- Baugenossenschaft Viernheim

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- Baugenossenschaft Viernheim
1920

         100
       JAHRE

               2020
- Baugenossenschaft Viernheim
100
   JAHRE

1920 - 2020
- Baugenossenschaft Viernheim
„
                                                                „
Die Genossenschaft ist eine Sensationsgeschichte. Sie ist eine großartige
  Gemeinschaft, die für bezahlbares, gutes und sicheres Wohnen der
                          Mitglieder einsteht.
- Baugenossenschaft Viernheim
GRUSSWORTE                         GESTERN                                           HEUTE                                                    MORGEN
                                                                                     Die Baugenossenschaft im Jubiläumsjahr 2020
Grußwort des Vorstandes       06   Viernheim – Vom Dorf zur Stadt              1 4   in Zahlen                                          3 8   Der Blick in die Zukunft     5 8
                                                                                     Im Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden
Grußwort des Bürgermeisters   08   Die Baugenossenschaft und ihre Geschichte   20    Walter Wohlfart                                    40
                                                                                     Im Gespräch: Der Vorstand der
                                                                                     Baugenossenschaft Viernheim eG                     44    MENSCHEN
                                                                                     Unsere Werte und Vorstellungen                     50
                                                                                                                                              Im Gespräch mit Zeitzeugen   64
                                                                                     Weltkulturerbe: Der Genossenschaftsgedanke
                                                                                     und die Baugenossenschaft als Träger dieser Idee   54
- Baugenossenschaft Viernheim
GRUSSWORT DES VORSTANDES
    DER BAUGENOSSENSCHAFT
    VIERNHEIM EG
    Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Mitglieder,

    als amtierender Vorstand sind wir sehr         uns auch intensiv mit der Historie befasst.   nie ganz gelöst werden können.“ Treffen-
    stolz darauf, ein Teil der Geschichte unse-    Ganz besonders hat uns hier die Festrede      der hätte man es nicht formulieren können,
    rer Baugenossenschaft sein zu dürfen und       des ehemaligen Stadtverordnetenvorste-        denn auch sechzig Jahre später kann die-
    dies sogar im 100. Jahr nach der Gründung      hers, Herrn Rechtsanwalt und Notar Her-       ser Feststellung nichts Gegenteiliges ent-
    im Jahr 1920.                                  bert Franz, anlässlich unseres 75-jährigen    gegengehalten werden.
    Unsere zahlreichen Aktivitäten sind den        Jubiläums im Jahr 1995 bewegt, beein-         Die Baugenossenschaft wurde vor 100
    aktuellen Herausforderungen geschuldet,        druckt, aber auch nachdenklich gestimmt.      Jahren sicher nicht mit der Vorstellung ge-
    jedoch nimmt auch der Blick nach vorne         Die Rede hat vor nunmehr 25 Jahren ein-       gründet das Wohnungsproblem ganz lösen
    immer einen wichtigen Raum in unserem          drucksvoll die Entwicklung der Baugenos-      zu können. Vielmehr waren und sind wir
    Denken und Handeln ein. Wir wollen si-         senschaft von der Gründung über verschie-     einer der Akteure in unserer Stadt, die im    Vorstand v.l.n.r.: Dipl. Ing (FH) Harald Weik, Dipl. Ing Reinhard Hölscher, Rolf Sax

    cherstellen, dass unsere Baugenossen-          dene Etappen bis zum Tag des Vortrages        Rahmen ihrer Möglichkeiten fortwährend
    schaft auch für die Aufgaben in der Zu-        selbst sehr treffend zusammengefasst. Das     an der Linderung des wohl nie endenden        verfallen, vielmehr sind wir unserem ge-                         und jede Generation der Genossenschaft           ten, uns Vorständen und unseren Mitarbei-
    kunft gut gerüstet ist.                        damals Gesagte passt noch heute. Würde        Wohnungsproblems mitwirken.                   nossenschaftlichen Auftrag konsequent                            hat die Herausforderungen der jeweiligen         tenden viel Freude. Es gibt allen ein gutes
    Niedrige Mieten für unsere Mitglieder mit      man in diesem Beitrag den Bezug zum da-       Gerade in den vergangenen Jahren hat          treu geblieben. Wir haben uns in der Zeit                        Zeit zu bewältigen. Gestern wie heute sind       Gefühl mitverantwortlich dafür zu sein,
    dem wirtschaftlichen Erfolg der Genos-         maligen Jubiläum und das Datum des Vor-       sich der Wohnungsmarkt auch in unserer        teilweise horrend steigender Mieten auf                          die Spuren der Genossenschaft in unserer         dass unsere Mieterinnen und Mieter ein
    senschaft unter einen Hut zu bringen, ist      trages durch das aktuelle 100-jährige Ju-     Stadt eklatant problematisch für Mieter       das wirtschaftlich notwendige Maß be-                            Stadt auf Schritt und Tritt sichtbar. Dies ist   gutes und sicheres Dach über dem Kopf
    eine schwierige Aufgabe.                       biläum ersetzen, wäre die damalige Rede       und Wohnungssuchende entwickelt. Unse-        schränkt, um auch in der Zukunft für                             die logische Folge daraus, dass sich unsere      haben und aufgrund unserer bezahlbaren
    Seit es die Baugenossenschaft gibt, ist es     auch 25 Jahre danach sehr treffend.           re Genossenschaft beweist sich – auch und     ordentliche Häuser und Wohnungen mit                             Baugenossenschaft seit 100 Jahren fort-          Mieten daneben noch finanziell atmen
    ihr gelungen, beiden Verantwortungen ge-       Themen wie der Mangel an Wohnraum,            gerade in dieser Zeit – als verlässlicher     nachhaltiger Bewirtschaftung sorgen zu                           während in vielen Bereichen weiterentwi-         können.
    recht zu werden. Als größter Vermieter         der Mangel an bezahlbaren Mieten für          Partner ihrer Mitglieder und von Woh-         können.                                                          ckelt und engagiert hat.                         Wir erfüllen damit eines der elementaren
    von Wohnraum in Viernheim bieten wir           Wohnungssuchende aus den unteren Ein-         nungssuchenden in unserer Stadt.              Neben der Weiterentwicklung des Woh-                             Jeder achte Bürger Viernheims wohnt              Grundbedürfnisse des Menschen – das
    unseren Mitgliedern seit jeher das, was ei-    kommensbereichen, der Ruf nach mehr           Die fortwährend qualitative und quanti-       nungsbestandes haben wir zusätzliche So-                         unter dem Dach der Baugenossenschaft.            Wohnen.
    nes der Ziele der Gründer unserer Genos-       Bereitstellung von Bauland und einem          tative Weiterentwicklung unseres Woh-         zialwohnungen mit Mietpreisbindung und                           Unsere Mitglieder profitieren hierbei von        Das Wirken vorangegangener Genera-
    senschaft war und auch noch heute unser        größeren Engagement des Staates für den       nungsbestandes wirken der dynamischen         Belegungsrechten für die Stadt Viernheim                         bezahlbaren Mieten. Sie müssen sich kei-         tionen und unser heutiges Handeln entwi-
    satzungsgemäßer Auftrag ist:                   sozialen Wohnungsbau, aber auch die Inte-     Fehlentwicklung am Wohnungsmarkt ent-         geschaffen und forcieren dies auch im ak-                        ne Sorgen darüber machen, dass sie ihre          ckeln die Verpflichtung für die nachfolgen-
    Die Förderung unserer Mitglieder, vorran-      gration von Flüchtlingen begleiten unsere     gegen. Unsere Baugenossenschaft ist hier-     tuellen Jubiläumsjahr.                                           Wohnung wegen rein wirtschaftlicher Mo-          den Generationen. Heute und in Zukunft
    gig durch eine gute, sichere und sozial ver-   Gesellschaft und auch unsere Genossen-        bei nicht der Versuchung der Gewinnopti-      Die Gründer der Genossenschaft und unse-                         tive oder gar Eigenbedarf des Vermieters         ist und soll die Baugenossenschaft Viern-
    antwortbare Wohnungsversorgung.                schaft damals wie heute.                      mierung erlegen, nur weil es Andere tun.      re Vorgängergenerationen haben ihre Auf-                         verlieren könnten.                               heim die Institution in Viernheim sein, die
    In der Vorbereitung des 100-jährigen Jubi-     Bereits vor rund sechzig Jahren schrieb       Wir sind nicht der Goldgräberstimmung         gaben in einer Weise gemeistert, wie dies                        Diesen genossenschaftlichen Auftrag fort-        verantwortungsvoll die gute sichere und
    läumsjahres haben wir unseren Blick nicht      der damalige Bürgermeister Hans Mandel        gewinnorientierter Wohnungsunterneh-          heute nicht mehr denkbar ist. Jede Epo-                          zuführen macht allen Akteuren unserer            soziale Wohnungsversorgung ihrer Mit-
    nur nach vorne gerichtet, sondern              den Satz: „Das Wohnungsproblem wird           men oder zahlreicher privater Vermieter       che hat ihre eigenen Rahmenbedingungen                           Baugenossenschaft, unseren Aufsichtsrä-          glieder sicherstellt.

