Bei Sinusitis hilft Sinupret.1 - Die Natur kennt das Rezept - Über medizinonline.ch
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Ausgabe 1 · Januar 2021 · www.medizinonline.ch CME-FORTBILDUNG Update Viszeralchirurgie – Teil 1 Oberer Gastrointestinaltrakt und COVID-19-Komplikationen Venöse Thromboembolien Die Natur kennt das Rezept. Risiken bei einer Hormontherapie bei Essstörungen Bei Sinusitis hilft Sinupret . ® 1 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) Moderne «State-of-the-Art» Pharmakotherapie – ein Update Medizin Harnwegsinfekte Antibiotikaresistenzen gefährden Therapieerfolg HIV-Infektion Funktionelle Magen-Darm- Beschwerden • Lässt befreit durchatmen • Schleimlösend 2 Chronisch-entzündliche • Entzündungshemmend3 Darmerkrankungen (CED) Zwei neue Biomarker für die Bei akuten und chronischen Entzündungen gezielte Therapie identifiziert der Nasennebenhöhlen und der Atemwege.1 Typ-2-Diabetes kassenzulässig4 COVID-19-Impfung Gastro-ösophageale Reflux Sinupret ® Dragées / Sinupret ® forte Drg. / Sinupret ® Tropfen / Sinupret ® Sirup (Pflanzliche Arzneimittel) Z: Enzianwurzel, Schlüsselblumenblüten, Kraut des Krausen Ampfers, Holunderblüten, Eisenkraut. I: Akute und chronische Entzündungen von erkrankung (GERD) Nasennebenhöhlen und Atemwegen. D: >12 J.: 3 x tgl. 2 Drg. oder 1 Drg. forte oder 50 Tropfen oder 7.0 ml Sirup; >6 J.: 3 x tgl. 1 Drg. oder 25 Tropfen oder 3.5 ml Sirup; >2 J.: 3 x tgl. 15 Tropfen oder 2.1 ml Sirup. KI: Überempfindlichkeit auf einen der Inhaltsstoffe des Arzneimittels. VM: Sinupret Tropfen enthalten 19 Vol.-% Alkohol; Sinupret Sirup enthält 8 Vol.-% Alkohol. IA: Bisher keine bekannt. S/S: Nach Absprache mit dem Arzt. UW: Gelegentlich: Magen-Darm-Beschwerden, Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. Schwere allergische Reaktionen. P: Sinupret Images Drg. 50; Sinupret forte Drg. 20*, 50*, 100*; Sinupret Tropfen 100 ml*; Sinupret Sirup 100 ml*. Kat. D. V020119 Ausführliche Angaben siehe www.swissmedicinfo.ch *kassenzulässig Referenzen: Vom Symptom zur Diagnose 1 www.swissmedicinfo.ch, abgerufen am 26.01.2021. | 2 Virgin F. et al.: The Laryngoscope 120, No. 5, (2010) 1051-1056. | Gelenkdiagnostik: Degenerative 3 Wang L. et al.: J Agric Food Chem 54, No. 26, (2006) 9798-9804. | 4 www.spezialitätenliste.ch, abgerufen am 26.01.2021. Biomed AG. Überlandstrasse 199. 8600 Dübendorf. © Biomed AG. 01/2021. All rights reserved. Kniegelenkveränderungen – Knorpelschäden
A kk 12 re 2 5* : P te in Slpinische 12 FP PH Puunkte i di .5 *12.5 FFPH P C FP h . H tie M H ar talpharrPharm rt E: : m fü Virusinfektion & Risikogruppen 12 SG GS a S zie ie r: .5 AIM SA iss nk n A k i « Wissen tanken » u m a a z e Webkonferenz 17. März 2021 17.30 – 19.30 Uhr Dr. med. Daniel Desgrandchamps, Baar Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich PD. Dr. med. Christian Schmied, Zürich Wissenschaft Schweizer Experten Interdisziplinärer Austausch Programm 1. Immunologische Hintergründe komplizierter Virusinfektionen Dr. med. Daniel Desgrandchamps, Baar 17.30 – 18.00 Uhr 2. Impfung bei Patienten mit Diabetes Mellitus Prof. Dr. med. Roger Lehmann, Zürich 18.00 – 18.30 Uhr 3. Virusinfektion und atherosklerotische Erkrankungen PD. Dr. med. Christian Schmied, Zürich 18.30 – 19.00 Uhr 4. Offene Diskussionsrunde 19.00 – 19.30 Uhr « Save the Date» MAT-CH-2100180-1.0-01/2021 Jetzt online registrieren! www.sanoficonnect.ch/webcastregistration
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 EDITORIAL Schnelle Einführung des Impfstoffs – wenn eine Regierung alles richtig macht Israel: Immunität der Bevölkerung in wenigen Monaten ■ Präzise Vorausplanung. Sorgfältige Informations- nal COVID-19 Lung study». Dass im Frühjahr 2020 systeme. Klare Medienkommunikation. Dies sind auch eine alternative, potenziell unkomplizierte und einige der Faktoren, die Israel nach eigenen Angaben kostengünstige Therapie- bzw. Präventionsoption zum weltweiten Spitzenreiter bei der Einführung des für COVID-19 mit der Substanz Nicotineamidmono- COVID-19-Impfstoffs gemacht haben. Zum Zeitpunkt nucleotid diskutiert wurde, die genauso effektiv wie des Redaktionsschlusses wurden bereits 30 von 100 Impfungen hätte sein können, haben die Wenigsten Einwohnern des Landes geimpft. von uns mitbekommen. Ich selbst bin von einem auch Der Erfolg des Landes hat die Aufmerksamkeit sonst sehr kenntnisreichen «brillianten Kopf» darauf von Ländern auf der ganzen Welt auf sich gezogen, aufmerksam gemacht worden, der diesen wissenschaft- die von den Erfahrungen des Landes lernen wollen. lichen Vortrag empfahl: www.immunopaedia.org.za/ Ein Online-Briefing des israelischen Gesundheitsmi- webinars /severe-vs-mild-covid-19-immunity-and- nisteriums Mitte Januar zog ein Publikum von Hun- intersection-between-nicotinamide-pathway-covid-19/ derten von Regierungsvertretern und Journalisten aus Es lohnt, einmal darüber nachzudenken, wie verschiedenen Ländern an. Dabei wurde deutlich, dass es bewerkstelligt werden kann, auch wenn es keine ein grosser Teil des Erfolgs auf die gute Organisation Patente auf eine Substanz gibt und somit die Finan- und die Zusammenarbeit zwischen den verschiede- zierung von aufwendigen klinischen Studien von der nen Behörden zurückzuführen ist, obwohl auch die Pharmaindustrie nicht zu erwarten ist, valide Daten zu Bereitschaft der Regierung, viel Geld für Impfstoffe erhalten, bzw. die notwendigen Studien zu finanzieren. auszugeben, dazu beigetragen hat. Anderswo gab es Kontroversen über die Verabreichung von Impfdosen Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre, bleiben an junge Menschen oder andere, die nicht auf der Prio Sie gesund! ritätenliste stehen. In Israel hingegen stehen junge Menschen in den Zentren Schlange, um sich mit den übrig gebliebenen Dosen impfen zu lassen. Der Impfstoff wird an 350 Orten verabreicht, die von lokalen Gesundheitseinrichtungen bis hin zu gros- sen