Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun

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Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
1/19
            MAGAZIN DES B. BRAUN-KONZERNS FÜR FACHKREISE

       Die Zukunft gestalten
                        Neue Technologien
                            und Therapien

                                         nahdran 1/19   1
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
INHALT

impressum
    n a h d ra n
Magazin des B. Braun-Konzerns
für Fachkreise

    erscheinungsweise
2 x p. a., Auflage 16 000 Exemplare,
14 000 Exemplare Direktversand

    herausgeber
B. Braun Melsungen AG
Carl-Braun-Straße 1
34212 Melsungen
www.bbraun.de

    redaktion
Johanna Kristen, Bibliomed
Andrea Thöne, B. Braun
                                             TOPTHEMEN
Ulrike Winston, B. Braun

Bibliomed-Verlag
Stadtwaldpark 10
34212 Melsungen
Tel.: +49 (0) 56 61 - 73 44-14
Fax: +49 (0) 56 61 - 73 44-44
E-Mail: nahdran@bibliomed.de
                                              9 3-D-Laparoskopie – eine Brücke zwischen
    fotografie
Porträtfotos (privat): Abdruck mit
                                                konventioneller Chirurgie und Robotik
freundlicher Genehmigung der Autoren             Über die Vorteile des Operierens in 3-D
   layout
Pamela Kröhl, Bibliomed

    produktion                               12 Mein Name ist Thea – aus der
L. N. Schaffrath GmbH & Co. KG
DruckMedien, 47608 Geldern                      Pepper-Familie
    leserbriefe, anzeigen & service
Bibliomed nahdran Redaktion
                                                 Im Future Care Lab des Dorothea Erxleben Lernzentrums in Halle erlernen
                                                 Ärzte und Pflegende den Umgang mit Zukunftstechnologien in der Kranken-
     vertrieb                                    versorgung.
Petra Volk, Bibliomed
Tel.: +49 (0) 56 61 – 73 44-79
E-Mail: nahdran@bibliomed.de

     hinweis
                                             16 Die „Betten-Schlange“
Die in dieser Ausgabe veröffentlichten           In Dänemark hat die Gesundheitsreform von 2007 zu einer Modernisierung
Beiträge sind urheberrechtlich geschützt         der Krankenhauslandschaft geführt.
und liegen jeweils in der Verantwortung
                                                                                                                           Titelfoto: Getty Frank Schinski

des betreffenden Autors. V. i. S. d. P.
für das Magazin ist Andrea Thöne.
Die Redaktion übernimmt für unverlangt
eingesandte Manuskripte und Bilder keine
Verantwortung. Alle Rechte sind vorbe-
halten. Kein Teil dieser Ausgabe darf ohne
schriftliche Genehmigung des Heraus-
gebers reproduziert werden.
Nachdruck – auch auszugsweise – nur
mit Genehmigung des Herausgebers
gestattet. Alle Angaben erfolgen nach
bestem Gewissen, jedoch ohne Gewähr.
Eine Haftung wird nicht übernommen.

  2     nahdran 1/19
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
NEUE TECHNOLOGIEN                                      NEUE THERAPIEN                                   ZUKUNFTSMODELLE

6    Laparoskopie oder Robotik –                    20   Auf dem Fast Track                            32   Zauberschlüssel 8–98j
     wohin geht der Trend?                               Fast Track erhält immer mehr Einzug in die         Über die Hoffnung auf einen Paradigmen-
                                                         Praxis. Im Vordergrund steht eine möglichst        wechsel in der Ernährungskodierung
     In vielen Zentren der Leberchirurgie ist die
                                                         rasche Genesung des Patienten. Doch der
     laparoskopische Operation heute Standard
                                                         Ansatz hat auch seine Tücken.
     geworden. Es ist davon auszugehen, dass
                                                                                                       38   Gute Ideen schneller umsetzen
     mit Weiterentwicklung der Robotiksysteme
     künftig Laparoskopie und Robotik miteinander                                                           Produkte sollen möglichst passgenau auf
                                                    24   Dem Delir auf der Spur
     verschmelzen.                                                                                          den jeweiligen Kunden zugeschnitten sein
                                                         Wie man Delir-Inzidenzraten im OP senken           und seine Probleme lösen. Dafür braucht
                                                         kann, zeigt das St. Franziskus-Hospital in         es Orte für Kreativität, Teamwork und
34   Apps auf dem Prüfstand                              Münster.                                           Erfindergeist.
     Inzwischen gibt es unzählige digitale
     Alltagshelfer. Bei der Auswahl ist Bedacht
                                                    27   Kleiner Schwamm –
     gefragt. Für Diabetes-Apps gibt es nun ein                                                                  WEITERE RUBRIKEN
     Gütesiegel.                                         große Wirkung
                                                         Anastomoseninsufffizienzen des Ösophagus       4   Aesculap Akademie
                                                         nach Ösophagusresektion oder Gastrektomie
                                                         gehen mit einer hohen Mortalität einher.
                                                                                                        5   Editorial
                                                         Moderne Methoden wie die endoluminale
                                                         Vakuumtherapie können helfen.
                                                                                                       40   Wir über uns
                                                    30   OTT kann viel bewegen
                                                         Die Onkologische Trainings- und
                                                         Bewegungstherapie (OTT) bringt Energie und
                                                         ein Stück Normalität in den Alltag zurück.

                                                                                                                                   nahdran 1/19    3
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
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Die Marke „Aesculap Akademie“ ist eine eingetragene Marke   Hygienebeauftragte(r) in der nephrologischen Pflege
der Aesculap AG.                                            Berlin, 13. - 17. Mai 2019
                                                            Hygienemanagement - Überwachung und Begehung von Arztpraxen
                                                            Bochum, 10. Mai 2019
                                                                                                                                                  A-AK19001

                                                            EFFIZIENT FÜHREN im Klinik- und Praxisalltag - Modul 1: Das Führungsprofil schärfen
AESCULAP ACADEMY – a B. Braun company                       Berlin, 17. - 18. Juni 2019
 4 nahdran 1/19
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
editorial                                Gemeinsam in die Zukunft
                                         Einstein, Pepper, Thea und Co: Hinter den vermeintlich gewöhnlich klingenden Namen
                                         für des Menschen besten Freund verbirgt sich weit mehr. Hierin steckt viel Potenzial für
                                         die Zukunft. Sie stehen für neue Technologien in der Gesundheitsversorgung, die wir Ihnen
                                         in der vorliegenden Ausgabe der nahdran vorstellen möchten.

                                         Eine Brücke zwischen konventioneller Chirurgie und Robotik bildet derzeit die roboter-
                                         assistierte 3-D-Laparoskopie mit Vorteilen für Operateure und Patienten, darunter hohe
                                         Präzision, sehr gute Raumwahrnehmung, zusätzliche Bewegungsfreiheitsgrade, bessere
                                         Ergonomie sowie kürzere Verweildauern und schnellere Erholung nach der OP. Den
                                         Umgang mit Innovationen zu erlernen, ist unerlässlich. nahdran hat das Future Care
                                         Lab des Dorothea Erxleben Lernzentrums in Halle besucht. Hier werden Ärzte und Pfle-
                                         gende mit der Versorgung von morgen vertraut gemacht – ob Televisite mit Präsenzro-
                                         boter Double oder MRT-Aufklärung mit Assistenzroboter Thea aus der Pepper-Familie.

                                         Um Technologien zu entwickeln, braucht es Erfindergeist. Dieser wiederum einen Ort
Frank Weller
                                         zur Entfaltung. Im Tuttlinger Innovationslabor „werk_39“ arbeiten Industrie, Klinik-
Geschäftsbereichsleiter
Chirurgie & Interventionen Deutschland
                                         management und Anwender gemeinsam an passgenauen Lösungen für die Zukunft. Wie
                                         eine moderne Krankenhauslandschaft aussehen kann, zeigt ein Blick auf Dänemark:
                                         Dort hat die Gesundheitsreform von 2007 zu weniger Versorgungsregionen und Kliniken
                                         verbunden mit wesentlichen Umstrukturierungen geführt – davon betroffen auch das
                                         Rigshospitalet in Kopenhagen. Die Digitalisierung verändert auch das Management
                                         chronischer Erkrankungen. Inzwischen gibt es zahlreiche digitale Alltagshelfer. Doch die
                                         Auswahl erfordert Bedacht. Für Diabetes-Apps gibt es seit Kurzem ein Gütesiegel.

