CF der Zeit im Wandel - CF Austria
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Verlagspostamt 8605 Kapfenberg, P.b.b. GZ 02Z032495 CF der Zeit im Wandel MIT CYSTISCHER FIBROSE austria Ausgabe 02/2019
Inhalt Liebe Leserinnen, FACHLICHES liebe Leser! 04 Vierzig Jahre CF-Medizin 11 Vierzig Jahre CF Physiotherapie 15 Sichere Gewohnheiten als Gegengewicht zu Angst und Druck CF im Wandel der Zeiten… auch bei uns im Vorstand von CF- Austria gibt es Veränderungen: Ich möchte mich bei Ihnen gerne CF-LEBEN als neuer Obmann vorstellen. Als 50-jähriger CF- Betroffener habe ich viel erlebt, und ich kenne die Probleme, die diese schwere 17 Interviews mit Eltern von CF-Kinder Erkrankung mit sich bringt, recht gut. Seien es physische und 22 CF aus der Sicht eines Mädchens psychische Herausforderungen, berufl iche oder fi nanzielle Schwie- rigkeiten. Das Thema dieser Ausgabe ist also auch das meines eige- 26 Wohin soll der Weg führen – nen Lebens. was hat sich geändert? Unsere aktuelle Zeitung beschäftigt sich eingehend mit der 28 CF-Therapie im Wandel Geschichte der Wege der Medizin, CF-Betroffenen das Leben zu er- 30 Therapie im Doppelpack leichtern und zu verlängern. Durch großes Engagement von Ärzt- Innen, AtemphysiotherapeutInnen und Pflegepersonal wurden aus 32 CF im Wandel der Zeit individuellen Behandlungsversuchen zielführende Therapieme- thoden, welche sich auf das Leben der Betroffenen sehr positiv aus- KINDER wirkten. Sie erzählt aber auch von Erfolgen der Selbsthilfevereine, 24 Rätsel und Ausmalbild die gegen starke Widerstände politische Entscheidungen durchge- setzt haben, wie zum Beispiel die Zuerkennung von Pflegegeld für CF-INTERN CF-Betroffene. Diese Errungenschaften sind jedoch schwer zu ver- 34 Rückblick: 5. cf-austria Tag teidigen. Da die Zahl der Betroffenen so gering ist, gibt es kaum je- manden, der für unsere Interessen eintritt. Ich möchte Sie daher 36 cf-austria aktiv dabei ermuntern, sich in den Selbsthilfeverbänden zu engagieren: Als zah- 38 Ausblicke, Termine lendes Mitglied und Gast unserer Veranstaltungen, aber auch aktiv in 39 Wichtige Mitteilung, Rätselauflösung der Vereinsarbeit. Die Vereine sind unsere Stimme nach außen und 40 Danksagungen, Beitrittserklärung Ressourcen für Unterstützung untereinander. Nur starke Vereine können verhindern, dass von politischer Seite unter dem Primat AUS DEN BUNDESLÄNDERN der Einsparungsmaßnahmen gut funktionierende, hart erkämpfte Strukturen, zerstört werden! 41 CF-News Wien Falls Sie unseren CF-Austria-Tag 2019 versäumt haben, fi nden 41 CF-News OÖ Sie eine kurze Zusammenfassung auf Seite 34 dieser Ausgabe. Am Ende erwartet Sie ein Hinweis mit einer interessanten Neuerung! KONTAKT Mit herzlichen Grüßen, 43 CF-Vereine & Ambulanzen Mag. Johannes Lösch E IHR DE N CF-Kontakt SPE DER VON IST EUER ! ST ZBAR ET CF-AUSTRIA ABS (CYSTISCHE FIBROSE HILFE ÖSTERREICH) Österreichweit tätiger Selbsthilfe-Verein Spendenkonto lautend auf Postfach 27, 8010 Graz Cystische Fibrose Hilfe Österreich T 0676/458 48 50 Sparkasse Baden M office@cf-austria.at IBAN: AT69 2020 5000 0005 8495 www.cf-austria.at BIC: SPBDAT21XXX Impressum Herausgeber, Medieninhaber & Redaktion Redaktion Herstellung & Druck Auflage cf-austria Sonja Strobl Satz & Layout: C. Alltag 1500 Stück Postfach 27, 8010 Graz (office@cf-austria.at) Erscheinungsweise: Druck: Druckerei Bachernegg, Kapfenberg T 0676/458 48 50 zwanglos 3 × pro Jahr Bei namentlich gekennzeichneten Titelbild: privat M office@cf-austria.at Beiträgen liegt die Verantwortung Abo-Preis: www.cf-austria.at Fotos: privat beim Verfasser. 15 Euro für 3 Ausgaben (Jahresabo) cf-austria 3
FACHLICHES Vierzig Jahre CF-Medizin Ein Rückblick aus persönlicher Perspektive VON DR. MAXIMILIAN ZACH, UNIVERSITÄTSPROFESSOR I.R., EHEM. LEITER DER KLIN. ABT. F. PÄDIATRISCHE PULMONOLOGIE/ ALLERGOLOGIE UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDHEILKUNDE MEDIZINISCHE UNIVERSITÄT GRAZ EARLY DAYS rakterisierten, Lungenpathologie falsch ist. Im Gegen- Meine erste Begegnung mit der Mukoviszidose liegt 50 satz zur Verankerung des Begriffs „Cystic Fibrosis“ in Jahre zurück: Medizinstudium – Vorlesung in Kinder- der angloamerikanischen Medizin hat sich im deutsch- heilkunde (damals noch in der alten Klinik in der Mo- sprachigen Raum vorwiegend der Krankheitstitel „Mu- zartgasse) – der gezeigte Patient ein unterernährter koviszidose“ (Krankheit des zähen Schleimes) etabliert. Säugling mit geblähtem Bäuchlein und quälendem Die damaligen medizinischen Versorgungsstra- Husten. Dazu eine kurze Darstellung des Wenigen, tegien für Mukoviszidosepatienten waren, zumindest was man damals über die Krankheit wusste, durch den aus heutiger Sicht, unbeholfen und teilweise wohl auch unterrichtenden Professor und insgesamt das Bild ei- fehlerhaft. Die Erkrankung des Verdauungstraktes mit ner leidvollen und hoffnungslosen Erbkrankheit. Ich Funktionsausfall der Bauchspeicheldrüse wurde mit war vom scheinbar aussichtslosen Schicksal des Kindes einfachen Pankreasfermentpräparaten, die Lungener- Dr. Maximilian Zach sehr berührt und staunte als medizinischer Novize, was krankung mit Physiotherapie und Nebelzelten behan- es nicht alles an seltsamen und exotischen Krankheits- delt. Letztere waren quälend für die kleinen Patienten, bildern gäbe. Die damalige Vorlesungsszene und meine welche viele Stunden in einem feuchten, tropfenden emotionale Reaktion haben sich in großer Klarheit in und übelriechenden Plastikzelt ohne Kontakt zur Au- meiner Erinnerung verankert. ßenwelt verbringen mussten. Die Bronchialtoilette, Es würden dann zehn Jahre vergehen, bis ich wie- durchgeführt von verschiedenen, oft wenig mit der der mit Mukoviszidosepatienten Kontakt hatte. Inzwi- Krankheit vertrauten Physiotherapeutinnen, ließ eben- schen hatte ich mein Medizinstudium abgeschlossen falls viel zu wünschen übrig. Erst die vertieften Kennt- und nach dem Turnus meine Facharztausbildung in nisse und Fertigkeiten, sowie das große Engagement Kinderheilkunde begonnen. Gelegentlich traf ich auf der von Frau Beatrice Oberwaldner (eine österreichische, Station auf Kinder mit Mukoviszidose und stellte fest, in Südafrika und England ausgebildete Physiothera- dass es keine spezialisierte Betreuung für sie gab. Ins- peutin, die in den späten 70er Jahren an die Klinik kam) besondere eine vertiefte medizinische Auseinanderset- brachte hier eine entscheidende Wendung zum Besse- zung mit ihrer Lungenerkrankung fehlte. Gegen Ende ren. Viele CF-Patienten liefen damals an der Klinik un- meiner Facharztausbildung war es für mich klar gewor- ter diversen Fehldiagnosen. Wegen der oft im Vorder- den, dass der Klinik, in der bereits Spezialisten für ver- grund stehenden Verdauungsproblematik wurden viele schiedenste andere Teilgebiete (z.B. Neonatologie, Kin- als Coeliakiepatienten fehlettiketiert; wir etablierten derkardiologie) tätig waren, ein kinderheilkundlicher die Faustregel, dass jeder kleine vermeintlich Coeliakie- Lungenspezialist(Pädiatrischer Pneumologe) fehlte. So kranke, der wiederholt hustet, unbedingt zur Schweiß- reifte allmählich mein Entschluss, mich kinderpneu- elektrolytbestimmung zuzuweisen ist. mologisch zu spezialisieren. Ich begann eine Spezi- Insgesamt wurde es bald klar, dass meine eigene alambulanz aufzubauen, die Mukoviszidosepatienten angelesene und in der klinischen Praxis erworbene Ex- zu erfassen und auf Langzeitbasis zu betreuen und Wis- pertise nicht dem damals führenden amerikanischen sen zu dieser Erkrankung zu sammeln. und australischen