Sportstadien und sogar «Drive-In-Stationen» rei- chen. Das Personal wurde via Zoom für die Verabrei- chung des Impfstoffs geschult. Der erste Kaufvertrag des Landes wurde mit Moderna abgeschlossen, wäh- rend eine Einigung mit Pfizer erst im letzten Novem- ber erreicht wurde, sagte Dr. Salmon. Aber in beiden Fällen bestellte Israel deutlich grössere Mengen der neuen Impfstoffe als andere Länder, von denen viele auf billigere Alternativen warteten – und teils immer noch warten… COVID-19 ist auch in dieser Ausgabe der Haus- arzt Praxis ein Thema, etwa wie SARS-CoV-2 auf den Magen-Darmtrakt schlägt oder die «Swiss natio- Tanja Schliebe, Chefredaktion Die Fortbildungsthemen in dieser Ausgabe: Update Viszeralchirurgie – Teil 1 ........................................................................................... Seite 4 Venöse Thromboembolien: Risiken bei einer Hormontherapie................................ Seite 8 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) .................................................... Seite 15 CME-Fortbildungsfragen.................................................................................................. Seite 14/19 Credits auf medizinonline.ch Einloggen, Fragen beantworten und direkt CME-Zertifkat downloaden. 1
INHALTSVERZEICHNIS medizinonline.ch EDITORIAL 30 Typ-2-Diabetes Empfehlungen für die Therapiewahl 1 Schnelle Einführung des Impfstoffs – wenn auf dem neuesten Stand eine Regierung alles richtig macht Israel: Immunität der Bevölkerung 32 COVID-19-Impfung in wenigen Monaten Etappensieg gegen das Coronavirus, Tanja Schliebe, Chefredaktion aber noch keine Entwarnung 34 Gastro-ösophageale Refluxerkrankung (GERD) Alginat als bedarfsorientierte add-on- CME-FORTBILDUNG Therapie erhöht Patientenzufriedenheit 4 pdate Viszeralchirurgie – Teil 1 U 37 SARS-CoV-2 Oberer Gastrointestinaltrakt und Swissmedic-Zulassung eines zweiten COVID-19-Komplikationen COVID-19-Impfstoffes Dr. med. Stefanie Sinz, PD Dr. med. Thomas Steffen, St. Gallen 8 Venöse Thromboembolien PRAXISMANAGEMENT Risiken bei einer Hormontherapie Prof. Dr. med. Birgit Linnemann, 23 Digital Health PD Dr. med. Christina Hart, Regensburg (D) Grosses Interesse an telemedizinischen Angeboten – nicht nur coronabedingt 13 Credits auf medizinonline.ch Anleitung zur Online-Fortbildung 15 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen IMAGES (CED) Moderne «State-of-the-Art» Pharmako 38 om Symptom zur Diagnose V therapie – ein Update Gelenkdiagnostik: Degenerative Knie PD Dr. med. Luc Biedermann, Zürich gelenkveränderungen – Knorpelschäden Dr. med. Hans-Joachim Thiel, Birenbach (D) 14, 19 CME-Fortbildungsfragen MEDIZIN WEITERE RUBRIKEN 20 Harnwegsinfektionen 3, 36 News Antibiotikaresistenzen gefährden Therapieerfolg 22 Impressum 24 IV-Infektion H 33 Board Was sind heutzutage Herausforderungen im Disease Management von HIV? 26 Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl reduziert die viszerale Hyperalgesie signifikant 27 Uhrentest digital Eine App soll künftig Demenzen erkennen 28 hronisch-entzündliche Darmerkrankungen C (CED) Zwei neue Biomarker für die gezielte Therapie identifiziert Titelbild: ArnyGFX, iStock 2
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 NEWS «Swiss national COVID-19 Lung study» Verminderte Lungenfunktion nach überstandener Akutphase Laut einer gesamtschweizerischen Studie unter der Leitung des Inselspitals Universitätsinstitut für Diagnostische, Interven- Bern können schwere COVID-19-Erkrankungen auch nach vier Monaten noch tionelle und Pädiatrische Radiologie, Inselspital anhaltende Beeinträchtigungen der Sauerstoffaufnahme der Lunge zur Folge Bern, erläutert: «Obwohl die Darstellung der ini- haben. Nach Experteneinschätzung ist eine Langzeitbeobachtung und Behand- tialen COVID-19-Pneumonie im bildgebenden lung der Betroffenen wichtig und dringlich. Verfahren relativ charakteristisch ist, sind die mittel- und langfristigen radiologischen Mani- ■ (mp) Die multizentrische, prospektive Beob- mit einem schweren bis kritischen und 47 mit festationen derzeit noch nicht ausreichend achtungsstudie «Swiss national COVID-19 Lung einem milden bis mässig-schweren Verlauf. verstanden. Neben Schädigungen des Lungen- study» ist die erste nationale Studie zur Langzei- Die funktionelle Veränderung der Lunge wurde gewebes, die auf Folgen der schweren Pneu- tentwicklung der Lunge nach COVID-19. Diese anhand einer verminderten Kohlenmonoxid- monie zurückgeführt werden können, indiziert Studie wurde unter der Leitung der Universi- Diffusionskapazität (DLCO) festgestellt. Nach das CT-Bild auch eine mögliche Beteiligung der tätsklinik für Pneumologie, Inselspital Bern, in einer schweren COVID-19-Erkrankung betrug kleinen Atemwege, die nach COVID-19 ein ziem- Kooperation mit dem Department for Biomedical die mittlere DLCO 76% (Median) des erwarteten lich charakteristisches Bild ergibt. Unser inter- Research (DBMR) initiiert. Mittlerweile nehmen Wertes. Dies bedeutet, dass noch vier Monate disziplinärer Zugang zeigt, wie wichtig es ist, neun Zentren in der ganzen Schweiz teil, dar- nach der Infektion eine schwere COVID-19-Er- einen ganzheitlichen Ansatz zu verfolgen und unter die wichtigen Pneumologie-Zentren des krankung die Sauerstoffaufnahme der Lunge dabei die zeitliche Entwicklung radiologischer, Tessins, der Romandie und der Deutschschweiz. im Durchschnitt um 20% vermindert gegenüber klinischer und funktioneller Parameter zu unter- Die vorliegende erste Auswertung nach dem erwarteten Wert einer gesunden Person. suchen, um mögliche Schäden durch COVID-19 vier Monaten zeigt besonders nach schweren Auch die systematische Auswertung der com- in der Lunge zu verstehen.» COVID-19 Erkrankungen eine deutliche funktio- putertomografischen Lungenaufnahmen weist Quelle: «Swiss Covid-19 lung study: Lungenschäden nach nelle Beeinträchtigung der Lunge. In die Daten- auf