Jesuit sein heute? Gerade heute!
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Gratis-Abonnement 2014/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten Bestellkarte bitte einfach heraustrennen, ausfüllen und zurücksenden. Danke. Jesuiten Jesuiten Ein Gratis-Abonnement für Sie oder andere, interessiert sind die am Orden Jesuiten Jesuit sein heute? www.jesuiten.org Gerade heute!
Jesuiten Jesuiten Jesuiten Ausgabe November/2014 Standorte der Jesuiten in Deutschland Jesuiten Jesuiten Gratis-Abonnement Gratis-Abonnement Standorte der Jesuiten Inhalt Ausgabe 2012/4 ImpressumImpressum 1 Editorial in Deutschland JESUITEN 1 Editorial Schwerpunkt Informationen JESUITEN Informationen der Deutschen Provinz 2 Virtualität – Anwesenheit des Abwesenden der Jesuiten der Deutschen Provinz Schwerpunkt 6 Virtualität aus der Schulperspektive der Jesuiten an unsere Freunde und Förderer an unsere Freunde 2 Jesuit sein heute 8 –Mailgewitter was bedeutet das für mich? & Twitterstürme und Förderer 65. Jahrgang 2014/4 63. Jahrgang 2012/4 10 In die Computerzeit 4 Früher gab‘s mehr Berufungen als heute!? hineinleben ISSN 1613-3889 7 Wege in den Orden – ein geistlicher Prozessohne Ende 11 Erreichbarkeit 2.0: Facebook ISSN 1613-3889 Herausgeber Herausgeber 14 Online-Exerzitien und Copyright:und Copyright: 8 Lebensort Schule © Deutsche Provinz 16 Pastorale Projekte © Deutsche Provinz 11 Pater Arrupe und Frère Roger der Jesuiten K.d.ö.R. der Jesuiten K.d.ö.R. Titel: Menschen in 17 Warum ich (noch) nicht bei Facebook bin Redaktionsleitung: der Stadt 12 Aus Momenten 2012/4 18des Scheiterns Warum lernen bin ich bei Facebook Redaktionsleitung: Klaus Mertes SJ Gratis-Abonnement © fotolia/Müller Titelbild: 14 @ OraFotoliaet labora – pray and workaholic 20 blog.radiovatikan.de Klaus Mertes SJRedaktion: Dr. Thomas Busch Gratis-Abonnement „Virtualität ist die Datum PLZ Straße Vorname Name ab der nächsten Ausgabe an: die Publikation Jesuiten Bitte senden Sie kostenlos 2014/4 Redaktion: (Chef vom Dienst) 16 Warum Eigenschaft Jesuit 21 einer Sache, heute? Jesuiten in Facebook Dr. Thomas BuschHolger Adler SJ 2012/4 Datum PLZ Straße Vorname Name ab der nächsten Ausgabe an: die Publikation Jesuiten Bitte senden Sie kostenlos nicht in der Form zu Marco Hubrig SJ 17 Geistlich – Praktisch – Gut (Chef vom Dienst) existieren, in der sie zu Holger Adler SJ Bernhard Knorn SJ 18 Als Sünder aber berufen Geistlicher Impuls Björn existieren scheint, Bernd Hagenkord SJ Mrosko SJ in ihrem Wesen oder 22 Von der Versuchung, virtuell zu leben Bernhard KnornRichard SJ Müller SJ 19 Etappen auf unserem Weg (Bildredaktion) ihrer Wirkung einer in Simon Lochbrunner SJ Jörg Nies SJ dieser Form existieren- Richard Müller SJ Unterschrift Ort Nachrichten Claus Pfuff SJ Unterschrift Ort den Sache zu gleichen.“ (Bildredaktion) Tobias Specker SJ Geistlicher Impuls Diese Definition aus 24 Neues aus dem Jesuitenorden Tobias Specker SJ Johann Spermann SJ 22 Von „Wikipedia“ aufden Prioritäten Martin Stark SJ Tobias Zimmermann SJ vielfältige Weise um- Johann Spermann SJ Zoll SJ Patrick zusetzen, nahm sich Vorgestellt Tobias Zimmermann SJ Patrick Zoll SJ Jubiläum 2014 Simon Lochbrunner SJ 29 Gebetsapostolat Anschrift: mit seinen Bildern im Anschrift: Redaktion JESUITEN 24 Vom Sie Schwerpunktteil zum Du dieser Redaktion JESUITEN Seestraße 14 Ausgabe vor. Nachrufe 2012 Seestraße 14 80802 München 30 Unsere Verstorbenen 80802 MünchenTel 089 38185-213 Nachrichten Fax 089 38185-252 Tel 089 38185-213 redaktion@jesuiten.org Fax 089 38185-252 26 Neues aus dem Jesuitenorden Medien www.jesuiten.org redaktion@jesuiten.org 32 DVD: Die Schrittweisen. Zu Fuß nach Jerusalem www.jesuiten.org Satz und Reproduktionen: Personalien Layout: Martina Weininger, 80802 München Seestraße 14 der Freunde Sekretariat München Margot Krottenthaler 29 33 Autoren dieser Ausgabe Jubilare / Verstorbene 80802 Seestraße 14 der Gesellschaft Jesu e.V. Freunde Sekretariat Leporello Company, Druck: Dachau Gesellschaft Gebrüder Geiselberger 34 Die besondere Bitte GmbH, Altötting Medien 34 Ein Abonnement „Stimmen der Zeit“ Satz und Reproduktionen: Printed in Germany Martina Weininger, München München Jesu e.V. 29 Musik in St. Michael Druck: Erscheinungsweise: Viermal im Jahr Gebrüder Geiselberger 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland GmbH, AltöttingAbonnement kostenlos Nachrufe Printed in Germany Nachdruck nach 30 Unsere Verstorbenen Rücksprache mit Erscheinungsweise: Viermal im Jahrder Redaktion Abonnement kostenlos 33 Autoren dieser Ausgabe Nachdruck nach Rück- sprache mit der Redaktion freimachen, falls Marke zur Hand Bitte Die besondere Bitte freimachen, 34 Begleiter auf dem Berufungsweg falls Marke zur Hand Bitte 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland
E d i to r ial Liebe Leserinnen, liebe Leser, um unser Mensch- und Christsein in heuti- ger Zeit. Als keineswegs perfekte Menschen mit dem Wort „Berufung“ verbinden wir wissen wir Jesuiten uns schließlich zum meist, dass einige Christen einen „geist- Jesuit sein gerufen. Auch dieses „Sein“ ist lichen Beruf “ haben, d.h. sie sind Or- immer ein „Werden“, ein lebenslanger Pro- densmenschen oder Priester geworden. zess, und wir brauchen dafür die Gnade Und gleich hören wir die Klage mit, heute und Barmherzigkeit Gottes. Wer den Weg gebe es leider kaum noch „Berufungen“. des Jesuiten mit Hingabe lebt, erlebt ihn Es stimmt, dass heute bedauerlich wenige meist als erfüllend und fruchtbar. Mit die- Menschen in Ordensgemeinschaften ein- ser Ausgabe wollen wir unseren Dank für treten oder Priester werden. Wir Jesuiten die Berufung ausdrücken. Es wurde von in Deutschland und in Europa haben im- Holger Adler, Marco Hubrig und Björn mer Nachwuchs gehabt und haben wei- Mrosko zusammengestellt. Vielleicht kann terhin jedes Jahr Eintritte – dafür sind wir es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, eini- sehr dankbar, aber wir wissen auch, dass ges zum Nachdenken und zur Freude über es viel mehr sein dürften! Ihre eigene Berufung mitgeben. Nun sind aber alle Christen berufen. Alle An Weihnachten feiern wir, dass Gott sollen die Liebe leben, sie sollen barmher- ein Mensch wie wir wurde. Er hat uns zig zu Schwachen sein, wahrhaftig und damit gezeigt, wie wir als Menschen und ehrlich, gläubig und bereit zum Engage- Christen unsere Berufung leben können. ment für andere. Alle sollen ihr Leben mit Ich wünsche Ihnen Wachstum auf Ihrem Jesuit sein heute? Gerade heute! Christus und nach dem Vorbild Christi Weg des Menschwerdens und des Geru- gestalten. Alle sollen die Größe und Güte fenseins. Herzlich wünsche ich Ihnen die Gottes bezeugen. Diese Berufung aller Gnade und den Frieden der Weihnacht Christen ist die grundlegende – das ist der und ein gesegnetes Jahr 2015. Kirche in den letzten Jahrzehnten neu und tiefer zu Bewusstsein gekommen. Wel- che konkrete Gestalt diese Berufung be- kommt, ist dann weniger wichtig. In jeder Lebensform und in jedem Einsatz können n und sollen wir liebende Menschen und November 2014 damit Christen sein. Gibt es nicht auch hier einen Mangel an Berufungen? In dieser Ausgabe denken wir Jesuiten über n unsere Berufung zum Jesuit sein nach. In Stefan Kiechle SJ Jesuiten vielen Beiträgen geht es allerdings zuerst Provinzial 1