Standard in der CF-Betreuung das Die meisten Beschreibungen der Erkrankung Wasser reichen konnte. Besonders das Fehlen einer stammten damals aus dem englischsprachigen Raum, kinderheilkundlichen Lungenfunktionsdiagnostik war wo sie unter dem Namen „Cystic Fibrosis“(abgekürzt eine bedauerliche Schwachstelle. Diese Einsicht brachte „CF“) in die Fachliteratur eingegangen war (erste umfas- mich letztendlich in den späten 70er Jahren zur Aus- sende Beschreibung von DH Anderson 1938) . Dieser bildung in die Kinderpneumologie des Royal Childrens Begriff leitete sich vorwiegend aus der Pathologie der Hospital in Melbourne, Australien, einem der welt- Bauchspeicheldrüse ab, welche krankheitstypisch in weit größten CF-Zentren. Dort gab es neben wissen- Form von Hohlräumen (Zysten) und narbiger Bindege- schaftlicher Methodik und Lungenfunktionsdiagnos- websvermehrung (Fibrose) verändert ist. Leider scheint tik auch Vieles zur klinischen CF-Betreuung zu lernen. diese historische Entwicklung des Krankheitsbegriffes Am meisten beeindruckte mich dort aber eine ideologi- heute vielen Medizinern nicht mehr kenntlich zu sein. sche Basis der CF-Medizin, welche von Hoffnung und Oft wird geglaubt, dass sich der Begriff „Fibrose“ auf Zuversicht getragen war. Im Gegensatz dazu war in Eu- eine Lungenfibrose (narbige Bindegewebsvermehrung ropa damals die gesamte CF-Betreuung durchsetzt von im Lungengerüst) bezieht, was aber sowohl aus histo- einem gewissen pessimistischen Fatalismus. Ein ekla- rischer Sicht als auch aus Sicht der vorherrschenden, tanter Unterschied! Mir gefiel natürlich die australische durch Bronchialerweiterungen(Bronchiektasen) cha- Perspektive viel besser. 4 Leben mit Cystischer Fibrose
FACHLICHES Heimgekehrt, begann damit eine besser strukturierte verschiedene Deletionen zu unterschiedlichen Störun- CF-Betreuung auf bescheidener Basis, d.h. mit einem gen der CFTR-Funktion führen sollten. Die Forschung Ambulanzraum und dem unermüdlichen Einsatz ei- der letzten 30 Jahre hat dies bestätigt – das Spektrum nes Dreierteams aus Physiotherapeutin, Schwester und der CFTR-Funktionsausfälle reicht von fehlender oder Arzt. Schrittweise ist daraus in den folgenden Jahrzehn- fehlerhafter Produktion des Proteins in der Zelle, über ten ein CF-Zentrum in einer Klinischen Abteilung ge- defekten Transport zur Zellmembran, bis hin zu nor- worden – mit rund 10 Ärzten, einer eigenen Station, malproduziertem und -lokalisiertem CFTR, welcher einer elitären atemphysiotherapeutischen Gruppe, ei- aber nicht oder nur eingeschränkt Ionen transportiert. nem Lungenfunktionslabor, einer Allergologie sowie Insgesamt sind 6 Mutationsklassen, d.h. 6 Arten von einer Bronchologie. Da sich der Einsatz dieses Teams CFTR-Funktionsstörungen, zu unterscheiden. Ein Teil natürlich auf die Lebenserwartung unserer CF-Patien- der zwischen den Patienten existenten Unterschiede im ten auswirkte, waren bald mehr als 100 von ihnen zu Schweregrad der Erkrankung und im Muster der Or- betreuen. Parallel zur Entwicklung der Versorgungs- ganmanifestation kann dadurch erklärt werden. Wenn strategien begann in den frühen 80erJahren eine eigene heute auch viele Details der Erkrankung mit diesen Er- klinische Forschungstätigkeit mit dem Ziel einer steti- kenntnissen erklärt erscheinen, bleiben doch noch ei- gen Weiterentwicklung und Verbesserung der Thera- nige ungelöste Rätsel. Ob sich zum Beispiel die Affi- pie. Darüber hinaus betrieb die Abteilung ein intensi- nität bestimmter Bakterien zur inneren Oberfläche der ves Lehren und Lernen. Einerseits wurde in zahlreichen Bronchien durch zähen Schleim allein erklärt, bleibt of- Artikeln und Vorträgen das zusammengetragene Wis- fen und damit Gegenstand weiterer Forschung. Ebenso sen weitergegeben, andererseits durch intensive Kon- Gegenstand aktueller Forschung ist die Frage, wieweit takte mit anderen Experten, sowie ständigem Studium andere genetische Konstellationen (außerhalb des CF- der relevanten Literatur, kontinuierlich gelernt. TR-Gens) die Auswirkungen des CFTR-Defektes mo- difizieren können. ENTWICKLUNG DES WISSENS Im Vergleich zu diesen Fortschritten der Zell- und Die letzten 40 Jahre brachten schrittweise ein vertieftes Molekularbiologie hat sich in den letzten 30 Jahren un- Verständnis der Erkrankung – nicht nur zu den Details ser Verständnis der gestörten Organfunktionen nur der krankheitsgestörten Organfunktionen, sondern mäßig vertieft. Sekretstau in den Luftwegen mit früher auch Einblicke in die zellulären, molekularen und ge- oder später eintretender bakterieller Infektion, chroni- netischen Erkrankungsmechanismen. Vor dem Hinter- sche eitrige Entzündung in den Bronchien mit Bron- grund einer klar autosomal rezessiv vererbten Erkran- chialwandzerstörung und der Bildung von Bronchial- kung (beide Eltern sind die klinisch gesunden Träger aussackungen (Bronchiektasen) charakterisieren die eines defekten Gens; jenes Kind, welches von beiden Lungenerkrankung; Sekretstau in den Verdauungsdrü- das defekte Gen erhält, erkrankt) war schrittweise klar- sen, insbesondere dem Pankreas (Bauchspeicheldrüse), geworden, dass die Schleimhautzellen (das Epithel) mit konsekutiv gestörter Aufnahme von Nahrungsbe- verschiedener Organsysteme (Schweißdrüsen, Ver- standteilen und mangelndem Gedeihen sind die Merk- dauungstrakt, Bronchien) im Sinne der Produktion ei- male der Verdauungsstörung. Dazu kommen noch an- nes zu salzigen Schweißes bzw. eines zu zähen Schlei- dere Organmanifestationen an den Schweißdrüsen, mes fehlfunktionieren. Gut flüssiger Bronchialschleim den Nasennebenhöhlen, dem insulinproduzierenden ist Voraussetzung für die Selbstreinigung der Lunge; Inselapparat des Pankreas, der Leber und den Nebenho- gut flüssige Ausschüttung von Enzymen ist Vorausset- den. Trotzdem haben sich auch im Bereich der organ- zung für eine funktionierende Verdauung. bezogenen Pathophysiologie (Lehre von Organfunkti- Ein entscheidender Fortschritt in unserem Krank- onsstörungen) Fortschritte ergeben. So hat z.B. unsere heitsverständnis war dann die Identifikation des CF- Abteilung gezeigt, dass die Funktionsstörung der Bron- Gens am langen Arm des Chromosom 7 im Jahre 1989. chien nicht nur durch Schleimpfropfen und Eiteran- Daraus ergab sich im Weiteren eine Fülle von neu- sammlung charakterisiert ist, sondern auch durch ent- en Einblicken und Erkenntnissen. Das Gen codiert ein zündungsbedingte bronchiale Wandinstabilität. Dies komplexes Protein (Eiweiß) welches normalerweise in wiederum ist ein entscheidender Faktor in der Auswahl der Oberfläche von Epithelzellen sitzt und dort als Io- von individuell passenden Physiotherapietechniken. nenkanal aktiv ist (Cystic Fibrosis Transmembrane Re- gulator = CFTR). Bei defektem CFTR ist der Chloridi- ENTWICKLUNG DER THERAPIE onentransport über dir Zelloberfläche gestört und als Der vielleicht entscheidendste Verbesserungsschritt Folge das Drüsensekret bzw. die Flüssigkeit im Inneren in der Patientenbetreuung war der Wechsel von einer der luftführenden Bronchien stark wasserverarmt und wenig fürsorglichen Strategie der Spitalsaufnahme bei damit eingedickt. Problemen und Verschlechterungen hin zu einer konti- Nach der Lokalisation des CFTR-Gens wurden bei nuierlichen Patientenbetreuung, deren Rückgrat regel- CF-Patienten eine Vielzahl von verschiedenen Gende- mäßige ambulante Kontrollen darstellen. Dieser Wech- fekten gefunden; Bis heute sind es über 2000 verschie- sel wurde in Westeuropa (und auch in Graz) im Laufe dene solche Deletionen. Diese Unterschiedlichkeit des der 70erJahre vollzogen. Damit verfügten Patient und Gendefektes zwischen den Betroffenen legte nahe, dass Eltern über eine Institution, wo man den Patienten mit Cystische Fibrose Hilfe Österreich 5
