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 GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182   Informationen und Anregungen der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA
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    GSOAKTIV                                                                                                                                                                   GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

Editorial                                                                                                   ENAAT

Liebe Leserin, lieber Leser
                                                                                                            Gegen die Rüstungsindustrie
Die Corona-Pandemie hat auch den GSoA-Alltag mächtig durcheinandergewirbelt. So                             Das Jahrestreffen der europäischen Rüs-            land bis Tschechien. Nicht fehlen durfte auch
mussten wir viele geplante Veranstaltungen – den Ostermarsch, die Regionalgruppen und                       tungsgegnerInnen vom european network              ein Fokus auf die gesamteuropäischen Ent-
natürlich auch die Vollversammlung – absagen. Trotzdem konnten wir unsere Anliegen                          against arms trade (Enaat) fand dieses             wicklungen, präsentiert von in Brüssel behei-
weiterverbreiten, sei es digital oder Anfang März noch auf der Strasse, wie auf dieser Seite                Jahr in Amsterdam statt. Von Adi Feller            mateten AktivistInnen, die dort insbesondere
ersichtlich ist. Auch die Pandemie selbst hat uns natürlich beschäftigt: Auf Seite 3 befas-                                                                    auch aktiv sind, um dem Lobby-Zirkus der
sen wir uns mit dem Armeeeinsatz und mit realen Bedrohungsszenarien.                                        Noch vor den Corona-bedingten Reisebe-             Rüstungsindustrie eine friedenspolitische Sicht
Durch den Lockdown wurde schliesslich auch die Einreichung des Kampfjet-Referendums                         schränkungen fuhr die GSoA-Delegation En-          entgegenzusetzen.
und die Lancierung des Referendums zur Rettung des Zivildienstes nach hinten verschoben.                    de Februar per Zug nach Amsterdam. Die
Dies und alle weiteren Neuigkeiten zum Schweizer Polittreiben findet ihr auf den Seiten 4                   Enaat-Jahrestreffen finden abwechselnd in          Europäischer Aktionstag
                                                                                                            europäischen Städten statt und bieten gute         Befruchtend war der Austausch über laufende
und 5. Auf Seite 6 blicken wir über die Landesgrenze hinaus zur EU-Aussengrenze und in
                                                                                                            Gelegenheit, verschiedenste in der Friedens-       Kampagnen und die unterschiedlichen Ent-
die USA, die neu Landminen wieder in ihr Kriegsarsenal aufnehmen wollen. Natürlich gibt
                                                                                                            arbeit tätige Menschen und Organisationen          wicklungen, was Exportbeschränkungen oder
es auch einen Überblick über die aktuellen Kriegsmaterialexporte der Schweiz – vorneweg:
                                                                                                            kennen zu lernen. Diesmal waren wir zu Gast        eben weiter laufende Exporte in Kriegsgebiete
Sie sind besorgniserregend. Auf den beiden letzten Seiten 7 und 8 wird es zum Schluss
                                                                                                            bei der niederländischen Campagne tegen            angehen. Eines der schönsten Beispiele für ge-
etwas geheimniskrämerisch: Es geht um die Cryptoaffäre, um IMSI-Catcher und um die
                                                                                                            Wapenhandel. Am Abend des ersten Tages gab         meinsame Aktivitäten sind die erfolgreichen
Fiche der GSoA.
                                                                                                            es eine öffentliche Podiumsdiskussion über das     Aktionen gegen saudische Waffensammel-
Bleibt gesund und gute Lektüre!                                                                             Engagement gegen den Waffenhandel mit              schiffe (vgl. letzte Ausgabe der GSoA-Zitig),
Judith Schmid und das Redaktionsteam                                                                        spannenden Fragen und Diskussionsbeiträgen         die konkret Waffenlieferungen verhindert ha-
                                                                                                            aus dem Publikum. Die beiden weiteren Tage         ben. Viel besprochen wurde der Aktionstag
                                                                                                            fanden in einem kleineren Rahmen statt, waren      zum traurigen Jahrestag des Beginns des Je-
                                                                                                            aber ebenso reich an spannenden Präsenta-          men-Krieges vor fünf Jahren, für den europa-
    VOLLVERSAMMLUNG
                                                                                                            tionen und Diskussionen. Besonders interes-        weit mobilisiert wurde. Solche Aktionen und
                                                                                                            sant waren die Jahresberichte der Aktivitäten      der Austausch darüber stärken die Bewegung
    Verschoben ist nicht aufgehoben                                                                         der einzelnen Organisationen in ihren Län-         und motivieren für weitere Jahre aktivistischer
                                                                                                            dern, von Spanien bis Schweden und von Eng-        Tätigkeit.
    (ab) Unsere Vollversammlung hätte am 26. April 2020 im Restaurant Kreuz in Solo-
    thurn stattfinden sollen. Aufgrund der aktuellen Krise musste jedoch auch die VV
                                                                                                               Digitale Aktion gegen die Schweizer
    verschoben werden.                                                                                                  Beteiligung im Jemenkrieg.
    Wir hoffen nun, euch im Herbst zu sehen, damit wir gemeinsam auf die Aktionen                                                     (Bild: GSoA)
    des vergangenen Jahrs zurückschauen zu können. Weitere Themen werden natürlich
    die Abstimmungen im November sein. Voraussichtlich werden wir da über das neue
    Zivildienstgesetz und über die Kriegsgeschäfte-Initiative abstimmen.
    Wir freuen uns, euch zahlreich am 25. Oktober in Solothurn begrüssen zu dürfen!
    Die Einladung und das offizielle Programm wird nach den Sommerferien auf unserer
    Website zu finden sein.

KRIEGSMATERIALEXPORTE

Menschenleben vor Profit!
Für die Rüstungsindustrie war 2019 ein                    denn Waffen werden dazu konzipiert, Men-
Rekordjahr – die Exporte stiegen im Ver-                  schenleben auszulöschen – möglichst viele,
gleich zum Vorjahr um 43 Prozent. An der                  möglichst effizient. Besonders bedenklich sind
Medienkonferenz des Seco protestieren                     dabei die Lieferungen an Staaten, die in Kriege
GSoA-AktivistInnen gegen das Geschäft                     verwickelt sind oder in denen Menschenrechte
mit dem Tod. Von Nadia Kuhn                               massiv missachtet werden. So lieferte die
                                                          Schweiz beispielsweise auch 2019 weiter Waffen
Am 3. März 2020 präsentierte das Staatssekre-             an Akteure im Jemen-Krieg wie Saudi-Arabien
tariat für Wirtschaft (Seco) in Bern die Zahlen           oder Bahrain.                                     DIGITALE AKTION
der letztjährigen Kriegsmaterialexporte: Ent-
gegen dem Lamento der Rüstungslobby, die
                                                          Doch diese Medienkonferenz ging nicht so un-
                                                          gestört über die Bühne, wie das Seco sich dies    «War in Yemen – Made in Europe»
«strengen Exportbestimmungen» würden dazu                 wohl gewünscht hätte. GSoA-AktivistInnen aus
führen, dass die Schweizer Rüstungsindustrie              verschiedenen Ecken der Schweiz hatten sich       Während grosse Teile der Welt die Ankunft          am Online-Aktionstag teilgenommen, unter
darben müsse, hat die Schweiz 2019 Waffen im              eingefunden, um gegen die massive Steigerung      des Coronavirus mit voller Wucht erlebten,         dem Titel «War in Yemen – Made in Europe».
Wert von 728 Millionen Franken ins Ausland                der Kriegsmaterialexporte zu protestieren. Vor    jährte sich am 25. März der Beginn des             Denn Europa und auch die Schweiz tragen eine
verkauft. Das entspricht dem höchsten Wert seit           dem Eingang des Medienzentrums machten sie        Jemenkrieges zum fünften Mal. Die GSoA             grosse Mitverantwortung an dieser Tragödie:
dem Rekordjahr 2011 und einer Steigerung von              darauf aufmerksam, dass Waffenexporte nicht       beteiligte sich darum an einem europa-             Seit Jahren exportieren europäische Länder
43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.                      nur Zahlen des Seco sind, sondern dass diese      weiten Aktionstag. Von Laura Riget                 Waffen im Wert von mehreren Milliarden Euro
Waffenexporte sind per se hochproblematisch,              Exporte töten.                                                                                       in die Region. Allein im ersten Quartal 2020
                                                                                                            Seit 2015 herrscht im Land ein blutiger Krieg,     genehmigte das Seco Waffenexporte für knapp
Aktion von GSoA-AktivistInnen gegen den massiven Anstieg der Schweizer Waffenexporte. (Bild: GSoA)
                                                                                                            der direkt beinahe 100’000 Tote gefordert hat,     eine Million Schweizer Franken nach Saudi-
                                                                                                            darunter mindestens 12’000 ZivilistInnen das       Arabien, das die Militäroffensive im Jemen an-
                                                                                                            Leben gekostet und dazu geführt hat, dass 24       führt. Auch Bahrain und die Vereinigten Ara-
                                                                                                            Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe            bischen Emirate, welche ebenso im blutigen
                                                                                                            angewiesen sind. Schutz vor Bomben und             Jemen-Konflikt involviert sind, wurden mit
                                                                                                            Nahrung aufzutreiben lauten hier die Prioritä-     Schweizer Rüstungsgütern beliefert.
                                                                                                            ten anstatt Social Distancing und Hände wa-        Menschen in ganz Europa wurden somit auf-
                                                                                                            schen. Ein vergessener Krieg, der in den letzten   gerufen, Fotos von sich mit Forderungen wie
                                                                                                            Wochen noch mehr in Vergessenheit geriet           «Keine Unterstützung der von Saudi-Arabien
                                                                                                            als vorher.                                        angeführten Kriegskoalition!» oder «Stoppt
                                                                                                            Um trotz der aussergewöhnlichen Situation in       die Waffenexporte in den Jemen-Krieg!» in
                                                                                                            Europa den öffentlichen Druck auf die Politik      den sozialen Medien zu teilen. Auch die GSoA
                                                                                                            hoch zu halten und diese unhaltbare Situation      hat an der Aktion teilgenommen, um den
                                                                                                            anzuprangern, wurde auch dieses Jahr der Ak-       Schweizer Waffenhandel und das heuchleri-
                                                                                                            tionstag zum Jemenkrieg durchgeführt – und         sche Verhalten der politischen Mehrheit zu
                                                                                                            zwar online. Friedenspolitische und Menschen-      kritisieren. Wie immer mit der Hoffnung, dass
                                                                                                            rechts-Organisationen aus ganz Europa haben        dieses das letzte Jahr sein wird.
3
    SCHWEIZ                                                                                                                                                                             GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

