Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...

 
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Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
MAGAZIN    MUSEUM FÜR NATURKUNDE BERLIN             # 2 2020

                Bedrohte
            Natur, bedrohte
           Menschheit: Wie die
          Krise zu einer Chance
            für Artenvielfalt
            und Klimaschutz
              werden kann

                                          In Kooperation mit
Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
„Alles ist Wechselwirkung. Nichts steht für sich allein,
ein gemeinsames Band umschlingt die ganze organische Natur.“
Alexander von Humboldt

                                                                                                                              Fotos: Carola Radke / MfN (Titel), Pablo Castagnola

  Ungeliebter Nützling. Zugegeben, auf den ersten Blick wirkt Eptesicus serotinus ein wenig abweisend. Die einheimische
  Breitflügelfledermaus ist jedoch ein unverzichtbarer Akteur für die Ökosysteme vor unserer Haustür – und für den Menschen
  vollkommen ungefährlich. In unserer Titelgeschichte ab Seite 10 lesen Sie, warum Fledermäuse gerade in der aktuellen
  Corona-Pandemie zu Unrecht gefürchtet werden. Das Exemplar auf dem Titel wurde übrigens 2017 von Detlef Wilborn,
  Präparator am Museum für Naturkunde Berlin, für die Ausstellung lebensecht präpariert.
Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
EDITORIAL                                  INHALT

                           Lesen Sie in dieser                   PRACHTSTÜCK

                           Ausgabe unseres Magazins          4 Die Grabwespe
                           FÜR NATUR, weshalb ein                   FORSCHEN
                           gesunder Planet und gesunde
                                                             6 Neues aus
                           Menschen zusammen                 Forschung und
                           gehören. Was müssen wir           Sammlung
                           tun, um die Krise als Chance
                           zu verstehen? Und wie sollte                 TITEL

                           eine verantwortungsvolle und      10 Das Virus
                           gemeinschaftliche Zukunft         als Chance
                           aussehen, um das globale                   WISSEN
                           Ökosystem Erde zu erhalten?       16 30.000.000
                                                             mal Natur
Wir hoffen, dass Sie,      Wenn Sie solche Fragen
liebe Leserinnen           bewegen, dann sollten                     P O R T R ÄT
                           Sie auch #fürNatur digital        18 Die
und Leser, mit den         kennen, unser Mitmach-            Zeitreisende
Herausforderungen          Angebot im Netz. Erleben
in der Coronakrise         Sie unsere 30 Millionen
                                                               B OT S C H A F T E R I N

                           Objekte zählende Sammlung,        21 Anja Karliczek
zurechtkommen.
                           probieren Sie mit uns
Die weltweite                                                  D I G I TA L I S I E R U N G
                           gemeinsam neue Formate            22 Insekten-
Pandemie zeigt uns,        aus, verfolgen Sie unsere         härchen und
dass die Themen            Livesessions oder lassen Sie      Saurierknochen
des Museums                sich virtuell durch das           in 3D
                           Museum führen und ent-
für Naturkunde                                                      KALENDER
                           decken Sie täglich die Vielfalt
Berlin aktueller                                             24 Natur für alle:
                           und Schönheit des Lebens.
                                                             # fürNatur digital
denn je sind …
                           Wir haben wieder für Sie            CITIZEN SCIENCE
                           geöffnet und freuen uns auf       28 Von Vögeln
                           Ihren Besuch!                     und Bienen
                           Bleiben Sie gesund!                     WA S T U N S I E
                                                                  F Ü R N AT U R …

                                                             31 Frau
                           Prof. Johannes Vogel, Ph. D.,     Friederichs?
                           Generaldirektor

                           Stephan Junker,
                           Geschäftsführer

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PRACHTSTÜCK

                             Wie prächtig sie ist,
mit ihrem grün-metallischen Schimmer, die
schillernde Schönheit Chlorion lobatum. Dass
die in Südostasien weit verbreitete Grillenwespe
zu den „Grabwespen“ gehört, erklärt sich durch
die kräftigen Kiefer, die zum Graben geeignet
sind, nicht durch eine Vorliebe fürs Morbide.
Wie sich Chlorion lobatum fortpf lanzt, ist aller-
dings speziell: Die Weibchen jagen Grillen und
lähmen sie mit dem Stich ihres Stachels. Dann
legen sie ein Ei darauf, und die Grille dient
der schlüpfenden Wespenlarve als Futter. Die
metallische Färbung geht auf Lichtbrechung
der Körperoberf läche zurück, sodass die Farbe
                                                     Foto: Bernhard Schurian / MfN

auch bei den Exemplaren in der Sammlung des
Museums für Naturkunde Berlin noch so hell
leuchtet wie bei lebendigen Tieren.
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FORSCHEN

Eine Schule
für of fene
Wissenschaft
Wie können Wissenschaftler*innen lernen, besser zu kommunizieren?
Wie können sie ihre Forschung in einen fruchtbaren Austausch mit
der Gesellschaft bringen? Welche Ansätze und Methoden offener
Wissenschaft gibt es und wie können sie Teil der wissenschaftlichen
Ausbildung werden? Mit diesen Fragen wird sich die „Berlin School
                                   of Public Engagement and Open
                                   Science“ des Museums für Natur-
                                   kunde Berlin, der Humboldt-Uni-
                                   versität zu Berlin und der Robert
                                   Bosch Stiftung beschäftigen. Sie soll
                                   Experimentierraum, Plattform sowie
                                   Aus- und Weiterbildungszentrum
                                   für neue Wege in der Wissenschafts-
                                   kommunikation sein. Das Motto
                                   lautet „learning by doing“: Wissen-
                                   schaftler*innen aus den Berliner
                                   Wissenschaftseinrichtungen können
Wissen
innovativ    hier ganz praktisch neue Ansätze und Formate für die
vermitteln:
Neue Ansätze
sind gefragt
             Zusammenarbeit von Wissenschaft, Gesellschaft und
             Politik erproben, zum Beispiel im Bereich Citizen Science.
Die School fördert so den wissensbasierten gesellschaftlichen Dialog
und den breiten Austausch über Themen der Forschung. Dieses
Jahr startet die dreijährige Pilotphase, eine Verstetigung ist geplant:
Die „Berlin School of Public Engagement and Open Science“ soll
Teil des Wissenschaftscampus für Natur und Gesellschaft sein, der in
den kommenden zehn Jahren in der Invalidenstraße entsteht.

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Sollbruch-
                                                                                                                                       stellen im
                                                                                                                                       Skelett: der
                                                                                                                                       Mesosaurier
                                                                                                                                       S terosternum
                                                                                                                                       tumidum

                                                                                                                                           Hightech-
                                                                                                                                           Rucksäcke für
                                                                                                                                           Fledermäuse
                                                                                                                                           Ein multidisziplinäres Forscherteam unter
                                                                                                                                           Leitung des Museums hat ein neues, inno-
                                                                                                                                           vatives Sensornetzwerk zur Ortung von Tieren
                                                               Konnten                                                                     entwickelt, um bislang unbeobachtete
                                                                                                                                           Verhaltensweisen zu untersuchen. Mit einem
                                                               die ältesten                                                                Gewicht von ein bis zwei Gramm können

                                                               Meeresreptilien
                                                                                                                                           diese Halsband- oder Rucksack-Minicomputer
                                                                                                                                           mehrere Wochen Daten senden. Die Forscher*-

                                                               ihren Schwanz
                                                                                                                                           innen haben das neue System an Fleder-
                                                                                                                                           mäusen getestet, da sie klein sind und sich

                                                               abwerfen?
                                                                                                                                           schnell in dichter Vegetation bewegen – beides
                                                                                                                                           Herausforderungen für drahtlose Bio-Logging-
                                                                                                                                           Netzwerke. Sie markierten Vampirfledermäuse
                                                               Neue Einblicke in die frühe Evolution von Wirbel-                           in Panama, um deren soziale Netzwerke zu
                                                               tieren: Ein internationales Team von Forschenden                            erfassen. In einem alten Laubwald in Deutsch-
                                                               unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin                             land untersuchten sie mit der Technik das
                                                               hat die Schwanzanatomie von fossilen Meso-                                  Jagdverhalten von Mausohrfledermäusen.
                                                               sauriern, den ältesten bekannten Meeresreptilien,                           Bei Großen Abendseglern gelang eine Fern-
                                                               untersucht. Sie lebten vor etwa 278 Millionen                               ortung über mehr als vier Kilometer Entfernung.
                                                               Jahren in einem Binnenmeer in Südamerika und            Stört gar nicht.    Derzeit wird getestet, ob die Lebensraum-
                                                               Afrika, als diese Kontinente noch als Teil des          Dieser Mini-        nutzung von Zauneidechsen Lacerta agilis
                                                                                                                       rucksack sendet
                                                               Superkontinents Pangäa miteinander verbunden                                entlang von Zuggleisen in Deutschland erfasst
                                                                                                                       Daten an For-
                                                               waren. Mesosaurier waren die ersten Reptilien           schende – zum       werden kann. Weitere Studien könnten Nage-
                                                               in der Erdgeschichte, die nach der Eroberung des        Beispiel über das   tiere, Singvögel oder sogar große Insekten
                                                                                                                       Jagdverhalten
                                                               Landes zu einer vollständigen Lebensweise im            von Mausohr-        wie Hirschkäfer, Großes Heupferd oder Toten-
                                                               Wasser zurückgekehrt sind. Die Forscher unter-          fledermäusen        kopfschwärmer untersuchen.
Fotos: Thomas Rosenthal, Carola Radke / MfN, Simon Ripperger

