URBAN FOOD PRODUCTION - ZK/U
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Untersuchungsausschuss #04 (UA #04): Städtische Essensherstellung Erstellt im Rahmen der Untersuchungsausschüsse am ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik, Berlin Untersuchungszeitraum 1. Mai - 31. August 2019 URBAN FOOD PRODUCTION Untertitel Link für QR Code English translations available online. Please scan the QR Code: 1
VORWORT FOREWORD Die Untersuchungsausschüsse des ZK/U haben es che Themen den Gesprächsstand der vielfältigen er- The fact-finding committees of the Zentrum für Kunst networks around agricultural topics, she analyzed the sich zur Aufgabe gemacht Themen zu erforschen, die nährungspolitischen Akteure in Berlin analysiert und und Urbanistik set itself the task of researching to- state of the discussions of the diverse stakeholders of relevant sind für Berlins Stadtgesellschaft, aber in der die Ernährungsstrategie des Berliner Senats kritisch pics that are relevant for Berlin’s urban society but food policy in Berlin, and has critically examined the politischen Debatte und Praxis zu wenig Beachtung zu beleuchtet. don’t get enough attention in the political debate and food strategy of the Berlin government. finden. Der UA #04 schaffte binnen kürzester Zeit, das Thema practice. The Fact-Finding Committee #04 managed within a Essen ist Grundbedürfnis und wird seit Jahren poli- Ernährungswende in unserem Kiez, aber auch in Ber- very short time to make the topic of change in the tisch von verschiedensten Akteuren der Zivilgesell- lins Mitte zu einem Teil der stadtpolitischen Debatte Food is a basic need, and for years has been addres- food system not just in our neighborhood, but also in schaft beackert – von großen Bündnissen wie „Wir zu machen. Grund dafür ist auch die Vertrautheit mit sed by a wide range of actors of civil society—from Berlin’s center part of the political debate in the city. haben es satt“, neueren Organisationen wie dem Er- dem Ort, den Menschen und den Abläufen des ZK/U, large alliances like “Wir haben es satt” [We’ve had One reason for this is the familiarity with the place, the nährungsrat Berlin oder selbstorganisierten Gruppen die den UA #04 auszeichnet; dies hat es ihnen er- enough] to newer organizations like the Food Council people, and the processes at ZK/U which characteri- wie den regionalen SoLaWis. möglicht, schnell ein lokales Netzwerk aus Initiativen Berlin, or self-organized groups like the regional CSAs ze the Fact-Finding Committee #04; this enabled its Das ZK/U hat seit seiner Gründung 2012 das gemein- wie den Moabees, den Baufachfrauen, dem nachbar- (community-supported agriculture). members to integrate a local network of initiatives like same Essen als Vermittlungs- und Begegnungskonzept schaftlichen Schulgarten und dem Bürger*innengarten Moabees, Baufachfrauen, the neighborhood school in sein Programm integriert. Essen kreiert nicht nur ei- in ihre Arbeit hier einzubinden. Mit dem Bau einer Since its establishment in 2012, ZK/U has integra- garden, and the citizen’s garden into their work here nen sozialen Raum, sondern ist in der internationalen Terrasse auf einem Container vor dem ZK/U haben ted shared meals as a concept for communication quite quickly. With the construction of a terrace on Gemeinschaft des ZK/U und der Stadt auch immer ein sie zudem einen neuen Begegnungsort geschaffen – and getting together. Food does not just create social top of a container, they also created a new meeting Werkzeug für interkulturellen Austausch. Intern wer- einen Ort, an dem Diskussionsrunden während des space, but within the international community of the space—a place where panel discussions took place den bei unseren Monday Dinners in der Künstlerresi- Gütermarkts stattfanden, Bienen auf Wildblumen ZK/U and the city it has always also been a tool for during Gütermarkt, where bees encounter wild flo- denz mit dem kleinen Budget von 50 € Gerichte aus treffen und eine Seilbahn das selbst angebaute Es- intercultural exchange. During our Monday Dinners in wers, and a ropeway transports the homegrown food einfachen Zutaten gekocht; die diversen kulturellen sen nun direkt auf den Mittagstisch des ZK/U beför- the artists’ residence, meals are cooked with simple directly to the lunch table of the ZK/U. Not far from Hintergründe unserer Resident*innen werden beim dert. Unweit vom ZK/U engagiert sich die vom UA ingredients (and a small budget of 50 Euros), and the ZK/U, at the invitation of the Fact-Finding Committee gemeinsamen Kochen neu gemischt. Öffentliche For- #04 eingeladene Künstlerin Silke Riechert gemein- diverse cultural backgrounds of our residents are re- #04, the artist Silke Riechert, together with the garden mate wie das wöchentliche Speisekino und der mo- sam mit der Garten- und Landschaftsplanerin Laura mixed when we all cook together. Public formats like and landscape planner Laura Tenenboim works for natlich stattfindende Gütermarkt bringen verschie- Tenenboim im „Planungsverfahren Nahraum Bremer the weekly Speisekino (food & footage) and monthly a change toward community gardens and communal denste Menschen an langen Tafeln zum gemeinsamen Straße“ für einen Wandel hin zu Beteiligungsgärten Gütermarkt (commodities market) bring together a food-growing in Moabit, as part of the “Planungsver- Essen zusammen. Über diese Formate hinaus hat das und nachbarschaftlichem Essensanbau in Moabit. wide range of people at long tables for shared me- fahren Nahraum Bremer Straße” [Planning Process ZK/U politische Aktionen wie die Schnippeldisko un- Mit der Veranstaltung „Lebensmittelpunkt am Alex? als. In addition to these formats, ZK/U has supported Area Bremer Straße]. In the event “Lebensmittelpunkt terstützt, bei der Freiwillige die Zutaten für eine Suppe Ernährungswende von unten!