Sch wer p unk t Jesuit sein heute – was bedeutet das für mich? Jesuit sein heißt für mich, meine Berufung geben kann. Für mich ist das der Dienst, gefunden zu haben und sie leben zu kön- unsere Sendung. Ignatius war es wichtig, nen. Dahinter steht eine Überzeugung, für Menschen auf unterschiedliche Weise die für mich wesentlich zum Jesuit sein einen Rahmen zu schaffen, damit sie Gott gehört: Da gibt es einen, der ruft. Wenn begegnen können. Die Aufgabe als Pries- zwei Menschen heiraten, haben sie erfah- ter ist es, solche Begegnungsräume zu öff- ren, dass die Liebe des anderen innerlich nen. Für mich sind besonders wichtig die Kräfte freisetzt. Die Gründe für einen Or- Eucharistiefeier, die Beichte, die Einzelge- denseintritt sind vergleichbar. In Exerziti- spräche und die Exerzitien. Nach Mona- en konnte ich vor über zehn Jahren eine ten erzählen mir manche: „Da oder dort Erfahrung machen, an deren Wirklichkeit wurde es mir warm ums Herz, löste sich ich nicht zweifelte. Ich verstand tief in etwas, da konnte ich mich selbst mehr an- meinem Herzen: „Clemens, es ist gut, dass nehmen.“ Dann weiß ich, Gott hatte seine Du bist und wie Du bist.“ Das schenkte Finger im Spiel, denn so was kann man mir Vertrauen und machte mich lebendig. nicht machen. Diese Worte kann man sich nicht selbst sagen. Ich war überzeugt, hier habe ich es Hier lauert aber auch eine große Versu- Jesuit sein heute? Gerade heute! mit Gott zu tun bekommen. Davon wollte chung. Ich benehme mich manchmal wie ich mehr. Ich wollte keine ausgemergelte ein Arzt bei einer Reanimation. Ich pum- und bleiche Heiligenfigur werden, son- pe bis zur Erschöpfung Worte und Akti- dern mit Haut und Haar meinen Glauben onen auf den scheinbaren Glaubenstoten an diese konkrete Person Jesus Christus ein. Aber es hilft nichts. Ich muss mir leben. Den Platz dazu habe ich im Orden meine Selbstüberschätzung eingestehen. gefunden. Durch den geistlichen Weg ist Nicht ich belebe, sondern der Geist Gottes mein Vertrauen in Gott gewachsen. Wie schafft lebendigen Glauben in Menschen. in jeder Beziehung gibt es auch lustlose So ein Mitarbeiter Gottes sein zu dürfen, n und anstrengende Phasen. Aber mit die- lässt mich fast jeden Abend dankbar auf November 2014 sem Jesus wird es auch nach Jahren nicht einen sinnvollen Tag zurückblicken. langweilig. Gott ist lebendig. Ohne Ihn wäre mein ganzes Leben als Ordensmann Als Jesuit muss ich nicht den Menschen sinnlos. etwas bringen, sondern darf mit ihnen n unterwegs sein: momentan vor allem mit Jesuiten Für mich erschöpft sich Ordensleben aber vielen jungen Leuten. Natürlich muss ich nicht in meiner spirituellen Suche. Liebe Rede und Antwort für die Lehre der Kir- 2 wird dort vollkommen, wo ich mich selbst che stehen. Aber es ist mehr ein Mitein-
© SJ-Bild/Bubulyte Clemens Blattert SJ (re. oben) mit einer Studentengruppe aus Leipzig auf den Stufen zum Felsendom, Jerusalem Jesuit sein heute? Gerade heute! ander, und dabei wird mir viel geschenkt, Gott einzulassen. Dafür will ich Zeuge vor allem großes Vertrauen. Von mir sein. Ab und zu denke ich, dass in den werden kaum große Ratschläge erwartet, fünf Jahren im säkular geprägten Leipzig sondern einfach, dass ich da bin, Zeit habe mein Glaube besonders stark gewach- und interessiert zuhöre. Durch die vielen sen ist.“ Ich habe gelernt, ich muss nicht Fragen zu Gott und Kirche, gerade in ei- perfekt sein, darf als Sünder mich in die nem wenig christlich geprägten Umfeld, Nachfolge gerufen wissen und andere zu berühren die Leute auch meine Unsicher- ihr einladen. Das ist ein Dienst, der ande- heit. Manchmal weiß ich selbst keine Ant- ren Menschen Hoffnung macht, dass auch n wort. Habe ich dann als „Kirchenexperte“ sie vor Gott ihre Daseinsberechtigung ha- November 2014 versagt? So verstehe ich mich nicht. Wenn ben. Das ist nicht immer ganz leicht, aber ich als Suchender mit anderen unterwegs auf Dauer sehr erfüllend. Ignatius hat sich bin, dann geht es darum, weiter zu suchen, als Pilger bezeichnet. Mir gefällt das Bild: nicht so zu tun, als wüsste ich auf alles Ich bin mit anderen unterwegs, und als n eine Antwort. Eigentlich geht es schlicht Jesuit habe ich einen richtig schönen Pil- Jesuiten darum: zu glauben. Auch mich fordert gerweg gefunden! der Glaube heraus. Das ist für mich eine Chance, mich wieder neu vertrauend auf Clemens Blattert SJ 3
Sch wer p unk t Früher gab‘s mehr Berufungen als heute!? Volkskirchlich gesehen bin ich total das zum Funktionärstum verstaubt. Aber es Kind der 80er Jahre, mit vollen Kirchen, gibt keine Berufung bloß zum Funktionär. reichlichen Kirchenfesten, tollen nahba- Im Rückzug auf das Funktionieren zeigt ren Pfarrern, Spaß in der Jugendarbeit sich, wie das Volkskirchliche schwindet, etc. Volkskirchlich gedacht, war das doch und zugleich, wie es um sein Überleben eine herrliche Zeit – alles in Ordnung mit kämpft. Da wundert es mich nicht, dass der Kirche. Spätestens während meines in die Noviziate und Priesterseminare kei- Studiums in den 90ern wurde immer kla- ne Massen kommen. Denn die, die sich rer: Wenn wir so weitermachen, ist bald heute für Kirche interessieren, sind schon keiner mehr da. Und die Aussagen von keine Kinder der 80er mehr. Sie erlebten vielen lauteten dagegen: „Ach, so schlimm wird es schon nicht kommen!“ Die Menschen in ihren Diese Einstellung, die leider fast Entscheidungen unterstützen alle Verantwortlichen in Kirche und Orden haben, fällt uns nun schon länger auf die Füße. Und ich? Ich muss gestehen, ich habe Jesuit sein heute? Gerade heute! auch immer noch dieses Denken im Kopf, in großen Teilen den Verfall und Nieder- ich habe immer noch diese Brille auf. gang der Volkskirche in Deutschland im Ich werde dieses Denken so schwer los! eigenen Umfeld, oder sie sind schon gar Aber diese Kirche gibt es nicht mehr und nicht mehr mit Kirche in Berührung ge- wird es nicht mehr geben. Ein Mitbruder kommen. Die Fragen, die sich aus diesem sprach nun von der Entscheidungskirche. Wandel ergeben, sind mittlerweile zent- Da ist was dran. Wir müssen uns von den rale Fragen der ganzen Kirche, nicht nur alten Denkmustern verabschieden, und einiger Leute, die für Berufungen werben in diese Richtung entwickeln. Das heißt, sollen – wenn man überhaupt für Beru- n volkskirchliche Strukturen, die es ja noch fungen werben kann. November 2014 gibt, nicht mehr zu stärken, und dafür ent- scheidungskirchliche Strukturen, Haltun- Die Zeit der Konzepte ist vorbei! Die gen, Schritte etc. zu fördern. Nun befindet Menschen, die sich auf Konzepte ein- sich die Kirche in genau dieser Phase da- lassen konnten, sind anders gewor- © SJ-Bild/Ender n zwischen. Wenn ein System in die Krise den sind. Theoretische Konzepte für Jesuiten gerät, dann zieht es sich meist auf das Es- Bestandswahrung in der Volkskirche tablishment, auf die Funktionäre zurück. übersehen ohnehin, dass es bei der 4 Die Gefahr ist gegeben, dass unsere Kirche Frage nach dem Glauben auch um das
