Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch

Die Seite wird erstellt Santiago Walther
 
WEITER LESEN
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
Ausgabe 1 · Januar 2021 · www.medizinonline.ch

                                                                                                                                                      CME-FORTBILDUNG

                                                                                                                                                      Update
                                                                                                                                                      Viszeralchirurgie – Teil 1
                                                                                                                                                      Oberer Gastrointestinaltrakt und
                                                                                                                                                      COVID-19-Komplikationen

                                                                                                                                                      Venöse Thromboembolien
                                                                                   Die Natur kennt das Rezept.                                        Risiken bei einer Hormontherapie
                                                                                                                                                      bei Essstörungen
                              Bei Sinusitis hilft Sinupret .                                                                                ®    1

                                                                                                                                                      Chronisch-entzündliche
                                                                                                                                                      Darmerkrankungen (CED)
                                                                                                                                                      Moderne «State-of-the-Art»
                                                                                                                                                      Pharmakotherapie – ein Update

                                                                                                                                                      Medizin
                                                                                                                                                      Harnwegsinfekte
                                                                                                                                                      Antibiotikaresistenzen gefährden
                                                                                                                                                      Therapieerfolg
                                                                                                                                                      HIV-Infektion
                                                                                                                                                      Funktionelle Magen-Darm-
                                                                                                                                                      Beschwerden
                                                                                    • Lässt befreit durchatmen
                                                                                    • Schleimlösend 2                                                 Chronisch-entzündliche
                                                                                    • Entzündungshemmend3                                             Darmerkrankungen (CED)
                                                                                                                                                      Zwei neue Biomarker für die
                                                                                    Bei akuten und chronischen Entzündungen                           gezielte Therapie identifiziert
                                                                                    der Nasennebenhöhlen und der Atemwege.1
                                                                                                                                                      Typ-2-Diabetes
                                                                                 kassenzulässig4
                                                                                                                                                      COVID-19-Impfung
                                                                                                                                                      Gastro-ösophageale Reflux­
Sinupret ® Dragées / Sinupret ® forte Drg. / Sinupret ® Tropfen / Sinupret ® Sirup (Pflanzliche Arzneimittel)
Z: Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Kraut des Krausen Ampfers, Holunderblüten, Eisenkraut. I: Akute und chronische Entzündungen von
                                                                                                                                                      erkrankung (GERD)
Nasennebenhöhlen und Atemwegen. D: >12 J.: 3 x tgl. 2 Drg. oder 1 Drg. forte oder 50 Tropfen oder 7.0 ml Sirup; >6 J.: 3 x tgl. 1 Drg. oder 25
Tropfen oder 3.5 ml Sirup; >2 J.: 3 x tgl. 15 Tropfen oder 2.1 ml Sirup. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe des Arzneimittels. VM:
Sinupret Tropfen enthalten 19 Vol.-% Alkohol; Sinupret Sirup enthält 8 Vol.-% Alkohol. IA: Bisher keine bekannt. S/S: Nach Absprache mit dem
Arzt. UW: Gelegentlich: Magen-Darm-Beschwerden, Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. Schwere allergische Reaktionen. P: Sinupret                  Images
Drg. 50; Sinupret forte Drg. 20*, 50*, 100*; Sinupret Tropfen 100 ml*; Sinupret Sirup 100 ml*. Kat. D.                                     V020119
Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch *kassenzulässig
Referenzen:
                                                                                                                                                      Vom Symptom zur Diagnose
1
 www.swissmedicinfo.ch, abgerufen am 26.01.2021. | 2 Virgin F. et al.: The Laryngoscope 120, No. 5, (2010) 1051-1056. |                               Gelenkdiagnostik: Degenerative
3
 Wang L. et al.: J Agric Food Chem 54, No. 26, (2006) 9798-9804. | 4 www.spezialitätenliste.ch, abgerufen am 26.01.2021.
Biomed AG. Überlandstrasse 199. 8600 Dübendorf. © Biomed AG. 01/2021. All rights reserved.
                                                                                                                                                      Kniegelenk­veränderungen –
                                                                                                                                                      Knorpelschäden
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
A
                                                                                                                             kk
                                                                                                                              12

                                                                                                                                re
                                                                                                                                2 5* : P te in Slpinische
                                                                                                                                 12 FP PH Puunkte i

                                                                                                                                   di
                                                                                                                                   .5 *12.5 FFPH P

                                                                                                                                   C FP h
                                                                                                                                     . H

                                                                                                                                     tie
                                                                                                                                      M H ar talpharrPharm

                                                                                                                                         rt
                                                                                                                                         E: : m

                                                                                                                                            fü
                             Virusinfektion & Risikogruppen

                                                                                                                                             12

                                                                                                                                              SG GS a S zie ie

                                                                                                                                                               r:
                                                                                                                                               .5

                                                                                                                                                  AIM SA iss
                                                                                                                                                    nk n

                                                                                                                                                      A
                                                                                                                                                         k

                                                                                                                                                           i
                                                                        « Wissen tanken »

                                                                                                                                                             u
                                                                                                                                                               m a
                                                                                                                                                                a z

                                                                                                                                                                  e
                               Webkonferenz
                               17. März 2021
                               17.30 – 19.30 Uhr
                               Dr. med. Daniel Desgrandchamps, Baar
                               Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich
                               PD. Dr. med. Christian Schmied, Zürich

                                        Wissenschaft

                                     Schweizer
                                     Experten

                               Interdisziplinärer
                                  Austausch

                               Programm
                               1. Immunologische Hintergründe komplizierter Virusinfektionen
                                  Dr. med. Daniel Desgrandchamps, Baar
                                  17.30 – 18.00 Uhr

                               2. Impfung bei Patienten mit Diabetes Mellitus
                                  Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich
                                  18.00 – 18.30 Uhr

                               3. Virusinfektion und atherosklerotische Erkrankungen
                                  PD. Dr. med. Christian Schmied, Zürich
                                  18.30 – 19.00 Uhr

                               4. Offene Diskussionsrunde
                                  19.00 – 19.30 Uhr

                               « Save the Date»
MAT-CH-2100180-1.0-01/2021

                                  Jetzt online registrieren!                    www.sanoficonnect.ch/webcastregistration
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                                                                                 EDITORIAL

Schnelle Einführung des Impfstoffs – wenn eine Regierung alles richtig macht

Israel: Immunität der Bevölkerung
in wenigen Monaten
                        ■ Präzise Vorausplanung. Sorgfältige Informations-                          nal COVID-19 Lung study». Dass im Frühjahr 2020
                        systeme. Klare Medienkommunikation. Dies sind                               auch eine alternative, potenziell unkomplizierte und
                        einige der Faktoren, die Israel nach eigenen Angaben                        kostengünstige Therapie- bzw. Präventionsoption
                        zum weltweiten Spitzenreiter bei der Einführung des                         für COVID-19 mit der Substanz Nicotineamidmono-
                        COVID-19-Impfstoffs gemacht haben. Zum Zeitpunkt                            nucleotid diskutiert wurde, die genauso effektiv wie
                        des Redaktionsschlusses wurden bereits 30 von 100                           Impfungen hätte sein können, haben die Wenigsten
                        Einwohnern des Landes geimpft.                                              von uns mitbekommen. Ich selbst bin von einem auch
                             Der Erfolg des Landes hat die Aufmerksamkeit                           sonst sehr kenntnisreichen «brillianten Kopf» darauf
                        von Ländern auf der ganzen Welt auf sich gezogen,                           aufmerksam gemacht worden, der diesen wissenschaft-
                        die von den Erfahrungen des Landes lernen wollen.                           lichen Vortrag empfahl: www.immunopaedia.org.za/
                        Ein Online-Briefing des israelischen Gesundheitsmi-                         webinars /severe-vs-mild-covid-19-immunity-and-
                        nisteriums Mitte Januar zog ein Publikum von Hun-                           intersection-between-nicotinamide-pathway-covid-19/
                        derten von Regierungsvertretern und Journalisten aus                            Es lohnt, einmal darüber nachzudenken, wie
                        verschiedenen Ländern an. Dabei wurde deutlich, dass                        es bewerkstelligt werden kann, auch wenn es keine
                        ein grosser Teil des Erfolgs auf die gute Organisation                      Patente auf eine Substanz gibt und somit die Finan-
                        und die Zusammenarbeit zwischen den verschiede-                             zierung von aufwendigen klinischen Studien von der
                        nen Behörden zurückzuführen ist, obwohl auch die                            Pharmaindustrie nicht zu erwarten ist, valide Daten zu
                        Bereitschaft der Regierung, viel Geld für Impfstoffe                        erhalten, bzw. die notwendigen Studien zu finanzieren.
                        auszugeben, dazu beigetragen hat. Anderswo gab es
                        Kontroversen über die Verabreichung von Impf­dosen                          Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, bleiben
                        an junge Menschen oder andere, die nicht auf der Prio­                      Sie gesund!
                        ri­tätenliste stehen. In Israel hingegen stehen junge
                        Menschen in den Zentren Schlange, um sich mit den
                        übrig gebliebenen Dosen impfen zu lassen.
                             Der Impfstoff wird an 350 Orten verabreicht, die
                        von lokalen Gesundheitseinrichtungen bis hin zu gros-
                        sen Sportstadien und sogar «Drive-In-Stationen» rei-
                        chen. Das Personal wurde via Zoom für die Verabrei-
                        chung des Impfstoffs geschult. Der erste Kaufvertrag
                        des Landes wurde mit Moderna abgeschlossen, wäh-
                        rend eine Einigung mit Pfizer erst im letzten Novem-
                        ber erreicht wurde, sagte Dr. Salmon. Aber in beiden
                        Fällen bestellte Israel deutlich grössere Mengen der
                        neuen Impfstoffe als andere Länder, von denen viele
                        auf billigere Alternativen warteten – und teils immer
                        noch warten…
                             COVID-19 ist auch in dieser Ausgabe der Haus-
                        arzt Praxis ein Thema, etwa wie SARS-CoV-2 auf
                        den Magen-Darmtrakt schlägt oder die «Swiss natio-                          Tanja Schliebe, Chefredaktion

