Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck

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Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
Ausgabe 02/2020 | 32. Jahrgang, Juni 2020

                                             be_WEG_en

     Einladung zum
Herbstsymposium 2020
     im Blattinneren!

       Gottes Wege – zum Staunen   Meine Hände können sprechen, loben …
       Gottes andere Wege…         Lautsprachunterstützte Kommunikation
                                   im inklusiven Religionsunterricht
Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
INhalt
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           Maria Plankensteiner-Spiegel
           VORWORT

           Georg Fischer

      4    Gottes Wege – zum Staunen

           Interview mit Bischof Hermann Glettler

      8    Das Lebendige zählt

           Monika Prettenthaler
      10   Bewegender Religionsunterricht?!

           Drei Blitzlichter
      12   Was mir wichtig ist

           Antonette Schwärzler

      14   Meine Hände können sprechen, loben, danken, singen …

           Andreas Liebl

      16   Überraschungen!

           Lisa Wiestner & Elmar Fiechter Alber

      17   Schulwege – Schülerin und Direktor erzählen

           Katina Perle
           Auf der Suche nach neuen Wegen für ein praktisches
      18   Christentum in den Zeichen der Zeit

           Bernhard Lammer

      20   AV-Medienstelle

           Schul_Leben

      22   Was mein Schulleben bereichert

      23   Personalia und Impressum

           Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorin / des Autors
           wieder und müssen nicht der Meinung der Herausgeber entsprechen.
           Die Nennung bei den Personalia erfolgt mit Einverständnis der Genannten.

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Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
Verehrte Kolleginnen                                                                                Maria Plankensteiner-Spiegel, Mag.,
                                                                                                    Leiterin des Bischöflichen Schulamtes
und Kollegen!

Das mit dem Unter-WEG-s Sein hat eine völ-          Die Bibel ist voll von Weg-Geschichten.
lig neue Dimension bekommen. Ein ÖKUM               Menschen verlassen ihr Leben und machen
mit dem Titel be-WEG-en haben wir zu ei-            sich auf, auf der Flucht, um ein neues Leben
ner völlig anderen Zeit geplant, vor den tief-      zu finden oder gerufen von Gott. Ob das Ab-
greifenden Änderungen der letzten Monate.           raham ist, das ganze Volk Israel, Jonas, Ruth
Was da passiert ist, war zuvor nicht vorstell-      oder Tobit, um nur ein paar der bekann-
bar, zumindest nicht für mich. Die Situation        testen zu nennen: Sie alle sind unterwegs.
nach den ersten Schritten in die Öffnung            Nie wissen sie genau, wo sie ankommen
nun leichtfertig als „neues Normal“ anzuer-         werden, immer sind Angst und Ungewiss-
kennen, weigere ich mich. Zu sehr ist alles         heit mit dabei, und immer erfahren sie sich
anders und vieles ungewiss. Mir das „alte           schlussendlich begleitet. Georg Fischer SJ
Normal“ zurückzuwünschen, das möchte                erinnert uns an solche Geschichten.
ich auch nicht. Denn zu tun, als wäre nichts
geschehen, darf und wird nicht gelingen. Zu         Auch Jesus ist ein Gehender, ein Wanderer
tief sind die Einschnitte, die wir auf allen        zu den Menschen. Diesen Aspekt hat Bischof
Ebenen unseres Lebens erfahren haben. Fa-           Hermann als ein von Jesus bewegter Mensch
miliär, sozial, schulisch, wirtschaftlich, kirch-   in sein Motto aufgenommen: Geht, heilt und
lich, körperlich, persönlich.                       verkündet. Davon und von anderen Dingen,
                                                    die ihn be-weg-en, erzählt er in diesem Heft.
Also be-WEG-en. Nach einer Zeit, in der viele
Menschen solange zu Hause waren wie                 Wie wir Schülerinnen mit und durch unseren
noch nie zuvor, allein oder in ihrer Familie,       Religionsunterricht erreichen und bewegen
eng zusammen und zur selben Zeit getrennt           können, das beschreibt Monika Prettenthaler,
von anderen Menschen. Andererseits ist in           vielen von den Schulbüchern der Oberstufe
kürzester Zeit sehr viel in Bewegung ge-            bekannt.
kommen, auch solche Bereiche, von denen
man glaubte, sie würden sich nie ändern.            Vom ganz realen Unterwegssein, in die
                                                    Schule, von der Schule heim, mit der Schule
Unterwegs zu sein, in Bewegung, auf dem             auf Wallfahrt – auch davon ist in diesem
Weg, ist eine menschliche Grundkonstante.           Heft die Rede. Bei allen Herausforderungen
Die meisten von uns haben sie vermisst, als         bietet das Schulleben auch immer wieder
sie nicht möglich war. Kinder haben ganz            Bereicherndes und Schönes. Um solch kost-
unmittelbar das Bedürfnis, sich zu bewegen,         bare Momente zu teilen, haben wir eine
sie spüren ihren Körper und damit sich              neue Seite aufgenommen, „Was meinen
selbst und erleben sich als wirksam. Wenn           Schulalltag bereichert“. Über diese Notizen
sie Erfahrungen ganzheitlich machen, mit            freue ich mich ganz besonders.
Kopf, Händen, Beinen, dem ganzen Kör-
per, lernen sie um vieles besser. Antonette         Be-weg-ende Anregungen und viel Freude
Schwärzler beschreibt, wie sie eine Sprache         mit dem Heft wünscht
der Gesten mit hineinnimmt in das Tun mit
Kindern im Unterricht und so mehrfache
Zugänge für ALLE Kinder ermöglicht.                 Maria Plankensteiner-Spiegel

                                                                                                                                       3
Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
GOTTES
                  Georg Fischer SJ,
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                                                                                         – zum Staunen
             Univ.-Prof., Institut für
Bibelwissenschaften und Historische
 Theologie der Universität Innsbruck

                                         Gottes andere Wege                              überdimensionalen Holzkasten mit den Maßen
                                         „Denn meine Gedanken sind nicht eure Ge-        135x23x14 Meter zu bauen – ein Unterfangen,
             Gott ‚tickt‘                danken, und eure Wege nicht meine Wege,         das alle damals üblichen Vorstellungen
          anders als wir.                Spruch Jhwhs.                                   sprengte und nur Verwunderung auslösen
                                         Denn (wie) der Himmel höher als die Erde        konnte, dessen Nützlichkeit sich aber später
                                         ist, so sind meine Wege höher als eure Wege     bei der Flut herausstellte.
                                         und meine Gedanken als eure Gedanken.“
                                         (Jesaja 55,8–9)                                 Ein weiteres Beispiel ist Samuel, dem Gott
                                                                                         den Auftrag gibt, zu Lebzeiten des Königs
                                         Mit diesen Unterscheidungen und Vergleichen     Saul bereits einen Sohn Isais zum König zu
                                         bringt Gott den unendlichen Abstand in Pla-     salben; der Prophet betrachtet dies als einem
                                         nen und Verhalten zwischen sich und den         Todesurteil gleichkommend (1 Samuel 16,1–2).
                                         Menschen zum Ausdruck. Er begründet so          Wenige Verse später, in der Ausführung des
                                         sein in v6 – 7 vorausgehendes, äußerst groß-    Auftrags, glaubt er, Isais Erstgeborener Eliab
                                         zügiges Angebot, dass er sogar Frevlern bei     sei der Erwählte; erneut korrigiert ihn Gott
                                         Umkehr zu ihm sein Erbarmen und Ver-            mit der Bemerkung:
                                         geben schenken wird.                            „Denn nicht [zählt], was der Mensch sieht
                                                                                         – denn der Mensch sieht mit den Augen;
                                         Dass Gott anders ‚tickt‘ als wir, begegnet      Jhwh aber sieht auf das Herz.“ (1 Sam 16,7)
                                         öfter auch sonst, und es erfahren in gleicher
                                         Weise Menschen, die ihm eng verbunden           Sogar der Prophet nimmt nicht wie Gott
                                         sind. Von Noach heißt es, ebenso wie von        wahr und muss sich von ihm führen lassen,
                                         Henoch ein Kapitel zuvor, dass er „mit Gott     ausgerechnet den Kleinsten, noch dazu zu-
                                         wandelte“ (Genesis 6,9; vgl. 5,22.24). Ab       erst Abwesenden, David, zu salben (v12–13).
                                         Gen 6,14 bekommt er den Auftrag, einen