persönliche Leben geht, um das eigene „Früher gab es mehr Berufungen“ klagen Glück, das eigene Heil und die eigene heute einige. Das stimmt nicht. Berufen Zufriedenheit – und nicht bloß um das sind alle, nämlich alle, die das Volk Got- Überleben von Institutionen. Als „alter“ tes bilden und als dieses Verantwortung Jugendseelsorger weiß ich, dass es gar für unsere Kirche übernehmen. Das geht nicht so einfach ist, junge Menschen zu nicht ohne Entscheidung. Auch wenn wir einer Entscheidung über Glaube, Gott nicht genau wissen, wie die „Entschei- etc. zu bringen, zumal die Frage, warum dungskirche“ aussehen wird, ist es heute ich überhaupt eine Lebensentscheidung unsere Aufgabe, Menschen mehr denn je treffen soll, bei vielen noch gar nicht in ihren Entscheidungen zu unterstützen vorhanden ist, nach dem Motto: „Es ist – wenn sie es wollen! doch gut, so wie es ist.“ Holger Adler SJ Josef Maureder SJ im Gespräch mit den Novizen Moritz Kuhlmann, Julien Lambert und Sebastian Maly. 5
Sch wer p unk t Wege in den Orden – ein geistlicher Prozess Bei einigen steht am Anfang die wachsende Motive, und es gibt noch andere, die den Weg © fotolia/Müller Unzufriedenheit über die bürgerliche Satt- auf den Orden hin prägen. heit. Sie spüren eine Sehnsucht nach Gemein- schaft, nach einfachem Leben, nach einer Hat sich einer auf den Weg gemacht, so sind Aufgabe, die bleibenden Wert hat. Langsam Zeiten des Innehaltens hilfreich. Denn unter öffnet sich der Horizont ihres Denkens. Druck und Stress werden keine guten Ent- Geistliches Leben und der Einsatz für andere scheidungen getroffen. Auch sollen Alterna- kommen in den Blick. So klopfen sie bei uns tiven gesehen werden. Geistliche Begleitung Jesuiten an die Tür. und Exerzitien werden den Entscheidungs- Für andere ist wie bei Ignatius ein „zerschos- prozess positiv fördern. Im rechten Moment senes Bein“ Anlass zum Umdenken. Das ist es nötig, konkret Schritte zu setzen, damit kann ein Scheitern im Beruf oder in einer Be- die Kraft fruchtbar wird. Immer wird es als ziehung sein. Manchmal ist es ein Unfall oder fruchtlos und frustrierend erlebt, wenn die eine Erkrankung. Etwas kreuzt den Plan des Berührung durch Gott beharrlich verdrängt Lebens. Wege werden versperrt, aber der Weg wird, jemand um sich und die Entscheidungs- der Nachfolge Jesu kann sich eröffnen. frage kreist oder sogar wieder zurücksteigt. Wieder andere lernen in ihrem Leben Schritt Jesuit sein heute? Gerade heute! für Schritt Jesus kennen, verstehen und lie- Wenn junge Männer den Jesuitenorden wäh- ben. Ihr Glaube vertieft sich, und sie spüren len, so ist meist Jesus Christus im Zentrum. den Anruf des Herrn. Nicht selten ist dieser In seiner Nachfolge wollen sie den Menschen Weg von starken menschlichen und geist- helfen, an Leib und Seele. Sehr viele begeistert lichen Erfahrungen begleitet: in Exerzitien, die Spiritualität des Ordens, radikales geistli- in Begegnungen, durch Bücher. Gott ist für ches Leben mitten in der Welt. Viele sagen, sie das große liebende und geliebte Du ge- sie wollen sich in Gemeinschaft für das Gute worden. Schließlich gibt es Interessenten, die und die Botschaft Christi einsetzen. Die gute besonders von der Armut ihrer Nächsten Ausbildung, die internationale Prägung des n berührt sind. Sie sehen, wie viele Menschen Ordens, die intellektuelle Note, aber vor allem November 2014 heute unter die Räuber gefallen sind. Wie der die Weite im Denken und in den Einsatzfel- barmherzige Samariter möchten sie nicht am dern sind für Interessenten weitere Motive, Notleidenden vorbei gehen. Deshalb wollen den Weg in unserem Orden zu wagen. sie prüfen, ob der Weg als Jesuit eine Antwort n sein könnte. Natürlich mischen sich oft diese Jesuiten Josef Maureder SJ 6
Sch wer p unk t Lebensort Schule © SJ-Bild/Ender Stolze: Im Sommer 1993 wurde uns sehr schnell bewusst, dass nicht nur die Perso- nen der Patres Köster, Fischer und Mertes die Schule verlassen hatten, sondern der Jesuitenorden als Institution. Gerade des- wegen war und ist es für die Schule von grundlegendem Wert, dass es gelungen ist, kontinuierlich bis zum heutigen Tag im Geistlichen Leiter der KSJ einen Je- suitenpater, und zwar als Repräsentanten Björn Mrosko SJ Friedrich Stolze seines Ordens, im Hause zu haben. Seit vielen Jahren sind Sie der erste Jesuit, der nicht nur Geistlicher Leiter der KSJ ist, Bis zum Sommer 1993 lag die Leitung der sondern auch als Lehrer an unserer Schule Hamburger Sankt-Ansgar-Schule 47 Jah- wirkt, warum? re in den Händen des Jesuitenordens. Nach 14-jähriger Tätigkeit als Stellvertretender Mrosko: Kinder und Jugendliche verbringen Schulleiter hat Friedrich Stolze zum Schuljahr einen großen Teil ihrer Zeit im schulischen 2004/2005 das Amt des Schulleiters über- Kontext. Im Kollegium der Sankt-Ansgar- Jesuit sein heute? Gerade heute! nommen. Zu Beginn des nächsten Jahres wird Schule mitzuarbeiten, ist eine gute Gelegen- er diese Aufgabe abgeben. Ein Gespräch mit heit für uns Jesuiten, neben der Jugendarbeit Björn Mrosko SJ, der seit Herbst 2013 als Leh- und Aufgaben in der Schulseelsorge auch rer und Geistlicher Leiter der Katholischen im Unterricht am Lebensort Schule präsent Studierenden Jugend (KSJ) tätig ist. zu sein und Schülern dort zu begegnen. Ein weiterer wichtiger Beweggrund war die Mrosko: Als der Orden vor 21 Jahren die persönliche Herausforderung. Als Lehrer Leitung der Sankt-Ansgar-Schule an das bin ich Berufsanfänger und stehe vor ganz Bistum zurückgab, war ich Schüler am Ber- neuen Herausforderungen – reizvollen, aber n liner Canisius-Kolleg. Ich kann mich gut an nicht immer ganz einfachen. Das betrifft November 2014 die Erleichterung darüber erinnern, dass es Fragen der Methodik, des eigenen Stils, aber uns nicht getroffen hat. Die neuen Patres auch der Motivation und der Disziplin im aus Hamburg haben wir Schüler gespannt Unterricht. In vielfacher Hinsicht bin ich erwartet. Wie haben Sie selbst damals den nun auf den Rat und die Begleitung durch n Rückzug der Jesuiten erlebt und welches die Kollegen angewiesen. Manchmal frage Jesuiten waren später die wichtigsten Bezugspunkte ich mich, ob es überhaupt etwas spezifisch zwischen der Schule und dem Orden? Jesuitisches gibt, das ein Mitbruder in die 8 Schulgemeinschaft einbringen kann.
