Jesuit sein heute? Gerade heute!

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Jesuit sein heute? Gerade heute!
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                                                                                                   ISSN 1613-3889
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                                                                                                                    Jesuit sein heute?
                                                                              www.jesuiten.org                         Gerade heute!
Jesuit sein heute? Gerade heute!
Jesuiten
                        Jesuiten Jesuiten
                                 Ausgabe November/2014
                                                                                                     Standorte der Jesuiten
                                                                                                     in Deutschland
                                                                                                                                                                          Jesuiten
                                                                                                                                                                        Jesuiten
                                                                                                                                                                           Gratis-Abonnement
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Inhalt Ausgabe 2012/4

                                                                                                                               ImpressumImpressum
                                                    1 Editorial

                                                                                                      in Deutschland
                                                                                                                               JESUITEN
                            1    Editorial               Schwerpunkt                                                           Informationen JESUITEN
                                                                                                                                              Informationen
                                                                                                                               der Deutschen Provinz
                                                      2 Virtualität – Anwesenheit des Abwesenden                               der Jesuiten der Deutschen Provinz
                           		Schwerpunkt              6 Virtualität aus der Schulperspektive                                                  der Jesuiten
                                                                                                                               an unsere Freunde
                                                                                                                               und Förderer an unsere Freunde
                             2 Jesuit sein heute      8 –Mailgewitter
                                                          was bedeutet     das für mich?
                                                                       & Twitterstürme                                                        und Förderer
                                                                                                                                              65. Jahrgang 2014/4
                                                                                                                               63. Jahrgang 2012/4
                                                    10   In die Computerzeit
                             4 Früher gab‘s mehr Berufungen als heute!?       hineinleben
                                                                                                                               ISSN 1613-3889
                             7 Wege in den Orden – ein geistlicher Prozessohne Ende
                                                    11   Erreichbarkeit 2.0: Facebook                                                         ISSN 1613-3889
                                                                                                                               Herausgeber Herausgeber
                                                    14 Online-Exerzitien                                                       und Copyright:und Copyright:
                             8 Lebensort Schule                                                                                                © Deutsche Provinz
                                                    16 Pastorale Projekte                                                      © Deutsche Provinz
                           11 Pater Arrupe und Frère Roger                                                                                     der Jesuiten K.d.ö.R.
                                                                                                                               der Jesuiten K.d.ö.R.
Titel: Menschen in                                  17 Warum ich (noch) nicht bei Facebook bin                                                Redaktionsleitung:
der Stadt
                           12 Aus Momenten
                        2012/4                      18des   Scheiterns
                                                         Warum           lernen bin
                                                                 ich bei Facebook                                              Redaktionsleitung:
                                                                                                                                              Klaus Mertes SJ                                                                                                                    Gratis-Abonnement
© fotolia/Müller
                        Titelbild:
                           14 @ OraFotoliaet labora – pray and workaholic
                                                    20 blog.radiovatikan.de
                                                                                                                               Klaus Mertes SJRedaktion:
                                                                                                                                               Dr. Thomas Busch
                                                                                                                                                                                                                                                     Gratis-Abonnement
                        „Virtualität ist die

                                                                                                                                                                                                             Datum

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                                                                                                                                                                                                                                                                           Vorname

                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Name

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  ab der nächsten Ausgabe an:
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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Bitte senden Sie kostenlos

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                                                                                                                               Redaktion: (Chef vom Dienst)
                           16 Warum
                        Eigenschaft            Jesuit 21
                                      einer Sache,    heute?
                                                         Jesuiten in Facebook                                                  Dr. Thomas BuschHolger Adler SJ

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    2012/4
                                                                                                                                                                        Datum

                                                                                                                                                                                                       PLZ

                                                                                                                                                                                                                            Straße

                                                                                                                                                                                                                                           Vorname

                                                                                                                                                                                                                                                                 Name

                                                                                                                                                                                                                                                                                     ab der nächsten Ausgabe an:
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                                                                                                                                                                                                                                                                                     Bitte senden Sie kostenlos
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                           17 Geistlich – Praktisch – Gut                                                                      (Chef vom Dienst)
                        existieren, in der sie zu                                                                              Holger Adler SJ Bernhard Knorn SJ
                           18 Als        Sünder
                                             aber berufen
                                                         Geistlicher Impuls                                                                    Björn
                        existieren  scheint,                                                                                   Bernd Hagenkord    SJ Mrosko SJ
                        in ihrem Wesen oder           22 Von der Versuchung, virtuell zu   leben                               Bernhard KnornRichard
                                                                                                                                                SJ     Müller SJ
                           19 Etappen auf unserem Weg                                                                                          (Bildredaktion)
                        ihrer Wirkung einer in                                                                                 Simon Lochbrunner    SJ
                                                                                                                                               Jörg Nies SJ
                        dieser Form existieren-                                                                                Richard Müller SJ

                                                                                                                                                                                                             Unterschrift

                                                                                                                                                                                                                                     Ort
                                                         Nachrichten                                                                           Claus Pfuff SJ

                                                                                                                                                                        Unterschrift

                                                                                                                                                                                                       Ort
                        den Sache zu gleichen.“                                                                                (Bildredaktion) Tobias Specker SJ
                         		 Geistlicher Impuls
                        Diese Definition aus          24 Neues aus dem Jesuitenorden                                           Tobias Specker SJ
                                                                                                                                               Johann Spermann SJ
                           22 Von
                        „Wikipedia“    aufden Prioritäten                                                                      Martin Stark SJ Tobias Zimmermann SJ
                        vielfältige Weise um-                                                                                  Johann Spermann     SJ Zoll SJ
                                                                                                                                               Patrick
                        zusetzen, nahm sich
                                                         Vorgestellt                                                           Tobias Zimmermann SJ
                                                                                                                               Patrick Zoll SJ
                         		 Jubiläum 2014
                        Simon Lochbrunner SJ          29 Gebetsapostolat                                                                      Anschrift:
                        mit seinen Bildern im                                                                                  Anschrift:    Redaktion JESUITEN
                           24 Vom Sie
                        Schwerpunktteil         zum Du
                                           dieser                                                                              Redaktion JESUITEN
                                                                                                                                             Seestraße 14
                        Ausgabe vor.
                                                         Nachrufe 2012                                                         Seestraße 14 80802 München
                                                  30 Unsere Verstorbenen                                                       80802 MünchenTel 089 38185-213
                         		Nachrichten                                                                                                       Fax 089 38185-252
                                                                                                                               Tel 089 38185-213
                                                                                                                                             redaktion@jesuiten.org
                                                                                                                               Fax 089 38185-252
                          26     Neues aus dem Jesuitenorden
                                                  Medien                                                                                     www.jesuiten.org
                                                                                                                               redaktion@jesuiten.org
                                                  32 DVD: Die Schrittweisen. Zu Fuß nach Jerusalem                             www.jesuiten.org
                                                                                                                                             Satz und Reproduktionen:
                         		Personalien                                                                                         Layout:       Martina Weininger,

                                                                                                                                                                        80802 München
                                                                                                                                                                                        Seestraße 14

                                                                                                                                                                                                             der
                                                                                                                                                                                                             Freunde
                                                                                                                                                                                                             Sekretariat
                                                                                                                                             München
                                                                                                                               Margot Krottenthaler
                          29                    33 Autoren dieser Ausgabe
                                 Jubilare / Verstorbene

                                                                                                                                                                                                               80802

                                                                                                                                                                                                               Seestraße 14

                                                                                                                                                                                                                                             der Gesellschaft Jesu e.V.
                                                                                                                                                                                                                                             Freunde
                                                                                                                                                                                                                                             Sekretariat
                                                                                                                               Leporello Company,
                                                                                                                                             Druck:
                                                                                                                               Dachau

                                                                                                                                                                                                                  Gesellschaft
                                                                                                                                             Gebrüder Geiselberger
                                               34 Die besondere Bitte                                                                        GmbH, Altötting
                         		Medien              34 Ein Abonnement „Stimmen der Zeit“
                                                                                                                               Satz und Reproduktionen:
                                                                                                                                             Printed in Germany
                                                                                                                               Martina Weininger, München

                                                                                                                                                                                                                       München Jesu e.V.
                          29     Musik in St. Michael                                                                          Druck:         Erscheinungsweise:
                                                                                                                                              Viermal im Jahr
                                                                                                                               Gebrüder Geiselberger
                                                  37 Standorte der Jesuiten in Deutschland
                                                                                                                               GmbH, AltöttingAbonnement kostenlos
                         		Nachrufe                                                                                            Printed in Germany
                                                                                                                                              Nachdruck nach
                         30      Unsere Verstorbenen                                                                                          Rücksprache mit
                                                                                                                               Erscheinungsweise:
                                                                                                                               Viermal im Jahrder Redaktion
                                                                                                                               Abonnement kostenlos
                          33     Autoren dieser Ausgabe                                                                        Nachdruck nach Rück-
                                                                                                                               sprache mit der Redaktion

                                                                                                                                                                                                                                                                          freimachen,
                                                                                                                                                                                                                                                                           falls Marke
                                                                                                                                                                                                                                                                            zur Hand

                                                                                                                                                                                                                                                                               Bitte
                         		 Die besondere Bitte

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             freimachen,
                          34	Begleiter auf dem Berufungsweg

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             falls Marke
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               zur Hand