MOBILMACHUNG

Die Armee in Zeiten von Covid-19                                                                                                                                     zwangsläufig zu Ausfällen, die von Systemen
                                                                                                                                                                     ausserhalb des Militärs gedeckt werden müs-
                                                                                                                                                                     sen. Für nicht-militärische Bedrohungen kann
                                                     Grenzen brauchten aufgrund der leeren Stras-         die in Truppen eingeteilt sind, die nicht aus-             die Armee also häufig eigentlich nur eine Ver-
Die Armee schickte 5000 Soldaten zur                 sen kaum mehr Kontrollpersonal, für die Ver-         schliesslich für Kampfeinsätze einsetzbar wä-              lagerung anbieten, nicht aber eine gesamtheit-
Unterstützung ziviler Institutionen im               sorgung isolierter Personen hat sich die Zivil-      ren. Dazu gehören insbesondere die Rettung,                liche Entlastung.
Kampf gegen Covid-19 und erhielt dafür               gesellschaft eingesetzt. Dass nicht mehr Assis-      die Sanität, die ABC-Abwehr, die Logistik, die             Der letzte Kritikpunkt bezieht sich vor allem
viel Lob und Zuspruch. Die Kritik liess              tenzpersonal notwendig war, hat aber eher mit        Militärpolizei oder auch die Genietruppen. In-             auf die – zugegebenermassen grossartige –
aber ebenfalls nicht auf sich warten. Eine           der Pandemie selbst zu tun, die in der Schweiz       nerhalb dieser Formationen aber sind es wohl               Medienarbeit, die die Armee in den letzten
Einordnung. Von Magdalena Küng                       weniger schlimm ausfiel als befürchtet. Pro-         weit weniger Personen, deren militärische Aus-             Monaten leistete. Sie schaffte es, dass die 4000
                                                     phylaktisch alle möglichen Vorkehrungen zu           bildung direkt in einer nicht-militärischen Be-            Zivildienstleistenden, die im Sozial-, Gesund-
Die Covid-19-Krise und den Umgang, den die           treffen – und dazu gehört in einem Land, dass        drohungslage eingesetzt werden kann.                       heits- und Schulbereich tätig sind und durch
Schweiz mit ihr fand, wird uns noch lange be-        sich an der obligatorischen Wehrpflicht fest-                                                                   ihre Erfahrung und Vertrautheit mit den jewei-
schäftigen. Zu Beginn der Krise war der Kon-         klammert als wäre sie der institutionalisierte       Armee ist nicht die richtige Antwort                       ligen Systemen eingespielte Assistenzfunktio-
sens gross, dass der Staat möglichst alle ihm        heilige Gral, eben auch die Armee – war nicht        Und auch wenn die Armee über äusserst effi-                nen übernehmen können, praktisch ungesehen
zur Verfügung stehenden Kräfte für die Be-           falsch. Ob die Armee aber für die Bekämpfung         ziente Mobilisierungsmöglichkeiten verfügt, so             blieben. Auch der Einsatz des Zivilschutzes
kämpfung der Pandemie mobilisieren sollte.           und Eindämmung von Covid-19 auch wirklich            sind ihre Strukturen doch denkbar ungeeignet               blieb im Hintergrund. Dass das VBS mehr
Das Angebot der Armee, die zivilen Behörden          geeignet war, führt zum zweiten Kritikpunkt.         für zivile Einsätze. Dies unter anderem auch,              Ressourcen hat, um professionelle Imagepfle-
zu unterstützen, wurde von den meisten äus-          Diese Frage muss differenziert angegangen            weil eine Vereinbarkeit von privaten, familiä-             ge zu betreiben, ist klar. Ob es gerechtfertigt
serst positiv aufgenommen. Viele freuten sich        werden. Tatsächlich verfügt die Armee gemäss         ren oder beruflichen Pflichten mit der Dienst-             war, die eigene Rolle so zu glorifizieren, ist
über die Möglichkeit, den Zweck der Armee            der letzten Auszählung über 26’000 Personen,         pflicht nicht vorgesehen ist – und das führt               mindestens stark bestreitbar.
bestätigt zu sehen. Kurz darauf aber wurden
erste Stimmen publik, die die eingesetzten
Truppen wegen der hohen Ansteckungsgefahr
als Virenfallen bezeichneten, die den zivilen Be-
hörden eher eine Last als eine Erleichterung
                                                                                                          Reale Bedrohung, die den Armeen nicht ins Konzept passt. (Bildnachweis Seite 8)
seien und ohnehin meist nicht zum Einsatz kä-
men. Sogar einzelne Vertreter der Gruppe Gi-
ardino befanden, die Armee sei nicht geeignet
für den Einsatz an der Corona-Front.

Mobilisierung war nicht falsch, aber
auch nicht richtig
Generell kann man die Kritiken in drei Stoss-
richtungen einteilen: Es wird gefragt nach der
Notwendigkeit der Mobilisierung, nach dem
Nutzen der Armee in einer Pandemie und nach
der Umsetzung der Mobilisierung. Der erste
Punkt ist schnell abgehandelt: Rückblickend
kann man davon ausgehen, dass der Einsatz
der Armee den Verlauf der Krise nicht in rele-
vantem Masse beeinflusst hat. Das Gesund-
heitssystem ist nicht zusammengebrochen, die

