Bericht 2016 GENDER & DIVERSITY UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ - Kunstuniversität Graz

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Bericht 2016 GENDER & DIVERSITY UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ - Kunstuniversität Graz
GENDER & DIVERSITY
UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND
DARSTELLENDE KUNST GRAZ

Bericht 2016
Die Diversitätsdimension Behinderung
Zahlen und Fakten
Bericht 2016 GENDER & DIVERSITY UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ - Kunstuniversität Graz
Die Humanität erreichte mehr, wenn sie,
statt die Gleichheit zu loben,
zum Respekt vor dem Wunder der Vielfalt riete.
                                            Hans Kaspar
Bericht 2016 GENDER & DIVERSITY UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ - Kunstuniversität Graz
und Maßnahmen definieren, sie können jedoch nicht das Engagement für
GRUßWORTE
                                                                                      Gleichstellung und Frauenförderung an den „Graswurzeln“ – also in den
                                                                                      Instituten, in den Lehrveranstaltungen und in den Verwaltungsabteilungen, am
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
                                                                                      Arbeits- oder Studienplatz – ersetzen. Als Rektoratsmitglied, welches für Gender
die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Ermöglichung sozialer                  und Diversity zuständig ist, und als Behindertenbeauftragte darf ich Sie daher
Chancengleichheit und die Berücksichtigung der Erfordernisse von behinderten          herzlich dazu einladen, den Frauenförderungsplan und den Gleichstellungsplan
Menschen sind leitende Grundsätze, denen die öffentlichen Universitäten gemäß         durch Ihre eigenen Ideen mit Leben zu erfüllen. Wenn Sie Vorschläge für
Universitätsgesetz verpflichtet sind. Diese Grundsätze gelten für alle Bereiche des   konkrete Maßnahmen im Bereich Frauenförderung und Gleichstellung in Ihren
universitären Lebens – Forschung bzw. Entwicklung und Erschließung der Künste,        Organisationseinheiten haben, wenden Sie sich bitte an mich bzw. meine
Lehre und Verwaltung – und für alle Mitglieder der Universität – künstlerisch-        Nachfolgerin / meinen Nachfolger. Wir werden versuchen, Sie bestmöglich bei
wissenschaftliches Personal, allgemeines Universitätspersonal und Studierende.        der Umsetzung zu unterstützen.
Der vorliegende Bericht ist ein wichtiger Kompass bei der Förderung der
                                                                                      Arbeiten wir gemeinsam an einer Universität – und an einer Gesellschaft –, in
Gleichstellung von Frauen und Männern sowie beim Abbau von Diskriminierung
                                                                                      welcher alle Menschen partizipieren und ihre jeweiligen Talente und Fertigkeiten
und Benachteiligung auch aufgrund einer Behinderung. Er weist darauf hin, in
                                                                                      im Interesse von Kunst und Wissenschaft und zum Wohle aller entfalten können!
welchen Bereichen verstärkter Handlungsbedarf besteht, im Vergleich mit
früheren Berichten zeigt er uns aber auch, wo Maßnahmen erfolgreich gegriffen         Herzliche Grüße
haben.                                                                                Barbara Boisits

Die Kunstuniversität Graz ist in vielerlei Hinsicht ein Beispiel für konstruktiv
gelebte Vielfalt. Das Erscheinen des vorliegenden Berichts ist für uns alle ein
willkommener Anlass, sich anhand der hier gesammelten Zahlen und Fakten die
oben genannten Grundsätze in Erinnerung zu rufen und im alltäglichen Handeln
in unseren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen zu berücksichtigen. Im Studienjahr
2018/19 sollen ein neuer Frauenförderungsplan und erstmals ein eigenständiger
Gleichstellungsplan erlassen werden. Diese Pläne werden zentrale Meilensteine
in der Weiterentwicklung von Frauenförderung und Gleichstellung an unserer
Universität sein. Solche Pläne können universitätsübergreifende Ziele, Strategien
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CHANCENGLEICHHEIT AN DER UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ
               VORWORT                                     VOM NUTZEN DIESES BERICHTS                                           DATENGRUNDLAGE
                                                                                                                                  