                                                        Die Fortbildungsthemen in dieser Ausgabe:

                                                           Update Viszeralchirurgie – Teil 1 ........................................................................................... Seite 4
                                                           Venöse Thromboembolien: Risiken bei einer Hormontherapie................................ Seite 8
                                                           Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) .................................................... Seite 15
                                                           CME-Fortbildungsfragen.................................................................................................. Seite 14/19

                                                           Credits auf medizinonline.ch
                                                           Einloggen, Fragen beantworten und direkt CME-Zertifkat downloaden.

1
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
INHALTSVERZEICHNIS                                                                                          medizinonline.ch

         EDITORIAL                                           30	Typ-2-Diabetes
                                                                 Empfehlungen für die Therapiewahl
         1	
           Schnelle Einführung des Impfstoffs – wenn             auf dem neuesten Stand
           eine Regierung alles richtig macht
           Israel: Immunität der Bevölkerung                 32	COVID-19-Impfung
           in wenigen Monaten                                    Etappensieg gegen das Coronavirus,
                Tanja Schliebe, Chefredaktion                    aber noch keine Entwarnung

                                                             34	Gastro-ösophageale Refluxerkrankung (GERD)
                                                                 Alginat als bedarfsorientierte add-on-
         CME-FORTBILDUNG                                         Therapie erhöht Patientenzufriedenheit

         4       pdate Viszeralchirurgie – Teil 1
                U                                            37	SARS-CoV-2
                Oberer Gastrointestinaltrakt und                 Swissmedic-Zulassung eines zweiten
                COVID-19-Komplikationen                          COVID-19-Impfstoffes
                Dr. med. Stefanie Sinz,
                PD Dr. med. Thomas Steffen, St. Gallen

         8	Venöse Thromboembolien                           PRAXISMANAGEMENT
            Risiken bei einer Hormontherapie
                Prof. Dr. med. Birgit Linnemann,             23	Digital Health
                PD Dr. med. Christina Hart, Regensburg (D)       Grosses Interesse an telemedizinischen
                                                                 Angeboten – nicht nur coronabedingt
         13     Credits auf medizinonline.ch
                Anleitung zur Online-Fortbildung

         15	Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
                                                             IMAGES
             (CED)
             Moderne «State-of-the-Art» Pharmako­            38            om Symptom zur Diagnose
                                                                          V
             therapie – ein Update                                        Gelenkdiagnostik: Degenerative Knie­
                PD Dr. med. Luc Biedermann, Zürich                        gelenk­­veränderungen – Knorpelschäden
                                                                          Dr. med. Hans-Joachim Thiel, Birenbach (D)
         14, 19 CME-Fortbildungsfragen

         MEDIZIN                                             WEITERE RUBRIKEN
         20	Harnwegsinfektionen                             3, 36        News
             Antibiotikaresistenzen gefährden
             Therapieerfolg                                  22           Impressum

         24      IV-Infektion
                H                                            33           Board
                Was sind heutzutage Herausforderungen
                im Disease Management von HIV?

         26	Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
             Kombination aus Pfefferminz- und
             Kümmel­öl reduziert die viszerale
             Hyperalgesie signifikant

         27	Uhrentest digital
             Eine App soll künftig Demenzen erkennen

         28      hronisch-entzündliche Darmerkrankungen
                C
                (CED)
                Zwei neue Biomarker für die gezielte
                Therapie identifiziert

                                                             Titelbild: ArnyGFX, iStock

2
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                                                               NEWS

        «Swiss national COVID-19 Lung study»

        Verminderte Lungenfunktion nach überstandener Akutphase
        Laut einer gesamtschweizerischen Studie unter der Leitung des Inselspitals                              Universitätsinstitut für Diagnostische, Interven-
        Bern können schwere COVID-19-Erkrankungen auch nach vier Monaten noch                                   tionelle und Pädiatrische Radiologie, Inselspital
        anhaltende Beeinträchtigungen der Sauerstoffaufnahme der Lunge zur Folge                                Bern, erläutert: «Obwohl die Darstellung der ini-
        haben. Nach Experteneinschätzung ist eine Langzeitbeobachtung und Behand-                               tialen COVID-19-Pneumonie im bildgebenden
        lung der Betroffenen wichtig und dringlich.                                                             Verfahren relativ charakteristisch ist, sind die
                                                                                                                mittel- und langfristigen radiologischen Mani-
        ■ (mp) Die multizentrische, prospektive Beob-          mit einem schweren bis kritischen und 47 mit     festationen derzeit noch nicht ausreichend
        achtungsstudie «Swiss national COVID-19 Lung           einem milden bis mässig-schweren Verlauf.        verstanden. Neben Schädigungen des Lungen-
        study» ist die erste nationale Studie zur Langzei-     Die funktionelle Veränderung der Lunge wurde     gewebes, die auf Folgen der schweren Pneu-
        tentwicklung der Lunge nach COVID-19. Diese            anhand einer verminderten Kohlenmonoxid-         monie zurückgeführt werden können, indiziert
        Studie wurde unter der Leitung der Universi-           Diffusionskapazität (DLCO) festgestellt. Nach    das CT-Bild auch eine mögliche Beteiligung der
        tätsklinik für Pneumologie, Inselspital Bern, in       einer schweren COVID-19-Erkrankung betrug        kleinen Atemwege, die nach COVID-19 ein ziem-
        Kooperation mit dem Department for Biomedical          die mittlere DLCO 76% (Median) des erwarteten    lich charakteristisches Bild ergibt. Unser inter-
        Research (DBMR) initiiert. Mittlerweile nehmen         Wertes. Dies bedeutet, dass noch vier Monate     disziplinärer Zugang zeigt, wie wichtig es ist,
        neun Zentren in der ganzen Schweiz teil, dar-          nach der Infektion eine schwere COVID-19-Er-     einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen und
        unter die wichtigen Pneumologie-Zentren des            krankung die Sauerstoffaufnahme der Lunge        dabei die zeitliche Entwicklung radiologischer,
        Tessins, der Romandie und der Deutschschweiz.          im Durchschnitt um 20% vermindert gegenüber      klinischer und funktioneller Parameter zu unter-
             Die vorliegende erste Auswertung nach             dem erwarteten Wert einer gesunden Person.       suchen, um mögliche Schäden durch COVID-19
        vier Monaten zeigt besonders nach schweren             Auch die systematische Auswertung der com-       in der Lunge zu verstehen.»
        COVID-19 Erkrankungen eine deutliche funktio-          putertomografischen Lungenaufnahmen weist
                                                                                                                Quelle: «Swiss Covid-19 lung study: Lungenschäden nach
        nelle Beeinträchtigung der Lunge. In die Daten-        auf Beeinträchtigungen hin. Prof. Lukas Ebner,   COVID-19 nachgewiesen», Insel Gruppe, Universität Bern,
        analyse eingeschlossen wurden 66 Patienten             Leitender Arzt und Leiter Thorax-Bildgebung am   07.01.2021

+ + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + +

        Wie SARS-CoV-2 auf den Magen-Darmtrakt schlägt

        Infektionsvorgang mit SARS-CoV-2 im Darmmodell
        Insbesondere schwer erkrankte COVID-19-Patienten zeigen gastrointestinale                               Paneth-Zellen, mit SARS-CoV-2 infizierbar. Sie
        Symptome wie Durchfall oder Übelkeit. In einer Studie haben Forscher der                                beginnen umgehend mit der Replikation, also
        Ulmer Universitätsmedizin nach Erklärungen gesucht für die Magen-Darm­                                  mit der Herstellung neuer, infektiöser Viren.
        symptomatik und die hohe Viruslast im Stuhl der Betroffenen. Anhand von                                 Eine Ausnahme bilden lediglich schleimprodu-
        «Mini­därmen» aus Stammzellen haben sie zudem das antivirale Potenzial von                              zierende Becherzellen», erklärt Erstautorin und
        antiviralen Medikamenten im Verdauungstrakt untersucht.                                                 Doktorandin Jana Krüger, die bei den wichtigs-
                                                                                                                ten Experimenten der Arbeit beteiligt war. Doch
        ■ (mp) Bei entsprechenden Untersuchungen               rende Verlust spezialisierter Darmzellen kann    wie lässt sich das Infektionsgeschehen im
        fiel auf, dass die Viruslast im Stuhl von Infizier-    zu Krankheitszeichen wie Durchfall und Übel-     Verdauungstrakt stoppen? Die Autoren haben
        ten besonders hoch ist. Auch noch Tage nach            keit führen. Um herauszufinden, welche Zellen    verschiedene Medikamente an den infizierten
        einem negativen Corona-Testergebnis mittels            des Verdauungstrakts genau mit SARS-CoV-2        Darm-Organoiden getestet. Als antiviral wirk-
        Nasen-Rachenabstrich ist der Erreger in Stuhl-         infiziert werden können, nutzten die Wis-        sam erwies sich Remdesivir: Ursprünglich für
        proben nachweisbar. Daher sollten künftige             senschaftler sogenannte Organoide, die aus       die Ebola-Behandlung entwickelt, blockiert der
        Behandlungsstrategien gegen SARS-CoV-2 auch            embryonalen Stammzellen gezüchtet werden.        Wirkstoff die RNA-Polymerase und somit die
        im Magen-Darmtrakt wirksam sein. So das Fazit          «Diese ‹Minidärme› aus dem Labor kommen          Vermehrung von SARS-CoV-2. Darüber hinaus
        einer im Fachjournal «Cellular and Molecular           dem menschlichen Dünndarm sehr nahe und          konnte das Peptid EK1 die Coronavirus-Infek-
        Gastroenterology and Hepatology»* erschiene-           verfügen über grosse Mengen der notwendi-        tion im Minidarm unterdrücken. Hierbei handelt
        nen Publikation von Forschern der Universität          gen Andockstellen», ergänzt Dr. Sandra Heller,   es sich um einen Fusionsinhibitor, der das Ein-
        Ulm (D).                                               Biologin an der Universitätsklinik für Innere    dringen des Virus in die Zelle verhindert. «Inte-
             Der Verdauungstrakt bietet SARS-CoV-2             Medizin I. Die Forscher haben diese Organo-      ressanterweise fällt die antivirale Wirksamkeit
        ausreichend Andockstellen, um verschiedene             ide dem neuartigen Coronavirus ausgesetzt        von Remdesivir im Minidarm erheblich geringer
        Zelltypen zu infizieren, die wiederum neue             und den Infektionsvorgang mit verschiedenen      aus als in einfachen Darmzell-Kulturen. Diese
        Coronaviren herstellen. Der daraus resultie-           molekularbiologischen Methoden untersucht.       Beobachtung untermauert die Notwendigkeit,
                                                               «Tatsächlich sind die meisten Zelltypen, dar-    antivirale Substanzen gegen SARS-CoV-2 in
        *    rüger J, et al. 2020,
            K                                                  unter auch hormonbildende Enteroendokrine        ausreichend komplexen Systemen zu testen»,
            DOI: https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2020.11.003   Zellen und für die Immunabwehr wichtige          ergänzt Heisenberg-Professor Alexander Kleger.

        3
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
CME-FORTBILDUNG                                                                                                                        medizinonline.ch

Update Viszeralchirurgie – Teil 1

Oberer Gastrointestinaltrakt und
COVID-19-Komplikationen
Stefanie Sinz, Thomas Steffen, St. Gallen

Viszeralchirurgie | Pankreaskarzinom | Refluxerkrankung

                      ■ Jährlich müssen sich ca. 60 pro 1000 Einwohner
                      einem abdominalchirurgischen Eingriff unterziehen                                          Dr. med. Stefanie Sinz
                      [1]. Der Grossteil der Patienten wird zunächst in der                                      Assistenzärztin
                                                                                                                 Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endo-
                      hausärztlichen Praxis beurteilt und triagiert. Auch die
                                                                                                                 krine und Transplantationschirurgie
                      Viszeralchirurgie entwickelt sich stetig weiter, und
                                                                                                                 Kantonsspital St. Gallen
                      viele aktuelle Studien beschäftigen sich mit der robo-                                     9007 St. Gallen
                      terassistierten Chirurgie sowie der Prognoseverbesse-                                      stefanie.sinz@kssg.ch
                      rung bei Tumorpatienten. Wir präsentieren hier ein
                      Update zur Viszeralchirurgie mit besonderer Berück-
                      sichtigung von für die hausärztliche Tätigkeit relevan-                                    PD Dr. med. Thomas Steffen
                      ten oder interessanten Aspekten.                                                           Stv. Chefarzt
                           Da es sich hierbei um ein umfangreiches Gebiet                                        Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endo-
                      handelt, haben wir das Update in zwei Teile gesplit-                                       krine und Transplantationschirurgie
                      tet. In Teil 1 werden zunächst der obere Gastrointes-                                      Kantonsspital St. Gallen
                                                                                                                 9007 St. Gallen
                      tinaltrakt sowie gastrointestinale Komplikationen bei
                                                                                                                 thomas.steffen@kssg.ch
                      COVID-19 beschrieben. In einem weiteren Artikel in
                      der kommenden Ausgabe werden der untere Gastro-
                      intestinaltrakt sowie Parietologie und perioperative
                      Medizin erläutert.                                                        Methodik
                                                                                                Die Literatur aus den Jahren 2019 und 2020 wurde
                                                                                                auf thematische Relevanz durchsucht. Die Recher-
                                                                                                che erfolgte über Pubmed (www.pubmed.gov) und
                                                                                                UpTo­Date (www.uptodate.com/contents/search) zu
Abb. 1                                                                                          den folgenden Subkategorien: Oberer Gastrointesti-
                                                                                                naltrakt, Bariatrie, hepatobiliäre und pankreatische
                                                                                                Chirurgie sowie gastrointestinale Komplikationen bei
                                                                                                COVID-19.

                                                                                                Ösophaguskarzinom
                                                                                                Das Ösophaguskarzinom gehört zu den aggressivsten
                                                                                                gastrointestinalen Karzinomen. Die Standard-Ope-
                                                                                                ration ist die offene abdomino-thorakale Ösophag-
                                                                                                ektomie nach Ivor Lewis. Wegen der vergleichsweise
                                                                                                hohen postoperativen Morbidität und eingeschränk-
                                                                                                ten Lebensqualität wurden vor allem minimalinva-
                                                                                                sive Verfahren in den letzten Jahren untersucht. Im
                                                                                                Kurzzeitverlauf konnten bessere Ergebnisse hinsicht-
                                                                                                lich postoperativer Pneumonie, Wundinfektionen und
                                                                                                Sepsis erreicht werden. Aufgrund der Komplexität der
                                                                                                Operation sollte diese an einem Zentrum mit entspre-
                                                                                                chender Expertise erfolgen [2]. Welche endoskopi-
                                                                                                schen Operationstechniken künftig zum State of the
                                                                                                Art werden, steht weiterhin zur Diskussion.

                                                                                                Magenkarzinom
                                                                                                In einer retrospektiven niederländischen Studie
                                                                                                konnte gezeigt werden, dass die Zentrumsexpertise
                                                                                                bei Magenkarzinom-Patienten einen signifikanten
                                                                                                Einfluss auf das Langzeitüberleben der Patienten hat.
                                                                         iStock, Lars Neumann

4
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                    CME-FORTBILDUNG

Eine hierfür notwendige Mindestfallzahl pro Klinik
und Jahr wurde laut dieser Studie bei 21 Fällen fest-
gesetzt [3]. Auch in der Schweiz sind intensive Diskus-
sionen zu Mindestfallzahlen in der hochspezialisierten
Medizin (HSM Viszeralchirurgie) in Gange.
    Trotz Behandlungsmöglichkeit von mukosalen
Karzinomen (T1) mittels endoskopischer Resektion
sind diese bei undifferenzierten Tumoren mit einem
hohen Metastasierungsrisiko verbunden und sollten
primär der Operation zugeführt werden [4]. Finden
die betroffenen Patienten erst verzögert Zugang zur
Chirurgie, ist man therapeutisch mit komplizierteren
Situationen wie Vernarbungen oder Rezidiven kon-
frontiert.