BEDROHUNGSANALYSE

Das grosse Versagen                                                                                       toren nicht auf unserer Seite gewesen wären,
                                                                                                          wäre das Gesundheitssystem der Schweiz zu-
                                                                                                          sammengebrochen und wir hätten zehntausen-
                                                                                                                                                                     Milliarden für Luxus-Kampfjets auszugeben,
                                                                                                                                                                     für die es kein plausibles Bedrohungsszenario
                                                                                                                                                                     gibt, macht einfach keinen Sinn. Die Schweiz
Die Covid-19-Krise kam nicht aus dem                 Die Armee hat in den letzten Jahren sieben ih-       de Tote zu beklagen gehabt.                                wird in absehbarer Zeit keinen Luftkrieg gegen
Nichts. Sie war vorhersagbar. Und trotzdem           rer acht Militärspitäler geschlossen. Das einzige    Die Sicherheitspolitik hatte andere Prioritäten.           Österreich führen. Investieren wir besser in
waren wir beschämend schlecht vorberei-              verbliebene Spital in Einsiedeln stellte sich ent-   Wir haben massenhaft Ressourcen investiert,                wirkliche Sicherheit. Sorgen wir dafür, dass die
tet. Wegen der ideologischen Fixierung der           gegen früheren Beteuerungen als nicht geeignet       um uns auf einen Luftkrieg mit Österreich vor-             Walliser Industrie das Chlor vor Ort produziert.
Sicherheitspolitik auf unrealistische Be-            für die Betreuung von Pandemie-PatientInnen          zubereiten, aber wir waren nicht bereit, dem               Bauen wir ein dezentrales, erneuerbares Ener-
drohungsszenarien sind wir um ein Haar an            heraus. Der Sanitätsdienst des Zivilschutzes         Personal im Gesundheitswesen die Ressourcen                gienetz, das Stromausfälle verunmöglicht. Und
einer noch grösseren Katastrophe vorbei-             wurde 2004 abgeschafft. Einen nennenswerten          bereitzustellen, um im Pandemiefall um das Le-             bereiten wir uns besser auf die nächste Pande-
geschlittert. Von Andreas Weibel                     Vorrat an Schutzmaterial hatte die Schweiz           ben aller PatientInnen zu kämpfen. Wir haben               mie vor. Denn ein Virus, das noch gefährlicher
                                                     nicht, auch keine Kapazität, um selbst Schutz-       Schützenpanzer gehortet, aber keine Schutz-                ist wie Covid-19, wird mit Bestimmtheit kom-
Zahlreiche ExpertInnen warnen bereits seit           material herzustellen. Eine geplante Reserve         masken. Wir hatten massenhaft Maschinenge-                 men.
Jahren, dass früher oder später eine Pandemie        an Betten auf Intensivstationen gab es nicht.        wehre an Lager, aber keine Beatmungsmaschi-
die Welt erfassen wird. In den letzten zwanzig       Für einige Wochen im März und April stand            nen. Wir haben jedes Jahr Tausende Männer an
Jahren sind wir mindestens drei Mal knapp da-        das Schicksal der Schweiz auf der Kippe. Hätte       der Waffe ausgebildet, aber nicht in der Pflege.
ran vorbeigeschrammt. Der Risikobericht des          der Bundesrat nicht rechtzeitig und beherzt ra-
Bundesamts für Bevölkerungsschutz von 2015           dikale Einschränkungen des öffentlichen Le-          Sorgen wir für wahre Sicherheit
warnte eindringlich, dass eine Pandemie (zu-         bens beschlossen; hätte sich die Bevölkerung         Pandemien sind nicht das einzige Bedrohungs-
sammen mit einem längeren Stromausfall) das          nicht verantwortungsvoll und mit viel Solidari-      szenario, das die Sicherheitspolitik bisher igno-
grösste Risiko für die Schweiz darstellt. Die Ein-   tät der Situation gestellt; wäre das Virus nur ein   riert hat. Jeden Moment könnte die Schweiz
tretenshäufigkeit einer Pandemie schätzte der        paar wenige Prozentpunkte ansteckender oder          ein Erdbeben treffen, das Zehntausende To-
Bericht auf alle 30 bis 100 Jahre. Das heisst, sie   die Hospitalisierungsrate höher gewesen1 ; würde     desopfer fordert. Ein mit Chlorgas gefüllter
war statistisch gesehen überfällig.                  das Virus bei jüngeren Menschen nicht meist          Zug könnte im Wallis oder im Genferseegebiet
                                                     einen harmlosen Verlauf nehmen; wären wir            verunglücken und die Menschen in einem Ra-
Miserable Vorbereitung                               nicht durch die Situation in Wuhan und später        dius von zweieinhalb Kilometern töten. Die
                                                                                                                                                                     1
Die bürgerlichen SicherheitspolitikerInnen und       Norditalien vorgewarnt gewesen; hätten wir           Klimakatastrophe wird zu Hitzewellen, Was-                  Zum Vergleich: Das Masernvirus ist rund zehnmal
das VBS hatten die eigenen ExpertInnen nie           nicht in letzter Minute Schutzmaterial aus Chi-      sermangel und Waldbränden führen, wie wir                  ansteckender als Covid-19. Und frühere Corona-
wirklich ernst genommen. Das Resultat davon:         na importieren können – wenn alle diese Fak-         sie in der Schweiz bisher nicht kannten.                   viren waren dreissigmal tödlicher.
4
    SCHWEIZ                                                                                                                                                         GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

SWISSCOY

Der Militäreinsatz, der nicht enden will                                                                                                                Zwischenstand

Der Bundesrat will ab April 2021 die maxi-       rigen, die Swisscoy, an die KFOR entsendet.       der lokalen Behörden und deren Akzeptanz
                                                                                                                                                        Zivildienst-
male Kapazität des Kontingents für den
Swisscoy-Einsatz auf 195 Personen erhö-
                                                 Diese ist eine multinationale militärische For-
                                                 mation unter der Leitung der Nato.
                                                                                                   durch die Bevölkerung. So wird die Inkohärenz
                                                                                                   der Schweiz bezüglich des Kosovos offensicht-
                                                                                                                                                        referendum
hen. Das Parlament wird in seiner nächsten       Ebenfalls seit über 20 Jahren kritisiert die      lich: Die Schweiz war eines der ersten Länder,       (kp) Die Erkämpfung des Zivildiens-
Session darüber befinden. Die sicherheits-       GSoA diese Zusammenarbeit zwischen der            das den Kosovo als unabhängiges Land aner-           tes war ein langwieriger und zäher
politische Kommission des Nationalrats hat       Schweiz und der Nato. Der globale Neomilita-      kannt hatte und somit auch das Gewaltenmo-           Prozess. Trotz harter Strafen verwei-
bereits verlauten lassen, sie würde die          rismus, der unter der Ägide der Nato errichtet    nopol durch die lokalen Behörden. Gleichzei-         gerten jährlich immer mehr Männern
Vorschläge des Bundesrats annehmen.              wurde, hat schon immer im Interessen der          tig engagiert sie sich militärisch, um die Staats-   den Militärdienst. Nicht einmal 25
Von Aline Bressoud                               Mächte gehandelt, aus denen das Bündnis zu-       gewalt zu sichern und aberkennt dem Staat so         Jahre alt ist der Zivildienst geworden
                                                 sammengesetzt ist.                                teilweise dieses Monopol.                            und schon versuchen bürgerlich-
Gemäss Bundesrat erfordert die politische Si-                                                      Schliesslich ist dieser Einsatz bloss ein frucht-    konservative Kräfte diesen wieder
tuation und die Sicherheitslage weiterhin die    Ein falsches Sicherheitsargument                  loser Versuch, die Schweizer Armee zu legiti-        abzubauen. Der Bundesrat präsen-
Anwesenheit der Kosovo Force (KFOR) zur          Das Argument der Sicherheit ist also das Leit-    mieren. Es ist dringend nötig, das Geld, wel-        tierte verschiedene Verschärfungen
Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit     motiv, das den Militäreinsatz rechtfertigt. Die   ches für die Militärpräsenz ausgegeben wird,         nach dem Motto: Wer einmal in der
im Kosovo. Aufgrund dieses Sicherheitsargu-      Sicherheitslage hat sich jedoch in den letzten    in zivile Projekte für Entwicklung und Zusam-        Armee ist, soll auch bleiben.
ments wird seit über 20 Jahren die Militärprä-   Jahren gerade deshalb so wenig verändert, weil    menarbeit zu investieren. Investitionen in Bil-      Aufgrund der ausserordentlichen Co-
senz im Kosovo gerechtfertigt. Die Schweiz       internationale bewaffnete Truppen sich vor Ort    dung und soziale Sicherheit sind der einzige         vid-19-Lage wurde der Entscheid
nimmt seit 1999 an diesen Operationen zur so-    befinden, was einer paternalistischen Bevor-      Weg, um die Stabilität der lokalen Behörden          gefällt, die parlamentarische Früh-
genannten «Friedenssicherung» teil, indem sie    mundung gleichkommt. Die Truppen ersetzen         zu garantieren.                                      jahrssession auszusetzen. Die Ver-
ein Kontingent an freiwilligen Militärangehö-    lokale Akteure, verhindern die Entwicklung                                                             schiebung der Geschäfte bedeutet,
                                                                                                                                                        dass die Verschärfungen im Zivil-
                                                                                                                                                        dienst noch nicht beschlossen wur-
                                                                                                                                                        den. Folglich gibt es auch vorerst
SÖLDNERGESETZ                                                                                                                                           keine Referendumsfrist. Im Hinter-
                                                                                                                                                        grund laufen die Vorbereitungen für
Zuerst die Wirtschaft, dann die Menschenleben                                                                                                           ein Zivildienstreferendum aber fleis-
                                                                                                                                                        sig weiter.
Die Rechts- und Vertragssicherheit sind          tungsverträge. Dass sich beide Länder seit Jah-   Scheinteilung                                        In der Covid-19 Krise zeigt sich sehr
wichtige Institutionen. Sie zu verwenden,        ren aktiv am Jemenkrieg beteiligen scheint Pi-    Die ganze Sache rückt aber auch ins Bewusst-         gut, dass man mit Panzern und Ra-
um fragwürdigste Exporte und Dienstleis-         latus nicht zu stören. Diese Wartungen hat das    sein: Die Kategorie der «besonderen militäri-        keten keinen Virus besiegen kann.
tungen zu erlauben, ist zynisch. Die Firma       eidgenössische Departement für auswärtige         schen Güter», die nicht unter Kriegsmaterial         An Stelle einer militaristischen
Pilatus tut genau das. Von Magdalena Küng        Angelegenheiten (EDA) als eine logistische        fallen, ist eine Farce. Die Trainingsflugzeuge       Kampfhaltung braucht es zivile Al-
                                                 Unterstützung von Streitkräften im Sinne des      von Pilatus werden als solche «besonderen mi-        ternativen, welche sich in Sozialbe-
«Wir können doch nicht einfach verschwin-        Bundesgesetzes über die im Ausland erbrach-       litärischen Güter» behandelt. Nur so konnten         rufen bereits auskennen. Viele der
den», antwortete der Verwaltungsratspräsident    ten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS)    sie überhaupt je in Länder wie Saudi-Arabien         tausenden Zivildienstleistenden sind
des Flugzeugherstellers Pilatus Oscar Schwenk    eingestuft und verboten, weil sie nicht mit den   oder die VAE exportiert werden, da für diese         entsprechend ausgebildet und damit
letzten Sommer auf die Frage der Neuen Zür-      aussenpolitischen Zielen der Schweiz zu ver-      Kategorie laschere Exportbedingungen gelten          bestens vertraut mit dem Gesund-
cher Zeitung, ob das Unternehmen die Zu-         einbaren sind. Pilatus hat sich medienwirksam     als für Kriegsmaterial. Dass das EDA nun zum         heitswesen.
sammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen      dagegen gewehrt und mit der Berufung auf          Schluss kommt, dass diese Exporte dennoch            Sobald sich das Parlament wieder
Emiraten (VAE) und Saudi-Arabien nicht           notwendige Rechtssicherheit für Exportfirmen      nicht mit den aussenpolitischen Zielen zu ver-       trifft und definitiv gegen den Zivil-
schon längst hätte einstellen sollen. Für die    viel Sympathien im Parlament abholen kön-         einbaren sind, bringt die ganze Absurdität der       dienst wendet, ist das Referendum
Trainingsflugzeuge, die Pilatus an die VAE und   nen. Eine Anpassung des BPS wird von ver-         «besonderen militärischen Güter» zu Tage.            sicher. Eine erste Aktion für den Er-
Saudi-Arabien verkauft hat, laufen noch War-     schiedenen Seiten gefordert.                                                                           halt des Zivildienstes gab es bereits
                                                                                                                                                        zu Ostern. Mit der Parole «Zivildienst
                                                                                                                                                        retten» zeigten dutzende Unterstü-
MITHOLZ                                                                                                                                                 zerInnen Gesicht gegen die geplan-
                                                                                                                                                        ten Verschärfungen.
Ein höchst explosiver Schlamassel
Immer wieder kommen Altlasten der                zer Seen liegen hunderte Tonnen Munition.
Schweizer Armee zum Vorschein. Das ak-           Die Armee hatte früher bewusst Munition in
tuellste Beispiel sind die 3500 Tonnen           den Schweizer Gewässern «entsorgt». Das
scharfer Munition, welche noch immer in          VBS hat bis anhin immer kommuniziert, dass
Mitholz verborgen liegen. Doch auch              die Munition unter Sedimentschichten ver-
die Verschmutzung der Seen durch Armee-          schüttet und geschützt sei und deshalb nicht
                                                                                                    Mitholz nach der Explosion im Jahr 1947.
Abfälle hat bis heute schwerwiegende             geborgen werde müsse. Wie die NZZ berich-
                                                                                                   (Bild: Staatsarchiv des Kantons Bern, BB 14.1.408)
Folgen für unsere Ökosysteme.                    tete, wurden aber nun im Genfersee offene
Von Lewin Lempert                                Munitionskisten (einer privaten Rüstungsfir-
                                                 ma) entdeckt – ohne Sedimentschicht und 150
Im Jahr 1947 kam es im Munitionslager Mit-       Meter von einer Trinkwasser-Entnahmestelle
holz im Kandertal zu einer schweren Explosi-     entfernt. Offizielle Schätzungen gehen von 150
on, wobei aber nicht sämtliche Munition ex-      bis 1000 Tonnen Munition im Genfersee aus –
plodierte und bis heute 3500 Tonnen explosive    es weiss also niemand, wie viel Munition wirk-
Munition unter Geröllmassen verschüttet lie-     lich auf dem Grund des Sees liegt. Aufgrund
gen blieben. Über mehr als 70 Jahre kamen        dieser besorgniserregenden Recherche will das
die zuständigen Behörden insbesondere aus        VBS nun nochmals überprüfen, wie die Situa-
dem Militärdepartement zum Schluss, dass         tion in den anderen Schweizer Seen ist und
man die verschüttete Munition einfach liegen     ob es eventuell auch dort besser wäre, die Mu-
lassen kann. 2018 dann die Hiobsbotschaft: Es    nition zu bergen. Wie viele Milliarden das
besteht ein erhöhtes Risiko für weitere massi-   kosten würde, ist nicht bekannt. Und wer all
ve Explosionen. Anfang 2020 informierte das      die Kosten für die Beseitigung von Armee-
VBS, dass für die nötige Räumung alle 170 Be-    Altlasten übernimmt, bleibt ebenfalls im Dun-
wohnerinnen und Bewohner ihr Dorf Mitholz        keln. Das Verursacherprinzip scheint im VBS
für zehn Jahre verlassen müssen. Zudem koste     jedenfalls noch nicht Einzug gehalten zu ha-
die Räumung gemäss aktueller Schätzung eine      ben. Denn eigentlich ist klar: Die Kosten für
Milliarde Franken.                               die Räumung sollten im Rahmen des Armee-
                                                 budgets finanziert werden. Für eine intakte
Verschmutzte Schweizer Gewässer                  Biodiversität und zum Schutz der Bevölkerung
Doch nicht nur alte Munitionsbestände in Mit-    könnte man ja auf den einen oder anderen
holz geben Anlass zur Sorge. In vielen Schwei-   Kampfjet verzichten.
5
    SCHWEIZ                                                                                                                                                                          GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

