BÜRGERBUSSE IN FAHRT BRINGEN - STATIONEN AUF DEM WEG ZUM BÜRGERBUS AUSGABE 2020 | 3. AUFLAGE - BÜRGERBUS BADEN-WÜRTTEMBERG
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Inhalt 01 Einleitung 4 Bürgerbusse und Bürgerrufautos in Baden-Württemberg 8 02 Aufgabe von Bürgerbussen aus Sicht der Landespolitik 12 03 „Verkehrsregeln für Bürgerbusse“ 16 04 Formale Grundmodelle – ÖPNV oder nicht? 20 05 Planung – Wie soll unser Bürgerbus aussehen? 22 5.1 Wo fährt der Bürgerbus? 23 5.2 Wie lange und wie oft fährt der Bürgerbus? 24 5.3 Betriebsform – fest oder flexibel? 26 5.4 Bürgerbus und/oder Taxi? 30 5.5 Wer soll den Bürgerbus nutzen? 32 5.6 Bürgerbus, Bürgerrufauto, Bürgerfahrdienst – 36 drei Grundtypen für Baden-Württemberg 06 Ressourcen – Was brauchen wir? 39 6.1 Wer fährt den Bürgerbus? 40 6.2 Woher kommt das Geld? 43 6.3 Wie soll der Bus aussehen? 50 6.4 Welche Technik brauchen wir sonst noch? 56 07 Organisation – Wer macht was? 60 7.1 Beteiligte 61 7.2 Der Rechtsträger – Bürgerbusverein oder anders? 64 7.3 Das Thema Gemeinnützigkeit 68 7.4 Versicherungsfragen 70 08 Was noch? Die weitere Vorbereitung 74 8.1 Information und Koordination – Was alle wissen müssen 75 8.2 Öffentlichkeitsarbeit – Die Fahrgäste kommen nicht von allein! 77 09 Anhang 78 9.1 Abkürzungsverzeichnis 78 9.2 Förderbestimmungen des Landes 78 9.3 Literatur 83 9.4 Fundstellen wichtiger Gesetze und Richtlinien 84 9.5 Weitere Infos und Kontakte 85 9.6 Impressum, Bildnachweise 86 2
Vorwort MIT ENGAGEMENT UNTERWEGS In Baden-Württemberg sind wir auf dem werden, und es gibt einige Grundregeln, die b esten Weg, nachhaltige Mobilität weiter zu beachten sind. voranzutreiben. Wir wollen wegweisend sein für eine neue Mobilität, die umwelt- und Seit 2011 hat sich die Zahl der B ürgerbusse k limaverträglich, sozial, kundenfreundlich im Land von 12 auf über 60 erhöht. Auch und effizient ist. Unser Ziel sind leistungs- bei den anderen Angebotsformen, wie dem fähige und passgenaue Mobilitätsangebote Bürgerr ufauto, gibt es deutliche Zuwächse. – nicht nur in den Ballungsräumen, sondern Dies zeigt, dass die Landesförderung und die auch auf dem Land. Beratungsangebote des Landes vor Ort an- kommen und beweist das große Engagement Deshalb will die Landesregierung dem ÖPNV im Land! im ländlichen Raum neue Impulse geben. Sie setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit den Bürgerbusverkehre leisten deshalb einen Kommunen sowie auf intelligente ÖPNV- wichtigen Beitrag zur Mobilität, indem sie vor Konzepte. Auf dem Land sind dabei vor allem allem in ländlichen Regionen den bestehenden solche Ideen gefragt, die es ermöglichen, öffentlichen Personennahverkehr ergänzen auch Kommunen abseits der großen Achsen und damit vielen Menschen die Teilnahme am besser zu bedienen. sozialen und kulturellen Leben ermöglichen. Das Land unterstützt aus diesem Grund Mit Bürgerbussen und Bürgerrufautos soll die b ürgerschaftliche Mobilitätsangebote mit Mobilität im ländlichen Baden-Württemberg g ezielter Förderung bei der Beschaffung der weiter gestärkt werden. Sie können eine Fahrzeuge und Verwaltung sowie Organi „Brückenfunktion“ in kleinen Gemeinden sation der Verkehre. Die Landesförderung übernehmen, um auch dort den Bürgerinnen wurde in den letzten Jahren mehrfach auf und Bürgern Alternativen zum eigenen Pkw jetzt 290 000 Euro erhöht. zu bieten. Zugleich leisten Bürgerbusse und Bürgerrufautos einen wichtigen Beitrag In diesem Sinne soll auch die neue Fassung zum Erhalt der örtlichen Identität und der des Leitfadens allen Interessierten Hilfe bei s ozialen Gemeinschaft. So können und sol- der Einrichtung einer Bürgerbuslinie geben. Er len Bürgerb usse den bestehenden öffentli- stellt zahlreiche Beispiele vor, fasst Erfahrun- chen Personennahverkehr in vielfacher Weise gen zusammen und gibt praktische Hinweise ergänzen, aber nicht ersetzen. für die Umsetzung. Ich würde mich freuen, wenn unser Leitfaden dafür sorgt, dass diese Es gibt viele Möglichkeiten, ein Bürgerbus- Beispiele im ganzen Land Nachahmer finden. angebot zu entwickeln. Jedes Projekt wird mit viel Kreativität vor Ort ausgestaltet. Dies Ihr Winfried Hermann MdL ist auch gut so, denn so können die lokalen Kenntnisse, Bedürfnisse und Möglichkeiten optimal genutzt werden. Es ist aber zugleich sinnvoll, sich frühzeitig zu informieren, denn Minister für Verkehr des nicht immer muss „das Rad neu erfunden“ Landes Baden-Württemberg 3
Einleitung 01 Einleitung „Bürger fahren für Bürger“ – damit ist das Hauptmerkmal von Bürgerbussen genannt. Sie verbessern die Mobilität und werden ehrenamtlich geplant und betrieben. Bürgerbusse verkehren dort, wo es genügend Freiwillige für diese Aufgabe gibt und wo eine Lücke im Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) besteht. 4
Einleitung So kann das Angebot zu bestimmten Zeiten Anforderungen und Abstimmungsprozesse, fehlen, Gebiete werden nicht erreicht oder die bei den Aktiven vor Ort immer wieder Zielgruppen nicht ausreichend berücksichtigt. zu U nklarheiten führen. Sie empfinden dies Solche Lücken gibt es vor allem in ländlichen oft als umständlich und fühlen sich in ihrem Regionen; mitunter aber auch in Städten und Engagement nicht genug gewürdigt. am Rand von Ballungsräumen. Mit ihrer Orts- kenntnis und Verankerung in der Region wissen Diese Fragen sind nicht neu, aber sie sind lös- die Bürgerbusaktiven sehr gut, wo „der Schuh bar, wie nicht zuletzt die vielen umgesetzten drückt“. Sie leisten mit ihrem „Nahverkehr von Bürgerbusprojekte zeigen. Manche Punkte unten“ einen Beitrag, den typischerweise „von haben ihre Ursache im bundesrechtlichen oben“ geplanten ÖPNV zu verbessern. Rahmen, der nicht ohne weiteres zu ändern ist. Aber auch die Länder können hier gestal- Es gibt viele Anlässe, ein Bürgerbusprojekt zu ten, Kreise und Kommunen die Umsetzung gründen. Diese Gründe zu kennen ist wichtig, unterstützen. denn die Motivation der Aktiven ist unver- zichtbar für den Erfolg. War es früher oft das AUFBAU UND ZIEL DES LEITFADENS Bedürfnis nach besseren Verkehrsangeboten Mit diesem Leitfaden will das Land allen In- oder Geselligkeit im Verein, so steht bei neu- teressierten Antworten auf die vielen Fragen eren Projekten oft ein soziales Interesse im geben, denen die Aktiven vor Ort immer wie- Vordergrund. Der eigene Ort soll für alle Ge- der gegenüber stehen. Zum Einstieg geben nerationen lebenswert sein. Ein Bürgerbus ist wir einen Überblick über das Thema Bürger- schließlich – das zeigt die Praxis in vielfacher bus aus Sicht der Landespolitik ( Kapitel 2) Weise – nicht nur ein Verkehrsangebot, son- und zu den Grundideen