Mit        dem       Beschluss        des    Der jährlich erscheinende Gender- & Diversity-Bericht macht       Der an den im Entwicklungsplan formulierten Zielen und
Frauenförderungsplans       2005     und     den aktuellen Stand der Gleichstellung und Förderung von          Werten sowie den (zukünftigen) Vorgaben zu den
insbesondere mit dem Auftrag zu seiner       Chancengleichheit an der Kunstuniversität Graz sichtbar, was      Erhebungs- und Berichtspflichten im Frauenförderungs-
derzeit stattfindenden Überarbeitung         mit Grafiken und Diagrammen veranschaulicht wird. Dabei           und Gleichstellungsplan der Kunstuniversität Graz
und      Erweiterung       durch     den     stellen die Daten zur Diversität nicht nur den momentanen         ausgerichtete Bericht gibt Auskunft über Verteilungen
Gleichstellungsplan    hat    sich    die    Stand an der Kunstuniversität Graz dar, sondern bieten eine       von       Studierenden,      AbsolventInnen        und
Kunstuniversität Graz zum Ziel gesetzt,      Grundlage um Ziele im Rahmen eines Monitorings überprüfen         MitarbeiterInnen      im      Studienjahr     2016/17
die Kreativität und das Potenzial aller      und (weiter)entwickeln zu können.                                 (AbsolventInnen: 2015/16) bzw. zum Stichtag
MitarbeiterInnen        zu        nutzen,                                                                      31.12.2016.
                                             Darüber      hinaus     gewähren      jährlich   alternierende
Chancengleichheit zu fördern und
                                             Themenschwerpunkte Einblicke in verschiedene Dimensionen
vorhandene       Ungleichheiten     bzw.                                                                       Der Großteil der Daten basiert auf der
                                             von Diversität an der Universität. In dieser Ausgabe steht die
Unterrepräsentationen schrittweise zu                                                                          Bildungsdokumentationsverordnung (BiDokVUni) der
                                             Diversitätsdimension Behinderung im Zentrum, wobei eine
beseitigen.                                                                                                    Universitäten und der Wissensbilanz-Verordnung (WBV).
                                             einheitliche      Definition      (national,     international,
                                                                                                               Aufgrund der an der Kunstuniversität Graz bestehenden
                                             wissenschaftlich) bislang fehlt. Aus diesem Grund wird nach
Die Kunstuniversität Graz berücksichtigt                                                                       Kultur eines umfassenden und systematischen
                                             einem Einblick in die gesetzliche und demografische Situation
individuelle Differenzen, die sich aus dem                                                                     Berichtswesens über die Leistungen der Universität
                                             in Österreich ein theoretischer Abriss zum Verständnis von
sozialen Status sowie Merkmalen der                                                                            können zusätzliche Daten und Informationen für den
                                             Behinderung insbesondere an der Universität angeschlossen.
ethnischen Herkunft, des Alters, des                                                                           Bericht recherchiert werden. Für den Schwerpunkt
                                             Der Umgang an Universitäten mit Menschen mit Behinderung
Geschlechts, der sexuellen Orientierung,                                                                       Behinderung wurden Daten von uni:data, Statistik
                                             wird anhand vorhandener Studien zum Thema rezipiert. Daran
der Weltanschauung oder der Religion                                                                           Austria und der Studierenden-Sozialerhebung 2015
                                             anschließend wird die Kunstuniversität Graz ins Zentrum
ergeben. Sie sieht in der Förderung und                                                                        ergänzend zu den universitätsinternen Daten analysiert.
                                             gerückt, Anlaufstellen bzw. Ansprechpersonen an der
Absicherung dieser Vielfalt sowie im                                                                           Weiters wurden zur Verfügung gestellte Informationen
                                             Kunstuniversität Graz werden ebenso vorgestellt wie aktuelle
kontinuierlichen Bemühen um die                                                                                aufbereitet und ausgewählte Personen gaben Einblick in
Gleichstellung von Frauen und Männern        Projekte und Kooperationen.                                       laufende Projekte und Kooperationen. Besonderer Dank
eine produktive Quelle für die               Dieser Überblicksbericht soll zur Diskussion anregen und          für die konstruktive Zusammenarbeit gilt dem Büro für
Weiterentwicklung der Universität in         Facetten der Vielfalt im universitären Alltag sichtbar machen,    Projektmanagement (insb. Daniela Eder), dem Zentrum
ihren Entscheidungsprozessen sowie           Ungleichverteilungen bzw. Hinweise auf diskriminierende           für Genderforschung (insb. Anna Benedikt), Karl
Leistungen und nimmt eine klare Haltung      Strukturen und damit verbundene Handlungsfelder                   Schwarzl als Behindertenvertrauensperson sowie dem
gegen jede Form der Diskriminierung ein.     aufdecken.                                                        gesamten Rektorat.
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS                                                                LEGENDE

AE           Sonstige            künstlerisch-wissenschaftliche         Einheiten,    Frauen (F), Männer (M)
             Dienstleistungseinrichtungen, Stabsabteilungen sowie Stabsstellen der    Österreich,  Europäische Union (EU),  Drittstaaten
             Geschäftsführung
AKG          Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen                                In den TABELLEN sind Bereiche dunkelviolett hinterlegt, wenn ein Frauenanteil von
ASA          Arbeitsschutzausschuss                                                  50 % nicht erreicht wird. In den BALKENDIAGRAMMEN markieren die Pfeile, in
BidokVUni    Bildungsdokumentationsverordnung der Universitäten                      welchen Bereichen eine Ungleichverteilung von mehr als zwei Dritteln
Dok          Doktorat                                                                vorherrscht. Die Farben der Pfeile verweisen auf die Überrepräsentanz, bspw.
EEK          Entwicklung und Erschließung der Künste                                 wird ein Frauenanteil von mindestens 67 % mit einem dunkelvioletten Pfeil ,
ET-TI        Elektrotechnik-Toningenieur                                             ein Männeranteil von mindestens 67 % mit einem dunkelgrünen Pfeil 
EU           Europäische Union                                                       markiert.
F            Frauen
                                                                                     Generell werden in den Abbildungen Angaben in Prozenten mit einem %-Zeichen
FA           Frauenanteil
G            Gesamt
                                                                                     ausgewiesen.       Die   prozentuellen   Angaben   sind     mitunter   auf   eine