Beeinträchtigungen hin. Prof. Lukas Ebner, COVID-19 nachgewiesen», Insel Gruppe, Universität Bern, analyse eingeschlossen wurden 66 Patienten Leitender Arzt und Leiter Thorax-Bildgebung am 07.01.2021 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + + COVID-19 + + Wie SARS-CoV-2 auf den Magen-Darmtrakt schlägt Infektionsvorgang mit SARS-CoV-2 im Darmmodell Insbesondere schwer erkrankte COVID-19-Patienten zeigen gastrointestinale Paneth-Zellen, mit SARS-CoV-2 infizierbar. Sie Symptome wie Durchfall oder Übelkeit. In einer Studie haben Forscher der beginnen umgehend mit der Replikation, also Ulmer Universitätsmedizin nach Erklärungen gesucht für die Magen-Darm mit der Herstellung neuer, infektiöser Viren. symptomatik und die hohe Viruslast im Stuhl der Betroffenen. Anhand von Eine Ausnahme bilden lediglich schleimprodu- «Minidärmen» aus Stammzellen haben sie zudem das antivirale Potenzial von zierende Becherzellen», erklärt Erstautorin und antiviralen Medikamenten im Verdauungstrakt untersucht. Doktorandin Jana Krüger, die bei den wichtigs- ten Experimenten der Arbeit beteiligt war. Doch ■ (mp) Bei entsprechenden Untersuchungen rende Verlust spezialisierter Darmzellen kann wie lässt sich das Infektionsgeschehen im fiel auf, dass die Viruslast im Stuhl von Infizier- zu Krankheitszeichen wie Durchfall und Übel- Verdauungstrakt stoppen? Die Autoren haben ten besonders hoch ist. Auch noch Tage nach keit führen. Um herauszufinden, welche Zellen verschiedene Medikamente an den infizierten einem negativen Corona-Testergebnis mittels des Verdauungstrakts genau mit SARS-CoV-2 Darm-Organoiden getestet. Als antiviral wirk- Nasen-Rachenabstrich ist der Erreger in Stuhl- infiziert werden können, nutzten die Wis- sam erwies sich Remdesivir: Ursprünglich für proben nachweisbar. Daher sollten künftige senschaftler sogenannte Organoide, die aus die Ebola-Behandlung entwickelt, blockiert der Behandlungsstrategien gegen SARS-CoV-2 auch embryonalen Stammzellen gezüchtet werden. Wirkstoff die RNA-Polymerase und somit die im Magen-Darmtrakt wirksam sein. So das Fazit «Diese ‹Minidärme› aus dem Labor kommen Vermehrung von SARS-CoV-2. Darüber hinaus einer im Fachjournal «Cellular and Molecular dem menschlichen Dünndarm sehr nahe und konnte das Peptid EK1 die Coronavirus-Infek- Gastroenterology and Hepatology»* erschiene- verfügen über grosse Mengen der notwendi- tion im Minidarm unterdrücken. Hierbei handelt nen Publikation von Forschern der Universität gen Andockstellen», ergänzt Dr. Sandra Heller, es sich um einen Fusionsinhibitor, der das Ein- Ulm (D). Biologin an der Universitätsklinik für Innere dringen des Virus in die Zelle verhindert. «Inte- Der Verdauungstrakt bietet SARS-CoV-2 Medizin I. Die Forscher haben diese Organo- ressanterweise fällt die antivirale Wirksamkeit ausreichend Andockstellen, um verschiedene ide dem neuartigen Coronavirus ausgesetzt von Remdesivir im Minidarm erheblich geringer Zelltypen zu infizieren, die wiederum neue und den Infektionsvorgang mit verschiedenen aus als in einfachen Darmzell-Kulturen. Diese Coronaviren herstellen. Der daraus resultie- molekularbiologischen Methoden untersucht. Beobachtung untermauert die Notwendigkeit, «Tatsächlich sind die meisten Zelltypen, dar- antivirale Substanzen gegen SARS-CoV-2 in * rüger J, et al. 2020, K unter auch hormonbildende Enteroendokrine ausreichend komplexen Systemen zu testen», DOI: https://doi.org/10.1016/j.jcmgh.2020.11.003 Zellen und für die Immunabwehr wichtige ergänzt Heisenberg-Professor Alexander Kleger. 3
CME-FORTBILDUNG medizinonline.ch Update Viszeralchirurgie – Teil 1 Oberer Gastrointestinaltrakt und COVID-19-Komplikationen Stefanie Sinz, Thomas Steffen, St. Gallen Viszeralchirurgie | Pankreaskarzinom | Refluxerkrankung ■ Jährlich müssen sich ca. 60 pro 1000 Einwohner einem abdominalchirurgischen Eingriff unterziehen Dr. med. Stefanie Sinz [1]. Der Grossteil der Patienten wird zunächst in der Assistenzärztin Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endo- hausärztlichen Praxis beurteilt und triagiert. Auch die krine und Transplantationschirurgie Viszeralchirurgie entwickelt sich stetig weiter, und Kantonsspital St. Gallen viele aktuelle Studien beschäftigen sich mit der robo- 9007 St. Gallen terassistierten Chirurgie sowie der Prognoseverbesse- stefanie.sinz@kssg.ch rung bei Tumorpatienten. Wir präsentieren hier ein Update zur Viszeralchirurgie mit besonderer Berück- sichtigung von für die hausärztliche Tätigkeit relevan- PD Dr. med. Thomas Steffen ten oder interessanten Aspekten. Stv. Chefarzt Da es sich hierbei um ein umfangreiches Gebiet Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endo- handelt, haben wir das Update in zwei Teile gesplit- krine und Transplantationschirurgie tet. In Teil 1 werden zunächst der obere Gastrointes- Kantonsspital St. Gallen 9007 St. Gallen tinaltrakt sowie gastrointestinale Komplikationen bei thomas.steffen@kssg.ch COVID-19 beschrieben. In einem weiteren Artikel in der kommenden Ausgabe werden der untere Gastro- intestinaltrakt sowie Parietologie und perioperative Medizin erläutert. Methodik Die Literatur aus den Jahren 2019 und 2020 wurde auf thematische Relevanz durchsucht. Die Recher- che erfolgte über Pubmed (www.pubmed.gov) und UpToDate (www.uptodate.com/contents/search) zu Abb. 1 den folgenden Subkategorien: Oberer Gastrointesti- naltrakt, Bariatrie, hepatobiliäre und pankreatische Chirurgie sowie gastrointestinale Komplikationen bei COVID-19. Ösophaguskarzinom Das Ösophaguskarzinom gehört zu den aggressivsten gastrointestinalen Karzinomen. Die Standard-Ope- ration ist die offene abdomino-thorakale Ösophag- ektomie nach Ivor Lewis. Wegen der vergleichsweise hohen postoperativen Morbidität und eingeschränk- ten Lebensqualität wurden vor allem minimalinva- sive Verfahren in den letzten Jahren untersucht. Im Kurzzeitverlauf konnten bessere Ergebnisse hinsicht- lich postoperativer Pneumonie, Wundinfektionen und Sepsis erreicht werden. Aufgrund der Komplexität der Operation sollte diese an einem Zentrum mit entspre- chender Expertise erfolgen [2]. Welche endoskopi- schen Operationstechniken künftig zum State of the Art werden, steht weiterhin zur Diskussion. Magenkarzinom In einer retrospektiven niederländischen Studie konnte gezeigt werden, dass die Zentrumsexpertise bei Magenkarzinom-Patienten einen signifikanten Einfluss auf das Langzeitüberleben der Patienten hat. iStock, Lars Neumann 4