Schülerinnen der KSJ in Sankt Ansgar in Hamburg Stolze: So sehr sich die Geistlichen Leiter ten immer weniger werden oder gar nicht der KSJ seit 1993 in ihrer individuellen mehr präsent sein können, wenn viele Ausprägung unterschieden haben, wiesen Wechsel in den Schulleitungen und den und weisen sie doch als Repräsentanten Kollegien stattfinden? Es hängt ja nicht ihres Ordens etwas gemeinsam Jesuiti- an Einzelpersonen oder den Jesuiten, son- sches auf, das ich als Souveränität des je dern an vielen, die sich diesem Erbe ver- eigenen Weges in der Bindung an den bunden fühlen. Orden kennzeichnen möchte. Damit mei- ne ich die Dialektik der Ungebundenheit Stolze: Ich möchte hier zunächst die Be- eines souveränen Bewusstseins, das letzt- gegnungen, den Austausch im Netzwerk lich aus der Bindung des Einzelnen an der Ignatianischen Schulen nennen. So die spirituelle Gemeinschaft des Ordens habe ich die Leitungstreffen immer als Jesuit sein heute? Gerade heute! folgt, ebenso wie diese Spiritualität Kraft, große Quelle der Kraft und Motivation Motivation und Zielsetzung der wissen- erlebt. Eine Ursache hierfür ist sicherlich schaftlichen Menschenbildung bewirkt. die Erfahrung, dass für die Jesuitenkolle- Untrennbar damit verbunden habe ich in gien natürlich auch gerade das gilt, was der Konsequenz immer den hohen Grad ich versucht habe, als spezifisch jesuitisch an kommunikativer Kompetenz erleben zu skizzieren: die selbstbewusste Souverä- dürfen, so dass alle Patres in ihrer jeweils nität des ignatianisch pädagogischen We- unterschiedlich geprägten Ausstrahlung ges, gespeist aus der Quelle der Spirituali- in der Schule als Jesuiten sehr präsent tät. Auch die Einrichtung des „Zentrums n waren und sind; sei es bei der Feier der für Ignatianische Pädagogik“ erachte ich November 2014 Hl. Messe, dem liturgischen Lernen, den als großes Geschenk und erwarte mir Besinnungstagen, der Schulpastoralkon- nach ersten Erfahrungen eine deutliche ferenz oder gar wie Sie seit diesem Schul- Belebung des Austausches mit und unter jahr als unterrichtender Lehrer. den Schulen und damit verbunden eine n weitere Belebung der Umsetzung Ignati- Jesuiten Mrosko: Was braucht es aus Ihrer Pers- anischer Pädagogik im Netzwerk unserer pektive, um die ignatianische Tradition an Schulen. den Schulen zu bewahren, wenn die Jesui- 9
Sch wer p unk t Pater Arrupe und Frère Roger Taizé und die Jesuiten „Dieser Mann ist unter den Zeugen eines Diese Begegnung der beiden ist Teil ei- Frühlings der Kirche“, schrieb Frère Roger ner ganzen Reihe von freundschaftlichen 1972 nach einem Besuch von Pater Arrupe in Taizé. Sie hatten sich vier Jahre zuvor auf einem Pater Arrupe: Zeuge eines Flug nach Bogota kennenge- lernt. Papst Paul VI. lud damals Frühlings der Kirche beide ein, ihn zu begleiten. Die tiefe Freundschaft, die sich da- raus entwickelte, hat die Verbundenheit Begegnungen zwischen unseren Gemein- unserer Communauté mit der Gesellschaft schaften. Dazu gehören Henri de Lubac, Jesu auf besondere Weise geprägt. Joseph Gelineau, der viele Gesänge für uns © SJ-Bild Frère Roger sprach gerne von Pater Arru- pe als einem heiligen Zeugen in unserer Zeit. Sein Unterscheidungsvermögen und sein ihm eigener Mut beeindruckten ihn Jesuit sein heute? Gerade heute! tief. Auch in den Jahren, als Pater Arru- pe schon sehr krank war, besuchte Frère Roger ihn regelmäßig. Das Vertrauen zu ihm war so groß, dass er sich zu einer ein- maligen Geste veranlasst sah: „Kommen Sie nach Taizé! Seien Sie Leiter unserer kleinen Communauté, dafür reichen Ihre Kräfte. Kommen Sie, uns das Wesentliche zu zeigen.“ Pater Arrupe hörte diese Wor- n te und lächelte. Er blieb in Rom. November 2014 Jesuiten n 10 Pedro Arrupe SJ (1907-1991)
komponierte, Stanislas Lyon- net, der öfter nach Taizé kam Frère Roger: Pilgerweg um die Brüder zu unterrichten, Kardinal Martini, Pater Nicolás des Vertrauens auf der Erde und Papst Franziskus, der Frère Alois sehr herzlich empfangen hat. Ignatianischer Geist prägt die Jugendtreffen in Taizé schon seit bald bindet: Pilgernd unterwegs zu sein; nicht 50 Jahren durch Schwestern der Ordensge- stehenzubleiben, sondern mutig in der meinschaft von St. André. Welt von heute vorwärts zu gehen mit den In den 1970er Jahren initiierte Frère Ro- Menschen unserer Zeit. In der Kontemp- ger den „Pilgerweg des Vertrauens auf lation wollen wir Christus begegnen, der der Erde“, den unsere Communauté mit uns immer neu dazu aufruft, unsere Au- Jugendlichen aller Erdteile Jahr für Jahr gen für SEINE liebende und barmherzige weitergeht. Als Pilger sah sich auch der Gegenwart zu öffnen. Hl. Ignatius. Vielleicht ist es das, was unsere Gemeinschaften in der Tiefe ver- Der Pilger Ignatius hat uns einen Weg er- öffnet, das Evangelium der Welt von heute © KNA-Bild zu verkündigen. Gemeinsam mit den Je- suiten stehen wir Brüder vor der Heraus- forderung, die frohe Botschaft Christi den Frauen und Männern unserer Zeit nahe Jesuit sein heute? Gerade heute! zu bringen, besonders der jungen Genera- tion, so dass sie mutig aus der Beziehung zu Gott leben und mit den Gaben, die Gott ihnen geschenkt hat, die Welt und Kirche von heute mitgestalten. Pater Arrupe und viele andere, die dem Weg des Hl. Ignatius folgen, sind uns dar- in Ansporn als Zeugen der Hoffnung und n der Freude des Evangeliums, als Zeugen November 2014 eines Frühlings der Kirche. Frère Andreas (Taizé) Jesuiten n Roger Schütz (1915-2005) 11
Sch wer p unk t Aus Momenten des Scheiterns lernen Am Anfang seiner Bekehrung schien für bens versetzen seiner Dickköpfigkeit und Íñigo, der sich später Ignatius nannte, alles seinem überzogenen Vertrauen auf die ei- klar zu sein. Beim Gedanken, nach Jeru- genen Kräfte schwere Schläge. Falsche Ge- salem zu pilgern und fortan ein strenges wissheiten zerbrechen. Der Stolz des jun- Büßerleben zu führen, hatte er nachhalti- gen Basken erleidet tiefe Wunden. Aber ge Zufriedenheit und Freude empfunden. gerade diese Krisensituationen erweisen Daraus meinte der Adlige von Loyola ei- sich als Zeiten, in denen der himmlische nen doppelten Schluss ziehen zu können: Lehrmeister dem irdischen Schüler zu ei- zum einen, dass Gott ihn in seinen Dienst nem besseren Verständnis des göttlichen gerufen habe, und zum andern, dass Got- Willens verhilft. tes Wille genau in dem bestehe, was ihm, Íñigo, durch den Kopf gegan- gen war, nämlich als Aszet im Heiligen Land zu leben. Nach- Skrupel sind nicht die Stimme dem er somit zu wissen glaub- eines gnädigen Gottes. te, was er im Dienst Gottes zu tun hatte, wollte der Frischbe- kehrte sich durch nichts mehr davon abbringen lassen, seinen Plan, ins Als Íñigo zum Beispiel auf seinem Pilger- Jesuit