6                                                                                                                                                                                                                                                                                                              7
- Baugenossenschaft Viernheim
Zusammenarbeit von BG und Stadt
    GRUSSWORT DES BÜRGERMEIS-                                                                                                              Viernheim von hoher Bedeutung.

    TERS DER STADT VIERNHEIM                                                                                                               Ebenso beteiligt sich die Baugenossen-
                                                                                                                                           schaft seit Jahren finanziell als Sponsor
                                                                                                                                           bzw. Pate beim Viernnheimer Stadtfest,
    Ein besonderes Jubiläum – ein besonderer Grund zu feiern
                                                                                                                                           dem Freiwilligentag sowie an weiteren ge-
                                                                                                                                           meinnützigen Projekten in unserer Stadt.
    100 Jahre Baugenossenschaft Viernheim          mit dauerhaften Lösungen. Im Laufe der       men Auftrages von Stadt und Baugenos-
                                                                                                                                           Für den Magistrat der Stadt Viernheim
    eG: Das bedeutet 100 Jahre erfolgreiches       Jahre hat sie ihren Gebäudebestand er-       senschaft.
                                                                                                                                           darf ich dem Vorstand der BG Viernheim,
    und dem Gemeinwohl gewidmetes Han-             weitert, das Dienstleistungsangebot er-
                                                                                                                                           dem Aufsichtsrat und der Mitarbeiter-
    deln im Wohnungsbau für unsere Stadt.          höht und die eigene Umweltbilanz op-         Daher hat die Stadt Viernheim in 2018/19
                                                                                                                                           schaft herzlich zum 100-jährigen Beste-
    Das Jubiläum steht gleichzeitig für 100        timiert.                                     die Belegungsrechte für 52 Wohnungen
                                                                                                                                           hen gratulieren und für die Leistungen für
    Jahre genossenschaftliches Wirken im                                                        der Baugenossenschaft neu erworben.
                                                                                                                                           das Gemeinwesen danken.
    Interesse von zeitgemäßem, alters- und         Die energetische Verbesserung der Ge-
    familiengerechtem und vor allem bezahl-        bäude, die Errichtung eines Glasfasernet-    Weitere 65 Wohnungen am freien Markt
                                                                                                                                           Ich wünsche der Baugenossenschaft auch
    barem Wohnraum in Viernheim im För-            zes, der Bau von neuen bzw. die Moderni-     werden in Form von Mehrfamilien-
                                                                                                                                           in Zukunft ein erfolgreiches Wirken und
    derauftrag der Mitglieder und in der Soli-     sierung von bestehenden Wohneinheiten,       häusern in den nächsten Jahren in der
                                                                                                                                           alles Gute bei der Meisterung der neuen
    darität einer Gemeinschaft.                    auch teilweise barrierefreien Wohnungen,     Franz-Schubert-Straße 3-7 sowie in der
                                                                                                                                           Herausforderungen.
                                                   sprechen für eine umfassende Zukunfts-       Kirschenstraße 130 neu entstehen.
    Seit der Entstehung im Jahr 1920 steht         orientierung der Baugenossenschaft. Ihre
    die BG für soziale Stabilität, weil sie sich   Auftragsvergaben fördern die lokale und      Neben der Schaffung von Wohnraum
                                                                                                                                           Ihr
    den Zielen einer bedarfsgerechten, sozial      regionale Konjunktur und Wertschöpfung.      erfährt das Viernheimer Gemeinwesen
                                                                                                                                           Matthias Baaß
    orientierten Wohnraumversorgung ver-           Daher ist sie für die Menschen in unserer    auch weiteren Mehrwert durch das sozi-
                                                                                                                                           Bürgermeister der Stadt Viernheim
    pflichtet weiß.                                Stadt und der Region nicht nur in der Ver-   ale Engagement der Baugenossenschaft.
                                                   mietung von Wohnraum, in der Wohnungs-       Nennen möchte ich hier die erfolgreiche
    In den 60er und 70er Jahren des letzten        verwaltung und als Bauträgerin, sondern      Kooperation mit der neuen Wohnraum-
    Jahrhunderts war der starke Bevölke-           auch als Geschäftspartner und Arbeitge-      hilfe gGmbH (NWH), die Teil der frei-
    rungszuwachs in Viernheim nicht ohne           ber eine feste Größe. Heute ist die Bauge-   en Wohlfahrtspflege ist. Durch gezielte
    das Handeln der Baugenossenschaft zu           nossenschaft mit über 1.850 Wohnungen        Einbindung von professionellen Sozial-
    bewältigen. So sind heute noch vorzeig-        der größte Wohnanbieter Viernheims. Sie      arbeitern der NWH wird ein kompeten-
    bare Wohnsiedlungen vorhanden, Stadt           bietet ihre Wohnungen trotz vielfach ho-     ter Dienstleister eingesetzt, um nahende
    und Baugenossenschaft handelten damals         hen Ausstattungsstandards durchschnitt-      Räumungsklagen infolge von Vertrags-
    „Hand in Hand“, die Grundstücke der            lich zu einem Preis deutlich unterhalb des   störungen der Mieter zu vermeiden.
    Stadt sorgten für sehr gute Startbedingun-     Mietpreisniveaus an.
    gen im Wohnungsbau.                                                                         Die Zusammenarbeit mit den interkul-
                                                   Attraktiven und bezahlbaren Wohnraum         turellen Vermittlerinnen des Projekts
    Die Baugenossenschaft hat schon zahlrei-       zu schaffen und zu erhalten ist Grundvor-    pflVV ist ebenfalls zu einem wichti-
    chen Krisenzeiten getrotzt, auch dem Weg-      aussetzung, damit Menschen, jeden Alters     gen Bestandteil der Baugenossenschaft
    fall der Gemeinnützigkeit. Im Gegenteil:       gerne in unserer Stadt leben. Dies ist und   geworden. Auch mit Blick auf die zu-
    Auf Herausforderungen reagierte die BG         bleibt zentraler Bestandteil des gemeinsa-   nehmenden Flüchtlingszahlen war die

8                                                                                                                                                                                       9
- Baugenossenschaft Viernheim
GESTERN   „
          Die Genossenschaft hat allen Herausforderungen getrotzt und – früher wie

                                                                          „
          heute – gute sowie bedarfsorientierte Antworten auf Problemstellungen gefun-
          den. Sie war mitverantwortlich, dass aus dem Dorf Viernheim die Stadt in der
          heutigen Größe geworden ist. Ohne die BG wäre die Stadtentwicklung
          wohl anders verlaufen.
- Baugenossenschaft Viernheim
Ursprungsgebäude der Geschäftsstelle der BG Viernheim am Tivolipark (Mozartstr. 15) / Motiv: Bild des Künstlers Roland Schmiddem – Geschenk an die Baugenossenschaft zum 75-jährigen Jubiläum

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- Baugenossenschaft Viernheim
VIERNHEIM –
     VOM DORF ZUR STADT

     Die Stadt Viernheim mit ihren rund       penheim. Nach vorübergehender Zu-         ben jedoch Nebenerwerbsbauern. Nach
     33.000 Einwohnern liegt im Herzen        gehörigkeit zu Bensheim (1832-1839)       dem Zweiten Weltkrieg erlebte Viern-
     der Metropolregion Rhein-Neckar im       kehrte es wieder in den Amtsbezirk        heim einen wirtschaftlichen Aufstieg
     Süden Hessens. Sie ist in der ganzen     Heppenheim zurück. Seit 1848 gehör-       und ein starkes Anwachsen der Bevöl-
     Region und darüber hinaus bekannt        te Viernheim zum Kreis Heppenheim,        kerungszahl. Seine günstige Verkehrs-
     für ihr Einkaufszentrum Rhein-Ne-        der 1938 in den Kreis Bergstraße um-      lage förderte seinen Wandel zur mittle-
     ckar-Zentrum und unter dem Namen         benannt wurde.                            ren Industriestadt.
     „Brundtlandstadt“ für ihren Status als
     erste energieeffiziente Gemeinde Hes-    Nicht nur die ständigen Wechsel der       Die hervorragenden Autobahnverbin-
     sens. Ihr Weg von einem kleinen Dorf     Herrschaftszugehörigkeit prägten Viern-   dungen und ein starker Rahmen an mit-
     zu einer florierenden Stadt geht auf     heim, sondern auch die siebenmaligen      telständischen Unternehmen machen
     eine lange Geschichte zurück.            Religionswechsel infolge des Augs-        Viernheim heute zu einer starken Stadt.
                                              burger Religionsfriedens von 1555.        Namhafte Unternehmen aus Deutsch-
     Archäologische Funde weisen auf eine     Danach mussten die Untertanen die         land und der ganzen Welt fühlen sich
     lange Besiedlung des Ortes hin. Eine     Religion ihres Landesherrn überneh-       in Viernheim zu Hause, Viernheimer
     erste schriftliche Erwähnung ist im      men. Lange kriegerische Auseinander-      Traditionsunternehmen wie die Bau-
     Lorscher Codex (777 n. Chr.) zu fin-     setzungen um Herrschaftsansprüche         genossenschaft prägen sie außerdem
     den: Hier ist Viernheim als Besitz des   verschonten auch Viernheim nicht.         maßgeblich. All das sowie eine reiche
     Klosters festgehalten. Entgegen den      Im Jahre 1852 veranlassten Missern-       Kulturlandschaft, viele Sehenswürdig-
     anderen Besitzungen Lorschs kam          ten und Hunger 458 Männer, Frauen         keiten und das soziale Engagement der
     Viernheim erst 1308 in den Besitz des    und Kinder nach Nordamerika auszu-        Stadt machen sie zu dem, was sie heute
     Mainzer Erzbischofs.                     wandern. Bei diesem Vorhaben wur-         ist: Eine wahrhaft lebenswerte Stadt.
                                              den sie von der Gemeinde finanziell
     Mehrfach wurde es zur Begleichung        unterstützt. Ende des 19. Jahrhunderts
     von Schulden durch seine Herren ver-     fanden die ersten Viernheimer Arbeit
     pfändet. Nach dem Dreißigjährigen        in den Fabriken der umliegenden Ort-
     Krieg blieb Viernheim bei Mainz und      schaften Mannheim und Weinheim.
     wurde dann 1803 hessisch; es kam         Das Bauerndorf wandelte sich zur Ar-
     zur Amtsvogtei Lorsch, 1821 bei der      beiterwohngemeinde. Viele pendelnde
     Schaffung der Landratsbezirke zu Hep-    Fabrikarbeiter und ihre Familien blie-
                                                                                                                                  Blick auf die Apostelkirche