sowie Angebotsfor- dern auch ein Projekt, das den Zusammenhalt men ( Kapitel 3). Denn es gibt nicht nur „den vor Ort stärkt und Gelegenheit für Kontakte einen“ Bürgerbus, selbst wenn dieser Begriff bietet. hier auch als Sammelbezeichnung verwendet wird. Jedes Projekt wird vor Ort ausgestaltet, HILFE BEI PLANUNG UND UMSETZUNG aber es ist sinnvoll, sich dabei an den hier vor- Von der ersten Idee bis zum rollenden Bürger gestellten Typen zu orientieren. bus sind viele Aspekte zu bedenken. Das An- gebot ist so zu planen, dass es aus Nutzer- Anschließend finden Sie verschiedene Ab- sicht attraktiv, betrieblich praktikabel und schnitte mit praktischen Informationen zum wirtschaftlich ist. Es soll den bestehenden Vorgehen ( Kapitel 4 - 7). An verschiedenen ÖPNV sinnvoll ergänzen. Aber es ist mehr als Stellen im Text zeigen Ihnen Beispiele erfolg- eine Planungsaufgabe: Mitwirkende müssen reich umgesetzter Bürgerbusprojekte, wie gesucht, die Finanzierung gesichert, Geneh- unterschiedliche Konzepte passgenau vor Ort migungen eingeholt und viele Abstimmungs- umgesetzt werden können. gespräche geführt werden. Der Aufbau eines Bürgerbusses ist daher im Wesentlichen eine Wir hoffen, dass dieser Leitfaden möglichst Frage von Kommunikation und Zusammenar- viele Fragen beantwortet. Sollten Dinge un- beit. klar bleiben, so finden Sie im Anhang Hinwei- se zu weiteren Informationsmöglichkeiten. In der Kombination dieser Aufgaben unter- scheidet sich das Engagement für einen Bür- Anfang 2020 werden wir außerdem unsere gerbus von der Mitgliedschaft in anderen Internetseite www.buergerbus-bw.de überar- Vereinen und Initiativen. Als Teil des ÖPNV beiten und dort dann weitere Informations- wird an Bürgerbusse und ihre Aktiven eine angebote bereitstellen. Dazu gehören auch Reihe von Anforderungen gestellt. Zudem ist Vertiefungsmaterialien zu Themen, die wir der Nahverkehr ein hoch regulierter Bereich hier nicht im Detail behandeln können. mit vielen Akteuren; ein System, das nicht immer gut auf die Teilnahme von Ehrenamt- UNTERSTÜTZUNGSANGEBOTE lichen vorbereitet ist. Bei konkreten Anfra- Der Leitfaden ist nur eine von mehreren Maß- gen besteht jedoch durchaus Kooperations- nahmen zur Förderung von Bürgerbussen in bereitschaft. Es sind gerade diese formalen Baden-Württemberg. Seit April 2014 ist bei 5
Einleitung / Nachgefragt der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Würt- fahrungen zur Verfügung gestellt haben.1 temberg mbH (NVBW) das Kompetenzzentrum Unser Dank gilt auch den vielen Aktiven, die neue ÖPNV-Angebotsformen angesiedelt, das schon heute durch ihr Engagement dazu bei- neben allgemeinen Informationen auch eine tragen, in unterschiedlichsten Formen Mobi- individuelle Beratung zum Thema Bürgerbus lität vor Ort sicherzustellen. anbietet. Dabei arbeitet das Zentrum auch mit dem 2014 gegründeten Landesverband „pro- Seit Erscheinen der ersten Auflage dieses BürgerBus Baden-Württemberg“ zusammen, Leitfadens hat sich die Zahl ehrenamtlicher in dem sich die meisten Bürgerbusprojekte Verkehre im Land deutlich erhöht: Aktuell ver- zusammengeschlossen haben ( Interview zeichnen wir über 60 Bürgerbusse im Linien Sascha B inder, S. 6/7). Gemeinsam entwi- verkehr, etwa 35 Bürgerrufautos und fast 120 ckeln das Verkehrsministerium (VM) und die weitere Fahrdienste. Diese Erfahrungen und NVBW außerdem die landesspezifischen För- die zahlreichen erfolgreichen Beispiele zei- dermaßnahmen ( Kapitel 6.2 und Anhang) gen, dass Bürgerbusse eine sinnvolle Ergän- und arbeiten an der Weiterentwicklung der zung zum ÖPNV sein können. Wir wünschen Randbedingungen auf Bundesebene. Ihnen bei Ihrem Projekt viel Freude und Erfolg! Wir danken allen, die diesen Leitfaden durch Auskünfte, Bildmaterial oder andere prakti- 1 Ein Verzeichnis der Mitwirkenden finden Sie sche Unterstützung ermöglicht und ihre Er- im Impressum. NACHGEFRAGT Interview mit Sascha Binder MdL, Präsident des Landesverbands „PRO BÜRGERBUS BADEN-WÜRTTEMBERG“ Wo sehen Sie die Hauptaufgaben von Den Landesverband gibt es nun seit fast pro BürgerBus? 5 Jahren. Haben sich die Erwartungen der Wir sehen in erster Linie zwei Aufgaben für Gründer erfüllt? uns als Landesverband: Wir sind zunächst die Wir sind vor drei Jahren mit 17 Mitgliedern Interessenvertretung der Bürgerbusprojekte, gestartet. Zwischenzeitlich haben wir 28 Mit- insbesondere natürlich gegenüber dem Land, glieder und 2 Fördermitglieder. Die mittler- aber auch gegenüber den Herstellern und den weile vereinbarte Aufgabenteilung zwischen kommunalen Spitzenverbänden. Ferner sehen dem Verband und dem Land – hier nament- wir uns als Dienstleister für unsere Mitglieder, lich der NVBW – hat sich bewährt. Wir be- etwa für fachlichen Austausch und Beratung, raten interessierte Gruppen und Kommunen und natürlich als Ansprechpartner für neue mittlerweile völlig ergebnisoffen. Wo wir noch Bürgerbusprojekte. lange nicht am Ziel sind, sind unsere bundes- 6
Nachgefragt und landespolitischen Vorhaben. Der Bund kann denn dies ehrenamtlich überhaupt ist bisher unserer Forderung nach einer Aus- geleistet werden? nahmeregelung für die Gewichtsgrenze nicht In den vergangenen fünf Jahren haben wir nachgekommen. Auch in Sachen Förderung zahlreiche Projekte beraten und unterstützt. haben wir in Baden-Württemberg zusammen Aktuell begleiten wir allein 6 Projekte im Land. schon viel erreicht, allerdings sehen wir noch Hier fließen die umfangreichen Erfahrun- Luft nach oben. Dies gilt vor allem für die In- gen aus der Praxis ebenso ein, wie fundierte vestitionsförderung, die bislang den hohen Kenntnisse aus dem Personenbeförderungs- Kostenunterschied zwischen barrierefreien recht oder dem Straßenverkehrsrecht. Heute und niederflurigen Fahrzeugen nur unzurei- stehen bei den Erstberatungen drei Dinge im chend abbildet. Es gibt also noch vieles zu Vordergrund: Zunächst berät der Verband er- tun. gebnisoffen. Wir informieren über alle Formen engagementbasierter Mobilitätsangebote. Wie ist pro BürgerBus organisiert? Zweitens stellen wir von vornherein klar, dass Der Verband ist rein ehrenamtlich organisiert ein solches Projekt nur Erfolg haben kann, und finanziert sich aus seinen Mitgliedsbei- wenn es aus der Bürgerschaft für Bürger ent- trägen. Leider leistet, anders als in Nord- wickelt und getragen wird. Drittens stehen wir rhein-Westfalen, das Land Baden-Württem- auch Gewehr bei Fuß, wenn es um die Beglei- berg hier keinen finanziellen Beitrag für die tung der Umsetzung eines Bürgerbusprojek- Verbandsarbeit. Organe des Verbandes sind tes im engeren Sinn geht. Dies machen wir die Mitgliederversammlung