sein heute? Gerade heute! Heilige Land zu ziehen, in die Tat umzu- weg in Manresa Halt macht, hat er eine setzen. Doch es sollte anders kommen, als sehr konkrete Vorstellung davon, wie das ursprünglich vorgestellt. Leben eines Aszeten auszusehen hat. Dazu gehört für ihn unter anderem das penible Nicht dass Íñigo völlig falsch gelegen hätte. Beichten aller begangenen Sünden. Aber Im Rückblick sieht er sich darin bestätigt, anstatt im Sakrament inneren Frieden zu dass Gott ihn in seinen Dienst gerufen hat. finden, wachsen in ihm Skrupel an der Aber um zu begreifen, worin dieser Dienst Vollständigkeit seiner Beichte, und diese besteht, muss der spätere Ordensgründer Skrupel lassen ihn immer mehr verzwei- n noch unterscheiden lernen zwischen dem feln. Sie treiben ihn bis an den Rand eines November 2014 echten Willen Gottes und einem mit reli- Suizids. Íñigo fühlt sich versucht, seine giösen Idealen ummäntelten Eigenwillen – neue Lebensform aufzugeben. In diesem und angesichts seiner Sturheit muss er dies Moment „erwacht“ der junge Baske: Die „auf die harte Tour“ lernen. schlimmen Folgen seiner Skrupel lassen n ihn erkennen, dass diese nicht die Stimme Jesuiten Auf seinem Weg gerät der Pilger immer eines gnädigen Gottes sein können. Diese wieder in Situationen, in denen seine Plä- Einsicht lehrt Íñigo, seinen Skrupeln kein 12 ne scheitern. Diese Momente seines Le- Gehör mehr zu schenken, und gerade so
wird er offen für eine neue Begegnung mit die dortigen religiösen Autoritäten seine dem barmherzigen Gott. Seine ursprüng- Rückkehr. Aber entsprach es denn nicht liche Idee eines Lebens als Aszet erweist dem Willen Gottes, dass er im Heiligen sich als undurchführbar. Diese Idee aufge- Land leben soll? Immer mehr geht Íñigo ben zu müssen, wird zu einem wichtigen auf, dass die Nachfolge Christi nicht darin Lernschritt im geistlichen Leben. besteht, sich an den Orten aufzuhalten, an denen der Herr einst gelebt hat, sondern Als der Pilger in Jerusalem angekommen das zu tun, was dieser getan hat, nämlich ist und dort bleiben will, gebieten ihm „den Seelen zu helfen“. Dafür bedarf es theologischer Bildung; und so beginnt sich ein religiöser Va- © SJ-Bild gabund in einen zielstrebigen Studenten zu verwandeln. Es folgen weitere Augenblicke des Scheiterns, in denen Íñi- go umdenken muss. Durch diese Momente lernt er, mit innerer Offenheit immer neu nach dem Willen Gottes zu fragen, anstatt diesen Willen mit eigenen Wünschen und Jesuit sein heute? Gerade heute! Ideen zu identifizieren. Er kreist nicht länger um sich selbst und sein fixes Idealbild eines Heiligen, sondern öff- net sich für die echten Nöte seiner Mitmenschen und da- mit auch für den Heilswillen Gottes. In dem Maße, wie für ihn nicht mehr von vornher- n ein „alles klar“ ist, wächst in November 2014 ihm die Klarheit echter Got- teserkenntnis. Jan Korditschke SJ Jesuiten n Die Versuchung des Ignatius, Gemälde von S. Conca, um 1750, Päpstliche Universität Salamanca 13
Sch wer p unk t Ora et labora – pray and workaholic Verwaiste Gebetsecke – in der Begegnung dem Willen Gottes auf der Spur Ich gebe zu, dass die Gebetsecke in der schaffe, sitze ich, das Jesus-Gebet betend, Zimmernische, in der auch mein Bett ein paar Minuten auf dem Schemel. Dabei steht, Gefahr läuft zu verwaisen. Schön kommen mir regelmäßig die Gedanken hergerichtet mit Teppich, einem Schemel in den Kopf, was der Tag für mich bereit- zum darauf Sitzen, eine Bibel, eine klei- ne Kerze und das Ich schaue alles nochmals an Noviziatskreuz, wel- ches ich bei meinem und Gott schaut mit. Eintritt in den Orden vom Novizenmeis- ter überreicht bekam und das mich seit 13 Jahren begleitet. Ein halten wird, welche Züge er nehmen wird heiliger, ruhiger Ort, der stets darauf war- und was zu erledigen ist. Diese Zerstreu- tet, von mir besucht zu werden. Aber mei- ungen nehme ich mit ins Gebet und bitte Jesuit sein heute? Gerade heute! ne Sendung, die ich vor zwei Jahren von Gott, mir die Kraft zu geben, den Tag in Pater Provinzial erhalten habe, als Jesuit seinem Sinne zu gestalten. am Canisius-Kolleg die außerschulische, verbandliche Jugendarbeit zu leiten, ist Den Tag über bin ich in Kontakt mit Ju- zeitintensiv, und der Tag könnte oftmals gendlichen. Sie kommen mit den unter- 30 und nicht nur 24 Stunden haben. Die schiedlichsten Anliegen zu mir, die ich Muße, mich ins Gebet zu vertiefen und so ernst nehmen und zu meinen eigenen Ruhe und Kraft zu finden, habe ich dabei machen muss. Wie etwa jugendliche Lei- nicht immer. ter, die mir Probleme mit ihren Gruppen- n kindern schildern und von ihrem Geist- November 2014 Mein Gebetsleben muss sich meinem un- lichen Leiter Hilfe erwarten. Auch ganz steten Tagesablauf, seinen Sprüngen und persönliche Dinge werden mir anvertraut: Abwechslungen anpassen. Teils beginnt weshalb einer gerade mit sich hadert und er schon morgens um 7 Uhr, teils endet in seinem Selbstwertgefühl aufgebaut n er nach Mitternacht. Meine Sendung er- werden muss. Da bleibt nicht viel Zeit für Jesuiten fordert ein hohes Maß an Einsatzbereit- das stille Gebet. Ich möchte funktionie- schaft, das Gebetsleben ist nicht weniger ren und für alle und alles ein offenes Ohr 14 anspruchsvoll. Morgens, wenn ich es und verfügbare Hände haben. Erst am
Ende des Arbeitstages schaffe ich es dann, fügbarkeit für sie und mein Handeln mit langsam abzuschalten. Ich gehe für eine ihnen und für sie ist mein Gebet, mein halbe Stunde schnellen Schrittes durch Gottesdienst. Auch die Herausforderun- den Tiergarten oder um den Block des gen, denen ich die Stirn bieten musste. Diplomatenviertels. Dabei gehen mir Be- Das zu wissen hilft mir, meine Schwächen gegnungen und Gespräche, Erfreuliches des Tages ehrlich anzunehmen. und Unerledigtes, all die Dinge des Tages nochmals durch den Kopf. Ich schaue al- Nicht selten komme ich erst spät abends les nochmals an und Gott schaut mit. Ich ins Zimmer, falle alsbald ins Bett, und rede mit ihm über Probleme wie mit ei- das abendliche Examen reduziert sich zu nem besten Freund und frage ihn nach einem bewusst ausgesprochenen „Danke Rat und Lösungen. Ich frage ihn, was er, und Entschuldigung“ stellvertretend ad- Jesus, an meiner Stelle getan oder gesagt ressiert an zwei Postkarten an der Wand Jesuit sein heute? Gerade heute! hätte: Wie hätte er sich verhalten? Das ist über meinem Nachttisch: Albrecht Dürers mein intimstes Gebet des Tages. Dabei „Betende Hände“ mit dem Spruch „Gott bete ich auch für die Menschen, denen ich sei Dank“ und einem Bildnis des Hl. Igna- den Tag über begegnet bin. tius v. Loyola. Dazu streife ich mit meiner rechten Hand über beide Karten. Da spü- Wenn viel zu tun ist, wenn man ständig re ich in mir eine tiefe Zufriedenheit und unterwegs ist, dann ist es besonders erfor- Dankbarkeit für den Dienst an den ande- derlich, bewusste Auszeiten zu nehmen, ren, den mir Anvertrauten, und für Gottes auch wenn es nur wenige Minuten sind. Präsenz, die mich den Tag über getragen n Jesus zu fragen, was er an meiner Stelle hat. Dann fallen meine Unzulänglichkei- November 2014 tun würde, und dann weitergehen. Das ist ten und Schwächen nicht ins Gewicht, da oft schon Gebet genug und bringt mir Zu- ich mich geliebt und getragen weiß, auch versicht und Gelassenheit. So bin ich und wenn mein Gebetsleben unvollkommen ist man auf dem besten Wege, dem Willen ist und immer sein wird. n Gottes betend auf die Spur zu kommen. Jesuiten Mein Dienst an den Anderen, meine Ver- Felix Schaich SJ © SJ-Bild 15