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 CME-FORTBILDUNG Eine hierfür notwendige Mindestfallzahl pro Klinik und Jahr wurde laut dieser Studie bei 21 Fällen fest- gesetzt [3]. Auch in der Schweiz sind intensive Diskus- sionen zu Mindestfallzahlen in der hochspezialisierten Medizin (HSM Viszeralchirurgie) in Gange. Trotz Behandlungsmöglichkeit von mukosalen Karzinomen (T1) mittels endoskopischer Resektion sind diese bei undifferenzierten Tumoren mit einem hohen Metastasierungsrisiko verbunden und sollten primär der Operation zugeführt werden [4]. Finden die betroffenen Patienten erst verzögert Zugang zur Chirurgie, ist man therapeutisch mit komplizierteren Situationen wie Vernarbungen oder Rezidiven kon- frontiert. iStock, Dr_Microbe Bei selektionierten Patienten mit frühem Magen- karzinom stellt gelegentlich die minimalinvasive Ma- genteilresektion mit lokoregionärer Sentinel-Lymph- adenektomie bei geringerer Morbidität und gleichem onkologischen Outcome eine Therapieoption dar [5,6]. Abb. 2: Tumor der Bauchspeicheldrüse Refluxerkrankung Knapp 20% der Bevölkerung leidet unter gastroöso- phagealen Refluxbeschwerden (Abb. 1). Primär wer- Gewichtsreduktion identisch [13]. In einer amerika- den diese mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) the- nischen Studie wurde nachgewiesen, dass die bariatri- rapiert. Bei PPI-refraktärem oder Reflux-assoziiertem sche Chirurgie insbesondere bei Frauen ein geringeres Thoraxschmerz kommt die Chirurgie zum Einsatz, Risiko für das Auftreten von malignen Erkrankungen wobei durch eine Fundoplicatio eine um 16% bessere wie Brustkrebs, Endometriumkarzinome oder Kolon- Refluxkontrolle erreicht werden kann als in der medi- karzinome mit sich bringt [14]. Die gastroösophageale kamentösen Vergleichsgruppe [7]. Refluxerkrankung stellt insbesondere nach Sleeve- Die etwas weniger invasive Magnetband-Implan- Gastrektomie eine bedeutende Spätkomplikation dar, tation als propagierte Alternative zur Fundoplicatio weswegen präoperativ Reflux-Abklärungen sowie wird weiterhin in Studien diskutiert, kann jedoch postoperativ regelmässige Gastroskopien empfohlen aufgrund fehlender Langzeitdaten sowie fehlendem sind [15]. Direktvergleich mit der Fundoplicatio nicht als echte Alternative empfohlen werden [8]. Pankreastumore Minimalinvasive Operationstechniken sind in geeigne- Bariatrische Chirurgie ten Fällen bei der distalen Pankreatektomie den of- Das Mortalitätsrisiko steigt mit steigendem BMI an, so fenen Verfahren in Bezug auf Operationstechnik und haben Patienten mit einem BMI von über 50 kg/m² ein Radikalität ebenbürtig. Bezüglich Lebensqualität und dreifach erhöhtes Risiko, an einer kardiovaskulären, postoperativ verzögerter Magenentleerung (delayed renalen oder malignen Folgeerkrankung zu verster- gastric emptying) sind die minimal-invasiven den offe- ben [9]. Physische Aktivität und Ernährungsumstel- nen Verfahren überlegen, nachteilig ist die hohe Rate lung münden oft in einem Jo-Jo-Effekt, weswegen zur an postoperativen Pankreasfisteln [16]. langfristigen Gewichtsreduktion und Verlängerung Die neoadjuvante Chemotherapie scheint neu- der Lebenserwartung die Operation die beste Option esten Studien zufolge einen positiven Einfluss auf darstellt. Die Lebenszeit kann damit um bis zu 3 Jahre die Tumorbiologie und Pankreasfistelrate zu haben. verlängert werden [10]. Die Standardverfahren bleiben Dies dürfte durch eine Fibrose des Pankreasgewebes der Roux-Y-Magenbypass sowie die Magenschlauch- bedingt sein, was zu härterem Gewebe führt und die Bildung. Höhere Gewichtsabnahmen sowie Diabetes- Anastomoseninsuffizienzrate reduziert. Der Trend Remissionen können nach Roux-Y-Magenbypass geht klar in Richtung neoadjuvante Therapie, und in erzielt werden [11,12]. Die positiven Auswirkungen selektionierten Patienten ist eine neoadjuvante The- auf den Diabetes mellitus sind hauptsächlich auf den rapie heute zu erwägen [17] (Abb. 2). Die adjuvante Gewichtsverlust zurückzuführen. Die Auswirkungen Therapie muss ohne lange Zeitverzögerung erfolgen. auf die Insulin-Sensitivität, Beta-Zellfunktion sowie Das mFOLFIRINOX-Schema stellt weiterhin die das Insulin-Profil sind im Vergleich zur diätischen Standardtherapie dar, wobei diese Chemotherapie abhängig vom Allgemeinzustand der Patienten nicht immer zum Zuge kommen kann [18,19]. Auch in der Chirurgie von singulären Metastasen nach kurativer Pankreaskarzinom-Operation sind Studien am Laufen. Metachrone einzelne Metastasen in der Lunge dürfen in speziellen Fällen einer kurativen Metastasenresek- > Fortbildungsfragen auf Seite 14 tion zugeführt werden, und auch solitäre Lebermeta- stasen werden diskutiert. Die Entscheidung hierfür 5
