten sie verstanden werden, weil sie gerade als
Kunstform einen gemeinsamen globalen Kulturraum schüfen. So könnten beispielsweise
die 1985 von Nintendo erschaffene Kultfigur „Super Mario“ als ein Teil der heutigen
Populärkultur oder die jährlich in Köln stattfindende Computerspielemesse
„Gamescom“       als   ein    Kulturevent   verstanden    werden,    die   in    den
Kulturkonsumgewohnheiten an Bedeutung gewonnen hätten. In den USA verzeichne
man über 150 Mio. regelmässig oder gelegentlich Spielende, während sich die Zahl der
aktiven Spielenden in der Schweiz Schätzungen zufolge auf 1.5 Mio. belaufe. Über
Games sei eine eigentliche Game-Kultur begründet worden, die sich auf
verschiedensten Plattformen ausbreite und der ganz eigene Anlässe wie Festivals,
Messen oder Symphoniekonzerte gewidmet würden.
Als globale Kreativindustrie mit entsprechender Organisation von Produktion, Vertrieb
und Konsum könne die Game-Industrie verstanden werden, weil der Umfang ihrer
organisatorischen Abläufe mittlerweile mit jenen der Film- oder Musikindustrie oder
des Verlagswesens verglichen werden könnten und sich die Gesamteinnahmen auf rund
100 Mia. US-Dollar – bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8% –
belaufen würden. Die kreativen und wirtschaftlichen Haupttätigkeiten der Industrie
bestünden in der Produktion von Trägertechnologien für Games sowie in eigentlichen
Entwicklung von Games, in der Organisation der Vermarktung sowie im Vertrieb und
Verkauf im Einzelhandel.

Im Unterschied zu anderen Ländern gebe es in der Schweiz noch keine voll integrierte
Game-Industrie mit für die Wertschöpfungskette verantwortlichen, spezialisierten
Akteuren. Es liessen sich indes aber fünf Hauptgruppen von (un-)abhängigen Akteuren –
mit stetig steigender Anzahl – ausmachen: Entwicklerinnen und Entwickler,
Herausgebende sowie im Vertrieb und Einzelhandel Tätige, Bildungs- und
Forschungsinstitutionen mit entsprechenden Studiengängen, Organisatoren von
Veranstaltungen sowie Verbände und Interessengruppen. Die aktuellsten Erhebungen
von der SGDA und Pro Helvetia zeigten auf, dass es in der Schweiz rund 100 bis 120
Kleinstrukturen (Entwicklerinnen und Entwickler sowie Produktionsstudios) gebe, die
teilweise oder gar vollständig für die Game-Produktion tätig seien. Noch 2010 sei diese
Zahl auf lediglich ein Dutzend geschätzt worden. Der Vertrieb erfolge grundsätzlich
über den Einzelhandel, wobei ein wachsender Anteil über den Onlinevertrieb
abgewickelt werde, für den es in der Schweiz aber praktisch noch keine lokalen Verleger
oder Plattformen gebe, weshalb die Produzierenden mehrheitlich Vereinbarungen mit
ausländischen Verlegern schliessen würden. Hingegen spielten Bildungs- und
Forschungsinstitutionen wie die ETH oder die EPFL eine zentrale Rolle für die
Branchenentwicklung, da hier relevante Entwicklerkompetenzen in verschiedenen
Studiengängen der Kunst- oder Informationswissenschaften vermittelt würden. Gerade
hierin liege eine der Stärken der Schweizer Game-Industrie: Durch die Verknüpfung mit
diesen hochstehenden Ausbildungen seien die Entwicklerinnen und Entwickler in der
Lage, auch international wettbewerbsfähige Projekte zu lancieren, die sich wiederum
als wertvolle Beiträge für die Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft auszeichneten.
Demgegenüber wurde aber die Rentabilität beziehungsweise die Schwierigkeit, ein
existenzfähiges Unternehmen aufzubauen, als Schwäche angeführt. Dies sei in erster
Linie auf die Gegebenheiten der extrem wettbewerbsorientierten internationalen
Märkte und auf erschwerende lokale Faktoren zurückzuführen.