und der Vorstand. durch persönliche Beratungsarbeit vor Ort, Dieser besteht aus dem 7-köpfigen Präsidium die Ausgabe praxisgerechter Materialien wie und 8 Beiräten. Der Vorstand tagt in der Regel Satzungsentwürfe, Handbücher oder Aufga- zweimal im Jahr. Das laufende Geschäft wird benverteilungspläne sowie nicht zuletzt durch von einem ehrenamtlichen Geschäftsführer die Erstellung von benötigten Unterlagen wie erledigt. Dieser hat Unterstützung von einer eben Bedarfsanalysen. Die ständig steigende ebenfalls ehrenamtlichen Rechnungsstelle. Zahl der Anfragen bringt uns ehrenamtlich Der Mitgliedsbeitrag beträgt übrigens 100€ natürlich an eine Grenze. Wir sind hier organi- je Mitglied und Kalenderjahr. Ordentliches satorisch gefordert, uns diesem wachsenden Mitglied des Verbandes können alle – auch Bedarf hoffentlich auch mit Unterstützung künftigen Betreiber eines Bürgerbusses, also durch das Land anzupassen. Bürgerbusvereine, Kommunen oder Busun- ternehmen – werden. Andere natürliche und Sehen Sie einen landesweiten Trend zu juristische Personen können Fördermitglied solchen engagementbasierten Mobilitäts- ohne Stimmrecht werden. angeboten? Es ist Bewegung im Lande entstanden. Ich Es gibt ja in Baden-Württemberg sowohl gehe davon aus, dass die überwiegende Zahl das Modell des Bürgerbusvereins als auch der Kommunen sich Gedanken über flexible den direkt bei der Kommune angesiedelten ehrenamtliche Mobilitätsangebote macht, sei Verkehr. Hat der Verband hier eine Präferenz? es ein Bürgerauto, ein Rufdienst oder gar ein Es gibt ganz unterschiedliche Arrangements. Verkehrsbetrieb wie ein Bürgerbus. Ich glau- Oft kauft die Stadt den Bus, auch wenn es einen be aber, dass wir hier immer noch am Anfang Bürgerbusverein gibt. Die Kommune kann Trä- einer Entwicklung stehen. Der Charme dieser ger sein, aber meist braucht es auch den Verein, Angebote besteht ja darin, dass sie aus der der das ehrenamtliche Engagement organisiert. örtlichen Gemeinschaft entwickelt werden Auch die Kooperation mit den Busunternehmen und diese damit qua Entstehung weiter stär- ist sehr wichtig. Wir legen in den Beratungen vor ken. Wir heben daher immer auch die imma- allem sehr viel Wert auf ein mit allen örtlichen teriellen Vorteile solcher Projekte hervor. Nicht Akteuren des öffentlichen Nahverkehrs abge- nur die reine Beförderungsleistung ist hier stimmtes, einvernehmliches Vorgehen. wichtig, auch die Schaffung weiterer sozialer Teilhabe und Kommunikation z. B. für ältere, Der Verband berät Kommunen und inter- mobilitätseingeschränkte Menschen in unse- essierte bürgerschaftliche Gruppierungen. ren Städten und Gemeinden steht ganz oben Wo sind da die Schwerpunkte und wie weit auf der Bedarfsskala. 7
Einleitung BÜRGERBUSSE UND BÜRGERRUFAUTOS IN BADEN-WÜRTTEMBERG * Mitglied im Landesverband proBürger-Bus BW (Stand September 2019) ANMERKUNG Diese Übersicht zeigt Bürgerbus- und Bürgerrufautoverkehre in Baden-Württemberg mit einem ehrenamtlich betriebenen, öffentlichen Verkehrsangebot. Soziale Fahrdienste, nichtöffentliche Angebote und durch Unternehmen betriebene Linien sind hier nicht enthalten, auch wenn diese in der Praxis teilweise als Bürgerbus bezeichnet werden. Links zu den Webseiten der einzelnen Verkehre sind über die interaktive Karte auf www.buergerbus-bw.de abrufbar. Eine Darstellung mit allen Gemeinschaftsverkehren (auch Bürgerfahrdiensten) stellen wir ab Anfang 2020 auf unserer Homepage bereit. 8
Einleitung 1 Schlier 12 Aichwald * 23 Breisach * Name: BürgerBus Name: BürgerBus Name: BürgerBus Betriebsbeginn: 1986 Betriebsbeginn: September 2009 Betriebsbeginn: Dezember 2012 Betriebsform: Linie für Schüler- Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie verkehr Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo - Fr 13 Pfullendorf * 24 Bad Liebenzell 2 Stuttgart-Möhringen Name: BürgerBus Name: Bürger-Rufauto Name: Besucherbus Betriebsbeginn: September 2009 Betriebsbeginn: April 2013 Betriebsbeginn: Juni 2000 Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Di, Mi, Do, Sa 14 Korntal-Münchingen * 25 Wendlingen * 3 Untergruppenbach Name: BürgerBus Name: BürgerBus Name: Citybus Betriebsbeginn: April 2010 Betriebsbeginn: Mai 2013 Betriebsbeginn: November 2001 Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie mit Rückfahrt Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo - Sa nach Bedarf Verkehrstage: Di, Fr 15 Stuttgart-Botnang * 26 Obersulm Name: BOB Name: BürgerBus 4 Salach * Betriebsbeginn: September 2010 Betriebsbeginn: Oktober 2013 Name: SAMI Betriebsform: Linie mit Halt auf Betriebsform: Linie Betriebsbeginn: Dezember 2003 Wunsch Verkehrstage: Mi, Fr Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr, Sa 27 Igersheim * 16 Bad Wimpfen * Name: e-BürgerBus 5 Bad Krozingen * Name: BürgerBus Betriebsbeginn: November 2013 Name: BürgerBus Betriebsbeginn: Februar 2011 Betriebsform: Linie, teilweise Betriebsbeginn: Juli 2004 Betriebsform: Linie nach Vorbestellung Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr Verkehrstage: Mo - Sa 17 Denkendorf * 28 Lauchringen 6 Mögglingen Name: BBD Bürgerbus Denkendorf Name: BürgerBus Name: Fahrdienst des Förder Betriebsbeginn: Februar 2011 Betriebsbeginn: November 2013 vereins Miteinander leben e.V. Betriebsform: Linie mit Halt auf Betriebsform: Linie, teilweise Betriebsbeginn: Oktober 2004 Wunsch Haustürservice Betriebsform: vollflexibel Verkehrstage: Di, Fr Verkehrstage: Mo, Do Verkehrstage: Mo - Fr 18 Pfullingen * 29 Schwäbisch Gmünd-Bettringen 7 Freiberg a. N. Name: BürgerBus Name: Fahrdienst Elisabethenverein Name: BürgerBus Betriebsbeginn: Mai 2011 Bettringen Betriebsbeginn: April 2006 Betriebsform: Linie Betriebsbeginn: November 2013 Betriebsform: Linie mit Rückfahrt Verkehrstage: Mo - Fr Betriebsform: vollflexibel nach Bedarf Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Mo, Mi, Fr 19 Königsbronn Name: BürgerBus 30 Niederstetten 8 Ebersbach an der Fils * Betriebsbeginn: Juni 2011 Name: BürgerBus Name: Eberbus Betriebsform: Linie Betriebsbeginn: Februar 2014 Betriebsbeginn: Oktober 2006 Verkehrstage: Mo, Mi, Fr Betriebsform: Linie, Rückfahrt Betriebsform: Linie nach Bedarf Verkehrstage: Mo - Sa 20 Wiernsheim * Verkehrstage: Di, Do Name: WIPS Bürger-Bus 9 Heubach Betriebsbeginn: Juli 2011 31 Boxberg * Name: DRK BürgerMobil Betriebsform: Linie Name: Wir verbinden Boxberg Betriebsbeginn: Januar 2007 Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr Betriebsbeginn: März 2014 Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: vollflexibel Verkehrstage: Mo - So Verkehrstage: Mo - Fr 21 Oberreichenbach Name: Elektro-Bürgerauto 10 Uhingen * Betriebsbeginn: April 2012 32 Bad Teinach-Zavelstein Name: Uli Betriebsform: vollflexibel Name: Bürgermobil Betriebsbeginn: Dezember 2008 Verkehrstage: Mo - Fr Betriebsbeginn: Mai 2014 Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo - Fr 22 Steinheim am Albuch Name: BürgerBus 11 Süßen * Betriebsbeginn: September 2012 33 Endingen Name: BürgerBus Betriebsform: Linie Name: Städtlibus Betriebsbeginn: Mai 2009 Verkehrstage: Mo, Do Betriebsbeginn: Mai 2014 Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Di, Do, Fr 9