IGP          Instrumental(Gesangs)pädagogik                                          Nachkommastelle gerundet, weshalb es vorkommen kann, dass die Summe der
KM           Kammermusik                                                             jeweiligen Werte nicht immer exakt 100% ergibt. Sonst handelt es sich um
KUG          Kunstuniversität Graz                                                   Zählwerte, also die Anzahl von Personen, Vollzeitäquivalente oder Leistungen. In
kü-wi        künstlerisch-wissenschaftlich                                           Klammern hinter einer Bezeichnung stehende Zahlen stellen die Gesamtzahl dar,
KV           Kollektivvertrag                                                        z.B. die Bezeichnung Jazz (22) in der Studierendenstatistik bedeutet, dass
M            Männer                                                                  22 Personen Jazz studieren. Weiters können geringe Differenzen aufgrund von
M&A          Management und Administration                                           Doppelverwendungen (wenn beispielsweise ProfessorInnen gleichzeitig eine
ÖGfMM        Österreichische Gesellschaft für Musik und Medizin                      Institutsleitung    übernommen     haben    oder   künstlerisch-wissenschaftliche
ÖH(-KUG)     Österreichische HochschülerInnenschaft (an der Kunstuniversität Graz)   MitarbeiterInnen an mehreren Instituten beschäftigt sind) oder einem
Org.Einh.    Organisationseinheiten
                                                                                     bestimmten Fokus (ordentliche Studierende etwa) auftreten.
Verw.Einh.   Verwaltungseinheiten
VÖGB         Verbands österreichischer gewerkschaftlicher Bildung                    Alle Darstellungen beziehen sich auf das Studienjahr 2016/17 bzw. wurde bei
VZÄ          Vollzeitäquivalente                                                     erforderlichen Stichtagen der 31.12.2016 gewählt, mit Ausnahme bei den
WBV          Wissensbilanz-Verordnung                                                Verteilungen der AbsolventInnen, bei denen das Studienjahr 2015/16
wi           wissenschaftlich                                                        herangezogen wurde.
ZfG          Zentrum für Genderforschung
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INHALTSVERZEICHNIS

Chancengleichheit an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz .........................................................................................................................................................4
Zur Bedeutung der Dimension Behinderung .............................................................................................................................................................................................................8
Behinderung in Österreich .........................................................................................................................................................................................................................................9
Behinderung an Universitäten – ein theoretischer Blick .........................................................................................................................................................................................11
Von Behinderung betroffen – zur Situation an Universitäten .................................................................................................................................................................................13
Behinderung an der Kunstuniversität Graz im Fokus...............................................................................................................................................................................................17
Einrichtungen und Personen für Menschen mit Beeinträchtigungen an der Kunstuniversität Graz ......................................................................................................................18
Veranstaltungen für und mit Menschen mit Beeinträchtigungen an der Kunstuniversität Graz ............................................................................................................................21
Geschlechterdisparitäten an der Kunstuniversität Graz ..........................................................................................................................................................................................24
Die Heterogenität der Studierenden und AbsolventInnen ......................................................................................................................................................................................25
Die Lehre aus diversitätssensibler Perspektive ........................................................................................................................................................................................................39
Die Diversität des künstlerisch-wissenschaftlichen, allgemeinen und leitenden Personals im Fokus ....................................................................................................................45
(Weiterführende) Literatur und Links ......................................................................................................................................................................................................................59
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DIE DIVERSITÄTSDIMENSION
BEHINDERUNG
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GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

ZUR BEDEUTUNG DER DIMENSION BEHINDERUNG
Die Heterogenität der Menschen an der Kunstuniversität Graz stellt ein
enormes Potenzial dar, wobei die Diversität von allen
Universitätsangehörigen             etwa           mit           dem
Bundesgleichbehandlungsgesetz, dem Universitätsgesetz 2002, dem
Frauenförderungs- und dem Gleichstellungsplan sowie dem
Entwicklungsplan bindend vorgegeben und im Universitätsalltag
umgesetzt wird. Die Vielfalt wird in der nebenstehenden Grafik über
die Dimensionen der Heterogenität deutlich, welche dem
ganzheitlichen Ansatz der Charta der Vielfalt entspricht. Die
Kunstuniversität Graz hat sich 2011 mit Unterzeichnung der Charta des
Zusammenlebens in Vielfalt (Land Steiermark) sowie als Mitglied der
Integrationspartnerschaft     Steiermark    dazu    bekannt,    einen
wertschätzenden Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt zu fördern.