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Bitte
                          37     Standorte der Jesuiten in Deutschland
Jesuit sein heute? Gerade heute!
E d i to r ial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                 um unser Mensch- und Christsein in heuti-
                                               ger Zeit. Als keineswegs perfekte Menschen
mit dem Wort „Berufung“ verbinden wir          wissen wir Jesuiten uns schließlich zum
meist, dass einige Christen einen „geist-      Jesuit sein gerufen. Auch dieses „Sein“ ist
lichen Beruf “ haben, d.h. sie sind Or-        immer ein „Werden“, ein lebenslanger Pro-
densmenschen oder Priester geworden.           zess, und wir brauchen dafür die Gnade
Und gleich hören wir die Klage mit, heute      und Barmherzigkeit Gottes. Wer den Weg
gebe es leider kaum noch „Berufungen“.         des Jesuiten mit Hingabe lebt, erlebt ihn
Es stimmt, dass heute bedauerlich wenige       meist als erfüllend und fruchtbar. Mit die-
Menschen in Ordensgemeinschaften ein-          ser Ausgabe wollen wir unseren Dank für
treten oder Priester werden. Wir Jesuiten      die Berufung ausdrücken. Es wurde von
in Deutschland und in Europa haben im-         Holger Adler, Marco Hubrig und Björn
mer Nachwuchs gehabt und haben wei-            Mrosko zusammengestellt. Vielleicht kann
terhin jedes Jahr Eintritte – dafür sind wir   es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eini-
sehr dankbar, aber wir wissen auch, dass       ges zum Nachdenken und zur Freude über
es viel mehr sein dürften!                     Ihre eigene Berufung mitgeben.

Nun sind aber alle Christen berufen. Alle      An Weihnachten feiern wir, dass Gott
sollen die Liebe leben, sie sollen barmher-    ein Mensch wie wir wurde. Er hat uns
zig zu Schwachen sein, wahrhaftig und          damit gezeigt, wie wir als Menschen und
ehrlich, gläubig und bereit zum Engage-        Christen unsere Berufung leben können.
ment für andere. Alle sollen ihr Leben mit     Ich wünsche Ihnen Wachstum auf Ihrem

                                                                                             Jesuit sein heute? Gerade heute!
Christus und nach dem Vorbild Christi          Weg des Menschwerdens und des Geru-
gestalten. Alle sollen die Größe und Güte      fenseins. Herzlich wünsche ich Ihnen die
Gottes bezeugen. Diese Berufung aller          Gnade und den Frieden der Weihnacht
Christen ist die grundlegende – das ist der    und ein gesegnetes Jahr 2015.
Kirche in den letzten Jahrzehnten neu und
tiefer zu Bewusstsein gekommen. Wel-
che konkrete Gestalt diese Berufung be-
kommt, ist dann weniger wichtig. In jeder
Lebensform und in jedem Einsatz können
                                                                                                      n

und sollen wir liebende Menschen und
                                                                                             November 2014

damit Christen sein. Gibt es nicht auch
hier einen Mangel an Berufungen?

In dieser Ausgabe denken wir Jesuiten über
                                                                                                      n

unsere Berufung zum Jesuit sein nach. In                            Stefan Kiechle SJ
                                                                                             Jesuiten

vielen Beiträgen geht es allerdings zuerst                          Provinzial

                                                                                                      1
Jesuit sein heute? Gerade heute!
Sch wer p unk t

                                   Jesuit sein heute –
                                   was bedeutet das für mich?
                                   Jesuit sein heißt für mich, meine Berufung     geben kann. Für mich ist das der Dienst,
                                   gefunden zu haben und sie leben zu kön-        unsere Sendung. Ignatius war es wichtig,
                                   nen. Dahinter steht eine Überzeugung,          für Menschen auf unterschiedliche Weise
                                   die für mich wesentlich zum Jesuit sein        einen Rahmen zu schaffen, damit sie Gott
                                   gehört: Da gibt es einen, der ruft. Wenn       begegnen können. Die Aufgabe als Pries-
                                   zwei Menschen heiraten, haben sie erfah-       ter ist es, solche Begegnungsräume zu öff-
                                   ren, dass die Liebe des anderen innerlich      nen. Für mich sind besonders wichtig die
                                   Kräfte freisetzt. Die Gründe für einen Or-     Eucharistiefeier, die Beichte, die Einzelge-
                                   denseintritt sind vergleichbar. In Exerziti-   spräche und die Exerzitien. Nach Mona-
                                   en konnte ich vor über zehn Jahren eine        ten erzählen mir manche: „Da oder dort
                                   Erfahrung machen, an deren Wirklichkeit        wurde es mir warm ums Herz, löste sich
                                   ich nicht zweifelte. Ich verstand tief in      etwas, da konnte ich mich selbst mehr an-
                                   meinem Herzen: „Clemens, es ist gut, dass      nehmen.“ Dann weiß ich, Gott hatte seine
                                   Du bist und wie Du bist.“ Das schenkte         Finger im Spiel, denn so was kann man
                                   mir Vertrauen und machte mich lebendig.        nicht machen.
                                   Diese Worte kann man sich nicht selbst
                                   sagen. Ich war überzeugt, hier habe ich es     Hier lauert aber auch eine große Versu-
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   mit Gott zu tun bekommen. Davon wollte         chung. Ich benehme mich manchmal wie
                                   ich mehr. Ich wollte keine ausgemergelte       ein Arzt bei einer Reanimation. Ich pum-
                                   und bleiche Heiligenfigur werden, son-         pe bis zur Erschöpfung Worte und Akti-
                                   dern mit Haut und Haar meinen Glauben          onen auf den scheinbaren Glaubenstoten
                                   an diese konkrete Person Jesus Christus        ein. Aber es hilft nichts. Ich muss mir
                                   leben. Den Platz dazu habe ich im Orden        meine Selbstüberschätzung eingestehen.
                                   gefunden. Durch den geistlichen Weg ist        Nicht ich belebe, sondern der Geist Gottes
                                   mein Vertrauen in Gott gewachsen. Wie          schafft lebendigen Glauben in Menschen.
                                   in jeder Beziehung gibt es auch lustlose       So ein Mitarbeiter Gottes sein zu dürfen,
         n

                                   und anstrengende Phasen. Aber mit die-         lässt mich fast jeden Abend dankbar auf
November 2014

                                   sem Jesus wird es auch nach Jahren nicht       einen sinnvollen Tag zurückblicken.
                                   langweilig. Gott ist lebendig. Ohne Ihn
                                   wäre mein ganzes Leben als Ordensmann          Als Jesuit muss ich nicht den Menschen
                                   sinnlos.                                       etwas bringen, sondern darf mit ihnen
         n

                                                                                  unterwegs sein: momentan vor allem mit
Jesuiten

                                   Für mich erschöpft sich Ordensleben aber       vielen jungen Leuten. Natürlich muss ich
                                   nicht in meiner spirituellen Suche. Liebe      Rede und Antwort für die Lehre der Kir-
        2                          wird dort vollkommen, wo ich mich selbst       che stehen. Aber es ist mehr ein Mitein-
Jesuit sein heute? Gerade heute!
© SJ-Bild/Bubulyte

                      Clemens Blattert SJ (re. oben) mit einer Studentengruppe aus Leipzig auf den Stufen zum
                      Felsendom, Jerusalem

                                                                                                                    Jesuit sein heute? Gerade heute!
                     ander, und dabei wird mir viel geschenkt,       Gott einzulassen. Dafür will ich Zeuge
                     vor allem großes Vertrauen. Von mir             sein. Ab und zu denke ich, dass in den
                     werden kaum große Ratschläge erwartet,          fünf Jahren im säkular geprägten Leipzig
                     sondern einfach, dass ich da bin, Zeit habe     mein Glaube besonders stark gewach-
                     und interessiert zuhöre. Durch die vielen       sen ist.“ Ich habe gelernt, ich muss nicht
                     Fragen zu Gott und Kirche, gerade in ei-        perfekt sein, darf als Sünder mich in die
                     nem wenig christlich geprägten Umfeld,          Nachfolge gerufen wissen und andere zu
                     berühren die Leute auch meine Unsicher-         ihr einladen. Das ist ein Dienst, der ande-
                     heit. Manchmal weiß ich selbst keine Ant-       ren Menschen Hoffnung macht, dass auch
                                                                                                                             n

                     wort. Habe ich dann als „Kirchenexperte“        sie vor Gott ihre Daseinsberechtigung ha-
                                                                                                                    November 2014

                     versagt? So verstehe ich mich nicht. Wenn       ben. Das ist nicht immer ganz leicht, aber
                     ich als Suchender mit anderen unterwegs         auf Dauer sehr erfüllend. Ignatius hat sich
                     bin, dann geht es darum, weiter zu suchen,      als Pilger bezeichnet. Mir gefällt das Bild:
                     nicht so zu tun, als wüsste ich auf alles       Ich bin mit anderen unterwegs, und als
                                                                                                                             n

                     eine Antwort. Eigentlich geht es schlicht       Jesuit habe ich einen richtig schönen Pil-
                                                                                                                    Jesuiten

                     darum: zu glauben. Auch mich fordert            gerweg gefunden!
                     der Glaube heraus. Das ist für mich eine
                     Chance, mich wieder neu vertrauend auf          Clemens Blattert SJ                                    3
Jesuit sein heute? Gerade heute!
Sch wer p unk t