Einleitung 34 Furtwangen 45 Kusterdingen 57 Renningen Name: BürgerBus Name: Bürgerauto Name: Bürgerrufauto Betriebsbeginn: Mai 2014 Betriebsbeginn: Dezember 2014 Betriebsbeginn: Dezember 2015 Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: vollflexibel Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Di, Mi, Do, Fr 35 Ebhausen 46 Eningen 58 Schramberg * Name: Elektrobürgerauto Name: Bürgerauto Name: BürgerBus Betriebsbeginn: Juni 2014 Betriebsbeginn: April 2015 Betriebsbeginn: Januar 2016 Betriebsform: Linie, teilweise mit Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: Linie Haustürservice Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Mo, Di, Do, Sa Verkehrstage: Di, Fr 47 Gomaringen 59 Plankstadt * 36 Küssaberg Name: BürgerMobil Name: BürgerBus Name: Nachbarschaftshilfebus Betriebsbeginn: Mai 2015 Betriebsbeginn: März 2016 Betriebsbeginn: Juni 2014 Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie und flexibel Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr 48 Nordheim 60 Amtzell 37 Meckenbeuren Name: BürgerBus Name: BürgerMobil Name: Bürgermobil Betriebsbeginn: Mai 2015 Betriebsbeginn: Mai 2016 Betriebsbeginn: September 2014 Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: Linie auf Verkehrstage: Di, Do Verkehrstage: Mi, Do Vorbestellung Verkehrstage: Mo - Fr 61 Köngen * 49 Münsingen Name: BürgerBus Name: Bürgerauto 38 Murg Betriebsbeginn: Mai 2016 Betriebsbeginn: August 2015 Name: BürgerBus Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Betriebsbeginn: September 2014 Verkehrstage: Di, Mi, Fr Verkehrstage: Di, Do Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo - Sa 62 Mauer 50 Kressbronn Name: Bürgerrufbus Name: BürgerBus Betriebsbeginn: Juni 2016 39 Rechberghausen Betriebsbeginn: Oktober 2015 Betriebsform: vollflexibel Name: Rechi – das Elektro- Betriebsform: Linie auf Verkehrstage: Di, Do Bürgerauto Vorbestellung Betriebsbeginn: September 2014 Verkehrstage: Mo - Fr Betriebsform: vollflexibel 63 Welzheim/Alfdorf/Kaisersbach Verkehrstage: Mo - Fr Name: BürgerBus 51 Marbach Betriebsbeginn: Juli 2016 Name: BürgerBus Dauchingen, Deißlingen, Betriebsform: vollflexibel 40 Betriebsbeginn: Oktober 2015 Niedereschach Verkehrstage: Mo - Fr Betriebsform: Linie Name: Spurwechsel Verkehrstage: Mo, Mi, Fr Betriebsbeginn: November 2014 64 Bisingen Betriebsform: vollflexibel 52 Name: Flecka Hopser Oberboihingen * Betriebsbeginn: September 2016 Verkehrstage: Mo - Fr Name: Bürgerbus Betriebsform: vollflexibel Betriebsbeginn: Oktober 2015 Verkehrstage: Mo - Fr 41 Heiningen Betriebsform: Linie Name: Huno Verkehrstage: Mo, Do Betriebsbeginn: November 2014 65 Bad Boll und Umgebung Betriebsform: vollflexibel (Gemeindeverband) 53 Grünsfeld Name: E-Bürgerauto Lorenz Verkehrstage: Mo - Fr Name: BürgerBus Betriebsbeginn: Oktober 2016 Betriebsbeginn: Oktober 2015 Betriebsform: vollflexibel 42 Ostrach * Betriebsform: vollflexibel, teils Verkehrstage: Mo - Fr Name: BürgerBus feste Zeiten Betriebsbeginn: November 2014 Verkehrstage: Mo - Fr Betriebsform: flexibel 66 Trochtelfingen Verkehrstage: Mo - Fr Name: Bürgerrufauto 54 Bondorf Betriebsbeginn: Januar 2017 Name: BürgerBus Betriebsform: vollflexibel 43 Creglingen Betriebsbeginn: Oktober 2015 Verkehrstage: Di, Fr Name: BürgerBus Betriebsform: vollflexibel Betriebsbeginn: November 2014 Verkehrstage: Do 67 Kirchzarten Betriebsform: Teilweise auf Vorbestellung Name: BürgerBus „Dreisam- Verkehrstage: Mo, Di 55 Dornhan * Stromer“ Name: BürgerBus Betriebsbeginn: März 2017 Betriebsbeginn: November 2015 Betriebsform: Linie mit Halt auf 44 Ruppertshofen Betriebsform: Linie Wunsch Name: DRK-Bürgermobil Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Mo - Sa Schwäbischer Wald Betriebsbeginn: November 2014 Betriebsform: vollflexibel 56 Reichenau 68 Efringen-Kirchen Verkehrstage: Mo - Fr Name: BürgerBus Name: 9er-BürgerBus Betriebsbeginn: November 2015 Betriebsbeginn: März 2017 Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Di, Do, Fr 10
Einleitung 69 Rielasingen-Worblingen 77 Wannweil 85 Großbettlingen Name: BürgerBus 3Rosen Name: BürgerBus Name: Bürgerauto Betriebsbeginn: Juli 2017 Betriebsbeginn: Februar 2018 Betriebsbeginn: Februar 2019 Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Di, Do Verkehrstage: Mo, Fr 70 Dielheim 78 Dornstadt 86 Lichtenstein Name: BürgerBus Name: BürgerRufAuto Name: Bürgerrufauto Betriebsbeginn: Juli 2017 Betriebsbeginn: März 2018 Betriebsbeginn: Februar 2019 Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: vollflexibel Betriebsform: flexibel Verkehrstage: Di, Do Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Mo, Di, Do 71 Stühlingen-Mauchen 79 Wehr 87 Bammental Name: Ja-Mobil Name: BürgerBus Name: Bürgerauto Betriebsbeginn: September 2017 Betriebsbeginn: März 2018 Betriebsbeginn: März 2019 Betriebsform: teilflexibel Betriebsform: Linie Betriebsform: flexibel Verkehrstage: Mo - Fr Verkehrstage: Di, Do, Fr Verkehrstage: Di, Fr 72 Ammerbuch Name: BürgerBus 80 Deizisau 88 Benningen Betriebsbeginn: September 2017 Name: BürgerBus Mobilo Name: Bürgerbus Betriebsform: teilflexibel Betriebsbeginn: April 2018 Betriebsbeginn: Mai 2019 Verkehrstage: Mo, Mi, Fr Betriebsform: Linie Betriebsform: Linie Verkehrstage: Di, Fr Verkehrstage: Di, Do 73 Leingarten Name: BBL BürgerBus Leingarten 81 Stuttgart-Stammheim 89 Merzhausen Betriebsbeginn: Oktober 2017 Name: Einkaufsfahrdienst Name: Bürgerbus Betriebsform: Linie Stammheim Mobil Betriebsbeginn: Juli 2019 Verkehrstage: Di, Fr Betriebsform: Linie, tlw. flexibel Betriebsform: Linie Verkehrstage: Fr Verkehrstage: So 74 Waiblingen-Bittenfeld Name: BürgerBus 82 Kirchheim (Teck)-Nabern 90 Frickenhausen Betriebsbeginn: Januar 2018 Name: BürgerNetz-Mobil Name: Bürgerbus Betriebsform: Linie auf Betriebsbeginn: Juni 2017 Betriebsbeginn: Oktober 2019 Vorbestellung Betriebsform: Linie, Betriebsform: Linie Verkehrstage: Di, Do tlw. Haustürservice Verkehrstage: Mo, Di, Do, Fr Verkehrstage: Do 75 Eberstadt 91 Haßmersheim Name: BürgerBus 83 Bad Rappenau Betriebsbeginn: Oktober 2019 Betriebsbeginn: Januar 2018 Name: Bürgerbus Betriebsform: Linie Betriebsform: vollflexibel Betriebsbeginn: Juni 2018 Verkehrstage: Mo - Sa Verkehrstage: Do Betriebsform: Linie Verkehrstage: Sa 76 Waldenbuch Name: BürgerBus 84 Steinheim/Murr Betriebsbeginn: Februar 2018 Name: Bürgerbus Betriebsform: Linie Betriebsbeginn: Oktober 2018 Verkehrstage: Mo - Sa Betriebsform: Linie Verkehrstage: Di, Do, Sa 11