FACHLICHES all seinen Problemen kannte und bereit war, die Verant- und luftwegsbefeuchtende Inhalationen, meist mit Ta- wortung für das medizinische Langzeitmanagement zu choliquin, Mukomyst und/oder physiologischer Koch- übernehmen. Bald zeigte sich, dass es sinnhaft war, be- salzlösung, ersetzt. Auch bei diesen blieb (und bleibt) stimmte Ärzte und Therapeuten bestimmten Patienten letztendlich offen, wieweit damit die erwünschte Wir- zuzuordnen. Man konnte so mit jedem Problem, jeder kung erzielt werden kann. Da im bronchialen Eiter von Verschlechterung zu „seinem Arzt, seinem Therapeu- keimbesiedelten CF-Patienten viele Kernbestandtei- ten“ kommen und sich damit auf eine schon präexisten- le von zerfallenden weißen Blutkörperchen zu finden te Kenntnis des Patienten und seiner Krankengeschichte sind und diese den Eiter zäh machen, wurden in den verlassen. Arzt und Therapeut wiederum lernten stän- späten 90er Jahren Inhalationen mit DNAse entwickelt, dig aus dieser vertieften Beziehung zum CF-Kranken. einem Enzym, das diese Molekülketten spaltet und da- Eine medizinische „Win-Win-Situation“! Allerdings mit den Eiter verflüssigt. Bald darauf erfolgte der thera- war die Einführung dieser Dauerbetreuung nicht im- peutische Einsatz von inhalierter hypertoner Kochsalz- mer einfach, da sie deutlich personalintensiver ist als lösung, welche mit einem osmotischen Wirkprinzip die vorherig gängige Bei-Bedarf-Strategie und damit oft den bronchialen Schleim verflüssigt. Beide Therapiean- auf den Widerstand von Verwaltungsinstitutionen stieß, sätze sind in ihrer Wirksamkeit durch zahlreiche Studi- welche die Kosten der benötigten Dienstpostenvermeh- en belegt. Im Gegensatz dazu haben bei der CF all jene rung fürchteten. Ein grundsätzliches Problem, welches oral verabreichten, schleimlösenden Substanzen, wel- in vielerlei Varianten die CF-Medizin bis heute begleitet. che in großer Menge bei Erkältungskrankheiten ver- Schon in den frühen 70er Jahren entstand ein schrieben werden, versagt. Oft verhindert entzünd- recht klares (und auch heute noch weitgehend gültiges) lich geschwollene Bronchialschleimhaut und Spasmus Verständnis der diversen Organerkrankungen und ein (Krampfen) der Bronchialmuskulatur eine wirksame daraus abgeleitetes Therapiekonzept. Dieses stand auf Schleim-und Eiterentleerung; dies bedingt den Einsatz drei Säulen: dem Ausfall der Bauchspeicheldrüse war von bronchialerweiternden Inhalationen (wie von der durch die Substitution mit Pankreasfermenten, dem Asthmatherapie bekannt) und gelegentlich auch anti- Schleimstau in der Lunge mit Luftwegsbefeuchtung entzündliche Behandlungsansätze. und Atemphysiotherapie, der Infektion der Lunge mit Die Atemphysiotherapie, erstmals vor fast einem Antibiotikatherapie zu begegnen. Interessanterweise halben Jahrhundert bei kleinen CF-Patienten einge- ist dieses Grundkonzept auch heute – 40 Jahre später – setzt, ist und bleibt eine wesentliche Säule der CF-The- ebenso gültig wie damals. Allerdings unterscheiden rapie, hat sich aber im Laufe der Jahrzehnte wesentlich sich die Mittel, mit denen man diesen Ansatz in die Tat weiterentwickelt. Die einfache Thoraxklopfmassage umsetzt, zwischen damals und heute eklatant. Auf je- (Vibrieren, Klopfen, Absaugen oder assistiertes Hus- dem dieser Gebiete wurden in vielen kleinen Schritten ten) hat zwar immer noch ihren Platz in der Behand- große Fortschritte gemacht. lung von ausgewählten Patienten und in bestimmten Die Verdauungsstörung, d.h. vor allem der Man- Krankheitssituationen, wurde aber schrittweise durch gel an Pankreasfermenten, wurde durch Substitution andere Techniken ergänzt oder ersetzt. Insbesonde- mit aus dem Pankreas von Tieren gewonnenen Enzy- re selbstapplizierteTechniken wie der Active Cycle of men behandelt. Diese Granulate waren einerseits der Breathing, die Autogene Drainage, die PEP-Masken- Schlüssel zu einer verbesserten Verdauung mit weni- therapie und der Flutter haben geholfen, die Abhängig- ger massigen und übelriechenden Stühlen und einem keit der Patienten von einer Pflegeperson zu reduzieren. deutlich verbesserten Gedeihen. Andererseits litt diese Frau Oberwaldner hat in Graz die Hochdruckversi- Therapie unter einer schlechten Steuerbarkeit, da im on der PEP-Maskentherapie entwickelt, im Weiteren Magen säurebedingt viel von diesem Granulat inakti- in klinischen Studien den Wirknachweis erbracht und viert wurde und damit gar nicht zum Wirkort Dünn- damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwick- darm gelangte. Der Durchbruch war dann die magen- lung der CF-Atemphysiotherapie geleistet. Um eine saftresistente Mikroverkapsulierung: Das Granulat Behandlungskontinuität über das Spital hinaus zu ge- wurde mit einem Überzug versehen, der es vor der Ma- währleisten, wurde schon in den 70er Jahren begonnen gensäure schützt und erst im Dünndarm aufgeht. Zu- die Eltern in Atemphysiotherapie zu schulen. Bei älte- sätzlich zur Fermenttherapie wurde bald Salz substi- ren Schulkindern war dann von der elterlich applizier- tuiert, um dem erhöhten Salzverlust der Patienten zu ten Therapie auf Selbstbehandlung umzustellen. begegnen; darüber hinaus verlangte die schlechte Auf- Eine über diese kurze Schilderung hinausgehende, de- nahme von fettlöslichen Vitaminen nach einer erhöh- tailliertere Darstellung der relevanten Entwicklungen ten Zufuhr derselben. in der Atemphysiotherapie findet sich im Artikel von Die Bronchialtoilette, d.h. die regelmäßige Entfer- Frau Oberwaldner. nung von Schleim und Eiter aus der Lunge, bestand an- Bis in die frühen 80er Jahre glaubte man, CF-Pati- fangs aus Luftwegbefeuchtung durch Nebelzelte und enten körperlich schonen zu müssen. Turnbefreiung in von Therapeuten oder Eltern applizierter Klopfmassage der Schule und Abraten von jeder Art von Sport waren des Brustkorbs. Wegen ihrer Patientenbelastung und ih- die praktischen Ergebnisse dieses Fehlkonzeptes. Ge- res Feuchtkeimrisikos wurden die Nebelzelte schon in stützt auf die Beobachtung von guten klinischen Ver- den 70er Jahren abgeschafft und durch schleimlösende läufen bei körperlich aktiven Patienten hat dann unsere 6 Leben mit Cystischer Fibrose
FACHLICHES Gruppe in Graz die ersten Studien zur positiven Aus- dazu sind spezielle, auf die Inhalation zugeschnittene wirkung von Sport auf die Lungenfunktion von CF-Pa- Antibiotikapreparationen entwickelt und für den Ein- tienten durchgeführt und veröffentlicht. Weitere Stu- satz bei CF bewilligt worden. Sowohl die technischen dien aus anderen Zentren sind gefolgt und ein radikales und hygienischen Anforderungen an die verwendeten Umdenken in diesem Bereich hat eingesetzt. Heute Verneblergeräte als auch die korrekte Handhabung sind sind Sport und körperliche Aktivität wesentliche Be- recht komplex, bleiben aber Voraussetzung für Wir- standteile der CF-Behandlung und nicht mehr aus un- kung und Sicherheit. seren Konzepten zur Bronchialtoilette wegzudenken. Bei akuten Verschlechterungen haben sich mehr- Früh wurde verstanden, dass die zu einer ra- wöchige Intensivtherapiephasen mit hochdosierten schen Verschlechterung führende bakterielle Infekti- intravenös verabreichten Antibiotika bewährt, wel- on des Bronchialbaumes ein vordringliches Therapie- che meist (aber nicht ausschließlich) im Rahmen ei- ziel sein