Im Fokus des Gender- und Diversity-Berichts stehen (aufgrund
statistischer Erhebungspraktiken) vor allem das Geschlecht, die
nationale Zugehörigkeit sowie die Rollen bzw. Funktionen von
Studierenden sowie von allgemeinem, künstlerisch-wissenschaftlichem
und leitendem Personal. Die Bewusstheit um diese Diversität wird an
der Kunstuniversität Graz durch das Streben nach Chancengleichheit
und Gleichstellung im Sinne sozialer Gerechtigkeit aktiv unterstützt
und umgesetzt. Für das Berichtsjahr 2016 wird der Fokus auf die
Dimension Behinderung gelegt. Wie ist das Thema in Österreich
verankert? Was wird in diesem Kontext im Fachbereich diskutiert?
Welche Personen bzw. Einrichtungen sind wesentlich? Welche
Projekte und Kooperationen sind aktuell an der Kunstuniversität Graz
mit diesem Thema verknüpft? Diese Fragen werden im Rahmen des
diesjährigen Gender- & Diversity-Berichts unter Berücksichtigung
unterschiedlicher Perspektiven (Gesetz, Disability Studies) und
Praktiken (Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote,
                                                                                           Quelle: http://www.charta-der-vielfalt.de/diversity/diversity-dimensionen.html
Kooperationen) als Schwerpunkt beantwortet.

                                                                                 8
Bericht 2016 GENDER & DIVERSITY UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ - Kunstuniversität Graz
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

BEHINDERUNG IN ÖSTERREICH
In Österreich wird von Behinderung betroffenen bzw. bedrohten Personen        Wurde     ein    BEHINDERUNGSGRAD            Ausgehend      von       den     Ergebnissen    der
über das BUNDESBEHINDERTENGESETZ (BBG) die bestmögliche Teilnahme am          (durch ärztliche Sachverständige             Mikrozensus-Zusatzfragen im 4. Quartal 2015
gesellschaftlichen Leben zugesichert. Dazu sind das Verständnis von           des Sozialministeriumservice) mit            von Statistik Austria (durchgeführt im Auftrag
„Behinderung" und Maßnahmen der Beratung, Betreuung und besonderen            Einschränkung                         der    des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales,
Hilfe geregelt. „Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die     gesellschaftlichen Teilhabe und /            Gesundheit und Konsumentenschutz) sind
Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder       oder     eine    Minderung            der    19,3% der ÖSTERREICHISCHEN BEVÖLKERUNG ab
psychischen   Funktionsbeeinträchtigung    oder   Beeinträchtigung      der   Erwerbsfähigkeit von mindestens              15 Jahren (1,34 Millionen Menschen) durch
Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in     50% festgestellt, wird von der               gesundheitliche                 Beeinträchtigungen

der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein          Landesstelle          des          Sozial-   eingeschränkt. Davon stellt für 14,1% die
                                                                                                                           Beeinträchtigung       der     Beweglichkeit    das
Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten“ (BBG § 1 Abs.2).         ministeriumservices         auf     einen
                                                                                                                           Hauptproblem dar, 7,3% sind von mehreren
Als MAßNAHMEN können die Verpflichtung zur Einrichtung eines                  Antrag hin ein Begünstigtenstatus
                                                                                                                           Beeinträchtigungen betroffen. Häufig nehmen
Bundesbehindertenbeirates beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales,        zuerkannt. Diese Menschen mit
                                                                                                                           Personen Einschränkungen wahr, ohne einen
Gesundheit und Konsumentenschutz zur Berichtslegung über die Lage von         Behinderung können in Österreich
                                                                                                                           Begünstigtenstatus zuerkannt zu haben. In der
Menschen mit Behinderung, zur Bestellung einer Behindertenanwältin            unter    bestimmten Bedingungen
                                                                                                                           Zusatzstudie der Studierenden-Sozialerhebung
oder eines Behindertenanwaltes beim Bundesminister für soziale                (Wohnsitz       bzw.         Aufenthalt,
                                                                                                                           2015 wurde festgestellt, dass lediglich 5% der
Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, sowie Auskunfts-,             Feststellung    der      Behinderung,
                                                                                                                           Studierenden       mit        Behinderung      einen
Beratungs- und Betreuungsleistungen genannt werden. Von Behinderung           Erwerbsfähigkeit)                   einen
                                                                                                                           Behindertenpass besitzen.
betroffene bzw. bedrohte Personen erhalten Unterstützung vom                  Behindertenpass beim Bundesamt               Weiters kann festgestellt werden, dass 19,3%
Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen als Sozial-Service                für Soziales und Behindertenwesen            der   in    Österreich       geborenen    Personen
(Informationen,   Beratung),   vom    Bundesamt     für   Soziales      und   beantragen.      Diese           Personen    Beeinträchtigungen             aufweisen,        im
Behindertenwesen (Durchführung) und von Beratungsdiensten, wenn               erhalten Begünstigungen (erhöhter            Unterschied zu 14,1% Personen mit nicht
Schwierigkeiten aus eigener Kraft nicht beseitigt, gemildert oder eine        Kündigungsschutz, Förderung für              österreichischem       Geburtsland.      Für    eine
Verschlimmerung verhindert werden kann. Zur finanziellen Unterstützung        ArbeitgeberInnen und Menschen                Universität kann als besonders interessant
wurde ein „Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung“                  mit Behinderung etc.), um den                herausgestrichen werden, dass Personen mit
eingerichtet. Es wird intendiert, Menschen mit Behinderung ein                beruflichen und privaten Alltag              höherer     oder      Hochschulbildung      deutlich
selbstbestimmtes Leben in Würde sowie die volle gesellschaftliche             besser   bewältigen         zu    können.    seltener    (9,3%)      von     Beeinträchtigungen
Teilhabe zu ermöglichen, wobei Bildung einen wesentlichen Part                Bestimmungen zu deren Schutz                 betroffen      sind      als      Personen       mit
einnimmt.                                                                     werden ebenso geltend.                       Pflichtschulabschluss (24,6%).
                                                                                 9
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GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