KRIEGSGESCHÄFTE-INITIATIVE

Leben kommt vor Profit – Ende der Diskussion                                                                                                                        eingesetzt. Somit bereichern sich die Firmen
                                                                                                                                                                    und die InvestorInnen, und gleichzeitig werden
                                                                                                                                                                    Menschen getötet oder zur Flucht aus ihrem
Die Kriegsmaterialfinanzierung erreicht                      Profite über Menschenleben gesiegt haben, als     letzter Sekunde seine Meinung, so dass das           Heimatland gezwungen.
neue Höchststände. Dennoch verwarf der                       der Nationalrat die Kriegsgeschäfte-Initiative    Verkaufsargument nur um ein Haar nicht zur
Nationalrat unsere Kriegsgeschäfte-Initiative.               mit 120 gegen 71 Stimmen verwarf.                 Realität wurde. Einige Monate später aber tötete     Aufschwung für nachhaltige Investitio-
Eine ideale Gelegenheit, um auf die Funktions-                                                                 die amerikanische Armee bei einem Angriff            nen durch die Corona-Krise?
weise von Kriegsgeschäften, die im Mittel-                   Spannungen zwischen Iran und USA:                 hochrangige iranische Militärs. Daraufhin            Eine der meistangebrachten Kritiken an nach-
punkt unserer Initiative stehen, zu blicken.                 Ein Musterbeispiel                                schnellte die Aktie von Northrop Grumman             haltige Fonds ist, dass sie durch den Ausschluss
Zudem fragen wir uns, welche Auswirkungen                    Drehen wir das Rad der Geschichte ein wenig       um 8 Prozent in die Höhe. Die Credit Suisse          gewisser Investitionen weniger diversifiziert
die Corona-Krise auf unsere Forderungen                      zurück, ins Jahr 2008. Damals versuchte die       besitzt 310’150 Titel dieser Firma. Es ist somit     und somit anfälliger seien. Doch die Corona-
haben wird. Von Thomas Bruchez                               Firma Northrop Grumman seine Drohnen Na-          davon auszugehen, dass die Grossbank mit die-        Krise beweist genau das Gegenteil, denn nach-
                                                             mens Global Hawk zu verkaufen. Northrop           sem Angriff über 12 Millionen Dollar verdient        haltige Indizes erlitten einen weniger starken
Mehr als zehn Milliarden Franken – soviel                    Grumman ist eine amerikanische Firma, die         hat. Die Pensionskassen haben ebenfalls davon        Rückgang als andere Börsenindizes. So hat
haben Schweizer Banken in amerikanische                      87 Prozent ihres Umsatzes im Bereich Rüstung      profitiert, denn die Titel von Northrop Grumman      beispielsweise im März der nachhaltige MSCI
Rüstungsfirmen investiert. Viele davon produ-                erzielt, und die am Bau von Atomwaffen be-        machen 0,13 Prozent des MSCI World aus, einem        SRI (Socially Responsible Investing) 10,76 Pro-
zieren ebenfalls Atomwaffen, die laut Schwei-                teiligt ist. Unter anderem wird sie von der UBS   der meist replizierten Indizes weltweit.             zent seines Werts verloren, der MSCI World
zer Gesetz nicht direkt finanziert werden dür-               und der Credit Suisse finanziert. Um das Pen-     Diese Geschichte ist ein Musterbeispiel für die      hingegen 13,17 Prozent. Dies wird sich sicher-
fen. Ihr findet das anstössig? Ganz zu Recht,                tagon von der Qualität seiner Drohnen zu          Art und Weise, wie Kriegsgeschäfte funktio-          lich positiv auf nachhaltige Investitionen aus-
denn es ist in der Tat anstössig – vor allem                 überzeugen, präsentierte Northrop Grumman         nieren: Die InvestorInnen legen ihr Geld in          wirken, haben diese doch in der Schweiz in den
wenn man hört, was Bundesrat Guy Parmelin,                   ein Konfliktszenario zwischen den USA und         Fonds an, zu denen auch Aktien von Rüstungs-         letzten Jahren bereits stark zugenommen. 2017
Vorsteher des Wirtschaftsdepartements, dazu                  dem Iran, das zwischen 2015 und 2020 stattfin-    firmen zählen. Die Kriegsmaterialproduzenten         machten sie noch 71,3 Milliarden aus, 2019
zu sagen hat: «Es ist falsch zu sagen, dass das              den sollte. Das Pentagon ist davon überzeugt      benutzen das ihnen zur Verfügung gestellte           waren es bereits 233 Milliarden. Dies ist ein
Finanzierungsverbot so wie es derzeit im                     und kauft 157 Global Hawks. Im Juni 2019          Kapital, um Waffen zu produzieren, die sie an-       weiterer Beweis dafür, wie angebracht unsere
Kriegsmaterialgesetz steht, zu schwach ist.»                 wurde eine dieser Drohnen über der Strasse        schliessend an Staaten oder andere Kriegsfüh-        Initiative ist. Es liegt nun an uns, eine überzeu-
Diese Art von Falschbehauptungen sind                        von Hormus abgeschossen. Donald Trump er-         rer verkaufen. Am Ende dieser Kette werden           gende Kampagne für unser realistisches Vorha-
Grund dafür, weshalb im März 2020 erneut                     laubte einen Gegenangriff, änderte aber in        die tödlichen Güter in Kriegen und Konflikten        ben zu gestalten. Denn es ist nötiger denn je!