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Ähnlich abweichende Denkweisen finden sich       nach Joppe / Jaffa mit Ziel Tarschisch auf
auch im Neuen Testament. Petrus, der erste       (vermutlich in Spanien gelegen, Jona 1).
der Apostel, will Jesus von seinem angekün-      Sein Vorhaben scheitert, und in Jona 3 lässt
digten Leidensweg abhalten und erhält zur        er sich dann, zwar immer noch widerwillig,
Antwort: „Geh weg, hinter mich, Satan! Denn      auf Gottes Auftrag ein, die Bewohner von
du denkst nicht, was Gottes (ist), sondern das   Ninive zu warnen.
der Menschen!“ (Markus 8,33). – Alle die ge-
nannten und andere Stellen machen deutlich,      Abraham, Mose, Jeremia, Jona sind Beispiele
dass und wie sehr wir oft mit unseren Urteilen   dafür, wie Gott die Wege von Menschen in
und Einschätzungen danebenliegen.                unerwartete Richtungen lenkt. Ihr Leben wird
                                                 dadurch in einer Weise fruchtbar, die weit
Gerufen zu besonderen Wegen                      über das persönliche Geschick hinausgeht.
In Fortführung zum oben sichtbar gewordenen
Abstand lassen sich auch jene Erzählungen        Göttlicher Beistand und Nähe
begreifen, in denen Gott massiv Lebenswege       Anspruchsvolle Wege sind nicht ohne Unter-
in eine andere Richtung lenkt. Genesis 12        stützung zu bewältigen. Deswegen schenkt
setzt ein mit seiner Aufforderung an Abram:      Gott dazu seine Zusagen. Abram wird,
„Geh, für dich, aus deinem Land, aus deiner      schon gleich anfangs, mit „Segen“ gleichsam
Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus          überhäuft (Gen 12,2–3), erhält später die
in das Land, das ich dich sehen lasse!“          einmalige Zusicherung „Ich bin dir Schild“
                                                 (Gen 15,1) und das Angebot eines Bundes
Dies ist Gegenprogramm zum im Kapitel zu-        (Gen 17). Sogar Andere bemerken Gottes             Anspruchsvolle
vor geschilderten, doch scheiternden Versuch     enge Verbindung mit Abraham (Gen 21,22)            Wege sind nicht
der Menschen in Babel, durch das Großpro-        und anhaltend mit seinen Nachfahren (für           ohne Unterstützung
jekt des Turmbaus ihre Zerstreuung zu ver-       Isaak: Gen 26,28; bei Josef: Gen 39,3.23).         zu bewältigen.
hindern (Gen 11). Zugleich ist es der Auf-                                                          Deswegen schenkt
takt zu einer lebenslangen Führung, bei der      Als Jakob nach seinem Betrug am Vater we-          Gott dazu seine
Gott mit Abraham unterwegs bleibt und in         gen des Hasses seines Zwillingsbruders Esau        Zusagen.
der dieser zu seinem Vertrauten und ‚Freund‘     auf ‚Brautschau‘ zum Onkel Laban nach Ha-
wird. Im Aufgeben aller Sicherungen erfährt      ran geschickt wird, verspricht Gott ihm seine
Abraham, dass die Beziehung zu Gott trägt.       Begleitung bei dieser gefährlichen, ins Un-
                                                 bekannte führenden Unternehmung: „Und
Ähnlich fordert Gott auch später in Berufungen   siehe, ich bin mit dir und ich werde dich be-
heraus. Der erste ist Mose. In Exodus 3 - 4      hüten überall, wo du gehst“ (Gen 28,15). In
versucht er in einer Serie von gleich fünf       ähnlicher Weise verspricht Gott Jakob sein
Einwänden, sich dem göttlichen Auftrag           Mitsein für die Rückkehr in die Heimat (Gen
zu entwinden, doch vergeblich. Schließlich       31,3) und in dessen Alter für das Hinunter-
macht er sich für die Befreiung seines Vol-      ziehen nach Ägypten (Gen 46,4). Gegen Ende
kes auf den Weg nach Ägypten.                    seines Lebens spricht Jakob vom „Boten / En-
                                                 gel, der ihn erlöst hat von allem Unheil“ (Gen
Auch Jeremia will sich Gottes Sendung            48,16); dieses Motiv findet breite Entfaltung im
durch Verweis auf seine Ungeeignetheit           Buch Tobit durch den Boten / Engel Rafael.
entziehen (Jer 1,6). Sein Widerstand nützt
nichts; sein Lebensweg als der von Gott de-      Solche ‚Beistandszusagen‘ begegnen wie-
signierte „Prophet für die Völker“ und als       derholt in Berufungstexten bzw. für wich-
Verkörperung des „Dieners Jhwhs“ aus Jesaja      tige Personen in der Gemeinschaft. Mose
beginnt. Später tritt noch hinzu, gegen alles    erhält sie gleich dreifach (Ex 3,12; 4,12.15),
damals Übliche, dabei ehe- und kinderlos         Jeremia doppelt zu Beginn (Jer 1,8.19) und
zu bleiben (Jer 16). Auch schweres Leid, so-     erneut später (Jer 15,20). „Ich bin mit dir“
gar bis in den Tod, kann zu Gottes Wegen         sichert Gott auch Josua (Jos 1,5) und Gideon
gehören (vgl. Jes 53).                           zu (Richter 6,16). Es gilt ebenso für die
                                                 ganze Gemeinschaft (vgl. Deuteronomium
Der Prophet Jona glaubt, sich dem Weg, den       20,1; 31,6). Oft steht im Zusammenhang die
Gott für ihn geplant hat, durch Flucht entzie-
hen zu können, und macht sich, statt gegen
Nordosten nach Ninive, in Richtung Westen
                                                 Ermutigung, sich nicht zu fürchten. – Gott
                                                 fordert nicht einfach, er schenkt noch mehr,
                                                 wenn er uns anspruchsvolle Wege zumutet.           o
                                                                                                                     5
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Der Exodus als Modell-Weg                         Gottes Weisung als Weg
                            Das Grundmuster für Gottes Weg mit Ein-           Mit ein Grund für den deutlich länger ge-
     Zuerst geht es um      zelnen und Gemeinschaften liegt im Auszug         schilderten Weg des Hinaufziehens ins Land
    ein Freiwerden von      aus Ägypten, wobei dieses Land symbolisch         liegt in den vielen Gesetzen. Fast alle gibt
      allen Formen von      für „Wohlstand in Unfreiheit“, unterdrückende     Gott am Berg Sinai, ab Ex 20 mit den „Zehn
       Zwängen, bevor       Diktatur („Pharao“) und Orientierung an           Worten“ als Verfassung des Gottesvolkes.
         das Ziel erlangt   den damit verbundenen Götzen steht. Gott          Weitere ergehen durch Mose im Buch Deu-
          werden kann.      setzt gegen alle Widerstände die unmöglich        teronomium (vor allem in Dtn 12–26). Für
                            erscheinende Befreiung seines Volkes in ei-       das Benützen von Wegen, seien es Straßen,
                            nem komplexen Prozess durch.                      Rad- oder Fußwege, Zebrastreifen, usw., gibt
                                                                              es Regeln; Gleiches gilt für Lebenswege, so-
                            Entscheidende Momente daran verbinden             wohl individuell als auch gemeinschaftlich.
                            sich mit den zwei häufig dafür verwendeten
                            Verben „herausgehen / -führen“ und „hinauf-       Jene, die aus der Knechtschaft in Ägypten frei-
                            ziehen / -führen“ (s. Exodus 3,10.8). Das erste   gekommen sind, sollen nach Gottes Willen
                            nimmt die Absetzung von den falschen,             dieses geschenkte neue Leben bewahren kön-
                            versklavenden Abhängigkeitsmechanismen            nen. Seine Gebote wollen helfen, dass Men-
                            in den Blick. Das zweite schaut voraus auf        schen nicht wieder abhängig werden oder sich
                            das Ziel, das von Gott verheißene Land. Da-       selber schaden. Sie eröffnen einen ‚Weg‘ (vgl.
                            zwischen liegt eine Phase der ‚Ruhe‘, der         Dtn 5,33), der zu Heil und Gelingen führt. Gott
                            lange Aufenthalt am Gottesberg Sinai.             als „Lehrer“ zeigt ihn (Jes 30,20–21). Ps 25 bit-
                                                                              tet um Belehrung in diesem Sinn, und Ps 119
                            Dieser Dreischritt ist typisch für Gottes Wege:   schildert in unüberbietbarer Weise die Fülle
                            Zuerst geht es um ein Freiwerden von allen        des aus Gottes Weisung kommenden Segens.
                            Formen von Zwängen (‚Ägypten‘). Bevor
                            das Ziel (‚Land‘) erlangt werden kann,            Die in der Tora enthaltenen göttlichen Bestim-
                            bedarf es des Innehaltens, des Erfüllt-           mungen heben sich ab von sonst üblichen (s.
                            Werdens in der Begegnung mit Gott. Dies           Dtn 4,5–8). Die darin enthaltenen Vorschriften
                            gibt die Kraft für den ‚Aufstieg‘ und die da-     zeichnen sich aus durch Gerechtigkeit, beson-
                            mit verbundenen Schwierigkeiten; in der           dere Umsicht und soziale Ausrichtung. Sie er-
                            Bibel dauert letztere Phase deutlich länger       möglichen so einer Gemeinschaft, dauerhaft
                            als der Auszug. Gegenüber den 15 Kapiteln         in Frieden und im fairen Ausgleich aller Inte-
                            und einer begrenzten Zeit (Ex 1–15) braucht       ressen zu gehen. Mit seinen weisen Geboten
                            es nach dem Aufenthalt am Berg Sinai fast         und wiederholten Rufen zur Umkehr (s. Jer
                            40 Jahre und alle Texte von Numeri 10 bis         3,12.14.22) bewegt Gott die auf ihn Hörenden
                            Josua 3, bis das Volk im Land ankommt.            in eine gute Richtung.