Da Games aufgrund ihrer Besonderheiten nicht dem traditionellen Bereich der
Kulturförderung zugeordnet werden könnten, erfolge diese in der Regel über
Organisationen oder andere Institutionen. So auch in der Schweiz: Gemäss gesetzlicher
Aufgabenteilung falle die Unterstützung interaktiver Medien in den Aufgabenbereich
der Stiftung Pro Helvetia und nicht etwa in jenen des BAK. Es bestünden aber auch
diverse Initiativen seitens der Kantone und Städte (in Form von Veranstaltungen), der
SRG (Unterstützung von drei Schweizer Projekten über den Fonds Multimedia) oder
privater Initiativen (z.B. Förderfonds für Matchmaking-Initiative von Engagement
Migros). Die konkretesten Massnahmen seien aber von der Stiftung Pro Helvetia
umgesetzt worden, gerade für Projekte, die besonders innovativ seien oder der Kultur
neue Impulse geben würden (z.B. Themenprogramm „Game Culture. Vom Spiel zur
Kunst“).
Aufgrund der hochstehenden Ausbildungen in der Schweiz werde die Qualität der
Schweizer Produkte auch in der internationalen Szene anerkannt. Jedoch handle es
sich hierbei noch um eine relativ junge Branche, die quantitativ noch nicht ganz mit
dem internationalen Niveau mithalten könne. Daher habe sie noch viele Möglichkeiten

ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK       01.01.89 - 01.01.19   7
zu ihrer Entwicklung, stosse aber auch an Grenzen. Um die Möglichkeiten
                                  auszuschöpfen, wurden im Bericht vier Entwicklungsziele festgehalten: quantitative und
                                  qualitative Verbesserung der inländischen Produktion, Einbezug der Schweizer
                                  Entwicklerinnen und Entwickler in die Industrie und den Marktzugang, die
                                  Strukturierung der Branche und die Stärkung ihrer Interdisziplinarität. Für die
                                  Zielerreichung wurden verschiedene Massnahmen vorgeschlagen. So solle
                                  beispielsweise eine Verbesserung des Fördersystems oder eine Weiterführung des
                                  Wissensaustausches zwischen den Förderinstitutionen vorangetrieben werden. Auch
                                  wolle man eine Diversifizierung und Bündelung der Mittel, Kompetenzen und Methoden
                                  sowie die Stärkung der internationalen Promotion vornehmen.

                                  Der Bericht schloss mit der Erkenntnis, dass die Branche durchaus Potenzial auf der
                                  Ebene der Kulturförderung ausweise. Die Förderung dieser Industrie könne als Vorbild
                                  für andere, traditionelle Bereiche des kreativen Schaffens fungieren, die sich ebenso
                                  mit Themen der Digitalisierung oder einem Wandel im Schaffungsprozess
                                  auseinandersetzen müssten. Zugleich könne man an ihr neue Querschnittmethoden
                                  testen, die sich besser an den aktuellen Begebenheiten orientieren könnten, und neues
                                  Terrain für innovative Förderansätze schaffen. 22

                                  Kirchen und religionspolitische Fragen
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE         Im Rahmen eines eintägigen Arbeitsbesuchs zu Jahresbeginn in Rom stattete Bundesrat
DATUM: 15.01.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Cotti auch dem Vatikan eine kurze Visite ab. Nach einer Audienz bei Papst Johannes
                                  Paul II. unterrichtete er Kardinal-Staatssekretär Sodano, den "Aussenminister" des
                                  Heiligen Stuhls, über die grosse Besorgnis der katholischen Bevölkerung der Schweiz
                                  bezüglich der Verhältnisse im Bistum Chur. 23