   MENSCHEN MIT BEEINTRÄCHTIGUNG IN ÖSTERREICH
                                                                                                                                                                            Ein-       Probleme bei der   Probleme am
                         Beeinträchtigte                                                  Probleme          Geistige                                                   schränkungen       Ausbildung
                                                                                                                        Nervliche oder                   Mehrfache                                         Arbeitsplatz
                            Personen       Probleme beim    Probleme      Probleme           mit           Probleme                      Andere Beein-                   im Alltag
         Merkmale                                                                                                        psychische                         Beein-                     (manchmal – ja,    (manchmal –
                           insgesamt           Sehen       beim Hören   beim Sprechen   Beweglichkeit/       oder                        trächtigungen
                                                                                                                          Probleme                       trächtigung        (ja)           immer)           ja, immer)
                             in 1.000                                                     Mobilität      Lernprobleme
                                                                                                                                                                         in 1.000         in 1.000           in 1.000

                                                                                                                                                                          19,3%           3,8% (von          43,0%
Insgesamt                    1.340,5          16,1%          11,7%          1,9%           76,7%              4,4%         20,1%            27,9%          39,8%
                                                                                                                                                                       (von 7.303,6)       1.199,5)       (von 393,3)
                                                                                                                                                                           19,8%            3,7%             42,6%
Frauen                       703,3             9,3%          5,3%           0,8%           41,7%              2,1%         12,2%            14,0%          22,2%
                                                                                                                                                                         (3.741,4)         (633,9)          (169,9)
                                                                                                                                                                           2,1%
15 bis unter 20               (3,4)              .             .              .               .                .              .             (0,3%)            .                               ..                .
                                                                                                                                                                          (220,4)
                                                                                                                                                                           14,1%            8,1%             43,7%
20 bis unter 60              320,9             3,2%          1,1%          (0,4%)          17,5%              0,9%          7,6%             7,0%           9,5%
                                                                                                                                                                         (2.408,4)          280,4           (159,0)
                                                                                                                                                                           35,6%            0,1%             27,7%
60 und mehr                  379,1             6,1%          4,2%          (0,4%)          24,2%              1,3%          4,6%             6,7%          12,6%
                                                                                                                                                                         (1.112,6)         (353,5)           (10,9)
                                                                                                                                                                           18,8%            4,0%             43,3%
Männer                       637,1             6,9%          6,4%           1,2%           35,0%              2,3%          8,0%            13,9%          17,6%
                                                                                                                                                                         (3.562,1)         (565,6)           223,4
                                                                                                                                                                           3,0%             48,2%           100,0%
15 bis unter 20                6,1               .           (0,1%)           .            (0,2%)              .             0%             (0,2%)            .
                                                                                                                                                                          (234,9)            (3,7)           (1,8)
                                                                                                                                                                           14,5%            6,6%             44,9%
20 bis unter 60              334,8             2,8%          2,2%           0,7%           18,4%              1,5%          4,9%             6,3%           8,4%
                                                                                                                                                                         (2.428,0)         (305,1)          (203,3)
                                                                                                                                                                           34,6%            0,1%             20,5%
60 und mehr                  296,3             4,1%          4,2%           0,5%           16,4%              0,8%          3,1%             7,5%           9,3%
                                                                                                                                                                          (899,2)          (256,8)           (18,4)
Höchste abgeschlossene Ausbildung
                                                                                                                                                                          25,9%             2,8%             41,3%
Pflichtschule                406,4             6,2%          4,6%           0,6%           23,8%              1,9%          6,9%             7,4%          13,8%
                                                                                                                                                                       (von 1.649,0)     (von 371,6)       (von 66,8)
                                                                                                                                                                          21,7%             3,3%             44,7%
Lehre, BMS                   735,4             7,9%          6,2%           1,0%           42,1%              1,9%         10,4%            16,2%          21,0%
                                                                                                                                                                       (von 3.522,8)     (von 657,6)      (von 240,4)
Höhere Schule,                                                                                                                                                            10,2%             7,6%             39,9%
                             198,7             2,0%          1,0%          (0,2%)          10,8%              0,6%          2,8%             4,3%           4,9%
Hochschule                                                                                                                                                             (von 2.131,8)     (von 170,3)       (von 86,1)
Staatsbürgerschaft
                                                                                                                                                                          20,4%             3,5%             41,0%
Österreich                   1.228,2          15,0%          11,1%          1,8%           71,2%              3,9%         17,6%            25,3%          37,0%
                                                                                                                                                                       (von 6.323,5)    (von 1.106,5)     (von 347,4)
                                                                                                                                                                          12,6%              7,2%            59,3%
Nicht-Österreich             112,2             1,1%          0,7%          (0,2%)           5,4%              0,6%          2,5%             2,6%           2,8%
                                                                                                                                                                       (von 980,1)        (von 93,0)       (von 46,0)
Geburtsland
                                                                                                                                                                          20,2%             3,6%             42,5%
Österreich                   1.159,4          13,8%          10,1%          1,6%           66,8%              4,0%         16,3%            24,6%          34,7%
                                                                                                                                                                       (von 6.017,1)    (von 1.041,3)     (von 333,0)
                                                                                                                                                                          15,0%             5,1%             45,8%
Nicht-Österreich             181,0             2,3%          1,6%          (0,3%)           9,9%              0,5%          3,8%             3,3%           5,1%
                                                                                                                                                                       (von 1.286,5)     (von 158,1)       (von 60,3)