Sch wer p unk t Aldrig i livet! (Nie im Leben!) Warum Jesuit sein heute? Beim Firmunterricht erzähle ich jedes Jahr Gemeinschaftsleben ist ein anderer wich- von meinem Jesuit sein. Dann stelle ich tiger Faktor. Man will Jesus Christus nach- üblicherweise die etwas herausfordern- folgen, aber nicht alleine. Man will seinen de Frage: Wer könnte sich jetzt vorstel- Glauben vertiefen, aber man braucht die len, Jesuit zu werden? Meistens herrscht Unterstützung einer Gemeinschaft. In ei- vollständige Stille im Raum. Manchmal ner immer mehr individualistischen Ge- brechen ein paar Jungen in Lachen aus. sellschaft ist das Gemeinschaftsleben für „Aldrig i livet!“, habe ich auch schon als viele sowohl ein Antrieb als auch eine He- Antwort bekommen! rausforderung. Man könnte vermuten, dass der größte Der Dienst an anderen ist auch eine starke Widerstand von den Gelübden ausge- Motivation. Von Anfang an hat Ignatius löst wird. Gehorsam, Armut und ehe- den Ruf gespürt, „den Seelen zu helfen“. lose Keuschheit stehen einfach im Wi- Bei den ersten Jesuiten ging es um Aus- derspruch zu den Werten der modernen bildung, geistliche Begleitung und Werke Gesellschaft. Allerdings scheint mir das der Barmherzigkeit – alle Wirksamkeits- eigentliche Hindernis das Entscheiden felder, die heute weitergeführt werden. selbst zu sein. Man muss eine bewuss- Ein Leben wird erst wirklich erfüllt, wenn Jesuit sein heute? Gerade heute! te Wahl treffen, sich an einen konkreten man es für andere einsetzen kann. Lebensweg binden und alle anderen Mög- lichkeiten loslassen. Es ist ein Risiko, das Ähnlich wie bei anderen Lebenswegen ist die meisten anscheinend nicht eingehen es nicht so einfach, der Frage „Warum Je- möchten, eine zur modernen Praxis völlig suit sein heute?“ eine definitive Antwort gegensätzliche Vorgehensweise. zu geben. Warum habe ich gerade diese Frau oder diesen Mann geheiratet? Die Insofern stellt sich die Frage nach der Erfahrungen, die uns dazu geführt haben, Motivation junger Ordensleute. Warum sind nicht einfach zu beschreiben, und n wird man heute Jesuit? In einer schnellen, das viele Analysieren führt leicht zu einer November 2014 modernen und virtuellen Welt? Spirituelle Banalisierung der Liebe. Die Berufung Vertiefung ist sicherlich ein wichtiger Be- zum Ordensleben, Priestersein, Familie weggrund. Die geistlichen Übungen des oder auch die Entscheidung, den eigenen heiligen Ignatius von Loyola sind ein Weg, Glauben durch die Firmung zu bestätigen, n Gott und sich selbst durch Meditation in bleiben in diesem Sinn ein Geheimnis. Jesuiten der Stille besser kennenzulernen. Mikael Schink SJ 16
Geistlich – Praktisch – Gut Die Jesuiten: Ein Klerikerorden und ein Brüderorden Mit dem etwas abgewandelten Werbeslo- nem protestantischen Hintergrund, sicher gan eines Süßwarenkonzerns ließe sich – auch an dem gewaltigen Berg von Theorie, augenzwinkernd – die Voraussetzung für der bei einem Philosophie- und Theolo- eine Berufung zum Jesuitenbruder recht giestudium zu bewältigen ist: eine Pries- passend umschreiben: ein gewisses geist- terberufung spürte ich jedenfalls nicht. liches Interesse sollte vorhanden sein, vor Nach dem Noviziat fing ich gleich beim allem aber praktische Fähigkeiten, und Jesuiten-Flüchtlingsdienst an zu arbeiten, damit ist’s gut. wo ich auch heute noch tätig bin. Freilich galten diese Voraussetzungen Was bedeutet es nun, Jesuitenbruder zu eher in früherer Zeit. Brüder traten ent- sein? Kurz gesagt: es ist eine echte Beru- weder mit einem erlernten Beruf – oft ein fung, nicht etwa eine Notlösung für dieje- Handwerk – ein, oder sie absolvierten im nigen, die das Priestertum nicht anstreben Orden eine entsprechende Ausbildung. können oder wollen. Die Tatsache, dass Seit den 1960er Jahren hat sich das ge- Brüder kein kirchliches Amt innehaben, ändert. Brüder übernehmen mittlerweile macht sie frei, sich ganz den an sie ge- alle Arbeiten innerhalb des Ordens, von stellten Ordensaufgaben zu widmen. Die Jesuit sein heute? Gerade heute! der akademischen Lehre über Verwal- 34. Generalkongregation (1995) hat das tungs- und Managementaufgaben bis hin so formuliert: „In gewisser Weise verkör- zur pastoralen oder sozialen Arbeit. Ent- pert der Ordensbruder das Ordensleben sprechend studieren sie und bilden sich in seinem Wesen und kann deshalb die- weiter, ebenso wie Priester. ses Leben in besonderer Klarheit deutlich machen.“ Ein wenig von der früheren Zeit reicht je- Bruder zu sein ist eine immerwährende doch noch in die heutige hinein. Zumin- geistliche Aufgabe. Sowie jeder Christ dest in meinem Fall. Beim Eintritt in die entsprechend der ihm oder ihr eigenen n Gesellschaft Jesu war ich fast 40 Jahre alt Lebenssituation Zeugnis geben soll von November 2014 und brachte zwei Berufe mit: Betriebs- dem Gott, der die Liebe ist, so sollen Or- wirt und Krankenpfleger. Nach längerer densbrüder (wie auch Ordensschwestern) Sinnsuche und Neuorientierung hatte ich zeichenhaft das geschwisterliche Mitein- mich entschlossen, um Aufnahme in den ander unter den Menschen sichtbar ma- n Orden zu bitten. Ich wollte aber keines- chen. „Denn nur einer ist euer Meister, ihr Jesuiten wegs Priester werden, sondern „einfach alle aber seid Brüder.“ (Mt. 23,8) nur“ Jesuit. Möglicherweise lag es an mei- Dieter Müller SJ 17