                                         Außerdem in unserem Fokus: Delir im OP, Enhanced Recovery After Surgery (ERAS) oder
                                         „Fast Track“, Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT), endoskopische
                                         Schwammtherapie sowie Ernährungskodierung.

                                         Überall gibt es Veränderung. Fast zehn Jahre begrüßte Sie Christian Frimmel als Senior
                                         Vice President Chirurgie & Interventionen an dieser Stelle und leitete in die jeweiligen
                                         Inhalte ein. Wir möchten uns hiermit von ihm verabschieden. Er stellt sich seit dem
                                         1. Januar neuen internationalen Herausforderungen im Global Marketing und Sales des
                                         B. Braun-Konzerns. Als sein Nachfolger möchte ich mich kurz vorstellen: Ich, Frank Wel-
                                         ler, bin seit 1996 in verschiedenen Positionen im B. Braun-Konzern tätig, zuletzt als Ver-
                                         triebsbereichsleiter Chirurgische Investivgüter. Ich freue mich, die Arbeit von Christian
                                         Frimmel fortführen und weiterentwickeln zu dürfen. Und ich freue mich auf die Begeg-
                                         nung mit Ihnen, persönlich und beim Lesen unserer Zeitschrift.

                                         Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre der neuen nahdran und freue mich
                                         darauf, gemeinsam mit Ihnen die Zukunft zu gestalten.

                                         Ihr
                                         Frank Weller

                                         Bitte beachten Sie auch unsere Umfrage auf der Rückseite. Wir würden uns freuen,
                                         wenn Sie mitmachen.

                                                                                                                  nahdran 1/19   5
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
NEUE TECHNOLOGIEN

Minimalinvasive Leberchirurgie

Laparoskopie oder Robotik –
wohin geht der Trend?
Die ersten laparoskopischen Leberresektionen wurden bereits in den 1990er-Jahren durchgeführt.
Es schien allerdings bis vor wenigen Jahren noch undenkbar, dass in vielen Zentren der Leberchirurgie
die laparoskopische Operation heute bei entsprechend geeigneten Patienten Standard geworden ist
und die offene Chirurgie den komplexen Fällen mit Gefäßersatz oder Zweit- oder Dritteingriffen an der
Leber vorbehalten bleibt.

Prof. Dr. Stephan Kersting

D
       iese Entwicklung ist die (begrüßens-     Metaanalysen, deutliche Vorteile für das
       werte) natürliche Folge der Ausbil-      minimalinvasive Vorgehen.
       dung einer Chirurgengeneration, die      Typisch für alle minimalinvasiven Verfahren
von Beginn an die Laparoskopie als Stan-        sind eine Verringerung der postoperativen
dardzugang bei Leistenhernienversorgung         Schmerzen, eine Verkürzung des Kranken-
(Transabdominale Präperitoneale Patch-          hausaufenthaltes und ein besseres kosme-
Plastik, TAPP, und Total Extraperitoneale       tisches Ergebnis sowie eine geringere Rate
Plastik, TEP), Cholezystektomie und Darm-       von späteren Narbenhernien und Verwach-
resektionen erleben und die sich inzwi-         sungen. Diese Effekte sind auch in der la-
schen vielmals laparoskopisch sicherer als      paroskopischen Leberchirurgie zu verzeich-
in der offenen Chirurgie bewegen. Zudem         nen. Spezifisch für die Leberchirurgie
haben die Weiterentwicklungen in der            zeigen sich aber auch ein deutlich geringerer
robotisch-assistierten Chirurgie das Feld       Blutverlust bei laparoskopischen Leberre-
der Leberchirurgie ebenfalls erschlossen,       sektionen und eine geringere postoperative
und insbesondere komplexe Eingriffe könn-       Aszitesbildung nach Operationen bei Le-
ten von den zusätzlichen Bewegungsfrei-         berzirrhose. Wie auch in der offenen Chi-
heitsgraden der Roboterchirurgie profitieren.   rurgie strebt man beim laparoskopischen
                                                Vorgehen einen zentralvenösen Druck
Derzeitiger Stand der                           (ZVD) von < 5 mmHg an. Der Gegendruck
laparoskopischen Leberresektion                 durch das meist mit 12 bis 14 mmHg ange-
Bei aller Euphorie über die Minimalisierung     legte Kapnoperitoneum führt zu einem
des Zugangstraumas und Begeisterung für         deutlich geringeren Blutverlust bei der Par-
neue Techniken müssen sich neue chirurgi-       enchymdissektion aus den venösen Leber-
sche Methoden grundsätzlich dem Vergleich       gefäßen. Daraus resultiert nicht nur ein ge-
mit den bewährten Verfahren stellen.            ringerer Blutverlust, sondern auch eine
Inzwischen wurden bereits zwei interna-         verbesserte Übersicht, insbesondere bei der
tionale und eine europäische Konsensus-         Dissektion entlang größerer Lebervenen.
konferenz zur laparoskopischen Leberchi-        Selbst bei temporärer Erhöhung des in-
rurgie durchgeführt (2008 in Louisville,        traabdominellen Gasdrucks in einer Blu-
USA, 2014 in Morioka, Japan, 2017 in            tungssituation auf 16 bis 20 mmHg kommt
Southampton, Großbritannien), die den je-       es durch die hervorragende Löslichkeit des
weiligen Status quo evaluierten und Rah-        CO2 im Blut regelhaft nicht zu einer klini-
menbedingungen für diese neuen Metho-           schen manifesten Gasembolie, wie man es
den definieren sollten. Auch wenn               in der offenen Chirurgie bei niedrigem ZVD
prospektiv-randomisierte Studien fehlen,        kennt und fürchtet. Vorsicht sollte man im
zeigen sich in verschiedenen Fallserien,        Hinblick auf eine Gasembolie allerdings mit
Fallkontrollstudien und inzwischen auch         der Verwendung des Argon-Beamers wal-

  6    nahdran 1/19
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NEUE TECHNOLOGIEN

ten lassen und diesen zumindest nicht in         rändern (R1) ist jedenfalls in den lapa-       ken durchgeführt werden. In verschiedenen
der Nähe von größeren offenen Lebervenen         roskopischen Serien im Vergleich zum offe-     Ländern werden und wurden formalisierte
verwenden.                                       nen Vorgehen nicht erhöht. Zum Langzeit-       Trainingsprogramme für die laparoskopi-
Für die Durchtrennung des Leberparen-            verlauf sind allerdings noch Daten von gut     sche Leberchirurgie etabliert und als Vo-
chyms gibt es – wie in der offenen Chirur-       angelegten, größeren Studien mit entspre-      raussetzung für die Durchführung solcher
gie – die unterschiedlichsten Methoden,          chender Nachbeobachtungszeit notwendig.        Eingriffe festgelegt. Dies wäre auch für
die je nach Präferenz des Operateurs von         Leberchirurgie ist nicht gleich Leberchirur-   Deutschland wünschenswert, da die Evi-
ultraschallgestützten Geräten über bipola-       gie. Während kleine und oberflächlich in       denz deutlich für die laparoskopische Ope-
ren Strom in sogenannten Energy Devices          den vorderen Segmenten gelegene Metas-         ration günstig gelegener Lebertumore und
bis hin zu Clips und Staplern reichen. Ein       tasen und Tumore laparoskopisch relativ        Metastasen spricht, und das laparoskopi-
klarer Vorteil für die eine oder andere          einfach und sicher zu entfernen sind und       sche Vorgehen derzeit zunehmende Ver-
Methode hat sich bislang nicht herauskris-       anatomische Resektionen der linkslateralen     breitung in den Zentren für Leberchirurgie
tallisiert – klar ist nur, dass eine große la-   Segmente (S2/3) technisch meist problem-       findet. Während zum Beispiel eine linksla-
paroskopische Expertise, auch mit siche-         los durchzuführen sind, stellen Leberherde     terale Resektion der Segmente 2/3 durch
rem Beherrschen von laparoskopischen             in den dorsalen Segmenten und größere          die gerade, schmale Resektionsfläche lapa-
Naht- und Knotentechniken für akute Blu-         anatomische Resektionen wie Hemihepat-         roskopisch relativ einfach durchzuführen
tungssituationen, unabdingbar ist.               ektomien und Trisektorektomien eine He-        ist, ist die Operation komplexerer Leberre-
Unklar ist bislang, ob laparoskopische           rausforderung an die laparoskopischen Fä-      sektionen laparoskopisch anspruchsvoll.
Leberresektionen zumindest ein vergleich-        higkeiten eines Chirurgen dar und sollten      Insbesondere die komplexe laparoskopi-
bares, eventuell sogar verbessertes onkolo-      nur bei entsprechender Erfahrung sowohl        sche Leberchirurgie könnte daher von den
gisches Outcome bei malignen Indikationen        in der Leberchirurgie als auch nur bei Si-     operationstechnischen Vorteilen der Robo-
haben. Die Rate von positiven Resektions-        cherheit in allen laparoskopischen Techni-     terchirurgie profitieren.

