Belastungsprobe - Universität Wien
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ALUMNI-MAGAZIN DER UNIVERSITÄT WIEN, NR 01/ 21 MÄRZ – MAI 2021 mentoring wirkt ALUMNI BEGLEITEN BERUFSEINSTEIGER*INNEN S. 4 was machen wir menschen mit der erde? DEMOGRAF WOLFGANG LUTZ ZUR NEUEN SEMESTERFRAGE S. 18 belastungsprobe WIE WIR KRISEN BEWÄLTIGEN. STRATEGIEN AUS DER RESILIENZFORSCHUNG S. 10
DAS DIGITAL BANKING MIT DEM EXTRA MEINE VIDEO- BERATUNG SO FLEXIBEL WIE SIE: PERSÖNLICHE BERATUNG IMMER & ÜBERALL Unser neuestes Service macht anonymes Digital Banking persönlich. Egal, ob Sie viel zu tun, keine Zeit oder einfach eine Frage haben: Es ist immer gut, schnell mit jemandem direkt sprechen zu können. Probieren Sie es aus – es geht ganz einfach, einen Termin mit Ihrem Wunschberater zu vereinbaren. DIE PERSÖNLICHSTE BERATUNG, SEIT ES DIGITAL BANKING GIBT. WIR MACHEN DEN UNTERSCHIED. raiffeisenbank.at/videoberatung
INHALT editorial LIEBE ALUMNAE, LIEBE ALUMNI! Nach acht Jahren als Korresponden tin und Expat in den USA bin ich seit Anfang des Jahres also wieder zurück in Wien. Leicht fällt ein Schritt nicht univie als E-Paper! nach so langer Zeit in einem Land, Aus Kostengründe in dem man gerne gelebt hat, das n versenden wir die aktuelle Au wissen diejenigen von Ihnen, die das sgabe ausschließlich dig aus eigener Erfahrung kennen. Auch ital. Das nächste Heft fin 4 ALMA MENTORING • Was berufserfahrene Alumni wieder wie gewohn Postkasten! den Sie t in Ihrem wenn Wien eine der lebenswertesten Städte der Welt ist. Aber im Moment jungen Kolleg*innen mit auf ihren gilt sowieso: Corona beherrscht hier Weg zum Traumjob geben. wie dort das tägliche Leben und verlangt uns allen einiges ab. Wie man 10 RESILIENZ • Wie sie uns hilft, Krisen zu über Ausnahmesituationen wie diese mit Hilfe der eigenen Resilienz bewältigen stehen, was wir tun können, um sie kann, ist Schwerpunkt unseres Maga zu stärken, und warum trotzdem zins. Das Spannende dabei: Resilienz 22 JDER nicht alles bewältigt werden muss. OBSUCHE IN ZEITEN kann man lernen. Wie? Bei uns geben PANDEMIE • Expert*innen Tipps. Ich persönlich habe Derzeit für viele ein aufreibender jedenfalls fest vor, einige davon zu Prozess: Wie Jobsuchende den beherzigen. eigenen Einflussbereich besser ausschöpfen können. Meine Hochachtung gilt in Zeiten wie diesen Müttern und Vätern von 24 EABSCHLUSS IN RÄTSEL ZUM Schulkindern. Ich will mir gar nicht 18 SEMESTERFRAGE • Im aktuellen Sommersemester • Welche Abschlussarbeit passt zu ...? vorstellen, im Homeoffice mit Kin dern zu arbeiten, Job und Familie auf machen sich Wissenschafter*innen Diesmal suchen wir die prominenten engstem Raum zu jonglieren. Genauso der Uni Wien Gedanken übers Autor*innen origineller Diplom wenig will ich mir vorstellen, keinen Anthropozän. Der Demograf arbeiten und Dissertationen. Job zu haben. In Zeiten von Unsicher Wolfgang Lutz ist einer davon. Garantiert plagiatfrei! heit einen Job zu suchen, auch das ist diesmal Thema bei uns. Mag. Hannelore Veit, Präsidentin des univie für Sie – bleiben wir in Kontakt! Alumniverbands der Universität Wien Wir schicken univie, das Magazin für Absolvent*innen der Universität Wien, an Personen, die innerhalb der letzten fünf Jahre ein Studium an der Universität Wien abgeschlossen haben oder wissenschaftlich tätig sind. Wenn Sie univie dauerhaft beziehen möchten: FOTOS: SHUTTERSTOCK / FOCUS AND BLUR · VERENA MOSER Werden Sie Mitglied im Alumniverband: alumni.ac.at/mitglied oder abonnieren Sie univie kostenlos als E-Paper oder Printmagazin: alumni.ac.at/abo Sie haben eine neue Adresse? abo@univie-magazin.at Impressum: Herausgeber: Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien & Alumniverband der Universität Wien · Medieninhaber & Redaktion: Alumniverband der Universität Wien, Spitalgasse 2, Hof 1.5, 1090 Wien, T: 01/4277-28001, www.alumni.ac.at, www.univie-magazin.at · Chefredaktion: Dr. Ingeborg Sickinger, Mag. Siegrun Herzog, redaktion@univie-magazin.at · Anzeigen: Mag. Judith Jennewein, judith.jennewein@univie.ac.at, T: 01/4277-28003 · Cover: Shutterstock/316pixel · Gestaltung & Grafik: Veza Quinhones-Hall, BA (Alumniverband) · Korrektorat: Mag. Ewald Schreiber 1 / 21 3
ALUMNIVERSUM mentoring.univie.ac.at erfahrungswerte 4 Berufseinstieg in Begleitung MENTORING WIRKT. Seit eineinhalb Jahren ist die alma Mentoring Plattform online. Jungabsolvent*innen und Studierende in der Abschlussphase können dort aus über 400 berufserfahrenen Alumni ihre persönlichen Mentor*innen auswählen, die sie bei der Jobsuche begleiten. Wir haben bei jenen nachgefragt, die das Angebot schon genutzt haben, als Mentor*in oder als Mentee. ZUSAMMENSTELLUNG: SIEGRUN HERZOG IM AUSTAUSCH MIT DEM NACHWUCHS „Ich musste in meinem Leben viele Wege ohne Das alma Mentoring Progamm verfolge ich schon Unterstützung ausprobieren. Viele Lektionen alleine seit Jahren. Als ich endlich die ausreichende Erfah lernen. Ich wäre dankbar gewesen, hätte ich rung und Expertise gesammelt hatte, um mich als jemanden mit Erfahrung an meiner Seite Mentorin zu melden, ging das Programm online. gehabt. Was ich nicht hatte, möchte ich Es war spannend, dieses neue Format gleich vom nun anderen ermöglichen. Ich hoffe, durch Start weg kennenzulernen. Erfreulicherweise wurde meine Tätigkeit als Mentorin vielen Men es durch grandiose Präsenzveranstaltungen ergänzt, schen eine Stütze in ihrer Entscheidungs die den lebendigen Austausch zwischen Mentor*in findung zu sein. Mit meinen Erfahrungen nen und Mentees sowie der Organisator*innen zur Klärung ihrer Fragen beizutragen. Und garantiert.Das Mentoring ermöglicht mir, den Kon mit dem gemeinsamen Mentoring-Prozess takt zu einer jüngeren Generation zu halten. Im Aus dabei behilflich zu sein, dass sie ihr volles tausch ihre Sorgen und Wünsche zu verstehen und in Potenzial ausschöpfen können. Die Mentees, die meiner Arbeit als Psychologin, Personalentwicklerin ich bisher begleiten durfte, waren alle von der Frage und Trainerin täglich besser zu werden.“ nach dem Sinn ihrer Tätigkeit beseelt. Es ging niemals primär um monetäre Erfolge oder Prestige, sondern Mag. Lilly Wagner, Alumna der Psychologie, Perso wirklich immer um das große Ganze. Die Fragen „Was nalentwicklerin bei der Stadt Wien – Wiener Wohnen erfüllt mich?“ oder „Wie kann ich mir selber treu blei Kundenservice GmbH, selbstständige Trainerin und ben“ standen zu meiner Freude im Vordergrund. ehrenamtliche alma Mentorin 4 1 / 21