                                                           iStock, Dr_Microbe
    Bei selektionierten Patienten mit frühem Magen-
karzinom stellt gelegentlich die minimalinvasive Ma-
genteilresektion mit lokoregionärer Sentinel-Lymph-
adenektomie bei geringerer Morbidität und gleichem
onkologischen Outcome eine Therapieoption dar [5,6].
                                                          Abb. 2: Tumor der Bauchspeicheldrüse
Refluxerkrankung
Knapp 20% der Bevölkerung leidet unter gastroöso-
phagealen Refluxbeschwerden (Abb. 1). Primär wer-         Gewichtsreduktion identisch [13]. In einer amerika-
den diese mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) the-        nischen Studie wurde nachgewiesen, dass die bariatri-
rapiert. Bei PPI-refraktärem oder Reflux-assoziiertem     sche Chirurgie insbesondere bei Frauen ein geringeres
Thoraxschmerz kommt die Chirurgie zum Einsatz,            Risiko für das Auftreten von malignen Erkrankungen
wobei durch eine Fundoplicatio eine um 16% bessere        wie Brustkrebs, Endometriumkarzinome oder Kolon-
Refluxkontrolle erreicht werden kann als in der medi-     karzinome mit sich bringt [14]. Die gastroösophageale
kamentösen Vergleichsgruppe [7].                          Refluxerkrankung stellt insbesondere nach Sleeve-
    Die etwas weniger invasive Magnetband-Implan-         Gastrektomie eine bedeutende Spätkomplikation dar,
tation als propagierte Alternative zur Fundoplicatio      weswegen präoperativ Reflux-Abklärungen sowie
wird weiterhin in Studien diskutiert, kann jedoch         postoperativ regelmässige Gastroskopien empfohlen
aufgrund fehlender Langzeitdaten sowie fehlendem          sind [15].
Direktvergleich mit der Fundoplicatio nicht als echte
Alternative empfohlen werden [8].                         Pankreastumore
                                                          Minimalinvasive Operationstechniken sind in geeigne-
Bariatrische Chirurgie                                    ten Fällen bei der distalen Pankreatektomie den of-
Das Mortalitätsrisiko steigt mit steigendem BMI an, so    fenen Verfahren in Bezug auf Operationstechnik und
haben Patienten mit einem BMI von über 50 kg/m² ein       Radikalität ebenbürtig. Bezüglich Lebensqualität und
dreifach erhöhtes Risiko, an einer kardiovaskulären,      postoperativ verzögerter Magenentleerung (delayed
renalen oder malignen Folgeerkrankung zu verster-         gastric emptying) sind die minimal-invasiven den offe-
ben [9]. Physische Aktivität und Ernährungsumstel-        nen Verfahren überlegen, nachteilig ist die hohe Rate
lung münden oft in einem Jo-Jo-Effekt, weswegen zur       an postoperativen Pankreasfisteln [16].
langfristigen Gewichtsreduktion und Verlängerung              Die neoadjuvante Chemotherapie scheint neu-
der Lebenserwartung die Operation die beste Option        esten Studien zufolge einen positiven Einfluss auf
darstellt. Die Lebenszeit kann damit um bis zu 3 Jahre    die Tumorbiologie und Pankreasfistelrate zu haben.
verlängert werden [10]. Die Standardverfahren bleiben     Dies dürfte durch eine Fibrose des Pankreasgewebes
der Roux-Y-Magenbypass sowie die Magenschlauch-           bedingt sein, was zu härterem Gewebe führt und die
Bildung. Höhere Gewichtsabnahmen sowie Diabetes-          Anastomoseninsuffizienzrate reduziert. Der Trend
Remissionen können nach Roux-Y-Magenbypass                geht klar in Richtung neoadjuvante Therapie, und in
erzielt werden [11,12]. Die positiven Auswirkungen        selektionierten Patienten ist eine neoadjuvante The-
auf den Diabetes mellitus sind hauptsächlich auf den      rapie heute zu erwägen [17] (Abb. 2). Die adjuvante
Gewichtsverlust zurückzuführen. Die Auswirkungen          Therapie muss ohne lange Zeitverzögerung erfolgen.
auf die Insulin-Sensitivität, Beta-Zellfunktion sowie     Das mFOLFIRINOX-Schema stellt weiterhin die
das Insulin-Profil sind im Vergleich zur diätischen       Standardtherapie dar, wobei diese Chemotherapie
                                                          abhängig vom Allgemeinzustand der Patienten nicht
                                                          immer zum Zuge kommen kann [18,19]. Auch in der
                                                          Chirurgie von singulären Metastasen nach kurativer
                                                          Pankreaskarzinom-Operation sind Studien am Laufen.
                                                          Metachrone einzelne Metastasen in der Lunge dürfen
                                                          in speziellen Fällen einer kurativen Metastasenresek-
> Fortbildungsfragen auf Seite 14                         tion zugeführt werden, und auch solitäre Lebermeta-
                                                          stasen werden diskutiert. Die Entscheidung hierfür

5
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
CME-FORTBILDUNG                                                                                                                                medizinonline.ch

                         muss interdisziplinär an einem Tumorboard getroffen                             Überleben nachgewiesen. Entscheidend hierfür ist die
                         werden [20].                                                                    Operabilität des Patienten mit entsprechender Rest­
                                                                                                         leberfunktion [26].
                         Pankreatitis
                         Die biliäre Obstruktion ist in Europa die häufigste                             Lebermetastasen
                         Ursache für eine akute Pankreatitis [21]. Die Chole-                            Bei kolorektalen Lebermetastasen, insbesondere im
                         zystektomie als Therapie sowie Prophylaxe einer er-                             Stadium T3/T4 des Primärtumors, wurden mittels
                         neuten Pankreatitis stellt den Goldstandard dar. In                             kontrastmittelverstärkten Ultraschalles (CEUS) in bis
                         einer systematischen Literaturrecherche wurde bei Pa-                           zu 4% aller Patienten Lebermetastasen nachgewie-
                         tienten mit einer milden Pankreatitis die frühelektive                          sen. Die CEUS ist als primäre Bildgebung nach CT-
                         Cholezystektomie im Rahmen des Initialaufenthaltes                              grafisch detektierten Leberläsionen zu empfehlen [27].
                         als sicheres therapeutisches Vorgehen bestätigt [22].                           Bei ausgedehnter Lebermetastasierung stehen weiter-
                         Bei chronischen Pankreatitiden, bei welchen insbe-                              hin Hypertrophie-Konzepte wie die ALPPS procedure
                         sondere die Schmerzen aber auch die Parenchymdes-                               (Associating Liver Partition and Portal vein Ligation
                         truktion im Vordergrund stehen, bietet die Operation                            for Staged hepatectomy) und andere «staged» Hepat-
                         gute Chancen auf eine langfristige Reduktion der Be-                            ektomieverfahren im Vordergrund. Das postoperative
                         schwerden, verminderte Pankreasgewebezerstörung                                 Leberversagen nach Resektion konnte reduziert wer-
                         und verbesserte Lebensqualität [23,24]. Dabei ist die                           den, jedoch sind entsprechende Verfahren mit e­ iner
                         frühzeitige Zuweisung in die Chirurgie bei ausbleiben-                          hohen perioperativen Morbidität verbunden und soll-
                         dem nachhaltigem Therapieerfolg anderer (interventi-                            ten nur in selektionierten Patienten und entsprechen-
                         oneller) Verfahren wichtig.                                                     den Zentren durchgeführt werden [28].