                                   Früher gab‘s mehr Berufungen als heute!?
                                   Volkskirchlich gesehen bin ich total das      zum Funktionärstum verstaubt. Aber es
                                   Kind der 80er Jahre, mit vollen Kirchen,      gibt keine Berufung bloß zum Funktionär.
                                   reichlichen Kirchenfesten, tollen nahba-      Im Rückzug auf das Funktionieren zeigt
                                   ren Pfarrern, Spaß in der Jugendarbeit        sich, wie das Volkskirchliche schwindet,
                                   etc. Volkskirchlich gedacht, war das doch     und zugleich, wie es um sein Überleben
                                   eine herrliche Zeit – alles in Ordnung mit    kämpft. Da wundert es mich nicht, dass
                                   der Kirche. Spätestens während meines         in die Noviziate und Priesterseminare kei-
                                   Studiums in den 90ern wurde immer kla-        ne Massen kommen. Denn die, die sich
                                   rer: Wenn wir so weitermachen, ist bald       heute für Kirche interessieren, sind schon
                                   keiner mehr da. Und die Aussagen von          keine Kinder der 80er mehr. Sie erlebten
                                   vielen lauteten dagegen: „Ach,
                                   so schlimm wird es schon nicht
                                   kommen!“                                      Die Menschen in ihren
                                   Diese Einstellung, die leider fast      Entscheidungen unterstützen
                                   alle Verantwortlichen in Kirche
                                   und Orden haben, fällt uns nun
                                   schon länger auf die Füße. Und
                                   ich? Ich muss gestehen, ich habe
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   auch immer noch dieses Denken im Kopf,        in großen Teilen den Verfall und Nieder-
                                   ich habe immer noch diese Brille auf.         gang der Volkskirche in Deutschland im
                                   Ich werde dieses Denken so schwer los!        eigenen Umfeld, oder sie sind schon gar
                                   Aber diese Kirche gibt es nicht mehr und      nicht mehr mit Kirche in Berührung ge-
                                   wird es nicht mehr geben. Ein Mitbruder       kommen. Die Fragen, die sich aus diesem
                                   sprach nun von der Entscheidungskirche.       Wandel ergeben, sind mittlerweile zent-
                                   Da ist was dran. Wir müssen uns von den       rale Fragen der ganzen Kirche, nicht nur
                                   alten Denkmustern verabschieden, und          einiger Leute, die für Berufungen werben
                                   in diese Richtung entwickeln. Das heißt,      sollen – wenn man überhaupt für Beru-
         n

                                   volkskirchliche Strukturen, die es ja noch    fungen werben kann.
November 2014

                                   gibt, nicht mehr zu stärken, und dafür ent-
                                   scheidungskirchliche Strukturen, Haltun-      Die Zeit der Konzepte ist vorbei! Die
                                   gen, Schritte etc. zu fördern. Nun befindet   Menschen, die sich auf Konzepte ein-
                                   sich die Kirche in genau dieser Phase da-     lassen konnten, sind anders gewor-
                                                                                                                              © SJ-Bild/Ender
         n

                                   zwischen. Wenn ein System in die Krise        den sind. Theoretische Konzepte für
Jesuiten

                                   gerät, dann zieht es sich meist auf das Es-   Bestandswahrung in der Volkskirche
                                   tablishment, auf die Funktionäre zurück.      übersehen ohnehin, dass es bei der
       4                           Die Gefahr ist gegeben, dass unsere Kirche    Frage nach dem Glauben auch um das
Jesuit sein heute? Gerade heute!
persönliche Leben geht, um das eigene            „Früher gab es mehr Berufungen“ klagen
Glück, das eigene Heil und die eigene            heute einige. Das stimmt nicht. Berufen
Zufriedenheit – und nicht bloß um das            sind alle, nämlich alle, die das Volk Got-
Überleben von Institutionen. Als „alter“         tes bilden und als dieses Verantwortung
Jugendseelsorger weiß ich, dass es gar           für unsere Kirche übernehmen. Das geht
nicht so einfach ist, junge Menschen zu          nicht ohne Entscheidung. Auch wenn wir
einer Entscheidung über Glaube, Gott             nicht genau wissen, wie die „Entschei-
etc. zu bringen, zumal die Frage, warum          dungskirche“ aussehen wird, ist es heute
ich überhaupt eine Lebensentscheidung            unsere Aufgabe, Menschen mehr denn je
treffen soll, bei vielen noch gar nicht          in ihren Entscheidungen zu unterstützen
vorhanden ist, nach dem Motto: „Es ist           – wenn sie es wollen!
doch gut, so wie es ist.“
                                                 Holger Adler SJ

Josef Maureder SJ im Gespräch mit den Novizen Moritz Kuhlmann, Julien Lambert und Sebastian Maly.   5
Jesuit sein heute? Gerade heute!
Sch wer p unk t

                                   Wege in den Orden –
                                   ein geistlicher Prozess
                                   Bei einigen steht am Anfang die wachsende        Motive, und es gibt noch andere, die den Weg

                                                                                                                                       © fotolia/Müller
                                   Unzufriedenheit über die bürgerliche Satt-       auf den Orden hin prägen.
                                   heit. Sie spüren eine Sehnsucht nach Gemein-
                                   schaft, nach einfachem Leben, nach einer         Hat sich einer auf den Weg gemacht, so sind
                                   Aufgabe, die bleibenden Wert hat. Langsam        Zeiten des Innehaltens hilfreich. Denn unter
                                   öffnet sich der Horizont ihres Denkens.          Druck und Stress werden keine guten Ent-
                                   Geistliches Leben und der Einsatz für andere     scheidungen getroffen. Auch sollen Alterna-
                                   kommen in den Blick. So klopfen sie bei uns      tiven gesehen werden. Geistliche Begleitung
                                   Jesuiten an die Tür.                             und Exerzitien werden den Entscheidungs-
                                   Für andere ist wie bei Ignatius ein „zerschos-   prozess positiv fördern. Im rechten Moment
                                   senes Bein“ Anlass zum Umdenken. Das             ist es nötig, konkret Schritte zu setzen, damit
                                   kann ein Scheitern im Beruf oder in einer Be-    die Kraft fruchtbar wird. Immer wird es als
                                   ziehung sein. Manchmal ist es ein Unfall oder    fruchtlos und frustrierend erlebt, wenn die
                                   eine Erkrankung. Etwas kreuzt den Plan des       Berührung durch Gott beharrlich verdrängt
                                   Lebens. Wege werden versperrt, aber der Weg      wird, jemand um sich und die Entscheidungs-
                                   der Nachfolge Jesu kann sich eröffnen.           frage kreist oder sogar wieder zurücksteigt.
                                   Wieder andere lernen in ihrem Leben Schritt
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   für Schritt Jesus kennen, verstehen und lie-     Wenn junge Männer den Jesuitenorden wäh-
                                   ben. Ihr Glaube vertieft sich, und sie spüren    len, so ist meist Jesus Christus im Zentrum.
                                   den Anruf des Herrn. Nicht selten ist dieser     In seiner Nachfolge wollen sie den Menschen
                                   Weg von starken menschlichen und geist-          helfen, an Leib und Seele. Sehr viele begeistert
                                   lichen Erfahrungen begleitet: in Exerzitien,     die Spiritualität des Ordens, radikales geistli-
                                   in Begegnungen, durch Bücher. Gott ist für       ches Leben mitten in der Welt. Viele sagen,
                                   sie das große liebende und geliebte Du ge-       sie wollen sich in Gemeinschaft für das Gute
                                   worden. Schließlich gibt es Interessenten, die   und die Botschaft Christi einsetzen. Die gute
                                   besonders von der Armut ihrer Nächsten           Ausbildung, die internationale Prägung des
         n

                                   berührt sind. Sie sehen, wie viele Menschen      Ordens, die intellektuelle Note, aber vor allem
November 2014

                                   heute unter die Räuber gefallen sind. Wie der    die Weite im Denken und in den Einsatzfel-
                                   barmherzige Samariter möchten sie nicht am       dern sind für Interessenten weitere Motive,
                                   Notleidenden vorbei gehen. Deshalb wollen        den Weg in unserem Orden zu wagen.
                                   sie prüfen, ob der Weg als Jesuit eine Antwort
         n

                                   sein könnte. Natürlich mischen sich oft diese
Jesuiten

                                                                                    Josef Maureder SJ

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Jesuit sein heute? Gerade heute!
7
Jesuit sein heute? Gerade heute!
Sch wer p unk t

                                   Lebensort Schule

                                                                                                                                    © SJ-Bild/Ender
                                                                                    Stolze: Im Sommer 1993 wurde uns sehr
                                                                                    schnell bewusst, dass nicht nur die Perso-
                                                                                    nen der Patres Köster, Fischer und Mertes
                                                                                    die Schule verlassen hatten, sondern der
                                                                                    Jesuitenorden als Institution. Gerade des-
                                                                                    wegen war und ist es für die Schule von
                                                                                    grundlegendem Wert, dass es gelungen
                                                                                    ist, kontinuierlich bis zum heutigen Tag
                                                                                    im Geistlichen Leiter der KSJ einen Je-
                                                                                    suitenpater, und zwar als Repräsentanten
                                   Björn Mrosko SJ        Friedrich Stolze          seines Ordens, im Hause zu haben. Seit
                                                                                    vielen Jahren sind Sie der erste Jesuit, der
                                                                                    nicht nur Geistlicher Leiter der KSJ ist,
                                   Bis zum Sommer 1993 lag die Leitung der          sondern auch als Lehrer an unserer Schule
                                   Hamburger Sankt-Ansgar-Schule 47 Jah-            wirkt, warum?
                                   re in den Händen des Jesuitenordens. Nach
                                   14-jähriger Tätigkeit als Stellvertretender      Mrosko: Kinder und Jugendliche verbringen
                                   Schulleiter hat Friedrich Stolze zum Schuljahr   einen großen Teil ihrer Zeit im schulischen
                                   2004/2005 das Amt des Schulleiters über-         Kontext. Im Kollegium der Sankt-Ansgar-
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   nommen. Zu Beginn des nächsten Jahres wird       Schule mitzuarbeiten, ist eine gute Gelegen-
                                   er diese Aufgabe abgeben. Ein Gespräch mit       heit für uns Jesuiten, neben der Jugendarbeit
                                   Björn Mrosko SJ, der seit Herbst 2013 als Leh-   und Aufgaben in der Schulseelsorge auch
                                   rer und Geistlicher Leiter der Katholischen      im Unterricht am Lebensort Schule präsent
                                   Studierenden Jugend (KSJ) tätig ist.             zu sein und Schülern dort zu begegnen.
                                                                                    Ein weiterer wichtiger Beweggrund war die
                                   Mrosko: Als der Orden vor 21 Jahren die          persönliche Herausforderung. Als Lehrer
                                   Leitung der Sankt-Ansgar-Schule an das           bin ich Berufsanfänger und stehe vor ganz
                                   Bistum zurückgab, war ich Schüler am Ber-        neuen Herausforderungen – reizvollen, aber
         n