ALUMNIVERSUM DIE NÄCHSTEN SCHRITTE in der Privatwirtschaft rund um ZUM TRAUMJOB digitale Produkte gibt und welche „Weder in meinem engeren Bekannten meinen Interessen und Fähigkeiten kreis noch in meinem familiären Umfeld gab es entsprechen würden. Ich hatte keine Personen, die wie ich ein sozialwissenschaftliches Ahnung, nach welchen Begriffen ich suchen Studium absolviert haben und mir hilfreiche Tipps und wo ich überhaupt anfangen sollte. Mit Hilfe für die Berufswahl geben konnten. Auf der alma meines Mentors konnte ich mich für eine Richtung Mentoring Plattform fand ich dann recht schnell entscheiden und auch die nächsten Schritte zu einen Mentor – mit einem ungewöhnlichen Berufs meinem Traumjob festlegen. weg, der auch mich reizen würde. Er schrieb mir Für mich ist das Mentoring jetzt schon ein Erfolg, prompt zurück und wir hatten wenige Tage später weil mir mein Mentor geholfen hat zu erkennen, unser Kennenlerntreffen via Zoom. Ich schätze welchen Job ich wirklich machen will, und mich an ihm seine sehr offene und kommunikative Art darin bestärkt hat, dieses Ziel auch zu verfolgen. und seine Erfahrung in meiner Wunschbranche. Seine Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg Er konnte mir schon einige hilfreiche Einblicke bin, hilft mir dabei wirklich enorm.“ gewähren. Zu Beginn wollte ich vor allem herausfinden, Lea Kerschbaumer, M.A., Alumna der Kultur- welche Jobs es für mich als Sozialwissenschafterin und Sozialanthropologie, alma Mentee MIT BREITEREN PERSPEKTIVEN Wollen. Aufgefallen ist mir aber bei UND GESTÄHLTER ZUVERSICHT allen bisherigen Mentees, dass „Orientierung am Arbeitsmarkt ist ein vielseitiges sie mit dem gegenwärtigen und mitunter diffuses Unterfangen. Mit einem Zustand bis zu einem gewissen geschärften Blick für das Wesentliche tut man Grad unzufrieden waren. Das sich leichter, davon bin ich überzeugt. Und diese zeigt mir, dass das Mentoring Blickschärfung kann ich als Mentor mitgeben, ohne hier eine sehr gefragte Nische gleich einen Job vermitteln zu müssen. Aus eigener bedient! Wenn die Mentees mit Erfahrung weiß ich, dass Nebenjobs während des geschärftem Handwerkszeug, Studiums wertvoll sein können, sie lassen sich in breiteren Perspektiven und gestähl FOTO: S 3: MARKUS SCHIEDER · S 4: PRIVAT Kompetenzen übersetzen und können bereits Anfor ter Zuversicht rausgehen, dann hat derungen in Stellenausschreibungen abdecken. das Mentoring für sie etwas gebracht.“ Eigeninitiative seitens der Mentees ist mir besonders wichtig, da habe ich bereits unterschiedliche Mag. Dorian Cantele, Alumnus der Philosophie, Erfahrungen gemacht: vom Unbedingt-Wollen aber ehemaliger Consultant, angehender Lehrer und Nicht-Können, bis zum Eigentlich-eh-nicht-wirklich- ehrenamtlicher alma Mentor 1 / 21 5
ALUMNIVERSUM SICH GEMEINSAM AUF DEN WEG MACHEN „Menschen auf ihrer Suche nach dem persönlichen Begeistert und beeindruckt hat mich die Kompetenz Weg zu unterstützen, hat mich immer interessiert. der jungen Frau, die ich begleitet habe. Ich hätte sie Denn meiner Erfahrung nach kann dieser Weg vom Fleck weg engagiert! Mir ist aufgefallen, dass sehr schwierig und voller Umwege sein. Im viele junge Absolvent*innen unglaublich kompetent, besten Fall findet man ein Gegenüber, das lösungskreativ und engagiert sind. Wäre ich Head motivierend und erfahren ist und einem hunterin, befände ich mich im Paradies. DAS nenne nicht die eigenen Vorstellungen über ich einen tollen Nachwuchs. Ich finde es ausgezeich stülpt, wie eine Zukunft auszusehen hat. net, dass es diese Plattform gibt, und nachdem ich – Ich möchte genau das weitergeben: wenn auch spätberufen – unendlich gerne studiert Sei ehrlich zu dir – wie möchtest du habe, sehe ich es als meine Verpflichtung und leben/arbeiten? Und dann finden wir Freude, junge Kolleg*innen zu unterstützen.“ gemeinsam heraus, welche Schritte dazu getan werden müssen. Mag. Katharina Ernst, Alumna der Publizistik Meine Mentee kam schon nach den ersten Mee und Kommunikationswissenschaft, Filmproduzentin, tings super voran, so war es auch nicht schlimm, dass Buchautorin und Inhaberin der Werbeagentur coop Corona die persönlichen Treffen beendet hat. wassermann sowie ehrenamtliche alma Mentorin KLARES BILD VOM ARBEITSMARKT „Der größte Benefit meines Mentorships war sicher das Mentoring beendet. Wir sind aber in Kontakt lich, dass ich meine Vorstellung vom Arbeitsmarkt geblieben, schreiben uns manchmal oder telefo und von meiner zukünftigen Tätigkeit schärfen nieren, wenn ich Fragen habe. Ich bin jetzt im konnte. Außerdem die Gestaltung meiner Bewer sozialpädagogischen Bereich tätig, wo ich auch bungsunterlagen, die schauen jetzt nach der eine zusätzliche Ausbildung mache. Mein Stu gemeinsamen Überarbeitung einfach viel besser dium der Politikwissenschaft liegt vorerst für aus. Mein Mentor ging sehr auf mich und meine zwei Semester auf Eis, das möchte ich später Bedürfnisse ein und vermittelte mir gute Vor aber fortsetzen.“ schläge und Ansätze. Ich bin ein Typ, der sich gerne beraten lässt, und diese Rolle hat mein Mentor wirklich gut erfüllt. Nach ca. vier Treffen hatte ich David Schwab, Studierender das Gefühl, es passt vorerst und wir haben der Politikwissenschaft, alma Mentee INFO-WEBINAR ZUR ALMA MENTORING PLATTFORM: Beim virtuellen Treffen mit dem alma Team erhalten Sie alle Infos zur Plattform und können Ihre Fragen live stellen. Do, 11. März 2021, 17–18 Uhr Für angehende Mentees (Jobsuchende), Teilnahme kostenlos, jetzt anmelden! Anmeldung 6 1 / 21
BILDUNG & SOZIALES GESUNDHEIT & NATURWISSENSCHAFTEN INTERNATIONALES & WIRTSCHAFT KOMMUNIKATION & MEDIEN RECHT Bildungshunger und Wissens- WISSENS-HÄPPCHEN, VIRENFREI SERVIERT: DAS ALUMNI WISSENS-UPDATE durst sind keine Das neue Online-Format des Alumniverbands, gestartet im Oktober 2020, bietet direkten Zugang zum Wissen der Dickmacher. Uni: Einmal im Monat nimmt sich ein*e Wissenschafter*in Lothar Schmidt Zeit und spricht über seine*ihre Forschung, Fragen des Publikums sind dabei zentraler Bestandteil. 5-mal wurde bereits „gewuppt“: Michael Wagner über Covid-19, Katharina T. Paul über Impfpolitik, Gertraud Seiser über die Kultur des Schenkens, Hannelore Veit über ihre Zeit in den USA und Brigitte Lueger-Schuster über Strategien gegen Corona-Müdigkeit. WEITERBILDEN AN DER Alle Talks können nachgesehen werden. UNIVERSITÄT WIEN Aber jetzt die schlechte Nachricht (die für viele Lesende natürlich eine gute ist): Das „WUP“ ist ausschließlich NEU Alumni-Mitgliedern vorbehalten – unser neuer, virtueller, monatlicher Treffpunkt! Für all jene, die das noch für eine schlechte Nachricht Das Postgraduate Center bietet halten, kann es hier zu einer guten werden: über 70 Weiterbildungsprogramme. alumni.ac.at/mitglied Im Jahr 2021 starten neu: DER NÄCHSTE TERMIN: ■ Digital Communication and Law (Zertifikat) 10. März 2021, 17 Uhr: Wie viel Sport ist gesund? ■ Europäisches und Internationales Dos & Don’ts aus der Sportmedizin Wirtschaftsrecht (MLS) FOTOS: S.6: PRIVAT (2x) · KATHARINA CZICZATKA · S.7: ORF mit Univ.-Prof. Jürgen Scharhag, Institut für Sportwissenschaft ■ Human Rights (LL.M./MLS) (neues Curriculum) ■ Psychotherapeutisches Fachspezifikum: Weiterer Termin siehe Kalender S. 26 Personzentrierte Psychotherapie (MA) Für Mitglieder im Alumniverband und alle, die es werden wollen (36 Euro p.a.). Anmeldung erforderlich! Unser Angebot im Überblick finden Sie in der alumni.ac.at/wup Gesamtbroschüre 2021/22 – jetzt bestellen unter: www.postgraduatecenter.at 1 / 21 7