Aufgabe von Bürgerbussen aus Sicht der Landespolitik 02 Aufgabe von Bürger- bussen aus Sicht der Landespolitik Mobilität ist vielfältig – in ihren Motiven wie Erscheinungsformen. Unterwegssein ist mehr als das Fahren im eigenen Pkw. Der Autoverkehr absorbiert zwar besonders im ländlichen Raum einen Großteil des Verkehrsaufkommens, je nach Situation werden aber trotzdem erhebliche Teile des Verkehrs im so genannten Umweltverbund bewältigt – im Nahbereich unmotorisiert, auf längeren Strecken mit dem öffentlichen Verkehr per Bus und Bahn. 12
Aufgabe von Bürgerbussen aus Sicht der Landespolitik In vielen Regionen ist die Nachfrage nach Insofern besteht im Prinzip keine Konkurrenz Alternativen zum Auto in den letzten Jah- zwischen ÖPNV und Bürgerbus. Trotzdem ist ren stetig gestiegen. Solche Alternativen zu es nötig, die Einsatzbereiche zu beschreiben fördern ist daher nicht nur aus ökologischen und voneinander abzugrenzen. Dazu dienen und sozialen Gründen sinnvoll, sondern auch die im folgenden Kapitel vorgestellten Ange- Ausdruck von Wahlfreiheit und dem Inter- botsformen. esse der Bevölkerung. Die Landesregierung sieht daher Erhalt und Ausbau des öffentli- Im Generalverkehrsplan Baden-Württemberg chen Verkehrs auch im ländlichen Raum als aus dem Jahr 2010 finden sich erstmals Aus- wichtige Aufgabe für die Zukunftsfähigkeit sagen zum Thema Bürgerbus. Hierzu heißt es Baden-Württembergs an. Ein Grundangebot im ÖPNV soll im Sinne einer Mobilitätsgaran- „Das Land wird die kreative Beteiligung eh- tie alle Gemeinden im Land im Stundentakt renamtlich Tätiger im Bereich des Öffentlichen erschließen – auch abends und am Wochen- Verkehrs weiter unterstützen. Das ehrenamtli- ende. In manchen Regionen ist ein solcher che Engagement soll sichtbar gemacht, aner- Standard bereits Realität, oft bestehen aber kannt und verstärkt werden. Die Trägerverei- noch räumliche und zeitliche Lücken. ne von Bürgerbussen können im Rahmen der haushaltsrechtlichen Möglichkeiten vom Land Die Landesregierung investiert daher erhebli- eine anteilige Finanzierungsbeihilfe bei der Be- che Mittel in den Ausbau des ÖPNV-Angebots schaffung notwendiger Fahrzeuge erhalten.“ 1 auf Schiene und Straße. Mit der ÖPNV-Finanz- reform werden die kommunalen Aufgaben- Dies wird mit dem vorliegenden Leitfaden träger gestärkt. Für den ÖPNV auf der Stra- und weiteren Maßnahmen aufgegriffen und ße, der nach dem ÖPNV-Gesetz Aufgabe der in systematisierter Form umgesetzt. Erst- Kreise und kreisfreien Städte ist, engagiert mals hat das Land 2012 Mittel im Umfang von sich das Land über die Förderung von Regi- 100 000 € pro Jahr speziell für Bürgerbusse obuslinien. Sie sollen die abseits liegenden im Rahmen der Fahrzeugförderung bereitge- Mittel- und Unterzentren an das Schienen- stellt. In mehreren Schritten wurden diese auf netz anbinden sowie Lücken im Schienennetz aktuell 290 000 € erhöht und dabei die För- zwischen benachbarten Ober- und Mittelzen- dertatbestände und den Kreis der Berechtig- tren schließen. Das Land erstattet die Hälfte ten ausgeweitet ( Kapitel 6.2). des Defizits, das durch die Einrichtung bzw. Aufwertung der Buslinie zum Regiobus ent- Im Zuge des demografischen Wandels be- steht. Die ersten Linien sind 2015 in Betrieb kommen Ideen wie ein Bürgerbus, aber auch gegangen. andere Maßnahmen, eine neue Bedeutung. Kurz gefasst ist mit rückläufigen Schülerzah- Bürgerbuskonzepte sollen daher den bekann- len und steigender Motorisierung künftiger ten ÖPNV nicht ersetzen, sondern ergänzen. Seniorengenerationen zu rechnen, die die Andernfalls wäre damit kein Fortschritt im Chancen des klassischen ÖV eher verschlech- Sinne eines besseren Verkehrsangebots ver- tern. Umgekehrt nimmt mit steigender Le- bunden und die Konkurrenzposition des öf- benserwartung die Anzahl derjenigen zu, die fentlichen Verkehrs bliebe unverändert. Ein aus Gesundheits- oder Sicherheitsgründen Bürgerbusprojekt kann aber neue Möglichkei- nicht mehr selbst Auto fahren können oder ten eröffnen, kleinteilige Mobilitätsbedürfnis- wollen. Auch sinkende Rentenniveaus könn- se zu bedienen, die durch den herkömmlichen ten dazu beitragen, die Motorisierung von Se- ÖPNV überhaupt nicht erschlossen werden nioren zu beschränken. können. Idealerweise ist ein Bürgerbuspro- jekt mit dem bestehenden ÖPNV-Angebot „Insgesamt wird es somit erforderlich sein, der Schiene und der Busse vernetzt und er- die Angebote des ÖPNV bedarfs- und effi- gänzt die Bedienungslücken zur Feinerschlie- zienzorientiert weiterzuentwickeln. Nach- ßung. Die Anerkennung des ortsüblichen Ö PNV-Tarifes trägt dazu wesentlich bei, eine geschlossene Reisekette inkl. Bürgerbus zu 1 MUNV: Generalverkehrsplan Baden-Württemberg erreichen. 2010, S. 133 13
Aufgabe von Bürgerbussen aus Sicht der Landespolitik frageänderungen kann durch Anpassungen im Ein gemeinsam auf die Beine gestelltes Bür- Bereich der Linienführung und der Fahrpläne, gerbusprojekt ist – das zeigen vielfache Er- eine Veränderung der „Gefäßgröße“ (kleinere fahrungen – ein verbindendes Element und Busse) oder durch eine Umstellung auf alter- zugleich „rollendes Kommunikationsmittel“ native Bedienungsformen wie z. B. Rufbusse für Fahrgäste und Fahrer. begegnet werden.“ 2 Das Thema Bürgerbus ist von besonderer Be- Das Entwickeln solcher Angebote ist aber deutung für den ländlichen Raum. Die räum- nur zum Teil eine Frage der Verkehrsplanung liche Konzentration von Einrichtungen (im – mindestens genauso wichtig ist der sozia- öffentlichen wie privaten Bereich) hat hier in le Aspekt. Von besonderer Bedeutung sind den letzten Jahrzehnten die Verkehrsabhän- Ortskenntnis, Kommunikation, Dialogbereit- gigkeit stark erhöht. Die noch vorhandenen schaft und Flexibilität, um ein Projekt zum Versorgungsangebote zu erhalten und zu Erfolg zu führen. sichern erfordert gezieltes politisches Han- deln. Das Ministerium für ländlichen Raum Die Erfahrung zeigt außerdem, dass viele und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Projekte weniger aus einem Interesse an Ver- (MLR) hat daher im Rahmen der „Landesiniti- kehrsfragen entstehen als aus dem Wunsch, ative Elektromobilität“ Maßnahmen zum Inf- etwas für die örtliche Gemeinschaft, den so- rastrukturaufbau für die elektromobile Fort- zialen Zusammenhalt zu tun oder nachbar- bewegung im ländlichen Raum unterstützt, schaftliche Hilfe leisten zu wollen. mit deren Hilfe auch einige ehrenamtlich ge- tragene Verkehre realisiert werden konnten Bürgerschaftliches Engagement ist eine we- ( Interview Martin Jung, S. 65). 