muss. Dies machte Antibiotika zur wichtigsten nes Spitalaufenthaltes durchgeführt werden. Das hier Medikamentengruppe im CF-Management. Bakterien oft notwendige, wiederholte Legen eines Venenzugan- sind biologisch hochkompetente Organismen, die auf ges wurde meist zu einem substantiellen Trauma für den antibiotischen Angriff mit Keimwechsel und Re- die Patienten. Hier hat dann die Verfügbarkeit von per- sistenzentwicklung antworten können. Dementspre- manent eingepflanzten Venenzugangssystemen, wel- chend ist die Geschichte der antibakteriellen Therapie che nur einmal am Aufnahmetag angestochen werden bei CF die eines ständigen Wettrennens zwischen der müssen, Abhilfe geschaffen. Entwicklung neuer Antibiotika und besserer Verabrei- Der CF-Spezialist allein ist nicht allen diagnos- chungsformen einerseits und den bakteriellen Abwehr- tischen und therapeutischen Herausforderungen, die reaktionen auf derartige Innovationen andererseits – in der CF-Medizin auftreten können, gewachsen, was die Geschichte eines „running battle“. In den frühen ohne Zweifel eine multidisziplinäre Versorgung not- Jahren waren es vor allem Staphylokokken, die einer- wendig macht. Neben der ohnehin Seite an Seite mit seits eine sehr rasche Verschlechterung verursachen dem CF-Arzt arbeitenden Atemphysiotherapie benö- konnten, anderseits aber relativ einfach zu behandeln tigt man immer wieder ein weites Spektrum von ande- waren. Im Weiteren wurden sie aber von Pseudomona- ren medizinischen Spezialisten. Die Diätologie hilft bei den als häufigste bronchiale Besiedler abgelöst. Offen- Ernährungsproblemen, Labormedizin, Genetik und sichtlich ist diese Besiedlung für unterschiedliche Pati- Radiologie in der Diagnostik. Der Kinderchirurg ver- enten von unterschiedlicher Krankheitsbedeutung. Bei sorgt den Mekoniumileus (Darmverschluß bei Neu- manchen treibt sie eine progrediente Verschlechterung geborenen als mögliche Frühmanifastation der Erkran- voran, andere scheinen die Besiedlung für Jahre und kung), der Thoraxchirurg operiert den Pneumothorax Jahrzehnte mit nur geringem Voranschreiten der Lun- (eine Komplikation der Lungenerkrankung), der Inter- generkrankung zu tolerieren. Wahrscheinlich spielt ventionelle Radiologe wird zur Katheterembolisation hier die immunologische Reaktion des Patienten auf bei Bronchialarterienblutung (eine weitere Komplika- die Besiedlung eine entscheidende Rolle. Mit der Iso- tion der Lungenerkrankung) benötigt, der HNO-Arzt lation von multiresistenten Pseudomonaden und ande- operiert bei Nasenpolypen und der Diabetologe hilft ren krankheitsbeschleunigenden Problemkeimen, wie bei der Insulineinstellung der CF-typischen Zucker- B.cepacia und atypischen Mykobakterien aus den Lun- krankheit, um nur einige zu nennen. Mit der verbesser- gen von CF-Patienten hat die Komplexität der antibak- ten Therapie kamen in den letzten Jahrzehnten immer teriellen Therapie weiter zugenommen. mehr Patienten ins Erwachsenenalter. Dort ergaben Bald zeigte sich, dass für die Dauertherapie die sich bis dato neue, eher erwachsenentypische Erkran- verfügbaren oralen Medikamente nicht ausreichten. In kungsmanifestationen wie ein häufiger auftretender den 80erJahren entstand in der englischen CF-Medizin CF-Diabetes, Osteoporose, Leberzirrhose und männ- das Konzept, antibiotisch wirksame Substanzen direkt liche Infertilität, sowie der Einfluss der Erkrankung an die Infektionsstelle, d.h. die Innenseite der Bronchi- auf die Schwangerschaft von Patientinnen. Auch hier en, als eingeatmetes Aerosol (Nebel) zu applizieren; ist die Zuziehung anderer medizinischer Spezialisten so entwickelte sich eine neue Behandlungsstrategie sinnvoll. In all diesen Problemgebieten hat sich in den in Form der Antibiotikainhalation. Das Grazer Zent- letzten vier Jahrzehnten eine Fülle von Neuerungen rum hat als eines der ersten in Kontinentaleuropa diese und Verbesserungen ergeben, aber es würde das Format neue Behandlungsform übernommen und in eigenen dieses Artikels sprengen, darauf vertieft einzugehen. Studien exploriert. Da damals noch keine inhalations- Es ist weder für die Eltern noch für die Patienten fertigen Medikamente zur Verfügung standen, musste selbst einfach, das Vorliegen einer lebenslangen chroni- man antibiotische Präparate zur intravenösen Verabrei- schen Erkrankung zu akzeptieren. Oft wird dieser Tat- chung verwenden. Wesentliche Detailfragen wie Do- sache mit Schuldgefühlen, Verzweiflung, Zorn, Ag- sis, geeignete Verneblergeräte, bronchiale Verträglich- gression oder auch Leugnung begegnet. Ehen sind an keit (Osmolarität, pH-Wert, etc.) waren zu klären. Im dieser Belastung zerbrochen, Therapieadhärenz hat ge- Weiteren wurde die Wirksamkeit von inhalativ verab- litten und potentiell vermeidbare Verschlechterungen reichten Antibiotika in vielen Studien bestätigt und hat wurden provoziert. Klassische Krisensituationen ent- sich so als neue Behandlungsstrategie etabliert. Parallel stehen durch Ess- und Therapieverweigerung des kran- Cystische Fibrose Hilfe Österreich 7
FACHLICHES ken Kindes, durch mangelhaftes Selbstmanagement All die besprochenen Behandlungsansätze beschäftigen nach Auslaufen der elterlichen Pflege in der Pubertät sich mit den einzelnen Organerkrankungen und den und durch elterliche Überprotektivität. Diesen nur allzu dort ablaufenden pathologischen Prozessen, sowie mit gängigen Problemen ist von Seiten der Medizin nur mit den resultierenden Funktionsausfällen. Natürlich wür- Geduld und psychologischem Geschick zu begegnen. de es noch mehr Sinn machen, mit einer effektiven The- Über die letzten drei Jahrzehnte sind fast alle Zentren rapie den krankheitsverursachenden Zelldefekt direkt dazu übergegangen, Psychologen in das CF-Team aufzu- korrigieren oder zumindest abschwächen zu können. nehmen, was sich im Weiteren als wesentliche Hilfe im Die Entwicklung einer solchen pharmakologischen Management derartiger Probleme bewährt hat. Freilich Therapie des elementaren Defektes wurde auf Initiative heißt das nicht, dass CF-Arzt und Atemphysiotherapeut der American Cystic Fibrosis Foundation in den letzten nicht selbst immer und immer wieder psychologisches zwei Jahrzehnten vorangetrieben und hat erste klinisch Geschick aufbringen und einsetzen müssen. Auch der einsetzbare und in Ihrer Wirkung bestätigte Substan- zugezogene Psychologe sollte idealerweise viel medizi- zen geschaffen. Allerdings bleiben diese defekt- und nisches Wissen zur Erkrankung haben, um in jeder Situ- deletionsspezifisch, dh. ein Wirkstoff kann nur einen ation kompetent und konstruktiv zu bleiben und nicht spezifischen Zellschaden, das Resultat einer (oder ei- ärztliche Empfehlungen unbeabsichtigt zu unterlaufen. niger weniger) Deletion(en) behandeln. Grundsätzlich In der CF-Betreuung war bald klar, dass die The- unterscheidet man bei den heute entwickelten (oder rapie zwar das Fortschreiten der Erkrankung verlangsa- in Entwicklung befindlichen) Substanzen zwischen men oder sogar aufhalten kann, einmal entstandene Or- Korrektoren, welche sich an die schwereren Formen ganschäden aber meist irreversibel sind. Die Therapie der zellulären Funktionsstörung wenden, und Poten- ist also eher konservierend als reparativ. Das legte nahe, tiatoren, welche normal lokalisierten, aber funktions- mit der Behandlung idealerweise möglichst früh in den schwachen CFTR stimulieren. Dieser Therapieansatz Krankheitsverlauf einzusteigen. In den frühen 80erJah- ist sicherlich vielversprechend, wenn auch die hohen ren entstanden, diesem Konzept