“ am 17. August 2019 political actions such as the Schnippeldisko, where am Alex? Ernährungswende von unten!” on August 17, mit 9000 Portionen zerkleinern. hat der UA #04 auf die Möglichkeit hingewiesen, das volunteers cut up the ingredients for a soup with 9000 2019, the Fact-Finding Committee #04 pointed out Thema „Gute Ernährung für alle“ von Beginn an in servings. the possibility of integrating the topic of “good food for Mit dem von der Stadtfrauenküche geleiteten Untersu- die Planung des neuen Kiezes rund um das Haus der everybody” from the beginning into the planning for chungsausschuss #04, Urban Food Production, wurde Statistik einzubeziehen. Im Rahmen der Pioniernut- With the Fact-Finding committee #04 Urban Food the new neighborhood around the Haus der Statistik. nun der Blick in Richtung Produktion und Verteilung zung „Ernährungshof Essen und Begegnung“, die der Production, directed by Stadtfrauenküche, we now As part of the pioneer project “Ernährungshof Essen erweitert. Die Stadtfrauenküche, bestehend aus Simo- UA #04 am Haus der Statistik initiiert hat, sollen Sy- broadened our view to include production and dis- und Begegnung” that the fact-Finding Committee #04 ne Häckel, Susanne Schröder und Simone Schröder, nergien und Kreislaufsysteme geschaffen werden, die tribution. Stadtfrauenküche, consisting of Simone initiated at Haus der Statistik, synergy and circulation begleitet das ZK/U nicht nur kochend bei vielen For- direkt auf die Herausforderungen der Klimakrise und Häckel, Susanne Schröder, and Simone Schröder, systems were created that directly address the chal- maten – zwei Partnerinnen der männlichen Direktoren Resscourcenknappheit eingehen, um den Zugang zu does not just cook for ZK/U at many events and for- lenges of climate crisis and resource scarcity in order des ZK/U sind Teil dieses Projekts und auch schon gutem Essen für alle zu sichern. mats—two partners of the male directors of ZK/U are to ensure access to good food for everybody. länger parallel als Zentrum für Kunst, Feministik und part of this project, and they have also been active as Urbanistik (ZK/FU) aktiv. Bezeichnenderweise haben Die Ernährungswende von unten hat längst begonnen Center for Art, Feministics und Urbanistics (ZK/FU). The change in food systems from below has started sie beim Thema Ernährung Karin Ehrle-Horst, die – doch nur mit einem stadtweiten und spartenüber- Tellingly, for the topic of food, they brought on board long ago—but only with a city-wide and interdiscipli- Partnerin des dritten Direktors, an Bord geholt, um geifenden Umdenken können wir dafür sorgen, dass Karin Ehrle-Horst, the third director’s partner, in or- nary rethink can we ensure that the supply of good gemeinsam die tieferliegenden Strukturen der Versor- die Versorgung mit gutem Essen für alle Stadtbewoh- der to jointly research the deeper structures of supply food for everybody in the city is integrated into the gung zu untersuchen. Für dieses Heft hat sie mit ihren ner*innen in die Planungsprozesse der Stadtentwick- and provision. For this issue, with her experience in planning processes of urban development. Erfahrungen in Netzwerken rund um landwirtschaftli- lung eingebunden wird. Lotta Schäfer und Philip Horst Lotta Schäfer ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik ZK/U – Center for Art and Urbanistics 2 3
Öffentliche Veranstaltungen des UA #04 im ZK/U Inhaltsverzeichnis I Intro von Stadtfrauenküche 6 II Ernährungswende in Berlin? 8 III Grüne Karta Moabit 19 IV Essbare Kreisläufe im ZK/U 24 Geländeplan Gartenstück im Bürgergarten Milpa - Die drei Schwestern 2. Juni 2019 | 14:00-17:00 18. August 2019 | 11:00-17:00 ZK/FU - Zentrum für Kunst, Feministik und Urbanistik Zero Waste DIY Workshop I Silke Riechert & Food Funicular - eine Seilbahn mit frischem Gemüse Wir nähen ein Furoshiki Tuch Laura Tenenboim (mit Leonie Weber) Die Bohne. V Eröffnung der ZK/FU Dachterrasse Offene Werkstatt Wildpflanzen 33 mit Stammtisch ZK/U Unit 1 VI Nicht ohne Tattoo in die Küche 39 7. Juli 2019 | 14:00-17:00 22. August 2019 Zero Waste DIY Workshop II Openhaus + Wir nähen einen Gemüsebeutel Präsentation in Unit 1 (mit Leonie Weber) & Wildpflanzen Wildpflanzenmenü in Textil-Siebdruck Kooperation mit dem Speisekino 17. August 2019 | 14:00-17:00 hier noch eine kleine Lebensmittelpunkt am Alex? Ernährungswende von unten! 1. September 2019 | 14:00-17:00 Zero Waste DIY Workshop III Zeichung oder Ort: Haus der Statistik, Musterhaus Wir nähen eine Butterbrottasche handschriftliche Notiz oder Tattoo? (Autoscooter), Parkplatz Berolinastra- (mit Leonie Weber) ße 22, Berlin-Mitte 4 5
I den Machern des ZK/U verbunden, die die Entstehung des Hauses beglei- I tet haben und besonders in der hauseigenen Küche eine Spielwiese für Liebe Akteur*innen und Mitmenschen, liebe Zivilgesellschaft, liebe Lidl-, sich entdecken konnten. Die sich fragen, was gute Care-Kreisläufe sind, im denn's-, Hamberger-, HelloFresh-, Edeka- und LPG-Kund*innen, liebe För- großen Betrieb und in der modernen Kleinfamilie. Die sich fragen, wie das dermittelantragsteller*innen, liebe Zeitgeistrechercheure, liebe Kinder und zusammengehen kann – die große Kraft, die es kostet, einfache und gute Jugendliche, liebe Erzeuger, einfache Angestellte, verbeamtete Lehrer*innen, Lebensmittel herzustellen, so viel Zeit, die zugleich Erfüllung und Sinnhaf- Bekenntnisliteraten, Postenköche, Bundesjugendspielversager, Influencer, tigkeit bereitet - und der ökonomische Druck, unter dem man steht. Speiseisanhänger, Clean Eaters, Raucherinnen, Tiefbeetfreunde, Kümmerer, Wir haben uns zu diesem Untersuchungsausschuss selbst eingeladen und Netzwerker, Polyamorist*innen, Städtetouristen, Narrativisten im Affiliate danken Lotta Schäfer vom ZK/U für ihren Enthusiasmus und ihre Kompe- Marketing, liebe aggressive Mütter. tenz. Wir wissen manchmal (nicht) genau, was wir tun. Wir haben immer zu wenig Zeit und nie genug Geld. Wir finden es großartig, uns in diesem Es ist Sommer 2019. Peaches’ erste institutionelle Einzelausstellung er Kulturbetrieb zu Expertinnen selbst zu ermächtigen, Behauptungen auf- öffnet, Ursula von der Leyen wird EU-Kommissionspräsidentin, Angela Merkels zustellen, andere Frauen mit an Bord zu holen, Impulse zu geben. Motto Beine zittern. In Brandenburg stehen die Stockrosen in hoher, bunter vielleicht: Essbare Kreisläufe? Es gibt ja gerade einen ziemlichen Kreis- Pracht. Mit halb geneigtem Blick überreichen wir den Output unseres lauf-Druck: Sackgassen und Widersprüche müssen endlich überwunden Stipendiums Untersuchungsausschuss #04: Urban Food Production im werden, wegen des Klimas. Und stellen sich doch immer wieder ein, nir- Zentrum für Kunst und Urbanistik Berlin. gendwo ein Schleier der Ahnungslosigkeit, hinter dem man sich verstecken Wer hätte das geahnt. Damals war es ein gehässiges Schimpfwort unter- könnte. forderter Mittelschicht-Teenager einer westdeutschen Stadt. Es gab diesen AUTORIN? Laden, mitten in der Innenstadt, eine Mischung aus Primark und Action. Hier ein kurzer Einblick in die Themen des Heftes: INTRO Er hieß Urban. „Ist das von Urban?