5 sentliche Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft und in Baden-Württemberg traditionell auf hohem 5 Eine Liste der geförderten Projekte enthält Presse- Niveau. 3 Mit der im Mai 2014 vorgestellten mitteilung 72/2013 des MLR vom 30.04.13. Engagementstrategie will das Land seine Bürgerinnen und Bürger in ihren vielfältigen ehrenamtlichen Aktivitäten weiter unterstüt- zen. Engagementförderung wird dabei als Querschnittsaufgabe gesehen, der sich alle Fachministerien in geeigneter Weise widmen müssen. Die Strategie soll „dazu beitragen, dass alle Menschen in ihren und für ihre unterschiedlichen Sozialräume ein Zugehörigkeitsgefühl und ein Verantwortungs- bewusstsein entwickeln können. Sie sollen den sich in den jeweiligen Sozialräumen stellenden Herausforderungen … autonom und aus ei- gener Kraft begegnen und diese mitgestalten können.“ 4 2 Landtag Baden-Württemberg: Bericht und Empfeh- lungen der Enquetekommission „Demografischer Wandel – Herausforderungen an die Landespolitik“, Drs. 13/4900 vom 9.12.05, S. 158 3 Dies zeigen etwa die regelmäßigen Erhebungen im Rahmen des Freiwilligensurveys (vgl. BMFSFJ 2017). 4 SM: Engagementstrategie Baden-Württemberg - Ergebnisse des Beteiligungsprozesses und Bewertung 2014, S. 91 14
Nachgefragt NACHGEFRAGT MURG – BÜRGERBUS AM ABEND Interview mit Moni Duttlinger, Initiative „ Murg im Wandel“, Arbeitsgruppe Mobilität Bild 1: Der 15 000. Fahrgast im Bürgerbus Murg Wie kamen Sie auf die Idee, einen am Freitag- und Samstagabend gesucht. Alle Bürgerbusverkehr für die Abendstunden erwarben den Personenbeförderungsschein, einzurichten? und so konnte der Fahrdienst ab Mitte Sep- Die Idee ist im Jahr 2013 im Zuge von drei tember 2014 mit einem festen, vertakteten Bürgerversammlungen entstanden, bei de- Fahrplan angeboten werden. Die Bewohner nen die Erstellung eines Klimaschutzkonzep- wurden über das neue Angebot in der ört- tes für die Gemeinde diskutiert wurde. Bei lichen Presse und im Gemeindeblatt infor- den thematischen Arbeitsgruppen fanden miert. sich sieben Leute, für die die Mobilität in der Gemeinde, vor allem am Abend, wichtig war. Was haben Sie bisher für Erfahrungen Außerdem war es ihr Anliegen, den Individu- gemacht? alverkehr und den CO 2 -Ausstoß zu reduzieren Die Einwohner von Murg nahmen den Bürger- und das soziale Miteinander zu fördern. bus von Beginn an gerne an, und bald stellte sich die Frage, ob wir nicht die ganze Woche Das Problem war, dass ab 19:00 Uhr keine fahren können. Den Fahrdienst konnten wir Busse in die Ortsteile verkehrten. Von 19:00 ab Mitte Februar 2016 auf Montag – Sams- bis 23:35 kommen in Murg 17 Züge und Bus- tag erweitern, mit derzeit 27 Ehrenamtlichen. se an. Zwischen dem Bahnhof im Hauptort am Im September 2016 konnten wir dank Spon- Hochrhein bis zum obersten der vier Ortsteile soren, dem Gewinn von Preisgeldern und besteht eine Distanz von 8 km und ein Höhen- der Förderung durch die L-Bank in Stuttgart unterschied von 400 m. Einen durchgängigen 80 % eines 7-Sitzer Elektro-Fahrzeugs von Fuß- oder Radweg gibt es auch nicht. Die klei- Nissan finanzieren, die Differenz wurde von ne Arbeitsgruppe recherchierte in verschiedene der Gemeinde aufgebracht. Sie übernimmt Richtungen, u. a. holte sie sich Informationen auch die laufenden Kosten wie Versicherung, beim Bürgerbus-Verein Bad Krozingen, beim Strom usw. Im Juli 2018 konnte der 15 000ste Landratsamt sowie der Nahverkehrsgesell- Fahrgast begrüßt werden. Jeden Abend nut- schaft in Waldshut-Tiengen. Beim Bürgermeis- zen 20 bis 40 Personen den Fahrdienst. Die ter Adrian Schmidle fand die Idee offene Ohren Fahrgäste kommen aus allen Altersgruppen: und Türen, und bald bot er den Elektro-PKW, junge Menschen, die selbst noch keinen Füh- das Dienstfahrzeug der Gemeinde, zur Nutzung rerschein haben, Berufstätige, die nun ihr an. Um den Bedarf in der Bevölkerung zu er- Fahrzeug nicht am Bahnhof parken oder das fahren, führte die Arbeitsgruppe in allen vier Familientaxi anrufen müssen, Menschen, die Ortsteilen eine Umfrage von Tür zu Tür durch. zwischen den Ortsteilen unterwegs sind. Die Resonanz für die Idee war durchweg positiv. Die Fahrer und Fahrerinnen haben viel Freude War es schwierig, für diese Zeiten Fahrer beim Fahren, sie sind etwa einmal im Monat zu finden? für den Bürgerbus im Einsatz, inzwischen sind Im Sommer wurden ehrenamtliche Fahrer auch etliche jüngere, berufstätige Ehrenamt- und Fahrerinnen für den Bübu-Fahrdienst liche dabei. 15
„Verkehrsregeln“ für Bürgerbusse „Verkehrsregeln“ 03 für Bürgerbusse In den vorangegangenen Abschnitten haben wir Sie über die Ausgangslage der Mobilität im ländlichen Raum informiert und schon einige Informationen zum Kontext in Baden- Württemberg gegeben. Im Folgenden soll es um die Entwicklung von Bürgerbuskonzepten im Detail gehen. Wir möchten Sie mit den wesentlichen Schritten vertraut machen, die erforderlich sind, um ein solches Angebot zu verwirklichen. Wir beginnen dabei mit der Angebotsidee und E IN BÜRG E RBUS SOLL BE STE HE NDE der Konzeptentwicklung. Anschließend be- V ERKEHRSANGEBOTE ERGÄNZEN, NICHT handeln wir die weiteren praktischen Fragen, ERSETZEN die Thema bei jedem Bürgerbusprojekt sind. Die verschiedenen Angebote müssen abge- Hier ist es wenig sinnvoll, diese nacheinander stimmt und soweit möglich integriert werden. anzugehen, da viele Fragen von den gene- In den allermeisten Fällen hat das ÖPNV-An- rellen Bedingungen abhängen und sie auch gebot im ländlichen Raum Lücken: zu be- miteinander in Beziehung stehen ( Abbil- stimmten Zeiten besteht kein Fahrplanange- dung 1). Erfahrungsgemäß ist jeder Bürger- bot und/oder es werden bestimmte Orte und bus (zumindest ein bisschen) anders - und das Bereiche nicht bedient. Hier kann ein Bürger- ist auch ganz in Ordnung. bus Verbesserungen schaffen. Es macht da- gegen aus zwei Gründen wenig Sinn, wenn ein Wie zuvor beschrieben, gibt es unterschiedli- Bürgerbus vor oder nach einem Linienbus auf che Möglichkeiten für die formale Einordnung derselben Strecke verkehrt: von Bürgerbussen, hierzu mehr im folgenden D as Verkehrsangebot verbessert sich Kapitel. Unabhängig davon gibt es bei der nicht, damit bleibt der ÖPNV unattraktiv. Konzeptentwicklung einige Leitlinien, die Sie Die Wirtschaftlichkeit sowohl des Bürger- beachten sollten: busses wie der bestehenden Angebote ist gefährdet. Da eine gute Abstimmung somit letztlich im ABBILDUNG 1: Interesse aller ist, unterstützt das Land be- THEMEN DER BÜRGERBUSENTWICKLUNG sonders solche Verkehrsangebote, die die dafür erforderlichen Vorbereitungen auf sich Trägerschaft nehmen („Bürgerbus im ÖPNV“ statt „in ge- nehmigungsfreier Nische“, Kapitel 4). Rechtsform und Es ist daher sehr sinnvoll, sich zu Beginn einen Genehmigung Finanzierung Überblick über bestehende ÖPNV-Angebo- te (einschließlich „Schulbusse“ und Ruftaxen) zu verschaffen und bei der eigenen Konzep- tentwicklung zu berücksichtigen ( Tabelle 2, Abstimmung Ehrenamtliches S. 34/35). Bei Unklarheiten geben die Ver- Verkehrsverbund Engagement kehrsunternehmen, Verbünde oder für den ÖPNV zuständigen Stellen der Landratsämter Quelle: nexus Institut u. a. 2013, S.17 hier gern Auskunft. Auch die Genehmigungs- 16