                            Die wunderbare Befreiung aus Ägypten ist ein      Ein bewegter und beweglicher Gott
                            zentrales Motiv für das Wirken des biblischen     ‚Bewegung‘ ist ein Kennzeichen des biblischen
                            Gottes und erfährt deswegen vielfache Erinne-     Gottes. Als David ihm ein Haus bauen will,
                            rung und Lob, angefangen vom Schilfmeerlied       lehnt Gott dies ab mit Verweis darauf, er sei
                            (Ex 15) über prophetische Texte (z.B. Jesa-       bisher immer nur „in einem Zelt umherge-
                            ja 43,16–17) bis hin zu einigen Psalmen (Ps       zogen“ (2 Samuel 7,6–7). Als später im Tempel
                            77,16–21; 78,12–14; 114 …). Dieses frühere        Gräuel geschehen, zieht er von dort aus mit
                            Handeln dient als Maßstab auch für zukünf-        seiner Herrlichkeit (Ezechiel 9,3; 10,18; 11,23).
                            tiges göttliches Einschreiten; in der Rückfüh-    Seine Rückkehr dorthin erfolgt dann in Ez
                            rung seines Volkes aus dem Exil wiederholt        43,2–5. Gottes Kommen in seinen Tempel zur
                            Gott das damalige Vorgehen und überbietet es      Läuterung kündet auch das letzte Kapitel der
                            dabei noch (vgl. Jes 51,9–11; Jer 16,14–15).      Schriftpropheten an (Maleachi 3,1–5).

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Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
Mehr aber noch als äußerlich beweglich ist     bare Wege: „der Weg des Adlers am Him-
Gott innerlich bewegt. Hosea 11,8 legt offen   mel, der Weg einer Schlange auf Fels, der
                                                                                                   ‚Bewegung‘ ist
den „Herzensumsturz“ in ihm selber. Trotz      Weg eines Schiffes im Herzen des Meeres
der anhaltenden Abwendung seines Volkes        und der Weg eines Mannes bei einem Mäd-             ein Kennzeichen
regt sich all sein Mitgefühl für es, und er    chen“ (Spr 30,18–19). Noch staunenswerter           des biblischen Gottes.
kann es nicht preisgeben. Ähnlich schildert    freilich sind die Wege des biblischen Gottes,
Jeremia 31,20 das intensive göttliche Emp-     und vollends unbegreiflich ist schließlich,
finden für Ephraim trotz dessen Vergehen;      dass er, obwohl so anders, uns einlädt, sie
Gottes innere Erregtheit lässt ihn sich der    nachzugehen, indem wir ihn nachahmen
Gemeinschaft wieder erbarmend zuwenden.        in Heiligkeit (Levitikus 11,44–45), in Liebe
In dieselbe Richtung weist auch die Rede       zu Fremden (Deuteronomium 10,18–19), in
von Gottes „gereuen“ (z.B. Jer 18,7–10); er    Barmherzigkeit (Lukas 6,36) und Vollkom-
                                                                                               ÖKUM-Literaturhinweis:
kann seine Pläne zurücknehmen, falls sich      menheit (Matthäus 5,48).
                                                                                               Fischer, Georg: Gott und sein Wort. Studien
Menschen oder die Situation ändern.                                                            zu Hermeneutik und biblischer Theologie
                                                                                               (Stuttgarter Biblische Aufsatzbände 70.
                                                                                               Altes Testament), Stuttgart (Katholisches
Zum Staunen                                                                                    Bibelwerk) 2019.

Ein Zahlenspruch im Buch der Sprichwörter                                                      Fischer, Georg: Theologien des Alten Testa-
                                                                                               ments (Neuer Stuttgarter Kommentar AT 31),
nennt als vier wunderbare, schwer einseh-                                                      Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2012.

                                                                                                                                      7
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DAS
                                                          LEBENDIGE
                                                                                                   ZÄHLT
       Bischof Hermann Glettler,
              Diözese Innsbruck

                                   Bischof Hermann Glettler im Interview
                                   mit Ingrid Jehle und Thilo Grund

                                   ÖKUM: Sehr geehrter Herr Bischof, lieber        deutlich machen, dass Schutzsuchende
                                   Bischof Hermann! Du bist nun schon im           nicht illegal sind. Sie verdienen unsere erste
                                   dritten Jahr Bischof der Diözese Innsbruck.     Aufmerksamkeit. Pfarren und kirchliche Ge-
                                   Dein Motto lautet: „Geht, heilt und verkün-     meinschaften können Good-Practice-Bei-
                                   det“. Auf welchen Wegen konntest du uns in      spiele kommunizieren und damit eine posi-
                                   deiner bisherigen Tätigkeit als Bischof be-     tive Bewusstseinsbildung leisten. Solidarität
                                   gleiten und welche sind weiter zu gehen?        darf nicht an unseren Grenzen, auch nicht
                                                                                   an den europäischen Halt machen. Wir
                                   Bischof Hermann Glettler: „Geht, heilt          gehören doch als Menschen zusammen!
                                   und verkündet!“ ist nicht nur mein persön-      Weltweit. Wir sollten die Elenden auf den
     Wir müssen als                liches Leitwort, sondern ein generelles Motto   griechischen Inseln doch nicht in den kata-
     Kirche deutlich               für ein zeitgemäßes Christsein. Als Kirche      strophalen Lagern ihrem Schicksal überlas-
       machen, dass                sind wir für die Menschen und für die Welt      sen. Unser Glaube bietet Heimat und fordert
    Schutzsuchende                 da! Grundsätzlich bin ich sehr dankbar für      uns heraus, unsere physische und spirituelle
    nicht illegal sind.            den Weg in und mit unserer Diözese. Kri-        Heimat mit anderen zu teilen.
                                   tisch bemerke ich, dass es oft noch zu viel
                                   „kirchlt“. Ich meine damit, dass uns kirchen-   Die Amazonas-Synode hat viele Erwartun-
                                   interne Angelegenheiten oft zu viel Zeit und    gen geweckt. Wo siehst du Antworten auf
                                   Energie rauben. Wir bräuchten diese drin-       gegenwärtige Fragen bezüglich viri probati,
                                   gend für eine Seelsorgende Kommunikation        Zölibat, weiblicher Dienste und Charismen?
                                   mit den Menschen. Die Corona-Krise hat bei
                                   vielen einen kreativen, im Grunde missio-       Bischof Hermann Glettler: Es ist mir ein
                                   narischen Geist aufgeweckt. Trotz der rigo-     großes Anliegen, Frauen in wichtige kirchliche
                                   rosen Einschränkungen war plötzlich eine        Leitungsverantwortung zu bringen und sie an
                                   stärkere Dynamik der Zuwendung zu spü-          Entscheidungsprozessen voll zu beteiligen.
                                   ren, die sehr heilsam ist.                      Die Weihe von „lebensbewährten“ Personen
                                                                                   kann ich mir grundsätzlich vorstellen. Ich
                                   Du nimmst immer wieder zur aktuellen            bitte dennoch weiterhin um eine grundsätz-
                                   Flüchtlingsproblematik Stellung. Welche         liche Wertschätzung des zölibatären Weges.
                                   Aufgabe siehst du für unsere Diözese?           Ich frage auf Zukunft hin: Wird den weni-
                                                                                   gen jungen Menschen, die sich das vorstel-
                                   Bischof Hermann Glettler: Zum Glück gibt        len können, Wertschätzung vermittelt? Und
                                   es in unserer Diözese einige sehr engagierte    Ordensleute? Zölibatäre Frauen und Männer
                                   Initiativen zur Unterstützung von Asylsuch-     haben die Sozialgeschichte unseres Landes
                                   enden. Nicht wenige nehmen den Dauerauf-        wesentlich mitgeschrieben – teilweise tun
                                   trag einer menschenwürdigen Integrations-       sie dies immer noch.
                                   arbeit sehr ernst. Wir müssen als Kirche