                                   liner Canisius-Kolleg. Ich kann mich gut an      nicht immer ganz einfachen. Das betrifft
November 2014

                                   die Erleichterung darüber erinnern, dass es      Fragen der Methodik, des eigenen Stils, aber
                                   uns nicht getroffen hat. Die neuen Patres        auch der Motivation und der Disziplin im
                                   aus Hamburg haben wir Schüler gespannt           Unterricht. In vielfacher Hinsicht bin ich
                                   erwartet. Wie haben Sie selbst damals den        nun auf den Rat und die Begleitung durch
         n

                                   Rückzug der Jesuiten erlebt und welches          die Kollegen angewiesen. Manchmal frage
Jesuiten

                                   waren später die wichtigsten Bezugspunkte        ich mich, ob es überhaupt etwas spezifisch
                                   zwischen der Schule und dem Orden?               Jesuitisches gibt, das ein Mitbruder in die
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Schülerinnen der KSJ in Sankt Ansgar in Hamburg

Stolze: So sehr sich die Geistlichen Leiter        ten immer weniger werden oder gar nicht
der KSJ seit 1993 in ihrer individuellen           mehr präsent sein können, wenn viele
Ausprägung unterschieden haben, wiesen             Wechsel in den Schulleitungen und den
und weisen sie doch als Repräsentanten             Kollegien stattfinden? Es hängt ja nicht
ihres Ordens etwas gemeinsam Jesuiti-              an Einzelpersonen oder den Jesuiten, son-
sches auf, das ich als Souveränität des je         dern an vielen, die sich diesem Erbe ver-
eigenen Weges in der Bindung an den                bunden fühlen.
Orden kennzeichnen möchte. Damit mei-
ne ich die Dialektik der Ungebundenheit            Stolze: Ich möchte hier zunächst die Be-
eines souveränen Bewusstseins, das letzt-          gegnungen, den Austausch im Netzwerk
lich aus der Bindung des Einzelnen an              der Ignatianischen Schulen nennen. So
die spirituelle Gemeinschaft des Ordens            habe ich die Leitungstreffen immer als

                                                                                                  Jesuit sein heute? Gerade heute!
folgt, ebenso wie diese Spiritualität Kraft,       große Quelle der Kraft und Motivation
Motivation und Zielsetzung der wissen-             erlebt. Eine Ursache hierfür ist sicherlich
schaftlichen Menschenbildung bewirkt.              die Erfahrung, dass für die Jesuitenkolle-
Untrennbar damit verbunden habe ich in             gien natürlich auch gerade das gilt, was
der Konsequenz immer den hohen Grad                ich versucht habe, als spezifisch jesuitisch
an kommunikativer Kompetenz erleben                zu skizzieren: die selbstbewusste Souverä-
dürfen, so dass alle Patres in ihrer jeweils       nität des ignatianisch pädagogischen We-
unterschiedlich geprägten Ausstrahlung             ges, gespeist aus der Quelle der Spirituali-
in der Schule als Jesuiten sehr präsent            tät. Auch die Einrichtung des „Zentrums
                                                                                                           n

waren und sind; sei es bei der Feier der           für Ignatianische Pädagogik“ erachte ich
                                                                                                  November 2014

Hl. Messe, dem liturgischen Lernen, den            als großes Geschenk und erwarte mir
Besinnungstagen, der Schulpastoralkon-             nach ersten Erfahrungen eine deutliche
ferenz oder gar wie Sie seit diesem Schul-         Belebung des Austausches mit und unter
jahr als unterrichtender Lehrer.                   den Schulen und damit verbunden eine
                                                                                                           n

                                                   weitere Belebung der Umsetzung Ignati-
                                                                                                  Jesuiten

Mrosko: Was braucht es aus Ihrer Pers-             anischer Pädagogik im Netzwerk unserer
pektive, um die ignatianische Tradition an         Schulen.
den Schulen zu bewahren, wenn die Jesui-                                                                 9
Sch wer p unk t

                                   Pater Arrupe und Frère Roger
                                   Taizé und die Jesuiten
                                   „Dieser Mann ist unter den Zeugen eines       Diese Begegnung der beiden ist Teil ei-
                                   Frühlings der Kirche“, schrieb Frère Roger    ner ganzen Reihe von freundschaftlichen
                                   1972 nach einem Besuch von
                                   Pater Arrupe in Taizé. Sie hatten
                                   sich vier Jahre zuvor auf einem               Pater Arrupe: Zeuge eines
                                   Flug nach Bogota kennenge-
                                   lernt. Papst Paul VI. lud damals
                                                                                      Frühlings der Kirche
                                   beide ein, ihn zu begleiten. Die
                                   tiefe Freundschaft, die sich da-
                                   raus entwickelte, hat die Verbundenheit       Begegnungen zwischen unseren Gemein-
                                   unserer Communauté mit der Gesellschaft       schaften. Dazu gehören Henri de Lubac,
                                   Jesu auf besondere Weise geprägt.             Joseph Gelineau, der viele Gesänge für uns

                                                                                                                              © SJ-Bild
                                   Frère Roger sprach gerne von Pater Arru-
                                   pe als einem heiligen Zeugen in unserer
                                   Zeit. Sein Unterscheidungsvermögen und
                                   sein ihm eigener Mut beeindruckten ihn
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   tief. Auch in den Jahren, als Pater Arru-
                                   pe schon sehr krank war, besuchte Frère
                                   Roger ihn regelmäßig. Das Vertrauen zu
                                   ihm war so groß, dass er sich zu einer ein-
                                   maligen Geste veranlasst sah: „Kommen
                                   Sie nach Taizé! Seien Sie Leiter unserer
                                   kleinen Communauté, dafür reichen Ihre
                                   Kräfte. Kommen Sie, uns das Wesentliche
                                   zu zeigen.“ Pater Arrupe hörte diese Wor-
         n

                                   te und lächelte. Er blieb in Rom.
November 2014
Jesuiten n

10                                                                               Pedro Arrupe SJ (1907-1991)
komponierte, Stanislas Lyon-
             net, der öfter nach Taizé kam                     Frère Roger: Pilgerweg
             um die Brüder zu unterrichten,
             Kardinal Martini, Pater Nicolás              des Vertrauens auf der Erde
             und Papst Franziskus, der Frère
             Alois sehr herzlich empfangen
             hat. Ignatianischer Geist prägt
             die Jugendtreffen in Taizé schon seit bald     bindet: Pilgernd unterwegs zu sein; nicht
             50 Jahren durch Schwestern der Ordensge-       stehenzubleiben, sondern mutig in der
             meinschaft von St. André.                      Welt von heute vorwärts zu gehen mit den
             In den 1970er Jahren initiierte Frère Ro-      Menschen unserer Zeit. In der Kontemp-
             ger den „Pilgerweg des Vertrauens auf          lation wollen wir Christus begegnen, der
             der Erde“, den unsere Communauté mit           uns immer neu dazu aufruft, unsere Au-
             Jugendlichen aller Erdteile Jahr für Jahr      gen für SEINE liebende und barmherzige
             weitergeht. Als Pilger sah sich auch der       Gegenwart zu öffnen.
             Hl. Ignatius. Vielleicht ist es das, was
             unsere Gemeinschaften in der Tiefe ver-        Der Pilger Ignatius hat uns einen Weg er-
                                                            öffnet, das Evangelium der Welt von heute
© KNA-Bild

                                                            zu verkündigen. Gemeinsam mit den Je-
                                                            suiten stehen wir Brüder vor der Heraus-
                                                            forderung, die frohe Botschaft Christi den
                                                            Frauen und Männern unserer Zeit nahe

                                                                                                         Jesuit sein heute? Gerade heute!
                                                            zu bringen, besonders der jungen Genera-
                                                            tion, so dass sie mutig aus der Beziehung
                                                            zu Gott leben und mit den Gaben, die
                                                            Gott ihnen geschenkt hat, die Welt und
                                                            Kirche von heute mitgestalten.

                                                            Pater Arrupe und viele andere, die dem
                                                            Weg des Hl. Ignatius folgen, sind uns dar-
                                                            in Ansporn als Zeugen der Hoffnung und
                                                                                                                  n

                                                            der Freude des Evangeliums, als Zeugen
                                                                                                         November 2014

                                                            eines Frühlings der Kirche.