„Verkehrsregeln“ für Bürgerbusse behörden1 prüfen bei einem Konzessionsantrag schränkte Personen die Hauptgruppe der die Abstimmung mit bestehenden Angeboten. Fahrgäste. Im Zuge des demografischen Wandels wird sich dies vermutlich noch ver- EIN BÜRGERBUS SOLL EINE SINNVOLLE stärken. Die von Bürgerbussen oft gebotene ERGÄNZUNG SEIN gute Flächenbedienung und die persönliche Fahrzeiten und Fahrziele sind so zu wählen, Atmosphäre kommen den Bedürfnissen von dass sie den Verkehrsbedürfnissen der Men- Personen mit Mobilitätseinschränkungen schen bestmöglich entgegenkommen. Die Er- zweifellos entgegen. fahrung zeigt, dass Bürgerbusse hier oft Vor- teile gegenüber anderen Formen des ÖPNV Der Mangel an Verkehrsangeboten im ländli- haben, weil sie die örtlichen Bedingungen chen Raum betrifft jedoch auch andere Teile (etwa Standorte und Öffnungszeiten von Ge- der Bevölkerung. Das Fahren von Kindern zu schäften, Arztpraxen, wichtige Veranstaltun- privaten Terminen („Mamataxi“) ist für viele gen usw.) kennen und berücksichtigen. Auch Eltern – auch das zeigt die Erfahrung – mit in der Flächenerschließung (Anbinden kleiner hohem Zeit- und Koordinationsaufwand ver- Siedlungen und Wohngebiete) hat der Bür- bunden. Auch Einkaufsgelegenheiten und gerbus Stärken. Ferner sollte der weiterfüh- andere Ziele müssen mitunter von Menschen rende ÖPNV berücksichtigt werden: Bahnhöfe besucht werden, die (evtl. nur momentan) bzw. wichtige Haltestellen überörtlicher Bus- kein Auto zur Verfügung haben. linien sollten angefahren und die Fahrzeiten auf günstige Anschlüsse abgestimmt werden, Es ist daher wenig sinnvoll, einen Bürgerbus damit der Bürgerbus auch für längere Fahr- von vornherein als reines „Seniorenverkehrs- ten benutzt werden kann. Dies gilt auch dann, mittel“ zu entwickeln. Vielmehr sollten auch wenn die meisten Fahrgäste mit dem Bürger- andere Personenkreise als Kunden gewonnen bus direkt an ihr Ziel gelangen. und idealerweise auch zum Mitmachen beim Bürgerbus motiviert werden. Je umfassender Wir haben im Folgenden eine Checkliste das Angebot ist und je besser es bekannt ge- ( Tabelle 2, S. 34/35) für Sie bereitgestellt, macht wird, umso mehr kann es auch genutzt in der die wichtigsten Kriterien für das Ange- werden! botskonzept zusammengestellt sind. Natürlich kann es zwischen diesen Anforde- rungen auch Konflikte geben. Kein Bürgerbus kann an zwei Orten zugleich sein. In solchen Fällen müssen die Beteiligten überlegen und abwägen, welche Bedürfnisse Vorrang ha- ben sollen. Oft gibt es auch Möglichkeiten, durch kleine Änderungen in der Planung gute Kompromisse zu schließen. Auch hier helfen Ortskenntnis und ggf. die Erfahrung der Ver- kehrsunternehmen. Eine „Patentlösung“ da- für gibt es allerdings nicht. ALLE SOLLTEN VON BESSERER MOBILITÄT PROFITIEREN! Bei vielen Bürgerbusprojekten bilden „jung gebliebene“ Senioren den Hauptstamm der Aktiven und ältere bzw. mobilitätseinge- 1 Genehmigungsbehörde in Baden-Württemberg ist abhängig von der Organisation des ÖPNV vor Ort entweder der Landkreis oder das örtlich zuständige Regierungspräsidium. Im Zweifel gibt das Landrat- samt darüber Auskunft. 17
„Verkehrsregeln“ für Bürgerbusse / Nachgefragt EIN BÜRGERBUS BRAUCHT ZEIT D ie Vorbereitung des Bürgerbusses Die zahlreichen Bürgerbusprojekte zeigen, braucht Zeit: Die nötigen Planungsschrit- dass bürgerschaftliches Engagement auch im te, Abstimmungen, Trainingsmaßnahmen ÖPNV gut aufgehoben ist. Trotzdem sollten usw. erstrecken sich nach aller Erfahrung Sie sich bewusst sein, dass das Mitmachen bei über mindestens ein, eher zwei Jahre. Die- einem Bürgerbusprojekt sich in manchem von ser Zeitbedarf ist auch mit viel Engage- anderen ehrenamtlichen Aktivitäten unter- ment kaum zu reduzieren und sollte daher scheidet. Die Aktiven brauchen insbesondere nicht zu Frustration führen! Zeit und auch Geduld. Dabei geht es weniger Die Kunden brauchen Zeit: Gerade im länd- um die absolut benötigte Zeit für den Fahr- lichen Raum kennen viele Menschen den dienst (hierzu siehe unten). Wichtig ist eher ÖPNV nur noch als „Schulbus“ und haben die Bereitschaft zu einem regelmäßigen En- seit langem keine eigene Erfahrung mehr gagement über einen längeren Zeitraum, aus mit Bus- oder Bahnfahrten gemacht. Ihre mehreren Gründen: Alltagsgewohnheiten sind auf das Auto Der Bürgerbus ist Teil des öffentlichen Ver- ausgerichtet. Diese Routinen zu verändern kehrs, damit ist die Erwartung verbunden, braucht viel Zeit. Selbst in städtischen dass der Verkehr dauerhaft und zuverläs- Kontexten ist von einem Jahr „Umgewöh- sig bereitgestellt werden kann. Eine „Be- nungszeit“ auszugehen, bis neue Verkehr- triebspflicht“ besteht je nach Form auch sangebote ihren Kundenstamm gefunden formal ( Kapitel 4), auf jeden Fall aber haben. Im ländlichen Raum und bei eher aus der Verpflichtung gegenüber der Öf- kleinen Maßnahmen wie einem Bürgerbus fentlichkeit. Die Bürgerbus-Aktiven müs- dauert es eher noch länger. Geduld – und sen genug (personelle) Ressourcen haben, ständige Öffentlichkeitsarbeit – sind da- um dies sicherzustellen. her auch in der Startphase nötig. NACHGEFRAGT BÜRGERMOBIL BAD WIMPFEN – VIELFÄLTIGE EINSATZAUFGABEN Interview mit Rudi Holzmann und Reinhold Korb vom Bürgerbusverein sowie Claus Brecher, Bürgermeister Was war bei Ihnen der Anlass, einen „AG Mobilität“ Ideen zu einer Mitfahrzentrale Bürgerbus einzurichten? oder einem Bürgerbus entwickelt wurden. Un- Wir hatten 2008/09 einen Demografieprozess ser damaliger Feuerwehrkommandant, Herr in der Stadt, in dem unter anderem in einer Korb, hat sich dem Aufbau des Verkehrs ange- 18