STANDESINITIATIVE                 Nachdem 1994 und 1995 bei vier Dramen um die Sonnentemplersekte 74 Menschen
DATUM: 19.02.1997
MARIANNE BENTELI
                                  ums Leben gekommen waren, darunter auch eine gewisse Anzahl von in Genf ansässigen
                                  Personen, hatte die Genfer Regierung einen Expertenbericht in Auftrag gegeben, um
                                  sich ein Bild über das Ausmass der Gefahr zu machen, die von zweideutigen religiösen
                                  Organisationen ausgeht. Nach Abschluss ihrer Untersuchung schlugen die Experten
                                  nicht weniger als 40 Massnahmen gegen die negativen Einflüsse sektenähnlicher
                                  Organisationen und Gruppierungen vor. Angeregt wurden unter anderem eine
                                  verstärkte Aufklärung über Sekten im allgemeinen sowie eine Verbesserung der
                                  Opferhilfe für Ausstiegswillige. Die Genfer Regierung leitete darauf dem
                                  Kantonsparlament zwei Standesinitiativen zu. Mit der einen Initiative soll ein Artikel ins
                                  Strafgesetzbuch aufgenommen werden, der die "Gehirnwäsche" von Menschen strafbar
                                  machen würde. Das zweite Begehren sieht vor, dass die Gründung und das Bestehen
                                  eines Vereins obligatorisch den Behörden gemeldet werden muss. 24

PETITION / EINGABE / BESCHWERDE   Fast gleichzeitig mit einem Rombesuch von Bischof Haas, bei welchem dieser dem
DATUM: 05.04.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Papst die Situation im Bistum Chur aus seiner Sicht darlegte, forderten die römisch-
                                  katholischen Landeskirchen des Bistums ihre Kantonsregierungen und den Bundesrat
                                  auf, Schritte zu unternehmen, die auf personelle Verschiebungen in der Diözese Chur
                                  abzielen. Die Regierungen der sieben Kantone, welche dem Bistum Chur angegliedert
                                  sind (Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, Zug, Zürich und Graubünden), intervenierten
                                  Mitte Februar beim Bundesrat und baten ihn, sich mit allen ihm zur Verfügung
                                  stehenden diplomatischen Mitteln für die Wiederherstellung des religiösen Friedens im
                                  Bistum einzusetzen. Der Bundesrat erachtete das Anliegen als nicht besonders dringlich
                                  und beantwortete das Schreiben vorerst nicht. 25

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE         Als Schweizer Premiere übernahm der Kanton Bern aufgrund seiner neuen
DATUM: 02.07.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Kantonsverfassung die Entlöhnung der jüdischen Rabbiner der Kultusgemeinden Bern
                                  und Biel. Damit geht Bern über die Anerkennung der israelitischen Kultusgemeinden
                                  hinaus, welche in den letzten Jahren in den Kantonen Basel-Stadt und Freiburg
                                  vorgenommen wurden. 26

                                  ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK          01.01.89 - 01.01.19   8
STUDIEN / STATISTIKEN             Das Bundeamt für Statistik publizierte Untersuchungsergebnisse, die - auf der Basis
DATUM: 15.08.1997
MARIANNE BENTELI
                                  der Volkszählungsdaten von 1990 - den Befund bestätigten und präzisierten, dass die
                                  religiöse Vielfalt in der Schweiz zunimmt. Die Landeskirchen umfassen zwar immer
                                  noch 86% der Bevölkerung, doch hat die Einwanderung den Anteil anderer
                                  Konfessionen und Religionen erhöht. Unter den Einwohnerinnen und Einwohnern
                                  waren 1990 die Protestanten immer noch etwas zahlreicher als die Katholiken, ebenso
                                  in der Bevölkerung der über 40-jährigen. Angehörige von Ostkirchen machten 1990 1%
                                  der Wohnbevölkerung aus, Muslime 2,2%. Deren Zahl dürfte seither in Zusammenhang
                                  mit der Anwesenheit von Bosniern und Kosovo-Albanern noch deutlich gewachsen
                                  sein. 27