                                                                                                                         nahdran 1/19   7
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„       Das Thema ,Robotik‘ ist in der Medizintechnik aktuell in aller Munde: Start-ups,
        etablierte Unternehmen, Gesundheitsversorger und viele andere MedTech-
        Anbieter entfachen auf diesem Gebiet, das ,die neue Chirurgie‘ zu sein scheint,
allerlei Aktivitäten mit attraktivem Zukunftspotenzial. Große Chancen – aber auch große
Herausforderungen liegen auf diesem Weg vor uns. Der steigende Kostendruck auf die
Versorger – und damit auch auf die Anbieter – steht im Gegensatz zu den höheren                                        Dr. Joachim Schulz
Kosten beim Einsatz der roboterassistierten Systeme.                                                                   Vorstandsvorsitzender
                                                                                                                       der Aesculap AG
Dieser Artikel zeigt unter anderem auch derzeit noch existente Nachteile der verschiedenen
Systeme auf, die in den nächsten Jahren sicherlich gelöst werden können: Größte Chancen
entstehen hierfür durch die Anbindung und das ,Monitoring‘ der Systeme. Eine roboteras-
sistierte Operation lässt dabei eine Analyse zu, die bisher nicht möglich schien.
                                                                                                                       Prof. Dr. Boris Hofmann
Daten können somit die Qualitätssicherung und Entscheidungsanalysen effektiv unter-
                                                                                                                       Senior Vice President
stützen, indem sie auf die Analysen aller vergleichbaren Operationen in Echtzeit zugrei-                               B. Braun Innovation
fen. Das früher nur durch viel operative Erfahrung erreichte Wissen steht so zukünftigen                               Hub and Digital
Generationen von Chirurgen als digitale Expertise zur Verfügung und wird die Qualität                                  Innovation,
der Chirurgie weiter deutlich verbessern – zum Wohle des Patienten.“                                                   Aesculap AG

Roboterchirurgie                                 durch den Roboter gehalten werden. Die          einen deutlichen Vorteil zur offenen
Die minimalinvasive, roboterunterstützte         Vorteile der 30-Grad-Optik sind durch die       Chirurgie, sodass bereits für die Gegenwart
Chirurgie wird die Chirurgie verändern, wie      parallele Anordnung der beiden Kameras          die laparoskopische Leberchirurgie der
es in den 1990er-Jahren die Einführung der       für die dreidimensionale Sicht nicht zu         Standard bei einfachen Resektionen sein
laparoskopischen Chirurgie getan hat. Bis-       nutzen, was man insbesondere bei der Mo-        sollte und die Zukunft die komplexe Leber-
lang ist hauptsächlich der „da Vinci“-Ro-        bilisation der rechten Leber aus dem Retro-     chirurgie durch technische Weiterentwick-
boter, inzwischen in seiner dritten Genera-      peritoneum und von der V. cava inferior         lung der Instrumente vereinfacht oder erst
tion, etabliert. Weitere Roboter, teilweise      sehr vermisst. Der größte Nachteil der          möglich macht.
mit ähnlichen, aber auch ganz anderen            roboterassistierten Chirurgie bei der Präpa-
Konzepten, kommen derzeit auf den Markt.         ration feiner Strukturen liegt derzeit aller-
Inzwischen sind mehrere Serien roboter-          dings noch im fehlenden haptischen Feed-        Literatur beim Verfasser
assistierter Eingriffe an der Leber von klei-    back – man weiß nicht, wie fest man
neren atypischen bis hin zu komplexen            zufasst, und die Spannung auf dem Gewe-         Kontakt:
Resektionen publiziert.                          be oder einem Faden beim Nähen lässt sich       Prof. Dr. Stephan Kersting, MBA
Die Hauptvorteile der Roboterchirurgie lie-      nur aus indirekten Hinweisen visuell ab-        Stellvertreter des Klinikdirektors und
gen in den zusätzlichen Freiheitsgraden,         schätzen. Die überragenden Vorteile der         Leitender Oberarzt
                                                                                                 Universitätsklinikum Erlangen
die die Instrumente im Körper einnehmen          größeren Beweglichkeit der Instrumente
                                                                                                 Chirurgische Klinik
können und die Bewegungen des Handge-            im Körper werden derzeit also noch durch        Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
lenks komplett nachvollziehen. In der robo-      eine bauartbedingte geringe Flexibilität        Krankenhausstr. 12
terassistierten Leberchirurgie zeigt sich        des Systems an sich ausgeglichen.               91054 Erlangen
dieser Vorteil insbesondere bei Präparation                                                      stephan.kersting@uk-erlangen.de
der dorsal der Leberkuppeln gelegenen            Und die Zukunft ...?
zentralen Lebervenen und bei der Präpara-        Es ist davon auszugehen, dass mit Weiter-
tion der Strukturen im Hilus. Ein zusätzli-      und Neuentwicklung der Robotiksysteme
cher Vorteil liegt in der dreidimensionalen      in Zukunft Laparoskopie und Robotik mit-
Sicht der Kamera, die intuitiv vom Opera-        einander verschmelzen und die Übergänge
teur selber gesteuert werden kann und da-        zum Beispiel durch modularen Einsatz ein-
mit ein sehr ruhiges, statisches Bild liefert.   zelner Roboterarme im Rahmen einer
Nachteilig ist die deutlich geringere Flexi-     Laparoskopie fließend werden. Die darge-
bilität im Vergleich zur laparoskopischen        stellten Nachteile der Robotik werden mit
Leberchirurgie: Die einmal gewählte Positi-      neuen Generationen von Robotern und der
on der Roboterarme kann nur aufwendig            zunehmenden Konkurrenz auf dem Markt
korrigiert werden, in einer schwierigen          zügig behoben werden. Gerade in der
Situation „mal schnell“ über Kreuz zu grei-      Leberchirurgie hat das laparoskopische
fen oder den Kameratrokar zu tauschen, ist       Vorgehen mit der reduzierten Blutungsnei-
nicht möglich. Die Kamera ist groß und un-       gung durch das Kapnoperitoneum und die
handlich und kann über längere Zeit nur          vergrößerte Sicht auf die feinen Strukturen

  8    nahdran 1/19
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
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Dreidimensionales Operieren

3-D-Laparoskopie – eine
Brücke zwischen konventioneller
Chirurgie und Robotik
Operieren in 3-D hat wesentliche Vorteile. So machen hochauflösende Bilder selbst
kleinste Gewebestrukturen sichtbar und ermöglichen eine bessere Raumwahrnehmung –
ein wichtiger Aspekt in der Ausbildung junger Operateure. Zudem begünstigen moderne
„Wireless“-Systeme die Ergonomie im OP. Und im Vergleich zur Robotik sind auch die
Anschaffungs- und Materialkosten der 3-D-Laparoskopie geringer.