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Die Amazonas-Synode hat den wundesten              was wir mit unserem Leben nicht bezeugen
Punkt unserer Welt berührt – die ungenierte,       bzw. als Alternative leben, lässt sich auch
gottlose Ausbeutung und Vernichtung unse-          mit sympathischen Absichtserklärungen und        Die Amazonas-
rer Schöpfung. Alles hängt zusammen – und          tollen Aktionen nicht wettmachen. Zu die-        Synode hat den
wir sind mittendrin. Würden wir nur mit            ser Ehrlichkeit müssen wir uns durchringen.      wundesten Punkt
einem Bruchteil der Konsequenz ans Werk            Darüber hinaus setzen wir richtunggebende        unserer Welt berührt –
gehen, mit der wir heute gegen Covid-19            Zeichen. Der Beitritt der Diözese und expli-     die ungenierte, gott-
kämpfen, dann hätten wir eine gute Chance,         zit einzelner Pfarren und Einrichtungen zum      lose Ausbeutung und
unseren Globus zu retten.                          Klimabündnis gehört dazu. Grundlegend,           Vernichtung unserer
                                                   und dafür setze ich mich gelegen und unge-       Schöpfung.
Die katholische Kirche in Österreich unter-        legen ein, ist die Förderung einer Spiritua-
stützt den Ethikunterricht als Pflichtgegen-       lität der Dankbarkeit und Achtsamkeit. An-
stand für jene Oberstufenschüler*innen,            stelle von Gier nach immer mehr brauchen
die nicht an einem Religionsunterricht             wir die Haltung des Teilens und der nach-
teilnehmen. Worin liegen in deinen Augen           haltigen Sorge für die Schwächsten.
Chancen und Gefahren?
                                                   Wo siehst Du aktuell die wichtigste Heraus-
Bischof Hermann Glettler: Ja, ich sehe da-         forderung? Vor allem auch im Blick auf die
rin mehr Chance als Gefahr. Es gäbe keine          nächsten Generationen?
Freistunde als attraktive Alternative zum RU
und alle Schüler/innen würden eine wich-           Bischof Hermann Glettler: Das Leben-
tige Basisbildung in den Fragen verantwor-         dige zählt. Zuerst und zuletzt sind das lei-
tungsbewussten Menschseins erhalten. Dies          denschaftliche Hinhören und Wertschätzen         Schaffen wir es, in
geschieht ja ganz selbstverständlich auch im       wichtig – das gilt für alle Generationen. Und    einer zeitgemäßen,
konfessionellen Religionsunterricht. Die Ge-       dann: Schaffen wir es, in einer zeitgemäßen,     verständlichen Weise
fahr ist natürlich, dass der Ethikunterricht ei-   verständlichen Weise Begegnungen mit Jesus       Begegnungen mit
nes Tages für alle zum Pflichtfach wird und        Christus zu ermöglichen? Das Wort Evan-          Jesus Christus zu
damit wohl den RU verdrängen würde. Wich-          gelisation sollte kein Fremdwort bleiben.        ermöglichen?
tig ist es, den Qualitätsstandard des RU zu        Ich meine, gelingt uns ein lebensrelevantes
halten und an einem positiven Narrativ mitzu-      Zeugnis, dass die Frohe Botschaft unseres
gestalten. Wir brauchen ein gesundes Selbst-       Glaubens alles miteinschließt, was unserem
bewusstsein. Religion, Kirche und Spiritualität    Leben Größe und Würde verleiht? Da gehört
haben den jungen Menschen viel zu bieten.          auch wesentlich das Thema Vergebung und
                                                   Neubeginn dazu – alles, was in einer leis-
Welchen Beitrag können wir im Sinne von            tungsorientierten, auf Perfektion getrimmten
„Global denken und lokal handeln“ für              Gesellschaft schnell verlorengeht. Ich glaube,
eine umfassende Nachhaltigkeit leisten?            wir brauchen in der Nervosität unserer Zeit
                                                   wieder Stille, um uns selbst in Gott geborgen
Bischof Hermann Glettler: Das wichtigste           zu finden und die nötige Durchhaltekraft für
ökologische Statement, das wir als Diözese         die vielen Aufträge unserer Zeit zu haben.
Innsbruck geben können, besteht in der
Förderung eines achtsamen Lebensstils un-          Bischof Hermann, danke
serer 380.000 katholischen Gläubigen. Alles,       für das Gespräch!

                                                                                                                      9
Be_WEG_en Herbstsymposium 2020 - Diözese Innsbruck
Bewegender
              Monika Prettenthaler,
           Mag. Dr., Assistentin am
        Institut für Katechetik und
         Religionspädagogik an der
        Universität Graz; Religions-

                                                                    Religionsunterricht?!
          lehrerin am Bischöflichen
          Gymnasium Augustinum;
                 Psychotherapeutin

                                       Vermutlich teilt der Großteil aller Religions-   ausgesetzt ist, solange er sich unter seines-
                                       lehrerinnen und Religionslehrer das Anliegen,    gleichen aufhält oder mit seinesgleichen
                                       mit und in ihrem Religionsunterricht „etwas“     kommuniziert, beruht auf Resonanz. Ihre
                                       in Bewegung zu bringen: Vielleicht sind es       Wirkungen auf den Menschen sind die
                                       existentielle Nachdenkprozesse, die sie bei      stärksten überhaupt, unabhängig davon, ob
                                       den Schülerinnen und Schülern in Gang            sie uns wachsen lassen und stärken oder ver-
                                       setzen wollen, oder sie möchten zur Aus-         letzen und schwächen.“3 Die Ausstattung der
                                       einandersetzung mit anderen religiös be-         Menschen mit Spiegelnervenzellen ermög-
                                       deutsamen Phänomenen anregen. Vielleicht         licht, dass aus dem Beobachten ein inneres
                                       wollen sie eine Spur zum Verständnis bibli-      Miterleben wird – unser Gehirn speichert
                                       scher Texte legen und die Klassen zu ethisch     mit dem (Fach-)Wissen auch soziale Erfah-
                                       verantwortungsvollem Handeln bewegen.            rungen. Kinder lösen bei Erwachsenen Re-
                                       Oder die Lehrerinnen und Lehrer wünschen         sonanz aus, Schülerinnen und Schüler neh-
                                       sich, dass ihre Schülerinnen und Schüler mit     men wahr, wie sie sich in den Lehrerinnen
                                       Interesse theologischen Fragen nachgehen         und Lehrern spiegeln. Sie erhoffen sich da-
                                       oder für Themen anspringen, die sie selbst       bei eine Antwort auf die (unbewusste) Frage:
                                       in ihrer Jugend begeistert haben und (hof-       Welche „Vision“ hast du als Lehrerin, als
                                       fentlich) bis heute faszinieren …                Lehrer von mir? Die Gehirnforschung be-
                                                                                        legt, wie sehr der Bildungs- und Lernerfolg
                                       Beim zuletzt genannten Aspekt möchte ich         mit diesem Zutrauen, den Erwartungen oder
                                       mit meinen Überlegungen zu einem „be-            Zumutungen beeinflusst werden kann; denn
     Wenn Lehrerinnen
                                       wegenden“ Religionsunterricht ansetzen.          Anerkennung, Zugewandtheit und Vertrau-
    und Lehrer sich für                Der Soziologe Hartmut Rosa und der Pä-           en stellen den neurobiologischen Treibstoff
 ihre Schülerinnen und                 dagoge Wolfgang Endres stellen in ihrem          der menschlichen Motivationssysteme dar.
  Schüler interessieren,               Konzept zur pädagogischen Resonanz1 zwei         „Zu den neurobiologischen Konstruktions-
fühlen diese sich ange-                Beziehungsgrößen in den Mittelpunkt. Die         merkmalen von Kindern und Jugendlichen
  nommen und können                    eine ist die personale Komponente: Wenn          gehört, dass die im Kopf des Kindes ange-
     für den Unterricht                Lehrerinnen und Lehrer sich für ihre Schüle-     siedelten sogenannten Motivationssysteme
          offen werden.                rinnen und Schüler interessieren, fühlen die-    nur dann anspringen, wenn die Kinder oder
                                       se sich angenommen und können für den            Jugendlichen spüren, dass sie persönlich
                                       Unterricht offen werden. Die andere betrifft     wahrgenommen und ‚gesehen‘ werden.
                                       die Ebene des Inhaltes: Wenn die Lehrper-        Ohne Beziehung keine Motivation.“4 Mit
                                       son durch ihre Begeisterung den Inhalt zum       Hilfe des optischen Aufbereitungs- und In-
                                       Sprechen bringt, beginnt dieser auch für         terpretationssystems des Gehirns werten
                                       die Schülerinnen und Schüler zu sprechen.2       Menschen kleinste Signale aus und nehmen
                                       Beides ist in der menschlichen Natur be-         auf diese Weise intuitiv wahr, wie sie von
                                       gründet: Joachim Bauer hat in seinen Arbei-      den Menschen wahrgenommen werden, die
                                       ten über die Spiegelneuronen jenes Prinzip       mit ihnen in Beziehung treten. Bauer weist
                                       entdeckt, das auch Hartmut Rosa aufgreift:       in diesem Zusammenhang auf die Alltags-
                                       „Der bedeutsamste Einfluss, dem der Mensch       sprache hin, wo es beispielsweise nicht um-