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE         Mehr als eine halbe Million Einwohner der Schweiz (7,4%) erklärten 1990, sie gehörten
DATUM: 15.08.1997
MARIANNE BENTELI
                                  keiner Religionsgemeinschaft an. Ihr Anteil ist in den Kantonen mit weitgehender
                                  Trennung von Kirche und Staat (Neuenburg, Genf) sowie in Basel-Stadt besonders hoch.
                                  1970 hatte diese in der Statistik 1960 geschaffene Kategorie erst 1,1% der Bevölkerung
                                  umfasst. Die Relativierung traditioneller Prägungen zeigt sich auch in den
                                  geographischen Unterschieden: Die Reformierten sind nur noch im Kanton Bern mit
                                  72% klar in der Mehrheit. Knapp 50% erreichten sie 1990 in den Kantonen Glarus,
                                  Thurgau, Waadt, Neuenburg, Zürich, Baselland, Schaffhausen und Appenzell
                                  Ausserrhoden. Demgegenüber sind elf Kantone zu mindestens 70% katholisch. In 22,5%
                                  der Ehen gehörten 1990 die Ehepartner unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften an
                                  gegen lediglich 5% 1880. 28

PETITION / EINGABE / BESCHWERDE   Ende August wandten sich die Regierungen der Bistumskantone erneut an Bundesrat
DATUM: 28.08.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Cotti mit der Bitte, sich beim Heiligen Stuhl für eine Lösung des Churer Bistumkonflikts
                                  einzusetzen. Nach der Aussprache erklärten sie, sie seien aus Sorge um den religiösen
                                  Frieden an den Bundesrat gelangt. Der Fall Haas sei längst kein innerkatholisches
                                  Problem mehr, sondern eines von gesamtgesellschaftlicher Tragweite. Das zeigten
                                  Konflikte in den Kantonen, aber auch die versuchte Einflussnahme des Churer Bischofs
                                  auf das Verhältnis von Kirche und Staat. Bundesrat Cotti versprach, die Angelegenheit
                                  vertieft prüfen zu lassen, machte im übrigen aber keine verbindlichen Zusagen eine
                                  diplomatische Intervention betreffend. 29

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE         Ebenfalls Ende August reisten die Schweizer Bischöfe in corpore für eine Woche nach
DATUM: 10.09.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Rom. Der alle fünf Jahre stattfindende "Ad-limina-Besuch" der Diözesanbischöfe
                                  eines Landes beim Papst ist eigentlich eine Routineangelegenheit. Diesmal hatte der
                                  Besuch eine gewisse Brisanz, weil allen Beobachtern klar war, dass die Schweizer
                                  Bischöfe personelle Änderungen im Bistum Chur verlangen würden. Auch auf diese
                                  Intervention erfolgte vorerst kein Einlenken aus Rom, ganz im Gegenteil: der Papst
                                  mahnte die Schweizer Bischöfe zu mehr Einigkeit und kritisierte deren Distanzierung
                                  von Haas. 30

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE         Haas, durch die Haltung des Papstes beim Ad-limina-Besuch in seinem
DATUM: 04.12.1997
MARIANNE BENTELI
                                  Selbstbewusstsein bestärkt, ernannte im November drei neue Bischofsvikare, die von
                                  der Basiskirche aufgrund deren Haastreue als Provokation erachtet wurden. 14 der 16
                                  Dekane des Bistums protestierten heftig gegen diesen Personalentscheid, der als
                                  faktische Entmachtung der beiden Weihbischöfe Vollmar und Henrici gedeutet wurde,
                                  welche Rom 1993 zur Entspannung der Stimmung in der Diözese Chur eingesetzt hatte.
                                  Der Priesterrat des Bistums forderte daraufhin Haas zum Rücktritt auf. Ob es die
                                  eigenwillige Personalpolitik war, welche den Sinneswandel in Rom ermöglichte, oder die
                                  diplomatische Demarche des Bundesrates konnte nicht eruiert werden: so oder so
                                  wurde Haas anfangs Dezember von Chur auf den neu geschaffenen Sitz eines
                                  Erzbischofs von Vaduz "wegbefördert". Mit Erleichterung und unverhohlener Freude
                                  reagierten die Vertreter der Bistumskantone und die meisten Chur unterstellten
                                  Gläubigen auf diese Nachricht. Auch Bundesrat Cotti konnte eine gewisse Genugtuung
                                  über den Abgang von Bischof Haas nicht verbergen, da er darin eine bedeutende
                                  Verbesserung der Gesprächskultur sah. 31