ALUMNIVERSUM In der Kolumne „Was bleibt?“ schreiben prominente was bleibt? Absolvent*innen darüber, was sie aus ihrer Zeit an der Uni Wien mitgenommen haben – für den Beruf, für’s Leben generell. Wie wirkt ein Studium im Leben nach bzw. in die Gesellschaft hinein? Dr. Danielle Spera, Alumna der NEUES VON DER BIOLOGIE Publizistik und Politikwissenschaft, Auch die Biologie-Planungen unseres Teams für das Jahr 2021 leiden Direktorin des unter der Kurzfristigkeit des Planungshorizonts, welcher der Pande Jüdischen Museums miebekämpfung geschuldet ist. Im Alltag werden wir Biolog*innen Wien gerne dafür herangezogen, diverse Theorien zu Covid zu bewerten und um als Gradmesser für deren Plausibilität herzuhalten. Dazu ist GELEITET VON DER LEIDENSCHAFT auch der Austausch untereinander wichtig, weil befruchtend. Gerade Sehr oft werde ich um Rat gebeten, welche Stu in Zeiten des Lockdowns sind hier die Social Media die Agora der dienrichtung ich Maturantinnen und Maturanten Neuzeit. Und deshalb haben die Biologie Alumni auch auf Facebook vorschlagen würde, und in diesem Zusammenhang und LinkedIn jeweils eine eigene Gruppe ins Leben gerufen. auch, ob und wie nützlich mein Studium für meine Die Gruppen sind offen für wirklich jeglichen Inhalt, der irgendwie Karriere gewesen sei. Ich empfehle in jedem Fall ein biologierelevant ist. Tolle Makro-Aufnahmen von Kugelspringern, Studium an der Universität Wien, nicht nur weil sie neue Publikationen zu Sprachparametern der Glaubwürdigkeit, meine Alma Mater ist, sondern vor allem weil ich witzige Initiativen wie der Science-Haiku u. v. m. sie für eine großartige Bildungseinrichtung unseres Es wäre sehr fein, wenn sich noch mehr Biolog*innen finden, um Landes halte. Den Studienzweig sollte jede ange hier passiv mitlesend oder aktiv mit Content beisteuernd die beiden hende Studentin, jeder angehende Student sorgfäl Gruppen wachsen zu lassen! tig auswählen und sich hier auf das eigene Interesse, die eigene Leidenschaft, den eigenen Enthusiasmus Biologie Alumni auf Linkedin & Facebook verlassen. Schließlich ebnet das Studium den Weg in einen Beruf, den man letztendlich auch lieben bzw. mit großer Freude ausüben sollte. EVERYTHING THEY DO, THEY DO IT FOR YOU: DIE ALUMNI-FACHINITIATIVEN Meine ersten beiden Studienjahre waren geprägt vom Wunsch meines Vaters, der mich als Lehrkraft Hier kommt die nächste gute Nachricht, auch für Nicht-Mitglieder: sehen wollte. Sehr bald war mir klar, dass dies nicht Neben den hochaktiven Biologie Alumni bestehen zehn weitere meine Berufung wäre. Unter heftigstem Protest mei Alumni-Fachgruppen, die Sie in regelmäßigen Newslettern mit ner Eltern wechselte ich zu den von mir bevorzug Neuigkeiten aus der Fakultät und Veranstaltungshinweisen versorgen. ten Richtungen Publizistik und Politikwissenschaft, Am besten jetzt gleich abonnieren – hier finden Sie die Links: damals keine überlaufenen Massenstudien. Zur Vorbereitung meines späteren Berufs als Journa Biologie | Geowissenschaften, Geographie und Astronomie | listin dienten nicht nur Hermeneutik und Empirie, Informatik | Mathematik | Physik | Psychologie | Publizistik- sondern Lehrveranstaltungen mit praktischem und Kommunikationswissenschaft | Soziologie | Translations- Bezug. Tatsächlich war die wichtigste Voraussetzung für mein weiteres Berufsleben die detaillierte und wissenschaft | Wirtschaftswissenschaften | Zeitgeschichte exakte Recherche, die ich während meines Studiums perfekt erlernt hatte. Die wissenschaftlich fundierte alumni.ac.at/fachinitiativen Suche nach Informationen ist auch das Um und Auf in dem Beruf, den ich heute ausübe, als Kuratorin bzw. Direktorin des Jüdischen Museums Wien. Letzt endlich waren meine Eltern über meine Ausbildung Als man nach der zufrieden und stolz darauf, was ich erreicht hatte, Veranstaltung noch auch ohne den von ihnen gewünschten Berufsweg bei Brötchen und Bier einzuschlagen. Hier möchte ich gern mein Lebens zusammenstehen konnte ... motto, das von einem weisen Rabbiner stammt, als wir freuen uns schon Tipp weitergeben: Die ganze Welt ist eine schmale wieder auf Gespräche Brücke, das Wichtigste ist, keine Angst zu haben! und Begegnungen in Real Life! 8 1 / 21
ALUMNIVERSUM Diese beiden Absolventinnen lenken die Geschicke des Alumniverbands: Hannelore Veit (links) als Präsidentin und Ingeborg Sickinger als Geschäftsführerin. WECHSEL AN DER ALUMNI-VEREINSSPITZE: WILLKOMMEN, HANNELORE VEIT! Seit 2016 stand Max Kothbauer, ehemaliger Vizepräsident der OeNB und Vorsitzender des Universitätsrats von 2003 bis 2013, als Präsident dem Alumniverband vor. Ende Dezember 2020 hat er das Amt zurückgelegt, seine tiefe Verbundenheit zur Universität Wien bleibt. „Eines hat das Krisenjahr 2020 ganz deutlich gezeigt: Wie wichtig für eine moderne demokratische Gesellschaft das Bekenntnis zu Bildung, Wissenschaften und Forschung ist, ob in Bezug auf die Pandemie, die Bedrohung der Umwelt, die Gefährdung der Arbeitsplätze, das geistige und kul turelle Leben oder die politische Kultur“, so Kothbauer in seinen Abschiedsworten. Wir danken herzlich für seinen Einsatz! Neue Alumni-Präsidentin ist Hannelore Veit, die nach Jahren als FOTOS: S 8: DAVID BOHMANN · ARMIN PROSCHEK · S 9: VERENA MOSER · ARMIN PROSCHEK ORF-Korrespondentin in Washington nun wieder zurück in Öster reich ist. „Es ist eine große Ehre für mich – ich bin stolz, Absolven tin der Alma Mater Rudolphina zu sein, die so viele große Männer und Frauen hervorgebracht hat“, betont Veit. „Die Universität hat uns alle geprägt, manche mehr, manche weniger: Wir sind eine Gemeinschaft. Eines meiner Ziele ist es, die Vernetzung in dieser Alumni-Gemeinschaft zu intensivieren. Als Absolventin einer amerikanischen Universität, der University of Notre Dame, weiß ich, wie wichtig Alumninetzwerke im professionellen Leben sein können und dass man auf Unterstützung durch andere Absol vent*innen zählen kann. Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl möchten wir als Alumniverband auch an der Universität Wien Ihm war der Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis stets ein vermitteln und fördern.“ Anliegen: Max Kothbauer, ehemaliger Alumni-Präsident, hier bei der Alumni Lounge in der Sky Lounge der Uni Wien. Wir freuen uns sehr! 1 / 21 9