  10
sonst heißt: „Sie hat ihr Ansehen verloren“,     auch meinen persönlichen Zugang zu vielen
„Er steht in hohem Ansehen!“, „Man würdigt       Inhalten prägt, scheint kein Zufall zu sein.
                                                                                                     Seitens der Lehr-
ihn keines Blickes“ oder „Sie hat mir einen
                                                                                                     personen birgt das
anerkennenden Blick zugeworfen“.5                Seitens der Lehrpersonen birgt das Wissen
                                                 um diese Zusammenhänge große Chancen                Wissen um diese
Genauso gilt für jede professionell gestaltete   und stellt sie zugleich vor Herausforderun-         Zusammenhänge
pädagogische Beziehung, dass ein positiver       gen7; denn eine derart „resonante“ Unter-           große Chancen und
Blickkontakt die Ausschüttung körpereigener      richtsatmosphäre lebt von deren körper-             stellt sie zugleich vor
Botenstoffe bewirkt. Konkret kann sich das       licher und geistiger Präsenz. „Diese entsteht       Herausforderungen.
beispielsweise im Religionsunterricht in der     dadurch, dass die Lehrkraft mit sich, so wie
Arbeitslust von Schülerinnen und Schülern        sie ist, in hohem Maß identisch ist, also zu
zeigen, wenn diese sich von ihren Lehrerinnen    sich und ihren Überzeugungen steht, eine
und Lehrern grundsätzlich angenommen             freundlich-zugewandte, aber klare Haltung
fühlen und erfahren, was ihre Potentiale         hat, dass sie selbst Freude am zu vermitteln-
sind, worin sie gut sind und wo sie sich ver-    den Stoff hat und einen didaktischen Plan,
bessern müssen. Wenn Schülerinnen und            wie sie diesen den jungen Menschen na-
Schüler also das Gefühl haben, dass sich         hebringen will.“8 Oder anders, nämlich aus
ihre Lehrerinnen und Lehrer nicht nur für        der Perspektive der empirischen Bildungs-
die Inhalte – bei aller Bedeutung, die das       forschung mit John Hattie zusammengefasst:
„Brennen“ der Lehrperson für ihr Fach hat        Worauf es in einem (Religions)Unterricht,
– interessieren, sondern auch für sie als        der etwas oder jemanden bewegen will bzw.
Personen, indem ihnen beispielsweise zuge-       bewegend sein möchte, wirklich ankommt,
hört wird, wenn sie ihre Sicht auf ein Thema     ist die Lehrperson und ihre Leidenschaft. Sie
erklären, dann erhöht das zugleich ihr En-       „sind einer der wichtigsten Bereiche, wenn
gagement und Selbstwertgefühl.                   es um schulische Leistung geht. Fachkom-
                                                 petenz allein reicht hierbei nicht aus. Sie
Für den Unterrichtskontext unterstreicht Jo-     muss von pädagogischer und didaktischer
achim Bauer auch noch die bereits oben           Kompetenz begleitet sein. Und schließlich
angeklungene Fähigkeit, sich auf den emo-        bedarf es entsprechender Haltungen, um
tionalen Zustand einer anderen Person ein-       das Wissen und Können im Schul- und Un-
zuschwingen bzw. andere mit der eigenen          terrichtsalltag zum Leben zu erwecken. In-
Stimmung anstecken zu können. Besondere          sofern ist die Leidenschaft der Lehrperson
und in religionsunterrichtlichen Zusammen-       für das Fach, für die Lernenden und für den
hängen einfach herzustellende Formen so-         Lehrerberuf ausschlaggebend.“9
zialer Resonanz sind gemeinsames Lachen
oder Singen. Forschungsergebnisse zeigen,
dass alles, was zwischenmenschliche Reso-
nanz und soziale Verbundenheit erzeugt, die                                                      1 Vgl. Rosa, Hartmut / Endres, Wolfgang
                                                                                                   (2016): Resonanzpädagogik, Weinheim
Bildung des sogenannten Glücksbotenstoffes                                                         und Basel: Beltz.
                                                                                                 2 Vgl. Rosa/Endres (2016) S. 46-47.
Dopamin zu fördern scheint.                                                                      3 Bauer, Joachim (2019): Wie wir werden,
                                                 VERANSTALTUNGSHINWEISE                            wer wir sind. Die Entstehung des
                                                                                                   menschlichen Selbst durch Resonanz,
Für Leben und Schule gilt also: Gute Erfah-      der KPH – Edith Stein:                            München: Blessing, S. 13.
rungen mit Menschen aktivieren die Moti-         Studientag der PTS/BS                           4 Bauer (2019) S. 113.
                                                                                                 5 Vgl. Bauer, Joachim (2018): Vortrag
vationssysteme.6 Dazu ein aktuelles Beispiel     M. Prettenthaler: Wo, wenn nicht im               im Rahmen des Symposions „Lehren
                                                                                                   und Lernen – Auf dem Weg zu einer
aus meiner heurigen Maturaklasse: In den         Religionsunterricht…(?!)                          beziehungsorientierten Schule“,
Reflexionen der Schülerinnen und Schüler         von Do 21.01.2021, 15:30 Uhr                      Graz 12.-13.Oktober.
                                                                                                 6 Vgl. Bauer (2018).
wird häufig der „undogmatische, für Fragen       bis Fr 22.01.2021, 12:15 Uhr                    7 Zur Frage des Übersehen-Werdens vgl.
                                                                                                   Prettenthaler, Monika (2020):
und Kritik offene Religionsunterricht“ als                                                         Vom Ansehen und Beschämen,
Grund für ihre motivierte Mitarbeit genannt.     Frühjahrstagung der AHS/BMHS                      in: KatBl 145. Jg., Heft 3, S. 226-231.
                                                                                                 8 Bauer (2019) S. 114.
Dass ich genau diese Form der Auseinan-          M. Prettenthaler: Wie der Funke im              9 Hattie, John / Zierer, Klaus (2018):
dersetzung mit Religion an meinen Schüler-       Religionsunterricht (nicht) überspringt.          Visible Learning. Auf den Punkt
                                                                                                   gebracht, Baltmannsweiler:
innen und Schülern schätze und diese Form        Mi 24.03.2021, von 9:00 bis 17:00 Uhr             Schneider Verlag Hohengehren, S. 131.

                                                                                                                                      11
Was mir
                                            Michael Brugger,
                                            Religionslehrer an der
                                            Fachberufsschule für
                                            Handel und Büro

         Tiroler Lehrlingswallf                                                                                                     er,
                                    ahrt                                                                                stian Leitn
                                                                                                             Josef Chri rer an der
                                                                                                                         h
                                                                                                             Religionsle
        „Ein Stück des Weges lie                                                                              N M S Ru m
                                 gt hinter dir, ein anderes
        Stück hast du noch vo
                              r dir. Wenn du verweil
        dann nur, um dich zu                           st,
                             stärken, aber nicht, um
        aufzugeben.“ (Kirchenle
                                hrer Augustinus)                                                                                          hr das
                                                                                                               –   la u  te  t jedes Ja
                                                                                                   rwegs“                              on Rum
                                                                                    sam unte                          Klassen v
       „Aufgegeben wird ein                                          „Gemein                         it d  e n  1  .                      dungs-
                            Brief – sonst nichts un
                                                    d                   o tt o ,  w  enn ich m               e  u  n  d   d  ort im Bil
       niemand.“ (Berufsschull                                        M                                  e h                                 te.
                               ehreralltag).                                   B   a u m   kirchen g                   s te rn    übernach
                                                                      na c h                             -Sc  h w    e                       wir uns
                                                                             s  d  e r  D  on-Bosco              jü   n g  e r  b  ewegen
                                                                      hau                            mmaus                              uf unter-
       Dergleichen zeigt sich                                                          wie die E                         wir uns a
                                 bei der Lehrlingswallfah              Ähnlich                        ke   s te ll e n
                                                                                                                                          gegen-
       Eine große Zahl junge                                rt:                          der Strec                          hren uns
                                r Leute unterschiedliche               fort. Auf                        vo  r u  n  d   fü
                                                                                                                                           kehr in
       Lehrberufe wälzt sich zu
                                   m liebevoll gestalteten
                                                          r
                                                                          c h ie  d li c he Weise               g  e s .  B  e i der Ein
                                                                                                                                                 PLAY
                                                                        s                                  We
      Gottesdienst ins heilige                                                      e  in  S tück des                   ir   e in  a nder FAIR
                                  Almgebiet der Waldrast                 seit  ig                             en     w                         Stärke
      Verweilend, keuchend                                  .
                                                                                     k  irc h e n begegn               -Ü   B  U   N GEN die
                               , fluchend, genussvoll,                   Bau      m                              DY                                 am
      spirituell vertieft oder                                                        rf a h re n  bei BUD                  h  ru  n g k ehren wir
                               sich doch irgendwo de                      und e                           ieser Erfa                  zurück.
      Trubel entziehend...                              m                                    pe. Mit d              ach Rum
                                                                           der Grup                    ie d e r  n
                                                                                              Tag w
                                                                            nächsten                                                           er wiede
                                                                                                                                                        r
                                                                                                                         d  e s  Ja hres imm
      Mitten drin: (Religions-)
                                                                                              nn es im
                                                                                                             Laufe                           sich die
                                LehrerInnen, die die
                                                                              Auch we                                      m   t, erinnern
      Müden aufbauen, die Sch
                                                                                                 migkeite
                                                                                                              n  k   o m                      sam und
                                  nellen bremsen, die
                                                                               zu Unstim                                    b te  : „Gemein
      Irritierten ermutigen un                                                                                as    E rl e                       emein-
                               d das körperlich oder
                                                      see-                          h ü  le rI n nen an d                 r  g u te  n Klasseng
     lisch Aufbrechende so                                                     S  c                              ein   e
                             wie die unterschiedlichs                                            en wir zu
     körperlichen Gebrechen                            ten                       fair könn                    s e n!“
                                 behutsam bergen.                                                ranwach
     Im Wissen, dass es das                                                       schaft he
                              Verweilen braucht,
     um wieder aufzubrech
                             en.