                                  ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   9
BUNDESRATSGESCHÄFT          Anfangs Oktober beschloss der Bundesrat, den Schweizer Sonderbotschafter beim
DATUM: 19.12.1997
MARIANNE BENTELI
                            Heiligen Stuhl mit einer diplomatischen Demarche zu betrauen, um dem Papst die
                            Sorge der sieben Bistumskantone über die Lage im Bistum Chur angemessen zum
                            Ausdruck zu bringen. Der Bundesrat betonte, dass dieser Schritt nicht bedeute, dass er
                            sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischen wolle. In einer gleichentags
                            verabschiedeten Antwort auf eine Anfrage von Nationalrätin Grendelmeier (ldu, ZH)
                            schrieb der Bundesrat, es wäre übertrieben zu sagen, dass durch den Fall Haas der
                            religiöse Friede in der Schweiz gefährdet sei. Er sehe daher keinen Anlass, von sich aus
                            Massnahmen zu treffen. Er wolle aber alle sich künftig ergebenden Möglichkeiten der
                            Diplomatie zur Lösung des Konfliktes ergreifen. 32

                            Urheberrecht
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Im Februar reichte die Pro Litteris, die Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und
DATUM: 26.08.1997
MARIANNE BENTELI
                            bildende Kunst, 15 Zivilklagen gegen Betriebe ein, die sich nach wie vor weigerten, die
                            im Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Gebühren für Fotokopien zu bezahlen. Die
                            Musterprozesse sollen Druck auf die rund 1500 renitenten Betriebe ausüben. Wenig
                            Erfolg hatte die Pro Litteris mit ihrer Forderung, eine "Bildschirm-Abgabe" einzuführen.
                            Mit dem Hinweis auf die mangelnde gesetzliche Grundlage erklärte der
                            Gewerbeverband, einer der wichtigsten Gesprächspartner der Pro Litteris auf der
                            Nutzerseite, er werde in diesem Punkt jegliche Verhandlung boykottieren. 33

                            Archive, Bibliotheken, Museen
GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE   Die Cinémathèque suisse in Lausanne konnte ihr in den letzten Jahren für insgesamt
DATUM: 17.10.1992
MARIANNE BENTELI
                            8,5 Mio Fr. erworbenes und umgebautes Archivierungszentrum in Penthaz (VD) in
                            Betrieb nehmen. Bisher waren die Filme an verschiedenen – und oft ungeeigneten –
                            Orten eingelagert gewesen. 34

                            Sprachen
KANTONALE POLITIK           Aus rechtlichen Gründen und um den Sprachfrieden nicht zu gefährden, will die
DATUM: 01.03.1991
MARIANNE BENTELI
                            Bündner Regierung keine Konsultativabstimmung für oder gegen das Rumantsch
                            grischun oder die "Quotidiana" durchführen, wie dies ein im Vorjahr eingereichter
                            parlamentarischer Vorstoss gefordert hatte. Um aber den Volkswillen zu diesen beiden
                            heiklen Themen zu erkunden, erachtet die Kantonsregierung die Durchführung einer
                            nach wissenschaftlichen Methoden angelegten Meinungsumfrage als sinnvoll. Die
                            Bündner Exekutive verhehlte allerdings nicht, dass sie dem Projekt einer romanischen
                            Tageszeitung nach wie vor skeptisch gegenübersteht, umso mehr als die Bündner
                            Zeitungsverleger sich nach einer Denkpause erneut vehement gegen eine
                            Zusammenarbeit mit der Lia Rumantscha aussprachen. 35