SCHWERPUNKT KRISENBEWÄLTIGUNG. Um Ausnahmesituationen wie die aktuelle Pandemie gut zu überstehen, ist es hilfreich, aus der eigenen Resilienz zu schöpfen. Was uns psychisch stabil und widerstandsfähig macht und warum auch die Verletzlichkeit ihren Wert hat, haben uns Psycholog*innen und Theolog*innen erzählt. Und aus der Geographie erfahren wir, was resiliente Systeme ausmacht und was wir aus der Corona-Pandemie für andere Katastrophen wie den Umweltwandel lernen können. TEXTE: SIEGRUN HERZOG W as wir schon alles ausgehalten haben“, stellt die Psychologin Brigitte Lueger-Schuster angesichts der seit ziemlich genau einem Jahr andauern- den kollektiven Ausnahmesituation durch Corona aner- kennend fest. Die Professorin für Psychotraumatologie an der Universität Wien findet, dass die Gesellschaft tatsäch- lich extrem stark ist. „Wir funktionieren immer noch. Viel- leicht ein bisschen grantiger, irritierter und gereizter, aber im Grunde schaffen wir es, die Disziplin weitgehend auf- rechtzuerhalten, um das zu tun, was notwendig ist.“ Wie wir mit dieser Situation zurechtkommen, ist auch eine Frage der Resilienz. Damit gemeint ist unsere psychische Widerstandskraft, die es ermöglicht, uns an schwierige Lebenssituationen anzupassen und nach stressigen Phasen der Anspannung wieder zurück auf ein Ausgangsniveau zu pendeln. Wo dieses Ausgangsniveau angesiedelt ist, sei individuell höchst unterschiedlich und habe biografische, FOTO: SHUTTERSTOCK/PHOTOGRAPHEE.EU soziale sowie entwicklungspsychologische Gründe, so die Psychologin. Außerdem komme es stark auf die Ressourcen an, die ein Mensch zur Verfügung hat. Und damit sind nicht nur finanzielle Ressourcen gemeint, auch die Fakto- ren Bildung oder gesellschaftliche Integration spielen eine Rolle. Besonders tragisch: Menschen, die wenig haben, ver- lieren in der Krise mehr als Menschen, die viel haben. Die 1 / 21 11
SCHWERPUNKT „Sehr vieles, was BETROFFEN. In einer europaweit ange- Lueger-Schuster, weil sie isoliert seien und legten Studie möchten Wissenschaf- vereinsamen würden. „Doch es zeigt sich, Jugendliche an ter*innen nun herausfinden, wie es Euro- dass ältere Menschen aufgrund ihrer Entwicklungsschritten päer*innen in der Corona-Krise psy- chisch geht. Lueger-Schuster leitet den Lebenserfahrung den Umgang mit dieser Pandemie eigentlich ganz gut meistern. machen müssen, ist österreichischen Teil der Studie, die von Sie haben gelernt, mit schwierigen Situati- der „European Society for Traumatic onen umzugehen, haben oft schon meh- derzeit nicht möglich.“ Stress Studies“ koordiniert wird. Dafür rere Krisen gemanagt und wissen, wie es wurden 14.000 Europäer*innen zu ihrem geht.“ Besonders große Betroffenheit ortet Wohlbefinden und danach, wie sie ihren die Psychologin vor allem bei Jugendli- Univ.-Prof. Alltag meistern, befragt. Erste Ergebnisse chen. „Junge Menschen in der Pubertät Brigitte Lueger-Schuster, Psychotraumatologin, Uni Wien sollen Ende März veröffentlicht werden. haben ein Bedürfnis nach individueller Bisherige Studien aus Österreich deuten Entwicklung, nach einem eigenen Leben. jedenfalls auf einen deutlichen Anstieg Sie sind im Moment alles andere als sozial psychischer Belastungen während der verbunden. Sehr vieles, was Jugendliche Corona-Zeit hin. Ein österreichweiter an Entwicklungsschritten machen müs- Krise verstärkt Ungleichheiten und Be- Survey vom Mai 2020 weist moderate bis sen, ist derzeit nicht möglich.“ Es fehle der nachteiligungen also noch. schwere Depressionssymptome (21 %) Kontakt zu den Freund*innen sowie die Wenn Psycholog*innen Resilienz sowie Angststörungen (19 %) bei einem Förderung durch die Schule, all das könne erforschen möchten, fragen sie verschie- Fünftel der befragten Österreicher*innen ein Elternhaus nicht ersetzen. „Langsam dene Bewältigungsstile ab, also inwie- aus. 16 % leiden zudem an einer Schlaf- geht ihnen die Power aus“, bringt es die weit Menschen aktiv etwas zur Verbes- störung (Pieh et al. 2020). Und eine Psychologin auf den Punkt. serung ihrer Lage tun oder ob sie eher repräsentative Befragung von Wie- passiv abwarten. Dabei gilt Symptom- ner*innen während des ersten Lock- VERSCHÄRFT. Jede Generation hat zwei- freiheit als Gradmesser. „Je weniger psy- downs (Zandonella et al. 2020) deutet fellos ihre Themen in dieser kollektiven chologische Belastungsreaktionen oder auf eine Verschlechterung der psychi- Ausnahmesituation. Und je nach persön- psychische Symptome Personen zeigen, schen Gesundheit bei mehr als einem licher Lage, ob man selbst von der Krank- desto stärker ist ihre Bewältigungskom- Viertel der Wiener*innen hin (27 %). heit betroffen ist, sich um Angehörige petenz und damit auch ihre Resilienz, Besonders betroffen ist, wer schon vor- oder Freund*innen sorgt oder gar in sei- weil sie immer wieder auf ihr Ausgangs- her psychische Probleme hatte. ner Existenz bedroht ist, unterscheidet niveau zurückkommen können“, erklärt Bisher ging man davon aus, dass eher sich auch die Belastung. Die Probleme der Lueger-Schuster. ältere Menschen stark belastet seien, so arbeitenden Bevölkerung kennt Tobias 12 1 / 21
SCHWERPUNKT Jede Generation ist anders betroffen in dieser kollektiven Ausnahmesituation. Ob Homeschooling oder Single-Haushalt, es zieht sich dahin und wir sind einfach pandemiemüde. Glück von Berufs wegen besonders gut. RESILIENZ KANN MAN LERNEN. Dass Der Psychologie-Alumnus ist für die man Resilienz lernen bzw. aufbauen Gesundheitsmanagementfirma IBG als kann, davon ist der Experte überzeugt. Arbeits- und Gesundheitspsychologe Wichtig findet Glück, ein regelmäßiges tätig und betreut in Wien rund 15 Firmen Angebot zu schaffen, also nicht der ein- mit mehreren Tausend Arbeitnehmer*in- malige Workshop, der in zwei Stunden nen. In Zeiten von Covid ist dieses Ange- Resilienz vermitteln soll, sei zielführend. bot stark nachgefragt. Und häufig werden Vielmehr müssten die Leute kontinuier- nicht nur arbeitsbezogene Probleme lich am Ball bleiben, etwa durch Medita- besprochen, sondern fließt auch Privates tions- oder Entspannungs-Apps, durch mit ein, im Homeoffice gestalten sich Coaching- oder Selbstcoaching-Mög- diese Grenzen sowieso meist fließend. lichkeiten. Hilfreich sei außerdem, Generell bemerkt Glück eine Verschär- immer wieder die Perspektive zu wech- fung von Dingen, die bereits vor Corona seln, den eigenen Standpunkt zu hinter- problematisch waren. Etwa die Überfor- derung von Führungskräften angesichts der komplexen Herausforderungen, die Kommunikation und Zusammenarbeit 10 MÖGLICHKEITEN, DIE EIGENE RESILIENZ ZU STÄRKEN: von Teams, die Arbeitsorganisation und gefühlte Unkonzentriertheit im Home • Stressreduktion durch Akzeptanz: „Es ist jetzt im Moment ganz schwierig für office. „Wir nehmen Pausen und Unter- FOTOS: S 12: UNIVERSITÄT WIEN · SHUTTERSTOCK / GOO MMNUTT · S 13: SHUTTERSTOCK / KATRINA LEIGH mich und das belastet mich und so ist es“ brechungen zu Hause anders wahr. Wenn • Regelmäßigkeit in der Tagesstruktur: Wechsel zwischen Aktivitäten wir vom Schreibtisch aufstehen, uns und Pausen schützt vor Antriebslosigkeit (Vorsicht: Nicht zu viel vornehmen) etwas zu trinken holen oder die Wasch- • Lernen, den eigenen Perfektionismus zu zügeln, z. B. durch Selbstmitgefühl maschine ausräumen, meldet sich sofort • Von Tag zu Tag bzw. Woche zu Woche planen: Tages- und Wochenpläne unser innerer Kritiker zu Wort. Doch wir bringen Struktur, nicht die Perspektive riesengroß machen sollten uns darüber im Klaren sein, dass • Sozial verbunden bleiben es auch im Büro solche Ablenkungen gibt • Spazieren gehen: Neue Winkel entdecken, eventuell einen Stadtführer kaufen und diese akzeptiert werden.