KORREKTUR-INITIATIVE

Bundesrat präsentiert Gegenvorschlag                                                                                                                                entschieden abzulehnen. Eine immer wieder
                                                                                                                                                                    propagierte «Gefährdung» der schweizerischen
                                                                                                                                                                    Rüstungsindustrie ist kein Grund, Waffen an
Wie in der letzten Ausgabe der GSoA-                         Bewilligungskriterien auf Gesetzesstufe veran-    erfordern. Solche würden gemäss dem Bun-             Bürgerkriegsländer zu liefern! Die neusten
Zeitung angekündigt, hat der Bundesrat                       kert werden, inklusive der Ausnahme für Län-      desrat unter anderem dann vorliegen, wenn            Kriegsmaterialexportzahlen zeigen zudem: Die
am 20. März 2020 zwei Varianten eines in-                    der, die Menschenrechte schwerwiegend und         die schweizerische Rüstungsindustrie akut ge-        unrühmliche Industrie ist weit weg davon zu
direkten Gegenvorschlags zur Korrektur-                      systematisch verletzten.                          fährdet wäre. Dies würde bedeuten, dass der          verlumpen.
Initiative in die Vernehmlassung geschickt.                  Nicht dem Erwarteten entspricht jedoch die        Bundesrat per Notrecht Waffen auch an Län-           Viel besser ist da die Variante 2 des Gegenvor-
Von Moritz Lange                                             vorgesehene Ausnahmeregelung zugunsten            der exportieren könnte, die in einen Bürger-         schlags. Damit würden die Bewilligungskrite-
                                                             des Bundesrats. Variante 1 des Gegenvor-          krieg verwickelt sind oder an Länder, welche         rien ebenfalls auf Gesetzesstufe geregelt wer-
Die beiden vorgeschlagenen Varianten des                     schlags sieht nämlich vor, dass der Bundesrat     die gelieferten Waffen gegen die Zivilbevöl-         den, was bei zukünftigen Änderungsplänen des
Gegenvorschlags entsprechen in etwa dem                      von den Bewilligungskriterien abweichen           kerung einsetzen. All das nur, damit die Rüs-        Bundesrats ein Referendum ermöglichen wür-
Erwarteten. So sieht Variante 1 vor, dass die                kann, falls es «ausserordentliche Umstände»       tungsindustrie mehr Geld verdienen kann.             de. In Variante 2 verzichtet der Bundesrat zu-
                                                                                                                                                                    dem auf die Ausnahme für Länder, die Men-
                                                                                                               Bessere Variante                                     schenrechte verletzten und auch auf eine Aus-
                                                                                                               Darauf passt nicht einmal Brechts Zitat: «Das        nahmeklausel zugunsten des Bundesrats.
                                                                                                               Fressen kommt vor der Moral.» Denn um das            Für die GSoA und auch für die Allianz gegen
                                                                                                               Fressen geht es dabei nun wirklich nicht. Die        Waffenexporte in Bürgerkriegsländer ist klar,
                                                                                                               Schweiz wäre auch ohne Rüstungsindustrie ge-         dass die Korrektur-Initiative nur zugunsten von
                                                                                                               nau so reich wie heute und niemand hier müsste       Variante 2 des Gegenvorschlags zurückgezo-
                                                                                                               Hunger leiden. Vielmehr geht es aber darum,          gen werden könnte. Die Korrektur-Initiative
                                                                                                               skrupellos den Profit zu maximieren. Das der         verlangt nicht viel – lassen wir uns das Wenige
                                                                                                               Bundesrat dies zulassen will, verstört und ist       nicht auch noch nehmen!

                                                                                                               KAMPFJET-REFERENDUM

                                                                                                               Gewinnen ist möglich
                                                                                                               Die Corona-Krise hat dazu geführt, dass die          haben könnte. Gemäss einer Umfrage des so-
                                                                                                               Sammelfrist für das Kampfjet-Referendum              tomo-Instituts lehnten im letzten Herbst 47
                                                                                                               unterbrochen werden musste. So konnten               Prozent der Bevölkerung den Kauf neuer Lu-
                                                                                                               die über 70’000 Unterschriften erst Mitte            xus-Kampfjets ab. Die Corona-Krise hat zudem
                                                                                                               Juni eingereicht werden. Die Abstimmung              aufgezeigt, dass wir uns als Gesellschaft unbe-
                                                                                                               findet aber trotzdem bereits am 27. Sep-             dingt auf realistische Bedrohungsszenarien vor-
Einreichung der Korrektur-Initiative vor einem Jahr. (Bild: GSoA)                                              tember statt. Von Lewin Lempert                      bereiten müssen: Auf den Schutz vor Notlagen,
                                                                                                                                                                    Katastrophen und Cyber-Angriffen oder auch
                                                                                                               Die fulminante Sammelphase für das Kampf-            auf die Bekämpfung des Klimawandels. Wenn
                                                                                                               jet-Referendum wurde durch die Corona-Krise          wir aber jetzt milliardenschwere Kampfjets kau-
                                                                                                               etwas ausgebremst. Während ungefähr einein-          fen, fehlt dafür das Geld. Auch wird durch
                                                                                                               halb Monaten hat die Bundeskanzlei einen Fris-       die Corona-Krise klar, dass 24 Milliarden für
                                                                                                               tenstillstand verfügt. Dies führte dazu, dass kei-   unnötige Luxus-Jets angesichts steigender
                                                                                                               ne Unterschriften gesammelt werden durften           Arbeitslosigkeit oder zu tiefer Löhne in sys-
                                                                                                               und das Referendum erst Mitte Juni eingereicht       temrelevanten Berufen einen Affront darstel-
                                                                                                               werden konnte. Doch dies ist nicht weiter            len. Aus diesen Gründen ist die Trägerschaft
                                                                                                               schlimm, denn eine bisher unveröffentlichte          des Referendums mit Hochdruck daran, die
                                                                                                               Umfrage zeigt, dass das Kampfjet-Referendum          Abstimmung über neue Kampfjets optimal vor-
                                                                                                               bei einer Abstimmung durchaus gute Chance            zubereiten – für einen Sieg an der Urne!
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    INTERNATIONAL                                                                                                                                                                   GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