   Quelle: Statistik Austria, Mikrozensus 4.Quartal 2015 — Zusatzfragen "Menschen mit Beeinträchtigungen". Erstellt am 20.01.2017. Grundgesamtheit: Personen ab 15 Jahren in
   Privathaushalten. Hochgerechnete Zahlen. (xxx) Bei einer hochgerechneten Personenanzahl von 6.000 oder weniger ergibt sich ein Stichprobenfehler von 32% oder mehr.

                                                                                                         10
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

BEHINDERUNG AN UNIVERSITÄTEN – EIN THEORETISCHER BLICK
Ausgehend von den Rahmenbedingungen sowie dem Überblick über die Anzahl der Menschen mit Behinderung in Österreich wird der Fokus nun auf die Universität
gerichtet. Die Universität stellt für Heitzmann und Klein (2012) einen Ort dar, wo KUNST UND WISSENSCHAFT ALS SOZIALE PRAXIS verortet sind1. KünstlerInnen und
WissenschaftlerInnen, MitarbeiterInnen in Administration, Technik und Management sowie Studierende sind die AkteurInnen. Künstlerische Produktionen sowie
wissenschaftliches Wissen entstehen in einem ständigen Austausch, einem Prozess des Hinterfragens und der Grenzüberschreitung. Darüber hinaus sind Zugang zu und
Teilhabe an künstlerischen und wissenschaftlichen Ergebnissen für den Wissenstransfer maßgeblich von Bedeutung. In diesem Zusammenhang kann auf Bourdieus
(2001/2017, S. 112-121) Unterscheidung in INSTITUTIONALISIERTES (akademische Zeugnisse, Titel), OBJEKTIVIERTES (wissenschaftliche Werke, Qualifizierungsarbeiten) und
INKORPORIERTES Kulturkapital (kognitive Fähigkeiten, Umgangsformen, Neigung und Disposition zur Wissensproduktion und -darstellung) verwiesen werden. Im Kontext
Behinderung ist vor allem das inkorporierte Kulturkapital kritisch zu betrachten, da dies in hohem Maße abhängig von Sozialisationsbedingungen ist und unbewusst zu
hegemonialen Vorstellungen von LeistungsträgerInnen an Hochschulen führt (unversehrte, weiße, heterosexuelle Männer aus Akademiker- bzw. Künstlerfamilien). Kunst
und Wissenschaft werden als Lebensform verhandelt, als harte Arbeit und Leidenschaft, wobei die Leistungen von anderen wahrgenommen und anerkannt werden
müssen, bestärken auch Heitzmann und Klein (2012).

Der Prozess zur Teilhabe an Kunst und Wissenschaft umfasst laut Dobusch et al. (2012) mehrere Ebenen, die durch Selektionsprozesse und Inklusionsmechanismen
gekennzeichnet sind. Bereits der BILDUNGSZUGANG (erste Ebene) wird über vorhergehende Entscheidungen im Bildungssystem geprägt, verstärkt durch sozio-ökonomische
Verhältnisse. Die Universitäten haben die Möglichkeit „nachholend“ zu wirken, etwa durch eine Flexibilisierung der Zugangsmöglichkeiten (Hochschulberechtigung) und des
Studiums an sich. Durch eine barrierefreie Gestaltung über bauliche Maßnahmen hinaus wird die Nutzbarkeit sämtlicher Lernbereiche ermöglicht. Gerade an
Kunstuniversitäten erfahren Zulassungsprüfungen eine große Bedeutung, wobei die erbrachten Leistungen der Studierenden bewertet und anerkannt werden. Über diese
Prozesse sozialer Klassifikation entlang des Kulturkapitals werden scheinbar definitive Urteile über den Studienzugang getroffen. Ist der Zugang geschafft, werden über
Prüfungsprozesse und -routinen im Rahmen der erforderlichen Leistungserbringung in den Studien immer wieder die erbrachten Leistungen bewertet bis hin zum
akademischen Abschluss. Dadurch werden die Leistungen formal anerkannt und der Zugang zu Kunst und Wissenschaft wird bestärkt.

Die Personalauswahl und -karrieren an Universitäten im künstlerisch-wissenschaftlichen Bereich erfolgen entlang des institutionalisierten, objektivierten und inkorporierten
Kulturkapitals. Damit wirkt das Kulturkapital ebenso auf der zweiten Ebene, den KUNST- UND WISSENSCHAFTSKARRIEREN sowie auf der dritten Ebene der
WISSEN(SCHAFT)SPRODUKTION. Lineare Bildungs- und Berufsbiografien werden als Normvorstellung für Wissenschaftskarrieren manifestiert (Matura, Studium,
Universitätsassistenz, Promotion, Laufbahnstelle, Habilitation, Professur). Brüche durch Krankheiten oder Auszeiten erschweren die Karrierewege. Hier nehmen
Kunstuniversitäten eine besondere Rolle ein, da der institutionalisierte Leistungsnachweis zugunsten der künstlerischen Reputation in den Hintergrund rückt. Gemeinsam
ist, dass KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen an ihren Auftritten und Publikationen gemessen werden, welche durch Kritiken, Reviews und Rezensionen bewertet
werden. Als Maßstäbe gelten neben formalen Kriterien inkorporierte Vorstellungen für künstlerisch- oder wissenschaftlich-fachliche Qualität.