                                                            Frère Andreas (Taizé)
                                                                                                         Jesuiten n

         Roger Schütz (1915-2005)                                                                         11
Sch wer p unk t

                                   Aus Momenten des Scheiterns lernen
                                   Am Anfang seiner Bekehrung schien für           bens versetzen seiner Dickköpfigkeit und
                                   Íñigo, der sich später Ignatius nannte, alles   seinem überzogenen Vertrauen auf die ei-
                                   klar zu sein. Beim Gedanken, nach Jeru-         genen Kräfte schwere Schläge. Falsche Ge-
                                   salem zu pilgern und fortan ein strenges        wissheiten zerbrechen. Der Stolz des jun-
                                   Büßerleben zu führen, hatte er nachhalti-       gen Basken erleidet tiefe Wunden. Aber
                                   ge Zufriedenheit und Freude empfunden.          gerade diese Krisensituationen erweisen
                                   Daraus meinte der Adlige von Loyola ei-         sich als Zeiten, in denen der himmlische
                                   nen doppelten Schluss ziehen zu können:         Lehrmeister dem irdischen Schüler zu ei-
                                   zum einen, dass Gott ihn in seinen Dienst       nem besseren Verständnis des göttlichen
                                   gerufen habe, und zum andern, dass Got-         Willens verhilft.
                                   tes Wille genau in dem bestehe, was ihm,
                                   Íñigo, durch den Kopf gegan-
                                   gen war, nämlich als Aszet im
                                   Heiligen Land zu leben. Nach-           Skrupel sind nicht die Stimme
                                   dem er somit zu wissen glaub-                  eines gnädigen Gottes.
                                   te, was er im Dienst Gottes zu
                                   tun hatte, wollte der Frischbe-
                                   kehrte sich durch nichts mehr
                                   davon abbringen lassen, seinen Plan, ins        Als Íñigo zum Beispiel auf seinem Pilger-
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   Heilige Land zu ziehen, in die Tat umzu-        weg in Manresa Halt macht, hat er eine
                                   setzen. Doch es sollte anders kommen, als       sehr konkrete Vorstellung davon, wie das
                                   ursprünglich vorgestellt.                       Leben eines Aszeten auszusehen hat. Dazu
                                                                                   gehört für ihn unter anderem das penible
                                   Nicht dass Íñigo völlig falsch gelegen hätte.   Beichten aller begangenen Sünden. Aber
                                   Im Rückblick sieht er sich darin bestätigt,     anstatt im Sakrament inneren Frieden zu
                                   dass Gott ihn in seinen Dienst gerufen hat.     finden, wachsen in ihm Skrupel an der
                                   Aber um zu begreifen, worin dieser Dienst       Vollständigkeit seiner Beichte, und diese
                                   besteht, muss der spätere Ordensgründer         Skrupel lassen ihn immer mehr verzwei-
         n

                                   noch unterscheiden lernen zwischen dem          feln. Sie treiben ihn bis an den Rand eines
November 2014

                                   echten Willen Gottes und einem mit reli-        Suizids. Íñigo fühlt sich versucht, seine
                                   giösen Idealen ummäntelten Eigenwillen –        neue Lebensform aufzugeben. In diesem
                                   und angesichts seiner Sturheit muss er dies     Moment „erwacht“ der junge Baske: Die
                                   „auf die harte Tour“ lernen.                    schlimmen Folgen seiner Skrupel lassen
         n

                                                                                   ihn erkennen, dass diese nicht die Stimme
Jesuiten

                                   Auf seinem Weg gerät der Pilger immer           eines gnädigen Gottes sein können. Diese
                                   wieder in Situationen, in denen seine Plä-      Einsicht lehrt Íñigo, seinen Skrupeln kein
12                                 ne scheitern. Diese Momente seines Le-          Gehör mehr zu schenken, und gerade so
wird er offen für eine neue Begegnung mit          die dortigen religiösen Autoritäten seine
        dem barmherzigen Gott. Seine ursprüng-             Rückkehr. Aber entsprach es denn nicht
        liche Idee eines Lebens als Aszet erweist          dem Willen Gottes, dass er im Heiligen
        sich als undurchführbar. Diese Idee aufge-         Land leben soll? Immer mehr geht Íñigo
        ben zu müssen, wird zu einem wichtigen             auf, dass die Nachfolge Christi nicht darin
        Lernschritt im geistlichen Leben.                  besteht, sich an den Orten aufzuhalten, an
                                                           denen der Herr einst gelebt hat, sondern
        Als der Pilger in Jerusalem angekommen             das zu tun, was dieser getan hat, nämlich
        ist und dort bleiben will, gebieten ihm            „den Seelen zu helfen“. Dafür bedarf es
                                                                         theologischer Bildung; und so
                                                                         beginnt sich ein religiöser Va-
© SJ-Bild

                                                                         gabund in einen zielstrebigen
                                                                         Studenten zu verwandeln.

                                                                        Es folgen weitere Augenblicke
                                                                        des Scheiterns, in denen Íñi-
                                                                        go umdenken muss. Durch
                                                                        diese Momente lernt er, mit
                                                                        innerer Offenheit immer neu
                                                                        nach dem Willen Gottes zu
                                                                        fragen, anstatt diesen Willen
                                                                        mit eigenen Wünschen und

                                                                                                           Jesuit sein heute? Gerade heute!
                                                                        Ideen zu identifizieren. Er
                                                                        kreist nicht länger um sich
                                                                        selbst und sein fixes Idealbild
                                                                        eines Heiligen, sondern öff-
                                                                        net sich für die echten Nöte
                                                                        seiner Mitmenschen und da-
                                                                        mit auch für den Heilswillen
                                                                        Gottes. In dem Maße, wie für
                                                                        ihn nicht mehr von vornher-
                                                                                                                    n

                                                                        ein „alles klar“ ist, wächst in
                                                                                                           November 2014

                                                                        ihm die Klarheit echter Got-
                                                                        teserkenntnis.

                                                                        Jan Korditschke SJ
                                                                                                           Jesuiten n

            Die Versuchung des Ignatius, Gemälde von S. Conca,
            um 1750, Päpstliche Universität Salamanca                                                      13
Sch wer p unk t

                                   Ora et labora – pray and workaholic
                                   Verwaiste Gebetsecke – in der Begegnung dem
                                   Willen Gottes auf der Spur
                                   Ich gebe zu, dass die Gebetsecke in der        schaffe, sitze ich, das Jesus-Gebet betend,
                                   Zimmernische, in der auch mein Bett            ein paar Minuten auf dem Schemel. Dabei
                                   steht, Gefahr läuft zu verwaisen. Schön        kommen mir regelmäßig die Gedanken
                                   hergerichtet mit Teppich, einem Schemel        in den Kopf, was der Tag für mich bereit-
                                   zum darauf Sitzen,
                                   eine Bibel, eine klei-
                                   ne Kerze und das                          Ich schaue alles nochmals an
                                   Noviziatskreuz, wel-
                                   ches ich bei meinem                               und Gott schaut mit.
                                   Eintritt in den Orden
                                   vom Novizenmeis-
                                   ter überreicht bekam
                                   und das mich seit 13 Jahren begleitet. Ein     halten wird, welche Züge er nehmen wird
                                   heiliger, ruhiger Ort, der stets darauf war-   und was zu erledigen ist. Diese Zerstreu-
                                   tet, von mir besucht zu werden. Aber mei-      ungen nehme ich mit ins Gebet und bitte
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   ne Sendung, die ich vor zwei Jahren von        Gott, mir die Kraft zu geben, den Tag in
                                   Pater Provinzial erhalten habe, als Jesuit     seinem Sinne zu gestalten.
                                   am Canisius-Kolleg die außerschulische,
                                   verbandliche Jugendarbeit zu leiten, ist       Den Tag über bin ich in Kontakt mit Ju-
                                   zeitintensiv, und der Tag könnte oftmals       gendlichen. Sie kommen mit den unter-
                                   30 und nicht nur 24 Stunden haben. Die         schiedlichsten Anliegen zu mir, die ich
                                   Muße, mich ins Gebet zu vertiefen und so       ernst nehmen und zu meinen eigenen
                                   Ruhe und Kraft zu finden, habe ich dabei       machen muss. Wie etwa jugendliche Lei-
                                   nicht immer.                                   ter, die mir Probleme mit ihren Gruppen-
         n

                                                                                  kindern schildern und von ihrem Geist-
November 2014

                                   Mein Gebetsleben muss sich meinem un-          lichen Leiter Hilfe erwarten. Auch ganz
                                   steten Tagesablauf, seinen Sprüngen und        persönliche Dinge werden mir anvertraut:
                                   Abwechslungen anpassen. Teils beginnt          weshalb einer gerade mit sich hadert und
                                   er schon morgens um 7 Uhr, teils endet         in seinem Selbstwertgefühl aufgebaut
         n

                                   er nach Mitternacht. Meine Sendung er-         werden muss. Da bleibt nicht viel Zeit für
Jesuiten