Prof. Dr. Jörg Glatzle                                                            zystektomie stellte er seine Ergebnisse auf
                                                                                  dem Deutschen Chirurgenkongress in Mün-
                                                                                  chen vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte Profes-
                                                                                  sor Mühe bereits 97 laparoskopische Chole-
                                                                                  zystektomien durchgeführt. Seine neue
                                                                                  Operationsmethode stieß allerdings auf
                                                                                  Ablehnung bei seinen Kollegen. Die minima-
                                                                                  linvasive Operationsmethode wurde als zu
                                                                                  gefährlich eingestuft. Dies ist aus heutiger
                                                                                  Sicht, gute 30 Jahre später, kaum vorstellbar.
                                                                                  Heutzutage hat sich die laparoskopische
                                                                                  Cholezystektomie als Standardmethode zur
                                                                                  Entfernung der Gallenblase etabliert, ohne
                                                                                  dass je eine vergleichende randomisierte
                                                                                  prospektive Studie zur Überlegenheit der la-
                                                                                  paroskopischen gegenüber der konventionel-

                                         D
                                                 ie laparoskopische Operation     len Cholezystektomie durchgeführt wurde.
                                                  hat in Deutschland eine lange   Die Vorteile der laparoskopischen Chirurgie
                                                Tradition. Die erste laparosko-   sind evident: schnellere Rekonvaleszenz
                                          pische Blinddarmentfernung wurde        durch geringeres Trauma im Bereich der
                                          1980 an der Universitätsfrauenklinik    Bauchdecke, weniger Schmerzen, schnellere
                                          zu Kiel durch den Gynäkologen Pro-      Mobilisation, weniger abdominelle Ver-
                                         fessor Dr. Kurt Semm durchgeführt.       wachsungen und eine geringere Kranken-
                                       Fünf Jahre später erfolgte die erste       hausverweildauer sowie Krankheitsdauer.
                                        laparoskopische Gallenblasenentfer-       Die Methodik der laparoskopischen Chirur-
                                          nung weltweit durch den Chirurgen       gie wurde über die Jahre weiterentwickelt
                                          Professor Dr. Erich Mühe am Kreis-      und verfeinert, sodass mittlerweile alle ab-
                                        krankenhaus Böblingen. Schon da-          dominellen Organe laparoskopisch operiert
                                     mals war Mühe von der schnellen Rekon-       werden können. Wesentliche Fortschritte
                                   valeszenz seiner Patienten nach der            haben die Videoübertragung auf einen Mo-
                                   laparoskopischen Operation beeindruckt. Er     nitor, die Differenzierung der Operationsin-
                                   entwickelte die Technik der laparoskopi-       strumente und die Entwicklung von „seal
                                   schen Cholezystektomie weiter und verfei-      and cut“-Instrumenten zur Blutstillung
                                   nerte die Operationsinstrumente. Ein Jahr      und weitgehend atraumatischen Gewebe-
                                   nach seiner ersten erfolgreichen Chole-        durchtrennung erbracht.

                                                                                                             nahdran 1/19   9
Die Zukunft gestalten - Neue Technologien und Therapien 1/19 - B.Braun
NEUE TECHNOLOGIEN

                                                                                                                                           Foto: Klinikum Konstanz
Millimetergenaue Steuerung                     der mikrochirurgischen Instrumente, die      ter Nacken-, Schulter- und Rückenschmer-
Um in Krisenherden ferngesteuert operie-       nach zehn Einsätzen ausgetauscht werden      zen. Aufgrund der immensen Weiterent-
ren zu können, wurde in den 1980er-Jah-        müssen.                                      wicklungen der Laparoskopie innerhalb der
ren ein Operationsroboter entwickelt. Die-                                                  letzten drei Jahrzehnte erfolgte sowohl ei-
ser besteht aus einer Steuerkonsole, an der    Hochauflösende 3-D-Bilder und                ne wesentliche Ergonomisierung der Ope-
der Chirurg sitzt, und einer Robotereinheit,   bessere Ergonomie                            rationsinstrumente als auch eine deutliche
die sich im Operationssaal mit dem Patien-     Die Miniaturisierung der 3-D-Kameratech-     Verbesserung der Visualisierung des Opera-
ten befindet. Der Operateur erhält über die    nik konnte die konventionelle laparoskopi-   tionssitus. Dies führte bei den Chirurgen zu
3-D-Kamera, die über die Roboterarme in        sche Chirurgie ebenfalls revolutionieren.    spürbar verbesserten Arbeitsbedingungen.
den Patienten eingebracht ist, ein Bild des    Bei dieser befinden sich zwei Kamerachips
Operationsfeldes und kann die weiteren         an der Spitze der Optik zusammen mit dem     Dreidimensionale Raumwahrnehmung als
Roboterarme ferngesteuert bedienen. Die        Glasfaser-Lichtleiter. Die Übertragung des   entscheidender Lernvorteil
Roboterarme, die mit den mikrochirurgi-        3-D-Bildes erfolgt auf den Operationsmo-     Mit der flächendeckenden Einführung der
schen Instrumenten bestückt sind, besitzen     nitor. Der Operateur kann mithilfe einer     laparoskopischen Chirurgie musste das
mehrere Rotationsachsen, sodass auf eng-       3-D-Brille ein hochauflösendes dreidimen-    Ausbildungskonzept des chirurgischen
stem Raum die Instrumente millimeterge-        sionales Bild des Operationssitus sehen.     Nachwuchses neu überdacht und überar-
nau gesteuert werden können. Das Robo-         Das Bild kann wie bei dem Robotersystem      beitet werden. Das Training für laparosko-
tersystem da Vinci wurde ab der Jahr-          mehrfach vergrößert werden, um feine         pische Operationen findet in Trainingszen-
tausendwende zugelassen und befindet           Strukturen differenziert darzustellen. Das   tren statt. Dabei werden an synthetischen
sich zunehmend im klinischen Einsatz. Ein      dreidimensionale Bild kann an einen weite-   oder tierischen Organen die einzelnen
wesentlicher Vorteil des Robotersystems        ren Monitor übertragen werden, sodass so-    standardisierten Operationsschritte geübt
ist, dass die gewohnten Freiheitsgrade, die    wohl der Operateur als auch die OP-Assis-    und durchgeführt. Die Schwierigkeiten bei
eine menschliche Hand besitzt, auch auf        tenz einen Monitor in ihrer jeweiligen       der klassischen laparoskopischen Chirurgie
engstem Raum auf die mithilfe der in Echt-     Blickrichtung haben. Dadurch wird die Er-    sind die deutlich reduzierte Haptik im Ver-
zeit gesteuerten Roboterarme übertragen        gonomie für die Operateure wesentlich        gleich zur konventionellen Operation und
werden können. Das Computersystem des          verbessert. In den Anfängen der laparosko-   die deutlich reduzierte räumliche Wahr-
Roboters ist sogar in der Lage, unwillkürli-   pischen Chirurgie wurden die Vorteile der    nehmung durch das erzeugte zweidimen-
che Handbewegungen wie Händezittern zu         minimalinvasiven Chirurgie vor allem bei     sionale Bild am Operationsmonitor. Im
unterdrücken. Durch das 3-D-Kamerabild,        dem Patienten durch das verringerte ope-     Rahmen einer Promotion haben wir das
das bei Bedarf auch vergrößert werden          rative Trauma gesehen. Auf die Bedürfnisse   manuelle Erlernen von minimalinvasiven
kann, kommen kleine Strukturen wie Ner-        des Operationsteams wurde wenig Rück-        Operationstechniken an untrainierten Me-
ven oder kleine Blutgefäße sehr gut zur        sicht genommen. Durch zu kleine Monito-      dizinstudenten am Chirurgischen Trai-
Darstellung. Der wesentliche Nachteil des      re, unphysiologisch zu bedienende Instru-    ningszentrum in Konstanz eingehend un-
Robotersystems sind die immens hohen           mente und ungewohnte Haltungen bei der       tersucht. Die Studenten wurden dabei in
Anschaffungskosten und die hohen Kosten        Operation litten die Operateure häufig un-   zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine erlernte