“ Der Gang zum Kopierer etwa, zur Kaffeemaschine • Ruheplätzchen aufsuchen: Öfter einmal aussteigen aus dem Gewusel oder der kurze Tratsch mit der Kollegin von Familie, Betrieb etc. gehören normalerweise dazu, doch die • Achtsamkeitsübungen: Mehrfaches tiefes Ein- und Ausatmen Produktivität werde meist anders wahrge- täglich vor dem Schlafengehen oder wenn der Druck zu groß wird nommen. Generell sei jedenfalls zu beob- • Liste von Dingen anlegen, die guttun und diese umsetzen achten, dass die Leute im Homeoffice frü- • Lernen, gelassener zu reagieren: Wut verhindert Denken und Planen her anfangen und später aufhören zu (Zusammengestellt nach Empfehlungen von Brigitte Lueger-Schuster arbeiten und dass sie weniger Pausen und Tobias Glück) machen als normalerweise. 1 / 21 13
SCHWERPUNKT „Psychotherapeutische Interventionen sind wie Physiotherapie fürs Gehirn.“ Dr. Tobias Glück, Arbeits- und Gesundheits psychologe, Psychotherapeut fragen, um aus einer Erstarrung heraus- abnimmt und eine gewisse „Planungssi- zukommen. „Ich baue gerne kurze cherheit im Unplanbaren“ gewährt. Atem- oder Entspannungsübungen in Außerdem sei es an der Zeit, die meine Trainings ein, denn Resilienz hat Anspruchshaltung zu überdenken. „Wir auch eine biologische Komponente“, so kennen ja nicht nur den individuellen, Glück. Er nennt die Herzratenvariabilität sondern auch den institutionellen Perfek- als zentralen biologischen Parameter für tionismus. Problematisch dabei ist, dass Resilienz. Dieser natürlich-variable es meist kein definiertes Ziel gibt, nur ein Wechsel zwischen den einzelnen Puls- diffuses Mehr. Da hilft es, klar zu definie- schlägen ergibt sich in Abstimmung mit ren, was denn ein zufriedenstellendes dem, was in der Umgebung passiert, und Ergebnis ist, worauf wir dann auch ist auch an die Atmung gekoppelt. Je bes- gemeinsam stolz sein können.“ ser man also gelernt hat, sich durch die Was zeichnet resiliente Menschen aus Atmung selbst zu regulieren, desto bes- und woran merkt man schließlich selbst, ser kann man aus einer Anspannung dass man Resilienz aufgebaut hat? Tobias wieder in die Entspannung finden. Glück beobachtet bei seinen Klient*innen Mag. Dipl.-Ing. Lisa Achathaler, Alumna der Internationalen nach einigen Wochen Achtsamkeitstrai- Entwicklung, Doktorandin PLANUNGSSICHERHEIT. Auch Arbeits- ning, dass sie plötzlich Dinge weniger stö- Advanced Theological Studies und Organisationsstrukturen können die ren, die sie vorher gestört haben, dass die an der Uni Wien Resilienz fördern. Zentral dabei sei es, Grundanspannung runtergeht. Aber auch eine Atmosphäre der Sicherheit zu ver- daran, dass sie weniger grübeln, also bes- mitteln, das fange bei der Führungsebene ser mit ihren Emotionen umgehen kön- an, betreffe aber grundsätzlich alle. Trans- nen, spüren es manche. „Psychotherapeu- Univ.-Prof. Kurt Appel, parent und nachvollziehbar zu kommu- tische Interventionen sind wie Phy- Theologe und Leiter des Forschungs zentrums Religion and Transformation nizieren, nicht Dinge schönzureden oder siotherapie fürs Gehirn“, sagt Glück. Und in Contemporary Society zu vertuschen sowie eine Organisation, niemand sollte sich scheuen, diese bei an der Uni Wien die Mitarbeiter*innen Verantwortung Bedarf in Anspruch zu nehmen. • 14 1 / 21
SCHWERPUNKT Bleiben Sie verletzlich! LEBENSSCHULE. Für die Theolog*innen Kurt Appel und Lisa Achathaler ist Vulnerabilität ein zentraler Bestandteil der Resilienz. Ein Gespräch über den Wert von Unsicherheit und Verletzbarkeit angesichts von Krisen. wir die Hände in den Schoß legen sollen, aber sich dessen : Was verstehen Sie als Theolog*innen unter Resilienz? bewusst zu werden, dass eben nicht alles bewältigbar ist, kann Kurt Appel: Resilienz hat damit zu tun, wie man mit Verletzbarkeit schon hilfreich sein. umgeht, das heißt, ob man eine Möglichkeit findet, auch Vulne Ist das etwas, was wir aus dieser Krise lernen können? rabilität zu bejahen. Appel: Wir sind immer stärker in einem Hamsterrad, wo Zeit total Lisa Achathaler: In der Literatur wird das als „kontrafaktisches kontrolliert werden muss, wo alles dem Leitmotiv der Effizienz zu Trotzdem“ betitelt. Also eine Zustimmung zum Leben trotz widri folgen hat. Mit allem, was nicht so unmittelbar kontrollierbar ist, ger Umstände. Eben diese enge Verwobenheit zwischen Vulne können wir immer schlechter umgehen. Das sehe ich als Problem rabilität und Resilienz ist ganz wichtig, weil es bei einer resilienten und als Herausforderung. Ob wir aus dieser Krise lernen, weiß ich nicht um eine invulnerable Person geht. nicht. Verletzbar zu sein ist also nichts Negatives? Welche Gruppe ist Ihrer Meinung nach die vulnerabelste? Achathaler: Verletzbarkeit ist etwas, das dem Leben inhärent Appel: Ich denke, dass Jugendliche einfach sehr wenig Gewicht ist. Es ist einerseits natürlich die Quelle von Risiko und echten haben. Ich bin oft in Italien, hier herrscht eine ungeheure, leider Verletzungen, aber gleichzeitig auch der Bereich, wo „meaningful nicht bewusste Diskriminierung der jüngeren Generationen durch connections“ entstehen, wo Freundschaft entsteht, wo Kreativität die älteren, das erlebt man durch Covid ganz massiv. Es gibt zwar entspringt. Verletzbar sein heißt berührbar sein. Es steckt also eine unglaubliche Solidarität der Jungen gegenüber den Alten, auch etwas Positives drinnen. aber das wird kaum gewürdigt. Sozial und wirtschaftlich gesehen FOTOS: S 14: SHUTTERSTOCK /EVGENIYA.BIRD · IBG · PRIVAT · UNIVERSITÄT WIEN · S.15: SHUTTERSTOCK /EVGENIYA.BIRD Welche Rolle spielt die Religion, der Glaube für die Resilienz von sind die Jungen sicher die am schwersten betroffene Gruppe. Man Menschen? müsste einmal diskutieren, ob das kollektive Überleben wirklich der einzige und