                                                               suchten ein umstrittenes Merkmal der Mesosaurier,
                                                               das bisher wenig Beachtung gefunden hat: Ihre
                                                               fossil überlieferten Schwanzwirbel weisen Struk-
                                                               turen auf, die Schwachstellen im Schwanz einiger
                                                               heute lebender Wirbeltiere ähneln. Diese Sollbruch-
                                                               stellen ermöglichen in Gefahrensituationen das
                                                               Abwerfen des Schwanzes, um fliehen zu können.
                                                               Die Sollbruchstellen in den Mesosaurier-Schwanz-
                                                               wirbeln stellen wahrscheinlich ein evolutionäres
                                                               Relikt dar, das sie von ihren landlebenden Vorfahren
                                                               beibehalten hatten, aber nicht tatsächlich verwen-
                                                               deten: Die Meeresreptilien benötigten den Schwanz
                                                               nämlich zum Schwimmen. Die Untersuchungen
                                                               sind wichtig für das Verständnis, wie sich Gliedmaßen
                                                               im Laufe der Evolution regeneriert haben, und
                                                               können medizinische Forschungen unterstützen.

                                                                                                                       7
Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
Ein Vorbild
                                                                                    für Forschungs-
                                                                                    museen
                                                                                    in der Welt
                                                                                    Eine hochkarätige inter-
                                                                                    nationale Sachverständi-
                                                                                    genkommission bestätigt:
                                                                                    Das Museum für Natur-
                                                                                    kunde Berlin, Leibniz-
                                                                                    Institut für Evolutions- und
                                                                                    Biodiversitätsforschung,
                                                                                    ist „sehr gut bis exzellent“
                                                                                    in allen drei Bereichen –
                                                                                    Forschung, Infrastruktur
                                                                                    und Wissenstransfer.
                                                                                    Im Bewertungsbericht wird
                                                                                    das Forschungsmuseum
                                                                                    als treibende Kraft in der
                                                                                    internationalen Museums-
                                                                                    landschaft und als global
                                                                                    sichtbares Vorbild be-
                                                                                    schrieben. Der Zukunfts-
Schau mir ins Maul.                                                                 plan des Museums für
Der Abbau von Tristan
O tto war auf wendig –                                                              Naturkunde Berlin wird
aber ungefährlich.
Rechts: die Direktoren                                                              als richtungsweisend und
der beiden beteiligten
Museen Peter C. Kjærgaard                                                           stark zukunftsorientiert
(li.) und Johannes Vogel
                                                                                    bewertet. „Wir freuen uns
                                                                                    sehr über diese ausge-
    In 30 Kisten
                                                                                                                   Fotos: Carola Radke / MfN (2), Hwa Ja-Götz / MfN (2)
                                                                                    wogene und aufschluss-
    nach Kopenhagen                                                                 reiche Bewertung der hoch-
    Tristan Otto, der original Tyrannosaurus rex im Museum für Naturkunde Berlin,
                                                                                    karätigen Kommission und
    ist nicht nur ein Besuchermagnet; er ist auch ein herausragender Botschafter    insbesondere über die An-
    für Wissenschaft und Forschung. Die nächsten Monate wird Tristan Otto in        erkennung der Leistungen
    Dänemark Werbung für die Forschung machen – bei den geschätzten Kollegen
    des Statens Naturhistoriske Museum, dem Naturkundemuseum in Kopen-              des gesamten Teams am
    hagen. Denn an diesem spektakulären Ausstellungsobjekt lässt sich Forschung     Museum“, sagt Johannes
    wunderbar sichtbar machen. Hier wird deutlich, dass Institutionen wie das
    Berliner Naturkundemuseum auch und vor allem Forschungseinrichtungen sind.
                                                                                    Vogel, Generaldirektor des
    Bis bald, Tristan Otto!                                                         Museums für Naturkunde.

                                                                  8
Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
Klimawandel – aus der
                                      Vergangenheit lernen
                                      Vor 182 Millionen Jahren,          haben Paläontologen des         poden starben in der Anfangs-
                                      während der Jurazeit, gab es       Museums für Naturkunde          phase der Erwärmung aus.
                                      eine außergewöhnlich heiße         Berlin und britische Kollegen   An ihre Stelle trat eine klein-
                                      Phase, in der sich auch die        die Körpergröße von Brachio-    wüchsige Art, die unter den
                                      Ozeane deutlich erwärmten.         poden einzelner Meeres-         extremen Bedingungen über-
                                      Diese Treibhausphase hielt         bereiche Südeuropas             lebensfähig war. Am Ende
                                      mehrere hunderttausend             untersucht. Brachiopoden        der heißen Phase hatten sich
                                      Jahre an, mit einer durch-         sind Meerestiere, die den       komplett neue Lebens-
                                      schnittlichen Ozeanerwär-          Muscheln ähneln, aber einen     gemeinschaften entwickelt.
                                      mung von 3,5 Grad Celsius          eigenständigen Tierstamm        Mit Blick auf die aktuelle
Reagierten                            und Spitzenwerten von über         bilden; sie werden auch         Ozeanerwärmung wäre eine
empfindlich auf
                                      fünf Grad Celsius. Welche          Armfüßer genannt. Es zeigt      ähnliche Ausbreitung klein-
Ozeaner wärmung:
die muschelähn-                       Auswirkungen hatte dieser          sich: Der Temperaturanstieg     wüchsiger invasiver Arten ein
lich aussehenden                      Klimawandel auf den Arten-         hatte gravierende Folgen.       sehr alarmierendes Zeichen
Brachiopoden
                                      reichtum in den Meeren?            Sämtliche vor der Erwärmung     für die fortschreitende Klima-
                                      Um das herauszufinden,             lebende Arten von Brachio-      erwärmung.

    Wir trauern
    um den Chinesischen Schwertstör
    Psephurus gladius, Sammlungsnummer ZMB 11002, besser bekannt als ‚Chinesischer Schwert-
    stör‘, ist eines der wertvollsten Exemplare der Fischsammlung des Museums für Naturkunde
    Berlin. Im Jahre 2010, als der Ostflügel mit den Nass-Sammlungen als Forschungsinfrastruktur
    eröffnete, galt der Chinesische Schwerstör bereits als fast unrettbar. 2020 wurde er nun offiziell
    als ausgestorben erklärt.
         Wir sind mitten im sechsten großen Artensterben in der Erdgeschichte. Das Exemplar in
    der Nass-Sammlung ist für alle Zeiten und für jeden sichtbar als Mahnung und Forschungsobjekt
    konserviert: Es muss mehr getan werden – für Natur. Der Berliner Zoologe Eduard von Martens
                                                                                                                  Mahnung:
    hatte diesen Fisch 1861 „im Hause eines Chinesischen Fischhändlers zu Woosung“ im                             Der Chinesische
    Zuge der Preußischen Ostasienexpedition erstmals für die westliche Wissenschaft entdeckt.                     Schwertstör in der
                                                                                                                  Nass-Sammlung
    In seiner Beschreibung erkannte er die nahe Verwandtschaft zum Amerikanischen Gegenstück,                     des Museums für
    dem Löffelstör Polyodon spathula aus dem Mississippi.                                                         Naturkunde Berlin

                                                                     9
Bedrohte Natur, bedrohte Menschheit: Wie die Krise zu einer Chance für Artenvielfalt und Klimaschutz werden kann - Museum für ...
Per Echoor tung
                                   durch die
                                 Dunkelheit:
                             Eine heimische
                              Fransenfleder-
                            maus auf nächt-
                           licher Beutejagd

„Zukunft
 geht nur mit
 der Natur,
 nicht gegen sie“
       Text Mirco Lomoth
TITEL

                                                 Viren, Fledermäuse, Ökosysteme –                                                stehung neuer Arten haben kann. Sie sammelt
                                                                                                                                 DNA- und Stimmproben, begleitet Jungtiere von
                                                 die Themen des Museums für Naturkunde                                           Geburt an und fiebert mit, wenn sie ihre ersten
                                                 Berlin sind aktueller denn je. Gerade                                           Nachtflüge alleine unternehmen. Doch auch die-
                                                                                                                                 se Feldforschung muss jetzt ruhen.
                                                 in der Coronakrise will das Museum zum
                                                 Nachdenken anregen und lädt verstärkt                                           Der Mensch träg t
                                                 zum digitalen Austausch                                                         eine Mitverant wor tung
                                                                                                                                 Knörnschild nutzt die Zeit, um vom Sofa über
                                                                                                                                 ihre Forschungslieblinge aufzuklären – und das