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NEUE TECHNOLOGIEN

die minimalinvasiven Techniken aus-
schließlich über das kameravermittelte           Tab. 1: Konventionelle Chirurgie versus 3-D-Laproskopie versus Robotik
zweidimensionale Bild am Operationsmo-
nitor, die andere Gruppe dieselben Techni-                                    Konventionelle Chirurgie       3-D-Laparoskopie Robotik
ken sowohl an einem zweidimensionalen
                                                 Sicht auf Operationssitus                ++                         +++                  +++
Monitorbild als auch über eine dreidimen-
sionale Darstellung des Operationssitus.         Haptik                                  +++                          ++                   +
Dabei zeigte sich ganz deutlich, dass für
das Erlernen von komplexen operativen            Operative Freiheitsgrade                 ++                           +                  +++
Aufgaben eine dreidimensionale Raum-
wahrnehmung ein entscheidender Lernvor-          Minimalisierung des                       +                         +++                  +++
teil ist. Das mag auf den ersten Blick nicht     Operationstraumas
überraschend sein, denn es spiegelt unsere       Erlernung der Methodik                  +++                          ++                   +
Erfahrung im täglichen Alltag wider. Den-
noch, bei der minimalinvasiven Operation         Kostenersparnis                         +++                          ++                   +
am zweidimensionalen Monitor ist die
Raumwahrnehmung auch bei erfahrenen
Chirurgen gewöhnungsbedürftig und be-           tent stets einen identischen Blick auf den     Freiheitsgrade häufig durch die Trokarposi-
darf intensiven Trainings, insbesondere         Operationssitus.    Komplexe     operative     tion und die linearen Instrumente be-
wenn komplexe Operationsmaßnahmen               Schritte wie zum Beispiel Lympnodektomie       grenzt. Mit den zunehmend auf den Markt
wie zum Beispiel intrakorporales Nähen          im Leberhilus oder intrakorporales Nähen       kommenden abwinkelbaren Operations-
und Knoten auf engem Raum durchgeführt          von Anastomosen können mit dreidimen-          und Versiegelungsinstrumenten können
werden müssen.                                  sionaler Sicht, dank der exakten räumli-       zusätzliche Freiheitsgrade geschaffen wer-
                                                chen Wahrnehmung, sicher wie bei der           den, die das größte Manko der minimalin-
„wireless“ im Operationssaal                    konventionellen offenen Chirurgie durch-       vasiven Chirurgie wesentlich verbessern.
Am Klinikum Konstanz arbeiten wir seit          geführt werden.                                Die Anschaffungs- und Materialkosten lie-
April 2016 mit dem EinsteinVision 2.0 3-D-                                                     gen bei der 3-D-Laparoskopie deutlich un-
Laparoskopie-System. Es wird interdiszipli-     Konventionelle Chirurgie versus                ter den Kosten der Robotik, sodass nahezu
när in der Thoraxchirurgie, in der Gynäko-      3-D-Laparoskopie versus Robotik                alle Operationen innerer Organe kostende-
logie und in der Viszeralchirurgie genutzt.     Die konventionelle Chirurgie ist die Basis     ckend durchgeführt werden können.
In der Viszeralchirurgie kommt es routine-      der Chirurgie und kann klassisch durch As-
mäßig bei allen komplexen Operationen           sistenz bei der Operation erlernt werden.      Fazit
wie beispielsweise Ösophagus-, Magen-,          Die Haptik ist durch das „Fingerspitzenge-     Die 3-D-Laparoskopie stellt ein exzellentes
Pankreas-, Leber-, Kolon- und Rektumchi-        fühl“ des Operateurs exzellent und die Frei-   minimalinvasives Operationsverfahren dar.
rurgie zum Einsatz. Das System bietet eine      heitsgrade sind durch die Beweglichkeit        Am Klinikum Konstanz werden in der Tho-
hervorragende Bildqualität auf zwei Ope-        der menschlichen Hand definiert. Um eine       raxchirurgie, der Gynäkologie und der Vis-
rationsmonitoren, die wahlweise auf 2-D         ausreichende Exposition zu erreichen, muss     zeralchirurgie alle minimalinvasiven Ope-
oder 3-D umgeschaltet werden können. Die        eine entsprechende Zugangsinzision erfol-      rationen mit höherem Schwierigkeitsgrad
Funkanbindung des Zusatzmonitors macht          gen. Diese stellt einen wesentlichen Teil      damit durchgeführt. Um ein kosteneffi-
es möglich, dass dieser „wireless“ im Ope-      des operativen Traumas dar, wodurch sich       zientes Arbeiten zu gewährleisten, werden
rationssaal nach den Bedürfnissen der           die verlängerte Rekonvaleszenz bei der         in der Viszeralchirurgie Operationen an
Operateure positioniert werden kann. Die        konventionellen Chirurgie ableitet. In der     Ösophagus, Magen, Pankreas, Nebennieren,
Kamera mit der entsprechenden Optik wird        Robotik hingegen ist die Sicht auf den Si-     Leber, Kolon und Rektum mit der 3-D-La-
mit einem sterilen Überzug versehen, so-        tus aufgrund modernster 3-D-Visualisie-        paroskopie vorgenommen. Leistenhernien-
dass das Sterilisieren der Optik entfällt. So   rung auch auf engstem Raum optimal.            operationen, Cholezystektomien und Ap-
können mehrere Operationen hintereinan-         Dank der zusätzlichen Freiheitsgrade der       pendektomien werden hingegen nach wie
der mit nur einer Optik durchgeführt            Roboterarme können sogar mehr Freiheits-       vor mit der klassischen 2-D-Kamera ope-
werden. Die Eingewöhnungszeit auf das           grade, als die menschliche Hand besitzt,       riert, die alternativ auch an den Operati-
EinsteinVision-System ist kurz. Die dreidi-     erreicht werden. Wegen der kleinen Zu-         onsturm des EinsteinVision angeschlossen
mensionale Sicht beim laparoskopischen          gangswege ist das operative Trauma im          werden kann.
Operieren ist häufig deutlich besser als bei    Bereich der Bauchdecke deutlich geringer
der konventionellen Operation, insbeson-        als bei der konventionellen Chirurgie. Die     Kontakt:
dere wenn auf engem Raum operiert wird.         wesentlichen Nachteile des Robotersys-         Prof. Dr. Jörg Glatzle, MHBA
                                                                                               Chefarzt der Klinik für Allgemein- und
Die Kamera mit der Lichtquelle besitzt ei-      tems sind jedoch das langwierige Training
                                                                                               Viszeralchirurgie
nen Durchmesser von zehn Millimetern            und die immensen Anschaffungs- und Ma-         Stellvertretender Ärztlicher Direktor
und kann auch in engste Räume gut posi-         terialkosten. Die 3-D-Laparoskopie stellt      Klinikum Konstanz
tioniert werden, in die bei der konventio-      gewissermaßen eine Brücke zwischen kon-        Akademisches Lehrkrankenhaus der Albert-
nellen Chirurgie kaum eine ausreichende         ventioneller Chirurgie und Robotik dar.        Ludwigs-Universität Freiburg
Ausleuchtung – geschweige denn ein aus-         Durch eine der Robotik entsprechende Op-       Mainaustr. 35
reichender Blick für den Operateur und den      tik kann der Operationssitus optimal drei-     78464 Konstanz
                                                                                               allgemeinchirurgie.kn@glkn.de
Assistenten – erzielt werden kann. Bei der      dimensional abgebildet und vergrößert
Laparoskopie haben Operateur und Assis-         werden. In der Vergangenheit waren die

                                                                                                                            nahdran 1/19   11
NEUE TECHNOLOGIEN

Gesundheitsversorgung der Zukunft

Mein Name ist Thea –
aus der Pepper-Familie
Im Future Care Lab des Dorothea Erxleben Lernzentrums in Halle erlernen
studierende Ärzte und Pflegende den Umgang mit Zukunftstechnologien in der
Krankenversorgung. Vor allem gegenüber menschlich aussehenden Robotern
scheinen Patienten ersten Studien zufolge offen zu sein.