Sch wer p unk t Als Sünder berufen „Was heißt Jesuit sein? … erfahren, dass man als Sünder trotzdem zum Gefährten Jesu berufen ist.“ Auf einem Workshop der Berufungspas- Kinder und Jugendliche auch in unseren toral der Jesuiten habe ich mich als Inte- Einrichtungen – ja sogar durch Mitbrüder ressent einst mit dieser Aussage aus dem selbst – unfassbares Leid erfahren haben. 2. Dekret der 32. Generalkongregation (1975) beschäftigt. Die Frage ist ja eine Am Aloisiuskolleg wurde ich unmittelbar zentrale – gerade, wenn man in diesen Or- mit dieser Tatsache konfrontiert. Kann den eintreten will! Die schon gesetzte Ant- man dort noch einfach so arbeiten, wo wort überraschte mich zunächst, und dann das geschehen ist, worüber Zeitungen und kamen Gedanken, dass wir ja alle Sünder aufklärende Berichte geschrieben haben? sind, Fehler machen, uns Heilung erbitten Nein, einfach so kann man das nicht. Es dürfen, und sie uns von Gott geschenkt verändert einen selbst, im Umgang mit den wird – durch die Begegnung mit Jesus, al- Menschen und mit Gott, im Reden und im lein aus seiner Liebe heraus. Dieses Grund- Beten. Und doch kann man dort arbeiten, Jesuit sein heute? Gerade heute! axiom unseres Glaubens stelle ich nicht in in einem engagierten Team motivierter Frage. Es ist Hoffnung für mich, und doch Mitarbeiter, die nicht einfach so weiter- inzwischen auch eine Herausforderung. machen wollen – aber dennoch weiterma- chen, vorankommen wollen. Menschen, Die Jesuiten schreiben, dass Berufung und die nicht erneut die Augen und Ohren ver- Sünde irgendwie zusammen hängen: eine schließen. Sünde, die am Ende konkret und strukturell Heute bin ich dankbar dafür, dass es im vorhanden ist. Sichtbar, schmerzhaft und mit Orden Mitbrüder gibt, die Opfern Glau- Tränen behaftet. Nicht nur für uns, sondern ben schenken. Endlich duften Opfer reden, n auch für unsere Mitmenschen; jene, für die sie wurden gehört und das unerträgliche November 2014 wir da sein wollen und durch die wir Gott lo- Schweigen ist gebrochen. ben, wenn wir ihren Seelen helfen. Mich trägt tatsächlich die Hoffnung, dass In den vergangenen Jahren spürte ich über- wir als Sünder trotzdem zu Gefährten Jesu n deutlich, was es heißt, dass wir als Orden berufen sind; aber auch unsere gemeinsame Jesuiten von einer tatsächlichen Sünde sprechen Anstrengung und Mühe, die es kostet, dass müssen. Weniger aus Angst, weil unser wir als Orden mit dieser Sünde leben und so 18 Heil in Gefahr sei. Nein, sondern weil es vielleicht ein Stück weit ehrlicher sind. anderen womöglich schwer fällt, an Gottes oder der Menschen Liebe zu glauben, weil Marco Hubrig SJ
Etappen auf unserem Weg Noviziat Magisterium (Praktikum) Als Novize prüfe ich meine Berufung. Da- Bis Juli 2014 habe ich im Internat des für sollte ich sie eigentlich schon kennen. Aloisiuskollegs gearbeitet; zusammen mit Aber sie zeigt sich mir erst langsam: Zu An- einigen Kollegen war ich Pädagoge in der fang meines Noviziatsprozesses erschrak Sekundarstufe I. Kein einfacher Ort. Hier ich, wie sehr es doch ursprünglich meine am Ako sah ich auch die Abgründe des- Wunden und Ängste waren, die mich ver- sen, wozu Menschen fähig sind. Hier, wo steckt auf diesen Weg geführt hatten – und junge Menschen zutiefst verletzt wurden somit nicht Gott?! Für Gott ist das wohl – hier sollte ich arbeiten. Und ich woll- eine falsche Alternative. Ich glaube, er hat te es auch! Ein Exot – als einziger Jesuit mich nicht trotz, sondern durch, ja wegen im Internat. Konkrete Berufungsfragen meiner Schwächen hierher gerufen. Mei- stellen sich Jugendliche in diesem Alter ne Schwachheit ist ihm doch am Liebsten. nicht. Aber deswegen war ich auch nicht Gottes Sohn selbst ist schließlich auch am dort – nicht um Jugendliche zum Or- Kreuz gestorben. Jetzt, nach einem Jahr, densleben zu bewegen, wohl aber zum staune ich dankbar, dass nicht nur er sich Leben! Präsent sein, da sein; zuhören und mir, sondern mehr und mehr auch ich die Jugendlichen wachsen lassen. Ich war mich ihm schenken darf und möchte: in leidenschaftlich gern dort. Inzwischen der Nachahmung Jesu. Ihm, das heißt bin ich in Rom, studiere Psychologie und Jesuit sein heute? Gerade heute! auch: Ihm in Anderen. Welch Geschenk, mache eine Ausbildung zum Therapeuten. dass ich mich ihm schenken kann! Ganz- Mich trägt die Beziehung zu Jesus – und selbstschenkung von beiden Seiten – das ist der Orden, in dem wir alle Freunde im es, was wir Liebe nennen, oder? Herrn sind. Moritz Kuhlmann SJ Marco Hubrig SJ © SJ-Bild/Ender Jesuiten n November 2014 n 19
Sch wer p unk t heute! © SJ-Bild/Bostelmann Theologiestudenten bei einer Vorlesung Jesuit sein heute? Gerade Aufbaustudium eher zum „Dozieren“. In dieser Spannung Getting real. Was mich zurzeit als Jesuit erlebe ich jedoch, was es bedeutet, an ei- am meisten antreibt, ist die Frage danach, nen lebendigen Gott zu glauben. Denn wie mein Glaube konkret wird. Geistlich „der Glaube kommt vom Hören“. gesehen geht es um den Begriff der Inkar- Ich bin so alt, wie Jesus es war, als er nation – der „Fleischwerdung Gottes“. Ich Jünger um sich scharte und Tausenden n bin 31 und studiere seit einem Jahr „Pasto- von Menschen predigte. Und ich bin so November 2014 ral Counseling“ in Chicago. Zwei weitere alt wie wohl einige seiner besten Freun- stehen noch aus. Das waren genau die Le- de in jenen Tagen. Aus diesem Bewusst- bensjahre Jesu, die uns in den Evangelien sein heraus versuche ich jeden Tag neu, überliefert werden. Und ich studiere. Mit mit meinem Leben hörend eine Antwort n Leidenschaft. In meinem Studium lerne zu geben. Jesuiten ich, wie heilsam es ist, achtsam zuzuhö- ren. Dabei neige ich von meinem Naturell Simon Lochbrunner SJ 20
Tertiat Unruhestand Das Tertiat – Schule des Herzens oder Was mich heute bewegt! Dritte Prüfungszeit – ist eine Zeit, in der In der Karl-Rahner-Akademie hatte ich sich ein Jesuit am Ende seiner Ausbildung das große Glück, mit Referenten unter- einige Monate lang unter speziellen Be- schiedlichster Weltanschauungen zu ar- dingungen erneut die Frage stellt, ob es beiten. Das Konzil hatte uns die Möglich- eine gute Wahl war, Jesuit geworden zu keit zum Dialog innerhalb und außerhalb sein. Zusammen mit elf lateinamerika- der Kirche geöffnet. Ich wurde gezwun- nischen „Tertiariern“ durchlebte ich auf gen, weit über den Horizont dessen zu Kuba eine Herzensschule der besonderen denken, was wir in unseren Studien ge- Art. Die Wärme und Gastfreundschaft, lernt hatten. mit der mir viele Ku- baner begegneten, bildeten eine tief- greifende Erfahrung. War es eine gute Wahl, Weit tiefer ging aber Jesuit geworden zu sein? die Begegnung mit dem Glauben vieler Menschen, der die fast vierzigjährige systematische Unter- Was mich in diesen Jahren geprägt hat, das drückung christlichen Lebens in dieser lebe ich noch heute. Immer wieder wer- kommunistischen Diktatur wie durch ein de ich zu Vorträgen über Theologie und Wunder überstanden hat und sich gerade Philosophie eingeladen. Die zeitweilige bei den Ärmsten in all seiner schöpferi- Resignation aufgrund restaurativer Kräf- schen Kraft behauptet: das Gesicht des te in der Kirche scheint mir durch Papst Menschen, der alles von Gott erhofft und Franziskus wieder einer neuen Hoffnung alles von Gott erhält. Da Jesuit sein auch zu weichen. Aufgrund des Vertrauens, das eine Einübung in diese Haltung ist, haben mir von vielen Menschen geschenkt wur- gerade meine Erfahrungen auf Kuba diese de und wird, werde ich immer wieder ge- Wahl bestätigt. fragt, wie man heute noch glauben kann. Wege einer Antwort sind mir die Ignati- Jan Roser SJ anischen Exerzitien. Gerne bin ich bereit zu geistlicher Begleitung. Nicht zuletzt nutze ich die Möglichkeiten zur Glau- bensverkündigung in den Gemeinden. Alfons Höfer SJ 21