                                                 A
                                                                                                                                 Herz der Menschen zu gewinnen. Sie erzählt
                                                               n diesem Montagnachmittag im             „Wir                     ihnen von der Hummelfledermaus, die gerade
                                                               April hält die Fledermausforscherin      brauchen                 mal zwei Gramm wiegt, von Brabbelphasen bei
                                                               Mirjam Knörnschild zum ersten Mal                                 Fledermausbabys und Fledermausgreisen, die 40
                                                                                                        eine neue
                                                               einen Vortrag in ihrem Wohnzim-                                   Jahre und älter werden. Sie rechnet vor, wie viele
                                                               mer. Das Museum für Naturkunde           Bescheiden-              Schädlinge sie vom Himmel fressen, und berich-
                                                 Berlin ist zu diesem Zeitpunkt seit sechs Wochen       heit und                 tet, dass ihr Erbgut wichtige Erkenntnisse für den
                                                 geschlossen, Knörnschild arbeitet vom Homeof-          die Einsicht,            Kampf gegen Krebs enthalten könnte. Dass sie
                                                 fice in Nikolassee aus. 62 Menschen haben sich         dass wir                 aber auch viele Krankheitserreger in sich tragen,
                                                 vor ihren Laptops versammelt, um ihr zuzuhören.        doch nicht               darunter Tollwut- und eben Coronaviren.
                                                 Sie sitzen vor schwer behangenen Wäschestän-                                         „Es ist gut belegt, dass ein Vorläufer des aktu-
                                                                                                        so viel kon-
                                                 dern, gut bestückten Buchwänden oder im licht-                                  ellen Coronavirus irgendwann einmal in Fleder-
                                                 durchfluteten Altbau-Erker. Bei anderen ist nur        trollieren               mäusen war“, sagt Knörnschild. Dennoch gebe es
                                                 der Profilname zu sehen: Michael 007, Iva, Martin,     können“                  keinerlei Hinweise für eine direkte Ansteckungs-
                                                 Anke, Sophia ... In normalen Zeiten wären diese                                 gefahr für Menschen. „Es braucht vermutlich ei-
                                                 Leute vermutlich in die Invalidenstraße gekom-                                  nen Zwischenwirt, der das Virus mutieren lässt
                                                 men. Jetzt, in Zeiten des Infektionsschutzes, finden                            und seine Anzahl erhöht, damit ein Mensch sich
                                                 alle Veranstaltungen des Museums für Naturkun-                                  infizieren kann“, sagt sie. Dieser Zwischenwirt
                                                 de Berlin mit virtuellem Sicherheitsabstand statt.                              wurde bisher nicht eindeutig identifiziert. Im
                                                      Myotis auriculus erscheint auf den Bildschir-                              Gespräch sind Schuppentiere, die auf chinesi-
                                                 men, eine mexikanische Fledermausart, die mit                                   schen ‚wet markets‘ lebend verkauft werden, wo
                                                 ledernen Schwingen in die Wohnzimmer hinaus                                     Mensch und Tier so eng zusammenkommen, dass
                                                 zu flattern scheint – ein faszinierender Anblick,                               ein „Spillover“ begünstigt werde, also der Sprung
                                                 aber auch ein wenig bedrohlich. Genau deswegen                                  von Viren über Artengrenzen hinweg. Aber auch
                                                 hat Mirjam Knörnschild ihr Vortragsthema ge-                                    chinesische Pelzfarmen, in denen Marder unter
                                                 wählt. Sie will über Fledermäuse sprechen, weil                                 schlimmen Bedingungen massenhaft gehalten
                                                 diese im dringenden Verdacht stehen, Ursprungs-                                 werden, kämen als Übertragungsort infrage.
                                                 wirte des Coronavirus zu sein, sein „Reservoir“                                 Auch wenn vieles noch im Dunklen liege, klar
                                                 also, wie es die Wissenschaft nennt. Und, weil                                  sei schon jetzt, dass der Mensch eine große Mit-
                                                 viele Menschen sie dafür pauschal verurteilen.                                  verantwortung für diese Pandemie trägt.
                                                 Knörnschild, Zoologin am Museum für Natur-                                           Knörnschilds Video-Vortrag endet mit einer
Fotos: Florian Gloza-Rausch, Hwa Ja-Götz / MfN

                                                 kunde Berlin, will das so nicht stehen lassen.                                  Botschaft, die viel weiter reicht als bis zum Ur-
                                                 „Es gibt ein großes Unwissen in Bezug auf Fleder-                               sprung des Coronavirus: Wir können künftige
                                                 mäuse, wodurch leicht die Neigung entsteht, sie        Mirjam Knörnschild       Pandemien vermeiden, indem wir unsere Um-
                                                 gruselig zu finden“, sagt sie. „Dabei sind es hoch-    Als Leiterin der         welt besser schützen und verstehen. Indem wir
                                                 intelligente und sehr soziale Tiere, vor denen         Arbeitsgruppe            Lebensräume von Wildtieren bewahren und
                                                                                                        Verhaltensökologie
                                                 man auch jetzt keine Angst haben muss.“                und Bioakustik           intensiv nach Zwischenwirten fahnden, um her-
                                                      Eigentlich forscht Knörnschild im Regenwald       am Museum für            auszufinden, welche Mensch-Tier-Kontakte wir
                                                                                                        Naturkunde Berlin
                                                 von Costa Rica und Panama. Sie beobachtet die          erforscht die
                                                                                                                                 wirklich vermeiden müssen – statt Fledermäuse
                                                 tagaktive Große Sackflügelfledermaus, um her-          habilitier te Zoologin   unter Generalverdacht zu stellen.
                                                 auszufinden, wie diese Art Sprache, Gesang und         die kommunikati-              „Für mich wirkt es so, als hätte uns die Welt
                                                                                                        ven und kognitiven
                                                 sogar Dialekte durch soziale Kontakte erlernt          Fähigkeiten              aufs Zimmer geschickt, damit wir darüber nach-
                                                 und welchen Einfluss diese „Kultur“ auf die Ent-       von Fledermäusen.        denken, was wir auf diesem Planeten so treiben“,

                                                                                                                 11
sagt Knörnschild nach ihrem Vortrag. „Wir brau-        „Wir                  die heute milliardenschwere Industrieunterneh-
chen eine neue Bescheidenheit und die Einsicht,        können                men oder Banken leiten, sehen scheinbar keine
dass wir doch nicht so viel kontrollieren können,                            Notwendigkeit, sich über Evolution und natür-
wie wir immer denken.“ Ihre digitale Vortragsreihe
                                                       Wirtschaft            liche Prinzipien Gedanken zu machen. Das
will sie fortsetzen und darin auch in die wissen-      und Gesell-           macht mich traurig und unheimlich ärgerlich
schaftliche Tiefe gehen. „Ich habe das Gefühl,         schaft nicht          zugleich. Es ist ein ökonomisches System ent-
dass die Menschen jetzt offener für komplexere          länger so             standen, das von einem kleinen Virus umgebla-
Themen sind, weil sie sich selbst in einer kom-        gestalten,            sen wird wie das Haus im Märchen vom Wolf
plexen Situation befinden, das sollten wir uns für     als gäbe              und den Schweinchen! Wozu werden diese Leute
Nach-Pandemie-Zeiten erhalten.“                                              denn bezahlt, wenn sie keine widerstandsfähigen
                                                       es die Natur          Systeme bauen können? Wir werden uns im Mu-
                                                       gar nicht“            seum wohl überlegen müssen, Kurse in adaptiv-