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- Baugenossenschaft Viernheim
Die Rathausstraße vor 65 Jahren   Das 1890 erbaute Rathaus (1968 abgerissen)

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Viernheim heute

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tremen Stellenwert ein und konnte im Zuge    stellt, 1976 die 1500. - alle belegt mit Mie-   wurde aber zunächst nicht erweitert. Erst
                                                                                                                                           des beginnenden wirtschaftlichen Auf-        tern und Mieterinnen im Dauernutzungs-          1990 kam wieder Bewegung in die Bau-
                                                                                                                                           schwungs und dem damit einhergehenden        recht.                                          genossenschaft. Durch den Wegfall des
     DIE BAUGENOSSENSCHAFT                                                                                                                 Wohnungsbau sofort wieder aktiv werden.                                                      Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes
                                                                                                                                           Vorstand, Aufsichtsrat und Genossen-         Auch der Bau von Eigentumswohnungen             überführte der Staat Wohnungsunterneh-
     VIERNHEIM UND IHRE                                                                                                                    schaftsmitglieder begannen wieder ziel-      und Eigenheimen wurde weiterhin maß-            men in die freie Marktwirtschaft mitsamt
                                                                                                                                           strebig, den sozialen Wohnungsbau zu för-    geblich von der BG vorangetrieben. Die          umfassender Steuerpflicht. In dieser Zeit
     GESCHICHTE                                                                                                                            dern. Der herrschenden Wohnungsnot war       Viernheimer Oststadt und andere Neubau-         stieg die Nachfrage nach Wohnungen er-
                                                                                                                                           mit Eigenheimen allein jedoch nicht bei-     gebiete sind Gegenden, die durch die Bau-       neut.
                                                                                                                                           zukommen, und so entstanden die ersten       genossenschaft geprägt sind.
     Die Baugenossenschaft Viernheim ist ein      gegründet, um der Wohnungsnot nach dem      1933 bis 1945: Machtübernahme durch          Sozialwohnungen.                                                                             Der Schwerpunkt der Baugenossenschaft
     Wohnungsunternehmen in der Rechtsform        ersten Weltkrieg mithilfe einer Baugenos-   die Nationalsozialisten und Zweiter                                                       Die Mitgliederzahlen stiegen und erreich-       sollte aber weiterhin auf der Renovierung
     einer Genossenschaft und fördert ihre Mit-   senschaft entgegenzuwirken.                 Weltkrieg                                    In den nächsten Jahren entwickelte sich      ten im Jahr 1963 die Zahl 1500. Im Jahr         und Modernisierung liegen. In die Jahre
     glieder vorrangig durch eine gute, sichere                                               Die Machtübernahme durch die National-       die BG zu einem florierenden Geschäfts-      1973 schließlich wurde die Vertreterver-        gekommene Wohnungsobjekte wurden in
     und sozial verantwortbare Wohnungsver-       Am 7. November 1920 erfolgte die Eintra-    sozialisten bekam auch die BG zu spüren.     betrieb. Nach 8 Jahren waren insgesamt       sammlung eingeführt. Auch der Geschäfts-        einen Zustand zeitgemäßen Standards ver-
     sorgung.                                     gung in das Genossenschaftsregister - mit   Die Gesinnung der Baugenossenschaft          425 Sozialwohnungen geschaffen, auch         betrieb wurde daraufhin zwangsläufig er-        setzt, um auf Dauer vermietbar zu bleiben
                                                  101 Gründungsmitgliedern und acht Auf-      stimmte nicht mit den Zielen der Arbei-      der Bau von Eigenheimen ging stetig vo-      weitert, der Umzug in das neu errichtete        und auch in Zeiten eines ausgeglichenen
     Ihre Geschichte ist nicht nur eine außer-    sichtsräten startete das junge Unterneh-    terpartei überein, im Rahmen der Gleich-     ran und bis 1960 wurden 179 Wohnungen        Bürogebäude mit 27 Mitarbeitenden in der        Wohnungsmarktes keine Leerstände we-
     ordentliche Erfolgsgeschichte, sondern       men Baugenossenschaft Viernheim in eine     schaltung wurden sowohl Vorstand als         erstellt. Die Bau- und Verwaltungsleistung   Mozartstraße 15 folgte.                         gen mangelhafter Ausstattung zu erfahren.
     auch Spiegelbild der gesellschaftlichen      ungewisse Zukunft.                          auch Aufsichtsrat abgelöst und im Sinne      war vielseitig, die Kurven der Bauleistun-   Auch gesellschaftlich und kulturell betei-
     Entwicklung Deutschlands und der Stadt                                                   der Erneuerung ersetzt. Gebaut wurde         gen, des Wohnungsbestandes, der Mitglie-     ligte sich die Baugenossenschaft. 1966 war      1996 bis 2010: Moderne Ansprüche
     Viernheim.                                   In den ersten drei Jahren nach der Grün-    nicht mehr, vielmehr wurde die Genossen-     derzahlen und der Bilanzsumme gingen         sie maßgeblich an der Tulpenschau betei-        treffen
                                                  dung wurden 42 Wohnungen gebaut, die        schaft auf Fehler und Unterschlagungen       steil nach oben. Durch die Unterstützung     ligt und beim Hessentag 1968 veranstaltete      Alte Genossenschaftshäuser wurden abge-
     Die Baugenossenschaft ist nicht nur Woh-     Wohnungsnot wurde jedoch größer. Die        untersucht. Solche wurden jedoch nicht       des Bürgermeisters und eines Landtagsab-     sie das Kinderfest mit vielen Kindern. Der      rissen und durch neue, moderne Neubauten
     nungsunternehmen, sondern eine wahre         Jahre 1926 bis 1930 brachten eine besse-    gefunden, der Baugenossenschaft gelang       geordneten konnten außerdem erhebliche       Höhepunkt: Ein Luftballonwettbewerb,            ersetzt. Hierbei wurde auch zusätzlicher
     Institution in der Stadt mit dem Ziel der    re Konjunktur und damit eine verstärk-      es aber, die Anerkennung als Siedlungs-      Landesmittel für den sozialen Wohnungs-      der mit über 4000 Luftballons Grüße aus         Wohnraum durch die Nachverdichtung der
     Hilfe zur Selbsthilfe. Kein anderes Unter-   te Bautätigkeit. 104 Eigenheime konnten     träger zu erlangen und so wurden in den      bau kanalisiert werden.                      Viernheim und von der Baugenossenschaft         Grundstücke geschaffen.
     nehmen prägt das Stadtbild Viernheims so     in dieser Zeit errichtet werden, doch die   Jahren 1938 bis 1940 insgesamt 30 Häuser                                                  nach ganz Deutschland brachte.
     wie die BG, hat Wohnungen für die breiten    Weltwirtschaftskrise machte auch vor        in der Kettelerstraße, der Kriemhildstraße   1960 bis 1979: Weitere Entwicklung                                                           Das Thema Barrierefreiheit wurde erst-
     Schichten der Bevölkerung bereitgestellt     Viernheim nicht halt: Sowohl der Beschäf-   und der Kreuzstraße gebaut.                  und gesellschaftliches Engagement            1980 bis 1995: Renovierung und Mo-              mals aufgegriffen. Aufgrund des zuneh-
     und ist stets auf Nöte und Trends der Ge-    tigungsstand als auch die Baukonjunktur                                                  Wohnungssuchende und Bauwillige be-          dernisierung                                    menden Durchschnittsalters der Bewohner
     sellschaft eingegangen.                      gingen in den Keller.                       Der Ausbruch des Krieges legte jedoch        drängten weiterhin zuständige Stellen        Nach wie vor war das große Ziel der Bauge-      der BG-Wohnungen wurden neue Woh-
                                                                                              schließlich jede Bautätigkeit lahm.          und Ämter. In Zusammenarbeit mit der         nossenschaft, Wohnungen in jeder Rechts-        nungen alten- und behindertengerecht ge-
     Nun wird sie 100 Jahre alt. Wir werfen       Bis 1932 konnte die Baugenossenschaft                                                    Stadt errichtete die BG schon bald Häuser,   und Nutzungsform für breite Schichten der       plant.
     einen Blick zurück.                          trotzdem 150 Eigenheime mit rund 300        1945 bis 1960: Nachkriegsjahre               Hausgruppen und ganze Straßenzüge mit        Bevölkerung zu schaffen und diese instand
                                                  Wohnungen errichten. Die Genossenschaft     Wie bereits zu Zeiten der Gründung im        dem Merkmal vorbildlicher Außenanla-         zu halten, sowie den gesamten Wohnungs-         Auch in diesem Zeitraum lag das Haupt-
     1920 bis 1933: Gründung und Nach-            hatte die Bewährungsprobe bestanden,        Jahre 1920 bestand auch nach dem Zwei-       gen. Ergebnis dieser Zusammenarbeit war      bestand zu modernisieren und zu sanieren.       augenmerk der Genossenschaft auf der
     kriegsjahre                                  galt seitdem als wichtiges Instrument zur   ten Weltkrieg eine große Wohnungsnot.        die Weststadt Viernheims.                    Die Nachfrage nach Sozialwohnungen er-          Erneuerung der Bestände durch Instand-
     Not macht erfinderisch, und so wurde         Erfüllung der Bauwünsche derjenigen, die    Die Wohnungsversorgung durch die Bau-                                                     lebte nach der Grenzöffnung des Ostens          haltung, Modernisierung und Neubaumaß-
     1920 die Baugenossenschaft Viernheim         der besonderen Hilfe bedürfen.              genossenschaft nahm abermals einen ex-       1969 wurde die 1000. Mietwohnung er-         einen abermaligen Anstieg, der Bestand          nahmen. Im neuen Jahrtausend stieg das