BUNDESRATSGESCHÄFT          In der letzten Zeit habe sich eine spürbar wachsende Gleichgültigkeit gegenüber der in
DATUM: 04.03.1991
MARIANNE BENTELI
                            der Schweizer Geschichte und Kultur verankerten Viersprachigkeit unseres Landes
                            abgezeichnet, hielt der Bundesrat in seiner – gleichentags in allen vier Landessprachen
                            publizierten – Botschaft zur Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung
                            (Art. 116 BV) fest, wobei die sprachlichen Minderheiten besonders betroffen seien.
                            Deshalb soll der Bund inskünftig die Kantone bei ihren Bemühungen zur Erhaltung und
                            Förderung der Landessprachen vermehrt unterstützen und in seinem eigenen
                            Zuständigkeitsbereich für eine Verbesserung der zwischensprachlichen Verständigung
                            sorgen.

                            Mit der Sprachenfreiheit soll ein besonders wichtiges, persönlichkeitsnahes Grundrecht
                            explizit in die Verfassung Eingang finden. Gleichzeitig wird der Grundsatz der
                            Viersprachigkeit der Schweiz verankert. Amtssprachen des Bundes bleiben weiterhin
                            das Deutsche, das Französische und das Italienische. Im Verkehr zwischen dem Bund
                            und rätoromanischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Institutionen soll jedoch auch
                            das Rätoromanische als Amtssprache gelten.

                            Der revidierte Verfassungsartikel führt ein differenziertes Territorialitätsprinzip ein.
                            Der Sprachgebietsgrundsatz soll nicht für alle Kantone und Sprachsituationen die
                            gleiche Bedeutung haben; vielmehr soll auf die Bedrohung einer Sprache abgestellt

                            ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK        01.01.89 - 01.01.19   10
werden: Je stärker eine Sprache gefährdet erscheint, desto grösser sei das öffentliche
                              Interesse an Massnahmen zu ihrer Erhaltung und desto eher rechtfertigten sich
                              Eingriffe in die Sprachenfreiheit, meinte die Landesregierung. Die Kantone sollen
                              deshalb verpflichtet werden, unter Umständen sogar einschneidende Massnahmen zu
                              treffen, um sicherzustellen, dass sich die bedrängten Sprachen in jenen Gebieten
                              halten können, in denen sie heute gesprochen oder geschrieben werden.

                              Damit     die    Verständigungsfähigkeit   und     -bereitschaft   zwischen    den
                              Sprachgemeinschaften erhalten bleiben und sich weiterentwickeln können, sollen in
                              allen Landesteilen neben der Erhaltung und Förderung der jeweiligen Gebietssprache
                              auch die anderen Landessprachen gepflegt werden. Damit sei, schrieb der Bundesrat,
                              vor allem der Fremdsprachenunterricht in den kantonalen Bildungssystemen – vom
                              Vorschulunterricht bis zur Erwachsenenbildung – angesprochen. 36

BUNDESRATSGESCHÄFT            Nach dem Ständerat genehmigte auch der Nationalrat diskussionslos und einstimmig
DATUM: 22.03.1991
MARIANNE BENTELI
                              einen Teuerungsausgleich von 25% auf den Bundesbeiträgen zur Förderung der Kultur
                              und Sprache der Kantone Graubünden und Tessin. Die Erhöhung der Subvention
                              wurde als Überbrückungsmassnahme verstanden, bis der revidierte Sprachenartikel
                              eine gezieltere und verstärkte Förderung ermöglichen wird. 37