E
                                                                             dynamischem, eben evolutionärem Denken, für
            in neues Videochat-Fenster öffnet sich.                           Führungskräfte anzubieten. Wir können unsere
            Museumsdirektor Johannes Vogel er-                               Wirtschaft und Gesellschaft nicht länger so ge-
            scheint. Er sitzt im roten Fleece und                            stalten, als gäbe es die Natur gar nicht. Wir sind
            mit seinem markanten Zwirbelbart in                              ja Teil der Natur, auch wenn wir glauben, dass
            seiner Küche, vor sich ein Laptop, hin-                          wir uns weit davon entfernt haben.
ter sich eine Tapete mit Blättermuster. Töpfe und
Pfannen hängen an der Wand. Auch er ist Ende                                 Vieles deutet ja darauf hin, dass die aktuelle
April noch im Homeoffice, bei seiner Familie                                   Pandemie auch aus unserem ausbeuterischen
nahe dem englischen Harwich, nordöstlich von                                 Umgang mit der Natur entstanden ist. Rächt
London, etwa zwölf Zugstunden von Berlin ent-                                sich die Natur jetzt bei uns?
fernt. Er hält seine Laptopkamera ans Fenster:                               Natur hat keinen Sinn und Zweck. Aber je mehr
Eine Märchenlandschaft ist zu sehen, ein blauer                              wir uns an der wilden Natur ‚verköstigen‘, desto
Himmel, Schäfchenwolken und das Meer.                                        wahrscheinlicher ist, dass Erreger wie das Corona-
                                                                             virus in uns eindringen können. Das ist ein
Herr Vogel, gehen Sie viel raus in die Natur in                              Nummernspiel. Wir sind jetzt acht Milliarden
diesen Tagen?                                                                Menschen, die müssen alle etwas essen, fast zwei
Ja, ich habe das große Glück, hier an einem Vogel-                           Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu
schutzgebiet für Wattvögel und migrierende Zug-                              sauberem Trinkwasser – das ist ein Viertel der
vögel zu wohnen, wir gehen viel spazieren, wenn                              Menschheit. Wenn die verseuchtes Wasser trinken
ich nicht gerade am Bildschirm sitze. Das tut gut,                           oder sich ein Schuppentier aus dem Busch holen,
die Sonne scheint und der Wind pfeift. So intensiv                           dann kann das dazu führen, dass Erreger in unse-
habe ich das Erblühen und Erwachen der Natur                                 re Körper gelangen. Genauso, wenn wir Lebens-
noch nie erlebt! Und die Verlangsamung führt zu                              räume zerstören und wilde Tiere sich häufiger in
einer anderen Qualität des Nachdenkens.                                      menschlichen Siedlungen aufhalten, wodurch das
                                                                             Risiko für Krankheitsübertragung steigt.
Was bewegt Sie denn gerade?                            Johannes Vogel
Ich bin Wald- und Wiesenbotaniker und verfolge         ist seit 2012         Naturschutz könnte also auch eine Art Gesund-
                                                       Generaldirektor
gerade, wie die Schlehenbüsche blühen. Schlehen        des Museums für       heitsvorsorge sein?
tragen ihre Blüten hier über sechs Wochen, weil        Naturkunde            Wir können für den Menschen nichts Besseres
sie immer damit rechnen müssen, dass Fröste            Berlin, zugleich
                                                                             tun, als auf die Natur aufzupassen, ja. Das würde
                                                       Professor
ihr Fruchten verhindern. Das zeigt einem, wie          für Biodiver sität    aber einen wirklich achtsamen Umgang mit
variabel die Natur ist, um sich gegen verschie-        und Wissenschafts-    der Erde bedeuten. Stattdessen haben wir in
                                                       dialog an der
dene Unbilden zu schützen. Und dabei denke ich         Humboldt-Univer-
                                                                             Europa und Deutschland einen Lebensstil, der
an die aktuelle Krise. Wer die Natur beobachtet,       sität zu Berlin.      die Rohstoffe von dreieinhalb Erden bräuchte,
weiß, dass sie Prinzipien wie Variabilität, Vielfalt   Er ist Mitglied des   wenn er auf alle Menschen übertragen würde.
                                                       Hightech-Forum
und Resilienz sozusagen in ihrer DNA verankert         der Bundesregie-      Wir leben auf der Grundlage eines potenziell
hat, während die Ökonomie jetzt mit einem Mal          rung, Vorsitzender    ruinösen Kredits! Gleichzeitig haben wir die
                                                       der European
bemerkt, dass es sinnvoll sein könnte, mehr als        Citizen Science
                                                                             technischen Möglichkeiten, eine nachhaltige
nur einen Zulieferer zu haben ...                      Association und       und zirkuläre Ökonomie zu schaffen. Warum
                                                       leitete die Open      werden Vorstände der Automobilindustrie denn
                                                       Science Poli cy
Heißt das, wir sollten von der Natur lernen?           Platform der EU       nicht daran gemessen, die nachhaltigste Mobi-
Ja, aber leider passiert das nicht genug. Zu viele,    Kommission.           lität bereitzustellen?

                                                              12
Die Bilder
                                                                                                                                                     des New Yorker Foto -
                                                                                                                                                   grafen J Henr y Fair wirken
                                                                                                                                                 auf den ersten Blick faszinie-
                                                                                                                                                rend und erinnern an abstrakte
                                                                                                                                               Kunst. Sie zeigen jedoch massive
                                                                                                                                                  Einflüsse des Menschen auf
                                                                                                                                                die Umwelt. In der Sonderaus-
                                                                                                                                                  stellung ARTEFAKTE waren
                                                                                                                                                  die Bilder 2019 im Museum
                                                                                                                                                     für Naturkunde Berlin
                                                                                                                                                            zu sehen.

                                                         Aschedeponie
                                                         eines Braunkohle-
                                                         verstromungs-
                                                         kraf twerks
                                                         in Spremberg,
                                                         Brandenburg

                                                         Sehen Sie die aktuelle Krise als Chance, ein                        Es ist an der Zeit, dass wir uns alle zusammen
                                                         achtsameres Verhältnis zur Natur zu ent-                            Gedanken machen, wie wir unsere Kräfte für
                                                         wickeln?                                                            eine nachhaltige, zirkuläre und Co2-freie Wirt-
                                                         Hier in Großbritannien hat es eine Umfrage ge-                      schaftsweise einsetzen können, die zugleich vielen
                                                         geben, bei der nur neun Prozent der Befragten                       Menschen ein gutes Leben ermöglicht. Jetzt den
                                                         gesagt haben, dass sie zu einem Leben zurück-                       Turbo reinknallen, und zwar den besten, den
                                                         kehren wollen, wie es vor der Pandemie war. Das                     Deutschland bauen kann!
                                                         heißt, 91 Prozent wollen ein anderes Leben. Ich
                                                         sehe da eine riesige Chance. Aber wir dürfen sie                    Kann sich auch jeder Einzelne engagieren?
                                                         nicht verpassen, denn es gibt starke Kräfte, die                    Wir sollten alle mal darüber nachdenken, was für
                                                         versuchen werden, zum nicht nachhaltigen Le-                        uns ein gutes Leben ausmacht. Ist das Wochenen-
                                                         ben zurückzukehren. Die letzten Monate haben          „Unser        de mit dem Billigflieger in Bergamo notwendig,
Fotos: J Henry Fair / henryfair.com, Hwa Ja-Götz / MfN

                                                         uns aber gezeigt, dass das System, auf das wir alle   Lebensstil    lebensbedrohend oder billige Befriedigung? Ich
                                                         vertrauen, auf ganz, ganz tönernen Füßen steht.                     lebe ja selber kein asketisches Leben, aber man
                                                                                                               bräuchte
                                                                                                                             sollte reflektieren, was wirklich notwendig ist.
                                                         Wie kann ein Wandel gelingen?                         die Roh-      Ich bekomme auf meinem Handy jeden Tag mehr
                                                         Zum Glück sind wir in Deutschland sehr klug.          stof fe von   Anzeigen zugespielt. Uns wird vorgegaukelt, was
                                                         500.000 Menschen arbeiten bei uns in Universi-        dreieinhalb   wir alles brauchen, und das ist sehr erschreckend.
                                                         täten und außeruniversitären Forschungs-              Erden,        Dem sollten wir uns nicht willfährig hingeben
                                                         einrichtungen, es gibt viele Ingenieure, hoch-        wenn er       und den Maschinen, die uns diesen Konsum vor-
                                                         gebildete Menschen und eine Kanzlerin, die                          gaukeln, Schranken setzen.
                                                                                                               auf alle
                                                         Wissenschaftlerin ist. Und, nicht zu vergessen,
                                                         es gibt viele Menschen, die das Herz an der rich-     Menschen      Zeigt die Krise auch, wie wichtig eine gut funk-
                                                         tigen Stelle haben und wissen, dass Zukunft nur       übertragen    tionierende Wissenschaft ist?
                                                         mit und nicht gegen die Natur geht.                   würde“        Gott sei Dank hört die Politik in Deutschland

                                                                                                                   13
Phosphor-
Gipsabfälle aus
der Düngemittel-
herstellung
in S aint James,
Louisiana, USA

auf die Wissenschaft. Das heißt nicht, dass man                    mit der Gesellschaft, noch stärker als ein freund-
das immer muss, am Ende sind es politische Ent-                    licher, nahbarer und zugleich relevanter Wissens-
scheidungen, aber die müssen faktenbasiert sein.                   ort für Natur etablieren. Denn die Liebe zur
Nicht nur Christian Drosten und Lothar Wieler                      Natur steckt in jedem von uns, wir werden mit
haben den Menschen tagtäglich Wissenschaft er-                     ihr geboren, sie wird nur leider oft kulturell über-
klärt. Das finde ich unheimlich beeindruckend.                     formt. Die Aufgabe von Zoos, Botanischen Gärten
Ich hoffe, dass die deutsche Bevölkerung, die die                   und Naturkundemuseen muss sein, diese Liebe
Forschung und Wissenschaft über Steuergelder                       über die verschiedenen Altersstufen hinweg, so-
alimentiert, erkennt, dass sie sozusagen „value                    zusagen lebensbegleitend, zu entwickeln und am
for money“ bekommt und es eine nachhaltige                         Köcheln zu halten.
Investition ist, eine robuste Wissenschaft in
Deutschland zu pflegen. Alle Wissenschaften,        „Ich ver-      Johannes Vogel fährt fort, spricht in seiner Küche

                                                                                                                          Fotos: J Henry Fair / henryfair.com, Carola Radke / MfN
die sich Deutschland als Kultur- und Wissen-        stehe uns      darüber, wie sich das Museum für Naturkunde
schaftsnation hält, sind mit einem Mal gefragt,                    an der Invalidenstraße in den nächsten Jahren
                                                    als eine
diese große Krise zu lösen. Jetzt können wir zu-                   zu einem „Katalysator“ entwickeln möchte, der
rückzahlen, das finde ich toll.                     Institution,   neben der eigenen Sammlung und Forschung
                                                    die Verän-     zur Natur auch das Wissen seiner forschenden
Welchen Beitrag kann denn das Museum für            derungen       Nachbarn – von Charité, Humboldt-Universität
Naturkunde Berlin leisten?                          hin zu         und Robert Koch-Institut – unter die Menschen
Wir machen Forschung und Wissenschaft ver-          Nachhaltig-    bringt. Und wie über all dem das ganzheitliche
ständlich und erlebbar, laden zum Mitmachen                        Konzept der Nachhaltigkeit und der Gesundheit
                                                    keit und
ein und stellen das Thema Natur wissenschaft-                      der Erde – „planetary health“ – stehen könnte.
lich, emotional und für die Gemeinschaft in den     planetarer     „Es geht uns um die Frage, wie die geologische,
Vordergrund. Unsere nächste Entwicklungsstu-        Gesundheit     chemische und die natürliche Evolution immer
fe muss jetzt sein, dass wir uns, im Wechselspiel   ermöglicht“    schon zusammengespielt haben, um lebenswerte