folgend, in Australien Kosten ein nicht zu vernachlässigendes Finanzierungs- die ersten Ansätze zu einem Neugeborenenscreening problem darstellen. Die gelegentlich vorgeschlagene (Suchtest zur Identifikation der Erkrankung schon nach Strategie, diese Behandlung nur den schwerer erkrank- der Geburt). Schrittweise hat sich im Weiteren gezeigt, ten Patienten zu ermöglichen, ist in ihrer Sinnhaftig- dass im Blut von Neugeborenen mit CF das Immunre- keit vor dem Hintergrund einer progredient zur Organ- aktive Trypsin (IRT) erhöht ist und damit eine sinnvolle zerstörung führenden Erkrankung zu hinterfragen. Es Basis für ein solches Screening darstellt. Das IRT-Scree- erscheint logischer, den elementaren Defekt möglichst ning wurde inzwischen etappenweise in vielen Län- früh mit dieser Therapie anzusprechen. dern eingeführt; Österreich war relativ früh Mitglied Noch elementarer könnte man in die Krankheits- dieser Gruppe, ein Fortschritt, an dem das Grazer Zen- entstehung mit einer Gentherapie, d.h. mit der Korrek- trum maßgeblich beteiligt war. tur des Gendefektes, eingreifen. Schon Ende der 80er- In den letzten Jahrzehnten hat die Transplantati- Jahre wurde nach der Identifikation des CF-Gendefektes onsmedizin enorme Fortschritte gemacht. Mit der im von namhaften Wissenschaftlern eine Heilung der Er- englischsprachigen Raum entwickelten Lungentrans- krankung in wenigen Jahren prognostiziert. Dieser Op- plantation ergab sich eine rettende therapeutische Mög- timismus hat sich leider nicht bestätigt. Grundsätzlich lichkeit für Patienten mit weit fortgeschrittener Lun- wurde (und wird) versucht, das korrigierende Genma- generkrankung. Operationsmethoden, Transport und terial mit Hilfe von Vektoren (z.B. modifizierten Viren) Konservierung des Spenderorganes, sowie die nach der in die Lunge und die dort defekten Epithelzellen ein- Transplantation zur Verhinderung der Abstoßung not- zuschleusen. Heute, 30 Jahre nach dem Beginn dieser wendige Immunsuppression wurden kontinuierlich Versuche, ist dies leider noch immer nicht im klinisch weiterentwickelt. Das postoperative Leben der Patien- wirksamen Ausmaß gelungen. Mangelnde Effektivität ten ist charakterisiert vom beeindruckenden Erlebnis, von potentiellen Vektoren, sowie die Abwehr von Vek- wieder besser Luft zu bekommen, aber auch von einem toren durch das körpereigene immunologische System ständigen medizinischen Balanceakt zwischen Absto- waren bis dato unüberwindbare Hindernisse. ßung und immunsuppressionsbedingter Infektion. Etli- Schon früh haben entsprechende Studien (z.B. aus Dä- che Patienten entwickeln nach der Transplantation eine nemark) gezeigt, dass in spezialisierten Zentren be- chronische Abstoßungserkrankung, welche nach Jah- treute Patienten eine bessere Prognose haben als jene ren eine Retransplantation notwendig macht. Andere in der alleinigen Obhut einzelner Ärzte. Diese Tatsache, (d.h. außerhalb der Lunge existente) Organmanifestati- in Kombination mit der Erkenntnis, dass zum CF-Ma- onen bleiben natürlich bestehen und bedürfen weiterhin nagement ein gerütteltes Maß an spezialisiertem Fach- der Behandlung. Grundsätzlich ist die Lungentransplan- wissen notwendig ist, hat weltweit zum Aufbau von tation wegen diesen noch immer vorhandenen medizi- CF-Zentren geführt. Diese definieren sich nicht nur nischen Komplikationsmöglichkeiten wohl nicht als ge- durch die Verfügbarkeit von spezialisierten Ärzten und nerelle Lösung der CF-Problematik zu sehen; dafür sorgt Therapeuten sondern auch durch eine Spezialambulanz darüber hinaus auch die limitierte Verfügbarkeit von und speziell auf diese Patienten ausgerichtete stationäre Spenderorganen. Aufnahmemöglichkeiten. Lungenfunktionsdiagnostik, 8 Leben mit Cystischer Fibrose
FACHLICHES Labordiagnostik (Schweißelektrolyte), Bakteriologi- und spezialisierte Medizin interagieren Zug um Zug in sche Sputumdiagnostik, Radiologie inklusive Compu- einem schwierigen Schachspiel; bisher ist die Therapie tertomografie und vieles andere mehr kombinieren sich immer wieder im Vorteil geblieben, aber Schachmatt ist zu so einem Zentrum. Wesentlich ist bei Vorliegen von die CF noch immer nicht. Die Summe all dieser medizi- Komplikationen die unlimitierte Verfügbarkeit von nischen und organisatorischen Neuerungen, Änderun- spezialisierten Ärzten und Therapeuten auch nachts gen und Verbesserungen hat die Erkrankung dement- und an Wochenenden. Wie man ein CF-Zentrum im sprechend noch immer nicht endgültig besiegt, wohl Detail definiert, ist Gegenstand der Diskussion, aber aber für die Patienten zu einer eklatanten Steigerung wahrscheinlich würden viele Einrichtungen, die sich der Lebenserwartung und zu einer deutlichen Verbes- als Zentrum betrachten, einer detaillierten Analyse serung der Lebensqualität geführt. nicht standhalten. Mit dem steigenden Überleben der Viele Aspekte der CF-Therapie sind also heute Patienten ist die CF von einer rein pädiatrischen Er- anders als vor 40 Jahren; sind alle besser? Nicht unbe- krankung zunehmend auch zu einer Herausforderung dingt! Auf Seiten der ärztlichen und physiotherapeuti- für die Erwachsenenmedizin geworden. Idealerweise schen Betreuer war in den frühen Jahren die Versorgung sollten (und sind) dort auch CF-Zentren entstanden. dieser Patienten getragen von Interesse, Begeisterung Verschiedene Protokolle regeln den Übergang von der und Zuwendung. Vor allem nahm man sich Zeit - so- kinderärztlichen in die Erwachsenenbetreuung. wohl in der ambulanten und stationären Versorgung als Unter dem Druck von für diese Patienten nicht auch für Gespräche mit Patienten und Eltern. Diese Zeit ausreichenden medizinischen Strukturen sind in den stand, wenn auch im bescheidenen Ausmaß, zur Verfü- frühen Jahrzehnten weltweit Eltern- und Betroffenen- gung. Die Begeisterung und Zuwendung der medizini- vereine entstanden. Dort erleben die Patienten und die schen Betreuer ist heute wohl ebenso groß wie damals, Eltern, dass sie mit dieser Erkrankung nicht allein im aber in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten haben Ra- Leben stehen, haben die Gelegenheit zum Erfahrungs- tionalisierungsmaßnahmen und Sparprogramme ver- austausch, lernen bei Fortbildungsveranstaltungen, be- sucht, den Betreuern diesen Luxus der zeitintensiven ziehen Informationsmaterial, erhalten Unterstützung Zuwendung auszutreiben und Ärzte sowie Therapeu- in Notfällen, engagieren sich in Öffentlichkeitsarbeit ten zu medizinischen Fließbandarbeitern zu degradie- und vertreten ihre Interessen gegenüber politischen ren. Dienstposten werden von Verwaltungsapparat Entscheidungsträgern. Auch in Österreich wurden und Gesundheitspolitik nach normierten Zeitpake- mehrere solche Vereine gegründet und können auf eine ten für ambulante Vorstellung und stationäre Visite be- sehr erfolgreiche Tätigkeit stolz sein. Zu Bedauern ist rechnet; zur juridische Absicherung der medizinischen dazu vielleicht, dass diese kleinen Vereine bis jetzt noch Tätigkeit wird eine immer weiter überbordende Doku- nicht im Sinne des „Gemeinsam-stärker-seins“ fusi- mentation vorgeschrieben. Ärzte, Pflege und Therapeu- oniert haben oder zumindest eine intensivere Zusam- ten verbringen oft mehr Arbeitszeit vor dem Computer menarbeit pflegen. Hier haben wohl in der Vergangen- als beim Patienten. Kein Wunder, dass unter solchen heit gelegentlich persönliche Eitelkeiten, Sympathien Rahmenbedingungen das Gespräch, die Beratung, die und Antipathien den Blick auf das gemeinsame Ziel menschliche Zuwendung, oft zu kurz kommen. Vor