                                   fordert ein hohes Maß an Einsatzbereit-        das stille Gebet. Ich möchte funktionie-
                                   schaft, das Gebetsleben ist nicht weniger      ren und für alle und alles ein offenes Ohr
14                                 anspruchsvoll. Morgens, wenn ich es            und verfügbare Hände haben. Erst am
Ende des Arbeitstages schaffe ich es dann,    fügbarkeit für sie und mein Handeln mit
            langsam abzuschalten. Ich gehe für eine       ihnen und für sie ist mein Gebet, mein
            halbe Stunde schnellen Schrittes durch        Gottesdienst. Auch die Herausforderun-
            den Tiergarten oder um den Block des          gen, denen ich die Stirn bieten musste.
            Diplomatenviertels. Dabei gehen mir Be-       Das zu wissen hilft mir, meine Schwächen
            gegnungen und Gespräche, Erfreuliches         des Tages ehrlich anzunehmen.
            und Unerledigtes, all die Dinge des Tages
            nochmals durch den Kopf. Ich schaue al-       Nicht selten komme ich erst spät abends
            les nochmals an und Gott schaut mit. Ich      ins Zimmer, falle alsbald ins Bett, und
            rede mit ihm über Probleme wie mit ei-        das abendliche Examen reduziert sich zu
            nem besten Freund und frage ihn nach          einem bewusst ausgesprochenen „Danke
            Rat und Lösungen. Ich frage ihn, was er,      und Entschuldigung“ stellvertretend ad-
            Jesus, an meiner Stelle getan oder gesagt     ressiert an zwei Postkarten an der Wand

                                                                                                        Jesuit sein heute? Gerade heute!
            hätte: Wie hätte er sich verhalten? Das ist   über meinem Nachttisch: Albrecht Dürers
            mein intimstes Gebet des Tages. Dabei         „Betende Hände“ mit dem Spruch „Gott
            bete ich auch für die Menschen, denen ich     sei Dank“ und einem Bildnis des Hl. Igna-
            den Tag über begegnet bin.                    tius v. Loyola. Dazu streife ich mit meiner
                                                          rechten Hand über beide Karten. Da spü-
            Wenn viel zu tun ist, wenn man ständig        re ich in mir eine tiefe Zufriedenheit und
            unterwegs ist, dann ist es besonders erfor-   Dankbarkeit für den Dienst an den ande-
            derlich, bewusste Auszeiten zu nehmen,        ren, den mir Anvertrauten, und für Gottes
            auch wenn es nur wenige Minuten sind.         Präsenz, die mich den Tag über getragen

                                                                                                                 n
            Jesus zu fragen, was er an meiner Stelle      hat. Dann fallen meine Unzulänglichkei-

                                                                                                        November 2014
            tun würde, und dann weitergehen. Das ist      ten und Schwächen nicht ins Gewicht, da
            oft schon Gebet genug und bringt mir Zu-      ich mich geliebt und getragen weiß, auch
            versicht und Gelassenheit. So bin ich und     wenn mein Gebetsleben unvollkommen
            ist man auf dem besten Wege, dem Willen       ist und immer sein wird.
                                                                                                                 n

            Gottes betend auf die Spur zu kommen.
                                                                                                        Jesuiten

            Mein Dienst an den Anderen, meine Ver-        Felix Schaich SJ
© SJ-Bild

                                                                                                        15
Sch wer p unk t

                                   Aldrig i livet! (Nie im Leben!)
                                   Warum Jesuit sein heute?
                                   Beim Firmunterricht erzähle ich jedes Jahr     Gemeinschaftsleben ist ein anderer wich-
                                   von meinem Jesuit sein. Dann stelle ich        tiger Faktor. Man will Jesus Christus nach-
                                   üblicherweise die etwas herausfordern-         folgen, aber nicht alleine. Man will seinen
                                   de Frage: Wer könnte sich jetzt vorstel-       Glauben vertiefen, aber man braucht die
                                   len, Jesuit zu werden? Meistens herrscht       Unterstützung einer Gemeinschaft. In ei-
                                   vollständige Stille im Raum. Manchmal          ner immer mehr individualistischen Ge-
                                   brechen ein paar Jungen in Lachen aus.         sellschaft ist das Gemeinschaftsleben für
                                   „Aldrig i livet!“, habe ich auch schon als     viele sowohl ein Antrieb als auch eine He-
                                   Antwort bekommen!                              rausforderung.
                                   Man könnte vermuten, dass der größte           Der Dienst an anderen ist auch eine starke
                                   Widerstand von den Gelübden ausge-             Motivation. Von Anfang an hat Ignatius
                                   löst wird. Gehorsam, Armut und ehe-            den Ruf gespürt, „den Seelen zu helfen“.
                                   lose Keuschheit stehen einfach im Wi-          Bei den ersten Jesuiten ging es um Aus-
                                   derspruch zu den Werten der modernen           bildung, geistliche Begleitung und Werke
                                   Gesellschaft. Allerdings scheint mir das       der Barmherzigkeit – alle Wirksamkeits-
                                   eigentliche Hindernis das Entscheiden          felder, die heute weitergeführt werden.
                                   selbst zu sein. Man muss eine bewuss-          Ein Leben wird erst wirklich erfüllt, wenn
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   te Wahl treffen, sich an einen konkreten       man es für andere einsetzen kann.
                                   Lebensweg binden und alle anderen Mög-
                                   lichkeiten loslassen. Es ist ein Risiko, das   Ähnlich wie bei anderen Lebenswegen ist
                                   die meisten anscheinend nicht eingehen         es nicht so einfach, der Frage „Warum Je-
                                   möchten, eine zur modernen Praxis völlig       suit sein heute?“ eine definitive Antwort
                                   gegensätzliche Vorgehensweise.                 zu geben. Warum habe ich gerade diese
                                                                                  Frau oder diesen Mann geheiratet? Die
                                   Insofern stellt sich die Frage nach der        Erfahrungen, die uns dazu geführt haben,
                                   Motivation junger Ordensleute. Warum           sind nicht einfach zu beschreiben, und
         n

                                   wird man heute Jesuit? In einer schnellen,     das viele Analysieren führt leicht zu einer
November 2014

                                   modernen und virtuellen Welt? Spirituelle      Banalisierung der Liebe. Die Berufung
                                   Vertiefung ist sicherlich ein wichtiger Be-    zum Ordensleben, Priestersein, Familie
                                   weggrund. Die geistlichen Übungen des          oder auch die Entscheidung, den eigenen
                                   heiligen Ignatius von Loyola sind ein Weg,     Glauben durch die Firmung zu bestätigen,
         n

                                   Gott und sich selbst durch Meditation in       bleiben in diesem Sinn ein Geheimnis.
Jesuiten

                                   der Stille besser kennenzulernen.
                                                                                  Mikael Schink SJ
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Geistlich – Praktisch – Gut
Die Jesuiten: Ein Klerikerorden und ein Brüderorden
Mit dem etwas abgewandelten Werbeslo-         nem protestantischen Hintergrund, sicher
gan eines Süßwarenkonzerns ließe sich –       auch an dem gewaltigen Berg von Theorie,
augenzwinkernd – die Voraussetzung für        der bei einem Philosophie- und Theolo-
eine Berufung zum Jesuitenbruder recht        giestudium zu bewältigen ist: eine Pries-
passend umschreiben: ein gewisses geist-      terberufung spürte ich jedenfalls nicht.
liches Interesse sollte vorhanden sein, vor   Nach dem Noviziat fing ich gleich beim
allem aber praktische Fähigkeiten, und        Jesuiten-Flüchtlingsdienst an zu arbeiten,
damit ist’s gut.                              wo ich auch heute noch tätig bin.

Freilich galten diese Voraussetzungen         Was bedeutet es nun, Jesuitenbruder zu
eher in früherer Zeit. Brüder traten ent-     sein? Kurz gesagt: es ist eine echte Beru-
weder mit einem erlernten Beruf – oft ein     fung, nicht etwa eine Notlösung für dieje-
Handwerk – ein, oder sie absolvierten im      nigen, die das Priestertum nicht anstreben
Orden eine entsprechende Ausbildung.          können oder wollen. Die Tatsache, dass
Seit den 1960er Jahren hat sich das ge-       Brüder kein kirchliches Amt innehaben,
ändert. Brüder übernehmen mittlerweile        macht sie frei, sich ganz den an sie ge-
alle Arbeiten innerhalb des Ordens, von       stellten Ordensaufgaben zu widmen. Die

                                                                                            Jesuit sein heute? Gerade heute!
der akademischen Lehre über Verwal-           34. Generalkongregation (1995) hat das
tungs- und Managementaufgaben bis hin         so formuliert: „In gewisser Weise verkör-
zur pastoralen oder sozialen Arbeit. Ent-     pert der Ordensbruder das Ordensleben
sprechend studieren sie und bilden sich       in seinem Wesen und kann deshalb die-
weiter, ebenso wie Priester.                  ses Leben in besonderer Klarheit deutlich
                                              machen.“
Ein wenig von der früheren Zeit reicht je-    Bruder zu sein ist eine immerwährende
doch noch in die heutige hinein. Zumin-       geistliche Aufgabe. Sowie jeder Christ
dest in meinem Fall. Beim Eintritt in die     entsprechend der ihm oder ihr eigenen
                                                                                                     n

Gesellschaft Jesu war ich fast 40 Jahre alt   Lebenssituation Zeugnis geben soll von
                                                                                            November 2014

und brachte zwei Berufe mit: Betriebs-        dem Gott, der die Liebe ist, so sollen Or-
wirt und Krankenpfleger. Nach längerer        densbrüder (wie auch Ordensschwestern)
Sinnsuche und Neuorientierung hatte ich       zeichenhaft das geschwisterliche Mitein-
mich entschlossen, um Aufnahme in den         ander unter den Menschen sichtbar ma-
                                                                                                     n