Gunnar Römer

 12   nahdran 1/19
NEUE TECHNOLOGIEN

I
    m dritten Stock eines historischen Alt-    den Betrachter mag es auf den ersten Blick      die ein gewisses Vertrauen erweckt.“ Im
    baus in Halle betritt Krankenpfleger       etwas seltsam anmuten, wenn sich der Ro-        Vergleich mit einem Tablet schneidet Pep-
    Robert Blaumeister das Schlafzimmer.       boter wie von Geisterhand auf einmal in         per gut ab. Kein Wunder, schließlich kennt
Irmgard Schütz wirkt erleichtert. Die          Richtung Krankenbett bewegt. Aber in Hal-       er die wichtigsten Robotergesetze in- und
Schmerzen und der quälende Juckreiz an         le plant man schon einen Schritt weiter:        auswendig. Von Christian Buhtz, Pflege-
ihrem rechten Fuß haben nachgelassen.          „Denkbar ist auch, dass ein solcher Roboter     wissenschaftler und Fachinformatiker am
„Ich schaue mir nun Ihre Wunde an und          in der Wohnung des Pflegebedürftigen            Lernzentrum, daraufhin angesprochen,
werde den Verband wechseln“, informiert        platziert wird“, sagt Dr. Dietrich Stoeve-      antwortet Pepper: „Ein Roboter darf einen
Blaumeister die 81-jährige Berlinerin, die     sandt, Ärztlicher Leiter des Future Care Lab,   Menschen niemals verletzen oder durch
vor 30 Jahren hierher nach Halle gezogen       und ergänzt, „die Angehörigen können            Untätigkeit zulassen, dass ein Mensch
ist. Und tatsächlich hat sich ihr diabeti-     dann von der Arbeit aus schauen, ob es          Schaden nimmt.“
scher Fuß deutlich gebessert. „Die Wunde       Mutter oder Vater gut geht und müssten
nässt nicht mehr“, freut sich ihre Hausärz-    nur im Notfall den Arbeitsplatz verlassen.
tin Frau Dr. Maierhofer. Von der linken Sei-   Das macht einen solchen Telepräsenzrobo-
te des Bettes aus beobachtet die erfahrene     ter auch für Arbeitgeber attraktiv,
Medizinerin das Geschehen mit fachmän-         wenngleich ein solcher Roboter natür-
nischem Blick – live von ihrer Praxis aus.     lich niemals den persönlichen sozia-
Und auch Frau Schütz kann ihrer Ärztin in      len Kontakt ersetzen darf.“
die Augen sehen. Der Blick ist vertraut, die
beiden kennen sich schon lange, und da         „Pepper“ unterstützt Radiologen bei
Maierhofer mit dem Heilungserfolg zufrie-      der MRT-Aufklärung
den ist, bleibt noch etwas Zeit für ein per-   Mutet Double noch sehr „technisch“ an, lä-
sönliches Gespräch. „Wie geht es Ihren En-     chelt einem „Pepper“ fast schon wohl-
keln“, will die Medizinerin wissen, während    wollend ins Gesicht. Der humanoi-
der Pfleger den neuen Verband anlegt. Die      de Roboter visiert seinen
drei Kilometer Luftlinie zwischen Arzt und     Gesprächspartner an, folgt des-
Patient werden durch das Hallenser Handy-      sen Bewegungen und wirkt
netz überbrückt, aus dem „Double“ seine        dadurch schon irgendwie
Informationen bezieht.                         menschlich. „Ein Umstand,
                                               der offenbar von Vorteil für
Televisite mit Präsenzroboter                  den Wissenstransfer an
Double sieht ein wenig aus wie ein Tablet,     den Patienten ist“, so Dr.
das auf ein Stativ montiert wurde. Der mo-     Stoevesandt.     Wissens-
bile Telepräsenzroboter gehört zum Inven-      transfer deshalb, weil
tar des Future Care Labs, einem Teil des       Pepper im klinischen All-
Dorothea Erxleben Lernzentrums der Martin-     tag einmal die Vorbereitung
Luther-Universität Halle Wittenberg. „Frü-     der MRT-Aufklärung überneh-
her war hier ein Krankenhaus, nun ist es       men soll, für die Radiologen
ein modernes Simulationszentrum für Stu-       häufig ohnehin wenig Zeit
denten der Human- und Zahnmedizin, der         aufwenden können und die
Evidenzbasierten Pflege, der Pflegewissen-     überwiegend in der Beant-
schaften und für praktizierende Ärzte“,        wortung eines Fragebogens
erzählt Dr. Patrick Jahn, einer der beiden     besteht. „Haben Sie einen
Leiter des Future Care Labs. Schauspieler,     Herzschrittmacher?“ Die-
Experten und Studierende erproben hier         se obligatorische Frage
die Zukunft der Krankenversorgung. Auch        könnte künftig von
die eingangs erwähnte Szenerie wurde mit       Pepper gestellt werden.
Schauspielern dargestellt, aber sie soll       „Das eigentliche Auf-
schon bald Realität werden. „Die Nachfra-      klärungsgespräch bleibt
ge an Telemedizin und automatisierten          aber stets in ärztlicher
Prozessen steigt immer mehr an. Gesund-        Hand“, beruhigt Stoeve-
heitsversorger fragen uns mittlerweile         sandt. Aktuell läuft eine Studie, die
nicht mehr nach dem ‚Ob‘, sondern nach         untersucht, wie Patienten auf den
dem ‚Wann‘“, ergänzt Dr. Jahn.                 Roboter reagieren. „Dabei ist die Ab-
Mit dem Telepräsenzroboter kann der Arzt       lehnungsrate überraschend gering“,
ferngesteuert an den Patienten heranfah-       freut sich der Radiologe. „Offenbar
ren und sich ein genaues Bild machen. Für      ist es die menschenähnliche Gestalt,