Ge i s tli ch er Imp u l s Von den Prioritäten Jeder Mensch hat täglich mit den Priori- Hans Magnus Enzensberger hat die Situ- täten zu kämpfen, so ist mein Eindruck. ation vieler Menschen sehr deutlich in Ständig drängt sich etwas in den Vorder- seinem Gedicht „First Things First“ zur grund, nimmt Zeit und Raum ein, so dass Sprache gebracht: es dann Mühe macht, die Dinge zu ord- nen und nicht die Übersicht zu verlieren. „Grundsätzlich haben wir nicht Seit Jahren hilft mir da eine Stille Zeit am viel einzuwenden Morgen, vor Beginn der Arbeit. Ich neh- gegen Fegefeuer, Reinkarnation, Paradies. me dazu das Evangelium des Tages und Wenn es sein muss, bitte! oft meinen Terminkalender. Der Blick in Vorläufig allerdings den Kalender löst dann nicht unbedingt haben wir andere Prioritäten. Ruhe aus, im Gegenteil, es kommt eher ein Gefühl der Ratlosigkeit, wie man das Um das Katzenklo, den Kontostand dann alles schaffen soll und wann noch et- und die unhaltbaren Zustände auf der Welt was vorbereitet werden kann. Das stimmt. müssen wir uns unbedingt kümmern, Aber dann bringe ich das alles – das drän- ganz abgesehen vom Internet gende Chaos, die Unübersichtlichkeit und und von den Wasserstandsmeldungen. die eigene Mühe vor Gott und bitte um Hilfe. Und am Ende der Stillen Zeit habe Manchmal wissen wir nicht mehr, Jesuit sein heute? Gerade heute! ich oft erlebt, dass sich die Dinge geordnet wo uns der Kopf steht haben. Ich weiß dann auch, womit ich an- vor lauter Problemen. fangen muss. Immerzu stirbt jemand, dauernd wird jemand geboren. Das klingt vielleicht etwas simpel und naiv, vielleicht auch fromm. Wer es aber Da kommt man gar nicht richtig dazu, einmal versucht, wird feststellen, wie sich Gedanken zu machen schwierig es ist, wie viel es an innerer Dis- über die eigene Unsterblichkeit. ziplin verlangt und auch, was es an Kraft Erst einmal ein rascher Blick n kostet. in den Terminkalender, November 2014 dann sehen wir weiter.“ (Aus: Leichter als Luft. n Moralische Gedichte. Frankfurt, 1999) Jesuiten 22
Weil die letzten Fragen über Geburt und © Stefan Weigand Tod weit nach hinten verschoben werden oder einfach hinten herunterfallen, sind die Prioritäten durcheinander geraten. Banales, Alltägliches hat die vorderen Plätze belegt. Wirklich wichtig aber ist die Frage: Wofür will ich leben und arbeiten und meine Energie einsetzen? Die Ant- wort von Ignatius von Loyola lautet: „Der Mensch ist geschaffen, um Gott zu loben und zu ehren.“ Er setzt also Gott an die erste Stelle seines Lebens und dadurch hat er eine Ordnung gefunden. Alles andere kommt dann von selbst an seinen Platz. Und er fährt fort: „Die übrigen Dinge auf dem Angesicht der Erde sind für den Menschen geschaffen und damit sie ihm bei der Verfolgung des Ziels helfen, zu dem er geschaffen ist.“ Konkrete Anregungen: • Sie können Gott um seine Hilfe in der täglichen Ordnung bitten und um die Unterscheidung vom Wichtigen und Unwichtigen. Sie werden Hilfe bekom- men. • Womit fangen Sie den Tag an? Ent- spricht dieser Anfang dem, was Ihnen das Wichtigste ist? • Ein Blick in einige biblische Texte kann weiterhelfen: Psalm 127; Buch der Sprü- che 10,22; Jesus Sirach 11,11. Evangeli- en: Mt 6,25-34; Lk 12,13-21. Christoph Kentrup SJ 23
2 0 0 Jah r e W i ed ererr i c htu n g d es Jesu i t en o rd en s (1814-2014) Vom Sie zum Du Der Wandel des Lebensstiles im Orden Nach dem Schock des Verbotes des Or- am Glauben“, sondern auch „Förderung dens durch den Papst (1773) musste die der Gerechtigkeit“. Dies alles fasste der Gesellschaft Jesu nach ihrer allgemeinen Generalobere Pedro Arrupe SJ gut in Wiedererrichtung durch den Papst vor dem Wort zusammen: Der Jesuit ist ein 200 Jahren (1814) zuerst einmal gleich- „Mensch für andere“. Pater Arrupe führte sam zu sich selbst finden, ihren Stil in diesen Wandel im Selbstverständnis des Leben und Apostolat entwickeln. Und der Jesuiten und in der apostolischen Ausrich- war im 19. und beginnenden 20. Jahrhun- tung des Ordens trotz der Schwierigkei- dert relativ Rom hörig („ultramontan“) ten, die das mit sich brachte, konsequent und aszetisch geprägt. durch; wiederum ein Beispiel: die Grün- dung des „Jesuit Refugee Service“ 1980. Die gebotene Kürze motiviert mich, auf Arrupes Nachfolger als Generaloberer, den „Wandel der Lebensstile“ zu schau- Peter-Hans Kolvenbach SJ, hat bei aller en, den ich selbst seit 1948 im Orden er- unterschiedlichen Vorgehensweise diese fahren habe. Das geht über die deutsche Linie weiterverfolgt. Für mich ist dieser Ordensprovinz hinaus, hatte aber seine „Stil-Wandel“ am deutlichsten „personi- Auswirkungen auf sie. Ich denke da vor fiziert“ in Papst Franziskus. Ich habe mit Jesuit sein heute? Gerade heute! allem an die „Generalkongregation“ (GK), Jorge M. Bergoglio SJ während der GK das oberste gesetzgebende Gremium des 1974-75 drei Monate zusammengelebt. Ordens, das mehrheitlich aus gewählten Ich erlebe ihn jetzt als Papst. Ich kenne Ordensmitgliedern aus aller Welt besteht. ihn kaum wieder. Ein anderer Mensch, Ich habe an drei GK (1974-75, 1983, 1995) eben ein „Mensch für andere“. in Rom teilgenommen. Der Übergang „Vom Sie zum Du“ bei den Man braucht nur die Aussagen der vor- Jesuiten der deutschen Provinzen war sig- konziliaren, z.B. der Generalkongregation nifikanter Teil dieses von Konzil und GK n von 1957, mit denen der nachkonziliaren angestoßenen „Wandel des Lebensstiles“. November 2014 Generalkongregationen ab 1965-66 zu Als ich 1948 ins Noviziat kam, war das Sie vergleichen, um den inhaltlichen Wandel untereinander selbstverständlich. Selbst zu sehen. Die Gesellschaft Jesu definiert leibliche Brüder und Duz-Freunde muss- sich gleichsam neu. Alles nach dem kon- ten sich nach dem Eintritt in den Orden n ziliaren Impuls „zurück zu den Wurzeln“ siezen. Das blieb so noch etwa 15 Jahre. Jesuiten und zur „Verheutigung“ (Aggiornamen- to). Als Beispiel sei genannt die Erklärung Wie wurde das begründet? Die Satzungen 24 „Jesuiten heute“ und das Dekret „Unsere sprechen da sehr deutlich: „Jeder soll sich Sendung heute“: nicht mehr nur „Dienst darum bemühen, alle fleischliche Zunei-
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