Orden zu bitten. Ich wollte aber keines-      chen. „Denn nur einer ist euer Meister, ihr
                                                                                            Jesuiten

wegs Priester werden, sondern „einfach        alle aber seid Brüder.“ (Mt. 23,8)
nur“ Jesuit. Möglicherweise lag es an mei-
                                              Dieter Müller SJ                              17
Sch wer p unk t

                                   Als Sünder berufen
                                   „Was heißt Jesuit sein?
                                   … erfahren, dass man als Sünder trotzdem
                                   zum Gefährten Jesu berufen ist.“

                                   Auf einem Workshop der Berufungspas-            Kinder und Jugendliche auch in unseren
                                   toral der Jesuiten habe ich mich als Inte-      Einrichtungen – ja sogar durch Mitbrüder
                                   ressent einst mit dieser Aussage aus dem        selbst – unfassbares Leid erfahren haben.
                                   2. Dekret der 32. Generalkongregation
                                   (1975) beschäftigt. Die Frage ist ja eine       Am Aloisiuskolleg wurde ich unmittelbar
                                   zentrale – gerade, wenn man in diesen Or-       mit dieser Tatsache konfrontiert. Kann
                                   den eintreten will! Die schon gesetzte Ant-     man dort noch einfach so arbeiten, wo
                                   wort überraschte mich zunächst, und dann        das geschehen ist, worüber Zeitungen und
                                   kamen Gedanken, dass wir ja alle Sünder         aufklärende Berichte geschrieben haben?
                                   sind, Fehler machen, uns Heilung erbitten       Nein, einfach so kann man das nicht. Es
                                   dürfen, und sie uns von Gott geschenkt          verändert einen selbst, im Umgang mit den
                                   wird – durch die Begegnung mit Jesus, al-       Menschen und mit Gott, im Reden und im
                                   lein aus seiner Liebe heraus. Dieses Grund-     Beten. Und doch kann man dort arbeiten,
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   axiom unseres Glaubens stelle ich nicht in      in einem engagierten Team motivierter
                                   Frage. Es ist Hoffnung für mich, und doch       Mitarbeiter, die nicht einfach so weiter-
                                   inzwischen auch eine Herausforderung.           machen wollen – aber dennoch weiterma-
                                                                                   chen, vorankommen wollen. Menschen,
                                   Die Jesuiten schreiben, dass Berufung und       die nicht erneut die Augen und Ohren ver-
                                   Sünde irgendwie zusammen hängen: eine           schließen.
                                   Sünde, die am Ende konkret und strukturell      Heute bin ich dankbar dafür, dass es im
                                   vorhanden ist. Sichtbar, schmerzhaft und mit    Orden Mitbrüder gibt, die Opfern Glau-
                                   Tränen behaftet. Nicht nur für uns, sondern     ben schenken. Endlich duften Opfer reden,
         n

                                   auch für unsere Mitmenschen; jene, für die      sie wurden gehört und das unerträgliche
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                                   wir da sein wollen und durch die wir Gott lo-   Schweigen ist gebrochen.
                                   ben, wenn wir ihren Seelen helfen.
                                                                                   Mich trägt tatsächlich die Hoffnung, dass
                                   In den vergangenen Jahren spürte ich über-      wir als Sünder trotzdem zu Gefährten Jesu
         n

                                   deutlich, was es heißt, dass wir als Orden      berufen sind; aber auch unsere gemeinsame
Jesuiten

                                   von einer tatsächlichen Sünde sprechen          Anstrengung und Mühe, die es kostet, dass
                                   müssen. Weniger aus Angst, weil unser           wir als Orden mit dieser Sünde leben und so
18                                 Heil in Gefahr sei. Nein, sondern weil es       vielleicht ein Stück weit ehrlicher sind.
                                   anderen womöglich schwer fällt, an Gottes
                                   oder der Menschen Liebe zu glauben, weil        Marco Hubrig SJ
Etappen auf unserem Weg
                  Noviziat                                       Magisterium (Praktikum)
                  Als Novize prüfe ich meine Berufung. Da-       Bis Juli 2014 habe ich im Internat des
                  für sollte ich sie eigentlich schon kennen.    Aloisiuskollegs gearbeitet; zusammen mit
                  Aber sie zeigt sich mir erst langsam: Zu An-   einigen Kollegen war ich Pädagoge in der
                  fang meines Noviziatsprozesses erschrak        Sekundarstufe I. Kein einfacher Ort. Hier
                  ich, wie sehr es doch ursprünglich meine       am Ako sah ich auch die Abgründe des-
                  Wunden und Ängste waren, die mich ver-         sen, wozu Menschen fähig sind. Hier, wo
                  steckt auf diesen Weg geführt hatten – und     junge Menschen zutiefst verletzt wurden
                  somit nicht Gott?! Für Gott ist das wohl       – hier sollte ich arbeiten. Und ich woll-
                  eine falsche Alternative. Ich glaube, er hat   te es auch! Ein Exot – als einziger Jesuit
                  mich nicht trotz, sondern durch, ja wegen      im Internat. Konkrete Berufungsfragen
                  meiner Schwächen hierher gerufen. Mei-         stellen sich Jugendliche in diesem Alter
                  ne Schwachheit ist ihm doch am Liebsten.       nicht. Aber deswegen war ich auch nicht
                  Gottes Sohn selbst ist schließlich auch am     dort – nicht um Jugendliche zum Or-
                  Kreuz gestorben. Jetzt, nach einem Jahr,       densleben zu bewegen, wohl aber zum
                  staune ich dankbar, dass nicht nur er sich     Leben! Präsent sein, da sein; zuhören und
                  mir, sondern mehr und mehr auch ich            die Jugendlichen wachsen lassen. Ich war
                  mich ihm schenken darf und möchte: in          leidenschaftlich gern dort. Inzwischen
                  der Nachahmung Jesu. Ihm, das heißt            bin ich in Rom, studiere Psychologie und

                                                                                                              Jesuit sein heute? Gerade heute!
                  auch: Ihm in Anderen. Welch Geschenk,          mache eine Ausbildung zum Therapeuten.
                  dass ich mich ihm schenken kann! Ganz-         Mich trägt die Beziehung zu Jesus – und
                  selbstschenkung von beiden Seiten – das ist    der Orden, in dem wir alle Freunde im
                  es, was wir Liebe nennen, oder?                Herrn sind.

                  Moritz Kuhlmann SJ                             Marco Hubrig SJ
© SJ-Bild/Ender

                                                                                                              Jesuiten n
                                                                                                              November 2014
                                                                                                                       n

                                                                                                              19
Sch wer p unk t
heute!

                                                                                                                       © SJ-Bild/Bostelmann
                            Theologiestudenten bei einer Vorlesung
Jesuit sein heute? Gerade

                            Aufbaustudium                                 eher zum „Dozieren“. In dieser Spannung
                            Getting real. Was mich zurzeit als Jesuit     erlebe ich jedoch, was es bedeutet, an ei-
                            am meisten antreibt, ist die Frage danach,    nen lebendigen Gott zu glauben. Denn
                            wie mein Glaube konkret wird. Geistlich       „der Glaube kommt vom Hören“.
                            gesehen geht es um den Begriff der Inkar-     Ich bin so alt, wie Jesus es war, als er
                            nation – der „Fleischwerdung Gottes“. Ich     Jünger um sich scharte und Tausenden
       n

                            bin 31 und studiere seit einem Jahr „Pasto-   von Menschen predigte. Und ich bin so
November 2014

                            ral Counseling“ in Chicago. Zwei weitere      alt wie wohl einige seiner besten Freun-
                            stehen noch aus. Das waren genau die Le-      de in jenen Tagen. Aus diesem Bewusst-
                            bensjahre Jesu, die uns in den Evangelien     sein heraus versuche ich jeden Tag neu,
                            überliefert werden. Und ich studiere. Mit     mit meinem Leben hörend eine Antwort
       n

                            Leidenschaft. In meinem Studium lerne         zu geben.
Jesuiten

                            ich, wie heilsam es ist, achtsam zuzuhö-
                            ren. Dabei neige ich von meinem Naturell      Simon Lochbrunner SJ
20
Tertiat                                       Unruhestand
Das Tertiat – Schule des Herzens oder         Was mich heute bewegt!
Dritte Prüfungszeit – ist eine Zeit, in der   In der Karl-Rahner-Akademie hatte ich
sich ein Jesuit am Ende seiner Ausbildung     das große Glück, mit Referenten unter-
einige Monate lang unter speziellen Be-       schiedlichster Weltanschauungen zu ar-
dingungen erneut die Frage stellt, ob es      beiten. Das Konzil hatte uns die Möglich-
eine gute Wahl war, Jesuit geworden zu        keit zum Dialog innerhalb und außerhalb
sein. Zusammen mit elf lateinamerika-         der Kirche geöffnet. Ich wurde gezwun-
nischen „Tertiariern“ durchlebte ich auf      gen, weit über den Horizont dessen zu
Kuba eine Herzensschule der besonderen        denken, was wir in unseren Studien ge-
Art. Die Wärme und Gastfreundschaft,          lernt hatten.
mit der mir viele Ku-
baner begegneten,
bildeten eine tief-
greifende Erfahrung.
                                                 War es eine gute Wahl,
Weit tiefer ging aber                          Jesuit geworden zu sein?
die Begegnung mit
dem Glauben vieler
Menschen, der die
fast vierzigjährige systematische Unter-      Was mich in diesen Jahren geprägt hat, das
drückung christlichen Lebens in dieser        lebe ich noch heute. Immer wieder wer-
kommunistischen Diktatur wie durch ein        de ich zu Vorträgen über Theologie und
Wunder überstanden hat und sich gerade        Philosophie eingeladen. Die zeitweilige
bei den Ärmsten in all seiner schöpferi-      Resignation aufgrund restaurativer Kräf-
schen Kraft behauptet: das Gesicht des        te in der Kirche scheint mir durch Papst
Menschen, der alles von Gott erhofft und      Franziskus wieder einer neuen Hoffnung
alles von Gott erhält. Da Jesuit sein auch    zu weichen. Aufgrund des Vertrauens, das
eine Einübung in diese Haltung ist, haben     mir von vielen Menschen geschenkt wur-
gerade meine Erfahrungen auf Kuba diese       de und wird, werde ich immer wieder ge-
Wahl bestätigt.                               fragt, wie man heute noch glauben kann.
                                              Wege einer Antwort sind mir die Ignati-
Jan Roser SJ                                  anischen Exerzitien. Gerne bin ich bereit
                                              zu geistlicher Begleitung. Nicht zuletzt
                                              nutze ich die Möglichkeiten zur Glau-
                                              bensverkündigung in den Gemeinden.