CME-FORTBILDUNG medizinonline.ch muss interdisziplinär an einem Tumorboard getroffen Überleben nachgewiesen. Entscheidend hierfür ist die werden [20]. Operabilität des Patienten mit entsprechender Rest leberfunktion [26]. Pankreatitis Die biliäre Obstruktion ist in Europa die häufigste Lebermetastasen Ursache für eine akute Pankreatitis [21]. Die Chole- Bei kolorektalen Lebermetastasen, insbesondere im zystektomie als Therapie sowie Prophylaxe einer er- Stadium T3/T4 des Primärtumors, wurden mittels neuten Pankreatitis stellt den Goldstandard dar. In kontrastmittelverstärkten Ultraschalles (CEUS) in bis einer systematischen Literaturrecherche wurde bei Pa- zu 4% aller Patienten Lebermetastasen nachgewie- tienten mit einer milden Pankreatitis die frühelektive sen. Die CEUS ist als primäre Bildgebung nach CT- Cholezystektomie im Rahmen des Initialaufenthaltes grafisch detektierten Leberläsionen zu empfehlen [27]. als sicheres therapeutisches Vorgehen bestätigt [22]. Bei ausgedehnter Lebermetastasierung stehen weiter- Bei chronischen Pankreatitiden, bei welchen insbe- hin Hypertrophie-Konzepte wie die ALPPS procedure sondere die Schmerzen aber auch die Parenchymdes- (Associating Liver Partition and Portal vein Ligation truktion im Vordergrund stehen, bietet die Operation for Staged hepatectomy) und andere «staged» Hepat- gute Chancen auf eine langfristige Reduktion der Be- ektomieverfahren im Vordergrund. Das postoperative schwerden, verminderte Pankreasgewebezerstörung Leberversagen nach Resektion konnte reduziert wer- und verbesserte Lebensqualität [23,24]. Dabei ist die den, jedoch sind entsprechende Verfahren mit e iner frühzeitige Zuweisung in die Chirurgie bei ausbleiben- hohen perioperativen Morbidität verbunden und soll- dem nachhaltigem Therapieerfolg anderer (interventi- ten nur in selektionierten Patienten und entsprechen- oneller) Verfahren wichtig. den Zentren durchgeführt werden [28]. Gallenblasen- und Gallenwegserkrankung Gastrointestinale Komplikationen bei COVID-19 Die Gallengangsverletzung ist eine gefürchtete Kom- Seit dem Auftreten der Coronapandemie wurden plikation nach Cholezystektomie. Insbesondere bei mehrere extrapulmonale Erkrankungen beobachtet. akuter Cholezystitis wurde das Risiko als erhöht ein- Hierzu zählen unter anderem der Ileus, die Darmisch- gestuft und entsprechend erst im entzündungsfreien ämie, Pankreatitiden oder Leberfunktionsstörungen Intervall operiert (Abb. 3). Gemäss aktueller Daten- [29]. Ursächlich steht die erhöhte Expressionsrate des lage zeigt eine frühe Cholezystektomie bei akuter Angiotensin-Converting Enzym 2-Rezeptors in den Cholezystitis jedoch keine Unterschiede hinsichtlich Darmepithelzellen im Fokus, welche als Rezeptoren Morbidität [25]. für SARS-CoV-2 dienen [30]. Die durch das Coronavirus induzierte Koagulo- Hepatozelluläres Karzinom pathie, aber auch der erhöhte Opioid-Bedarf können Das hepatozelluläre Karzinom ist der häufigste pri- die vermehrte Darmischämie, aber auch die hohen märe Lebertumor. In frühen Stadien bietet sich ne- Ileus-Raten erklären [31]. Bei Corona-positiven Pa ben lokal-ablativen Verfahren auch eine chirurgische tienten mit Abdominalgien ist daher aufgrund der Be- Resektion an. In einer retrospektiven Fall-Kontroll- gleiterkrankungen an eine chirurgische Pathologie zu Studie aus dem Jahr 2019 wurde ein signifikanter Vor- denken. Umgekehrt muss eine COVID-19 Infektion teil für die operative Resektion im Hinblick auf das bei sonst unerklärten abdominalen Problemen in die Differenzialdiagnose miteinbezogen werden. Immer wieder wurden Bedenken geäussert, dass Patienten während der Pandemie Gesundheitsein- richtungen später oder gar nicht aufsuchen. Dies mag durch Quarantänemassnahmen, andere Restriktio- nen oder Angst vor einer Infektion im Krankenhaus bedingt sein. Als Hinweis dafür zeigte sich, dass der Anteil an schweren Appendizitiden in der Pandemie signifikant auf 92% angestiegen ist (Vorwert 57,1%; p=0,003) [32]. Eine festgestellte, um 2 Tage verspätete medizinische Versorgung wurde auch als Kollateral- schaden der Pandemie bezeichnet [33]. Die Gesamt- zahl an notfallmässigen abdominopelvinen Computer- tomografien hat in den Notfallstationen während der Pandemie signifikant abgenommen und es wurden sig- nifikant weniger akute Divertikulitiden diagnostiziert. Eine mögliche Interpretation dafür ist, dass Patienten mit weniger hochakuten Leiden gesamthaft weniger iStock, Henadzi Pechan häufig ins Krankenhaus kamen [34]. Bei Tumorpatienten besteht neben dem allgemei- nen Mortalitätsrisiko aufgrund der Tumorerkrankung auch eine erhöhte Letalität durch eine SARS-CoV- 2-Infektion. Mediziner müssen zwischen dem Risiko Abb. 3: Schmerzen Hypochondrium-Gallenblase (Cholezystitis/Gallendyskinesie). einer verzögerten Malignomtherapie sowie dem Expo- 6
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 CME-FORTBILDUNG sitionsrisiko der Patienten für eine SARS-CoV-2-In- TAKE-HOME-MESSAGES fektion abwägen. In mehreren Studien wurde die Inzi- ― In der abdominalen Tumorchirurgie besteht ein klarer Trend zur Zentrums- denz hinsichtlich einer Corona-Infektion von unter 5% chirurgie, was zunehmend auch mit robusten Daten mit besserem Outcome bei Tumorpatienten beschrieben, was eine verzögerte untermauert wird. Malignomtherapie definitiv nicht rechtfertigt [35,36]. ― Die bariatrische Operation ist die beste Therapieoption hinsichtlich kardio- vaskulären, renalen oder malignen Adipositas-assoziierten Folgeerkran- Literatur: kungen. 1. Bundesamt für Statistik – Medizinische Statistik der Krankenhäuser ― Die neoadjuvante Chemotherapie beim Pankreaskarzinom kann einen (MS); www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/ erhebungen/ms.assetdetail.7369.html. günstigen Einfluss auf die Tumorbiologie und den Operationsverlauf 2. Yoshida N, et al.: Can Minimally Invasive Esophagectomy Replace nehmen. Open Esophagectomy for Esophageal Cancer? Latest Analysis of 24,233 Esophagectomies From the Japanese National Clinical ― Bei der chronischen Pankreatitis bietet die Operation eine langfristigere Database. Ann Surg 2020; 272: 118–124. Schmerzlinderung, verminderte Pankreasgewebszerstörung und verbes- 3. Claassen YHM, et al.: Effect of Hospital Volume With Respect to Performing Gastric Cancer Resection on Recurrence and Survival: serte Lebensqualität. Results From the CRITICS Trial. Ann Surg 2019; 270: 1096-–1102. ― Während der Coronapandemie wurden vermehrt auch abdominale Erkran- 4. Lin JX, et al.: Risk factors of lymph node metastasis or lymphovas- cular invasion for early gastric cancer: a practical and effective kungen, wie Ileus, Darmischämie, Pankreatitis und andere beobachtet. predictive model based on international multicenter data. 