verstellt. dieser Wirklichkeit werden Mahnungen sich mehr Zeit Zusammenfassend ist die Entwicklung der CF- für die Patienten zu nehmen, sowie häufig eingesetzte, Therapie über die letzten vierzig Jahre nicht so sehr eine griffige Schlagworte und Slogans der Lüge gestraft. Die- Geschichte von spektakulären Innovationen und Ent- se entpersonifizierte Spitalsmedizin läuft Gefahr, eine deckungen, sondern die Legende eines Fortschrittes Atmosphäre der Kälte zu produzieren, welche natür- in vielen kleineren und größeren mühseligen Schrit- lich von sensiblen und erfahrenen Patienten und Eltern ten. Ohne Zweifel war die CF-Medizin vor 40 Jahren wahrgenommen wird; immer wieder treiben erlebte in vielen Aspekten anders als heute. Bakterielle Besied- Enttäuschungen sie in die Arme von Scharlatanen und lung der Lunge war ehemals mit den verfügbaren An- Wunderheilern und weg von einer konstruktiven, evi- tibiotika relativ einfach zu behandeln, multiresistente denzbasierten Schulmedizin. Keime noch kein großes Problem, Spätkomplikationen der Erkrankung noch weitgehend unbekannt. Mit der HEUTE UND MORGEN intensivierten Dauertherapie und der damit erreich- Heute liegt die Lebenserwartung eines CF-Patienten ten, schrittweisen Steigerung der Lebenserwartung im statistischen Mittel schon deutlich über 40 Jahren – hat die Erkrankung an Komplexität zugenommen und ein toller Fortschritt für eine Erkrankung, an der vor so die Medizin vor immer weitere Herausforderungen 40 Jahren rund drei Viertel aller Patienten im Kindes- gestellt. Damit wurden der Therapie zunehmend neu- alter verstorben sind. Auch die Lebensqualität hat sich ere und differenziertere Strategien abverlangt. Paral- für alle Altersstufen eklatant verbessert. In den meis- lel dazu sind auch die organisatorischen Anforderun- ten Ländern sind die Patienten in Zentren versorgt, ha- gen an die CF-Zentren gewachsen; so bedingt heute ben ihnen bekannte ärztliche und physiotherapeuti- das Risiko, sich mit multiresistenten Keimen zu infi- sche Dauerbetreuer und profitieren von den ständigen zieren, die Verfügbarkeit von Einzelzimmern und die Fortschritten in der Therapie und der Forschung. Dass, Schaffung komplexer Ambulanzstrukturen. Krankheit wie oben ausgeführt, diese Versorgung zunehmend ge- Cystische Fibrose Hilfe Österreich 9
FACHLICHES sichtslos zu werden droht, sollte Anlass für Wachsam- keit und couragierte Intervention sein. Insgesamt über- Zusammenfassend ist wiegen aber heute eindeutig die positiven Aspekte und die Entwicklung der Effekte der geschilderten Entwicklung. Mehr als die Hälfte der Patienten sind Erwachsene, viele sind be- CF-Therapie über die rufstätig, viele verheiratet oder in Beziehungen und letzten vierzig Jahre einige sogar Eltern. Freilich bleibt ein CF-Betroffener nicht so sehr eine Ge- trotzdem immer von einer schweren Dauererkrankung schichte von spekta- bedroht und beeinflusst, aber es ist bewundernswert, mit wie viel Mut, Optimismus und Frohsinn die meis- kulären Innovationen ten unter diesem Damoklesschwert ein fast normales und Entdeckungen, Leben führen. sondern die Legende Ich selbst betrachte die weitere Entwicklung der CF-Medizin nun schon aus dem Lehnsessel des Ruhe- eines Fortschrittes in standes und freue mich, das Privileg gehabt zu haben, vielen kleineren und die geschilderte 40-jährige Entwicklung sozusagen aus größeren mühseligen der „ersten Reihe fußfrei“ miterlebt und mit eigener Schritten. Forschung mitgestaltet zu haben. Ich bin stolz darauf, dass einige der Patienten, welche ich schon als Säug- ling oder Kleinkind medizinisch versorgt habe, heute zu meinem Bekannten- und Freundeskreis zählen. Ich sehe sie in den Vorstandssitzungen von CF-Austria und unternehme mit Einzelnen sogar gelegentlich eine Wanderung oder eine Schitour. Immer sind sie mir ein beeindruckendes Beispiel für Lebensmut und -freude. Sie haben meine uneingeschränkte Hochachtung. Bei der Frage nach der Zukunft der CF-Medizin fällt mir spontan ein Ausspruch von Yogi Berra (ein amerikanischer Baseballspieler, der für seine skurrilen Äußerungen berühmt geworden ist) ein, welcher ein- mal gemeint hat: „Prognosen sind schwierig – insbeson- dere wenn es um die Zukunft geht“. Kurz- und mittel- fristig ist zu hoffen, dass sich die klinische Versorgung weiter bessert und weitere Substanzen zur pharmako- logischen Beeinflussung des elementaren Defektes ge- funden werden. Vielleicht gelingt auch der über Jahr- zehnte angestrebte und ersehnte Durchbruch zu einer effektiven Gentherapie. Auf lange Sicht wird auf jeden Fall das menschliche Streben nach wissenschaftlichem Fortschritt, der menschliche Wille zur Verbesserung und Innovation, den endgültigen Sieg über diese tücki- sche Erkrankung erringen. Ich bin stolz darauf, dass einige der Patienten, welche ich schon als Säugling oder Kleinkind medizinisch versorgt habe, heute zu meinem Bekannten- und Freundeskreis zählen. Erklärungen Für den Verfasser dieses Artikels besteht kein Interessenskonflikt im Sinne eines Honorars, einer Anstellung oder eines sonstigen Nahverhältnisses zur Pharmakologischen Industrie. Im Sinne einer flüssigeren Lesbarkeit ist dieser Artikel nicht gegendert; die gebrauchte männliche Form steht gleichermaßen für weibliche und männliche Begriffe. 10 Leben mit Cystischer Fibrose
FACHLICHES Vierzig Jahre CF Physiotherapie Eine sehr persönliche Rückschau auf eine bemerkenswerte Entwicklung BEATRICE OBERWALDNER MSC, EHEM. LEITERIN DER ATEMPHYSIOTHERAPIE KLIN. ABTEILUNG FÜR PULMONOLOGIE/ALLERGOLOGIE DER UNIV.-KLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDHEILKUNDE, GRAZ. P hysiotherapie für CF-Menschen hat eine Ausweitung meiner Dienstzeit in die Ta- sich entlang der medizinischen Fort- gesrandstunden durch, um vor dem Frühstück schritte mit- und weiter entwickelt und vor der Nachtruhe zur Verfügung zu stehen. und hat in den letzten 40 Jahren viele neue Das entstandene „Mittagsloch“ wurde durch Wege beschritten. Angestoßen wurde Neues die Besuchszeit überbrückt. Dass diese frei- meist durch die intensive Beschäftigung mit willige „work-life-imbalance“ bei Dienstgeber CF-Menschen, für deren spezifische Probleme und Kolleginnen auf wenig Verständnis stieß, wir Lösungen finden wollten. Die Rückschau war nicht wichtig, denn die CF-Kinder zeigten auf die PT-Entwicklung in den vergange- mit mehr Appetit, weniger Erbrechen, besserem nen Jahrzehnten, national wie international, Schlaf, dass es eine gute Entscheidung war. Am Silberling kann gut am Beispiel der CF-Betreuung in Graz geschehen, sind doch viele Innovationen ERSTE FORTSCHRITTE von hier ausgegangen. Inzwischen war es Prof. Zach gelungen, an der Univ.