20                                                                                                                                                                                                                                                                                  21
Bewusstsein hinsichtlich des dramatischen     Auch den Anforderungen der Digitalisie-       Bezahlbares Wohnen ist eines der Kern-
     Klimawandels. Die Baugenossenschaft hat       rung stellt sich die Baugenossenschaft. So    themen der Genossenschaft. Neben dem
     sich dieser Herausforderung frühzeitig ge-    gründet die Genossenschaft zusammen           ohnehin schon großen Angebot an Woh-
     stellt und umfangreiche energieeffizien-      mit dem Stadtwerken Viernheim ihre erste      nungen mit günstigen Mieten werden auf
     te Maßnahmen ergriffen. Die Haustech-         Tochtergesellschaft, die Kabel Viernheim      Initiative der BG 105 zusätzliche Sozial-
     nik und die Bauweise wurden angepasst,        GmbH. Diese Gesellschaft baut ein eige-       wohnungen in Zusammenarbeit mit der
     um Energie einzusparen und die Umwelt         nes Glasfasernetz in Viernheim auf und        Stadt Viernheim und dem zuständigen Mi-
     zu entlasten. Neubaumaßnahmen wur-            versorgt fortan die Wohnungen der Bau-        nisterium des Land Hessen geschaffen.
     den vorwiegend für den eigenen Bestand        genossenschaft mit High-Speed-Internet,
     durchgeführt und auf bestehenden Grund-       Telefonie und auch das Fernsehen wird         Auch nach 100 Jahren wird die Geschich-
     stücken Ersatzgebäude errichtet. So erhielt   über die eigene Breitbandkabelanlage in       te der Baugenossenschaft weitergehen. So
     die Viernheimer Nordstadt ein völlig neu-     die BG –Wohnungen eingespeist. Auch           wird im Jubiläumsjahr mit einer Quartiers-
     es Bild, die Baugenossenschaft geht dabei     andere Gebäude in Viernheim werden an         entwicklung am Tivolipark zusätzlicher
     stets mit der Zeit: Häuser wurden mit ho-     das moderne Glasfasernetz angeschlossen,      Wohnraum für 55 Familien geschaffen
     her Energieeffizienz geplant und sparsame     um diese mit hohen Internetgeschwindig-       und die nächsten Bauprojekte vorbereitet.
     Heizungs- und Lüftungstechnik konzi-          keiten für die Zukunft zu rüsten. „Fiber to   Baugenossenschaft – eine hoffentlich nie
     piert. Das Ziel: Die langfristige Senkung     the building und Fiber to the home“ sind      endende Erfolgsgeschichte.
     des Energieverbrauches, eine Reduktion        die Grundlage für den Start in das digita-
     des CO2-Ausstoßes und die Umsetzung           le Zeitalter – auch beim Wohnen, auch bei
     der Energieeinsparverordnung.                 der BG.

     Auch dem modernen Anspruch der höchst-        Infolge der außergewöhnlichen Flücht-
     möglichen Wohnqualität will die Bauge-        lingszuwanderung ab dem Jahr 2015
     nossenschaft gerecht werden. So werden z.     übernimmt die Baugenossenschaft er-
     B. alte Balkone nach und nach durch mo-       neut selbstlos ihre gesellschaftliche Ver-
     derne Vorstellbalkone ersetzt, Müllplätze     antwortung. Um die Unterbringung der
     und Fahrradstellflächen überdacht und         Flüchtenden in Viernheim zu unterstützen
     Fahrstuhlanlagen erneuert.                    verschiebt die BG ihr Bauprogramm und
                                                   stellt der Stadt Viernheim eigentlich zum
     Auch das Bürogebäude in der Mozartstra-       Abriss vorgesehene Häuser zur mehrjäh-
     ße 15 wurde im Jahr 2007 aufgestockt und      rigen Nutzung der Wohnungen zur Ver-
     renoviert.                                    fügung. Auch in der Folgeunterbringung
                                                   von anerkannten Asylbewerben nimmt die
     2010 bis 2020: Rüsten für die Zukunft         BG eine besondere Rolle ein und versorgt
     Als erster Bauherr in Viernheim entwi-        zahlreiche wohnungssuchende Familien
     ckelt die Baugenossenschaft hochgradig        als neue Genossenschaftsmitglieder mit
     energieeffiziente Passivhäuser im Ge-         Wohnungen. Weitere soziale Hilfsmaß-
     schosswohnungsbau und errichtet fortan        nahmen folgen, um die Integration zu för-
     Neubauten in diesem hohen Energieeffi-        dern.
     zienzstandard.

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MOMENTAUFNAHMEN FRÜHERER
     ZEITEN

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Blüten rumd um die Hildegardkirche                         Die Jakob-Sisters

     Wolfgang Schwabe, MdB, beim Abend der Baugenossenschaft   Der „Vater der Tulpenschau“ Jakob Beikert mit Tulpenkönigin Margo Heckmann, Landrat Dr. Ekkehard Lommel und Bürgermeister Hans Mandel

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Adolf Kolping Str. 2                            Weststadt

     Mannheimer Straße / Kreuzung Karl Marx Straße               Blütenmeer: 100.000 Blüten rund um die Hildegardkirche

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Tulpenschau 1966

30                      31
BILDER VERGANGENER ZEITEN

     ehem. Kirschenstr. 120-124   Geschäftsstelle Mozartstr. 15

     Mannheimer Str. ggü. RNZ                                     Ehemalige Gebäude Kleegarten

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HÄUSER IM JAHR 2020

                            Georg Büchner Str. 5-7   Beethovenstr. 32

     Pestalozzistr. 10-12   Kirschgarten

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HEUTE   „
        Unsere Baugenossenschaft gibt ein sehr positives Bild in Viernheim ab, das In-

                                                                          „
        teresse an einer Mitgliedschaft in der BG steigt. Die Zeiten, in denen die Bauge-
        nossenschaft überwiegend im Kontext des sozialen Wohnungsbaus eingeordnet
        wurde, sind vorbei. Die Mieter sind stolz in einem Gebäude mit unserem Logo
        zu wohnen.
DIE BG IM JUBILÄUMSJAHR 2020
     IN ZAHLEN

     GRÜNDUNGSJAHR: 1920
     MITGLIEDER BEI GRÜNDUNG: 101
     MITGLIEDER: ZUM BEGINN DES JUBILÄUMSJAHRES: 3.063
     MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER: 28
     ANZAHL DER WOHNUNGEN: 1.862
     DURCHSCHNITTSGRÖSSE DER WOHNEINHEITEN: 68,97 Q M
     DURCHSCHNITTLICHE WOHNUNGSMIETE: 378 E U R/ M O N A T
     DURCHSCHNITTLICHER MIETPREIS JE QM: 5,46 E U R
     GEPLANTE PROJEKTE: 7 H Ä U S E R M I T C A. 90 W O H N U N G E N
     BILANZSUMME: 88.700 T E U R
     ANZAHL GEZEICHNETER GENOSSENSCHAFTSANTEILE: 16.935
     SUMME DES GEZEICHNETEN GESCHÄFTSGUTHABENS: 9.053 T E U R            STANDORTE VON HÄUSERN DER BAUGENOSSENSCHAFT

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I M G E S P R Ä C H:
     AUFSICHTSRATSVORSITZENDER
     WALTER WOHLFART