                                              Alfons Höfer SJ

                                                                                           21
Ge i s tli ch er Imp u l s

                                   Von den Prioritäten
                                   Jeder Mensch hat täglich mit den Priori-        Hans Magnus Enzensberger hat die Situ-
                                   täten zu kämpfen, so ist mein Eindruck.         ation vieler Menschen sehr deutlich in
                                   Ständig drängt sich etwas in den Vorder-        seinem Gedicht „First Things First“ zur
                                   grund, nimmt Zeit und Raum ein, so dass         Sprache gebracht:
                                   es dann Mühe macht, die Dinge zu ord-
                                   nen und nicht die Übersicht zu verlieren.       „Grundsätzlich haben wir nicht
                                   Seit Jahren hilft mir da eine Stille Zeit am    viel einzuwenden
                                   Morgen, vor Beginn der Arbeit. Ich neh-         gegen Fegefeuer, Reinkarnation, Paradies.
                                   me dazu das Evangelium des Tages und            Wenn es sein muss, bitte!
                                   oft meinen Terminkalender. Der Blick in         Vorläufig allerdings
                                   den Kalender löst dann nicht unbedingt          haben wir andere Prioritäten.
                                   Ruhe aus, im Gegenteil, es kommt eher
                                   ein Gefühl der Ratlosigkeit, wie man das        Um das Katzenklo, den Kontostand
                                   dann alles schaffen soll und wann noch et-      und die unhaltbaren Zustände auf der Welt
                                   was vorbereitet werden kann. Das stimmt.        müssen wir uns unbedingt kümmern,
                                   Aber dann bringe ich das alles – das drän-      ganz abgesehen vom Internet
                                   gende Chaos, die Unübersichtlichkeit und        und von den Wasserstandsmeldungen.
                                   die eigene Mühe vor Gott und bitte um
                                   Hilfe. Und am Ende der Stillen Zeit habe        Manchmal wissen wir nicht mehr,
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   ich oft erlebt, dass sich die Dinge geordnet    wo uns der Kopf steht
                                   haben. Ich weiß dann auch, womit ich an-        vor lauter Problemen.
                                   fangen muss.                                    Immerzu stirbt jemand,
                                                                                   dauernd wird jemand geboren.
                                   Das klingt vielleicht etwas simpel und
                                   naiv, vielleicht auch fromm. Wer es aber        Da kommt man gar nicht richtig dazu,
                                   einmal versucht, wird feststellen, wie          sich Gedanken zu machen
                                   schwierig es ist, wie viel es an innerer Dis-   über die eigene Unsterblichkeit.
                                   ziplin verlangt und auch, was es an Kraft       Erst einmal ein rascher Blick
         n

                                   kostet.                                         in den Terminkalender,
November 2014

                                                                                   dann sehen wir weiter.“

                                                                                   (Aus: Leichter als Luft.
         n

                                                                                    Moralische Gedichte. Frankfurt, 1999)
Jesuiten

22
Weil die letzten Fragen über Geburt und

                                               © Stefan Weigand
Tod weit nach hinten verschoben werden
oder einfach hinten herunterfallen, sind
die Prioritäten durcheinander geraten.
Banales, Alltägliches hat die vorderen
Plätze belegt. Wirklich wichtig aber ist die
Frage: Wofür will ich leben und arbeiten
und meine Energie einsetzen? Die Ant-
wort von Ignatius von Loyola lautet: „Der
Mensch ist geschaffen, um Gott zu loben
und zu ehren.“ Er setzt also Gott an die
erste Stelle seines Lebens und dadurch hat
er eine Ordnung gefunden. Alles andere
kommt dann von selbst an seinen Platz.
Und er fährt fort: „Die übrigen Dinge
auf dem Angesicht der Erde sind für den
Men­schen geschaffen und damit sie ihm
bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu
dem er geschaffen ist.“

Konkrete Anregungen:
• Sie können Gott um seine Hilfe in der
   täglichen Ordnung bitten und um die
   Unterscheidung vom Wichtigen und
   Unwichtigen. Sie werden Hilfe bekom-
   men.
• Womit fangen Sie den Tag an? Ent-
   spricht dieser Anfang dem, was Ihnen
   das Wichtigste ist?
• Ein Blick in einige biblische Texte kann
   weiterhelfen: Psalm 127; Buch der Sprü-
   che 10,22; Jesus Sirach 11,11. Evangeli-
   en: Mt 6,25-34; Lk 12,13-21.

Christoph Kentrup SJ

                                                                  23
2 0 0 Jah r e W i ed ererr i c htu n g d es Jesu i t en o rd en s (1814-2014)

                                   Vom Sie zum Du
                                   Der Wandel des Lebensstiles im Orden
                                   Nach dem Schock des Verbotes des Or-           am Glauben“, sondern auch „Förderung
                                   dens durch den Papst (1773) musste die         der Gerechtigkeit“. Dies alles fasste der
                                   Gesellschaft Jesu nach ihrer allgemeinen       Generalobere Pedro Arrupe SJ gut in
                                   Wiedererrichtung durch den Papst vor           dem Wort zusammen: Der Jesuit ist ein
                                   200 Jahren (1814) zuerst einmal gleich-        „Mensch für andere“. Pater Arrupe führte
                                   sam zu sich selbst finden, ihren Stil in       diesen Wandel im Selbstverständnis des
                                   Leben und Apostolat entwickeln. Und der        Jesuiten und in der apostolischen Ausrich-
                                   war im 19. und beginnenden 20. Jahrhun-        tung des Ordens trotz der Schwierigkei-
                                   dert relativ Rom hörig („ultramontan“)         ten, die das mit sich brachte, konsequent
                                   und aszetisch geprägt.                         durch; wiederum ein Beispiel: die Grün-
                                                                                  dung des „Jesuit Refugee Service“ 1980.
                                   Die gebotene Kürze motiviert mich, auf         Arrupes Nachfolger als Generaloberer,
                                   den „Wandel der Lebensstile“ zu schau-         Peter-Hans Kolvenbach SJ, hat bei aller
                                   en, den ich selbst seit 1948 im Orden er-      unterschiedlichen Vorgehensweise diese
                                   fahren habe. Das geht über die deutsche        Linie weiterverfolgt. Für mich ist dieser
                                   Ordensprovinz hinaus, hatte aber seine         „Stil-Wandel“ am deutlichsten „personi-
                                   Auswirkungen auf sie. Ich denke da vor         fiziert“ in Papst Franziskus. Ich habe mit
Jesuit sein heute? Gerade heute!

                                   allem an die „Generalkongregation“ (GK),       Jorge M. Bergoglio SJ während der GK
                                   das oberste gesetzgebende Gremium des          1974-75 drei Monate zusammengelebt.
                                   Ordens, das mehrheitlich aus gewählten         Ich erlebe ihn jetzt als Papst. Ich kenne
                                   Ordensmitgliedern aus aller Welt besteht.      ihn kaum wieder. Ein anderer Mensch,
                                   Ich habe an drei GK (1974-75, 1983, 1995)      eben ein „Mensch für andere“.
                                   in Rom teilgenommen.
                                                                                  Der Übergang „Vom Sie zum Du“ bei den
                                   Man braucht nur die Aussagen der vor-          Jesuiten der deutschen Provinzen war sig-
                                   konziliaren, z.B. der Generalkongregation      nifikanter Teil dieses von Konzil und GK
         n

                                   von 1957, mit denen der nachkonziliaren        angestoßenen „Wandel des Lebensstiles“.
November 2014

                                   Generalkongregationen ab 1965-66 zu            Als ich 1948 ins Noviziat kam, war das Sie
                                   vergleichen, um den inhaltlichen Wandel        untereinander selbstverständlich. Selbst
                                   zu sehen. Die Gesellschaft Jesu definiert      leibliche Brüder und Duz-Freunde muss-
                                   sich gleichsam neu. Alles nach dem kon-        ten sich nach dem Eintritt in den Orden
         n

                                   ziliaren Impuls „zurück zu den Wurzeln“        siezen. Das blieb so noch etwa 15 Jahre.
Jesuiten

                                   und zur „Verheutigung“ (Aggiornamen-
                                   to). Als Beispiel sei genannt die Erklärung    Wie wurde das begründet? Die Satzungen
24                                 „Jesuiten heute“ und das Dekret „Unsere        sprechen da sehr deutlich: „Jeder soll sich
                                   Sendung heute“: nicht mehr nur „Dienst         darum bemühen, alle fleischliche Zunei-
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