-Kinderklinik Graz eine Pulmonologie DIE ANFÄNGE zu starten, d.h., einen stationären Bereich mit Bis in die späten 70-er Jahre wurden CF-Kin- definierten „Pulmo-Betten“ und eine Ambu- der (Erwachsene gab es damals kaum; das lanz zu schaffen. CF-Kinder aller Altersstufen mittlere Erlebensalter lag im Schulalter) nur wurden von nun an immer auf derselben Stati- im stationären Bereich betreut. Bei akuten on betreut und in einer Ambulanz zu regelmä- Lungen- oder Verdauungsproblemen, mit ßigen Kontrolluntersuchungen gesehen. Ge- deren Behandlung Hausarzt/Eltern daheim genseitiges Kennenlernen wurde von beiden überfordert waren, kam ein CF-Kind in die Seiten als Vorteil gesehen. Mit dem damals ers- Klinik, wurde je nach Alter auf der Säugling-, ten Lungenfunktionsgerät konnte neben der Kleinkind-, Schulkind-Station untergebracht klinischen Untersuchung die individuelle und vom jeweiligen medizinischen und pfle- Lungensituation auch in ihrer Funktion be- gerischen Personal bestmöglich behandelt. gleitet werden. Drohende Verschlechterungen Nächtliche Unterbringung im „Nebelzelt“ konnten damit früh erkannt und behandelt und ein bis zweimal täglich Physiotherapie werden, oft ein stationärer Aufenthalt abge- wurden zur Schleimlösung und -entfernung wendet oder vorausschauend geplant werden. eingesetzt. Routinemäßig bestand Physio- Für mich entstand durch diese neue therapie aus der klassischen Klopftherapie in ambulante Begleitung des Krankheitsver- verschiedenen Lagerungspositionen; ein ein- laufs die Chance, mehr über den „normalen“ faches therapeutisches Regime, das in jeder Gesundheitszustand der Patienten zu erfas- Physiotherapieausbildung gelehrt wurde und sen, unterschiedliche Methoden zur Sekret- damit auch von Therapeutinnen, die schwer- förderung auszutesten, Techniken zu schu- punktmäßig mit Bewegungstherapie gut aus- len/optimieren und Physiotherapie jenseits gelastet waren, durchgeführt werden konnte einer akut notwendigen Sekretförderung an- (eher musste, denn beliebt waren diese unge- zubieten. Kraft-Ausdauer, allgemeine Fit- wohnten Einsätze nicht). ness, Brustkorbbeweglichkeit, Huststeuerung, Nach mehreren Jahren Spezialisierung in Atemnotstrategien – es gab viel zu tun. Mein Atemphysiotherapie und Einsatz bei lungen- Dienstzeitmodell wurde bei Kolleginnen ohne- kranken Patienten in Südafrika und England dies als „Begehrlichkeit weckende Bedrohung“ wurde ich 1977 nach Graz „gelockt“, um das gesehen und so war die angestrebte „Über- Physiotherapieteam mit Atemphysiotherapie siedlung“ meines Dienstpostens in die Pulmo- zu ergänzen. Das akute Krankheitsgeschehen nologie willkommen und ich wurde (frei nach der CF-Kinder ließ mich schnell das Routine- Schiller „ich sei, gewährt mir die Bitte, in eu- vorgehen verlassen und durch ein bedarfsorien- rem Bunde die Dritte“) neben Prof. Zach und Sr tiertes Physiotherapieangebot ersetzen. Da für Hannelore Teil des kleinen feinen Pulmoteams. die Kinder das Schleimproblem am Morgen und in der Nacht besonders belastend war, setzte ich Cystische Fibrose Hilfe Österreich 11
FACHLICHES PRODUKTIVE JAHRE – ERWEITERUNG Methodik) und sorgte aufgrund der Neuheit des DES THERAPIESPEKTRUMS Vorgehens für Aufsehen. BEWEGUNGSTHERAPIE – SEKRETFÖRDERUNG Durch die subjektive und objektive posi- DURCH HYPERVENTILATION tive Erfahrung mit körperlicher Belastung bei CF-Kinder wurden bis zu dieser Zeit eher ge- CF gestärkt, gingen wir noch einen Schritt wei- schont, sie waren vom Schulturnen (und da- ter und veranstalteten 2-wöchige „Sommerla- mit von allen lustigen schulischen Aktivitä- ger“ (Therapieaufenthalte am Berg, am Meer). ten wie Wandertagen, Schikursen, Eislaufen, Mit der Kühnheit der Jugend und dem Vertrauen Schwimmen, etc.) befreit, weil die von Akti- der Eltern ausgestattet wagten wir es, während „Mit dem Reden vität ausgelösten Hustattacken/Luftnot ver- dieser „bewegten Wochen“ auf eine konventi- kommen d'Leut mieden werden sollten. Wir gingen hier einen onelle Sputumförderung gänzlich zu verzich- neuen Weg und nutzten die Sputum mobilisie- ten. Für dieses „Zuckerl“ waren alle bemüht, z'samm“ und rende Bewegung: Physiotherapie förderte da- mit dem intensiven Bewegungsprogramm ihre wenn man, wie mit schneller und weniger anstrengend mehr Lungen bestmöglich zu reinigen. Der subjektiv das Pulmo-Drei- Sputum und war dazu auch noch lustig. positive Effekt der ersten „Lager“ wurde objek- erteam, mehrere Bei stationären Aufenthalten waren tiviert, die Ergebnisse wiederum in internatio- Kinder damals alleine, Besuchszeiten waren nalen Wissenschaftszeitungen veröffentlicht. Jahre ein Zimmer auf wenige Nachmittagsstunden beschränkt, Diese Therapieaufenthalte dienten den Teilneh- geteilt hat, ent- Basteln im Kindergarten und Physiothera- mern nicht nur der Einschätzung und Verbes- standen automa- pie waren daher „Highlights“ im sonst ein- serung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit, tönigen Spitalsalltag. Physiotherapie mit ab- dem selbständigeren und selbstverständliche- tisch Gespräche wechslungsreichen Einheiten im Wald, am rem Umgang mit der Krankheit, es war vor al- über Patienten. Teich, beim Streichelzoo, im durch Spenden lem die gemeinsame Zeit mit Gleichbetroffenen, bescheiden ausgestatteten „Kraftkammerl“, die einander Freund, Vorbild, verständnisvol- im Schwimmbad (wenn eine Leitung ka- ler Gesprächspartner und Unterstützung sein putt wurde, nutzten wir die „zugangsfreie“ konnten. Für uns als Betreuer waren sie wert- Zeit zum Schwimmen, womit meist auch der voller Wissensgewinn, denn dieses gemeinsame Kummer über das erneute Stechen gemildert Leben lieferte unschätzbar mehr Informationen war) waren so attraktiv, dass die im Zimmer als jede noch so genaue klinische Untersuchung. mituntergebrachten Kinder ums Mitmachen Wir hatten Zeit, Probleme zu erkennen, Lösun- buhlten. gen zu finden und diese auf Effektivität, aber Es war auffallend, dass Kinder an Tagen auch Machbarkeit zu prüfen, Kindern Selb- mit z.B. Schwimmen, einem flotten Spazier- ständigkeit anzuvertrauen; damit war es ein- gang, einem Federballmatch, in kürzerer Zeit fach, CF-Kinder zu verstehenden „Co-Mana- mehr Sputum fördern konnten als an weniger gern“ ihrer Krankheit zu gewinnen. Zur Freude aktiven Tagen. „Mit dem Reden kommen d'Leut Vieler (auch der Eltern, die ohne schlechtes Ge- z'samm“ und wenn man, wie das Pulmo-Drei- wissen für zwei Wochen ihre Verantwortung erteam, mehrere Jahre ein Zimmer geteilt hat, für das CF-Kind abgeben durften) folgten Jahr entstanden automatisch Gespräche über Pati- für Jahr unzählige Lager, bis die Sorge vor einer enten. Diskussionen über Beobachtungen aus möglichen Keimübertragung schwerer wog als den verschiedenen Bereichen waren gegen- die positiven Erfahrungen. Mit stringenten Hy- seitig informativ und befruchtend. Prof. Zach gienerichtlinien für diese Lager ließ sich das Ri- regte an, meine Beobachtung über das ver- siko einer Kreuzinfektion zwar signifikant redu- mehrte Sputumaufkommen nach körperlicher zieren, aber trotzdem nicht ganz abstellen. Das Anstrengung mit einer klinischen Untersuchung war das Ende einer schönen und aus vielen Per- zu prüfen. Wir boten für mehrere Monate jede spektiven wertvollen Tradition. Woche drei intensive Schwimmeinheiten an, 15 Aktivitätsbedingte Hyperventilation als Kinder / Jugendliche waren mit Feuereifer dabei. Physiotherapieprinzip war aber damit geboren Das von den meisten akribisch geführte Sputum und sorgte national und international für gro- Tagebuch zeigte tatsächlich, dass die Menge an ßes Aufsehen. Bewegung wurde bald überall gefördertem Sputum an Schwimmtagen deut- auf der Welt fixer Bestandteil der CF-Physio- lich größer war als an den Zwischentagen. Ein- therapie, der die Sputumförderung erheblich fache Lungenfunktionen am Anfang und Ende unterstützen, allerdings nur beschränkt als Er- der Schwimmmonate erbrachten ebenfalls ei- satz dienen kann. nen positiven Effekt. Diese bescheidene klini- sche Untersuchung wurde in einem prominen- ten internationalen wissenschaftlichen Journal (Lancet) publiziert (wohl eher wegen der Origi- nalität als einer ausgefeilten wissenschaftlichen 12 Leben mit Cystischer Fibrose