“, tuschelten die Esprit-, Marc O'Polo-, Ernährungswende. Die größte Avantgarde seit den Präraffaeliten. Hier Benetton-Trägerinnen mit abfälligem Blick, und in der ungegerbten Leder- kommt alles zusammen: Klima, gute Arbeit, Wertschätzung, Gemeinschaft, schultasche wartete Die Wolke von Gudrun Pausewang. Zukunft. Es gibt in Berlin und den umliegenden Bundesländern eine unglaub- Jetzt allerdings, Jahre später, hat das Wort Hochkonjunktur. So schön kos- liche Dichte an Kompetenz in Sachen industriefreier Landwirtschaft und mopolitisch, gute Klangqualität, annähernde Kongruenz von Form und der kreativer politischer Arbeit. Ein paar Begriffe stellen sich vor. im jeweiligen Subjekt entstehenden inhaltlichen Idee. Viele Möglichkeiten Die Initiative thf.vision hat das Konzept für einen Ernährungshof in den der Projektion. Urban Outfitters, Urban Design, Center for Art and Urbani- ehemaligen Offizierskantinen des Flughafen Tempelhof entwickelt. Auch im stics. Ob es je etwas Post-Urbanes geben wird? ZK/O - Zentrum für Kunst einstigen Haus der Statistik am Alexanderplatz in Mitte, das zu einem neuer und Orbinistik? Kiez umgebaut wird, könnte ein Lebensmittelpunkt entstehen. Die Akteurin- nen Silke Riechert und Laura Tenenboim fordern die Grüne Karta Moabit, Und dazu das Thema Food, noch so ein triefender Brocken. Food – korrekt in der Parkanlagen in Stadtacker verwandelt werden. und inkorrekt – ist total in. Dafür interessieren wir von der Stadtfrauenküche Kommen noch unsere eigenen Experimente mit Wildpflanzen, nicht-sub- uns. kutaner Tinte, einer Essens-Seilbahn auf einer Container-Dachterrasse und der Ackerbaumethode Drei Schwestern vor Ort im ZK/U hinzu. In jeder Lifestyle-Zeitschrift gibt es Ratschläge zu nachhaltigem und zu Ein buntes Potpourri aus privater und politischer, zivilgesellschaftlicher und Zero-Waste-Konsum. Jedes Kindergartenkind weiß, dass eine Avocado viel professioneller Perspektive. Wasser und Weg verbraucht. Unsere Schülerzeitung zum Thema Urban Food Production ist kein Atlas und auch kein Bericht. Wir starten bei uns: ein paar Cis-Frauen im besten Alter, im weitesten Sinn beruflich im Kulturbereich angesiedelt, familiär mit 6 7
ERNÄHRUNGSDEMOKRATIE II II KARIN EHRLE-HORST Ernährungswende Changes in the Food in Berlin System in Berlin In Berlin sind Lebensmittel so gut wie im- geht. Nach Angaben des Robert Koch-Ins- ist da noch gar nicht mit eingerechnet. Die In Berlin, food is almost always and ever- with consequences for their health. In ad- can be produced for very little money. The mer und überall verfügbar – und das völlig tituts sind in Deutschland zwei Drittel der intensive Form der Landwirtschaft, wie ywhere available – as a matter of course. dition, countless tons of food are thrown high price for the environment is not even selbstverständlich. Die Auswahl ist riesig: Männer übergewichtig, die Hälfte der Frau- sie heute verbreitet ist, setzt Pflanzengifte The selection is vast: we can choose un- away in Berlin: at home because we don’t included in the calculations. The intense Wir können wählen zwischen unverpackt en auch – in Berlin dürften sich die Zahlen ein, die in unseren Gewässern landen, und wrapped food and discount stores, bet- feel like eating it, in the supermarkets farming, so widespread nowadays, uses und Discounter, zwischen kambodscha- ähnlich gestalten. Die meisten Menschen greift auf Kunstdünger zurück, die unsere ween Cambodian and zero waste, we get because the sell-by date has been rea- herbicides that end up in our rivers and nisch und Zero Waste, wir holen uns Es- essen zu viel, zu fett und zu zuckerhaltig, Böden auf Dauer auslaugen. Die in diesem food to go or use one of the numerous ched, and also in agricultural companies lakes, and uses chemical fertilizers that sen to go oder nutzen einen der zahlreichen was gesundheitliche Folgen nach sich zieht. Sektor gängigen Niedriglöhne und schlech- delivery services. No city has as many because the product does not meet the exhaust the soil. The low wages paid in Lieferdienste. Keine Stadt zählt so viele Zudem werden in Berlin unzählige Tonnen ten Arbeitsbedingungen sind darüber hin- food trucks as Berlin. And here, too, the expectations of retailers or customers. Th- this sector and the bad working conditions Foodtrucks wie Berlin, und auch hier ist die an Lebensmitteln weggeworfen: Bei uns zu- aus Motor für soziales Elend. selection is almost unlimited: burgers, roughout Germany, farmers are struggling foster social deprivation. Auswahl nahezu unbegrenzt: Burger, Kä- hause, weil wir keine Lust mehr darauf ha- Dieses Ernährungssystem braucht einen spaetzle, falafel, dumplings… This list with the principle of “grow or perish,” This food system needs to change. Sin- sespätzle, Falafel, Dumplings... Diese Liste ben, im Supermarkt, weil das Mindesthalt- Wandel. Seit 2011 demonstrieren jedes could be continued at length. New food ce 2011, every year tens of thousands of lässt sich beliebig lange fortsetzen. Immer barkeitsdatum abgelaufen ist, und auch bei Jahr mehrere Zehntausenden Menschen start-ups emerge all the time, as do new people have been demonstrating with the neue Food-Start-ups entstehen, ein Ernäh- den landwirtschaftlichen Betrieben, weil unter dem Motto „Wir haben es satt“ gegen food trends. Berliners photograph their motto “We’ve had enough!” (we are fed rungstrend jagt den anderen. Berliner*in- das Produkt nicht den Wünschen des Han- Massentierhaltung, Umweltschäden durch food millions of times and post it on social up!) against factory farming, environmen- nen fotografieren ihr Essen millionenfach dels oder der Konsument*innen entspricht. den Einsatz von Pestiziden, den zunehmen- media, the food blogger scene is growing, tal damage caused by pesticides, increa- und posten es in den sozialen Medien, Deutschlandweit haben die Bäuer*innen den Preisdruck und die negativen Auswir- as is the number of food apps and food Hier könnte ein sing price pressure, and the negative con- die Food-Blog-Szene wächst, die Zahl der kungen auf die bäuerlichen Strukturen. markets. In short: the food market is boo- sequences for regional small agricultural Food-Apps und Food-Markets auch – kurz: Wir können nur so gut produzieren wie die Erzeuger Vielerorts in Berlin und Brandenburg ent- ming. Food is fashionable. Zitat stehen. Hier structures. In many places in Berlin and Der Food-Markt boomt. Essen ist Trend. sind. Außer wir stehen nachhaltige Ernährungsinitiativen, That food is of existential significance Brandenburg, sustainable food initiatives Dass Essen für unser Leben von exis- schmeißen überall Currypulver drüber. in zahlreichen Urban-Gardening-Projekten for our lives is veiled by this trend. Many könnte ein Zitat ste- have emerged. In numerous urban garde- tentieller Bedeutung ist, wird durch diesen wird Gemüse selbst angebaut, solidarische Berliners don’t know where their food ning projects people are growing vegetab- Trend jedoch verschleiert. Viele Berliner*in- Formen der Lebensmittelherstellung als Er- comes from, and how much time and hen. Hier könnte ein les, solidarity-based forms of food produc- nen wissen nicht, woher ihre Lebensmittel zeuger-Verbraucher-Gemeinschaften wer- work was invested in