ANTIPERSONENMINEN

As smart as Donald                                                                                   Panzer- und andere Minen ausgeschlossen
                                                                                                     wurden, verringerte sich die Anzahl Opfer von
                                                                                                     Antipersonenminen innerhalb von 20 Jahren
                                                                                                     massgeblich.
                                                                                                                                                                Das Weisse Haus betont dabei, nur sogenannt
                                                                                                                                                                «fortschrittliche, sich selbstzerstörende Land-
                                                                                                                                                                minen» einzusetzen, die ZivilistInnen keinen
                                                                                                                                                                Schaden zufügen sollen. Das klingt in etwa so
Explodierende Antipersonenminen sind              kräften neu die Verwendung von Antiperso-          164 Staaten haben bis heute diese Konvention               absurd wie ein gewöhnlicher Tweet Donald
meistens tödlich oder verletzen schwer und        nenminen wieder erlauben. Das US-Militär           ratifiziert – nicht dazu gehören neben den Gross-          Trumps. Denn: intelligente Waffen gibt es nicht.
dauerhaft. Sie treffen oft die Wehrlosesten       habe sonst ernsthafte Nachteile, so die Kom-       mächten China und Russland auch die USA.                   Es gibt keine Garantie vor Blindgängern und
der Zivilgesellschaft – die Kinder. Die USA       munikation aus dem Weissen Haus.                   Auch Barak Obama wollte die Konvention trotz               es gibt keine Garantie, dass sie sich plangemäss
verzichtete seit 2014 weitgehende auf die                                                            erheblichem Druck nicht ratifizieren. 2014 hat             selbst zerstören. Dafür sind die Berichte zahl-
Verwendung und Vermarktung von Minen.             Internationale Ächtung                             er jedoch die Zerstörung der Bestände ange-                reich, in denen Nichtregierungsorganisationen
Mit Donald Trump am Drücker soll sich nun         Mit dem «Mine Ban Treaty» von 1997, bekann-        ordnet und seinen Streitkräften die Verwendung             dokumentieren, dass eben genau solche «selbst-
auch das ändern. Von Judith Schmid                ter unter dem Namen Ottawa-Konvention,             von Minen untersagt. Einzige Ausnahme: der                 zerstörenden» Waffen weltweit töten, verletzen
                                                  wurde ein erster Schritt in Richtung Ächtung       Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea.                 und die betroffenen Zivilbevölkerungen in
US-Präsident Trump hat in seiner bisherigen       von Antipersonenminen gemacht. Die Konven-                                                                    Angst und Schrecken versetzen.
Amtszeit viel Unverständliches gemacht – und      tion verbietet den Einsatz, die Herstellung, die   «Smarte» Waffen?
doch bleibt einem bei neuen Verkündigungen        Lagerung und die Weitergabe solcher Minen.         Die USA will sich also die Möglichkeit zur
immer wieder der Atem weg. So auch Ende           Und auch wenn sie, wie viele solche Konven-        Verwendung von Antipersonenminen in «aus-
Januar dieses Jahres: Trump will seinen Streit-   tionen, zuwenig weit greift, indem zum Beispiel    sergewöhnlichen Umständen» offenlassen.

EU-AUSSENGRENZE

Fluchtursachen statt Flüchtende bekämpfen!
Innere Aufrüstung und geschlossene                zu sein und forderte das Land auf, die Stellung
Aussengrenzen – so lässt sich die Sicher-         zu halten. Mit dieser kriegerischen Rhetorik
heitspolitik der EU der letzten Jahre zu-         wird suggeriert, die schutzsuchenden Menschen
sammenfassen. Leidtragend sind die                an der Grenze seien gefährlich – eine Bedro-
Schutzsuchenden, die damit ausgesperrt            hung für die EU.
werden sollen. Von Nadia Kuhn
                                                  Einfache Abschiebung durch
Es sind verstörende Szenen, die sich an der       «Migrationspakte»
Aussengrenze Europas abspielten: Nachdem          Diese Reaktion reiht sich nur zu gut in die Ent-
die Türkei erklärte, schutzsuchende Menschen      wicklung der Sicherheitspolitik der EU in den
bei ihrer Flucht nach Europa nicht mehr aufzu-    letzten Jahren ein. Nebst der inneren Aufrüs-
halten, machten sich mehrere tausend Menschen     tung, die durch den europäischen Verteidi-
auf den Weg nach Griechenland. Die Sicher-        gungs-Aktionsplan und PESCO konsequent vo-
heitskräfte an den Grenzen setzten Blendgra-      rangetrieben werden, stehen dabei die Siche-
naten und Tränengas ein, um die Flüchtenden       rung und die Vorverlagerung der europäischen
zurückzudrängen. Ärzte ohne Grenzen berich-       Aussengrenzen im Fokus. Schutzsuchende
tet von einem Mitarbeiter der griechischen Küs-   Menschen sollen erst gar nicht nach Europa ge-
tenwache, der mit einer Pistole auf ein Boot      langen, sondern bereits an den Aussengrenzen
voller Kinder, Frauen und Männer gezielt habe.    zurückgehalten werden. Zentral für diese Stra-
Videos von Motorboten, die absichtlich            tegie sind die sogenannten Migrationspakte mit
Schlauchboote voll mit Flüchtenden zum Ken-       Drittstaaten an den Aussengrenzen der EU.
tern bringen wollen, machten die Runde.           Als Blaupause eines solchen Paktes kann wohl                In Vollmontur gegen Schutzsuchende – besorgniserregende Szene in Mytilini, Lesbos. (Bild: Jojo Schulmeister)
Verstörender noch als diese Bilder waren je-      der EU-Türkei-Deal bezeichnet werden, der im
doch die Reaktionen der Regierungen Europas.      März 2016 unterzeichnet wurde. Zentraler Be-       Festland betreten haben. Dieses Abkommen                   zur Abwehr von MigrantenInnen gesteckt.
Im Angesicht dieser humanitären Katastrophe       standteil des Abkommens ist, dass Flüchtende,      ist somit auch der Grund für die hoffnungslos              Gleichzeitig musste das italienische Flücht-
erklärte etwa die EU-Kommissionspräsidentin       die aus der Türkei nach Griechenland gelangen,     überfüllten Lager auf den griechischen Inseln,             lingsrettungsprogramm «Mare Nostrum», das
Ursula von der Leyen, man werde die euro-         nach einem schnellen pro forma-Verfahren           in denen mehr als 42’000 Asylsuchende unter                jährlich 100 Millionen kostete, eingestellt wer-
päischen Aussengrenzen «mit allen nötigen         wieder in die Türkei abgeschoben werden.           unmenschlichen Bedingungen ausharren müssen.               den – weil die EU finanzielle Hilfe verweiger-
Massnahmen» schützen. Ausserdem dankte sie        Gemäss dem Deal können aber nur Menschen           Seit 2009 wurden fast 1,3 Milliarden Euro al-              te. Dabei wäre es endlich Zeit, dass statt Flüch-
Griechenland dafür, der «europäische Schild»      abgeschoben werden, die nie europäisches           lein in die Forschung zur Grenzkontrolle und               tenden die Fluchtgründe bekämpft werden!

KRIEGSMATERIAL

Waffenexporte ohne Ende                                                                              fach keine Kontrolle hat. Wer also mit Garan-
                                                                                                     tie verhindern möchte, dass Waffen in falsche
                                                                                                     Hände geraten, der muss verhindern, dass sie
                                                                                                                                                                porte im ersten Quartal um 220% im Vergleich
                                                                                                                                                                zum Vorjahresquartal und bereits mehr als die
                                                                                                                                                                Hälfte der Gesamtexporte des letzten Jahres.
Die Schweizer Waffenexporte scheinen              plexen Bürgerkrieg zu unterstützen. Mit dabei      überhaupt erst exportiert werden.                          Sollten sich die Zahlen sich so weiter entwi-
wieder auf ein neues Exporthoch zuzusteu-         sind auch 35mm Kanonen der Schweizerischen                                                                    ckeln, wonach es aktuell aussieht, steht uns
ern. Und im selben Moment finden sich             Oerlikon Bührle, der heutigen Rheinmetall Air      Massiv gestiegene Exporte                                  möglicherweise ein trauriges neues Rekord-
Schweizer Waffen, die in die Türkei expor-        Defence.                                           Doch danach, dass sich die Exporte von                     hoch an Kriegsmaterial-Exporten bevor. Und
tiert wurden, nun in Libyen. Von Adi Feller       Es ist nicht das erste Mal, dass Schweizer Waf-    Kriegsmaterial aus der Schweiz in diese Rich-              dies nachdem die Rüstungsindustrie in den
                                                  fen in Libyen auftauchen. Neben Munition der       tung entwickeln, sieht es momentan leider                  letzten Monaten und Jahren immer darüber
Ein türkisches Schiff entlädt Waffen in einem     Ruag oder einem Granatwerfer von B&T               nicht aus. Im ersten Quartal 2020 exportierte              gejammert hatte, wie schlecht es ihr doch gehe
Hafen. An sich keine besondere Ansicht. Doch      wurden auch bereits Oerlikon-Kanonen im            die Schweiz gemäss kürzlich publizierten Zah-              und wie wenig Aufträge sie doch habe. Wir
der Hafen liegt in Libyen und eigentlich gilt     Bürgerkriegsland gesichtet. Flugabwehrkano-        len des Seco für fast 400 Millionen Franken                werden sehen, wie diese Zahlen die parlamen-
ein Waffenembargo der UNO für dieses Land.        nen lassen sich eben auch gut gegen Boden-         Kriegsmaterial. Dazu gehörten Exporte über                 tarischen Diskussionen rund um den Gegen-
Den türkischen Präsidenten Erdogan scheint        ziele einsetzen, beispielsweise gegen Häuser       111 Millionen Franken nach Indonesien, einem               vorschlag zur Korrektur-Initiative beeinflussen
dies jedoch nicht besonders zu stören, türki-     mit ZivilistInnen drin. Und so zeigt sich wieder   Land dem immer wieder gravierende Men-                     werden. Wir werden alles daransetzen, dass
sche Truppen und Waffen werden in Tripoli         einmal, dass die Schweiz über jegliches Kriegs-    schenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.                die Exporte nicht in diesem Ausmass weiter-
angelandet, um eine der Fraktionen im kom-        material, das sie exportiert, schlicht und ein-    Dies bedeutet eine Steigerung der Waffenex-                gehen können.
7   INTERNATIONAL                                                                                                                                                      GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

SPIONAGE

Crypto-Affäre reloaded                                                                               wachungstechnologie prüfen, ob das Zielland
                                                                                                     Grundrechte verletzt oder die Technologie zur
                                                                                                     Repression benutzt werden könnte. Wer die
                                                                                                     Listen jener Länder prüft, die in den letzten
                                                                                                                                                       nesien, Vietnam und Katar. Alles Länder, die in
                                                                                                                                                       Bezug auf die Einhaltung von Menschenrech-
                                                                                                                                                       ten und Pressefreiheit ganz schlecht dastehen.