     Walter Wohlfahrt ist schon seit vielen        haben enorm von der Baugenossenschaft        die Nachkriegszeit, als Jakob Beikert        Was liegt Ihnen besonders am Herzen          nen finanziell mehr Zuwendung und Ent-     Mit dem Gießkannenprinzip Fördergelder
     Jahren im Aufsichtsrat der Baugenossen-       profitiert, da bin ich heute noch dank-      noch Vorstand war. In dieser Zeit ist ganz   für die Mitglieder und Mieter?               scheidungsfreiheit zukommen lassen um      zu verteilen, die mit vielen Auflagen behaf-
     schaft tätig und sitzt diesem zurzeit vor.    bar. Wenn die Baugenossenschaft nicht        viel gemacht worden, da wurden ganze         Mir liegt am Herzen, dass die Leute sich     vor Ort zu entscheiden, ob sozialer Woh-   tet sind, finde ich kontraproduktiv.
     Wir baten ihn zum Gespräch.                   wäre, dann hätten wir definitiv andere       Häuserblocks gebaut und somit Stadt-         wohlfühlen. Wir konnten in den letzten       nungsbau gebraucht wird und wie man
                                                   Mietpreise in Viernheim. Die Mietpreis-      teile wiederbelebt. Das war zu der Zeit      Jahren viele Probleme aus der Welt schaf-    diesen fördert.
     Was genau verbindet Sie mit der Bau-          beständigkeit der BG ist eine ganz be-       absolut notwendig, gerade für die sozial     fen, da wir sehr präsente Mitarbeiter und
     genossenschaft?                               sondere. Wenn man dort einzieht, dauert      Schwächeren. Da wurde damals wirklich        Kollegen haben. Dadurch können Prob-
     Ich bin schon seit vielen Jahren im Auf-      es viele Jahre, bis da mal eine Mietpreis-   eine ganz tolle Arbeit geleistet und der     leme gleich geregelt werden und der Auf-
     sichtsrat und zurzeit auch der Aufsichts-     erhöhung kommt. Das ist für Viernheim        soziale Wohnungsbau gefördert, sodass        sichtsrat und der Vorstand arbeiten da-
     ratsvorsitzende. Außerdem verbindet           ein Riesengewinn.                            Menschen nicht nur ein Dach auf dem          ran, dass das in Zukunft auch so bleibt.
     mich mit der Baugenossenschaft mein                                                        Kopf hatten, sondern vor allen Dingen        Auch von der finanziellen Situation würde
     soziales Denken und die Tatsache, dass        Wie bewerten Sie den Stellenwert der         auch wirklich ordentlich gewohnt haben.      ich mir wünschen, dass wir die stabilen
     ich dort aufgewachsen bin. In den Auf-        Baugenossenschaft in der Stadt Viern-                                                     Mieten in der Form halten können. Zuletzt
     sichtsrat bin ich damals mehr oder weni-      heim?                                        Wie sieht es mit der Zukunft aus? Was        wünsche ich mir natürlich, dass das Zu-
     ger reingerutscht, da sich viele Leute mit    Die Baugenossenschaft baut natürlich         ist für die Zukunft geplant?                 sammenleben der Mieter respektvoll ist
     Fragen an mich in meiner Position als         ganz viel, erneuert viel, teilweise ganze    Momentan bauen wir in der Franz Schu-        und Jung und Alt zusammen und in einem
     Stadtrat gewandt haben. Ich habe mich         Straßenzüge, wie z.B. das ehemalige Te-      bert Straße, das ist eins der größten Pro-   großen Miteinander in der Baugenossen-
     dann an den damaligen Vorstand ge-            xas. Damit zeigt die BG immer wieder,        jekte in den letzten Jahren, denn hier       schaft leben und sich gegenseitig unter-
     wandt, begonnen mich zu engagieren und        wie ökologisches Denken und auch Zu-         bauen wir fünf Häuser gleichzeitig. In den   stützen. Das ist schließlich der große Ge-
     auch seiner Zeit einige Änderungen ge-        kunftsdenken aussehen kann. Die An-          letzten Jahren wurde sehr viel gemacht,      danke hinter einer Genossenschaft.
     meinsam mit den anderen Aussichtsrats-        sprüche des Staats sind da natürlich         auch an Renovierungs- und Modernisie-
     mitgliedern auf den Weg gebracht.             schon hoch, die BG geht aber immer wie-      rungsarbeiten. Das wird auch in der Zu-      Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
                                                   der darüber hinaus, indem sie z.B. heu-      kunft weiter passieren. Wir verschönern      Für die Zukunft würde ich mir wünschen
     Was genau sehen Sie als die Vorteile          te schon nach Passivhausstandard baut        die Häuser, verpassen ihnen einen neuen      – nicht nur für die Genossenschaft, son-
     der Baugenossenschaft?                        und somit Nachhaltigkeit vorlebt.            Anstrich, neue Haustüren, neue Anlagen.      dern auch für die Bürgerschaft – dass
     Für mich persönlich gibt es momentan                                                       Denn wenn ein Haus schlecht aussieht,        wir die sozial Schwächeren weiterhin und
     keine Vorteile, aber als Kind habe ich die-   Was denken Sie hat die Entwicklung           dann möchte dort auch niemand wohnen.        vermehrt unterstützen können und den so-
     se natürlich genossen. Wir sind damals        der Baugenossenschaft besonders ge-          Wir möchten natürlich dafür sorgen, dass     zialen Wohnungsbau wieder vorantreiben
     aus wesentlich schlechteren Verhältnis-       prägt?                                       sich die Leute in unseren Häusern wohl-      können. Hier müsste der Staat den Bun-
     sen in einen Neubau der BG gezogen und        Die Entwicklung geprägt hat natürlich        fühlen und sie auch wertschätzen.            desländern, Landkreisen und Kommu-

40                                                                                                                                                                                                                                                                                  41
Grünanlage mit Wasserspielen damals in der Adolf Kolping Str. 2   Grünanlage mit Wasserspiel nach Generalüberholung im Jahr 2019