1
 Die vorhandenen Studien beziehen sich auf wissenschaftliche Hochschulen. Nach kritischer Analyse kann jedoch davon ausgegangen werden, dass vieles davon auch für
Kunstuniversitäten gilt, weshalb die Kunst für diesen Bericht ergänzt wurde.

                                                                                    11
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

Auf den genannten Ebenen werden mehr oder weniger strukturierte bzw. standardisierte Verfahren eingesetzt, um den Einfluss vorhandener Vorurteile zu kontrollieren.
Dies kann angesichts des performativ-körpergebunden ausgedrückten Könnens und Wissens nur zum Teil gelingen. Der Körper nimmt eine entscheidende Rolle ein,
einerseits als Medium für Können sowie Wissen und andererseits als körperlich manifestiertes Verständnis von Beeinträchtigungen bzw. Behinderung. Über den Körper
erfolgt damit eine zweifache Rechtfertigung von Inklusion / Exklusion und Gleichheit / Ungleichheit (vgl. Dobusch et al. 2012, S. 72f). Mit diesen DIFFERENZSETZUNGEN gehen
Anerkennungs- und Zuschreibungsprozesse einher, die in weiterer Folge mit unterschiedlichen Privilegien und Diskriminierungen, Macht- und Herrschaftsbeziehungen
entlang individueller und gruppenspezifischer Merkmale verknüpft sind, die in der Praxis von den AkteurInnen konstruiert bzw. reproduziert und variiert werden.

Es wird davon ausgegangen, dass Differenzhandeln auf Normalitätsvorstellungen zurückgeht, wodurch Orientierungsmuster, Handlungswissen und Sinnstrukturen
konstituiert werden. Damit einhergehend werden Bedürfnisse aufgrund körperlicher Vielfalt als Störungen für Organisationsroutinen wahrgenommen, die es zu lösen gilt
(vgl. Heitzmann & Klein 2012; Dobusch et al. 2012).

                                       WAS ABER, WENN DIFFERENZ ALS „NORM“, VIELFALT ALS SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT GESEHEN WÜRDE?

Gerade an Universitäten und verstärkt an Kunstuniversitäten wird durch die Ausrichtung an hervorragenden Leistungen sowie den Kunstformen immanenten
Anforderungen (körperliche Konstitution bei bestimmten Instrumenten) ein Selektionsprozess als unabdinglich wahrgenommen, Zugänge werden ebenso geschaffen wie
Exklusionsmechanismen umgesetzt. Gleichzeitig wird Diversität als Element der Profilbildung wahrgenommen, etwa durch das Ziel selbständige KünstlerInnenpersönlichkeit
zu bilden, die Intention, Kreativität und Potenziale aller MitarbeiterInnen zu nutzen, oder die Leitlinie „Zusammenspiel als Grundprinzip“ (EP 2016-2021). Deshalb gilt es für
alle Hochschulangehörigen sich reflexiv diesem Thema, den damit einhergehenden Fragen zur (Bildungs-)Gerechtigkeit und zum Selbstverständnis der Kunst- und
Wissen(schaft)sproduktion zu widmen, einen Vorbildcharakter wahrzunehmen und MultiplikatorInnen zu bilden. In diesen Prozessen kann ein großes Potenzial für
Diversität gesehen werden.

Bislang wurde der Fokus auf Geschlecht und Internationalität gerichtet, mit diesem Bericht wird auf Behinderungen geachtet, wobei es gilt, diese Kategorie nicht isoliert zu
sehen (Intersektionalität). Wenn auf „Behinderung“ fokussiert wird, dann „nicht mehr [...] als kausale Folge einer Krankheit oder Schädigung [...], sondern als Resultat der
Interaktion verschiedener Komponenten“ (Heitzmann & Klein 2012, S. 34). Ausgehend von einem Paradigmenwechsel hin zu einem sozialen Modell, was sich jedoch noch
nicht voll durchgesetzt hat, wird die Einschränkung der Teilhabe berücksichtigt. Kritik erntete dieses Modell, weil immer noch die persönlichen körperlichen, seelischen,
geistigen oder sinnesbeeinträchtigten Voraussetzungen (BEEINTRÄCHTIGUNG) als Auslöser für gesellschaftliche Einschränkungen (BEHINDERUNG) bzw. Öffnung gesehen
werden. Zudem werden vielfältige Formen der Beeinträchtigung und damit verbunden unterschiedliche Grade der Behinderung vernachlässigt. Dobusch, Hofbauer und
Kreissl (2012, S. 75) beschreiben Behinderung als Divergenz zwischen Fähigkeiten und Erwartungen sowie in einem zweiten Sinn als historisches Konfliktlösungswissen und
-handeln der Gesellschaft: „Diese Perspektive betont die Herstellungskomponente von Behinderung in den täglichen Praktiken menschlichen Zusammenlebens und behält
gleichzeitig die gesellschaftlichen Strukturen als ein Sediment früherer Auseinandersetzungen im Blick“. Dekonstruktivistische Ansätze greifen die diskursive Herstellung von
Behinderung durch Praktiken des Unterscheidens, der Differenzierung und öffentlichen Sichtbarmachung von Normalität und Abweichungen auf. Auch wenn der Fokus auf
bestimmte Kategorien bzw. Besonderheiten in der Kritik steht, so will der Bericht mit dem Fokus auf die Diversitätsdimension Behinderung ein Bewusstsein für die Vielfalt
sowie die Wirkung von Universitäten in diesem Kontext schaffen, indem implizite Konstruktionsprozesse explizit und damit einer Reflexion zugänglich gemacht werden, wie
Heitzmann und Klein (2012) von Hochschulen fordern.
                                                                                     12
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