FACHLICHES NEUE METHODEN ZUR SPUTUMFÖRDERUNG INTERNATIONALE ENTWICKLUNG/ ANTIBIOTIKA-INHALATION Ich hatte das Glück, CF-Kinder häufig zum La- ZUSAMMENARBEIT Ein großes britisches CF-Zentrum hatte be- chen zu bringen und bemerkte dabei, dass herz- Nahezu zeitgleich hatten sich in mehreren eu- gonnen, Patienten mit chronischer Pseudo- haftes anhaltendes Lachen (wie die druckvolle ropäischen Ländern Anfang der 80-er Jahre monasinfektion eine längerfristig notwendige Ausatmung bei der „forcierten Exspirations- engagierte Physiotherapeuten der Behandlung Antibiotikabehandlung (für die damals noch technik“) bei manchen Kindern eine bemer- von CF-Menschen verschrieben und anhand keine oralen Medikamente verfügbar waren) kenswerte Menge an Schleim zu Tage förder- ihrer intensiven Beobachtung der höchst un- über Vernebelung zu applizieren. Ein in der in- te. Zwei herzallerliebste „Lachtauben“ gaben terschiedlichen Pathophysiologien neue Tech- travenösen Therapie gut wirksames Antibioti- mir allerdings Rätsel auf: die eine konnte mit ih- niken zur effizienteren Sekretförderung kum wurde in einer fixen Dosierung mit phy- ren erfrischenden Lachanfällen in kurzer Zeit entwickelt: so entstanden in Belgien AD (Au- siologischer Kochsalzlösung verdünnt und mit ihre Lunge reinigen (ihre Eltern bedienten sich togene Drainage), in Dänemark PEP (positive gängigen Verneblergeräten über Wochen/Mo- häufig der erfolgreichen „Kitzeltherapie“), die expiratory pressure), in England FET(forced nate zu Hause verabreicht. Die wiederholte andere hustete zwar auch bei jedem Lachan- expiration technique) und ACBT (active cyc- Abgabe von geringen Antibiotikamengen mit fall, konnte aber nichts aushusten und japste le of breathing techniques), in Österreich Hi- der Ausatmungsluft barg das Risiko einer Re- nach Luft. Beide hatten viel Sputum, weshalb PEP (high pressure PEP), in der Schweiz Flut- sistenzentwicklung; ein Schlauch durch ein also dieser Unterschied? Mit Hilfe von Lun- ter (oszillierender PEP). Die Überlegenheit Loch im Fensterrahmen, mit dem die Ausat- genfunktionen konnte die Strömungsbehinde- aller dieser neuen Selbstbehandlungstechni- mung aus dem Raum geleitet wurde, war dort rung durch instabile Luftwege, die bei starkem ken gegenüber der klassischen Klopfthera- die Lösung. Husten zusammengequetscht wurden, als Ur- pie zur Sputumförderung wurde in klinischen Auch wir hatten Mitte der 80-er Jahre sache für ineffektives Husten verdächtigt wer- Studien nachgewiesen, sie wurden in den je- ein CF-Mäderl, das in ihren ersten Lebensjah- den. Eine Problemlösung bot sich zufällig an, als weiligen Ländern von Patienten gerne ange- ren häufige und lange Spitalsaufenthalte zur mir ein CF-Bub eine PEP-Maske mit den Wor- nommen und breit eingeführt. Diese wenigen i.v. Therapie benötigte; sie und ihre Familie lit- ten „in Dänemark haben alle CF-ler diese Mas- Physiotherapeuten fanden sich bei den Euro- ten verständlicherweise sehr darunter, sodass ke zum Spucken, können wir was damit anfan- päischen CF-Kongressen zusammen, tausch- wir die britische Therapieoption zur länger- gen?“ auf den Tisch legte. Noch war PEP nur in ten Erfahrungen aus, stellten als Referenten fristigen Behandlung versuchen wollten. Der Dänemark bekannt und praktiziert, Studien der ärztlichen Zuhörerschaft ihre Entwick- Gefahr einer Resistenzentwicklung begegne- dazu waren erst im Gang, sodass sich an zwei lungen vor und rangen um mehr Kooperati- ten wir anfangs mit Inhalation im Freien oder verschiedenen Orten parallel zwei unterschied- on in der Betreuung von CF-Patienten. Das in Räumen, die nicht zum Lebensbereich des liche Techniken (PEP und Hi-PEP) entwickelten. Miteinander von Ärzten und Physiothera- Kindes gehörten; auch dieses Vorgehen war Beide nutzten den Staudruck, der beim Ausat- peuten wurde in den meisten CF-Zentren all- dauerhaft wenig praktikabel und ähnlich un- men gegen einen Widerstand erzeugt wird, um mählich zur Selbstverständlichkeit, die in- attraktiv wie Löcher in Fensterrahmen. Meine Luft hinter schleimverstopfte Luftwege zu pres- zwischen gegründete IPGCF (International Idee, die Ausatmung in einem Filter aufzufan- sen; damit sollte Sputum aus sonst unzugängli- Physiotherapy Group for Cystic Fibrosis) wur- gen wurde „behirnt“ und diskutiert, schließ- chen Regionen gefördert werden können. de Teil der Europäischen CF-Gesellschaft, lich mit dem Interesse und den technischen Wir begannen mit einer Handvoll Kinder, hat heute eine weltweite Mitgliedschaft und Möglichkeiten eines Verneblergeräte Herstel- die ihre Sekretförderung perfekt beherrschten, ist in jede Jahrestagung gestaltend eingebun- lers als handgedrechselter Prototyp eines Ven- zu „experimentieren“. Sie sollten so gegen den den. Die kleine Initialgruppe hatte darauf ab- til-Filtersystems umgesetzt. Freilich war die- Widerstand der Maske ausblasen, dass sie mög- gezielt, CF-Betroffenen überall die gleich op- ses einfache System weniger wertvoll als der lichst viel „Luft ablassen“ konnten. Bald zeigte timale Physiotherapie zukommen zu lassen, Anstoß dazu; ein strömungstechnisch opti- sich, dass jeder „Tester“ diese Vorgabe mit einem dafür wurden zur Verbreitung der Expertise miertes System wurde wenig später serienmä- anderen Ausatmungsdruck erreichte. Diejeni- national und international Lehrveranstaltun- ßig hergestellt und ist mit geringen Änderun- gen, deren Husten üblicherweise effektiv war, gen zur Schulung weniger erfahrener Kollegen gen heute nahezu weltweit in Verwendung. d.h. die damit Schleim gut heraufbefördern angeboten. Der damalige „State of the Art“ der Wieder war es ein Kind, dessen Problem und konnten, nutzten niedrigere Drucke als diejeni- CF-Physiotherapie wurde auch in einem Kon- seine Lösung zu einer heute universell aner- gen, die lange anstrengende Hustserien benötig- sensuspapier zusammengefasst und veröffent- kannten Routine geführt hatten. ten, um Schleim los werden zu können. licht. Auch national hat sich eine Gruppe gebil- Inzwischen hatte Prof. Zach zwar ein ei- det, die danach trachtet, auch wenig erfahrene KONSOLIDIERUNG genes Zimmer, stellte sich aber immer noch Physiotherapeuten zu kompetenten CF-Be- Das Privileg, etwas aus Nichts machen zu kön- gern meinen Fragen. Er regte eine Lungenfunk- handlern werden zu lassen. nen, trug zu den anfangs rasch aufeinanderfol- tionsmethodik an, mit der der jeweils individu- Die Herkunft der Entwickler hat ver- genden entscheidenden Entwicklungen bei. In ell optimale Druck gegen den bei diesem Patien- ständlicherweise zu mehr Popularität der je- den Jahren danach galt es, Erreichtes zu verfei- ten verwendeten Widerstand gefunden werden weiligen Technik im jeweiligen Land bei- nern, optimieren und nach Bedarf Neues, wie konnte, um den vorzeitigen Verschluss von mit getragen. Spätere Studien, die diese neuen z.B. den Belastungstest zur Überwachung der Schleim verstopften Bronchien zu verhindern. Techniken miteinander verglichen, zeigten Leistungsfähigkeit, einzuführen. Mit der Um- Die Erkenntnis daraus war im Weiteren Basis keine Überlegenheit, d.h. der CF-Betroffene setzung weiterer medizinischer Fortschritte in für die Entwicklung der Hi-PEP Physiothera- kann sich aussuchen, welche Therapie er an- einer umfassenden Zentrumsbetreuung hat piemethode, deren Effektivität auf Sputumpro- wendet, solange sie der Pathophysiologie ent- sich das mittlere Lebensalter von Menschen duktion und Lungenfunktion in mehreren Stu- sprechend ausgewählt und technisch korrekt mit CF allmählich weit ins Erwachsenenalter dien belegt wurde. durchgeführt ist. verschoben, d.h. die ehemalige Kinderkrank- Cystische Fibrose Hilfe Österreich 13
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