42                                                                                                                                      43
Harald Weik: Wir haben uns schon vor                                                              seren Neubauten ab dem Jahr 2020 enden
                                                                                                                                                       Jahren unser eigenes Know-How im Be-                                                              die Glasfasern sogar in jeder Wohnung.
     IM GESPRÄCH: DER AKTUELLE                                                                                                                         reich von Passivhäusern als Geschoss-
                                                                                                                                                       wohnungsbauten erarbeitet und solche
                                                                                                                                                                                                                                                         Damit ist die Gigabit-Versorgung möglich
                                                                                                                                                                                                                                                         und die Wohnungen sind auf höchstem
                                                                                                                                                       Neubauten selbst entwickelt. Diese Bau-                                                           Breitbandniveau ausgestattet. Selbstver-
     VORSTAND DER BAUGENOSSEN-                                                                                                                         weise haben wir zur Serienreife gebracht.                                                         ständlich arbeiten wir auch in der Ver-
                                                                                                                                                       Inzwischen bewirtschaften wir über 100                                                            waltung mit der glasfaserbasierten Inter-
     SCHAFT VIERNHEIM                                                                                                                                  unserer Wohnungen in Mehrfamilien-                                                                netanbindung. Die Zukunft kann kommen.
                                                                                                                                                       häusern im Passivhausstandard. Über                                                               Dort, wo es sinnvoll ist, treiben wir die
                                                                                                                                                       80 weitere solcher Wohnungen werden                                                               Digitalisierung auch in unserer täglichen
     Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums ha-             erforderten. Die Genossenschaft hat allen    Welche Zeiten haben die Entwicklung            in absehbarer Zeit zusätzlich gebaut bzw.                                                         Arbeit voran: Bei Mieterakten, Bauplä-
     ben wir den aktuellen Vorstand, bestehend             Herausforderungen getrotzt und früher        der Baugenossenschaft besonders ge-            sind fester Bestandteil unseres Baupro-        Rolf Sax (kaufmännischer Vorstand, hauptamtlich)   nen oder der Buchhaltung heißt es schon
     aus Harald Weik (technischer Vorstand,                wie heute gute und bedarfsorientierte Ant-   prägt?                                         gramms. Wir sind die Vorreiter in diesem                                                          „weg vom Papier“. Auch Wohnungsab-
     hauptamtlich), Rolf Sax (kaufmännischer               worten auf Problemstellungen gefunden.       Rolf Sax: Die 60er/70er-Jahre bedeuteten       Bausegment in Viernheim.                       Rolf Sax: Rund 19 Prozent unseres Woh-             nahmen erfolgen papierlos. Für weitere
     Vorstand, hauptamtlich) und Reinhard                                                               sicherlich den größten Umbruch.                                                               nungsbestands sind bereits barrierefrei            digitale Transformationen in unseren Ar-
     Hölscher (Vorstandsmitglied, nebenamt-                Rolf Sax: Am Thema Wohnungsnot hat                                                          Rolf Sax: Anfänglich mussten wir uns ge-       erreichbar. Ein großer Teil der Wohnun-            beitsprozessen haben wir bereits konkrete
     lich) zum Gespräch gebeten.                           sich in den vergangenen 100 Jahren im        Harald Weik: Damals hat die BG hunder-         gen zahlreiche Bedenkenträger durchset-        gen ist auch barrierearm ausgestattet,             Vorstellungen, wo die Reise hingehen soll.
                                                           Grundsatz nichts geändert; das war mal       te von Wohnungen in Viernheim errichtet.       zen, die mal irgendwo negative Argumen-        z. B. mit bodengleichen Duschen.                   Wir haben uns aber auch Grenzen der Di-
                                                           mehr, mal weniger prägnant. Gänzlich                                                        te gegen die Passivhausbauweise gehört                                                            gitalisierung gesetzt. Als Genossenschaft
                                                           lösbar scheinen Wohnungsprobleme wohl        Rolf Sax: Aufgrund der sehr umfangrei-         haben. Wir haben diese Argumente verifi-       Harald Weik: Wir wollen, dass unsere               sind wir auch persönlich für unsere Mit-
                                                           niemals. Die BG ist schon immer eine der     chen Neubauaktivitäten wurden keine            ziert und schnell festgestellt, dass die We-   Bewohner möglichst lange in ihren Woh-             glieder da. Nicht jeder möchte unsere An-
                                                           Institutionen, die zumindest an der Linde-   einzelnen Richtfeste gefeiert, sondern es      nigsten wirklich selbst über Fachexpertise     nungen bleiben. Deshalb führen wir auch            gebote der digitalen Kommunikationswe-
                                                           rung der Wohnungsprobleme mitgewirkt         gab sogenannte Aufbaufeiern. Das waren         verfügten. Für uns war dies der Ansporn,       entsprechende Maßnahmen durch, wie die             ge annehmen, sondern lieber den direkten
                                                           hat. Ab den 50er-Jahren hat die Genos-       richtige Festabende im damaligen Rats-         uns selbst intensiv mit den Grundlagen         Beseitigung unnötiger Barrieren im Be-             Kontakt von Mensch zu Mensch pflegen.
                                                           senschaft den Fokus auf den Mietwoh-         keller, mit Reden und schönem Rahmen-          von Passivhäusern auseinanderzusetzen.         stand und den konsequenten Einbau von              An diesem Service wollen wir festhalten,
                                                           nungsbau gelegt. Damit war sie mitver-       programm.                                      Der Erfolg gibt uns letztendlich recht, die    Aufzügen in Neubauten. Auf Barrieren               solange der Bedarf bei unseren Mitglie-
                                                           antwortlich, dass aus dem Dorf Viernheim                                                    Bewohner dieser Häuser sind sehr zufrie-       zu verzichten, gehört zu unseren Grund-            dern besteht.
                                                           die Stadt in der heutigen Größe geworden     Reinhard Hölscher: In den vergangenen          den und sparen erhebliche Heizkosten.          sätzen, wenn wir neue Häuser entwickeln
                                                           ist. Durch Bau und Zuzug ist Viernheim       Jahren ging es vor allem darum, die Ge-        Natürlich muss auch die umweltschonen-         und bauen.                                         Wie hat sich der Charakter der Bauge-
     Reinhard Hölscher (Vorstandsmitglied, nebenamtlich)   insgesamt stark gewachsen. Ohne die BG       bäude energetisch zu optimieren. Da sind       dere Bauweise gegenüber normalen Bau-                                                             nossenschaft verändert?
                                                           wäre die Stadtentwicklung wohl anders        wir der Zeit etwas voraus – was die Poli-      ten herausgehoben werden. Wer die welt-        Rolf Sax: Auch auf dem Gebiet der Digi-            Harald Weik: Der Grundgedanke der ge-
     Wie bewerten Sie die Geschichte der                   verlaufen.                                   tik heute diskutiert setzen wir bereits seit   weiten Bewegungen für den Klimaschutz          talisierung haben wir uns weiterentwickelt.        genseitigen Hilfe geht leider immer weiter
     Baugenossenschaft?                                                                                 Jahren um. Von der Energieeinsparung           verfolgt, erkennt, dass wir die richtigen      Zusammen mit den Stadtwerken Viernheim             verloren. Das ist heute nicht mehr so wie
     Reinhard Hölscher: Die Anfänge waren                  Harald Weik: Genossenschaft ist eine Sen-    her liegen wir mit unseren Häusern weit        Entscheidungen getroffen haben.                haben wir die erste Tochtergesellschaft in         früher. Die Mieter leben zunehmend an-
     damals schwierig in den Jahren nach                   sationsgeschichte. Früher stand sie für      unter dem, was gefordert ist. Bereits um                                                      der Geschichte der Baugenossenschaft ge-           onym in den Mehrfamilienhäusern. Frü-
     dem ersten Weltkrieg, als Wohnungsnot                 gegenseitige handwerkliche Unterstützung     die Jahrtausendwende wurden unsere             Reinhard Hölscher: Ein weiteres wichti-        gründet. Das ermöglicht uns unter anderem,         her haben sich die Nachbarn gegenseitig
     herrschte. Genauso schwierig war es in                am Bau für das Eigenheim, heute ist es       Neubauten z.B. als sogenannte „Hessen-         ges Thema ist die Barrierefreiheit. Das ist    fast alle unsere Wohnungen über das eigene         umeinander gekümmert, das nimmt in be-
     den Jahren während und nach dem Zwei-                 eine große Gemeinschaft, die für bezahl-     häuser“ vom Land Hessen ausgezeichnet,         wichtig für immer älter werdende Bewoh-        Glasfasernetz mit schnellem Internet zu ver-       dauerlicher Weise ab. Aber das ist kein ge-
     ten Weltkrieg. Auch danach gab es immer               bares, gutes und sicheres Wohnen der Mit-    nicht zuletzt wegen der energiesparenden       ner, aber auch Familien, die mit Kinder-       sorgen. Aktuell funktioniert das über ein hy-      nossenschaftliches Problem, sondern eine
     wieder Entwicklungen, die gute Lösungen               glieder einsteht.                            Bauweise.                                      wagen hantieren müssen.                        brides Netz mit DOCSIS-Technologie. In un-         gesamtgesellschaftliche Entwicklung.