höchste Wert ist. Für mich gehört es auch zur Appel: Die Religion ist ambivalent. Einerseits suggeriert sie den Resilienz, den Blick in die Zukunft zu richten auf das Wohlergehen Menschen Unverletzbarkeit, im Paradies etwa. Andererseits schafft der kommenden Generationen. sie kleine Ausgänge aus der unmittelbaren Lebenswelt, dort, wo oft keine Ausgänge mehr sichtbar sind. Religiöse Feste und Rituale Achathaler: Resilienz kann jedenfalls nie von einem Individuum können etwa solche Ausgänge sein, die alternative Zeiten bieten. alleine gestemmt werden, es braucht immer ein Miteinander. Ein Aber auch religiöse Räume. Man muss kein gläubiger Mensch sein, neues Miteinander zu finden, sehe ich als etwas ganz Zentrales für um sich z. B. in eine Kirche zurückzuziehen, darin zu verweilen. Die die Zukunft. Theologie kann, ähnlich wie auch die Kunst, eine Art Lebensschule Wie gehen Sie persönlich mit Krisen um? Wie schaffen Sie sich Stabilität? sein, sich in Haltungen hineinzubegeben, wo Sterblichkeit und Appel: Für mich ist die Kultivierung von Freundschaften in dieser Verletzbarkeit als etwas angesehen werden, das zum Menschsein Zeit eine wichtige Dimension. dazugehört. Achathaler: Für mich sind es Gespräche, einfach da sein füreinan Zeigt uns die aktuelle Covid-Krise nicht genau diese Verletzbarkeit auf? der. Dort, wo das nicht mehr stattfinden kann, ist für mich nach Appel: Covid ist eine unglaubliche Beleidigung für die Politik und wie vor im Glauben eine Perspektive zu suchen. auch für die Wissenschaft geworden, weil man es nicht vollständig Appel: Es ist mir noch wichtig zu betonen, dass man Resilienz beherrschen und bewältigen kann. Die Religion kann helfen, ein nicht mit Sicherheitsdenken verwechseln sollte. Momente der bisschen von dem Gedanken wegzukommen, dass alles meiner Stabilität sind, denke ich, genauso wichtig wie Momente der Aktivität, meinem Willen unterworfen sein muss. Es gibt ja Alter Unsicherheit. Zukunft hat immer etwas Erschütterndes, das nicht nativen, die nicht von mir konstruierbar sind. Das heißt nicht, dass planbar ist. Religion kann dazu beitragen, das zu akzeptieren. • 1 / 21 15
SCHWERPUNKT „Das Undenkbare denken“ WECKRUF. Die Erfahrung, Entscheidungen unter großer Unsicherheit treffen zu müssen, wie wir es derzeit pandemiebedingt erleben, kann uns auch für kommende Krisen wie den Umweltwandel nützen. Dass wir es bei der Corona-Pandemie mit SYSTEMFRAGE. Resilienz und Vulnerabi- einem Extremereignis globalen Ausmaßes lität werden je nach Maßstabsebene und zu tun haben, ist für den Geographen Thomas Glade unbestritten. Der Experte Systemgrenze unterschiedlich betrachtet: Ob Gemeinde, Staat oder Ökosystem, es „Die Pandemie hat für Risikoprävention und Katastrophen- geht um die Widerstandsfähigkeit eines uns herausgerissen management an der Uni Wien stuft die Systems gegenüber äußeren Einwirkun- Pandemie ganz klar als (Natur-)Katastro- gen. Die Frage ist, welche Bewältigungs- aus unserem phe ein. „Eine Katastrophe ist ein Ereig- nis, das die lokalen Kapazitäten, damit mechanismen man zur Verfügung hat: Bis wohin kann man sich adaptieren und gesellschaftlichen umzugehen, sprengt. Man braucht Hilfe ab wann nicht mehr? Denn nach einem Kuschelgefühl, wo von außen. Ob das nun Individuen sind, großen Input funktionieren Systeme Familien, Betriebe oder Städte und plötzlich nach ganz anderen Logiken, die wir dachten, wir sind Gemeinden, die betroffenen Gruppen oder Institutionen können alleine nicht man vorher gar nicht gekannt hat, etwa dann, wenn gewisse Schwellenwerte, sicher und haben alles mehr damit fertigwerden“, so Glade. sogenannte „Tipping Points“, überschrit- im Griff.“ Naturkatastrophen müssten nicht immer ten werden. „Im Fall der Pandemie war es von einem „großen Wumm“ begleitet so, dass dieses Ereignis riesige Kaskaden werden, wie etwa bei einem Erdbeben effekte mit sich zog, die in die Gesell- oder Vulkanausbruch, auch schleichende schaft hineinwirken, aber auch in die Prozesse wie Dürre oder Bodenerosion Natur“, sagt Glade. es nicht geben. Parallelen zieht der Geo- können sich zu einer Katastrophe aus- graph zum Klima- bzw. Umweltwandel, wachsen, und eben auch Pandemien. Die REAKTIONSZEIT. Entscheidungen unter die noch viel längere Wirkungszeiträume hat es zwar auch schon in der Vergangen- großer Unsicherheit zu treffen sieht der einnehmen. „Im Gegensatz zur Pande- heit gegeben, aber sie konnten noch nie Experte in solchen Situationen als die mie, wo man in der Regel nach einigen derart global wirken wie heute. „Unsere zentrale Herausforderung. Man könne Wochen des Lockdowns Ergebnisse sieht, weltweite Mobilität hat diese globale Ver- zwar aufgrund der Daten, die zur Verfü- haben wir beim Klimawandel Reaktions- breitung des Virus überhaupt erst möglich gung stehen, Szenarien entwickeln und zeiten von Dekaden.“ Besonders schwie- gemacht, insofern ist das schon beispiellos Annahmen treffen, aber eine hundert- rig dabei: Die Rahmenbedingungen in der neueren Menschheitsgeschichte“, prozentige Sicherheit, ob die getroffenen ändern sich laufend, und das erhöhe die betont Glade. Entscheidungen die richtigen sind, werde Handlungsunsicherheit noch zusätzlich. 16 1 / 21
SCHWERPUNKT POSTGRADUALE WEITERBILDUNG AN DER UNI WIEN Risikoprävention und Katastrophen- management Wissenschaftliche Leitung: Thomas Glade Abschluss: Master of Science (MSc) Dauer: 4 Semester (berufsbegleitend) Umfang: 90 ECTS | Sprache: Deutsch Kosten: EUR 12.500 | Start: Oktober 2021 Info & Anmeldung: www.postgraduatecenter.at/oerisk Univ.-Prof. Thomas Glade, Geograph und Leiter des Univer VERWUNDBARKEIT. Wie angesichts der stoffen, ist beeindruckend. Ich würde mir sitätslehrgangs „Risikoprävention Pandemie evidenzbasierte Entscheidun- wünschen, dass das auch auf andere Her- und Katastrophenmanagement“ gen getroffen werden, befürwortet der ausforderungen wie den Umweltwandel an der Uni Wien Wissenschafter, und dass aufgrund der übertragen wird.“ sich rasch ändernden Entwicklungen oft Das kollektive Krisenerleben derzeit kurzfristig reagiert werden oder die Stra- versteht Glade jedenfalls als Weckruf, tegie geändert werden muss, ist für ihn der uns die eigene Verwundbarkeit vor Ein Symbol für Resilienz ist für mich … nur verständlich. Wir müssten generell Augen führt. ein Flummi, so ein kleiner Gummiball; der ist wieder lernen, mit Unsicherheit umzuge- in sich zwar fest, aber kann doch reagieren, hen, ist Glade überzeugt. Noch vor eini- BEREIT SEIN. Gerade auf Verwaltungs und wenn er zu viel Druck abbekommt oder gen Hundert Jahren lebten die Menschen ebene müsse man daher viel mehr im zu heiß wird, geht er kaputt. Und natürlich FOTOS: S 16: SHUTTERSTOCK / SOPHIA GRANCHINHO · S.17: BARBARA MAIR · SHUTTERSTOCK / PRASONGTAKHAM viel stärker mit dem Risiko, einfach weil Sinne von Extremen denken. „Behörden der Blick auf die Erde aus dem Weltraum: vieles noch nicht so optimiert war, weil und andere Institutionen haben meiner Das ist eigentlich eine schöne resiliente Ein Kenntnisse und technische Frühwarnsys- Meinung nach die Aufgabe, dieses bisher heit und vulnerabel zugleich. teme fehlten. Die Wissenschaft spricht Undenkbare zu denken und sich die hier vom „Vulnerabilitätsparadoxon“, das Handlungsoptionen zu überlegen.