12
wichtig ist
                                           Astrid Vantsch,
                                          Kath Bildungsanstalt
                                          für Elementarpädago
                                                               gik
                                          (KBAfEP) Kettenbrüc
                                                               ke

            UnterWEGs mit Matur
                                ant*innen
            auf dem Besinnungsw
                                eg in Gnadenwald

            Auf dem Besinnungsw
                                    eg von Absam nach Gn
            denwald - St. Martin                               a-
                                    blicken die Schüler*in
            auf ihren schulischen We                       nen
                                      g zurück und bitten Go
            um Segen für ihre Zu                                tt
                                  kunft. Einige Wegstation
           mit ansprechenden Te                             en
                                    xten laden zum Inneh
           ten ein. Das Labyrinth                           al-
                                     am Ende des Weges
           möglicht ihnen eine be                          er-
                                     sondere Erfahrung. De
          Abschluss der Wallfahrt                             n
                                     bildet die bekannte Ge
          schichte von Momo un                                 -
                                    d Beppo, dem Straßen
          kehrer: Sie steht als Me                            -
                                   tapher dafür, wie wir
          herausfordernden Situa                          mit
                                  tionen umgehen könn
         ohne dabei die Freude                            en  ,
                                   zu verlieren. Beppo leh
         Momo, nicht an das ga                             rt
                                 nze bevorstehende Tu
         denken, sondern nur                            n zu
                                an den nächsten Atemz
         an den nächsten Schritt                         ug,
                                  und an den nächsten Be
        senstrich. So lassen sic                            -
                                 h Gegenwart und Zuku
        leichter in den Blick ne                         nft
                                 hmen.

         In diesem Sinn bietet
                               die „Maturawallfahrt“,
         an unserer Schule zu                         die
                               einer guten Tradition
        worden ist, weg-weisen                        ge -
                                de Impulse für jede un
        jeden einzelnen.                               d

                                                                     13
Meine Hände können
               Antonette Schwärzler,

                                                           sprechen,
                      BEd, Dipl.-Päd.,
    Sonder- und Religionspädagogin,
   Hochschullehrerin / Koordinatorin
    allgemeinbildende Pflichtschulen,
 KPH Edith Stein – Standort Feldkirch

                                                       loben, danken,
                                                             singen …
                                         Lautsprachunterstützte Kommunikation im inklusiven Religionsunterricht
                                         und in der religiösen Bildungsarbeit im Kindergarten

                                         IMTA1 2019, Dornbirn, Freitag, 24. Juni.        und Bewegungen begleitet wird. „Das war
                                         Ruhe herrscht in unserem Klassenraum,           richtig meditativ“, meint eine Mutter, als sie
        „Sprechen“ mit                   eine leichte Anspannung ist zu spüren und       sich verabschiedet. „Es war etwas ganz Be-
       den Händen, mit                   ein wenig Nervosität. Ein großer Sitzkreis      sonderes und hat mich sehr berührt“, meint
      Mimik, Gestik und                  ist hergerichtet. Meine Schüler*innen – alles   eine andere Person. Und meine Schüler*-
          Bewegungen                     Jugendliche mit erhöhtem Förderbedarf –         innen strahlen und werden noch lange von
                                         verteilen sich und lassen dazwischen Platz      diesem besonderen Tag erzählen.
                                         für unsere Gäste, welche die bereitgestellten
                                         Stühle bis auf den letzten einnehmen.           Das Lautsprachunterstützende Gebärden bie-
                                         „Wenn Gott einen Bogen in den Himmel            tet im inklusiven Unterricht und in der ele-
                                         malt und Hände sprechen…“ so heißt unser        mentarpädagogischen religiösen Bildung ein
                                         Workshop, zu dem Eltern und Lehrpersonen        wunderbares Instrument, um mit allen Kin-
                                         gekommen sind. Gemeinsam wollen wir             dern Texte, Gebete und Lieder einzuüben.
                                         die Geschichte von Noah erarbeiten – auf
                                         eine ganz besondere Art und Weise. Nicht        Was bedeutet „Lautsprachunterstützendes
                                         alle meine Schüler*innen können im her-         Gebärden“ (LUG)?2
                                         kömmlichen Sinn sprechen, einige besitzen       Die Lautsprachunterstützte Kommunikation
    LUG – Schlüssel-                     keine Verbalsprache. Sie können aber sehr       ist ein Teilgebiet der Unterstützten Kommuni-
   wörter werden mit                     wohl mit ihren Händen „sprechen“, mit ihrer     kation3, kurz UK genannt. Beim Lautsprach-
Handzeichen unterlegt                    Mimik und Gestik, mit Bewegungen und            unterstützenden Gebärden werden wichtige
                                         Lauten. Es wird eine sehr berührende halbe      Wörter unserer Lautsprache, sogenannte
                                         Stunde, in der wir gemeinsam ein Bodenbild      Schlüssel- oder Signalwörter, mit Gebärden /
                                         gestalten, die Geschichte von Noah erzäh-       Handzeichen unterlegt. Dies geschieht im-
                                         len und dabei wichtige Wörter, sogenannte       mer zeitgleich mit dem Sprechen und unter
                                         Signal- oder Schlüsselwörter, mit Handzei-      Beibehaltung der Grammatik. Dies ist der
                                         chen und Bewegungen unterlegen und sie          große Unterschied zu den offiziellen Ge-
                                         so spürbar machen und verinnerlichen. Zum       bärdensprachen (ÖGS4, DGS5, …), bei wel-
                                         Schluss singen wir gemeinsam das Lied vom       chen es sich um eigenständige, linguistisch
                                         Regenbogen, das auch von Handzeichen            vollwertige und natürliche Sprachen mit

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LUG – ein Beitrag
                                                                                                                                     zur Inklusion, mit
                                                                                                                                     dem sofort begonnen
                                                                                                                                     werden kann

                         6
„Regenbogen, buntes Licht , deine Farben sind das Leben“, so beginnt das Lied, welches wir am Ende der Noah-Geschichte mitein-
ander gesungen und gebärdet haben. Lautsprachunterstützendes Gebärden hat Licht und Farbe in das gemeinsame Singen, Erzählen
und Feiern und das gegenseitige Verstehen über den Religionsunterricht hinaus an unsere Schule gebracht.

eigener Grammatik und Syntax handelt. Als                        der Elementarpädagogik tagtäglich machen.
Schlüsselwörter bezeichnet man jene Wörter                       Die Kinder haben Freude an der Bewegung,
im Satz, die für das Verständnis wichtig sind.                   spüren sich selbst, verinnerlichen die Inhalte
Wie viele und welche Wörter jeweils ge-                          und merken sich den Text durch die Kombi-
bärdet werden, liegt im Ermessen der Aus-                        nation mit Bewegungen viel besser. Seit ich
führenden und hängt vom eigenen Können                           im Laufe meiner Fort- und Weiterbildungen
und den Fähigkeiten des Gegenübers ab.                           die Unterstützte Kommunikation und damit                        1 Die Internationale Musische Tagung
                                                                                                                                   (IMTA) findet jedes Jahr an einem
Neben der Nutzung des Vokabulars der ÖGS                         verbunden das Lautsprachunterstützende                            anderen Ort im Bodenseeraum statt.
und DGS, werden je nach Region und Ein-                          Gebärden kennenlernen durfte, setzte ich                          Bericht zur IMTA 2019 in Dornbirn
                                                                                                                                   auf der Website des Landes Vorarlberg
richtung auch unterschiedliche Gebärden-                         bald nur mehr die Gebärdensammlung                                unter: www.presse.vorarlberg.at/land/
                                                                                                                                   dist/vlk-59215.html
sammlungen mit vereinfachten Handzeichen                         „Schau doch meine Hände an“ ein. Ich ver-                         [abgerufen am 21.02.2020]
verwendet (z. B. Schau doch meine Hände                          wende nun immer dasselbe Handzeichen9 für                       2 Vgl. Michaela Wulf-Schäfer.
                                                                                                                                   www.kindergartenpaedagogik.de/
an6, GuK7, Lebenswelt Tirol Sprachwerk-                          einen bestimmten Begriff – eine deutliche                         fachartikel/bildungsbereiche-erziehu-
                                                                                                                                   ngsfelder/sprache-fremdsprachen-liter-
statt8, …). Egal, welche Sammlung verwen-                        Arbeitserleichterung für mich. Die Kinder                         acy-kommunikation/2281
det wird, das Prinzip ist immer dasselbe: Die                    merken sich die Handzeichen erstaunlich                           [abgerufen am 21.02.2020]
                                                                                                                                 3 Vgl. Unterstützte Kommunikation –
jeweiligen Handzeichen werden immer für                          schnell, setzen diese auch bei anderen Lie-                       Einsatz von Gebärden.
dieselben Begriffe verwendet werden. Es                          dern und Gebeten ein und fragen bei neuen                         www.de.wikipedia.org/wiki/Un-
                                                                                                                                   terst%C3%BCtzte_Kommunikation
entsteht somit ein Vokabular, wie beim Er-                       Texten nach bestimmten Handzeichen, die                           [abgerufen am 22.02.2020]
                                                                                                                                 4 ÖGS (Österreichische Gebärden-
lernen einer Fremdsprache.                                       sie noch nicht gelernt haben. Inzwischen                          sprache). Vgl. Österreichischer Gehör-
                                                                 verwende ich die Handzeichen auch bei                             losenbund: FAQ 1 - Allgemeines zur
                                                                                                                                   Gebärdensprache.
Wie kann Lautsprachunterstützendes                               (Bibel-)Geschichten und Erzählungen. Ge-                          www.oeglb.at/gebaerdensprache/
Gebärden (LUG) in der religiösen                                 meinsam wiederholen die Schüler*innen mit                         faq-1-allgemeines-zur-gebaerden-
                                                                                                                                   sprache/ [abgerufen am 22.02.2020]
Bildungsarbeit eingesetzt werden?                                mir wichtige Kernsätze; die Aussagen wer-                       5 DGS (Deutsche Gebärdensprache)
                                                                                                                                 6 Schau doch meine Hände an. Geb-
Auf meinem Weg als Sonder- und Religions-                        den dadurch auf das Wesentliche reduziert                         ärdensammlung zur Kommunikation mit
pädagogin – mit mehr als 30 Jahren Reli-                         und verinnerlicht. Dies ist ein besonderes                        nichtsprechenden Menschen. Bundesver-
                                                                                                                                   band evangelische Behindertenhilfe e.V.
gionsunterricht in Klassen mit Kindern mit                       Erlebnis für alle – wie zu Beginn bei der                         www.schau-doch-meine-haende-an.de/
                                                                                                                                 7 Vgl. Gebärden-unterstützte Kommu-
erhöhtem Förderbedarf und in Volksschul-                         Geschichte von Noah kurz beschrieben.                             nikation.URL: https://de.wikipedia.
klassen – darf ich auf viele beglückende                         LUG ist aus unseren Religionsstunden nicht                        org/wiki/Geb%C3%A4rden-unter-
                                                                                                                                   st%C3%BCtzte_Kommunikation
Stunden zurückblicken. Immer schon habe                          mehr weg zu denken und wird von allen                             [abgerufen am 22.02.2020]
                                                                                                                                 8 Lebenswelt Tirol Sprachwerkstatt - Shop.
ich mir bei Liedern und Gebeten passende                         Kindern – mit und ohne Verbalsprache – mit                        www.lebenswelt-tirol.at/shop.html
Bewegungen zum Text überlegt und diese                           Freude eingesetzt. So kann mit einem relativ                    9 In Zusammenhang mit „Schau doch
                                                                                                                                   meine Hände an“ verwende ich bewusst
beim Singen und Beten mit den Kindern                            einfachen Mittel ein wesentlicher Beitrag zur                     den Begriff „Handzeichen“ und nicht
eingesetzt – so wie es viele Religionspäd-                       Inklusion erbracht werden.                                        „Gebärde“, damit es nicht zu einer
                                                                                                                                   Verwechslung mit einer der offiziellen
agog*innen im Primarstufenbereich und in                                                                                           Gebärdensprachen (ÖGS, DGS) kommt.