                                                                                                                       nahdran 1/19   13
NEUE TECHNOLOGIEN

                                                                                                                              Fotos: Frank Schinski
Visite mit dem mobilen Telepräsenzroboter „Double“

Kooperation zwischen Wissenschaft              bensretter ausgebildet, sondern auch jene,     sogenannten Holo-Lens, die imaginäre
und Wirtschaft                                 die dann gebraucht werden, wenn Ärzte          Wunden auf einen ansonsten völlig gesun-
Ziel des Future Care Labs ist es, eine Lern-   und Pfleger nichts mehr ausrichten kön-        den Arm projizieren können und vieles
plattform für Zukunftstechniken in der Ge-     nen. „Wir rekonstruieren hier auch Tatorte     mehr.“ Die größte Herausforderung liegt
sundheitsversorgung zu bieten. Durch eine      so realistisch wie möglich“, so Christian      aber in der Akzeptanz durch den Patienten.
öffentliche EU-Förderung sind die Hallen-      Buhtz. Nirgendwo sonst können künftige         Wie erwähnt, verlaufen die ersten Studien
ser schon weit gekommen. „Besonders in-        Rechtsmediziner so realistisch ausgebildet     diesbezüglich sehr vielversprechend. Trotz-
novativ ist die Hausarztpraxis im obersten     werden, denn an einem richtigen Tatort         dem gilt es, noch viel Überzeugungsarbeit
Stockwerk. Von hier aus steuern die Ärzte      dürfen freilich keine Spuren vernichtet        zu leisten. „Es ist schließlich ein Unter-
die Televisite mit dem Präsenzroboter. Das     werden. „Dort kann nicht mehr geübt wer-       schied, ob uns ein Roboter einen neuen
macht das Umfeld noch realistischer“, freut    den“, erklärt Buhtz.                           Fernseher verkauft oder mit uns über unse-
sich Patrick Jahn. Und das Projekt über-                                                      re eigene Gesundheit – das höchste Gut –
zeugt auch weit über die Grenzen von Hal-      „Die Roboter verkaufen hier keine              spricht. Und genau das soll Pepper tun. Un-
le hinaus: Nicht nur im Future Care Lab,       Fernseher“                                     sere Roboter verkaufen keine Fernseher“,
auch in der realen Versorgung sollen Halle     Viele Arztpraxen und Kliniken warten nur       resümiert Dr. Stoevesandt. „Grundsätzlich
und Umgebung zu einer Modellregion für         auf technische Unterstützung dieser Art.       gilt es ohnehin, ein großes Missverständnis
digitalisierte Gesundheitsversorgung wer-      „Natürlich muss die Finanzierungsfrage ge-     aus dem Weg zu räumen“, sagt Dr. Patrick
den und stehen in der finalen Auswer-          klärt sein“, erklärt Patrick Jahn. Aber der    Jahn: „Robotertechnik soll im Gesundheits-
tungsrunde des Programms „Wandel durch         Innovationsbedarf ist riesig. So ist der An-   wesen immer nur unterstützen und keine
Innovationen in der Region“, das 2019 an       spruch in Halle folgerichtig, eine „Transla-   Menschen ersetzen.“ Dr. Schwarz ergänzt:
die Stelle der Wirtschaftsförderung für        tionsregion für die digitale Gesundheits-      „Ein intelligentes Exoskelett zum Beispiel
neue Bundesländer tritt. „Nur 32 weitere       versorgung“ zu etablieren. An Ideen für        könnte einer zierlichen Krankenpflegerin
Projekte haben es bis an diesen Punkt ge-      weitere Innovationen mangelt es nicht. Das     dabei helfen, den 120 Kilogramm schweren
schafft.“ Nicht nur der medizinische und       wird nach einem Gespräch mit Wirt-             Patienten zu mobilisieren. Berufsunfähig-
pflegerische Nachwuchs lernt übrigens da-      schaftsinformatiker Dr. Karsten Schwarz        keiten durch Rückenprobleme könnten da-
zu, auch die Lehrenden unterziehen sich        deutlich. Er berichtet von dem Pflege-         mit wirksam vermieden werden.“ Davon
einer kritischen Selbstprüfung: „Anhand        Hackathon, der im September 2018 in den        profitiert auch die Volkswirtschaft. Bei aller
von Videoaufzeichnungen analysieren wir,       Räumen der ehemaligen orthopädischen           modernen Technik und vielversprechenden
ob die verschiedenen Wege zur Wissens-         Universitätsklinik Halle durchgeführt wur-     Wirtschaftsprognosen darf eins niemals zu
vermittlung auch ihren Zweck erfüllen“, so     de: „Zahlreiche Wissenschaftler haben sich     kurz kommen: die soziale Interaktion, der
Dr. Jahn. „Lernen die Studenten mit dem        gewissermaßen für ein Wochenende dort          Mensch ist darin unersetzbar.
Roboter genauso gut wie mit einem Lehr-        ‚eingesperrt‘ und haben ihr gebündeltes
buch oder welche Form des Wissenstrans-        Fachwissen eingesetzt, an innovativen Lö-
fers ist am nachhaltigsten. Diese Fragen       sungen gearbeitet und in der Präsentation      Kontakt:
versuchen wir zu beantworten“, ergänzt         der Fachergebnisse versucht, eine unab-        Gunnar Römer
                                                                                              info@roemer-hsm.com
der Pflegewissenschaftler. In den hoch         hängige Jury zu überzeugen. Auf diese Art
technisierten Räumen des Future Care Labs      und Weise entstehen Innovationen unter
werden übrigens nicht nur künftige Le-         Verwendung von Roboter Pepper oder der

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                                                                136. Kongress
                                                                Deutsche Gesellschaft
                                                                für Chirurgie
                                                                Präsident:
                                                                Prof. Dr. med. Matthias Anthuber

                                                                26. bis 29. März 2019
                                                                ICM, München

                                             CHIRURGIE 2019
Zusammen mit
21. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft                   Kongresssekretariat der DGCH
für Allgemein- und Viszeralchirurgie                            Dr. med. Bernd Geißler
Präsident: Prof. Dr. med. Jörg C. Kalff, Bonn                   E-Mail: dck2019@uk-augsburg.de
Kongresspräsident: Prof. Dr. med. Albrecht Stier, Erfurt        Veranstalter, Information und
                                                                Organisation
57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft                     MCN Medizinische Congress-
für Kinderchirurgie                                             organisation Nürnberg AG
Präsident: Prof. Dr. med. Peter P. Schmittenbecher, Karlsruhe   E-Mail: veith@mcn-nuernberg.de
Kongresspräsident: Prof. Dr. med. Stephan Kellnar, München      Internet: www.mcn-nuernberg.de

7. Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft                  www.chirurgie2019.de
für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin                            info@chirurgie2019.de
Präsident: Prof. Dr. med. Dittmar Böckler, Heidelberg
Tagungspräsident: Prof. Dr. med. Markus Steinbauer, Regensburg
5. Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft
für Thoraxchirurgie
Präsident: Prof. Dr. med. Erich Stoelben, Köln
2. Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft
der Plastischen, Rekonstruktiven und
Ästhetischen Chirurgen
Präsident: Prof. Dr. med. Riccardo Giunta, München

                                                                                   nahdran 1/19    15
ZUKUNFTSMODELLE

Zukunftsmodell Krankenhaus

Die „Betten-Schlange“
In Dänemark hat die Gesundheitsreform von 2007 zu einer Modernisierung der Krankenhauslandschaft
geführt. So wurden etwa die Gesamtzahl der Versorgungsregionen sowie der Kliniken reduziert und
medizinische Fächer stärker zentralisiert. Das bedeutete auch bauliche Umstrukturierungen. Wie diese
umgesetzt werden können und welche Zukunftsmodelle entstehen, zeigt das Beispiel des Rigshospitalet
in Kopenhagen.

Carolina Lohfert Praetorius

                                                                                                       Foto: Henrik Praetorius

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ZUKUNFTSMODELLE

               Illustration: Lohfert-Praetorius

                                                                Abb. 1: Dänische Krankenhausstruktur – Entwicklung von 2007 bis 2020

                                                   x Effektivierung von Arbeitsabläufen         x Neubauten von Pflegestationen müs-