it. Since a tenth of tion as producer-consumer-communities stammen und wie viel Zeit und Arbeit in den populärer – in Form von solidarischer the city’s inhabitants are relying on so- Zitat stehen. Hier are becoming increasingly popular—in the ihnen steckt. Da ein Zehntel der Bewoh- Landwirtschaft (SOLAWI) oder von Food- cial benefits, and the housing market is form of community-supported agriculture ner*innen dieser Stadt auf Sozialleistungen coops, die Brücken zwischen Hersteller*in- getting tighter due to rising rents, the ex- könnte ein Zitat ste- (CSA) or of food co-ops that build brid- angewiesen sind und sich die Wohnraumsi- nen und Konsument*innen schlagen. Aus pense of the basic needs of housing and ges between producers and consumers. tuation bei steigenden Mieten immer wei- Konsument*innen werden Prosument*in- food are increasingly competing with each hen. Hier könnte ein Consumers become prosumers who ac- ter zuspitzt, entwickeln sich die Ausgaben Quelle: XXX nen, die aktiv Verantwortung übernehmen. other. The structure of the Berlin Senate tively take on responsibility for the food für die beiden Grundbedürfnisse Wohnen mit dem Grundsatz „Wachse oder wei- Zudem wächst die Zahl der Ernährungsräte also shows that food is a marginal issue. 150 Zeichen they eat. Also, the number of food policy und Essen zunehmend zu konkurrierenden che“ zu kämpfen; insbesondere kleine und in Deutschland rasant; der 2016 gegründe- Whereas the basic need of housing is councils is growing rapidly in Germany; Posten. Und auch die Struktur des Berliner mittlere Betriebe schwinden rasant. Seit te Berliner Ernährungsrat gehört mit seinem evident even in the name of the Senate the Berlin Food Council (Ernährungsrat) Senats macht deutlich, dass Nahrungs- den 1960er Jahren ist ihre Zahl um 80 % Kölner Pendant zu den Pionieren. Immer Department for Urban Development and established in 2016, together with its Co- mittel ein Randthema sind: Während dem geschrumpft, jährlich kommen weitere mehr Städte und Regionen verpflichten sich Housing, the nutrition and food are dealt logne counterpart, were pioneers in this Grundbedürfnis Wohnen schon im Namen 5.000 Bauernhöfe hinzu. im Rahmen von Netzwerken oder Abkom- with in a sub-department of the Senate especially small and medium-sized farms field. More and more cities and regions der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Die Berliner Supermärkte werben indes men wie dem Milan Urban Food Policy Pact Department for Justice, Consumer Protec- are disappearing rapidly. Since the 1960s, have committed, as part of networks or und Wohnen zentraler Stellenwert einge- mit wöchentlichen Super-Schnäppchen: (Pakt von Mailand zur urbanen Ernährungs- tion, and Anti-Discrimination. their number has declined by 80%, and pacts such as the Milan Urban Food Policy räumt wird, ist das Thema Ernährung und Beim Kauf von zwei Gläsern Marmelade politik) dazu, sich für gesündere und fairer On the whole, there is still a lack of a each year another 5000 farms close down. Pact, to working for healthier food that is Lebensmittel lediglich ein Teilbereich der gibt es den Buttertoast gleich gratis dazu – hergestellte Lebensmittel stark zu machen. real engagement with the topic of food— Berlin’s supermarkets meanwhile ad- produced fairly. For three years now, the Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucher- „GUT&GÜNSTIG“, so der Slogan. Günstig Seit drei Jahren findet parallel zur BIOFACH be that personal eating habits or a more vertise weekly super bargains: if you buy conference “STADTLANDBIO” has been schutz und Antidiskriminierung. ist die Ware aber nur im Laden – die wirk- in Nürnberg, der größten Messe für biolo- aware use of food stuff. According to the two jars of jam, you get a package of bread taking place parallel to the largest fair for Insgesamt mangelt es in Berlin nach wie lichen Kosten sind versteckt, denn nichts gische Lebensmittelherstellung, der Kon- Robert-Koch-Institut, two thirds of men in for free. “Good and cheap” is the slogan. organic food production in Nuremberg, vor an einer wirklichen Auseinandersetzung verschlingt so viele Steuern wie die indus- gress STADTLANDBIO statt, bei dem es Germany are overweight, as are half the But food is only cheap in the shops—the and the conference addresses above all mit dem Thema Ernährung – ob es nun um trielle Landwirtschaft, mit denen viele Le- vor allem um Ansätze für eine Ernährungs- women. In Berlin, the numbers are likely true costs are hidden, because nothing approaches to changing in the food sys- die persönlichen Essgewohnheiten oder bensmittel für wenig Geld erzeugt werden. wende auf kommunaler Ebene geht. Die to be similar. Most people eat too much eats as much taxpayer’s money as indus- tem on a regional level. The change of the den bewussten Umgang mit Lebensmitteln Der hohe Preis, den unsere Umwelt zahlt, Ernährungswende hat schon begonnen. food that contains too much fat and sugar, trial agriculture so that many foodstuffs food system has already started. 8 9
ERNÄHRUNGSDEMOKRATIE II II KARIN EHRLE-HORST Ernährungsräte Gründungsdaten der Ernährungsräte in Deutschland Gutes Essen ist keine Privatsache. Ernährungsräte stellen in Deutschland ein wichtiges Sprachrohr zu Themen der Ernährungsgestaltung und Lebensmittelgerechtigkeit 22.04.2016 30.06.2016 28.11.2016 dar. Philipp Stierand bietet in seinem Artikel Ein Ernährungsrat: Was ist das? eine gute Zusammenfassung: „Ein Ernährungsrat (engl.: Food Policy Council) ist der wichtigste Ansatz der Stadtplanung für eine Gestaltung des Ernährungssystems. Ernährungsräte rücken die Belange von Bürgern und Kommunen in der Lebensmittelversorgung in den Mittelpunkt. Sie setzen auf der lokalen Ebene an um das Ernährungssystem zu gestalten.“ 1 Es hat einige Jahre gedauert, bis es das Konzept des Ernährungsrats nach Deutschland geschafft hat. Mit der Gründung von Ernäh- 30.08.2017 21.10.2017 25.11.2017 rungsräten in Berlin und Köln 2015 und 2016 nahm die Entwicklung an Fahrt auf: Im Juli 2019 zählt Deutschland rund ein Dutzend Räte, wobei sich weitere in der Gründungsphase befinden. Alle setzen das Thema Ernährung auf die politische Agenda; in ihren Strukturen und Organisationsformen unterscheiden sie sich jedoch. Sprecher*innenkreis Ernährungsrate Berlin (Stand Sommer 2019) 24.01.2018 05.02.2018 18.06.2018 Oke Anyanwu Referent und Berater weltgesellschaftliche Transformationsprozesse Friederike Gaedke Verein “Die Gemeinschaft” Annette Jensen freie Journalistin Timo Kaphengst selbständiger Berater für soziale Innovationen Regionalwert AG Berlin-Brandenburg gearbeitet Lea Kliem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) Frank Nadler AG „Berlin-Brandenburg“ des Ernährungsrates / Aufbau von Land-Stadt-Logistikketten Direkthandelskonzepten in Berlin Gülcan Nitsch Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH / 07.09.2018 26.11.2018 04.05.2019 Ashoka Gundula Christiane Oertel Journalistin und Autorin Christine Pohl Gründerin und hauptamtliche Koordinatorin des Ernährungsrates Berlin Henrike Rieken Koordinatorin des „InnoForums Ökolandbau Brandenburg“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde Quelle: Valentin Thurn, Gundula, Christine Pohl: Genial lokal: So Timo Schmitt / Ernährungspädagoge Berliner Tafel kommt die Ernährungswende in Bewegung, Oekom Verlag, München 2018 (Quelle: www.ernaehrungsrat-berlin.de) 03.06.2019 in Gründung in Gründung 1 Philipp Stierand: Ein Ernährungsrat: Was ist das?, 20.06.2015, auf: https://speiseraeume.de/, abrufbar unter: https://speiseraeume.de/faq-ernaehrungsrat-food-policy-council/, letzter Zugriff: 06.08.2019 10 11