                                                                                                                                                                      15
Andreas Liebl,

                                          ÜBERRASCHUNGEN!
          Mag., Religionslehrer an
     der Tiroler Fachberufsschule
       für Holztechnik in Absam,
              Gefängnisseelsorger

                                     Die Lehrlinge sind ganz und gar nicht be-        Auf Maria Waldrast kehrt in der Wallfahrts-
                                     geistert von der Vorstellung, auf Wallfahrt zu   kirche beim Gottesdienst Ruhe ein. Aus der
                                     gehen – das riecht für sie zu sehr nach Kir-     großen „Meute“ gibt es wenige, die nicht
                                     che, nach langweiligem Rosenkranzbeten –         hinein wollen; ein Lehrer bleibt bei ihnen.
                                     jedenfalls nichts für junge Holzhandwerker!      Ich spüre beim Gottesdienst, wie gut uns die
                                     Ich muss ihnen versprechen, dass es o.k. ist.    Besinnung und die Ruhe tun. Besonders still
                                     Natürlich macht auch das Treffen mit Kolle-      wird es, als die Fürbitten vorgetragen wer-
                                     gen aus anderen Schulen Hoffnung. Anreiz         den. Diese Fürbitten formulierten jugend-
                                     ist auch die Möglichkeit, dort Mädchen zu        liche Straftäter. Es sind bewegende Bitten
                                     treffen. Mich erinnert es schon fast an die      für die wallfahrenden Lehrlinge, aber auch
                                     Maiandachten früherer Zeit, die auch mehr        eine Gebetsbitte für die jungen Häftlinge.
                                     Mittel zum Zweck waren. Jedenfalls besser,       Vielerlei Sorgen werden auf den Altar mit-
                                     als im Juli in die Schule gehen zu müssen...     genommen. Nicht nur dort geschieht Wand-
                                                                                      lung; aus den fast schon „Unwilligen“ sind
                                     Ein Kreuz wird mitgetragen; an Stationen         Jugendliche geworden, die froh um diesen
                                     wird inhaltlich innegehalten; Wasser wird        Tag sind – nicht nur, weil es besser ist als
                                     zur Stärkung verteilt und kein Rosenkranz        Schule; ein Tag der Besinnung. – Danke!
                                     gebetet. Die einen preschen vor, sind schnell
                                     wie Gämsen – andere müssen ermutigt und
                                     bestärkt werden. Ich sehe mich selbst und
                                     ich sehe die anderen anders, wenn ich dar-
                                     an denke, dass wir alle unterwegs sind, dass
                                     jeder an sein Ziel kommen möchte, dass wir
                                     einander im Wege stehen, aber auch beim
                                     Weiterkommen behilflich sein können.

16
SCHULWEGE
Schülerin und Direktor erzählen

  Elmar Fiechter-Alber,                                  Lisa Wiestner,
  Direktor am Bischöflichen Gymnasium Paulinum, Schwaz   Schülerin des Paulinums Schwaz

  „I ho eahn ussegworfe. Der soll no                     Mein Schulweg –
  zfuass huiloafe, des schadet eahm                      so kurz und doch gefährlich!
  gär nix.“

  – „Ich habe ihn aus dem Bus verwiesen. Er              Ich wohne in Schwaz und somit circa 2 Kilo-
  soll gefälligst zu Fuß heimgehen. Das schadet          meter von meiner Schule, dem Paulinum,
  ihm sicher nicht!“. Meine Hauptschule Ende             entfernt. Dass auf diesem 2 Kilometer-Schul-
  der 1970er-Jahre lag im Nachbardorf am                 weg nicht viel Aufregendes passieren kann,
  Rande des Bregenzerwaldes. Fünf Kilometer              dachte ich mir zuerst auch, aber nun, nach-
  und ca. eine Viertelstunde Busfahrt war für            dem ich die Schule fast 6 Jahre besuche,
  uns alltäglich. Dass es dabei immer wieder             muss ich dies leider verneinen.
  zu lautstarken Tumulten und sogar Hand-
  greiflichkeiten kam, schien uns nicht außer-           Es war an einem Montagmorgen. Das Wetter
  gewöhnlich. Für den Busfahrer – aufgrund               war schön, einer der ersten etwas wärmeren
  seiner markanten Gesichtszüge nannten                  Tage im Februar. Ich freute mich sehr,
  wir ihn Cäsar – war es auf der Hälfte des              denn das bedeutete, dass ich wieder mit
  Heimweges eines Tages zu viel. Er ließ                 dem Fahrrad in die Schule fahren konnte.
  meinen Freund Anton den Rest der Strecke               Also machte ich mich auf den Weg. Es schien,
  zu Fuß weitergehen. Im Heimatdorf ange-                als könnte mir nichts im Weg stehen, doch
  kommen stand zufällig dessen Vater – der               ich täuschte mich. Wortwörtlich. Ich war
  Bürgermeister – und Cäsar informierte ihn              nicht mehr weit von der Schule entfernt und
  umgehend, was dieser befürwortend zur                  plötzlich stand er vor mir - groß, weiß, quer-
  Kenntnis nahm.                                         gestellt, und das mitten auf dem schmalen
                                                         Weg. Ein Laster. Warum dieser damals quer
  Dass ich selbst eines Tages nicht nur die              über die Straße gestanden ist, ist mir heute
  Hälfte, sondern den ganzen Weg zu Fuß ge-              noch ein Rätsel. Doch in jenem Moment war
  hen musste, hatte nicht mit den Launen von             etwas anderes viel wichtiger. Ich kam an
  Kindern und Busfahrer zu tun, sondern da-              diesem Laster nicht vorbei. Keine Chance.
  mit, dass ich eine Stunde nachsitzen musste            Als ich noch knappe fünf Meter von dem
  und ich die Wahl hatte, entweder eineinhalb            Laster entfernt war, hatte ich eine Idee.
  Stunden zu gehen oder auf den Abend-Bus                Rechts von der Heckklappe war noch etwas
  zu warten. Täglich gab es ja nur drei Busver-          Platz. Ich beschloss dann spontan, auf die-
  bindungen. Meine Eltern anzurufen, dass sie            ser Seite einfach vorbeizufahren. Den Gras-
  mich holen sollten, war keine Option. Nicht            hügel, der sich dort befand, hatte ich einfach
  nur, weil ich natürlich kein Handy hatte,              übersehen. Doch sobald ich auf ihn raufge-
  sondern vor allem, weil sich der „Shuttle-             fahren war, bemerkte ich ihn dann schließ-
  Service Mama“ in der damaligen gesell-                 lich doch. Trotz meiner schnellen Reaktion
  schaftlichen Vorstellung noch nicht etabliert          hatte ich keine Chance mehr. Ich rutschte
  hatte.                                                 einfach rückwärts wieder runter und landete
                                                         etwas unsanft auf dem kalten und noch nas-
  Erst mit dem Schulwechsel in die Handels-              sen Asphalt. Ich erlitt keine Verletzungen,
  akademie in der gefühlten Großstadt Bre-               Gott sei Dank. Dafür aber blieb eine prä-
  genz wagten wir mangels ausreichender Bus-             gende Erinnerung. Jedes Mal, wenn ich an
  verbindungen die Variante des Autostopps,              diesem Hügel vorbeifahre, muss ich an mein
  um im Optimalfall ein paar Stunden früher              kleines Abenteuer denken und darüber
  im sonnigen Bergdorf anzukommen.                       schmunzeln.