                         Gallenblasen- und Gallenwegserkrankung                                          Gastrointestinale Komplikationen bei COVID-19
                         Die Gallengangsverletzung ist eine gefürchtete Kom-                             Seit dem Auftreten der Coronapandemie wurden
                         plikation nach Cholezystektomie. Insbesondere bei                               mehrere extrapulmonale Erkrankungen beobachtet.
                         akuter Cholezystitis wurde das Risiko als erhöht ein-                           Hierzu zählen unter anderem der Ileus, die Darmisch-
                         gestuft und entsprechend erst im entzündungsfreien                              ämie, Pankreatitiden oder Leberfunktionsstörungen
                         Intervall operiert (Abb. 3). Gemäss aktueller Daten-                            [29]. Ursächlich steht die erhöhte Expressionsrate des
                         lage zeigt eine frühe Cholezystektomie bei akuter                               Angiotensin-Converting Enzym 2-Rezeptors in den
                         Cholezystitis jedoch keine Unterschiede hinsichtlich                            Darmepithelzellen im Fokus, welche als Rezeptoren
                         Morbidität [25].                                                                für SARS-CoV-2 dienen [30].
                                                                                                              Die durch das Coronavirus induzierte Koagulo-
                         Hepatozelluläres Karzinom                                                       pathie, aber auch der erhöhte Opioid-Bedarf können
                         Das hepatozelluläre Karzinom ist der häufigste pri-                             die vermehrte Darmischämie, aber auch die hohen
                         märe Lebertumor. In frühen Stadien bietet sich ne-                              Ileus-Raten erklären [31]. Bei Corona-positiven Pa­
                         ben lokal-ablativen Verfahren auch eine chirurgische                            tien­ten mit Abdominalgien ist daher aufgrund der Be-
                         Resektion an. In einer retrospektiven Fall-Kontroll-                            gleiterkrankungen an eine chirurgische Pathologie zu
                         Studie aus dem Jahr 2019 wurde ein signifikanter Vor-                           denken. Umgekehrt muss eine COVID-19 Infektion
                         teil für die operative Resektion im Hinblick auf das                            bei sonst unerklärten abdominalen Problemen in die
                                                                                                         Differenzialdiagnose miteinbezogen werden.
                                                                                                              Immer wieder wurden Bedenken geäussert, dass
                                                                                                         Patienten während der Pandemie Gesundheitsein-
                                                                                                         richtungen später oder gar nicht aufsuchen. Dies mag
                                                                                                         durch Quarantänemassnahmen, andere Restriktio-
                                                                                                         nen oder Angst vor einer Infektion im Krankenhaus
                                                                                                         bedingt sein. Als Hinweis dafür zeigte sich, dass der
                                                                                                         Anteil an schweren Appendizitiden in der Pandemie
                                                                                                         signifikant auf 92% angestiegen ist (Vorwert 57,1%;
                                                                                                         p=0,003) [32]. Eine festgestellte, um 2 Tage verspätete
                                                                                                         medizinische Versorgung wurde auch als Kollateral-
                                                                                                         schaden der Pandemie bezeichnet [33]. Die Gesamt-
                                                                                                         zahl an notfallmässigen abdominopelvinen Computer-
                                                                                                         tomografien hat in den Notfallstationen während der
                                                                                                         Pandemie signifikant abgenommen und es wurden sig-
                                                                                                         nifikant weniger akute Divertikulitiden diagnostiziert.
                                                                                                         Eine mögliche Interpretation dafür ist, dass Patienten
                                                                                                         mit weniger hochakuten Leiden gesamthaft weniger
                                                                                iStock, Henadzi Pechan

                                                                                                         häufig ins Krankenhaus kamen [34].
                                                                                                              Bei Tumorpatienten besteht neben dem allgemei-
                                                                                                         nen Mortalitätsrisiko aufgrund der Tumorerkrankung
                                                                                                         auch eine erhöhte Letalität durch eine SARS-CoV-
                                                                                                         2-Infektion. Mediziner müssen zwischen dem Risiko
Abb. 3: Schmerzen Hypochondrium-Gallenblase (Cholezystitis/Gallendyskinesie).                            ­einer verzögerten Malignomtherapie sowie dem Expo-

6
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                                                         CME-FORTBILDUNG

sitionsrisiko der Patienten für eine SARS-CoV-2-In-                            TAKE-HOME-MESSAGES
fektion abwägen. In mehreren Studien wurde die Inzi-
                                                                               ― In der abdominalen Tumorchirurgie besteht ein klarer Trend zur Zentrums-
denz hinsichtlich einer Corona-Infektion von unter 5%
                                                                                 chirurgie, was zunehmend auch mit robusten Daten mit besserem Outcome
bei Tumorpatienten beschrieben, was eine verzögerte
                                                                                 untermauert wird.
Malignomtherapie definitiv nicht rechtfertigt [35,36].
                                                                               ― Die bariatrische Operation ist die beste Therapieoption hinsichtlich kardio-
                                                                                 vaskulären, renalen oder malignen Adipositas-assoziierten Folgeerkran-
Literatur:                                                                       kungen.
1. Bundesamt für Statistik – Medizinische Statistik der Krankenhäuser          ― Die neoadjuvante Chemotherapie beim Pankreaskarzinom kann einen
     (MS); www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/
     erhebungen/ms.assetdetail.7369.html.                                        ­güns­tigen Einfluss auf die Tumorbiologie und den Operationsverlauf
2. Yoshida N, et al.: Can Minimally Invasive Esophagectomy Replace                ­nehmen.
     Open Esophagectomy for Esophageal Cancer? Latest Analysis of
     24,233 Esophagectomies From the Japanese National Clinical                ― Bei der chronischen Pankreatitis bietet die Operation eine langfristigere
     Database. Ann Surg 2020; 272: 118–124.                                      Schmerzlinderung, verminderte Pankreasgewebszerstörung und verbes-
3. Claassen YHM, et al.: Effect of Hospital Volume With Respect to
     Performing Gastric Cancer Resection on Recurrence and Survival:             serte Lebensqualität.
     Results From the CRITICS Trial. Ann Surg 2019; 270: 1096-–1102.           ― Während der Coronapandemie wurden vermehrt auch abdominale Erkran-
4. Lin JX, et al.: Risk factors of lymph node metastasis or lymphovas-
     cular invasion for early gastric cancer: a practical and effective          kungen, wie Ileus, Darmischämie, Pankreatitis und andere beobachtet.
     predictive model based on international multicenter data. BMC               Bei Abdominalgien ist differenzialdiagnostisch an eine Coronainfektion
     Cancer 2019; 19: 1048.
5. Yu J, et al.: Effect of Laparoscopic vs Open Distal Gastrectomy on
                                                                                 zu denken.
     3-Year Disease-Free Survival in Patients With Locally Advanced
     Gastric Cancer: The CLASS-01 Randomized Clinical Trial. JAMA
     2019; 321: 1983.                                                          21. Zilio MB, et al.: A systematic review and meta-analysis of the
6. Lee HJ, et al.: Short-term Outcomes of a Multicenter Randomized                 aetiology of acute pancreatitis. HPB 2019; 21: 259–267.
     Controlled Trial Comparing Laparoscopic Distal Gastrectomy With           22. Moody N, et al.: Meta-analysis of randomized clinical trials of early
     D2 Lymphadenectomy to Open Distal Gastrectomy for Locally                     versus delayed cholecystectomy for mild gallstone pancreatitis. BJS
     Advanced Gastric Cancer (KLASS-02-RCT). Ann Surg 2019; 270:                   2019; 106: 1442–1451.
     983–991.                                                                  23. Löhr JM, et al.: United European Gastroenterology evidence-based
7. Spechler SJ, et al.: Randomized Trial of Medical versus Surgical                guidelines for the diagnosis and therapy of chronic pancreatitis
     Treatment for Refractory Heartburn. N Engl J Med 2019; 381:                   (HaPanEU). United Eur Gastroenterol J 2017; 5: 153–199.
     1513–1523.                                                                24. Ahmed Ali U, et al.: Endoscopic or surgical intervention for painful
8. Guidozzi N, et al.: Laparoscopic magnetic sphincter augmentation                obstructive chronic pancreatitis. Cochrane Database Syst Rev 2015;
     versus fundoplication for gastroesophageal reflux disease: systema-           3: CD007884.
     tic review and pooled analysis. Dis Esophagus 2019.                       25. Mytton J, et al.: Outcomes Following an Index Emergency Admission
9. Moussa OM, et al.: Mortality of the Severely Obese: A Population                With Cholecystitis: A National Cohort Study. Ann Surg 2019; Publish
     Study. Ann Surg 2019; 269: 1087–1091.                                         Ahead of Print.
10. Carlsson LMS, et al.: Life Expectancy after Bariatric Surgery in           26. Lee GC, et al.: Surgical resection versus ablation for early-stage
     the Swedish Obese Subjects Study. N Engl J Med 2020; 383:                     hepatocellular carcinoma: A retrospective cohort analysis. Am J Surg
     1535–1543.                                                                    2019; 218: 157–163.
11. Poelemeijer YQM, et al.: Gastric Bypass Versus Sleeve Gastrectomy:         27. Sawatzki M, et al.: Contrast-enhanced ultrasound can guide the
     Patient Selection and Short-term Outcome of 47,101 Primary                    therapeutic strategy by improving the detection of colorectal liver
     Operations From the Swedish, Norwegian, and Dutch National                    metastases. J Hepatol 2020; S0168827820336825.
     Quality Registries. Ann Surg 2020; 272: 326–333.                          28. Jiao L, et al.: Rapid Induction of Liver Regeneration for Major
12. Hofsø D, et al.: Gastric bypass versus sleeve gastrectomy in patients          Hepatectomy (REBIRTH): A Randomized Controlled Trial of Portal
     with type 2 diabetes (Oseberg): a single-centre, triple-blind, randomi-       Vein Embolisation versus ALPPS Assisted with Radiofrequency.
     sed controlled trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 912–924.            Cancers 2019; 11: 302.
13. Yoshino M, et al.: Effects of Diet versus Gastric Bypass on Metabolic      29. El Moheb M, et al.: Gastrointestinal Complications in Critically Ill
     Function in Diabetes. N Engl J Med 2020; 383: 721–732.                        Patients With and Without COVID-19. JAMA 2020; 324: 1899.
14. Schauer DP, et al.: Bariatric Surgery and the Risk of Cancer in a          30. Qi F, et al.: Single cell RNA sequencing of 13 human tissues identify
     Large Multisite Cohort: Ann Surg 2019; 269: 95–101.                           cell types and receptors of human coronaviruses. Biochem Biophys
15. Yeung KTD, et al.: Does Sleeve Gastrectomy Expose the Distal Eso-              Res Commun 2020; 526: 135–140.
     phagus to Severe Reflux?: A Systematic Review and Meta-analysis.          31. Levi M, et al.: Coagulation abnormalities and thrombosis in patients
     Ann Surg 2020; 271: 257–265.                                                  with COVID-19. Lancet Haematol 2020; 7: e438–e440.
16. de Rooij T, et al.: Minimally Invasive Versus Open Distal Pancre-          32. Romero J, et al.: Acute Appendicitis During Coronavirus Disease
     atectomy (LEOPARD): A Multicenter Patient-blinded Randomized                  2019 (COVID-19): Changes in Clinical Presentation and CT Findings.
     Controlled Trial. Ann Surg 2019; 269: 2–9.                                    J Am Coll Radiol 2020; 17: 1011–1013.
17. Hank T, et al.: Association Between Pancreatic Fistula and Long-           33. Masroor S: Collateral damage of COVID-19 pandemic: Delayed
     term Survival in the Era of Neoadjuvant Chemotherapy. JAMA Surg               medical care. J Card Surg 2020; 35: 1345-1347.
     2019; 154: 943.                                                           34. Gibson AL, et al.: Impact of the COVID-19 pandemic on emergency
18. Conroy T, et al.: FOLFIRINOX or Gemcitabine as Adjuvant Therapy for            department CT for suspected diverticulitis. Emerg Radiol 2020; 27:
     Pancreatic Cancer. N Engl J Med 2018; 379: 2395-2406.                         773–780.
19. Michael N, et al.: Timing of palliative care referral and aggressive       35. Yu J, et al.: SARS-CoV-2 Transmission in Patients With Cancer at
     cancer care toward the end-of-life in pancreatic cancer: a retrospec-         a Tertiary Care Hospital in Wuhan, China. JAMA Oncol 2020; 6:
     tive, single-center observational study. BMC Palliat Care 2019; 18:           1108–1110.
     13.                                                                       36. Lewis MA: Between Scylla and Charybdis – Oncologic Decision Ma-
20. Ilmer M, et al.: Oligometastatic pulmonary metastasis in pancreatic            king in the Time of Covid-19. N Engl J Med 2020; 382: 2285–2287.
     cancer patients: Safety and outcome of resection. Surg Oncol 2019;
     31: 16–21.