ERNÄHRUNGSDEMOKRATIE II II KARIN EHRLE-HORST Landwirtschaft Gutes Essen für alle solidarisch Die Ernährungsstrategie des Berliner Senats Angesichts der aktuellen Entwicklungen wird darüber hinaus auch die Feldarbeit Rheinland, der Raum Isar/Inn und bald Berlin ist als erste deutsche Stadt den eu- konkrete Umsetzung: Weniger Zwischen- Pakt von Mailand unterzeichnet. Ziel ist, ist es für lokale kleine und mittelgroße durch die Verbraucher*innen unterstützt. auch Berlin/Brandenburg von ihren Investi- ropäischen Vorreitern London, Brighton, handel oder mehr regional? Weniger Abfall dass Berliner*innen dauerhaft und verläss- landwirtschaftliche Betriebe, aber auch In den USA ist diese Form der Landwirt- tionen in die Betriebe im direkten Umkreis Hove, Amsterdam, Malmö und Brüssel ge- – aber wie? Fair nur für alle Berliner*innen lich Zugang zu vielfältigen, fairen, gesunden für das Ernährungshandwerk oft schwer, schaft unter dem Namen CSA (Commu- ihrer Stadt oder Region. folgt und hat sich die Entwicklung einer Er- – oder auch für die Herkunftsländer der und nährstoffreichen Lebensmitteln erhal- dem globalen Preisdruck standzuhalten. nity Supported Agriculture) verbreitet. In Eine weitere Strategie, um niedrigere Prei- nährungsstrategie zum Ziel gesetzt. Aber: Lebensmittel? ten. Auch der rot-rot-grüne Senat bekannte Damit Menschen trotzdem in den Genuss Deutschland haben sich bisher knapp 250 se für regionale Lebensmittel zu erzielen, Jede Stadt ist anders – und so auch ihre Den Weg hin zu einer Ernährungswen- sich in seinem 2016 unterzeichneten Koa- von Lebensmitteln kommen können, die Solawis in einem Netzwerk zusammenge- ist die Umgehung des Zwischenhandels. Strategie für ihre lokale Ernährungspolitik. de hat die Hauptstadt dabei schon 2015 litionsvertrag zum Mailänder Abkommen aus der Region stammen, wurden in den funden; die Produkte reichen von Fleisch An dessen Stelle treten dann Foodcoops, Die besondere Herausforderung für das eingeschlagen, als der „Rat für gutes Es- und kündigte an, gemeinsam mit dem letzten Jahren unterschiedliche Ansätze über Obst und Gemüse bis hin zu Kräutern selbstverwaltete und selbstorganisierte zwar bunte und kreative, aber auch arme sen“ gegründet wurde: Als erste Stadt in zivilgesellschaftlichen, 2016 gegründeten entwickelt: So bilden in der solidarischen und anderen Sonderkulturen. Einkaufsgemeinschaften, oder Social Start- Berlin lautet: Gutes Essen, gesunde und Deutschland hat sich Berlin zu einer um- Ernährungsrat Berlin hierfür eine Ernäh- Landwirtschaft (Solawi) Landwirt*innen Seit wenigen Jahren entwickeln sich zudem ups wie Marktschwärmer, eine Kombinati- faire Lebensmittel für alle. Die Fragen, die fassenden, langfristigen und sozial gerech- rungsstrategie zu entwickeln. und Verbraucher*innen Gemeinschaften, als Gegenmodell zu den EU-Argrarsubven- on aus Online-Shop und Bauernmarkt. Bei sich dabei stellen, betreffen vor allem die ten Ernährungspolitik verpflichtet und den 2018 hat die Senatsverwaltung für Justiz, in denen die Konsument*innen die Kosten tionen Regionalwert Aktiengesellschaften letzterem bestellen und bezahlen die Kon- des gesamten landwirtschaftlichen Be- – Aktiengesellschaften von Bürger*innen, sument*innen ihre Ware im Vorfeld online, triebs tragen – und nicht die des einzelnen die heimische landwirtschaftliche Unter- während die Landwirt*innen die Produk- Lebensmittels. Im Gegenzug erhalten die nehmen unterstützen und für die Region te zum wöchentlichen Markttermin oder Mitglieder Ernteanteile. Auf diese Weise sowohl einen ökologischen als auch einen einer anderen Ausgabestelle liefern. Die werden Risiken und Gewinne aus der Ernte sozialen Mehrwert schaffen. Bisher profi- Verbraucher*innen wissen, was sie bekom- im gleichen Maß geteilt; in einigen Fällen tieren vor allem Freiburg, Hamburg, das men;, die Bäuer*nnen, was sie loswerden. Quelle: Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung oder https://www.berlin.de/sen/verbraucherschutz/ernaehrungsstrategie/artikel.784086.php Verbraucherschutz und Antidiskriminie- soll, ist dies eine Querschnittsaufgabe. mehr Gemüse aus Brandenburg eingesetzt rung in einem gemeinsamen Verfahren So sieht die Strategie etwa vor, dass das wird, sollen Liefer-, Lager- und Logistikket- mit Vertreter*innen von Vereinen und Ver- Essen in Schulen, öffentlichen Mensen ten optimiert werden. Zudem ist geplant, bänden, Wissenschaft und Bildung Emp- und Pflegeeinrichtungen künftig als Vor- in jedem Berliner Bezirk sogenannte Le- fehlungen erarbeitet und eine Strategie bild für gute und gesunde Ernährung die- bensMittelPunkte einzurichten – Orte, an entwickelt. Diese liegt seit Anfang des Jah- nen soll. Wie der Speiseplan verändert denen Lebensmittel gelagert und gehan- res 2019 den verschiedenen Abteilungen werden muss, damit der Preis trotz eines delt, zubereitet und gemeinsam gegessen des Senats zur Abstimmung vor. Der Ent- höheren Anteils regionaler Lebensmittel werden, an denen über sie gesprochen wurf macht dabei vor allem eines deutlich: gleich bleibt, soll dabei ein Ausbildungs- wird, kurz: An denen regionale und faire Wenn das Ernährungssystem Berlins und und Beratungszentrum mit dem Arbeitstitel Lebensmittel in der Stadt wieder mehr Auf- Grafik: kommunare GbR der Hauptstadtregion verändert werden „House of Food“ vermitteln. Damit künftig merksamkeit und Raum bekommen. 12 13