                                                        14
Bedingungen auf dem Planeten Erde zu schaf-            „Wir                  Testballons ge gen die Krise
fen“, sagt Vogel. Daraus ließe sich für das Mu-        werden
seum auch ein gesellschaftlicher Auftrag für die                             Die Parasitenausstellung wurde lange vor Beginn
Gegenwart ableiten: „Ich verstehe uns als eine
                                                       uns gerade            der Pandemie geplant – dann aber quasi von ihr
wissensbasierte Veränderungsermöglichungs-             unserer               überrollt. Linda Gallé und ihre Kollegen haben
institution hin zu Nachhaltigkeit und planeta-         eigenen               beschlossen, auf die Ereignisse zu reagieren
rer Gesundheit, denn ein gesunder Planet und           Verletzlich-          und in der Ausstellung auch einen plötzlich ak-
gesunde Menschen gehören zusammen“, sagt               keit be-              tuell gewordenen Parasitenkrimi zu erzählen:
Vogel. Dann schließt er das Zoom-Fenster und           wusst,                den des Coronavirus und anderer zoonotischer
geht hinaus in die Natur, den Wind spüren und                                Viren, die ihren Ursprung im Tierreich haben,
nach den Schlehenbüschen sehen.
                                                       das kann              bei Fledermäusen, aber auch bei anderen Arten.
                                                       zu einer              Warum zum Beispiel können solche Viren in
                                                       Chance                Fledermäusen leben, ohne dass diese an ihnen

I
                                                       für Arten-            ernsthaft erkranken – und welche Wege nehmen
      n einer Sonderausstellung des Museums            vielfalt              sie, um schließlich im Menschen einen schutz-
      findet sich die Idee der Gesundheit der          und Klima-            losen Wirt zu finden? „Wir wollen auch die über-
      Erde bereits wieder. Eigentlich hätte „Para-                           geordnete Frage stellen, was das alles mit unse-
      siten – Life Undercover“ im März fertig
                                                       schutz                rem Handeln und unserem Verhältnis zur Natur
      aufgebaut sein sollen, zu Beginn der Oster-      werden“               zu tun hat und welche Auswege Forschung und
ferien. Doch als das Museum wegen des Lock-                                  Medizin für uns bereithalten“, sagt Gallé. „Die
downs schließen musste, blieb alles stehen und                               Ausstellung soll zum Nachdenken anregen, einen
liegen. „Wir haben dann noch via Instagram eine                              Diskussionsraum öffnen und Besucherinnen und
digitale Führung durch die unfertige Ausstellung                             Besucher und Experten zusammenbringen.“
gemacht“, sagt Ausstellungsmacherin Linda Gallé.                                  Zu normalen Zeiten finden solche Diskussi-
Sie sitzt in ihrer Küche in Tiergarten, wo sie in                            onen im Museum statt, oft auch dicht gedrängt,
den vergangenen Wochen gearbeitet hat, vor                                   jetzt bei Livetalks im Netz. „Unsere Veran-
sich ein Laptop als Fenster zur Welt. 350 Leute                              staltungen werden in Zukunft gleichzeitig im
seien bei dem Sneak Preview auf Instagram da-                                Museum und online stattfinden, damit möglichst
bei gewesen und hätten sich von Uwe Moldrzyk,                                viele Leute teilnehmen können, trotz Abstands-
dem Leiter der Ausstellungsabteilung, packende                               regeln“, sagt Gallé. Sie sieht die Krise auch als
Krimis aus der Welt der Parasiten erzählen lassen.                           eine Chance für digitale Innovationen. „Im Mo-
Etwa, wie der Kleine Leberegel es schafft, in die                             ment starten wir viele Testballons und beobach-
Köpfe von Ameisen einzudringen und ihr Ver-                                  ten, was gut funktioniert.“ Das wird auch für den
halten so zu steuern, dass diese sich von Schafen                            bevorstehenden Umbau des Museums nützlich
fressen lassen (!) – und der Leberegel sich so fort-                         sein. Wenn das sanierungsbedürftige Gebäude an
pflanzen kann.                                                               der Invalidenstraße für mehrere Jahre schließen
     „Parasitismus ist eine Lebensweise, bei der                             muss, sollen Ausstellungen und Veranstaltungen
ein Lebewesen von einem anderen profitiert,                                  dezentral überall in Berlin stattfinden – und eben
ohne dass dieses etwas davon hat“, erklärt Gallé.                            auch digital.
Durch alle Erdzeitalter hindurch habe es Para-                                    Wie Fledermausforscherin Mirjam Knörn-
sitismus gegeben, Belege fänden sich in uralten                              schild und Museumsdirektor Johannes Vogel ist
Fossilien des Museums bis zu heute lebenden                                  auch Linda Gallé in den Wochen des Lockdowns
Zecken oder Vampirfledermäusen, die sich vom                                 ins Nachdenken gekommen. „Es fühlt sich ein
Blut ihres Wirts ernähren. Aber auch in Viren,                               bisschen so an, als würden wir Menschen fest-
so etwas wie der Höchstform des Parasitismus.                                stecken, während sich draußen die Natur mit
„Viren sind im Grunde ein Code, der sich in die        Linda Gallé
                                                                             voller Kraft entfaltet“, sagt sie. „Ich denke, wir
Zelle einschleust und sie dazu bringt, dass diese      Als Ausstellungs-     werden uns gerade unserer eigenen Verletzlich-
den Code liest und neue Viren produziert“, sagt        kuratorin ist die     keit bewusst, und wenn wir das jetzt auf eine
                                                       studier te Biologin
Gallé. So wie das menschliche Immunsystem nun          für S onderaus-       breitere Debatte überführen, dann kann das
mit dem neuen Eindringling kämpfe, habe Para-          stellungsprojekte     zu einer großen Chance für Artenvielfalt und
sitismus im Laufe der Evolution immer wieder zu        am Museum für
                                                       Naturkunde Berlin
                                                                             Klimaschutz werden.“
einem Wettrüsten geführt: zwischen Parasiten,          zuständig und
die nutznießen, und Wirten, die ihre Lästlinge         arbeitet an der
                                                       Entwicklung
loswerden wollen. „Parasitismus ist ein bedeu-         der neuen Dauer-
tender Motor der Evolution“, sagt Gallé.               ausstellung.

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WISSEN

30.000.000
mal Natur
Das Museum für Naturkunde Berlin beherberg t mit über
30 Millionen Objekten die größte naturkundliche S ammlung
Deutschlands. Was in der aktuellen Ausstellung für die                    6.000
Besucher*innen zu sehen ist, ist nur ein kleiner Bruchteil                Meteorite

der Schätze des Museums. Wissenschaf tler*innen welt-
weit nutzen die S ammlung, um Aufschlüsse über die Natur
zu gewinnen

                                                  Fossile                 272.000
                                                                          Minerale
                                                  Wirbellose              und Gesteine

                                                  178.000
                                                  fossile Gliederfüßer,
Fossile                                           Stachelhäuter,
Wirbeltiere                                       Trilobiten, Bernstein

19.700                                            370.000
                                                  fossile Muscheln,
fossile Reptilien,   Bei den ange-                Schnecken, Armfüßer,
Vögel, Fährten       gebenen Zahlen
                     handelt es sich um           Schwämme

41.500
                     Inventareinheiten.

                                                                                         Illustration: Sarah Matuszewski
                                                  886.000
                     Eine Inventareinheit
                     kann mehr als ein
fossile Fische,      Sammlungsobjekt
                     umfassen, zum Bei-           fossile Cephalopoden
Amphibien            spiel, wenn in der
                     Nass-Sammlung                (Kopffüßer),

1,43 Mio
                     zwei Individuen
                     in einem Glas
                                                  Korallen
                     aufbewahrt
fossile Säuger       werden

und Conodonten

                                             16
123.000
                                                                           Aufnahmen
Insekten                                                                   im Tierstimmenarchiv

1,3 Mio
Fliegen, Mücken, Flöhe                             Rezente
                                                   Wirbeltiere
1,5 Mio
Hemimetabola
(Wanzen, Zikaden,                                  133.500
Heuschrecken, Libellen)                            Fische
                                                                                   davon

2,4 Mio                                            160.000                             1.800
                                                                                       Vogelarten
Hautflügler                                        Amphibien
(Wespen, Bienen,                                   und Reptilien                   &
                                                                                       580
                                                   207.000
Ameisen) und                                                                           Säugetiere
Netzflügler
                                                   Vögel
4,5 Mio
Schmetterlinge                                     250.000
und Köcherfliegen                                  Säugetiere
                                                   (inkl. embryologische
6 Mio                                              Sammlung)
Käfer und
Fächerflügler

                          Rezente
                          Wirbellose                                       49.000
                                                                           mikropaläontologische