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CME-FORTBILDUNG medizinonline.ch Venöse Thromboembolien Risiken bei einer Hormontherapie Birgit Linnemann, Christina Hart, Regensburg (D) Venöse Thromboembolien | Hormontherapie | Kontrazeptiva ■ Venöse Thromboembolien (VTE) stellen die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung in Mittel- Prof. Dr. med. Birgit Linnemann europa dar. Sie manifestieren sich in etwa zwei Drittel Bereich Angiologie, Universitäres Gefässzentrum Ostbayern der Fälle als tiefe Venenthrombose und in etwa einem Universitätsklinikum Regensburg Drittel mit den Symptomen einer Lungenembolie. Franz-Josef-Strauss-Allee 11 Während des reproduktionsfähigen Alters erleiden D-93051 Regensburg Frauen häufiger VTE-Ereignisse als gleichaltrige Män- birgit.linnemann@ukr.de ner. Dies wird im Wesentlichen auf frauenspezifische Risikofaktoren wie die Verwendung von hormonellen Kontrazeptiva und Schwangerschaften zurückgeführt. PD Dr. med. Christina Hart Das Gesamtrisiko für VTE bleibt trotz dieser relati- Klinik für Innere Medizin III ven Risikoerhöhung niedrig und liegt bei etwa 2–5 pro Hämatologie und Onkologie 10 000 Frauen pro Jahr [1]. Universitätsklinikum Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 D-93051 Regensburg Hormone und Hämostase christina.hart@ukr.de Östrogene haben Einfluss auf die hepatische Genex- pression und verschieben das Gleichgewicht zwischen koagulatorischen und antikoagulatorischen Faktoren Jahre nach der Markteinführung 1960 wurde bekannt, in Richtung einer erhöhten Koagulabilität. Die Höhe dass KHK das Risiko für venöse Thrombosen und in der Östrogendosis und die Art des Gestagens in Kom- geringerem Ausmass auch für arterielle Thrombosen binationspräparaten bestimmen das Risiko für throm- erhöhen [5]. Die Zusammensetzung der KHK hat sich botische Komplikationen. Unter der Einnahme von in den letzten 60 Jahren gewandelt, die Grundkompo- Hormonpräparaten lassen sich erhöhte Aktivitäten nenten sind jedoch unverändert. Moderne KHK ent- thrombogener Faktoren (Fibrinogen, Prothrombin, halten eine Kombination aus einem Östrogen (meist Faktor VII, Faktor VIII, Faktor X) und reduzierte Ethinylestradiol in einer Dosierung von 20 –35 µg) und Aktivitäten physiologischer Gerinnungsinhibitoren einem synthetisch hergestellten Gestagen. Die Zusam- (Antithrombin, Protein S, Tissue Factor Pathway mensetzung bestimmt dabei das Ausmass der Risiko- Inhibitor [TFPI]) nachweisen [2,3]. Es resultiert eine erhöhung für thromboembolische Ereignisse (Tab. 1). Resistenz gegen aktiviertes Protein C (sog. erworbene Unter den KHK haben Präparate, die eine niedrige APC-Resistenz). Das Ausmass dieser APC-Resistenz Östrogendosis und Levonorgestrel als Gestagen ent- korreliert mit dem Risiko für VTE [4]. halten, das geringste VTE-Risiko [6,7]. Bei anderen Gestagenkomponenten ist das VTE-Risiko zum Teil Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva signifikant höher. Ein erhöhtes Thromboserisiko ist Kombinierte hormonelle Kontrazeptiva (KHK) nicht nur für die oral applizierbaren KHK, sondern machen den grössten Anteil der angewandten Metho- auch für die transdermal und transvaginal eingesetzten den zur Empfängnisverhütung aus. Bereits wenige Kombinationspräparate beschrieben [8]. Tab. 1 Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) in Abhängigkeit von der Zusammensetzung eines kombinierten hormonellen Kontrazeptivums (KHK) Gestagenkomponente innerhalb des KHK Jährliches VTE-Risiko Vergleichskollektiv (keine hormonelle Kontrazeption) 2 pro 10 000 Frauen KHK mit Levonorgestrel, Noethisteron oder Norgestimat 5–7 pro 10 000 Frauen KHK mit Etonogestrel oder Norelgestromin 6–12 pro 10 000 Frauen KHK mit Dienogest 8–11 pro 10 000 Frauen KHK mit Drospirenon, Gestoden oder Desogestrel 9–12 pro 10 000 Frauen nach [36] KHK mit Chlormadinon oder Nomegestrol Bis dato unbekannt 8
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 CME-FORTBILDUNG Tab. 2 Relevanz einzelner Risikofaktoren und empfohlene Konsequenzen VTE-Risikofaktor Risikoerhöhung Empfehlung Lebensalter >35 Jahre Gering bis mittel Ausführliche Risikoberatung; prinzipiell alle Formen der Kontrazeption möglich (sofern keine weiteren Risiken) BMI >35 kg /m² Gering bis mittel Ausführliche Risikoberatung; möglichst Verzicht auf KHK (insbesondere wenn Alter >35 und/ oder Rauchen >15 Zig./Tag) Rauchen Gering bis mittel Ausführliche Risikoberatung; möglichst Verzicht auf KHK (insbesondere, wenn Alter >35 und/ oder BMI >35 kg/m²) Prolongierte Immobilität, grosse Mittel bis hoch Ausführliche Risikoberatung; chirurgische Eingriffe keine Neuverordnung eines KHK; konsequente VTE-Prophylaxe Positive Eigenanamnese für VTE Mittel (bei risiko-assoziierter VTE); Verzicht auf KHK; hoch (bei hormon-assoziierter oder ggf. Einbeziehung eines Hämostaseologen, spontaner VTE) ggf. Thrombophilie-Screening Positive Familienanamnese für VTE Mittel (bei risiko-assoziierter VTE); Verzicht auf KHK; hoch (bei hormon-assoziierter oder ggf. Einbeziehung eines Hämostaseologen, spontaner VTE) ggf. Thrombophilie-Screening Asymptomatische Thrombophilie Gering bis hoch (abhängig vom kritische Indikationsstellung für Thrombophilie-Screening bei bzw. bei erstgradigen Verwandten thrombophilen Defekt und asymptomatischen Patienten; bei Nachweis einer Thrombophilie nach [11] bekannte Thrombophilie Manifestation in der Familie) hämostaseologische Beratung vor Verordnung eines KHK VTE= venöse Thromboembolie; BMI= Body-Mass-Index; KHK= kombiniertes hormonelles Kontrazeptivum Das Risiko für Thromboembolien ist in den ers- Hereditäre Thrombophilie und ten Monaten der Anwendung am höchsten und sinkt hormonelle Kontrazeption im Verlauf des ersten Jahres deutlich ab. Aber auch Ob eine