“ Das besagt, je optimierter ein System ist, desto mache schließlich gute Risikoprävention verwundbarer wird es, sobald ein Bau- aus. Viele würden dies jedoch nicht stein ins Wanken gerät. „Die Pandemie gerne hören und ihn schon mal als hat uns herausgerissen aus unserem „Katastrophenmann“ belächeln, wenn er gesellschaftlichen Kuschelgefühl, wo wir sagt, „bereitet euch vor“, wie etwa auf ein dachten, wir sind sicher und haben alles Blackout, erzählt Glade. „Wir haben im Griff “, stellt Glade fest. Tatsächlich immer einen Vorrat an Wasser, Dosen aber haben wir nur das im Griff, was wir und fertig zubereiteten Gerichten zu kennen. Und dennoch: Global gesehen Hause, sodass wir sicher locker drei bis habe man es gut geschafft, darauf zu vier Wochen überleben könnten, aber reagieren, sich zu koordinieren und ich glaube, viele Haushalte sind darauf zusammenzuarbeiten. „Was die globale überhaupt nicht eingestellt.“ • Gemeinschaft geleistet hat, über den Aus- tausch von Kenntnissen bis hin zu Impf- „ExtremA”– Naturgefahren im Alpenraum 1 / 21 17
Das Potenzial der Weltbevölkerung DEMOGRAFIE UND KLIMAWANDEL. „Mehr Menschen haben mehr Einfluss auf die Umwelt“, erklärt der Demograf Wolfgang Lutz. Ihr Einfluss hänge aber vor allem davon ab, wie sie sich verhalten, welche Technologien sie nutzen, wie sie konsumieren. Der Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung lautet daher: Bildung. GASTBEITRAG: SARAH NÄGELE (UNI:VIEW) „Anthropozän ist ein symbolisches schen mehr Einfluss auf die Umwelt. Ihr Univ.-Prof. Wolfgang Lutz, Schlagwort dafür, dass wir Menschen Einfluss hängt aber vor allem davon ab, Demograf, Universität Wien, aktuell mehr Einfluss auf die Welt neh- wie sie sich verhalten, welche Technolo- Gründungsdirektor des Wittgen men als jemals zuvor“, erklärt der Demo- gien sie nutzen, was sie konsumieren“, so stein Centre for Demography and Global Human Capital graf Wolfgang Lutz. Der Klimawandel sei Lutz. Die höchsten Fertilitätsraten welt- erdgeschichtlich gesehen zunächst neu weit gibt es derzeit in afrikanischen Län- tral, so Lutz: „Die Erde hat schon sehr viel dern südlich der Sahara. Laut Daten der extremere Veränderungen in ihrem Weltbank bekam eine Frau in Mali im Klima erlebt.“ Doch: Wie gefährlich ist er Jahr 2018 durchschnittlich 5,9 Kinder, in für das Wohlergehen der künftigen Gene- Niger sogar 6,9. „Gleichzeitig sind diese rationen in verschiedenen Teilen der Länder so arm, dass sie quasi keine Welt? „Manche Regionen werden davon CO2-Emissionen ausstoßen und sich profitieren, während andere leiden.“ kaum auf das Klima auswirken.“ Wenn man zum Thema Klimawandel DAS SCHLÜSSELWORT LAUTET BILDUNG. recherchiert, stößt man schnell auf den Umgekehrt gebe es sehr dünn besiedelte Begriff der Überbevölkerung, den der Länder mit einem starken fossilen Ener- Sozialwissenschafter aufgrund seiner gieverbrauch und hohem CO2-Ausstoß. negativen Konnotation ablehnt. Gleich- Diese Ungleichheit müsse man genauso wohl seien wir derzeit in einer Phase, in beachten wie die unterschiedliche Vulne- der die Weltbevölkerung ungewöhnlich rabilität. Wer leidet am meisten? „Da stark wachse. „In den letzten 60 Jahren sind wir leider wieder bei den ärmsten ist sie von drei auf fast acht Milliarden und am wenigsten gebildeten Menschen“, gestiegen. Ich glaube, dass sie knapp so Lutz. unter zehn Milliarden abflachen wird, das werden wir in der zweiten Hälfte des Ein wesentlicher Faktor für den Rück- Jahrhunderts erleben“, so Lutz. gang von Geburtenraten ist die zuneh- mende Bildung der Frau. „Fertility must SIND WIR ZU VIELE? Sind wir im Hin- come into the calculus of conscious blick auf unsere Emissionen also einfach choice“, laute der Lösungsansatz. In zu viele? „Sicherlich haben mehr Men- Nordafrika sind die Geburtenraten in 18 1 / 21
UNIVERSUM wordrap mit dem rektor medienportal.univie.ac.at/semesterfrage den letzten 20 Jahren bereits deutlich erklärt Lutz, doch in den meisten westli- zurückgegangen. Eine gewisse Basisbil- chen und ostasiatischen Ländern liegt sie Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien dung, die auch zu mehr Familienplanung aktuell niedriger, in Korea bereits unter befähigt, sei extrem wichtig, wie man in 1,0. Durch so niedrige Werte ändere sich Stichprobenuntersuchungen aus Äthio- das Verhältnis der Generationen zuein- Diese Tätigkeit habe ich in der pien sehen könne: Wenn eine Frau keine ander und der Alterungsprozess der Coronazeit neu bzw. wieder für Schulbildung hat, bekommt sie im Gesellschaft werde beschleunigt. Aber die mich entdeckt … Langlaufen. Schnitt sechs Kinder, wenn sie die Volks- Entwicklung sehe weniger dramatisch schule absolviert hat, vier Kinder, wenn aus, wenn man sich nicht nur das Alter, Die aktuelle kollektive Krisenerfah- sie Matura hat, nur zwei. sondern auch andere demografische rung wirkt sich auf die Wissenschaft Dimensionen anschaue: „Wir sehen in insofern aus, als … die Bedeutung Derzeit sieht der Demograf gerade hier praktisch allen Bevölkerungen, dass die internationaler wissenschaftlicher starke Rückschläge. Aufgrund der jungen Generationen besser gebildet sind Kooperation unabhängig von natio Covid-19-Pandemie sind die Schulen in als die älteren.“ Dieser Umstand habe nalen und politischen Interessen in vielen afrikanischen Ländern jetzt schon auch auf Gesundheit, Kindersterblichkeit Erinnerung gerufen wird. fast ein Jahr geschlossen, doch: „Wenn und die Zunahme der Lebenserwartung Mädchen nicht mit fünf, sechs, sieben positive Auswirkungen. ILLUSTRATION: S 18: SHUTTERSTOCK /HOBBIT · FOTO: IIASA · FOTOS: S 19: MINNA ROSSI Die beste Nachricht in den letzten Jahren in die Schule kommen, zieht ihre Monaten war für mich … Chance vorbei. Sie werden eher schon als „Die Welt ist in den letzten Jahren in vie- die erfolgreichen Impfstoffentwicklun Teenager schwanger. Damit wird auch len Bereichen noch ungleicher gewor- gen in Rekordzeit. der Prozess der Senkung der Geburten- den“, so Lutz. Diese Ungleichheiten rate verlangsamt.“ Außerdem gebe es in müsse man reduzieren: „Human capabi- Eine überraschende Entwicklung der frühkindlichen oder kognitiven Ent- lities müssen gestärkt werden: Basisge- an der Uni Wien während der Lock- wicklung der Kinder gewisse Fenster, und sundheit, Bildung, soziale Inklusion.“ down-Phasen war für mich … wenn die nicht genutzt werden, könne Das seien Aspekte, die uns befähigen, der beeindruckende Zusammenhalt. man das später nur schwer aufholen. unsere Leben aktiv und vorausschauend zu bewältigen: „Einsicht, Umsicht und Nach Bewältigung der Pandemie WIE WEIT WIRD DIE GEBURTENRATE SIN- Vorausschau sind Grundvoraussetzun- freue ich mich am meisten auf … KEN? Früher sei man davon ausgegangen, gen, um den nächsten Generationen Theater und Konzert. dass sich die Geburtenrate bei etwa zwei eine lebensfreundliche Welt zu hinter- Kindern pro Frau einpendeln werde, lassen.“ • 1 / 21 19