I
   n Dänemark sind nahezu alle Krankenhäu-
   ser Teil des öffentlichen Gesundheitssys-          durch Einsatz neuer Technologien und          sen mit ausschließlich Einbettzimmern
   tems. Seit der großen Gesundheitsreform            Innovationen,                                 ausgestattet werden,
im Jahr 2007 werden die Krankenhäuser              x weniger Transporte von Patienten, Per-     x 20 bis 25 Prozent der Investitionsmit-
durch den Staat mit Steuereinnahmen finan-            sonal, Waren zwischen Krankenhäusern,         tel müssen für Ausstattung (insbeson-
ziert. Mit der Reform wurde die Krankenhaus-       x Rationalisierung von Bereitschafts-           dere der Medizintechnik) verwendet
struktur von 14 Versorgungsregionen auf fünf          diensten, Laborfunktionen, Röntgen-           werden,
reduziert. Der Betrieb der Krankenhäuser wird         leistungen usw.,                           x nach der Inbetriebnahme von Neu-
mit Mitteln finanziert, die vom Staat durch        x bessere Ausnutzung medizintechnischer         bauten muss eine Folgekosteneinspa-
DRG-definierte Leistungen mit den Versor-             Ausstattung,                                  rung von acht Prozent nachgewiesen
gungsregionen abgerechnet werden.                  x Zentralisierung von administrativen           werden.
Die fünf Versorgungsregionen bekamen in               und betriebstechnischen Funktionen.
den darauffolgenden Jahren die Aufgabe,                                                         Aus den Krankenhausstrukturplänen ging
für ihren Bereich einen Krankenhausstruk-         Die Krankenhausstrukturpläne mussten die-     hervor, welche Kliniken der jeweiligen Versor-
turplan zu erstellen. Diese Pläne wurden          sen Leitgedanken folgen und die Versorgung    gungsregionen die akuten Funktionen und
durch folgende übergeordnete und zu-              der Patienten nach übergeordneten Kriterien   welche elektive Funktionen übernehmen. Da-
kunftsweisende Leitgedanken geprägt:              sichern, die von einer Expertenkommission     rüber hinaus wurde definiert, welche Häuser
                                                  erarbeitet wurden. Die Kriterien umfassten    langfristig geschlossen werden sollten. Alle
 x Errichtung von flexiblen Krankenhäu-          folgende Anforderungen an die Regionen:       Krankenhäuser der Versorgungsregion muss-
    sern mit Fokus auf Qualität und Pa-                                                         ten auf Basis des Krankenhausstrukturplans
    tientenorientierung,                           x ein Akutkrankenhaus (mit einer inter-     einen baulichen Masterplan erstellen, um
 x Ablauforganisation auf Basis von zu-              disziplinären Notaufnahme) für min-       den Umfang an Investitionsmitteln für Neu-
    sammenhängenden Patientenabläufen,                destens 400 000 Einwohner, Ausnahme:      und Umbauten zu ermitteln.
 x Qualität der Behandlung hat Vorrang               in dünn besiedelten Gebieten mindes-      Vor der Gesundheitsreform hatten die
    vor der räumlichen Erreichbarkeit,                tens 200 000 Einwohner,                   Krankenhäuser generell das Problem, die
 x bessere Ausnutzung ökonomischer und            x die Bettenzahl muss durch eine Ver-       erforderlichen Mittel für notwendige In-
    fachlicher Ressourcen,                            weildauerreduktion bis 2020 um min-       vestitionen in Neu- und Umbauten zu er-
 x erhöhte Patientensicherheit, zum Bei-             destens 20 Prozent verringert werden,     halten. Mit der Reform wurde vom Staat
    spiel durch Einzelzimmer, und damit            x die Zahl der ambulanten Patienten         ein Investitionsprogramm für die Moderni-
    Reduktion von krankenhausbedingten                kann bis 2020 um 50 Prozent erhöht        sierung der Kliniken aufgelegt und Gelder
    Infektionen,                                      werden,                                   in Höhe von insgesamt circa 5,5 Milliarden

                                                                                                                          nahdran 1/19   17
ZUKUNFTSMODELLE

 Foto: Henrik Praetorius                                            Pressefoto: Webgruppe Rigshospitalet

Das Rigshospitalet in Kopenhagen 2008 (links) und 2018 (rechts)

Euro (etwa 1 000 Euro pro Einwohner) für       den letzten zehn Jahren rund 20 Kranken-                   Bett-Zimmer wurden zu 1-Bett-Zimmern
die notwendigen Investitionen für zu-          häuser neu geplant und gebaut. Die ersten                  mit direktem Zugang zu eigener Nasszelle
kunftsgerechte Krankenhäuser bereitge-         Krankenhausprojekte sind bereits in Be-                    umstrukturiert.
stellt. Mit der Gesundheitsreform sollte zu-   trieb genommen, andere werden in den                       Bei allen neuen Akutkrankenhäusern wur-
dem eine deutliche Reduktion der Anzahl        nächsten Jahren ihren Vollbetrieb aufneh-                  den interdisziplinäre Notaufnahmen mit
von Krankenhäusern mit Akutfunktionen          men.                                                       eigner Akutradiologie, Akutlabor und einer
Hand in Hand gehen. Die medizinischen          Einzelne wurden als Neubau auf „einer                      hohen Anzahl Aufnahmebetten, abhängig
Fächer wurden stärker zentralisiert und so     grünen Wiese“ realisiert, andere als Anbau-                von der Größe des Krankenhauses, einge-
die Gesamtzahl der Häuser verringert. Als      ten an bestehenden Einrichtungen errich-                   richtet. Die akuten Patienten verbleiben in
Folge der Reform wurden in Dänemark da-        tet. Die kompletten Neubauten sind außer-                  der Regel ein bis zwei Tage in den interdis-
mit 28 Kliniken geschlossen oder in kleine     halb der Innenstädte entstanden, typisch                   ziplinären Aufnahmestationen, circa 70
dezentrale Gesundheitszentren umgewan-         am Rande der Stadtgrenzen. Andere, wie                     Prozent werden von der Aufnahmestation
delt. 14 Krankenhäuser verloren ihre Akut-     beispielsweise die Uniklinik in Kopenhagen                 aus entlassen.
funktionen und wurden als elektive Häuser      (Rigshospitalet), wurden in Etappen umge-                  Auf den Pflegestationen werden die elekti-
weitergeführt. Im Ergebnis wurde die An-       setzt, weil zunächst etwa 100 Jahre alte                   ven und die akuten Patienten aufgenom-
zahl der ursprünglichen 64 Kliniken auf 36     Gebäuden abgerissen werden mussten, be-                    men, die länger als zwei Tage im Kranken-
reduziert. 2020 soll somit eine Struktur mit   vor neue errichtet werden konnten. Der                     haus bleiben. Am Rigshospitalet in
insgesamt 22 Akutkrankenhäusern und 14         bauliche Masterplan für das Rigshospitalet                 Kopenhagen sind die Pflegestationen des
Häusern ohne Akutfunktion realisiert sein.     sah einen großen Neubau (Nordfløjen) vor,                  Neubaus in den oberen Etagen zusammen-
                                               in dem neue Bettenstationen, Operations-                   hängend in einer sogenannten „Betten-
Zehn Jahre nach der Gesundheitsreform          säle und Ambulanzen eingerichtet werden.                   Schlange“ angeordnet worden. Die Rei-
                                               Eine durchgehende Herausforderung der                      hung der Stationen ermöglicht eine
Beispiel Uniklinik Rigshospitalet              bestehenden Krankenhauseinrichtungen –                     Verschiebung der Bettenkapazitäten inner-
in Kopenhagen                                  einschließlich des Rigshospitalets – war                   halb der Fläche und erzielt damit eine hohe
Auf Basis der Gesundheitsreform und den        der niedrige Flächenstandard, zum Beispiel                 Flexibilität. In den unteren Geschossen sind
darauffolgenden Strukturänderungen im          Nutzfläche pro Bett auf den Pflegestatio-                  die Behandlungseinrichtungen angeordnet.
Gesundheitswesen Dänemarks wurden in           nen. Die bestehenden 2- und 4-                             Standardisierte Operationssäle können zu-
                                                                                                          künftige Veränderungen der operativen
                                                                                                          Leistungen abfangen. Mit dem Neubau
                                                                                                          werden die Fachabteilungen vertikal und
                                                                                                          die Funktionen (Pflege, OP usw.) horizontal
                                                                                                          verbunden.

                                                                                                          Vollautomatisierte Zentralsterilisation
                                                                                                   rius

                                                                                                          Des Weiteren werden die logistischen
                                                                                              aeto

                                                                                                          Funktionen modernisiert. Es wird unter an-
                                                                                             t-Pr

                                                                                                          derem ein Neubau am Rishospitalet für ei-
                                                                                            hfer
                                                                                       n: Lo

                                                                                                          ne vollautomatisierte Zentralsterilisation
                                                                                    tratio

                                                                                                          errichtet und 2019 in Betrieb genommen.
                                                                                  Illus

                                                                                                          Diese ist über den Standort hinaus für drei
                                                                                                          weitere Kliniken in Kopenhagen zuständig
Abb. 2: Die „Betten-Schlange“ in den oberen Etagen des Neubaus Rigshospitalet                             und versorgt somit circa 200 Operationssä-
in Kopenhagen                                                                                             le. Der finanzielle Rahmen für dieses Bau-

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