alleinige positive Familienanamnese eine bei langfristiger Anwendung bleibt für Frauen, die ein Kontraindikation gegen eine hormonelle Kontra- KHK anwenden, ein etwa 2-fach erhöhtes VTE-Risiko zeption darstellt, wird kontrovers diskutiert. Einige bestehen im Vergleich zu Frauen, die nicht hormonell Studien konnten zeigen, dass eine hereditäre Throm- verhüten [9]. Wird die hormonelle Kontrazeption für bophilie zusammen mit der Einnahme eines KHK mehrere Wochen pausiert, besteht mit der Wiederauf- das relative Risiko für VTE deutlich steigert [12,13]. nahme erneut vorübergehend ein höheres VTE-Risiko Einigkeit besteht heutzutage darüber, dass ein als bei kontinuierlicher Einnahme. Es erscheint daher generelles Thrombophilie-Screening vor Erstver- nicht sinnvoll, zur Senkung des VTE-Risikos KHK ordnung eines KHK nicht sinnvoll ist. Mindestens perioperativ zu pausieren. Bei hohem VTE-Risiko eine hereditäre Thrombophilie lässt sich bei 3–9% sollte daher eher eine medikamentöse VTE-Prophy- der mitteleuropäischen Bevölkerung nachweisen laxe mit einem niedermolekularen Heparin oder einer (Tab. 3). Am häufigsten sind die Heterozygotie für anderen für die Indikation zugelassenen Substanz eine Faktor-V-Leiden-Mutation (ca. 2 –7%) oder durchgeführt werden [1]. eine Prothrombin-G20210A-Mutation (ca. 1–2%). Bei Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren (z.B. Trotz der hohen Prävalenz dieser Mutationen ist hereditäre Thrombophilie, positive Familienanam- das absolute VTE-Risiko bei den Betroffenen nied- nese, höheres Lebensalter, Adipositas, Rauchen) rig, sofern nicht weitere Risikofaktoren hinzutreten. steigt das VTE-Risiko weiter an [10]. Das individu- Eine aktuelle französische Arbeit, die 2214 Verwandte elle VTE-Risiko sollte bei jeder Neuverordnung eines aus 651 Familien mit bekannter hereditärer Thrombo- KHK durch sorgfältige Anamneseerhebung evalu- philie und VTE-Manifestation einschloss, errechnete iert werden. Die erst kürzlich aktualisierte AWMF- für Personen mit milder Thrombophilie, aber ohne bis- S3-Leitlinie zur hormonellen Empfängnisverhütung herige eigene VTE-Ereignisse ein jährliches absolutes empfiehlt, Faktoren wie Lebensalter, Body-Mass- VTE-Risiko von 0,36% (HR 1,91; 95%-KI 1,30 –2,80) Index, Raucherstatus, Mobilitätseinschränkung, und für Personen mit schwerer Thrombophilie von anstehende grössere Operationen, Informationen zur 0,64% (HR 3,78; 95%-KI 2,50–5,73) [14]. Allerdings Eigen- und Familienanamnese für VTE-Ereignisse steigt das VTE-Risiko deutlich bei Einnahme eines und eine gegebenenfalls bekannte Thrombophilie in KHK. die Risikobewertung einzubeziehen [11]. Einen Über- Eine andere Arbeitsgruppe errechnete für die blick über Risikofaktoren und empfohlene Konse- Anwendung von KHK bei Frauen mit einer Faktor- quenzen gibt Tabelle 2. V-Leiden-Mutation ein bis zu 45-fach erhöhtes relati- 9
CME-FORTBILDUNG medizinonline.ch Tab. 3 Klassische hereditäre Thrombophilien, Prävalenz und relatives VTE-Risiko Thrombophilie Prävalenz in der Normalbevölkerung Relatives Risiko für VTE-Ereignis Milde Thrombophilie FVL-Mutation, heterozygot 2–7% 4–6 PT-Mutation G20210A, heterozygot 1–2% 3–5 Schwere Thrombophilie FVL-Mutation, homozygot 0,01–0,02% 4–41 PT-Mutation G20210A, homozygot sehr selten (?) Antithrombin-Mangel 0,02–0,2% 13–59 Protein-C-Mangel 0,2–0,5% 13–42 nach [34,35] Protein-S-Mangel 0,1–0,7% 26–56 VTE = venöse Thromboembolie; FVL = Faktor V Leiden; PT = Prothrombin ves VTE-Risiko [15]. Frauen mit Thrombophilie und die direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) als positiver Familienanamnese sollte daher möglichst auch VKA plazentagängig und damit potenziell emb- kein KHK verordnet werden, insbesondere wenn ryotoxisch sind. Nach aktueller Einschätzung wird der der Indexpatient ohne weitere Risikofaktoren oder prothrombogene Effekt der KHK durch eine vollthe- hormon-assoziiert in jungen Jahren ein VTE-Ereignis rapeutische Antikoagulation kompensiert, sodass eine erlitten hat. Ist die Verordnung eines KHK aufgrund fortgeführte Verhütung mit einem KHK unter Antiko- von Begleitumständen oder Komorbiditäten unum- agulationschutz als unbedenklich gilt. gänglich, sollte eine hämostaseologische Abklärung In einer Post-hoc-Subgruppenanalyse der EIN- und die Verordnung eines KHK mit Levonorgestrel als STEIN-DVT- und EINSTEIN-PE-Studien, in der das Gestagenkomponente erwogen werden. Bei bekann- Rezidivrisiko bei Frauen vor dem 60. Lebensjahr mit ter schwerer Thrombophilie sollte auf KHK verzichtet und ohne fortgeführte Hormontherapie verglichen werden; in diesen Fällen ist einer östrogenfreien Ver- wurde, ergab sich kein Hinweis für eine erhöhte Rate hütungsmethode der Vorzug zu geben. an VTE-Rezidiven unter fortgeführter Hormonthera- pie (3,7% vs. 4,7%; HR 0,56; 95%-KI 0,23 –1,39) [18]. Gestagenmonopräparate Zur Minimierung des V TE-Risikos unter Antikoagu- Nach heutigem Kenntnisstand erhöhen Kontrazeptiva lation empfiehlt die AWMF-S3-Leitlinie ein Gestagen- mit alleiniger Gestagenkomponente (d.h. orale Präpa- monopräparat (oral oder als I ntrauterin-Device) oder rate mit Desogestrel oder Levonorgestrel beziehungs- aber eine Kupferspirale als Mittel der ersten Wahl weise levonorgestrel-haltige Intrauterin-Devices) das (sog. östrogen-freie Methoden) (Tab. 4). Entscheidet VTE-Risiko nicht signifikant. Sie können daher bei sich die Patientin zusammen mit ihrem Arzt für eine Frauen mit erhöhtem VTE-Risiko oder VTE in der weitere Verhütung mit einem KHK, ist eine Umstel- Vorgeschichte angewendet werden [1,16]. Dies gilt lung auf ein Präparat mit Levonorgestrel als Gestagen- jedoch nicht für Depot-Medroxyprogesteronacetat komponente zu empfehlen [11]. (DMPA; sog. 3-Monatsspritze), für das ein etwa 3-fach erhöhtes VTE-Risiko beschrieben ist [17]. Auf die Hormon-assoziierte VTE und Rezidivrisiko Gabe von DMPA sollte daher bei Frauen mit erhöh- Entsprechend aktueller