ERNÄHRUNGSDEMOKRATIE II II KARIN EHRLE-HORST LebensMittelPunkte Lebensmittel in Kopf und Topf Eine wichtige Säule der Berliner Ernäh- Gemüse und Obst in gemeinschaftlich sind sie Stadtteilzentren für konkreten und rungsstrategie stellen sogenannte Lebens- betriebenen Gärten oder mobilen Beeten erfahrbaren Klima-, Umwelt- und Res- MittelPunkte dar. Worum es sich dabei angebaut werden. Gemeinschaftsküchen sourcenschutz und wirken der Lebens- genau handelt, geht aus einer Beschrei- dienen sowohl der Zubereitung von Spei- mittelverschwendung entgegen.“ 2 bung auf der Website des Berliner Ernäh- sen, werden aber auch für Kochkurse und rungsrats hervor: Ernährungsbildung aller Generationen ge- Berlin zählt bisher drei Lebensmittelpunk- nutzt. te. Abhängig von Größe und Ausstattung „An diesen offenen Orten werden über- haben sie unterschiedliche Visionen und wiegend regionale, hochwertige Nah- LebensMittelPunkte sind ein Treffpunkt, Angebote – als Bildungsort zum Kochen, rungsmittel gehandelt, gelagert, verar- ein Lern- und Austauschort für verschie- als Lagerort oder als Ort des Austauschs beitet, gekocht und gegessen. Wo es denste Menschen vor allem aus dem je- über Lebensmittel. So beschreiben sie die Gegebenheiten zulassen, soll zudem weiligen Kiez oder Bezirk. Darüber hinaus sich selbst: LebensMittelpunkt Spandau „Die AG will mit praktischen Aktionen wirken. Bei einem Apfelfest haben wir mit über 100 BesucherInnen in Kleingär- ten eingesammeltes Obst verwertet. [...] Als nächstes will die AG die Einrichtung eines zentralen Ortes erreichen, an dem ein sogenannter LebensMittelPunkt entsteht. Dort soll es die Möglichkeit geben, Ernten zu sammeln, zu lagern und gemein- LebensMittelPunkt sam zu verarbeiten. [...] „Die AG LebensMittelPunkt Spandau Lichtenberg ist ein Zusammenschluss von aktiven Bürgern und Bürgerin- nen in Zusammenarbeit mit der AG Stadt & Ernährung, der „Wir engagieren uns für einen Ort in Lichtenberg, Quelle: Broschüre thf.vision, 2018 Gartenarbeitsschule An der Kappe und der KlimaWerkstatt wo regionale Lebensmittel verarbeitet, gelagert, Spandau.“ 4 getauscht und weitergegeben werden können, wo Wissen ausgetauscht, Erfahrungen gemacht und LebensMittelPunkt benötigte Geräte verfügbar sind. Der entstehende Tempelhofer Flughafen Ort heißt LebensMittelPunkt und dient ErzeugerIn- nen, VerarbeiterInnen und VerbraucherInnen – also „Die Bürgerinitiative thf.vision schlägt vor, das Tempelhofer Flughafengebäude uns allen!“ 5 zu einem Gemeingut zu machen: Vielfältige Gruppen, Organisationen, Betrie- be und Forschungseinrichtungen sollen hier zusammen ein Reallabor für eine enkeltaugliche Stadt betreiben. Im Gebäudeteil K2 gibt es fünf leerstehende Küchen, mehrere Kantinenräume, Säle und Lagerräume – ein idealer Ort, um einen LebensMittelPunkt einzurichten.“ 3 2 Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkte, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkte 3 Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkt Tempelhof, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkt-tempelhof 4 Klimawerkstatt Spandau: LebensMittelPunkt Spandau – eine Initiative für Klimaschutz und Ernährung, abrufbar unter: https://www.klimawerkstatt-spandau.de/regional/ projekte-regional/lebensmittelpunkt-projekte-regional 5 Ernährungsrat Berlin: LebenMittelPunkt Lichtenberg, abrufbar unter: http://ernaehrungsrat-berlin.de/lebensmittelpunkt-lichtenberg 14 15
ERNÄHRUNGSDEMOKRATIE II „House of Food“ EINLADUNG Lebensmittelpunkt am Alex? Ernährungswende von unten! Kantinen werden geschult Ein Öffentliches Treffen zur Ernährungsdemokratie in Berlin. Ein wesentlicher Bestandteil der Berliner dem Vorbild Kopenhagens sollen Mitar- gelungen. Bei der Ausschreibung durch Ernährungsstrategie ist das „House of beiter*innen der Küchen und Kantinen den Senat wurden drei Parteien einge- Food“. Anders als der Projekttitel ver- von Schulen, Kitas oder Justizvollzugs- laden ein Angebot einzureichen, der Zu- muten lässt, verbirgt sich hinter dem anstalten befähigt werden, den Bio- und schlag ist vergeben. Ein Auszug aus der Projekt kein Gebäude, sondern ein Aus- Regionalanteil der Lebensmittel bei gleich Ausschreibung des Berliner Senats liest bildungszentrum für Küchenpersonal in bleibendem Preis deutlich zu erhöhen. sich wie folgt: der Gemeinschaftsverpflegung. Nach Dies ist in Kopenhagen in nur drei Jahren Auszug II.2.4) Beschreibung der Beschaffung In Berlin soll ein „House of Food (Arbeitstitel)“ nach dem Vorbild Kopenhagens von einem Projektträger gegründet und betrieben werden. Mithilfe von Vor-Ort-Analysen in Küchen und Kantinen der Gemeinschaftsverpflegung, der Entwicklung und Durchführung Samstag, 14:00 – von Schulungen, insbesondere für das Küchenpersonal, Veranstaltungen sowie weiteren öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen soll das „House of Food (Arbeitstitel)“ zu einer grundlegenden Veränderung in der Gemeinschaftsverpflegung von Schulen, Kin- 17.08.2019, 17:00 Uhr dertagesstätten, Justizvollzugsanstalten sowie in jeglicher Form von Betrieben und Behörden in Berlin führen. Der Bio-Anteil des Gesamtwareneinsatzes in den teilnehmenden Institutionen soll in den ersten drei Jahren der Projektlaufzeit auf 60 % gesteigert werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass möglichst in allen Komponenten der jeweiligen Portionen der Bio-Anteil erhöht wird. Des Weiteren soll der Projektträger Kenntnisse und Kontakte an die Teilnehmer/innen vermitteln, die dazu führen, dass für den Ware- neinsatz verstärkt nachhaltige Produkte aus dem regionalen Anbau berücksichtigt werden. Ziel ist es, eine jährlich steigende Anzahl von öffentlichen und privaten Institutionen mit Gemeinschaftsverpflegung für das „House of Food (Arbeitstitel)“ zu gewinnen und die dauerhafte Umstellung der Ernährung in der Berliner Gemeinschaftsverpflegung nach den vorgenannten Kriterien zu erreichen. II.2.5) Zuschlagskriterien Der Preis ist nicht das einzige Zuschlagskriterium; alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt. II.2.6) Geschätzter Wert Die Frage nach gutem, für alle zugänglichem Essen gehört in unserer Zeit der Klimakrise und der Ressour- Wert ohne MwSt.: 3.200.000,.00 EUR cenknappheit zu den zwingenden Herausforderungen unserer Gesellschaft. Wir treffen uns mit ExpertInnen und AkteurInnen aus der Praxis, um zu erkunden, was Ernährungsdemokratie in Berlin ist und sein könnte. II.2.7) Laufzeit des Vertrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems Gemeinsam sprechen wir u.a. über die Beziehung zwischen Stadt und Land und lernen die aktuell entwi- Beginn: 01/06/2019 ckelte „Ernährungsstrategie“ des Berliner Senats kennen. Wir erfahren, was ein LebensMittelPunkt (LMP) Ende: 31/12/2019 und ein Ernährungshof sind. Dieser Auftrag kann verlängert werden: ja Mit dieser Veranstaltung initiiert der UA #04 die Pioniernutzung „Ernährungshof Essen und Begegnung“ am Beschreibung der Verlängerungen: Haus der Statistik (HdS). Rund um das ehemalige HdS am Alexanderplatz entsteht mitten in Berlin in den Geplanter Projektbeginn ist am 01.06.2019. Die Projektlaufzeit endet am 31.12.2019. Es ist beabsichtigt, das Projekt um weitere