                          36.500                                           Objekte

                          Krebstiere
                                                                           220.000
                          63.000                                           Objekte in der Histo-
                                                                           rischen Arbeitsstelle
                          marine Wirbellose

                          100.000                                          283.000
                                                                           paläobotanische Objekte
                          wurmartige Tiere                                 und rezente botanische

                          265.000
                                                                           Vergleichsobjekte

                          Spinnentiere
                          und Tausendfüßer
                                                                           374.000
                                                                           Monografien,

30.000                    7 Mio
                                                                           Zeitschriften, Sonder-
                                                                           drucke, Karten
DNA-Proben                Mollusken                                        (Bibliotheksbestand)

                                              17
PORTRÄT

      Text
     Mirco
   Lomoth
     Fotos
     Pablo
Castagnola

     D i e             Giraffen-
                       elle und

   Z e i t -
                       Elefanten-
                       becken:
                       Für Yara
                       Haridy sind
                       Knochen
                       die Krimis
                       der Evolution

r e i s e n d e
Sie dringt mit Licht und Röntgenstrahlung in Jahrmillionen alte Knochen ein,
um nach Krankheiten zu fahnden: Wie Yara Haridy, Doktorandin am Museum
für Naturkunde Berlin, das Wissen um die Evolution voranbring t

I
     rgendetwas stimmte nicht mit            sich diese Fische vor Jahrmillionen       dern, in denen Rehe umhersprangen.
     diesen Knöchelchen, da war Yara         auf eine bestimmte Weise entwickelt       Sie setzte ihre Expeditionen fort, doch
     Haridy sich sicher. Die Schwanz-        haben“, sagt sie. „Wenn wir unsere        bald darauf versiegte ihre Neugier.
     wirbel des echsenartigen Tieres,        Vorfahren besser kennen, kann uns         „Auf der Highschool habe ich mich
das vor 289 Millionen Jahren in der          das helfen zu verstehen, was unsere       nur noch um meine Zukunft gesorgt“,
Permzeit lebte, waren auf ungewöhn-          Gene heute bewirken.“                     erinnert sie sich. Sie beschloss, Medizin
liche Weise miteinander verwachsen,                                                    zu studieren, um die Familie stolz zu
zu eng und ebenmäßig für eine ver-                                                     machen, büffelte Anatomie, Genetik,
                                             Die Entdeckung
heilte Verletzung. Haridy fühlte über                                                  Physiologie, schloss ihr Grundstudium
die Nahtstelle. Hatte eine Krankheit         der Vergangenheit                         ab und begann ein Praktikum in einem
zur Fusion der beiden Wirbel geführt?                                                  Labor, das sich der Anatomie urzeit-
Und ließ sich diese womöglich im             Wer Yara Haridy über kieferlose Fi-       licher Wirbeltiere widmete.
Knocheninnern nachweisen? Sie be-            sche, verwachsene Knochen und an-             „Das war ein absoluter Augenöffner
schloss, ihrer Neugier nachzugehen           dere Geheimnisse der Evolution spre-      für mich“, erzählt Haridy. Schon wäh-
– und fand Hinweise auf die ältesten         chen hört, spürt viel von der Begeis-     rend des Studiums der Anatomie hatte
Viren der Welt.                              terung, die sie antreibt. „Ich wollte     sie sich ständig gefragt, warum der
     Yara Haridy ist Paläontologin und       immer verstehen, wie die Dinge in der     menschliche Körper so beschaffen ist,
Evolutionsbiologin. Man könnte sie           Natur funktionieren“, sagt sie. Schon     wie er es ist. „Plötzlich wurde mir klar,
auch eine Zeitreisende nennen. Am            als junges Mädchen in Marokko zog         dass Fossilien helfen können, solche
Museum für Naturkunde Berlin spürt           sie hinaus in die Natur, entdeckte,       Fragen zu beantworten. Es hat sich mir
die 26-Jährige für ihre Doktorarbeit         dass der Boden voller Leben war, sam-     eine ganz neue Dimension eröffnet: die
den Ursprüngen und Vorstufen des             melte Schädel, Vogelknochen, Käfer,       unserer eigenen Vergangenheit.“ Sie
menschlichen Skeletts nach. Mit Licht        Schnecken – und nahm sie mit nach         lernte, dass menschliche Zähne sich
und Röntgenstrahlen dringt sie in fos-       Hause, um sie zu erforschen. „Keine       aus Fischschuppen entwickelt haben –
sile Knochen ausgestorbener Tiere ein        meiner Freundinnen durfte so etwas,       und konnte das kaum glauben. Doch
und sucht nach Hinweisen auf Hei-            aber meine Mutter hat es mir erlaubt.“    bald sah sie sogar die Vorformen der
lungsprozesse und Krankheiten, die           Bald darauf zog sie mit ihrer Familie     menschlichen Gliedmaßen aus Fisch-
vor Jahrmillionen in ihnen abgelaufen        nach Toronto. Die zwölfjährige Yara       flossen hervorwachsen. Von da an ließ
sind. Paläopathologie nennt sich dieses      war fasziniert von der satten Natur des   die Paläontologie sie nicht mehr los.
Spezialfeld: die Erforschung urzeit-         kanadischen Ostens, den grünen Wäl-       Für ihre Masterarbeit reiste sie weit
licher Erkrankungen. „Es ist unglaub-                                                  zurück, bis zu den Reptilien der Perm-
lich, wie viele Details wir nach so langer                                             zeit, um zu verstehen, wie die Zähne
Zeit noch herauslesen können, wie sich                                                 sich entwickelt haben.
Blutgefäße verändert haben zum Bei-
spiel, wie lange eine gebrochene Rippe
                                                                                       Alte Flure und eine neue
zum Heilen brauchte oder ob ein Tier
vor 200 Millionen Jahren an einer In-                                                  Evolutionsgeschichte
fektion erkrankt ist“, sagt sie. „In gut
erhaltenen Fossilien ist sogar die Form                                                Ihre nächste große Reise führte sie von
einzelner Knochenzellen erkennbar.“                                                    Toronto nach Berlin, zum Museum für
     Die Suche nach den spannendsten                                                   Naturkunde – und zu den kieferlosen
Knochen führt sie weit zurück auf den                                                  Fischen des Kambriums, die hier auf-
verästelten Pfaden der Evolution, bis zu                                               bewahrt werden. Das ehrwürdige Mu-
den kieferlosen Fischen, die vor 480 Mil-                                              seum zog sie sofort in seinen Bann. Sie
lionen Jahren im Kambrium lebten. Sie                                                  streifte durch alte Flure, Sammlungs-
waren unsere frühesten Vorfahren, die                                                  und Bibliotheksräume, sah das Skelett
bereits Knochen hatten. „Ich möchte             Winziger Wirbel mit großem             des Archaeopteryx lithographica, den
                                                Geheimnis: In dieser Schachtel
den Leuten erklären können: Dein                lie gt der Nachweis der ältesten       perfekt erhaltenen Quastenflosser und
Armknochen heilt, wie er heilt, weil            Viren der Erdgeschichte                natürlich Tristan Otto, den Tyranno-