7
Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
CME-FORTBILDUNG                                                                                                       medizinonline.ch

Venöse Thromboembolien

Risiken bei einer Hormontherapie
Birgit Linnemann, Christina Hart, Regensburg (D)

Venöse Thromboembolien | Hormontherapie | Kontrazeptiva

                     ■ Venöse Thromboembolien (VTE) stellen die
                     dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung in Mittel-                        Prof. Dr. med. Birgit Linnemann
                     europa dar. Sie manifestieren sich in etwa zwei Drittel                     Bereich Angiologie, Universitäres
                                                                                                 Gefässzentrum Ostbayern
                     der Fälle als tiefe Venenthrombose und in etwa einem
                                                                                                 Universitätsklinikum Regensburg
                     Drittel mit den Symptomen einer Lungenembolie.
                                                                                                 Franz-Josef-Strauss-Allee 11
                     Während des reproduktionsfähigen Alters erleiden                            D-93051 Regensburg
                     Frauen häufiger VTE-Ereignisse als gleichaltrige Män-                       birgit.linnemann@ukr.de
                     ner. Dies wird im Wesentlichen auf frauenspezifische
                     Risikofaktoren wie die Verwendung von hormonellen
                     Kontrazeptiva und Schwangerschaften zurückgeführt.                          PD Dr. med. Christina Hart
                     Das Gesamtrisiko für VTE bleibt trotz dieser relati-                        Klinik für Innere Medizin III
                     ven Risikoerhöhung niedrig und liegt bei etwa 2–5 pro                       Hämatologie und Onkologie
                     10 000 Frauen pro Jahr [1].                                                 Universitätsklinikum Regensburg
                                                                                                 Franz-Josef-Strauss-Allee 11
                                                                                                 D-93051 Regensburg
                     Hormone und Hämostase
                                                                                                 christina.hart@ukr.de
                     Östrogene haben Einfluss auf die hepatische Genex-
                     pression und verschieben das Gleichgewicht zwischen
                     koagulatorischen und antikoagulatorischen Faktoren        Jahre nach der Markteinführung 1960 wurde bekannt,
                     in Richtung einer erhöhten Koagulabilität. Die Höhe       dass KHK das Risiko für venöse Thrombosen und in
                     der Östrogendosis und die Art des Gestagens in Kom-       geringerem Ausmass auch für arterielle Thrombosen
                     binationspräparaten bestimmen das Risiko für throm-       erhöhen [5]. Die Zusammensetzung der KHK hat sich
                     botische Komplikationen. Unter der Einnahme von           in den letzten 60 Jahren gewandelt, die Grundkompo-
                     Hormonpräparaten lassen sich erhöhte Aktivitäten          nenten sind jedoch unverändert. Moderne KHK ent-
                     thrombogener Faktoren (Fibrinogen, Prothrombin,           halten eine Kombination aus einem Östrogen (meist
                     Faktor VII, Faktor VIII, Faktor X) und reduzierte         Ethinylestradiol in einer Dosierung von 20 –35 µg) und
                     Aktivitäten physiologischer Gerinnungsinhibitoren         einem synthetisch hergestellten Gestagen. Die Zusam-
                     (Antithrombin, Protein S, Tissue Factor Pathway           mensetzung bestimmt dabei das Ausmass der Risiko-
                     Inhibitor [TFPI]) nachweisen [2,3]. Es resultiert eine    erhöhung für thromboembolische Ereignisse (Tab. 1).
                     Resistenz gegen aktiviertes Protein C (sog. erworbene     Unter den KHK haben Präparate, die eine niedrige
                     APC-Resistenz). Das Ausmass dieser APC-Resistenz          Östrogendosis und Levonorgestrel als Gestagen ent-
                     korreliert mit dem Risiko für VTE [4].                    halten, das geringste VTE-Risiko [6,7]. Bei anderen
                                                                               Gestagenkomponenten ist das VTE-Risiko zum Teil
                     Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva                      signifikant höher. Ein erhöhtes Thromboserisiko ist
                     Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK)                nicht nur für die oral applizierbaren KHK, sondern
                     machen den grössten Anteil der angewandten Metho-         auch für die transdermal und transvaginal eingesetzten
                     den zur Empfängnisverhütung aus. Bereits wenige           Kombinationspräparate beschrieben [8].

                      Tab. 1 Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) in Abhängigkeit von der Zusammensetzung
                             eines kombinierten hormonellen Kontrazeptivums (KHK)
                      Gestagenkomponente innerhalb des KHK                                        Jährliches VTE-Risiko

                      Vergleichskollektiv (keine hormonelle Kontrazeption)                        2 pro 10 000 Frauen

                      KHK mit Levonorgestrel, Noethisteron oder Norgestimat                       5–7 pro 10 000 Frauen

                      KHK mit Etonogestrel oder Norelgestromin                                    6–12 pro 10 000 Frauen

                      KHK mit Dienogest                                                           8–11 pro 10 000 Frauen

                      KHK mit Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel                              9–12 pro 10 000 Frauen
                                                                                                                                         nach [36]

                      KHK mit Chlormadinon oder Nomegestrol                                       Bis dato unbekannt

8
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                              CME-FORTBILDUNG

             Tab. 2 Relevanz einzelner Risikofaktoren und empfohlene Konsequenzen
             VTE-Risikofaktor                        Risikoerhöhung                            Empfehlung

             Lebensalter >35 Jahre                   Gering bis mittel                         Ausführliche Risikoberatung;
                                                                                               prinzipiell alle Formen der Kontrazeption möglich
                                                                                               (sofern keine weiteren Risiken)

             BMI >35 kg /m²                          Gering bis mittel                         Ausführliche Risikoberatung;
                                                                                               möglichst Verzicht auf KHK (insbesondere wenn Alter >35 und/
                                                                                               oder Rauchen >15 Zig./Tag)

             Rauchen                                 Gering bis mittel                         Ausführliche Risikoberatung;
                                                                                               möglichst Verzicht auf KHK (insbesondere, wenn Alter >35 und/
                                                                                               oder BMI >35 kg/m²)