kommenden Jahren ein neues Quartier. Von Beginn an nutzt der UA #04 die Möglichkeit, das Thema „Gute zwei Jahre, vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2021, zu verlängern. Die Verlängerung steht unter dem Vorbehalt, dass die erforderlichen Ernährung für Alle“, die Produktion und das Angebot nachhaltiger, bezahlbarer, gesunder, fairer und vielfäl- Haushaltsmittel für das Projekt zur Verfügung gestellt werden. tiger Lebensmittel mitzudenken und in die Planung des HdS am ALLESANDERSPLATZ miteinzubeziehen. Gäste auf dem Podium: Kerstin Meyer Gemeinwohlökonomie Berlin-Brandenburg, II.2.9) Angabe zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden Daniel Diehl VDSKC Gundula Oertel Ernährungsrat Berlin, Geplante Anzahl der Bewerber: 3 (Verband deutscher Schul- und Kita Caterer e.V.) Gerard Roscoe, foodsharing e.V., Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern: Lea Ligat Markthalle 9 Ann-Christin Weber Ernährungsreferentin bei SenJustVa, Andrea Hofmann / ZKB Zusammenkunft Berlin eG Frank Wesemann, SoLaWi Waldgarten 1) Erfahrung des Projektträgers mit vergleichbaren Vorhaben Annette Jensen THF.Vision Flughafen Tempelhof Gregor Siems Hof Walden Saal 2) Qualifikation und Erfahrung der Projektleitung 6 Johanna Kühner SuperCoop Berlin Ebenfalls anwesend: Die Mobile Bohne von Silke Riechert Jonas Merold, Isis-Victoria Rampf, Sun Seeker e.V., Gemeinschaftsgarten Sonnenbeet am Haus der Statistik, Moderation: Silvia Bender, BUND e.V. 6 Projektförderung „House of Food“. Referenznummer der Bekanntmachung: 2019-3, abrufbar unter: https://ausschreibungen-deutschland.de/517733_Projektfoerderung_House_ of_FoodReferenznummer_der_Bekanntmachung_2019-3_2019_Berlin, letzter Zugriff: 06.08.2019. Haus der Statistik Musterhaus (Autoscooter) Parkplatz Berolinastraße 22 10178 Berlin 16 17
18 ZK/U 2.0 WERBUNG 19 III SILKE RIECHERT, LAURA TENENBOIM
GRÜNE KARTA MOABIT III 20 21 III SILKE RIECHERT, LAURA TENENBOIM
GRÜNE KARTA MOABIT III 22 23
ESSBARE KREISLÄUFE FÜR DAS ZK/U IV IV AUTORIN II Food Funicular Unit 1 Eine Seilbahn mit frischem Gemüse Arbeitsraum des UA #04 ZK/FU Zentrum für Kunst, Feministik und Urbanistik Nutzgarten mit Bepflanzung Milpa- Die drei Schwestern 24 25
ESSBARE KREISLÄUFE FÜR DAS ZK/U IV IV AUTORIN Die Parzelle im Bürgergarten Der Arbeitszeitraum des UA #04 fiel in die Gartensaison und Ort kennenlernen durften, waren immer für einen Schnack uns wurde die Möglichkeit des Mitgärtnerns im Bürgergarten zu haben und sehr hilfsbereit. Am Anfang kannten wir uns gegeben – ein durch Anwohner*innen des Stephankiezes ja gar nicht aus – wo die Bewässerungsutensilien zu finden (BürSte e.V.) betriebener Gemeinschaftsgarten am Rande sein könnten oder wie der Zahlencode für den Wasserhahn des Stadtgartens, direkt neben dem ZK/U. Ungefähr 17 Par- lautet. Es gab auch eine Mailingliste der Beetpaten*innen, zellen und Hochbeete werden im Rahmen dieses Projekts die immer einsprangen, wenn es nötig war: Wenn wir es aus an Gruppen von mindestens 5 Menschen aus der Nachbar- unseren Heimatbezirken nicht mehr nach Moabit schafften schaft vergeben. oder in der Sommerferienzeit nicht immer zum Gießen nicht Das kleine Gartenstück des ZK/U machte einen recht immer vor Ort sein konnten, sprangen Birgit, Irene, Nico- verwilderten Eindruck; wir waren froh, die Landschaftsar- la, Undine und Norbert ein und standen in der Abendhitze chitektin Laura Tenenboim dabei zu haben. Rund um den bereit für unser Beet. erhaltenswerten Bestand – ein paar kleine Beerensträucher, Rund um die Fläche des Bürgergartens wurde in dieser ein Obstbäumchen und mehrjährige Kräuter – gestalteten Zeit gefühlt „durchgegrillt“. Ein paar Mal sprach uns je- wir mit ihrer Hilfe einen Pflanzplan. Neben Wildpflanzen wie mand an, wie das mit dem Garten funktioniere und ob man Borretsch und Gundermann ließ sich Wilde Rauke und recht mitmachen könne. Insgesamt könnte das Zusammenspiel viel Ackergras entdecken. zwischen den Parkgästen und dem Bürgergarten aber noch besser werden, erlebten wir. Oft liegen in den Beeten Müll Als wir unser Beet für die Bepflanzung vorbereiten (sprich: oder Glasscherben; die Parzellist*innen, die schon lange da- den Boden lockern, natürlich mit einer Gabel statt mit einem bei sind, zeigen sich auf höfliche Weise recht erschöpft von Spaten) und „Unkraut“ entfernen wollten, gab uns eine regelmäßigen Plünderungen in ihren Beeten, weswegen im Nachbarin den Hinweis, dass man die Bodennarbe ruhig ge- Laufe des Sommers (wieder) bunt bemalte Schilder mit Hin- schlossen halten könne und nur an jenen Stellen, an denen weisen aufgestellt wurden. Kurz vor dem Schreiben dieses man auch wirklich pflanzen möchte, den Boden reinigen sol- Textes mussten wir selbst feststellen, dass unsere Kürbisse, le. Der daraus resultierende Charakter des leicht verwilder- die für das Speisekino am 22. August 2019 eingeplant waren, ten Gartens war schon gewöhnungsbedürftig, andererseits fremdgeernet wurden. Die Rauchschwaden des Grillguts spielte er uns in die Karten: ein jungfräuliches Ausgangsbeet hängen wie der Frust der Gärtner*innen über dem Park. zu schaffen hätte viel Zeit in Anspruch genommen. Vielleicht verleitet der Umstand, dass die Gärten insgesamt Durch unsere Kontakte zum Schulgarten Moabit konnten eher naturnah aussehen, einige Menschen dazu zu denken, wir unseren Boden mit gutem Humus und ein paar Setzlin- es seien verwilderte Flächen und man könne sich bedienen. gen versorgen. Schwerpunkte der Bepflanzung bildeten zum Eine Gruppe berichtet, dass sie nun ein gepflegtes Salatbeet einen eine Auswahl an interessanten Wildkräutern (dank der im repräsentativen Randbereich gepflanzt hätten, in akkura- Kräutergärtnerei helenion in der Uckermark, spezialisiert ten Reihen und ohne Unkraut – in der Hoffnung, so Vorbei- auf die unscheinbaren Pflanzen, „die ihre Besonderheit erst kommende vom Mundraub abzuhalten. in ihrer Blüte entfalten oder durch ihren Duft berauschen oder mit ihrem Geschmack bestechen“), zum anderen das „Wenn es einen Wert gibt auf der Erde, dann ist es Humus Polypflanzkonzept der Drei Schwestern. und nicht Gold oder Geld.“ Die Gartenkolleg*innen, die wir im Laufe der Monate vor – Friedrich Lehmann, Obstbauer 26 27