Die Crypto-Affäre brachte ans Licht, wie           verhindert werden kann, dass mit diesen Tech-     Jahren von Schweizer Firmen beliefert wur-        Was kümmern uns Menschenrechte
die Schweiz über Jahrzehnte ausländische           nologien Menschenrechte und Demokratie            den, dem wird rasch klar, dass es sehr wohl       im Ausland
Geheimdienste bei deren Spionagetätig -            verletzt werden, wurde im Nationalrat ein Vor-    notwendig wäre, diese Geschäfte kritischer zu     Die Ratsrechte wollte von einer Verschärfung
keiten unterstützte. Wer nun glaubt, dass          stoss eingereicht: Der Bund sollte, so die For-   hinterfragen. Rund drei Viertel der Exporte       allerdings nichts wissen. Die Argumente gegen
dies heute nicht mehr passiert, irrt sich.         derung, vor jeder Exportbewilligung von Über-     gingen an die Staaten Pakistan, Kuwait, Indo-     eine Verschärfung sind deckungsgleich mit je-
Es geht genau gleich weiter, einfach mit                                                                                                               nen, die gegen schärfere Regeln bei der Kriegs-
anderen Technologien.                                                                                                                                  materialausfuhr genannt werden: Schärfere
Von Martin Parpan                                                                                                                                      Kontrollen würden dazu führen, dass dieser In-
                                                                                                                                                       dustriezweig praktisch zu Erliegen kommen
Wenn Mobiltelefone benutzt werden, dann                                                                                                                würde. Dies hätte zur Folge, dass die Firmen
kommunizieren diese ständig mit Handy-An-                                                                                                              ins Ausland abwandern. Einmal mehr werden
tennen. Nun kann zwischen Mobiltelefon und                                                                                                             wirtschaftliche Interessen über Menschenrech-
Handy-Antenne ein sogenannter IMSI-Catcher                                                                                                             te gestellt. Man hat den Eindruck, dass die
geschaltet werden. Das Handy identifiziert die-                                                                                                        Crypto-Affäre bei der bürgerlichen Mehrheit
se IMSI-Catcher als normale Handy-Antenne,                                                                                                             keinerlei Lerneffekt ausgelöst hat. Das Sprich-
mit dem Resultat, dass die Kommunikation ab-                                                                                                           wort «ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es sich
gehört oder gar gestört werden kann. Nun kann                                                                                                          ganz ungeniert» passt zu dieser Art von Politik,
es durchaus Sinn machen, Kommunikation ab-                                                                                                             welche sich durch Ignoranz und Scheinheilig-
zuhören, beispielsweise wenn darum geht, Ter-                                                                                                          keit auszeichnet. Ignoranz deshalb, weil auch
roranschläge zu verhindern. Dies ist leider aber                                                                                                       die Ratsrechte sehr wohl weiss, dass die ex-
nicht der einzig mögliche Verwendungszweck                                                                                                             portierte Technologie auch gegen Menschen
der Abhörsoftware. Die Gefahr besteht, dass                                                                                                            eingesetzt wird. Scheinheilig deshalb, weil die-
Staaten die Technologie nutzen, um etwa Re-                                                                                                            selben PolitikerInnen an ihren Sonntagsreden
gime-GegnerInnen abzuhören bzw. zu über-                                                                                                               Demokratie als Grundwert in den höchsten
wachen. Mit anderen Worten können demokra-                                                                                                             Tönen loben. Wenn Demokratie in anderen
tische Grundprinzipien mit der Abhörtechnik                                                                                                            Staaten mit gütlicher Hilfe von Schweizertech-
ausgehebelt werden. Die Schweiz stellt solche                                                                                                          nologie unterdrückt wird, dann erinnert man
IMSI-Catcher her – und will sie natürlich an                                                                                                           sich nicht mehr daran. Die Sonntagsrede rich-
möglichst viele Abnehmer verkaufen. Damit                                                                                                              tet sich bekanntlich an das eigene Volk.

CRYPTO AG

Crypto-Neutralität                                                                                   Die Crypto AG belieferte rund 120 Länder,
                                                                                                     vor allem blockfreie, die weder Washington
                                                                                                     noch Moskau trauten. So konnten der CIA und
                                                                                                     der BND seit den frühen 1970er Jahren Staaten
                                                                                                                                                       fuhren, war der Anlass, die Steinhauser Fabrik
                                                                                                                                                       etwas genauer anzuschauen. Wir entdeckten,
                                                                                                                                                       dass die Firma eine Schwäche für CVP-Stadt-
                                                                                                                                                       präsidenten hatte. Die CVP war 1952 bis 2002,
Im Februar kam aus, dass die Zuger Crypto          Nachrichtendienst BND gekauft worden war,         wie Ägypten, Iran oder Argentinien abhören.       teilweise zu zweit, im Verwaltungsrat vertreten.
AG der CIA und dem BND gehört hatte                tönte es aus bürgerliche Kreisen, man habe        Im Fall von Ägypten half das, die arabische       1970 bis 2002 stellte sie deren Präsidenten.
und, dass mindestens ein Bundesrat darü-           immer gewusst, dass die Neutralität etwas Re-     Seite bei den Camp-David-Verhandlungen            Dann wechselte die Firma zur FDP. Georg Stu-
ber im Bild gewesen war. Von Josef Lang            latives war.                                      über den Tisch zu ziehen. Besonders drama-        cky, langjähriger Regierungsrat und National-
                                                                                                     tisch ist der Fall Argentinien. Die westlichen    rat, gehörte dem Verwaltungsrat 1992 bis 2016
Im Abstimmungskampf um die Schweiz ohne            Neutralität verletzt und missbraucht              Staaten – auch die deutsche Schmidt-Regie-        an und stand diesem 2002 bis 2016 vor.
Armee lautete ein Einwand gegen die GSoA-          Diese Antwort ist nicht nur zynisch, sondern      rung – wussten, dass die faschistoiden Militärs   Es war Nationalrat Stucky, der 1994 Bundesrat
Initiative, das Haager Abkommen von 1907           auch arg verharmlosend. Die Benützung des         Tausende von Oppositionellen folterten und        Villiger darüber informierte, dass die Crypto
beinhalte die rechtliche Verpflichtung zur be-     schweizerischen Territoriums für Nato-Staaten     aus Flugzeugen in die hohe See werfen liessen.    dem CIA gehörte. Ein Jahr zuvor hatte der
waffneten Neutralität. Damit verletze die Ab-      ist eine Verletzung von Artikel 301 des Straf-    Diese Beispiele zeigen, wieviel von den soge-     freisinnige Chef des Militärdepartements gegen
schaffung der Armee Abkommen und Neutra-           gesetzbuches, der politischen, wirtschaftlichen   nannten «westlichen Werten» zu halten ist.        die GSoA den Kauf des US-amerikanischen
lität. Als nun aber im Februar 2019 dank den       und militärischen Nachrichtendienst für einen                                                       F/A-18-Kampfjets durchgebracht. Villiger hat
Crypto-Leaks auskam, dass die Zuger Firma,         fremden Staat verbietet. Verschärfend kommt       Zuerst CVP-, dann FDP-Firma                       – anders als Medien berichteten – dieses Früh-
welche manipulierte Verschlüsselungsgeräte         dazu, dass die zugunsten des CIA und des BND      Einer der wichtigsten Crypto-Kunden war Süd-      jahr nie abgestritten, über das Verhängnis von
produziert hatte, 1970 vom US-amerikanischen       manipulierten Geräte nur Kunden fanden, weil      afrika. Die Belieferung des Apartheidregimes,     Crypto und CIA nicht informiert gewesen zu
Nachrichtendienst CIA und dem deutschen            diese der Neutralität der Schweiz vertrauten.     von dem die Zuger Linksalternativen 1982 er-      sein. Sein Dementi war ein relatives: Die In-
                                                                                                                                                       formationen würden «in dieser Form» nicht
                                                                                                                                                       stimmen. Anfangs dieses Jahres war es Villiger,
                                                                                                                                                       der Stucky telefonisch über die zu erwartenden
                                                                                                                                                       Crypto-Leaks informierte.
                                                                                                                                                       Die Bundespolizei, welche damals den «Ge-
                                                                                                                                                       rüchten» über eine Crypto-Beteiligung auslän-
                                                                                                                                                       discher Geheimdienste nachging, hatte offen-
                                                                                                                                                       sichtlich kein Interesse, dafür eine Bestätigung
    BUCHTIPP                                                                                                                                           zu finden. Der damalige Untersuchungsleiter
                                                                                                                                                       Jürg Bühler ist heute Vizechef des Nachrichten-
    «Demokratie in der Schweiz» von Jo Lang                                                                                                            dienstes. Dass der Bundesrat letztes Jahr ahnte,
                                                                                                                                                       was auf ihn zukommt, zeigt ein positiver Be-
    (jl) Das Buch über die Geschichte der Demokratie in der Schweiz des lang-                                                                          schluss, den der Volkswirtschaftsminister Guy
    jährigen GSoA-Mitglieds Jo Lang behandelt auch Fragen zu Armee und Mi-                                                                             Parmelin im Dezember 2019 gefasst hat: Der
    litarismus, Pazifismus und Antimilitarismus. Ein besonderes Gewicht legt es                                                                        Nachfolgefirma der 2018 aufgelösten Crypto
    im Kapitel «Uniform und Laufgitter» auf den Zusammenhang von Geistiger                                                                             wurde die Generalausfuhrbewilligung sistiert.
    Landesverteidigung und Ausgrenzung der Frauen sowie deren Krise und die                                                                            Eine Frage, die bislang etwas untergegangen
    Annahme des Frauenstimmrechts 1971. Grossen Raum nehmen auch die                                                                                   ist, soll hier am Schluss noch aufgeworfen wer-
    fünf Jahre zwischen 1987 (Ja zur Rothenthurm-Initiative) und 1992 (Ja zum                                                                          den: Erhärtet die Crypto-CIA/BND-Geschich-
    Zivildienst) mit dem Höhepunkt der GSoA-Abstimmung 1989 ein.                                                                                       te nicht den Verdacht, dass die Geheimtruppe
                                                                                                                                                       P-26 doch enger mit der Nato verbunden war?
                                                                                                                                                       Auch hier geht’s um die Neutralität.
8
    DIE LETZTE                                                                                                                                                                                 GSoA-Zitig Juni 2020 Nr. 182