             Prolongierte Immobilität, grosse        Mittel bis hoch                           Ausführliche Risikoberatung;
             chirurgische Eingriffe                                                            keine Neuverordnung eines KHK; konsequente VTE-Pro­phylaxe

             Positive Eigenanamnese für VTE          Mittel (bei risiko-assoziierter VTE);     Verzicht auf KHK;
                                                     hoch (bei hormon-assoziierter oder        ggf. Einbeziehung eines Hämostaseologen,
                                                     spontaner VTE)                            ggf. Thrombophilie-Screening

             Positive Familienanamnese für VTE       Mittel (bei risiko-assoziierter VTE);     Verzicht auf KHK;
                                                     hoch (bei hormon-assoziierter oder        ggf. Einbeziehung eines Hämostaseologen,
                                                     spontaner VTE)                            ggf. Thrombophilie-Screening

             Asymptomatische Thrombophilie           Gering bis hoch (abhängig vom              kritische Indikationsstellung für Thrombophilie-Screening bei
             bzw. bei erstgradigen Verwandten        ­thrombophilen Defekt und                  ­asymptomatischen Patienten; bei Nachweis einer Thrombophilie
nach [11]

             bekannte Thrombophilie                   ­Manifes­tation in der Familie)            ­hämostaseologische Beratung vor Verordnung eines KHK

            VTE= venöse Thromboembolie; BMI= Body-Mass-Index; KHK= kombiniertes hormonelles Kontrazeptivum

                Das Risiko für Thromboembolien ist in den ers-               Hereditäre Thrombophilie und
            ten Monaten der Anwendung am höchsten und sinkt                  hormonelle ­Kontrazeption
            im Verlauf des ersten Jahres deutlich ab. Aber auch              Ob eine alleinige positive Familienanamnese eine
            bei langfristiger Anwendung bleibt für Frauen, die ein           Kontraindikation gegen eine hormonelle Kontra-
            KHK anwenden, ein etwa 2-fach erhöhtes VTE-Risiko                zeption darstellt, wird kontrovers diskutiert. Einige
            bestehen im Vergleich zu Frauen, die nicht hormonell             Studien konnten zeigen, dass eine hereditäre Throm-
            verhüten [9]. Wird die hormonelle Kontrazeption für              bophilie zusammen mit der Einnahme eines KHK
            mehrere Wochen pausiert, besteht mit der Wiederauf-              das relative Risiko für VTE deutlich steigert [12,13].
            nahme erneut vorübergehend ein höheres VTE-Risiko                Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass ein
            als bei kontinuierlicher Einnahme. Es erscheint daher            generelles Thrombophilie-Screening vor Erstver-
            nicht sinnvoll, zur Senkung des VTE-Risikos KHK                  ordnung eines KHK nicht sinnvoll ist. Mindestens
            perioperativ zu pausieren. Bei hohem VTE-Risiko                  eine hereditäre Thrombophilie lässt sich bei 3–9%
            sollte daher eher eine medikamentöse VTE-Prophy-                 der mitteleuropäischen Bevölkerung nachweisen
            laxe mit einem niedermolekularen Heparin oder einer              (Tab. 3). Am häufigsten sind die Heterozygotie für
            anderen für die Indikation zugelassenen Substanz                 eine Faktor-V-Leiden-Mutation (ca. 2 –7%) oder
            durchgeführt werden [1].                                         eine Prothrombin-G20210A-Mutation (ca. 1–2%).
                Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (z.B.              Trotz der hohen Prävalenz dieser Mutationen ist
            hereditäre Thrombophilie, positive Familienanam-                 das absolute VTE-Risiko bei den Betroffenen nied-
            nese, höheres Lebensalter, Adipositas, Rauchen)                  rig, sofern nicht weitere Risikofaktoren hinzutreten.
            steigt das VTE-Risiko weiter an [10]. Das individu-              Eine aktuelle französische Arbeit, die 2214 Verwandte
            elle VTE-Risiko sollte bei jeder Neuverordnung eines             aus 651 Familien mit bekannter hereditärer Thrombo-
            KHK durch sorgfältige Anamneseerhebung evalu-                    philie und VTE-Manifestation einschloss, ­errechnete
            iert ­werden. Die erst kürzlich aktualisierte AWMF-              für Personen mit milder Thrombophilie, aber ohne bis-
            S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung                 herige eigene VTE-Ereignisse ein jährliches absolutes
            empfiehlt, Faktoren wie Lebensalter, Body-Mass-                  VTE-Risiko von 0,36% (HR 1,91; 95%-KI 1,30 –2,80)
            Index, Raucherstatus, Mobilitätseinschränkung,                   und für Personen mit schwerer Thrombophilie von
            anstehende grössere Operationen, Informationen zur               0,64% (HR 3,78; 95%-KI 2,50–5,73) [14]. Allerdings
            Eigen- und Familienanamnese für VTE-Ereignisse                   steigt das VTE-Risiko deutlich bei Einnahme eines
            und eine gegebenenfalls bekannte Thrombophilie in                KHK.
            die Risikobewertung einzubeziehen [11]. Einen Über-                   Eine andere Arbeitsgruppe errechnete für die
            blick über Risikofaktoren und empfohlene Konse-                  Anwendung von KHK bei Frauen mit einer Faktor-
            quenzen gibt Tabelle 2.                                          V-Leiden-Mutation ein bis zu 45-fach erhöhtes relati-

            9
CME-FORTBILDUNG                                                                                                        medizinonline.ch

      Tab. 3 Klassische hereditäre Thrombophilien, Prävalenz und relatives VTE-Risiko
      Thrombophilie                                              Prävalenz in der Normalbevölkerung    Relatives Risiko für VTE-Ereignis

      Milde Thrombophilie

      FVL-Mutation, heterozygot                                                              2–7%                                  4–6

      PT-Mutation G20210A, heterozygot                                                       1–2%                                  3–5

      Schwere Thrombophilie

      FVL-Mutation, homozygot                                                          0,01–0,02%                                 4–41

      PT-Mutation G20210A, homozygot                                                    sehr selten                                  (?)

      Antithrombin-Mangel                                                               0,02–0,2%                                13–59

      Protein-C-Mangel                                                                    0,2–0,5%                               13–42

                                                                                                                                           nach [34,35]
      Protein-S-Mangel                                                                    0,1–0,7%                               26–56