Nachgefragt nommen und zusammen mit Herrn Holzmann Grundsätzlich werden die Personen mit unse- das Projekt in der Anfangszeit wesentlich vor- rem zweiten Fahrzeug separat befördert, das angetrieben. Herr Korb hat zum Beispiel zehn ist unser älterer Bus, für den wir im Oktober ehemalige Feuerwehrleute als Fahrer mitge- 2017 ein Ersatzfahrzeug für den Linienbetrieb bracht. Wir haben auch Bad Krozingen besucht bekommen haben. und konnten dort ein Fahrzeug zu Probezwe- cken (aus Akzeptanzgründen) für einen be- Ihr Bürgerbus macht morgens und mittags stimmten Zeitraum ausleihen. Kindergartenfahrten. Wie ist das organisiert? Das zu integrieren war von Anfang an Teil des In Bad Wimpfen beteiligt sich auch eine Konzepts – vorher haben wir als Stadt das an Reihe von Geschäften am Bürgerbus, wie ein Busunternehmen vergeben, was uns pro funktioniert das? Jahr etwa 20 000 € gekostet hat. Von daher Ja, wir geben Fahrtgutscheine an eine Reihe war der Bürgerbus sozusagen eine WinWin-Si- von Geschäften ab, etwa Edeka und Rewe, tuation für die Stadt. Die eingesparten Kosten aber auch andere, insgesamt 11. Die Läden waren wesentlicher Beitrag für die Finanzie- kaufen diese bei uns zum normalen Fahrpreis rung. Daneben gab es großzügige Unterstüt- und geben sie dann ihren Kunden ab einem zung durch Werbepartner, damit war der Bus Mindesteinkaufswert gratis dazu. Zum Bei- faktisch finanziert. spiel haben wir letztes Jahr (2018) an EDEKA Etwa 15 % unserer Fahrgäste sind Kinder, die 800 Gutscheine verkauft, was EDEKA einen wir zur Kita bringen. Die Kitafahrten sind je- Umsatz von mindestens 24 000 € gebracht weils zu Schichtbeginn, damit ist das zugleich hat. eine Kontrolle für die Fahrer, ob sie den Dienst antreten – denn die Eltern melden sich gleich, Das Bürgermobil macht aber nicht nur wenn die Kinder nicht abgeholt werden. Der Linienverkehr. Was haben Sie noch im Kita-Verkehr wird durch die Stadt finanziert, Angebot? da er ursprünglich entstanden ist, als die städ- Wir machen auch einmal im Monat Stadt- tische Kita in dem Ortsteil aufgegeben wurde. rundfahrten, da kommt entweder ein Stadt- Die Eltern bezahlen nichts extra für den Bus führer von der Touristinformation dazu oder außer dem Kita-Kostenbeitrag. ( Kasten, ein Bürgerbusfahrer, der auch ausgebildeter S. 37) Stadtführer ist, fahren als Sonderfahrt am Samstagnachmittag. Wir nehmen dafür den Müssen Sie dafür besondere Regeln normalen Fahrpreis von der Tourist-Info, das beachten? heißt, wir bekommen den üblichen Euro für die Die Kinder werden von den Kita-Personalen in Fahrt. Die Fahrgäste zahlen den Preis für die den Bus gebracht, der Busfahrer schnallt sie Rundfahrt mit Führung an die Touristinforma- an. An den zwei Zielhaltestellen werden sie tion. Seit dem Jahre 2017 bietet der Turnver- von den Eltern abgeholt. Der Bus ist für diesen ein Bad Wimpfen sogenannten Rollatorsport Verkehr mit Kindersitzschalen für jeden Sitz an. Das Angebot richtet sich an Personen die ausgerüstet. Die legt der Fahrer vor der Fahrt gehbehindert sind und das Hilfsmittel Rolla- auf und verstaut sie wieder im Gepäckraum, tor in Anspruch nehmen müssen. Der Rolla- bevor der normale Linienverkehr beginnt. torsport wird wöchentlich angeboten und von vielen betroffenen Personen dankend und mit Für die Fahrereinsatzplanung haben Sie ein Begeisterung angenommen. Der Bürgerbus Online-Dokument - wie funktioniert das? befördert seit dieser Zeit die Personen samt Ein Verwandter von mir hat mir den Tipp ge- Rollator zum Veranstaltungsort wobei ein geben und eines unserer Mitglieder hat eine Bürgerbusfahrer aktiv mit die Übungsstunde Excel-Tabelle bei Google-Docs eingerichtet gestaltet. Dieses Angebot ist beispielhaft für ( Bild 20, S. 57). Die Tabelle zeigt uns jeweils vereinsübergreifendes Wirken zum Wohle der für drei Monate, wie viele Schichten noch zu Bürger. Der Turnverein Bad Wimpfen wurde für besetzen sind, welche Fahrer wie viele Schich- dieses Angebot schon mehrfach überörtlich, ja ten fahren und wer an welchem Tag Dienst landesweit, gewürdigt und ausgezeichnet. Im hat. Alle Fahrer haben darauf Zugriff. Jahre 2018 wurden 412 Fahrgäste dieses Per- sonenkreises mit dem Bürgerbus befördert. 19
Formale Grundmodelle – ÖPNV oder nicht? 04 Formale Grundmodelle – ÖPNV oder nicht? Es gibt viele Möglichkeiten, ein Bürgerbusangebot zu gestalten. In den folgenden Ab- schnitten werden die Fragen ausführlich behandelt, die bei der Konzeptentwicklung zu berücksichtigen sind. Die Ausführungen sollen Ihnen helfen, eine vor Ort sinnvolle und machbare Lösung zu finden. Zunächst möchten wir aber kurz auf die unterschiedlichen formalen Randbedingungen eingehen, die für alle Projekte gelten. ZWEI WEGE ZUR UMSETZUNG Bürgerbusse „im ÖPNV“ bieten daher bessere Grundsätzlich können Bürgerbusse in zwei for- Voraussetzungen für einen dauerhaften Be- malen Konstellationen eingerichtet werden: trieb und durch ihre größere Sichtbarkeit und a) entsprechend der für den öffentlichen Per- Abstimmung mit weiteren Verkehrsange- sonennahverkehr geltenden Kriterien des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) b) außerhalb des ÖPNV in Erweiterung der für das private Mitnehmen von Personen im (1) Den Vorschriften dieses Gesetzes un- Pkw geltenden Anforderungen (in der sog. terliegt die entgeltliche oder geschäftsmä- „genehmigungsfreien Nische“ nach § 1 II S. ßige Beförderung von Personen mit Stra- 2 PBefG, siehe Kasten) ßenbahnen, mit Oberleitungsomnibussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen. Als Wesentlicher Unterschied ist, dass im „Bür- Entgelt sind auch wirtschaftliche Vortei- gerbus im ÖPNV“ ein Fahrpreis bis zur Höhe le anzusehen, die mittelbar für die Wirt- des ortsüblichen Verbundtarifs erhoben wer- schaftlichkeit einer auf diese Weise geför- den darf. Hinzu kommen einige Steuervortei- derten Erwerbstätigkeit erstrebt werden. le. Damit ist eine wesentliche Grundlage für (2) Diesem Gesetz unterliegen nicht Beför- einen wirtschaftlich dauerhaft tragfähigen derungen Betrieb gegeben ( Kapitel 6.2). Beim Bür- 1. m it Personenkraftwagen, wenn diese gerbus in der so genannten „genehmigungs- unentgeltlich sind oder das Gesamtent- freien Nische“ sind dagegen nur Spenden gelt die Betriebskosten der Fahrt nicht oder geringfügige Unkostenbeteiligungen übersteigt; möglich. Umgekehrt sind die qualitativen An- 2. mit Krankenkraftwagen.... forderungen an den „Bürgerbus im ÖPNV“ Satz 1 Nummer 1 gilt auch, wenn die Beför- höher, was besonders in der Vorbereitungs- derungen geschäftsmäßig sind. phase zu einem gewissen Mehraufwand und Ausgaben führt ( Tabelle 1, S. 21). Bild 2: Gesetztestext aus dem PBefG 20
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