                                                               19
Raum voller              litt, die der Paget-Krankheit moderner
                                                            Wissen: In
                                                            der paläonto -
                                                                                     Menschen ähnelte“, sagt Haridy. Bei
                                                            logischen                der Paget-Krankheit ist die Kommuni-
                                                            Bibliothek               kation zwischen den Knochen auf- und
                                                            sucht Yara
                                                            Haridy                   abbauender Zellen gestört. Schuld da-
                                                            Inspiration              ran ist neben genetischen Faktoren und
                                                                                     Umwelteinflüssen vermutlich ein Virus.
                                                                                     Haridy hatte den frühesten Nachweis
                                                                                     der Paget-Krankheit erbracht – und
                                                                                     nebenher Hinweise auf den ältesten
                                                                                     Virus der Erdgeschichte gefunden.
                                                                                           In Berlin zog ein anderer seltsamer
                                                                                     Knochen Yara Haridys Neugier auf sich:
                                                                                     ein Oberschenkelknochen der ältesten
                                                             nen Knochen ziehen.“    bekannten Schildkröte, die in der Trias-
                                                             In ihrer Freizeit um-   zeit vor 240 Millionen Jahren lebte.
                                                             gibt sich Yara Haridy   „Er hatte eine auffällige Beule; als ich
                                                             am liebsten mit le-     ihn zum ersten Mal sah, war ich so be-
                                                             bender Natur, im        geistert, dass mein Doktorvater ihn mir
                                                             Botanischen Garten      für Untersuchungen überließ“, sagt
                                                             etwa, den sie immer     Haridy. Wieder hatte sie ein gutes Ge-
                                                             wieder besucht, aber    spür. Ein Micro-CT-Scan ergab Symp-
                                                             auch in ihrer Woh-      tome, die sich als bösartiger Knochen-
                                                             nung in Tempelhof.      krebs herausstellten – der zweitälteste,
                                                             „Ich sammle tropi-      der bisher an Fossilien nachgewiesen
                                                             sche Pflanzen, mein     wurde. Für Haridy steckt in diesen
                                                             Apartment sieht aus     Funden auch eine tröstende Bot-
                                                             wie ein Dschungel“,     schaft. Die Paläopathologie zeige,
saurus rex, an dem sie besonders seine     sagt sie. Auch ein paar Frösche quaken    dass Viren, Krebs und andere Krank-
Rippenbrüche und Veränderungen an          in ihrem Terrarium.                       heiten sich immer schon parallel mit
seinem gewaltigen Kiefer interessier-                                                dem Leben entwickelt und uns zu dem
ten, die wohl von einer Infektion her-                                               gemacht haben, was wir heute sind.
                                           Ein Gespür für
rührten. Auch heute noch, nach zwei                                                  „Die Menschheit und ihre Vorfahren
Jahren am Museum, unternimmt sie           seltsame Knochen                          haben im Laufe der Evolution schon
diese Erkundungstouren regelmäßig.                                                   viele furchtbare Krankheiten überstan-
„Es fühlt sich an, als atme das Gebäude,   Auf ihrem Flug von Toronto nach           den – das sollte uns Hoffnung geben.“
hier wurden so viele Arten zum ersten      Berlin hatte Haridy auch die auffällig
Mal beschrieben und man spürt die          verwachsenen Wirbelknochen des
Leidenschaft der Wissenschaftler und       echsenartigen Tieres im Gepäck, die
Wissenschaftlerinnen der Vergangen-        sie während ihres Studiums in Kanada
heit – das inspiriert.“                    entdeckt hatte. Am Museum für Natur-
    Doch vor allem hat sie die aktuelle    kunde Berlin legte sie die nur sechs
Forschung des Museums nach Berlin          Zentimeter großen Knöchelchen in
gebracht. Ihre Arbeitsgruppe ver-          einen Mikrocomputertomographen.
gleicht Fossilien mit modernen Tieren,     Die Röntgenstrahlen offenbarten, dass
um so eine umfassendere Evolutions-        das Knocheninnere auf seltsame Weise
geschichte erzählen zu können, eine        zerstört war. „Er war an manchen
weltweit seltene Verbindung. Haridy        Stellen übermäßig gewachsen, an ande-
möchte ihre Doktorarbeit zu Fisch-         ren krankhaft abgebaut“, sagt Haridy.
fossilien in Zukunft auf gegenwärtige      Mithilfe eines Radiologen von der
Haie und Lachse ausweiten. „Die bil-       Charité – Universitätsmedizin verglich
den ihre Knochen ganz anders als wir,      sie die Symptome mit modernen Krank-
ohne Zellen“, sagt sie. „Wenn wir ihr      heitsbildern – und wurde fündig. „Alles       Neben CT-Geräten, die das
                                                                                         Innere von Knochen abbilden,
System besser verstehen, können wir        deutete darauf hin, dass das Tier an          arbeitet Yara Haridy auch
auch Rückschlüsse auf unsere eige-         einer Knochenstoffwechselkrankheit             oft mit Mikroskopen

                                                           20
BOTSCHAF TERIN

                                            „Das Museum
                                                                                 Z
                                                                                                    oonose – ein Wort, das vor allem Wissenschaftler-
                                                                                                    innen und Wissenschaftler kannten, ist in

                                             gibt allen Menschen
                                                                                                    der breiten Bevölkerung angekommen. Spätestens
                                                                                                    seit Ausbruch der Coronapandemie wissen viele

                                             Zugänge zu dem
                                                                                   Menschen, wie gefährlich eine Zoonose sein kann – wenn sich
                                                                                   ein Virus vom Tier auf den Menschen überträgt.

                                             großen Schatz an
                                                                                          Es ist uns als Gesellschaft gemeinsam gelungen, die Geschwin-
                                                                                   digkeit der Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Noch

                                             Wissen über die
                                                                                   stecken wir mitten drin in der Bewältigung einer globalen Krise.
                                                                                   Sie zeigt uns sehr deutlich, dass wir alle im selben Boot sitzen.
                                                                                   Dass wir dieses Virus nur besiegen können, wenn wir zusammen-
                                             Natur“                                arbeiten. Auch den Klimawandel werden wir nur verlangsamen
                                                                                   können, wenn alle Länder zusammenarbeiten. An den Pariser
                                                                                   Klimazielen und an den Sustainable Development Goals.
                                                                                          Ich bin jedes Mal aufs Neue beeindruckt, was das Naturkunde-
                                                                                   museum mit seinen 30 Millionen Objekten zeigt: wie vielfältig
                                                                                   und wie schützenswert unsere Natur und die Vielfalt der Arten sind.
                                                                                   Dass es uns nur gut geht, wenn es der Natur gut geht. Deshalb
                                                                                   trifft auch # fürNatur so genau, wofür das Museum steht: nicht nur
                                                                                   für die Natur, sondern auch für jede Bürgerin und jeden Bürger.
                                                                                          Es ist ein Museum für alle, selbst die Kleinsten. Und jetzt
                                                                                   in der Krise ist es auch ein Museum für alle, die zu Hause bleiben.
                                                                                   Mit dem Kanal #fürNatur digital hat das Naturkundemuseum
                                                                                   es geschafft, in der langen Phase des Lockdowns Zugänge offen
                                                                                   zu halten. Und das ist im besten Sinne das, was ich unter guter
                                             Anja Karliczek,                       Wissenschaftskommunikation verstehe. Sie gibt allen Menschen
                                             Mitglied des Deutschen                Zugänge zu dem großen Schatz an Wissen, der jeden Tag
                                                                                   größer wird. Sie macht den Austausch zwischen den Forscher*-
                                             Bundestages,                          innen und der Gesellschaft möglich.
                                             Bundesministerin                             Das Vertrauen der Bürger*innen in die Forschung ist groß.
                                             für Bildung und Forschung             Und ich möchte, dass das so bleibt. Dafür brauchen wir eine
                                                                                   offene Wissenschaft, zu der ein Austausch über komplexe
                                                                                   Forschungsfragen auf unterschiedlichen Kanälen selbstverständ-
                                                                                   lich dazugehört. Dafür sollte es immer Räume geben, wie das
                                                                                   Experimentierfeld des Museums für Naturkunde Berlin. Ich sehe
                                                                                   das Museum hier als Vorreiter: Früh hat es erkannt, wie wert-
                                                                                   voll Wissenschaftskommunikation ist – für die Bevölkerung und
                                                                                   für die Forschenden gleichermaßen. Das Museum nutzt die
                                                                                   zahlreichen digitalen Kanäle dafür, und man merkt sofort, dass
                                                                                   die Mitarbeiter*innen diesen Austausch ernst meinen.
                                                                                          COVID-19 wird vielleicht eines Tages ein Thema bei den
                                                                                   Fledermausexponaten des Naturkundemuseums sein.
                                                                                   Weil das Virus, das zu dieser weltweiten Pandemie ungeahnten
                                                                                   Ausmaßes geführt hat, möglicherweise ursprünglich aus
Foto: Bundesregierung / Laurence Chaperon

                                                                                   Fledermäusen kam. Eine Konsequenz war, dass dieses Museum,
                                                                                   wie alle anderen auch, für viele Wochen schließen musste.
                                                                                          Dies hat glücklicherweise nicht dazu geführt, dass wir die
                                                                                   Stimmen aus der Wissenschaft nicht mehr vernehmen konnten –
                                                                                   im Gegenteil. Ich bin froh und dankbar, Forscher*innen aus der
                                                                                   Zoologie, der Virologie, der Medizin und vielen anderen Bereichen
                                                                                   an unserer Seite zu wissen. Ich bin zuversichtlich, dass wir
                                                                                   aus den Erkenntnissen, die wir in dieser schweren Zeit gewinnen,
                                                                                   viel lernen, um klug im Sinne einer nachhaltigen Zukunft
                                                                                   unseres Planeten zu handeln.
                                                                                          Bleiben Sie gesund!

                                                                              21
DIGITALISIERUNG

Insekten-
härchen
und Saurier-
knochen
in 3D
Von winzig klein                                             Mit dem
                                                            S truktur-
bis riesengroß:                                         lichtscanner
                                                             entsteht
Das Museum digi-                                      das 3D-Modell
                                                           durch die
talisiert seine                                        Reflexion auf
                                                       dem Knochen
Objekte mit neuesten
Methoden. Wissen-

                                         W
schaftlerinnen und                                     ie fein sind die Härchen    Frederik Berger, wissenschaftlicher
Wissenschaftler                                        von millimetergroßen        Leiter der Sammlungsdigitalisierung.
                                                       Ameisen, Bienen oder        Bei der Computertomografie gibt es
aus aller Welt werden                                  Käfern? Oft dünner als      detaillierte Einblicke ins Innere eines
sie künftig am                           jedes Haar eines Menschen, so viel        Objekts; die Daten enthalten jedoch
                                         steht fest. Deswegen sind derart fei-     keine Informationen über die Fär-
heimischen PC                            ne Härchen und andere winzige Ob-         bung der Objekte. Bei einem Struk-
erforschen können                        jekte aus der Insektensammlung des        turlichtscanner wirft ein bügeleisen-
                                         Museums schwer, dreidimensional,          großes Gerät Licht auf die Knochen.