Risikobewertungen gelten tem VTE-Risiko verzichtet werden. KHK als schwache, transiente Risikofaktoren [19]. Da eine fortgeführte KHK-Einnahme nach Beendigung Kontrazeption unter Antikoagulation der Antikoagulation von einem mutmasslich hohen Oftmals beenden Frauen mit hormon-assoziierter Rezidivrisiko begleitet ist, sollten KHK spätestens VTE unmittelbar nach Bestätigung der Diagnose die 6 Wochen vor geplanter Beendigung der Antikoagu- Einnahme des Kontrazeptivums. Dies ist insofern lation abgesetzt bzw. auf eine östrogenfreie Kontra- problematisch, da das Absetzen zu einer Abbruchblu- zeption umgesetzt werden. tung führt, die unter höher dosierten Antikoagulan- zien in der Initialphase (Apixaban, Rivaroxaban) oder einer überlappenden Antikoagulation (NMH plus Vit- amin-K-Antagonist [VKA]) stärker ausfallen kann als in der Phase der Erhaltungstherapie. Ausserdem steigt das Risiko für eine ungewollte Schwangerschaft. Die aktuelle AWMF-S3-Leitlinie fordert für alle Frauen, die unter einer oralen Antikoagulanzientherapie ste- > Fortbildungsfragen auf Seite 14 hen [11], eine sichere Empfängnisverhütung, da sowohl 10
HAUSARZT PRAXIS 2021; Vol. 16, Nr. 1 CME-FORTBILDUNG Tab. 4 Leitlinien-Empfehlung zur Empfängnisverhütung bei VTE-Patientinnen unter laufender Antikoagulation und nach Therapieende Kontrazeption vor dem VTE-Ereignis unter fortgeführter Antikoagulation nach Beendigung der Antikoagulation Keine Östrogenfreie Methode (ausser: DMPA); Östrogenfreie Kontrazeption KHK vermeiden, da nach Beendigung der AK (Ausnahme: DMPA) nicht fortzuführen Kombiniertes hormonelles Umstellung auf östrogenfreie Kontrazeption oder Östrogenfreie Kontrazeption Kontrazeptivum KHK weiter und Umstellung auf östrogenfreie (ausser: DMPA) Methode spätestens 6 Wochen vor Beendigung der Antikoagulation Gestagenmonotherapie Weiterführung Östrogenfreie Kontrazeption (oral oder als IUD; ausser: DMPA) (ausser DMPA) Barrieremethode (z.B. Kondom) Umstellung indiziert zur Erhöhung der kontra- Östrogenfreie Kontrazeption zeptiven Sicherheit; möglichst östrogenfreie (ausser DMPA) nach [11] Methode (ausser: DMPA) VTE = venöse Thromboembolie; IUD = Intrauterindevice; DMPA = Depot-Medroxyprogesteronacetat Grundsätzlich haben Frauen nach einem VTE- während des gesamten Verlaufs der Schwangerschaft Erstereignis ein geringeres Rezidivrisiko als gleich- höher, war jedoch im 1. Trimenon am höchsten (HR altrige Männer. Innerhalb von einem Jahr erleiden 4,22; 95%-KI 2,46 –7,26) [25]. Besonders hoch (1– 4%) 5,3% und innerhalb von 5 Jahren 11,1% aller Frauen ist es für Frauen, die im Verlauf ein schweres ovari- ein Rezidiv. Das Rezidivrisiko ist dabei nach hormon- elles Hyperstimulationssyndrom (OHSS) entwickeln assoziierter VTE geringer als nach spontaner VTE [27,28]. (HR 0,5; 95%-KI 0,3 –0,8) [20]. Kohortenstudien berichten ein jährliches absolutes Risiko von 1,1–2,5% Hormonersatztherapie und VTE-Risiko [21–23]. Dem steht ein durchschnittliches Blutungs Eine Hormonersatztherapie («hormone replacement risiko unter volltherapeutischer Antikoagulation von therapy», HRT) wird eingesetzt zur Therapie von etwa 1–3% pro Jahr gegenüber [24]. Einige Studien durch Östrogenmangel bedingten klimakterischen berichten sogar über ein höheres Risiko für schwere Beschwerden und Erkrankungen. Die HRT verfolgt und klinisch relevante Blutungen bei Frauen im Ver- dabei nicht das Ziel, die bisherigen Hormonspiegel gleich zu Männern [10]. aufrechtzuerhalten, sondern zielt darauf ab, mit der In Abwägung von Nutzen und Risiken wird daher niedrigsten effektiven Dosis Symptome wie Hitze- eine Antikoagulation nach KHK-assoziierter VTE wallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmung und bei fehlenden persistierenden Risikofaktoren oder urogenitale Beschwerden infolge Schleimhauta- in der Regel auf 3 – 6 Monate befristet. Wurde eine trophie zu beseitigen. Da eine Östrogenmonotherapie Empfängnisverhütung mit einem KHK fortgeführt, so mit einem erhöhten Risiko für Endometriumkarzi- ist darauf zu achten, diese mindestens 6 Wochen vor nome einhergeht, werden in der Regel Kombinations- geplanter Beendigung der Antikoagulation auf eine präparate eingesetzt. östrogenfreie Verhütungsmethode umzustellen. Assistierte Reproduktionstechniken und VTE-Risiko TAKE-HOME-MESSAGES Der Anteil der Schwangerschaften, die auf assistierte ― Eine Therapie mit Kombinationspräparaten aus Östrogen und Gestagen Reproduktionstechniken (ART) zurückzuführen sind, erhöht das Thromboembolierisiko, wobei das Ausmass der Risikoerhöhung ist in den letzten Jahren gestiegen. Die hierfür erfor- von der Östrogendosis sowie der Gestagenkomponente abhängt. derliche Hormontherapie steigert das VTE-Risiko. So ― Das VTE-Risiko ist im ersten Jahr der Anwendung am höchsten, bleibt aber haben Frauen, bei denen die Schwangerschaft nach auch danach erhöht im Vergleich zu Frauen, die keine KHK einnehmen. einer In-vitro-Fertilisation (IVF) eingetreten ist, ein ― Gestagenmonopräparate (oral oder als IUD) erhöhen nach aktuellem Kennt- etwa 2-fach höheres Risiko als Frauen mit sponta- nisstand das Thromboserisiko nicht. nem Schwangerschaftseintritt [25,26]. In einer bevöl- kerungsbasierten schwedischen Analyse von 140 458 ― Aktuelle Leitlinien empfehlen bei nachgewiesener VTE eine sichere Datensätzen aus den Jahren 1990 bis 2008 ergab sich Empfängnisverhütung; eine fortgeführte KHK-Einnahme ist möglich, solan- für Schwangere nach IVF-Behandlung ein absolu- ge die Patientin unter volltherapeutischer Antikoagulation steht. tes VTE-Risiko von 0,42% im Vergleich zu 0,25% ― Nach einem hormon-assoziierten VTE-Ereignis ist das Risiko für ein Rezidiv bei Frauen mit spontanem Schwangerschaftseintritt gering, sofern die Therapie mit einem Kombinationspräparat vor Beendi- (HR 1,77; 95%-KI 1,41–2,23). Das VTE-Risiko blieb gung der Antikoagulation abgesetzt wurde. 11
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