                                                                                                          17
Katina Perle, MA
         Religionslehrerin an der BAfEP
  Kettenbrücke, BAfEP Haspingerstraße

                                                        Auf der Suche
   und am Abendgymnasium Innsbruck

                                                      nach neuen Wegen
                                          für ein praktisches Christentum in den Zeichen der Zeit

                                          Fast schon fühlt es sich an wie ein längst ver-   lungnahme unzählige Gegenmeinungen gibt.
                                          gangener Traum, an den man sich nur mehr          Wir ertrinken gleichsam in einem Meer aus
                                          bruchstückhaft erinnert: Da wuchs die so ge-      Fakten. Durch die Menge an Fakten, die sich
                                          nannte Generation Y, der auch ich angehöre,       teils gegenseitig widersprechen, haben wir
                                          im aufstrebenden Europa der Boomer-Eltern         scheinbar kollektiv resigniert und betiteln
                                          auf, als gäbe es keine Grenzen und als wäre       unser eigenes Zeitalter leicht witzelnd als
                                          das immerwährende Wachstum der Wirt-              postfaktisch.
                                          schaft ein Naturgesetz. Es waren die Jahre
                                          vor 9/11, vor der Wirtschaftskrise und einem      „Wer du bist, was du denkst, wo du stehst,
                                          damit langsam wachsenden Misstrauen der           es ist alles egal“ singt die junge Künstlerin
                                          Bevölkerung. Wir waren uns noch nicht so          Pippa und trifft damit wohl das Lebensge-
                                          bewusst, dass vieles von dem, was wir kon-        fühl einer ganzen Generation, welche die
                                          sumieren, irgendwo im Verlauf der Produk-         Hoffnung und das Lebenskonzept von „hö-
                                          tionskette jemanden oder etwas ausbeutet,         her, weiter, schneller“ nicht ganz freiwillig
                                          zerstört oder zumindest stark belastet. Wir       aufgeben muss.
    Wir waren uns noch                    waren glückliche, aber auch leichtgläubige
                                          Konsumentinnen und Konsumenten in ei-             Was bei dieser schon fast nihilistisch kling-
 nicht so bewusst, dass
                                          nem System, dem wir großteils vertrauten.         enden Einstellung verloren geht, ist jedoch
vieles von dem, was wir
                                                                                            mehr als selbstsichere, finanzielle Potenz.
konsumieren, irgendwo
                                          Seitdem hat sich fast alles verändert. Nach un-   Die Erkenntnis der eigenen Ohnmacht wirkt
 im Verlauf der Produk-                   zähligen Lebensmittelskandalen, dem Platzen       lähmend und raubt einem die Mündigkeit.
   tionskette jemanden                    von imaginären Finanzblasen und dem Er-           Es scheint schier unmöglich, in diesem un-
   oder etwas schädigt.                   starken des Internets als Enthüllungsmedium,      durchsichtigen Dschungel aus Informationen
                                          sowie der aktuellen Corona-Krise, stehen wir      und wirren Verkettungen noch nach seinen
                                          Kinder der Generation Y bis zu den Knien in       eigenen Werten leben zu können. „Was für
                                          einem Meer aus Verunsicherung. Wir hinter-        ein Schlamassel…!“
                                          fragen das Fundament einer ganzen Gesell-
                                          schaft. Umso mehr wir erfahren, umso mehr         Vor circa fünf Jahren wurde mir das alles zu
                                          tappen wir im Dunkeln, da es so etwas wie         viel. Ich hatte gerade mit meinem Masterstu-
                                          Wahrheit nicht mehr zu geben scheint. Man         dium der Theologie an der Universität Wien
                                          liest darüber, dass die Demokratie tot sei, da    begonnen, da überkam mich ein beunru-
                                          die Lobbyisten in Wahrheit das Sagen haben,       higendes Gefühl der Passivität. In geistes-
                                          wenn es um die Gestaltung von Gesetzes-           wissenschaftlichen Studien lernen wir viel
                                          texten oder Richtlinien geht. Doch wir kön-       über das menschliche Leben. Wir fragen uns,
                                          nen es nicht beweisen, da es zu jeder Stel-       was die Menschen antreibt, was sie bewegt

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und wir philosophieren über Alternativen.       der Großstadt. Ich empfand diesen reduzier-
Die Theologie geht sogar soweit, dass sie       ten Weg als sehr wohltuend für Körper und
sich darüber Gedanken macht, wie ein gutes      Geist. Auch der Erde könnte es wohltun,           Wir hinterfragen das
menschliches Leben aussehen könnte. Päpste      wenn wir uns alle ein wenig reduzieren und        Fundament einer
und große Kirchenväter haben viel darüber       uns in Verzicht üben.                             ganzen Gesellschaft
geschrieben – und einiges davon klingt durch-                                                     und suchen nach einer
aus inspirierend. Doch es bleibt nur allzu      Weg 2: Veganismus                                 neuen christlichen
oft bei der Theorie, vor allem im Studium.      Verzicht ist nicht immer gleichzusetzen mit       Lebenspraxis.
                                                ärmer werden. Das erkannte ich, als ich
In den kommenden Jahren suchte ich nach         den Veganismus als passende Lebensweise
neuen Wegen, die es mir ermöglichen, in ei-     für mich entdeckte. Seit nunmehr fünf Jah-
ner globalisierten und durch die freie Markt-   ren ernähre ich mich rein pflanzlich. Vega-
wirtschaft beherrschten Welt nach meinen        nismus ist nicht nur eine Ernährungsweise,
christlichen Werten auch praktisch leben        sondern ein Lifestyle, der die Verbundenheit
zu können. Zwei Stationen auf diesem Weg        aller Dinge anerkennt und die positiven Aus-
möchte ich nun kurz vorstellen.                 wirkungen dieses Weges aus ökonomischer,
                                                ökologischer wie ethischer Perspektive
Weg 1: Großstadt-Minimalismus                   versteht. Viele christliche Grundüberzeu-
Inspiriert durch klösterliche Askese und mi-    gungen, wie das „Dreifache Liebesgebot“,          Menschen auf alter-
nimalistisch lebende Youtuber entschied ich     finden sich in der veganen Lebensweise            nativen Lebenswe-
mich, diesen Weg des bewussten Verzichts        wieder. Das „Dreifache Liebesgebot“ bün-          gen leben christliche
für mich auszuprobieren. Menschen, die          delt alle anderen christlichen Gebote und         Werte –nicht selten
man als Minimalisten bezeichnet, reduzieren     ruft uns zur Nächstenliebe, Selbstliebe und
                                                                                                  konsequenter als der
ihren Besitz ganz bewusst auf das Allernö-      Gottesliebe auf. Veganismus tut dies meiner
                                                                                                  „durchschnittliche
tigste. Kleidung, Hygieneartikel, Küchen-       Meinung nach auch, wenn auch in einer an-
utensilien, Bücher usw. – alles, was man be-    deren, säkularisierten Sprache.
                                                                                                  Taufscheinchrist“.
sitzt, wird aus den Regalen geräumt und auf
einen Haufen gelegt. Die Inventur eines gan-    Egal, ob Minimalismus oder Veganismus, alle
zen Lebens, wenn man so will. Der Effekt:       diese neuen, alternativen Wege sind zutiefst
Es wird einem unmissverständlich klar, wie      empathisch und versuchen, die Welt auf eine
viele unnötige Dinge man besitzt. Und trotz-    friedliche Art und Weise zu verbessern. Ich er-
dem konsumieren wir munter weiter. Mini-        kenne in diesen alternativen Wegen ganz klar
malisten lehnen sich gegen diesen Konsum-       das von Karl Rahner beschriebene anonyme
zwang auf. Sie entrümpeln ihr Leben und         Christentum und rufe darum zur Zusammen-
behalten nur, was wirklich wichtig ist. Da-     arbeit auf, da uns diese Bewegungen dabei
durch schaffen sie Platz für das, was zählt     behilflich sein können, ein zeitgemäßes
im Leben. Der Vorteil von diesem Weg ist,       praktisches Christentum zu gestalten.
dass er überall funktioniert, am Land wie in

                                                                                                                    19
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