                                                                                                                             Fotos: Hwa Ja-Götz / MfN (2), Heethoff / Schmelzle / DiNArDa e. V.
Text                                     also in 3D, zu digitalisieren. Doch wie   Durch die aufgefangene Reflexion
Carmen                                   steht es um Schwanzwirbel von riesi-      entsteht ein 3D-Abbild – das ist be-
Schucker                                 gen Dinosauriern wie dem Giraffa-         sonders für die Forschung an großen
                                         titan brancai ? Die Größe und Struk-      Fossilien oder an Huftierschädeln
                                         tur von Saurierknochen lassen sich        nützlich. Bei der Fotogrammetrie
                                         schwer mit hauchdünnen Bienen-            entsteht mit einer speziellen Software
                                         flügeln vergleichen. Eine einzige         aus mehreren Fotos aus verschiede-
                                         Methode reicht daher nicht, um die        nen Aufnahmewinkeln zunächst eine
                  INSEKTEN                 Sammlung des Museums mit ihren          Punktwolke. Daraus erzeugt die Soft-
                    IN 3D                   30 Millionen Objekten in die digi-     ware anschließend 3D-Geometrie.
                                             tale Welt zu überführen.              Reinzoomen, umdrehen, der Blick
              Maßstabgetreu und
                                                 „Wir konzentrieren uns zurzeit    von oben oder unten: Das alles ist bei
             aus 400 Perspektiven:
                                             auf drei Techniken: die Computer-     3D-Objekten kein Problem.
            doi.naturkundemuseum.
                                             tomografie, bekannt aus der Medi-        „Mit den aufwendigen 3D-Tech-
             berlin / data / 10.7479 /
                                            zin, den Strukturlichtscan und         nologien erfassen wir nur die be-
                    vh7x-kv34
                                           fotogrammetrische Verfahren“, sagt      sonders wertvollen Objekte oder für

                                                       22
Die S treifen-
                                                                                               wanze steht
                                                                                               hochaufgelöst
                                                                                               und digital für
                                                                                               die Forschung
                                                                                               bereit

                    Vir tueller                                         Disc3D:
                    Schädel einer                                  Der welt weit
                    Leierantilope                                     erste 3D-
                                                               Insektenscanner
                                                                    füg t Bilder
                                                                   aus fast 400
                                                                  Perspektiven
                                                                     zusammen

                                         tiven rund um das Insekt zusammen-        nikerin im Computertomografiela-
                                         gefügt. Damit ist es dann möglich,        bor. Wie sieht es im Inneren eines
                                         noch so kleine Insekten sowie deren       urzeitlichen Knochens aus? Oder in
                                         Flügel und Härchen dreidimensional        einer seltenen Schlange aus der Nass-
                                         abzubilden. Forschende aus aller Welt     Sammlung? Die neuesten technischen
                                         können so per Mausklick an hunderte       Methoden ermöglichen einen Blick in
                                         Jahre alten Insekten in 3D arbeiten.      die Objekte ohne jegliche Zerstörung.
Forschungsarbeit essenziellen Objek-         Im Mikro-Computertomografie-              Das Digitalisierungsteam am Mu-
te“, sagt Berger. Hierzu gehören die     Labor (kurz Mikro-CT-Labor) des           seum digitalisiert in den kommenden
Typus-Exemplare: Das sind die Indi-      Museums werden biologische, palä-         Jahren alle 30 Millionen Sammlungs-
viduen, anhand derer die Art zum ers-    ontologische und geologische Objek-       objekte. Die 3D-Digitalisierung ist
ten Mal beschrieben wurde. Welches       te computertechnisch analysiert. So-      dabei nur ein Baustein der Digitali-
Verfahren das Digitalisierungsteam       wohl für die Forschung am Museum          sierung am Museum. „Oft tippen wir
benutzt, hängt davon ab, welche Infor-   als auch für die Digitalisierung der      analoge Textquellen wie die Samm-
mation der Forschende braucht und        wissenschaftlichen Sammlung ist           lungsetiketten der Objekte per Hand
um welches Objekt es sich handelt.       das Labor eine zentrale Anlaufstelle.     ab“, sagt Berger. „Auch das ist Digi-
     Seit Kurzem besitzt das Museum      „Die extra für die Forschung gebau-       talisierung.“
den Darmstädter Insektenscanner          ten Computertomografen sind sehr              Das Ziel all dieser Bemühungen
Disc3D, entwickelt vom gemeinnüt-        vielfältig einsetzbar. So können so-      ist es, dass Menschen – Forschende
zigen Verein DiNArDa e. V. Es ist der    wohl kleinste innere Strukturen wie       wie Laien – weltweit über ein Portal
weltweit erste 3D-Scanner für Insek-     die wenige Millimeter großen Gehör-       auf die Objekte der Forschungssamm-
ten aus Museumssammlungen. Dabei         organe von Insekten bis hin zu 40         lung zugreifen können. Insekten
werden rund 25.000 Aufnahmen mit         Zentimeter große Huftierschädel bis       oder Huftierschädel aus Megabytes
je 12 Megapixeln zu tiefenscharfen       auf den Mikrometer genau vermessen        erobern so vielleicht bald den heimi-
Bildern aus annähernd 400 Perspek-       werden“, sagt Kristin Mahlow, Tech-       schen Bildschirm.

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KALENDER

Natur für alle

                     #
                 FÜR NATUR
                  DIGITAL
                 museumfuernaturkunde.
                 berlin / veranstaltungen
Der Ozelot:
 ein ausgestopftes
Präparat der Wild-
    katze von 1819
und eine moderne
      Dermoplastik

                                             Virtuell
                                             Highlights und
                                             Hintergründe
                                             entdecken
                                             Von biologischer Vielfalt, tonnen-
                                             schweren Dinosauriern und
                                             einem Kuhhandel: In unseren
                                             „Guided Tours“ laden wir
                                             Besucher*innen zu einer digitalen
                                             Entdeckungsreise ins Museum
                                             ein. Die Onlineführungen werfen
                                             Schlaglichter auf einzelne
                                             Bereiche der Ausstellung und
                                             erzählen spannende Geschichten
                                             über die 30 Millionen Objekte
                                             unserer Forschungssammlung.
                                             Unsere Guides führen durch
                                             unsere Ausstellungen – geschaut
                                             werden kann von der Couch
                                             oder vom Kinderzimmer aus.
                  Foto: Carola Radke / MfN

                                             Alle Videos im YouTube-Kanal des
                                             Museums für Naturkunde Berlin,
                                             Playlist „Guided Tours“.

                                                            25
Digitale                    „Bees & Bytes“:
                                   Forschungs-
                                   reise                       Transkribieren
                                   Mehr als 6.600 Museen
                                   gibt es in Deutschland.
                                                               von Samm-
                                   Mit Google Arts & Culture
                                   können einige davon –
                                                               lungsetiketten
                                   auch das Museum für
                                   Naturkunde Berlin –         Auf der Webseite Zooniverse.org
Wissen
aus dem
                                   vom heimischen Sofa aus     läuft eine Mitmachaktion für
                                   virtuell wie mit Google
Homeoffice:
Museums-                           Street View erkundet        alle Naturfans. Für das Engage-
guides machen
Natur zu Hause
                                   werden. Außerdem er-        ment als Bürgerwissenschaft-
                                   wachen einige Präparate
erlebbar
                                   der Biodiversitätswand
                                                               ler*in von zu Hause aus braucht
                                   per Virtual Reality zum     man nur etwas Zeit und einen
                                   Leben.                      Computer – und leistet einen
                                                               wertvollen Beitrag für die digitale
                                                               Erschließung der Sammlungen
                                                               des Museums für Naturkunde
                                                               Berlin. Die Forschungssammlung
                                                               soll in den kommenden Jahren
                                                               weltweit digital zugänglich
# Wissenswert:                     Die Welt                    werden, zunächst wird in einem
Neue Serie                         der Parasiten               ersten Pilotprojekt und mit Blick
auf YouTube                                                    auf das aktuelle Insektensterben
                                   Viren bestimmen mehr
                                   denn je unseren Alltag.
                                   Sie verkörpern die          die gesamte Hymenoptera-
Können Fische unter Wasser         höchste Form des Parasi-    Sammlung mit etwa 2,3 Millionen
Virusinfektionen bekommen?         tismus. Doch was sind
                                                               Bienen, Wespen und Ameisen
                                   Parasiten und welchen
Waren am Aussterben des            Einfluss haben sie auf      digital erschlossen. Wenn
Tasmanischen Tigers, besser        die globale Gesundheit?     Bürgerwissenschaftler*innen
                                   Die Wanderausstellung
bekannt als Beutelwolf, eben-      „Parasiten – Life Un-       dabei helfen, die Etiketten
falls Viren beteiligt? Was haben   dercover“ wurde von         abzutippen, kann die Arbeit
                                   mehr als 1,5 Millionen
Schuppentiere eigentlich mit                                   schneller vorangehen.
                                   Menschen besucht.
dem Coronavirus zu tun? Und wie    Sie erzählt 24 teils un-
kann man selbst Wildbienen in      glaubliche Geschichten
                                   aus aller Welt und zeigt,
der Stadt helfen? In # Wissens-    dass Klimawandel, Glo-
wert geben die Museumsguides       balisierung und Mega-
                                   cities der Verbreitung
ihr Wissen in unterhaltsamer
                                   von Parasiten Vorschub
Form in informativen Videos        leisten. Die digitale
weiter – immer mit Bezug zu        Ausstellung, sowie Infor-
                                   mationen zu Live Talks,
Sammlung und Forschung am          finden Sie auf unserer
#mfnberlin.                        Webseite.

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