FICHE

Morgenrapport des NDB vom 21.10.2013:                                                                                                   GSoA Bern:
«Sieg über GSOA Initiative hat […] sehr gefreut; […]»                                                                                   Teilsieg vor Bundesgericht
Nachdem unsere FreundInnen von grund-                    ist beispielsweise einem Eintrag zu entnehmen,                                 (mc) Mit über 20 Organisationen und Privatpersonen hat die GSoA Bern
rechte.ch gemeinsam mit weiteren Organi-                 dass die GSoA am Gurtenfestival 2010 präsent                                   unter Federführung der Demokratischen JuristInnen Bern (djb) vor dem
sationen aufgedeckt hatten, dass der                     war und Unterschriften gesammelt hat oder,                                     Bundesgericht eine Beschwerde gegen das neue kantonale Polizeigesetz
Nachrichtendienst des Bundes (NDB) poli-                 dass GSoA-AktivistInnen 2004 an der BEA in
                                                                                                                                        eingereicht. Angefochten wurden die Bestimmungen gegen die Kosten-
tische Organisationen illegal überwacht,                 Bern Flyer verteilt haben.
hat auch die GSoA ein Einsichtsgesuch                    Aber auch Tipps für künftige Aktionen sind                                     überwälzung bei Kundgebungen und Veranstaltungen, die Sonderjustiz
gestellt. Die Fiche ist nun endlich da.                  den Dokumenten zu entnehmen. So hat die                                        gegenüber Fahrenden (Lex Fahrende), die Observation mit technischen
Von Michael Christen                                     Kantonspolizei Bern beispielsweise damit ge-                                   Überwachungsgeräten und die automatische Strafandrohung bei Weg-
                                                         rechnet, dass am Eidgenössischen Schwing- und                                  weisungen. Bei drei von vier Punkten gab es einen Sieg. Einzig die Kos-
Nach einem guten halben Jahr erhielten wir               Älplerfest 2013 in Burgdorf die Anwesenheit                                    tenüberwälzung bei Kundgebungen war bei den fünf Richtern unbestritten.
endlich eine Antwort des NDB. Im beigelegten             von Bundesrat Ueli Maurer und der Patrouille
                                                                                                                                        Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, werden die Beschwer-
Schreiben steht prominent, dass die GSoA nicht           Suisse die GSoA dazu bewege, vor Ort eine
                                                                                                                                        deführenden entscheiden, ob das Urteil an den Europäischen Gerichtshof
als Objekt (umgangssprachlich «Fiche») erfasst           Aktion zu machen. Auch sei es bei einer Stan-
sei. Sie werde somit weder überwacht noch                dartenübergabe im Jahr 2017 nicht auszuschlies-                                für Menschenrechte in Strasbourg weitergezogen wird. Urteil 1C_181/2019
«fichiert». Diese «Nicht-Fiche» hat einen Um-            sen, dass sich «Exponenten der GSoA» am                                        vom 29. April 2020
fang von 49 Seiten.                                      Veranstaltungsort einfinden könnten.
Bei genauerem Durchlesen der «nicht-Fiche»               Nach Durchsicht dieser «Nicht-Fiche» fällt
stellt man fest, dass der NDB lediglich einige           einiges auf. So ist praktisch jede bewilligte
illustrative Einträge geschickt hat. Von den 951         und spontane Aktion der GSoA inkl. Anzahl
in der Datenbank «GEVER NDB» eingetrage-                 teilnehmender Personen vermerkt. Bei der                  wir beispielsweise auf Facebook Bundesrat                sen!»-Kampagne aus dem Jahr 2015 hat es bei-
nen Dokumenten, erhielten wir lediglich Aus-             Risikoeinschätzung haben wir aber noch einmal             Schneider-Ammann kritisiert. Offensichtlich              spielsweise in das «Internetmonitoring Links-
kunft über 18 Dokumente.                                 Glück gehabt: Da steht jeweils «LOW RISK».                kann der NDB zudem nicht mit politischen                 extremismus» geschafft.
Die Einträge des NDB lesen sich wie ein Aus-             Zudem werden auch unsere Social Media-Auf-                Kampagnen unabhängig von Initiativen oder                Mittlerweile haben wir ein ergänzendes Ein-
zug aus der Chronik der GSoA-Geschichte. So              tritte fleissig überwacht. Am 16.04.2018 haben            Referenden umgehen. Unsere «Ausgeschos-                  sichtsgesuch gestellt. Fortsetzung folgt.

    das glückliche Gewehr

    Verfolge die Abenteuer von Gregor, dem
    glücklichen Gewehr, auch auf youtube:
    www.youtube.com/user/GregorsGunTV

Impressum
Redaktion: Aline Bressoud (ab), Thomas Bruchez (tb), Michael Christen (mc), Nicolas Félix (nf), Adi Feller         Auflage: 18’800, mindestens viermal jährlich Mitgliederbeitrag (inkl. Zitigs-Abo) Verdienende Fr. 100.–/ Nicht-
(af), Magdalena Küng (mk), Nadia Kuhn (nk), Josef Lang (jl), Moritz Lange (ml), Lewin Lempert (ll), Oger           verdienende Fr. 50.– Jahresabonnement GSoA-Zitig: Fr. 20.– PC-Konto: PC 40-37315-5
(og), Martin Parpan (mp), Kishor Paul (kp), Laura Riget (lr), Judith Schmid (js, verantwortlich), Tobia Schnebli   Verlag: GSoA, Postfach, 8031 Zürich, Telefon 044 273 01 00, E-Mail: gsoa@gsoa.ch, www.gsoa.ch
(ts), Andreas Weibel (aw)
                                                                                                                   LeserInnenbriefe, Lob und Kritik sind willkommen. Die Redaktion behält sich vor, Zusendungen zu kürzen.
Cartoons: Oger Layout: Regula Meili Übersetzung: Catherine Jost Druck: ROPRESS Zürich                              Bitte melden Sie uns Adressänderungen, falsche und/oder doppelte Adressen. Die Inhalte dieser Zeitung un-
Bild S. 3: wikimedia.org: File:Middle_East_respiratory_syndrome-related_coronavirus.jpg                            terstehen einer CreativeCommons Lizenz. Für nicht-kommerzielle Zwecke können sie mit Quellenangabe frei
                                                                                                                   verwendet werden.

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                                                      K a m p a f re u e n u n s
                  Baumwolltasche                            f r e i,          d !
                                                                                e
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                                                                                                                                                      Vorname
                  Kleber deutsch

                  Kleber französisch                                                                                                                  Strasse

                  Kleber italienisch
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                  Fahne (Vorbestellung) Lieferung Mitte August
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