UNIVERSUM Die Bildung von morgen THEORIE & PRAXIS. Uni Wien-Alumna Vera Popper und Bildungspsychologin Christiane Spiel sprechen im Inter view über die Schule der Zukunft, Herausforderungen der Digitalisierung und die Rolle der Universität. Zentral für ihre Arbeit ist eine praxisorientierte Forschung, die in die Gesellschaft wirkt. GASTBEITRAG: SARAH NÄGELE (UNI:VIEW) uni:view: Frau Spiel, als Bildungspsycholo- men vieles intuitiv über den Körper wahr. nen übernommen wird, haben wir mehr gin haben Sie die Auswirkungen der Schul- Es ist wichtig, jetzt genau hinzuschauen: Zeit. Wir müssen uns überlegen, wofür schließungen auf Lernerfolg und Lernen Was sind die Vorteile des Homeoffice? wir sie nutzen. erhoben. Welche Schlüsse ziehen Sie aus Und wo ist es wichtig, dass der ganze den Ergebnissen? Mensch Platz hat? Wo sehen Sie den Einfluss Ihrer täglichen Christiane Spiel: In der Schule müssen Arbeit – können Sie ein Beispiel geben? wir uns verstärkt fachübergreifenden Auf welche großen Fragen der Zukunft Spiel: Ich habe lange zu Gewaltprävention Kompetenzen wie selbstorganisiertem werden Ihre Fachbereiche Antworten in Schulen geforscht und wurde gebeten, Lernen widmen. Das war in der Covid- geben müssen? eine nationale Strategie für den Bildungs- 19-Phase wichtig. Wer dazu in der Lage Spiel: Im Bildungsbereich müssen wir bereich zu entwickeln. Im Zuge dessen ist, kann immer wieder neues Wissen uns überlegen, welche Kompetenzen haben wir ein Präventionsprogramm für erwerben oder altes auffrischen. Der junge Menschen in einer Zeit und Gesell- Schulen evaluiert und Trainer*innen aus- zweite Bereich ist die Digitalisierung. Die schaft brauchen, die sich ständig verän- gebildet, die mit den Schulen zusammen- Schulen haben den notwendigen Schub dert. Das sind Selbstorganisation und gearbeitet haben. Die Gewaltraten in bekommen, um digitaler zu werden – digitale Basiskompetenzen, aber auch Schulen konnten durch unser Programm doch neben der Ausstattung gilt es auch Mut, Selbstvertrauen, Solidarität und deutlich reduziert werden. entsprechende Pädagogik und Didaktik Verantwortungsübernahme. Die Schule Popper: Wenn ich in einem Team arbeite mitzudenken. wird dafür Lerngelegenheiten schaffen und die Prozesse nach bildungspsycholo- müssen. Es braucht hier mehr Aufgaben gischen Konzepten gestalte – also kompe- Frau Popper, Sie hatten als Coach und mit offenen Lösungen, die im Team zu tenzorientiert, stärkenfokussiert und res- FOTOS: S.20/21: GERHARD SCHMOLKE · S.21: HERTHA HURNAUS Beraterin für Unternehmen während des bearbeiten sind und bei denen jede*r sourcenorientiert –, entwickeln sich ganz Lockdowns auch mit dem Thema Homeof- etwas einbringen kann. neue Dynamiken. Wenn Menschen fice zu tun. Was konnten Sie beobachten? Popper: Unsere Profession ist wichtig, anfangen, sich etwas zuzutrauen, ist das Vera Popper: Meine Erfahrung mit dem um den notwendigen Haltungswandel zu eines der schönsten Feedbacks. Thema Homeoffice ist ambivalent. Wenn unterstützen. In meiner Coaching-Tätig- der Austausch abseits des Bildschirms keit sehe ich, dass die Menschen, die sich Frau Spiel, Sie leiten das „Third Mission“- fehlt, findet viel Lernen, das sonst infor- mit Sinnfragen beschäftigen, immer jün- Projekt an der Uni Wien, in dem es darum mell in Pausen und Zwischengesprächen ger werden: Wie kann ich ein gutes Leben geht, aktiv und bewusst Verantwortung passiert, nicht statt. Wir hören ja nicht führen? Wie kann ich sinnvoll arbeiten? für die Gesellschaft zu übernehmen. Was unterhalb des Kopfs auf, sondern neh- Wenn immer mehr Arbeit von Maschi- bedeutet das? 20 1 / 21
UNIVERSUM Alumna Dr. Vera Popper ist als Organisations beraterin, Coach, Psychologin und Lehrende an der Uni Wien tätig. Gemeinsam mit Christiane Spiel hat sie eine Reihe von Evaluationsprojekten durchgeführt. Univ.-Prof. Christiane Spiel ist Professorin für Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien. Sie ist die Begründerin der Bildungspsychologie. Spiel: Dass man der Öffentlichkeit wis- FRAUEN AN DER UNI WIEN senschaftliche Erkenntnisse zugänglich macht und bereit ist, sich in gesellschaft- 124 Jahre Frauenstudium an der Universität Wien. liche Diskurse einzubringen. Ich finde es Im Wintersemester 1897/98 öffnete die Universität Wien ihre Tore für Frauen, zunächst an der philosophischen Fakultät, gefolgt von der Medizinischen Fakultät im Jahr 1900 wichtig, dass die Universität als Ganzes und der Juridischen Fakultät ab 1919/20. dafür steht. Über 60 % Frauenanteil bei Studierenden und Absolvent*innen. Im Studienjahr 2019/20 waren 60 % der Studierenden Frauen. 67 % der Erstabschlüsse Frau Popper, Sie haben an der Uni Wien im (Diplom, Bachelor) wurden von Frauen gemacht sowie 65 % der weiteren Abschlüsse Fach Psychologie promoviert und sich dann (Master, Doktorat). selbstständig gemacht. Was hat Ihnen die 1/3 aller Professuren von Frauen besetzt. Uni mitgegeben? Erfreuliche Tendenz: Der Frauenanteil an den Professuren hat sich zwischen 2008 Popper: Ich bin in unterschiedlichen und 2018 nahezu verdoppelt, und von den 69 Neuberufungen der letzten 3 Semester (WS 2019/20, SoSe 20, WS 2020/21) wurden bereits 48 % mit Frauen besetzt. Kontexten unterwegs, um gemeinsam mit einer Person, einem Team oder einer Organisation herauszufinden, wie sie Zum Weiterlesen: bestimmte Ziele erreichen können. 20 Jahre Gleichstellung und Diversität an der Uni Wien Dafür nützt mir das Handwerkszeug, Geschichte der Frauen an der Uni Wien das ich auf der Universität mitbekom- men habe. Ich kann Methoden, Theorie, Datenbroschüre „Gender im Fokus 6“ Konzepte und Modelle komplexitätsre- duziert anbieten. Wenn ich zurückbli- cke, war Zeit für mich eines der größten Geschenke an der Uni Wien. Sich auf ein Thema zu konzentrieren, sich im Aus- tausch mit anderen intensiv mit Fragen auseinanderzusetzen – dadurch entste- hen neue Ideen. • Herzlichen Dank für das Gespräch! Lesen Sie hier die Langfassung 1 / 21 21
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