     VTE = venöse Thromboembolie; FVL = Faktor V Leiden; PT = Prothrombin

                   ves VTE-Risiko [15]. Frauen mit Thrombophilie und              die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) als
                   positiver Familienanamnese sollte daher möglichst              auch VKA plazentagängig und damit potenziell emb-
                   kein KHK verordnet werden, insbesondere wenn                   ryotoxisch sind. Nach aktueller Einschätzung wird der
                   der Indexpatient ohne weitere Risikofaktoren oder              prothrombogene Effekt der KHK durch eine vollthe-
                   hormon-assoziiert in jungen Jahren ein VTE-Ereignis            rapeutische Antikoagulation kompensiert, sodass eine
                   erlitten hat. Ist die Verordnung eines KHK aufgrund            fortgeführte Verhütung mit einem KHK unter Antiko-
                   von Begleitumständen oder Komorbiditäten unum-                 agulationschutz als unbedenklich gilt.
                   gänglich, sollte eine hämostaseologische Abklärung                  In einer Post-hoc-Subgruppenanalyse der EIN-
                   und die Verordnung eines KHK mit Levonor­gestrel als           STEIN-DVT- und EINSTEIN-PE-Studien, in der das
                   Gestagenkomponente erwogen werden. Bei bekann-                 Rezidivrisiko bei Frauen vor dem 60. Lebensjahr mit
                   ter schwerer Thrombophilie sollte auf KHK verzichtet           und ohne fortgeführte Hormontherapie verglichen
                   werden; in diesen Fällen ist einer östrogenfreien Ver-         wurde, ergab sich kein Hinweis für eine erhöhte Rate
                   hütungsmethode der Vorzug zu geben.                            an VTE-Rezidiven unter fortgeführter Hormonthera-
                                                                                  pie (3,7% vs. 4,7%; HR 0,56; 95%-KI 0,23 –1,39) [18].
                   Gestagenmonopräparate                                          Zur Minimierung des V  ­ TE-Risikos unter Antikoagu-
                   Nach heutigem Kenntnisstand erhöhen Kontrazeptiva              lation empfiehlt die AWMF-S3-Leitlinie ein Gestagen-
                   mit alleiniger Gestagenkomponente (d.h. orale Präpa-           monopräparat (oral oder als I­ ntrauterin-Device) oder
                   rate mit Desogestrel oder Levonorgestrel beziehungs-           aber eine Kupferspirale als ­Mittel der ersten Wahl
                   weise levonorgestrel-haltige Intrauterin-Devices) das          (sog. östrogen-freie Methoden) (Tab. 4). Entscheidet
                   VTE-Risiko nicht signifikant. Sie können daher bei             sich die Patientin zusammen mit ihrem Arzt für eine
                   Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko oder VTE in der                 weitere Verhütung mit einem KHK, ist eine Umstel-
                   Vorgeschichte angewendet werden [1,16]. Dies gilt              lung auf ein Präparat mit Levonorgestrel als Gestagen-
                   jedoch nicht für Depot-Medroxyprogesteronacetat                komponente zu empfehlen [11].
                   (DMPA; sog. 3-Monatsspritze), für das ein etwa 3-fach
                   erhöhtes VTE-Risiko beschrieben ist [17]. Auf die              Hormon-assoziierte VTE und Rezidivrisiko
                   Gabe von DMPA sollte daher bei Frauen mit erhöh-               Entsprechend aktueller Risikobewertungen gelten
                   tem VTE-Risiko verzichtet werden.                              KHK als schwache, transiente Risikofaktoren [19]. Da
                                                                                  eine fortgeführte KHK-Einnahme nach Beendigung
                   Kontrazeption unter Antikoagulation                            der Antikoagulation von einem mutmasslich hohen
                   Oftmals beenden Frauen mit hormon-assoziierter                 Rezidivrisiko begleitet ist, sollten KHK spätestens
                   VTE unmittelbar nach Bestätigung der Diagnose die              6 Wochen vor geplanter Beendigung der Antikoagu-
                   Einnahme des Kontrazeptivums. Dies ist insofern                lation abgesetzt bzw. auf eine östrogenfreie Kontra-
                   ­problematisch, da das Absetzen zu einer Abbruchblu-           zeption umgesetzt werden.
                    tung führt, die unter höher dosierten Antikoagulan-
                    zien in der Initialphase (Apixaban, Rivaroxaban) oder
                    einer überlappenden Antikoagulation (NMH plus Vit-
                    amin-K-Antagonist [VKA]) stärker ausfallen kann als
                    in der Phase der Erhaltungstherapie. Ausserdem steigt
                    das Risiko für eine ungewollte Schwangerschaft. Die
                    aktuelle AWMF-S3-Leitlinie fordert für alle Frauen,
                    die unter einer oralen Antikoagulanzientherapie ste-          > Fortbildungsfragen auf Seite 14
                    hen [11], eine sichere Empfängnisverhütung, da sowohl

10
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1                                                                              CME-FORTBILDUNG

             Tab. 4 Leitlinien-Empfehlung zur Empfängnisverhütung bei VTE-Patientinnen unter laufender Antikoagulation
                    und nach Therapieende
                                                                           Kontrazeption

             vor dem VTE-Ereignis                    unter fortgeführter Antikoagulation                  nach Beendigung der Antikoagulation

             Keine                                   Östrogenfreie Methode (ausser: DMPA);                Östrogenfreie Kontrazeption
                                                     KHK vermeiden, da nach Beendigung der AK             (Ausnahme: DMPA)
                                                     nicht fortzuführen

             Kombiniertes hormonelles                Umstellung auf östrogenfreie Kontrazeption oder      Östrogenfreie Kontrazeption
             ­Kontrazeptivum                         KHK weiter und Umstellung auf östrogenfreie          (ausser: DMPA)
                                                     Methode spätestens 6 Wochen vor Beendigung
                                                     der Antikoagulation

             Gestagenmonotherapie                    Weiterführung                                        Östrogenfreie Kontrazeption
             (oral oder als IUD; ausser: DMPA)                                                            (ausser DMPA)

             Barrieremethode (z.B. Kondom)           Umstellung indiziert zur Erhöhung der kontra-        Östrogenfreie Kontrazeption
                                                     zeptiven Sicherheit; möglichst östrogenfreie         (ausser DMPA)
nach [11]

                                                     ­Methode (ausser: DMPA)

            VTE = venöse Thromboembolie; IUD = Intrauterindevice; DMPA = Depot-Medroxyprogesteronacetat

                 Grundsätzlich haben Frauen nach einem VTE-                   während des gesamten Verlaufs der Schwangerschaft
            Erstereignis ein geringeres Rezidivrisiko als gleich-             höher, war jedoch im 1. Trimenon am höchsten (HR
            altrige Männer. Innerhalb von einem Jahr erleiden                 4,22; 95%-KI 2,46 –7,26) [25]. Besonders hoch (1– 4%)
            5,3% und innerhalb von 5 Jahren 11,1% aller Frauen                ist es für Frauen, die im Verlauf ein schweres ovari-
            ein Rezidiv. Das Rezidivrisiko ist dabei nach hormon-             elles Hyperstimulationssyndrom (OHSS) entwickeln
            assoziierter VTE geringer als nach spontaner VTE                  [27,28].
            (HR 0,5; 95%-KI 0,3 –0,8) [20]. Kohortenstudien
            berichten ein jährliches absolutes Risiko von 1,1–2,5%            Hormonersatztherapie und VTE-Risiko
            [21–23]. Dem steht ein durchschnittliches Blutungs­               Eine Hormonersatztherapie («hormone replacement
            risiko unter volltherapeutischer Antikoagulation von              therapy», HRT) wird eingesetzt zur Therapie von
            etwa 1–3% pro Jahr gegenüber [24]. Einige Studien                 durch Östrogenmangel bedingten klimakterischen
            berichten sogar über ein höheres Risiko für schwere               Beschwerden und Erkrankungen. Die HRT verfolgt
            und klinisch relevante Blutungen bei Frauen im Ver-               dabei nicht das Ziel, die bisherigen Hormonspiegel
            gleich zu Männern [10].                                           aufrechtzuerhalten, sondern zielt darauf ab, mit der
                 In Abwägung von Nutzen und Risiken wird daher                niedrigsten effektiven Dosis Symptome wie Hitze-
            eine Antikoagulation nach KHK-assoziierter VTE                    wallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung
            und bei fehlenden persistierenden Risikofaktoren                  oder urogenitale Beschwerden infolge Schleimhauta-
            in der Regel auf 3 – 6 Monate befristet. Wurde eine               trophie zu beseitigen. Da eine Östrogenmonotherapie
            Empfängnisverhütung mit einem KHK fortgeführt, so                 mit einem erhöhten Risiko für Endometriumkarzi-
            ist darauf zu achten, diese mindestens 6 Wochen vor               nome einhergeht, werden in der Regel Kombinations-
            geplanter Beendigung der Antikoagulation auf eine                 präparate eingesetzt.
            östrogenfreie Verhütungsmethode umzustellen.

            Assistierte Reproduktionstechniken
            und VTE-Risiko                                                    TAKE-HOME-MESSAGES
            Der Anteil der Schwangerschaften, die auf assistierte             ― Eine Therapie mit Kombinationspräparaten aus Östrogen und Gestagen
            Reproduktionstechniken (ART) zurückzuführen sind,                   ­erhöht das Thromboembolierisiko, wobei das Ausmass der Risikoerhöhung
            ist in den letzten Jahren gestiegen. Die hierfür erfor-              von der Östrogendosis sowie der Gestagenkomponente abhängt.
            derliche Hormontherapie steigert das VTE-Risiko. So               ― Das VTE-Risiko ist im ersten Jahr der Anwendung am höchsten, bleibt aber
            haben Frauen, bei denen die Schwangerschaft nach                    auch danach erhöht im Vergleich zu Frauen, die keine KHK einnehmen.
            einer In-vitro-Fertilisation (IVF) eingetreten ist, ein
                                                                              ― Gestagenmonopräparate (oral oder als IUD) erhöhen nach aktuellem Kennt-
            etwa 2-fach höheres Risiko als Frauen mit sponta-
                                                                                nisstand das Thromboserisiko nicht.
            nem Schwangerschaftseintritt [25,26]. In einer bevöl-
            kerungsbasierten schwedischen Analyse von 140 458                 ― Aktuelle Leitlinien empfehlen bei nachgewiesener VTE eine sichere
            Datensätzen aus den Jahren 1990 bis 2008 ergab sich                 ­Empfängnisverhütung; eine fortgeführte KHK-Einnahme ist möglich, solan-
            für Schwangere nach IVF-Behandlung ein absolu-                       ge die Patientin unter volltherapeutischer Antikoagulation steht.
            tes VTE-Risiko von 0,42% im Vergleich zu 0,25%                    ― Nach einem hormon-assoziierten VTE-Ereignis ist das Risiko für ein Rezidiv
            bei Frauen mit spontanem Schwangerschaftseintritt                   gering, sofern die Therapie mit einem Kombinationspräparat vor Beendi-
            (HR 1,77; 95%-KI 1,41–2,23). Das VTE-Risiko blieb                   gung der Antikoagulation abgesetzt wurde.

            11
Sie können auch lesen