BERICHT                       Der Forderung der Tessiner Abgeordneten nach einer sukzessiven Erhöhung der Zahl
DATUM: 22.05.1991
MARIANNE BENTELI
                              der italienischsprachigen Bundesbeamten war Bundespräsident Cotti bereits anfangs
                              Jahr zuvorgekommen, als er für sein Departement eine Quotenregelung bei der
                              Personalauswahl einführte. Mit dieser Sofortmassnahme soll im EDI eine angemessene
                              Vertretung der sprachlichen Bevölkerungsgruppen sichergestellt und der Anteil des
                              weiblichen Personals erhöht werden. Ziel ist, bis Ende 1992 Verhältniswerte von 70%
                              deutsch- (heute 74%), 20% französisch- (17%) und 10% italienischsprachige Mitarbeiter
                              (7,5%) zu erreichen. Um den Dienst in der zentralen Bundesverwaltung für Tessiner
                              attraktiver zu machen, regten die Motionäre ebenfalls die Schaffung einer
                              dreisprachigen Schule (deutsch/französisch-italienisch) in Bern an. Auch dieser
                              Wunsch stiess bei Bundespräsident Cotti auf viel Sympathie; er verwies jedoch auf den
                              Grundsatz der kantonalen Schulhoheit und spielte so den Ball dem Kanton Bern zu.

                              In ihrem Inspektionsbericht 1991 bemängelte zudem die GPK des Nationalrates die nach
                              wie vor markante Untervertretung der sprachlichen Minderheiten in der
                              Bundesverwaltung. 38

PARLAMENTARISCHE INITIATIVE   Die Tessiner Deputation des Nationalrates äusserte in zwei Motionen ihr Unbehagen
DATUM: 19.06.1991
MARIANNE BENTELI
                              über die Stellung des Italienischen in Parlament und Bundesverwaltung und machte
                              eine Reihe von Vorschlägen zur Verbesserung dieser Situation. Mit der unter Hinweis
                              auf die hohen Kosten einer vollständigen Dreisprachigkeit zwar nur bedingt erfolgten
                              Annahme der Motion zur Parlamentsarbeit zeigte die grosse Kammer dennoch
                              Verständnis für das Anliegen der Tessiner. Im Rahmen der Parlamentsreform und der
                              damit verbundenen Revision des Geschäftsverkehrsgesetzes beschloss der Nationalrat,
                              innerhalb eines Jahres die nötigen Entscheide zur Gleichstellung der Amtssprachen zu
                              fällen; als erste Massnahme dehnte sie die Simultanübersetzung der Plenardebatten
                              aufs Italienische aus; ebenfalls simultan in die Amtssprachen übersetzt sollen inskünftig
                              die Sitzungen der Kommissionen werden, es sei denn, sämtliche Kommissionsmitglieder
                              gleicher Sprache verzichteten auf diese Dienstleistung. 39

GESELLSCHAFTLICHE DEBATTE     Zum drittenmal nach 1985 und 1988 fand die "Scuntrada rumantscha", die Woche der
DATUM: 11.08.1991
MARIANNE BENTELI
                              Begegnung von und mit den Rätoromanen statt. Das Programm unter der Leitung der
                              Lia Rumantscha, dem Dachverband der Romanen, beleuchtete in Vorträgen,
                              Podiumsdiskussionen und kulturellen Darbietungen sowie verschiedensten Kursen
                              aktuelle Probleme der Rätoromanen. Die "Scuntrada 91" stand unter dem Motto
                              "Begegnung auch mit andern"; Sprachpolitik aus gesamtheitlicher und internationaler
                              Sicht war denn auch einer der Schwerpunkte der Begegnungs- und Arbeitswoche, aber
                              auch das Verhältnis zwischen der nicht selten ausserhalb des Sprachgebiets lebenden
                              "Elite" und dem daheimgebliebenen "Fussvolk". Hier stand einmal mehr das Problem
                              des "Rumantsch grischun" zur Diskussion, einer den rätoromanischen Dialekten
                              aufgesetzten Einheitssprache, deren Ausarbeitung und Verbreitung in erster Linie von

                              ANNÉE POLITIQUE SUISSE — AUSGEWÄHLTE BEITRÄGE DER SCHWEIZER POLITIK         01.01.89 - 01.01.19   11
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