ESSBARE KREISLÄUFE FÜR DAS ZK/U IV Angepflanzt Echtes Eisenkraut Verbena officinalis Eisenkraut braucht keine besondere Pflege im Kräutergar- ten. Es eignet sich nämlich gut zum Verwildern an Weg- rändern oder Gehölzsäumen und sät sich dort auch selbst aus. Der Tee aus den Blättern gilt als nervenstärkend und beruhigend. Maca Lepidium peruvianum Dieser uralten Heil- und Kulturpflanze der Inkas werden zahlreiche Wirkungen zugeschrieben: Sie gilt als potenzstei- gernd und natürliches Stimulanz, allgemein vitalitätsstei- Knollenziest gernd, sie soll das Gedächtnis verbessern und adaptogen Stachys affinis wirken. Und dazu noch die gute Nachricht: Maca schmeckt Das aus Japan und China stammende Wurzelgemüse ist echt lecker! Sowohl die Blätter als auch die Rübchen unter auch bei uns völlig winterhart. Ende 19./Anfang 20. Jh. hatte der Erde schmecken scharf wie Kresse. Sie lassen sich es unter dem Namen Stachys oder Japanknolle auch in gut roh essen, als Salatzutat verwenden oder Sie bereiten Deutschland eine gewisse Bekanntheit. Aus dieser Zeit daraus einen sehr würzigen Kräuterquark. stammen einige interessante Rezepte z.B. für Pasteten, Aufläufe. Die Crosne können ab September bis zum Neu- Frühlings-Barbarakraut austrieb im Frühling geerntet werden. Barbarea verna Knollen-, Wurzelgemüse: Längliche weiße bis fingerstarke Das Frühlings-Barbarakraut hat einen scharfen, sehr meer- geringelte Knollen; roh (besonders knackig und saftig) für rettich-ähnlichen Geschmack ohne bittere Beinoten wie das Salate, ansonsten gebraten, frittiert oder gekocht. gewöhnliche Barbarakraut. Die wintergrünen Blattrosetten überdauern völlig frosthart die kalte Jahreszeit liefern wert- volles Grün für frische Wintersalate. Moldavische Melisse Dracocephalum moldavicum Schnellwüchsiges Tee- und Würzkraut mit mild-zitronigem Geschmack. Zahlreiche hübsche violette Lippenblüten im Sommer. Heimisch von Osteuropa bis Sibirien. Verwendet werden Blätter, Triebspitzen und Blüten frisch oder getrock- net. Versamt sich leicht. Salat-Chrysantheme Xanthophthalmum coronarium Die etwas dickfleischigen Blätter schmecken knackig herzhaft und passen sowohl an Salate als auch aufs Brot. Besonders zierend sind außerdem die recht großen gelben, manchmal weiß gerandeten Blüten. Sät sich selbst wieder aus.. 28 29
ESSBARE KREISLÄUFE FÜR DAS ZK/U IV IV AUTORIN Milpa- Die drei Schwestern Sortenauswahl für das Drei Schwestern Beet Mais Wir haben uns für Golden Bantam Zu- ckermais entschieden. Das ist eine mit- telfrühe Sorte, die grosse und leuchtend gelbe Kolben bildet. Die Maiskörner sind sehr saftig und süß. Dollar-Münze aus 2009 Bohnen Aufgrund des Namens wählten wir die Prunkbohne ‚Lady Di‘. Sie trägt feuerro- te Blüten und Ihr feinaromatischer Geschmack soll den von anderen Boh- nenarten übertreffen. Kürbis Hokkaido. Den essen wir am liebsten und man muss ihn nicht schälen. Natürlich konnten wir nicht widerste- Blickfeld. Und in diesem Zusam- Mais-Setzlinge in Reihen angepflanzt, hen, Ansätze, auf die man bei einer menhang konkret das fast poetische die Bohnen werden dann nahe der intensiveren Recherche zum Thema Pflanzkonzept der Drei Schwestern, Maiswurzel eingesetzt, sodass sie an Beetbestellung im Zeitalter des Klima- auch Milpa-Beet genannt. Schnell war der Maispflanze hochranken können. wandels stößt, selbst auszuprobieren. klar, dass wir als „drei Schwestern“ der Gleichzeitig versorgen die Bohnen den Beim Urban Gardening ist es Zeitgeist, Stadtfrauenküche das auch ausprobie- Boden mit Stickstoff, die der starkzeh- nicht einfach nur irgendetwas anzu- ren möchten. Als Mischkultur werden rende Mais zum Gedeihen benötigt. pflanzen; nein, es muss einer Logik, dabei Mais, Stangenbohne und Kürbis Der Kürbis mit seinen rankenden Zwei- einer Tradition folgen, im Einklang mit zusammen angebaut: Sie ergänzen gen und großen Blättern wiederum der Natur sein. sich im Beet mit ihren Eigenschaften sorgt für eine Beschattung des Bodens Der Begriff Permakultur kommt ins perfekt. Mit etwas Vorlauf werden die und verhindert so dessen Austrocknen. 30 31
ANZEIGE IV V AUTORIN Food Funicular – eine Seilbahn mit frischem Gemüse Die Essenseilbahn trägt frisch geerntetes Gemüse und Kräuter direkt von der Dachterrasse in die Büroküche des ZK/U. Von dort werden zubereitete Speisen und Getränke hinunter transportiert und in der Sitzecke verzehrt. Das schmutzige Geschirr geht nach dem Essen mit dem Speiseaufzug wieder zurück in die Küche. Wildpflanzen Nahrhafte Spontanvegetation Wenn wir für die Stadtfrauenküche kochen, ist das Budget als in kultivierten Pflanzen. Nachweislich war die Sammelkost meist recht begrenzt, da unsere Kunden nicht aus dem privat- zu Wildbeuter-Zeiten (Wildbeuter ernten, ohne zu pflanzen) wirtschaftlichen oder großinstitutionellen Bereich stammen. reich an Mineralstoffen, Proteinen, Vitaminen und Spurenele- Es gilt mit wenigen Mitteln ein nahrhaftes Essen zu zaubern, menten, aber relativ arm an Kohlenhydraten. Erst als der Um- das auch unseren Ansprüchen gerecht wird. Fleisch ist bei uns stieg auf Pflanzenkultivierung erfolgte, verschob sich die Nah- z. B. Wildfleisch. Wir orientieren uns gerne an einfachen Rezep- rungszusammensetzung zugunsten der Kohlenhydrate. ten aus unserer Kindheit und kombinieren sie mit gegenwär- Aktuell erleben wir, wie sich die bisher verbreitete Be- tigen Erkenntnissen und Entwicklungen: Gerichte mit weniger trachtungsweise verändert: Wildpflanzen werden von vielen Zucker und Eiern oder auch mal eine vegane Variante. Wie ha- Menschen nicht mehr als Unkraut abgetan, das in Dreckecken ben unsere Großeltern alle satt bekommen? wächst, wozu auch die Erfahrung des Klimawandels beiträgt. In diesem Zusammenhang sind wir vor einiger Zeit mit Wildpflanzen erscheinen immer wertvoller, sind sie doch an- Wildpflanzen in Berührung gekommen – inzwischen schon ein spruchslos, vielfältig und heimisch. Die Subsistenzwirtschaft recht strapaziertes Modewort im urbanen Raum. Ist man in der oder Selbstversorgung, das eigenständige und selbstbestimmte Region unterwegs, trifft man immer wieder sympathische und Finden von Nahrung, ist für viele Menschen eine Lebensein- interessante weibliche Persönlichkeiten, die hier aktiv sind. Un- stellung, das eine Anknüpfen an eine lange Tradition – . Und sere Untersuchungen hierzu ergeben, dass sich der Blick in die- steht der Fremdbestimmung durch Industrie und Kapitalismus se Welt lohnt – es geht um weit mehr, als nur eine Brombeere entgegen. beim Waldspaziergang zu pflücken. Selbst etwas schaffen, sammeln, kochen, einsäuern, kon- Dadurch dass Wildpflanzen nicht künstlich bewässert wer- servieren verschafft uns ein Gefühl von Wertschöpfung und den, steckt in ihnen ein höher konzentrierter Nährstoffgehalt Selbstbewusstsein vulgaris Worttrennung: vul·g ·ris Bedeutungen: [1] gewöhnlich, alltäglich, allbekannt, allgemein, für jeden zu haben [2] aus dem Volk, des Volkes, Volks-, öffentlich, gemein [3] mittelateinisch auch: pöbelhaft, niedrig, vulgär Herkunft: abgeleitet von dem Substantiv vulgus „Volk(smenge)“ Botanisch: Die Namen der Art vulgaris und vulgare deuten auf eine starke Verbreitung der Pflanzen dieser Art hin hin. z. B. Artemisia vulgaris = Beifuß 32 33
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