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Reinhard Hölscher: Man sieht uns mehr               nommen. Dieses erfreuliche Bild kennen       zu können. Neben dem Ziel den Menschen       eine deutliche Erhöhung in allen Teilbe-      Harald Weik: Es gibt weitere Netzwerk-       Leben und das Grundbedürfnis des Men-
     als Vertragspartner, als denjenigen, der            wir aus zahlreichen Gesprächen mit un-       eine Unterkunft bieten zu können, woll-      reichen der Nebenkosten. Leider wird in       treffen, die nicht in diese Verbände ge-     schen.
     einem eine Wohnung zur Verfügung stellt             terschiedlichen Menschen in Viernheim.       ten wir auch daran mitwirken, dass z.B.      allen Diskussionen nur die Kaltmietent-       hören. Diese Gremienarbeiten beanspru-
     und die Schäden repariert.                          Die Zeiten, in denen die Baugenossen-        Sporthallen und öffentliche Einrichtungen    wicklung kritisiert, die aus unserer Sicht    chen schon einige unserer Ressourcen,        Rolf Sax: Im Tagesgeschäft gibt es immer
                                                         schaft fast nur im Kontext des sozialen      nicht für die Flüchtlingsunterbringung       bemerkenswerten Erhöhungen der Neben-         jedoch zahlt sich dieser Aufwand durch       wieder kleinere Anekdoten zum Schmun-
     Rolf Sax: Es gibt aber auch andere Bei-             Wohnungsbaus eingeordnet wurde, sind         zweckentfremdet werden mussten. Dies         kosten bleiben leider vielfach unbeachtet.    den stetigen Know-How-Aufbau und Wis-        zeln. Ich nenne immer wieder gerne das
     spiele. In einzelnen Liegenschaften küm-            vorbei. Mittlerweile sind Mieter wieder      ist leider in anderen Städten geschehen      Hier könnte, nein muss, politisch mehr        senstransfer aus.                            Beispiel eines Mieters, der den Defekt des
     mern sich die Bewohner um die Vorgärten             stolz, in einem Gebäude mit unserem Logo     und konnte in Viernheim auch mit unse-       passieren.                                                                                 Treppenhauslichtes angezeigt hat. „Im-
     und Gartenanlagen. Das begrüßen und                 zu wohnen. Wir erleben zunehmend, dass       rer Unterstützung vermieden werden. Wir                                                    Reinhard Hölscher: Zudem sind wir im         mer wenn ich die Tür öffne, brennt das
     unterstützen wir natürlich. Wir möchten,            langjährige Hauseigentümer ihr Haus          haben auch hier gesellschaftliche Verant-    Reinhard Hölscher: Unsere Bemühungen          regen Austausch mit der Stadt Viernheim      Licht“ – wir hatten zuvor die Treppen-
     dass sich unsere Mieter wieder mehr mit             verkaufen, um den nächsten Lebensab-         wortung übernommen.                          beim sozialen Wohnungsbau haben wir           und den Stadtwerken Viernheim, auch          hausbeleuchtung auf energiesparende Be-
     der Genossenschaft identifizieren. Des-             schnitt sorgenfrei in einer Wohnung im                                                    seit 2018 wieder verstärkt, in dem wir Be-    ohne feste Gremien.                          wegungsmelder umgestellt… Es gibt aber
     halb setzen wir seit einiger Zeit bei Bewer-        BG-Standard zu verbringen. Die Qualität      Was kann man von der Baugenossen-            standswohnungen umgewidmet haben.                                                          auch Momente, die uns überraschen. Im
     bern für Wohnungen voraus, dass sie Mit-            der Gebäude und das Servicepaket werden      schaft in Zukunft erwarten? Welche           Aufgrund der Baukosten kann man der-          Rolf Sax: Es freut uns auch sehr und be-     Rahmen einer Legionellenprüfung wur-
     glied unserer Genossenschaft sind bzw.              mit steigender Tendenz auch von Mietern      Ziele haben Sie, welche Schwerpunkte         zeit keinen Neubau, der alle Vorschriften     stätigt uns in unserer Arbeit, dass wir      de ein starker Befall einer Mischbatterie
     vor einer Bewerbung werden. Das sorgt               nachgefragt, die lang im Eigenheim wohn-     setzen Sie?                                  und Vorgaben erfüllt, direkt als sozialen     immer wieder Anfragen zu unseren Kon-        im Bad festgestellt. Die Ursachenanalyse
     manchmal für Unmut bei denjenigen, die              ten und jetzt die Vorzüge des Wohnens in     Rolf Sax: Zum einen gilt es, unseren Be-     Wohnungsbau realisieren. Die Baukosten        zepten und Arbeitsweisen bekommen. Ge-       brachte dann zu Tage, dass die Bewohner
     länger auf eine neue Wohnung warten                 der Genossenschaft nutzen möchten.           stand weiterhin zu optimieren. Das bedeu-    und Grundstückspreise sind mittlerweile       rade unsere Passivhauskonzeption und         die zentrale Warmwasserversorgung am
     oder erst Mitglied der Genossenschaft                                                            tet, Abriss und Ersatzneubau oder auch,      so hoch, dass man nicht mehr auf Miet-        das Glasfaserprojekt wurde schon von         Wasserhahn noch nie genutzt haben, son-
     werden müssen. Insgesamt aber dominiert             Was sind die aktuellen Projekte und          vorhandene Grundstücke zu bebauen wie        höhen kommt, die den Namen Sozialmie-         vielen Kollegen aus der Wohnungswirt-        dern – wie früher – das Wasser auf dem
     die Zufriedenheit der Mieter und die An-            Aktionen der Baugenossenschaft?              z.B. am Kirschgarten und am Schmitts-        te tragen dürfen. An dieser Stelle sind die   schaft angesehen. Unser hart erarbeitetes    Herd erwärmten. Man traute der „neuen
     erkennung für diese neue Mitgliederfokus-           Harald Weik: Aktuell arbeiten wir an         berg II. Wir werden die Bauland-Entwick-     Rahmenbedingungen leider aus dem Ru-          Fachwissen hierzu geben wir gerne weiter.    Technik“ einfach nicht.
     sierung.                                            einem größeren Projekt, dem Quartier         lung der Stadt Viernheim stets beobachten    der gelaufen, hier muss die Politik reagie-   Wir sehen uns hier nicht als Konkurren-
                                                         Franz-Schubert-Straße. Dort entstehen ab     und uns dort einbringen, wo wir es kön-      ren – entweder die Anforderungen herun-       ten zu anderen, sondern freuen uns, wenn
                                                         dem Jahr 2020 55 Passivhauswohnungen.        nen. Unser Ziel ist der genossenschaft-      terschrauben oder die Förderung deutlich      zukunftsweisende Entwicklungen auf das
                                                         Noch bevor der Bauantrag gestellt war,       liche Gedanke und eine gute und sozial       erhöhen.                                      Interesse von Mitstreitern stoßen und wir
                                                         waren schon mehr als die Hälfte der Woh-     verantwortbare Wohnungsversorgung zu                                                       zur Entwicklung auch außerhalb unserer
                                                         nungen fest reserviert.                      realisieren. Bezahlbare Mieten nicht nur     Wie engagieren Sie sich sonst noch?           Genossenschaft und über Viernheim hin-
                                                                                                      mit dem Blick auf die Kaltmiete, sondern     Rolf Sax: Wir arbeiten im Arbeitskreis        aus beitragen können.
                                                         Rolf Sax: Das Quartier sollte früher schon   auf die Gesamtmiete anzubieten, ist eines    Bergsträßer Wohnungsgesellschaften mit.
                                                         umgesetzt werden. Gerade als die damali-     der Hauptziele.                              Daneben sind wir im Arbeitskreis ur-          Gibt es Momente oder Ereignisse, die
                                                         gen Gebäude entmietet und abrissbereit                                                    ban plus – Netzwerk der Metropolregion        besonders in Erinnerung geblieben
                                                         waren, kam im Jahr 2015 die Flüchtlings-     Harald Weik: Wir verstehen darunter, dass    Rhein-Neckar vertreten und wirken in ver-     sind?
                                                         welle auch in Viernheim an. Wir haben re-    Wohnen maximal ein Drittel des verfüg-       schiedenen Fachausschüssen des Woh-           Harald Weik: In meinen Anfangsjahren
                                                         agiert und der Stadt Viernheim unsere Un-    baren Haushaltseinkommens kosten darf.       nungsverbandes mit. Wir sind dort in den      als Vorstand habe ich immer wieder eine
                                                         terstützung angeboten. Die Abrissgebäude     Bezahlbares Wohnen hängt heute viel von      Ausschüssen Betriebswirtschaft, Perso-        Dame gesehen, die am Monatsanfang ihre
      Harald Weik (technischer Vorstand, hauptamtlich)
                                                         waren mit wenig Aufwand wieder in einen      den Nebenkosten ab – wenn man die Stei-      nal, Technik und IT aktiv. Harald Weik        Miete direkt bei uns bar einbezahlt hat.
     Harald Weik: Unsere Baugenossenschaft               wohnfähigen Zustand zu versetzen und         gerung von Kaltmieten und Nebenkosten        vertritt uns darüber hinaus im Verbands-      Und ihr Spruch dazu war: „Miete geht
     gibt ein sehr positives Bild in Viernheim           wurden von uns an die Stadt vermietet, um    vergleicht, muss man eigentlich nichts       rat der südwestdeutschen Wohnungswirt-        vor Brot“. Dies unterstreicht den Stellen-
     ab und wird insgesamt positiv wahrge-               Flüchtlingen eine erste Wohnung geben        weiter sagen. In den letzten Jahren gab es   schaft.                                       wert einer Wohnung als wichtige Säule im

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Reinhard Hölscher: Gerade mit neuester
     Technik erlebt man die tollsten Dinge. Ein
     Mieter beklagte eine Schimmelbildung in
     seiner Wohnung. Dies war im Grunde nicht
     möglich, da in der Wohnung eine dezentra-
     le Lüftungsanlage vorhanden ist. Letztend-
     lich hat sich herausgestellt, dass der Mieter
     Strom sparen wollte und daher die Lüftung
     ausgeschaltet hat – die Heizkosten waren
     ihm egal, da diese vom Amt bezahlt wurden.
     Die eigentlich heizkostensparende Lüftung
     jedoch musste er aus seinem Leistungsbezug
     selbst bezahlen und war hierzu nicht bereit.
     Dies war der Moment, in dem für uns klar
     wurde, dass wir in der Zukunft nur noch
     zentral steuerbare Lüftungsanlagen verwen-
     den werden.

     Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
     Für Mitglieder, Mieter, Mitarbeiter?
     Rolf Sax: Wir wollen, dass Wohnen keine He-
     rausforderung für unsere Mieter ist - die Woh-
     nungsqualität soll stimmen, die Wohnkosten
     sollen bezahlbar sein. Unsere Mitarbeiter sol-
     len unbelastet ihre Aufgaben angehen. Keiner
     soll mit Bauchschmerzen zur Arbeit kommen,
     da nur dann eine gute Leistung möglich ist.
     Wir schaffen hierzu den Rahmen.

     Reinhard Hölscher: Wohnen soll Spaß ma-
     chen, und Arbeiten soll Spaß machen.

     Zuletzt: 100 Jahre Baugenossenschaft
     Viernheim - wie würden Sie das in drei
     Worten beschreiben?
     Reinhard Hölscher: Notwendiger denn je.

     Harald Weik: Ein tragfähiges Konstrukt.

     Rolf Sax: Mehr als gewohnt.

                                                      Georg Büchner Straße / Beethovenstraße

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UNSERE WERTE
     UND VORSTELLUNGEN

     Wir glauben damals wie heute an die Hilfe      Energieeffizienz                            Energieeinsparverordnung haben hierbei           Barrierefreiheit                             gabe in der Schaffung barrierefreien bzw.                 arbeitet sie mit den Integrationslotsen des
     zur Selbsthilfe, denn das ist der Ursprung     Die dramatischen Klimaveränderungen         nur eine untergeordnete Rolle gespielt.          Bereits seit einigen Jahren berücksichtigt   barrierearmen Wohnraums zu bezahlba-                      Projektes PfiVV, der Neuen Wohnraum-
     einer jeden Genossenschaft. Das Anliegen       erfordern ein Umdenken der Menschheit.      Es ist das erklärte Ziel von Vorstand und        die Baugenossenschaft bei der Planung        ren Mietpreisen und befinden uns hier auf                 hilfe gGmbH und dem Verein Wohnen 60
     unserer Gründerväter war es, die Woh-          Seit vielen Jahren wird auf Klimakonfe-     Aufsichtsrat, die Nachhaltigkeit des eige-       von Modernisierungsmaßnahmen und             einem guten Wege.                                         Plus zusammen.
     nungsnot in Viernheim zu bekämpfen.            renzen teils hitzig über die zwingend er-   nen Gebäudebestandes für die Mitglieder          Neubauprojekten die Frage der barriere-
     Auch heute möchten wir unseren Mitglie-        forderlichen Maßnahmen diskutiert, ja re-   und Bewohner unserer Häuser zu schaffen.         freien bzw. barrierearmen Erreichbarkeit     Soziales Engagement                                       Aus großer Kraft folgt große Verantwor-
     dern stets sozial verantwortbaren Wohn-        gelrecht gestritten.                        Deutliche Unterschreitungen der gesetz-          der Wohnungen.                               In der Vergangenheit und auch in der Zu-                  tung – die BG ist sich dessen bewusst und
     raum bieten, denn Wohnen ist eines der                                                     lich definierten Grenzemissionswerte sind                                                     kunft hat das soziale Engagement seinen                   verfolgt nicht nur ihre Ansprüche des be-
     menschlichen Grundbedürfnisse.                 Fakt ist, dass jeder Mensch, jedes Unter-   unser Anspruch.                                  Kernpunkte sind hier veränderte Fahr-        festen Platz in den Überlegungen der Bau-                 zahlbaren Wohnens, sondern noch viel
                                                    nehmen, jedes Land seinen Beitrag zur                                                        stuhlkonzepte ohne das Erfordernis der       genossenschaft.                                           mehr. Denn auch hier gilt selbstverständ-
     Unsere Baugenossenschaft hat sich in           Reduzierung der Umweltbelastung erbrin-                                                      Treppenbewältigung, die Schaffung eben-                                                                lich: Baugenossenschaft – Mehr als ge-
     den letzten 100 Jahren zu einem wesent-        gen muss, um auch künftigen Generatio-                                                       erdiger Hauszugänge bei Neubauten,           Die Baugenossenschaft fördert gemeinnüt-                  wohnt.
     lichen Stützpfeiler für urbanes Wohnen         nen das Leben auf unserem Planeten zu er-                                                    die Beseitigung der Podeste in Hausein-      zige Projekte und Jugendarbeit. Danben
     in Viernheim entwickelt. Fast jeder zehn-      möglichen.                                                                                   gangsbereichen und unnötiger Barrieren
     te Mitbürger Viernheims unterhält eine                                                                                                      im Zuge von Umbaumaßnahmen und der
     Mitgliedschaft in der Baugenossenschaft        Doch nicht nur die Umweltbelastungen                                                         Neubau ebenerdig gelegener Wohnungen.
     Viernheim e.G., etwa jeder achte Viern-        durch CO2-Emissionen machen das Um-                                                          Durch die diesbezüglich umfangreichen
     heimer wohnt in einer Wohnung unserer          denken erforderlich. Begrenzte Rohstoff-                                                     Aktivitäten in der jüngeren Vergangenheit
     Genossenschaft.                                ressourcen und damit einhergehende Kos-                                                      kann die Baugenossenschaft mittlerweile
                                                    tenexplosionen für Gas, Heizöl und andere                                                    über 370 barrierefrei bzw. barrierearm er-
     Seinerzeit waren sich die Initiatoren sicher   Haushaltsenergie werden künftig Mieter,                                                      reichbare Wohnungen für ihre Mitglieder
     nicht bewusst, welch große Bedeutung die       Vermieter und Hauseigentümer vor erheb-                                                      vorweisen. Im Rahmen unserer derzeiti-
     damalige Baugenossenschaft im Laufe            liche Herausforderungen stellen.                                                             gen Planungen für verschiedene Neubau-
     ihrer Geschichte für Viernheim und deren                                                                                                    ten wird diese Zahl nochmals um einiges
     Bürger einnehmen würde. Wir sind uns           Die Baugenossenschaft Viernheim hat es                                                       steigen.
     dieser großen Bedeutung und der damit          sich bereits seit einigen Jahren zur Auf-
     einhergehenden sozialen Verantwortung          gabe gemacht, ihren Häuserbestand ener-                                                      Selbstbestimmtheit drückt sich nach un-
     bewusst – unser Anspruch geht daher mitt-      getisch zu optimieren und umfangreiche                                                       serer Meinung auch in der individuellen
     lerweile weit über bezahlbares Wohnen hi-      Maßnahmen zur Reduzierung der Heiz-                                                          Auswahl der Angebote im Wohnraum aus.
     naus.                                          kosten umgesetzt. Vorgaben nach EnEV-                                                        Dies berücksichtigt sehen wir unsere Auf-
                                                                                                Technischer Mitarbeiter beim Prüfen der Anlage                                                Vorstand Rolf Sax zeigt die Barrierefreiheit des Hauses

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DAS ENGAGEMENT DER
     BAUGENOSSENSCHAFT IST VIELFÄLTIG:

     Presseartikel des Viernheimer Tageblatt und Südhessen-Morgen

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W E L T K U L T U R E R B E: D E R G E N O S S E N-
     S C H A F T S G E D A N K E U N D D I E B A U G E N O S-
     SENSCHAFT ALS TRÄGER DIESER IDEE

     „Genossenschaften erinnern die Weltge-        wichtig die Prinzipien dieser Tradition da-   Die Notwendigkeit wirtschaftliche Stärke       schaften zum Weltkulturerbe zu unter-
     meinschaft daran, dass man sowohl wirt-       mals wie heute sind.                          in Einklang mit sozialer Verantwortung zu      streichen. Die Baugenossenschaft Viern-
     schaftliche Nachhaltigkeit als auch sozia-                                                  bringen, ist ein Leitmotiv der Genossen-       heim hat die Schaltung des Logos aktiv
     le Verantwortung anstreben kann.“ – Ban       Von weltweit rund 800 Millionen Men-          schaft. Dass sie ihrer sozialen Verantwor-     unterstützt.
     Ki-moon, 8. Generalsekretär der Vereinten     schen in Genossenschaften sind alleine        tung gerecht wird, zeigt sie an vielen Stel-
     Nationen                                      mehr als 22 Millionen Mitglieder in fast      len. Dies kann man in ihrem Kerngeschäft
                                                   8.000 Genossenschaften in Deutschland         und auch an weiteren Aktivitäten außer-
     „Gemeinsam handeln, mehr erreichen“:          organisiert. Seit mehr als 160 Jahren sind    halb der Vermietung erkennen.
     Das ist die starke Botschaft der Genossen-    Genossenschaften in unterschiedlichen
     schaften weltweit.                            Bereichen erfolgreich, so zum Beispiel im     Die BG Viernheim:
                                                   Finanzwesen, in der Landwirtschaft, im        • Sichert ihren Mitgliedern bezahlba-
     Die Genossenschaftsidee ist ein Modell        Handel und Gewerbe und insbesondere              res Wohnen mit Mietpreisen deutlich
     der Selbsthilfe, Selbstverwaltung sowie       auch im Wohnungsbau.                             unter dem Angebot anderer Vermieter.
     Selbstverantwortung. Sie gründet sich auf                                                   • Schafft Barrierefreiheit und hat sich
     Werte wie Solidarität, Ehrlichkeit und Ver-   Die Entscheidung der UNESCO ist auch             für umweltschonende Bauweisen wie
     antwortung. Ihre Vereinigungen mit ge-        ein wichtiges Signal und eine große Aner-        zum Beispiel der Passivhausbauweise
     meinschaftlichem Geschäftsbetrieb stehen      kennung für die engagierte Arbeit der vie-       entschieden.
     allen Menschen offen, stärken individuel-     len Menschen, die sich überall auf der Welt   • Schafft und bewirtschaftet Sozialwoh-
     les Engagement und ermöglichen soziale,       in genossenschaftlichen Projekten enga-          nungen für ihre Mitglieder.
     kulturelle und ökonomische Partizipation.     gieren. Sie erkennt damit den ganz beson-     • Bindet Sozialarbeiter für Mitglieder
     Seit dem 30. November 2016 ist die „Idee      deren Stellenwert der Genossenschaft an.         und Unterstützungsbedarf ein.
     und Praxis der Organisation gemeinsamer       Die Genossenschaft ist eine Rechts- und       • Unterstützt unterschiedlichste soziale
     Interessen in Genossenschaften“ als erster    Unternehmensform, die in idealer Weise           Zwecke mit Spenden.
     deutscher Beitrag auf der Repräsentativen     wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Ver-
     UNESCO-Liste des Immateriellen Kultur-        antwortung verbindet.                         Der Verband der Wohnungswirtschaft hat
     erbes der Menschheit eingetragen.                                                           für die angeschlossenen Genossenschaften
                                                   Die Baugenossenschaft Viernheim eG            anlässlich der Aufnahme der Genossen-
     Mit dieser Aufnahme der Genossen-             wurde im Jahr 1920 gegründet. Damit ist       schaftsidee in die Liste des immateriellen
     schaftsidee in die Liste des immateriellen    sie bereits seit 100 Jahren ein Träger der    Kulturerbes der UNESCO eigens ein Logo
     Weltkulturerbes wird unterstrichen, wie       Genossenschaftsidee.                          entwickelt, um den Beitrag der Genossen-

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