VON BEHINDERUNG BETROFFEN – ZUR SITUATION AN UNIVERSITÄTEN
Im Anschluss an den gesetzlichen, den demografischen und den theoriebasierten Blick auf das Thema Behinderung
an Universitäten wird der Fokus weiter geschärft auf die Situation an Universitäten und in weiterer Folge an der
Kunstuniversität Graz.

IN ZAHLEN: In Österreich studierten im Wintersemester 2016 308.374 Personen. Laut Studierenden-Sozialerhebung
2015 haben 12% aller Studierenden eine studienerschwerende Beeinträchtigung, 0,6% haben einen
Behindertenpass. Am 31.12.2016 waren insgesamt 57.590 Personen an österreichischen Universitäten beschäftigt,
davon 39.046 als künstlerisches und wissenschaftliches Personal, 17.964 als allgemeines Personal (uni:data 2018).                     SICHT B    ARKEIT
Nach Statistik Austria waren 2015 19,3% der österreichischen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren in Privathaushalten                          SEHB E    EINTRÄCHTIGUNG
durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung eingeschränkt. 18,4% der Befragten gaben eine dauerhafte
Beeinträchtigung an. Heitzmann und Klein (2012, S. 35) halten fest, dass mit zunehmendem Alter der Anteil der                       PSYCHISC H   E BEEINTRÄCHTIGUNG

Menschen mit Behinderung steigt und damit jeder davon betroffen sein kann. Immerhin erfolgen 80 % der                       CHRONISCH-SOMAT I    SCHE KRANKHEIT
Beeinträchtigungen im Lebensverlauf. Über den prozentuellen Anteil an österreichischen Universitäten gibt es keine
                                                                                                                               UNIVERSITÄTSA N GEHÖRIGE
detaillierten Statistiken, jedoch ist von den genannten Zahlen davon auszugehen, dass Angehörige des
Universitätspersonals von Behinderung betroffen sind.                                                                                 BEHIN D    ERT WERDEN

DAS GESETZ: Laut § 2 Abs. 11 des Universitätsgesetzes 2002 zählt es zu den leitenden Grundsätzen der Universitäten       ALLERGIE- UND ATEMW E   GSERKRANKUNG
bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, die Erfordernisse von Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen. Gemäß                           BEEINT R    ÄCHTIGT SEIN
§ 22a des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG) ist eine Behindertenvertrauensperson zu wählen.
Insbesondere Studierende haben laut § 59 Abs. 12 des UG 2002 das Recht „auf eine abweichende Prüfungsmethode,                         KUNST U    NIVERSITÄT

wenn die oder der Studierende eine länger andauernde Behinderung nachweist, die ihr oder ihm die Ablegung der            HÖR- UND SPRECHBEEI N   TRÄCHTIGUNG
Prüfung in der vorgeschriebenen Methode unmöglich macht, und der Inhalt und die Anforderungen der Prüfung
                                                                                                                                   BEWEGUN G     SBEEINTRÄCHTIGUNG
durch eine abweichende Methode nicht beeinträchtigt werden“. Weiters sind das Bundesgleichbehandlungsgesetz
für Bedienstete des Bundes sowie das Bundesbehindertengesetz zu berücksichtigen.

DIE PRAXIS: An den österreichischen Universitäten sind Behindertenvertrauenspersonen institutionell verankert.
Laut der Auflistung von Unability (2018) sind zwar an den Universitäten Ansprechpersonen für
Universitätsangehörige institutionalisiert, jedoch sind die Stellen nicht immer besetzt. An einigen Universitäten gibt
es eigene Zentren (z.B. Zentrum Integriert Studieren der Karl-Franzens-Universität Graz). Klammer und Ganseuer
(2015) erkennen kein einheitliches bzw. systematisches Vorgehen an den Universitäten, um sich Belangen von
Studierenden mit Beeinträchtigung zu widmen. Ausgehend von diesen Erkenntnissen wird ein Blick auf die
institutionelle Verankerung des Themas gerichtet.
                                                                                      13
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

DETERMINANTEN VON BEHINDERUNG AN UNIVERSITÄTEN

                                                                             ZEITPUNKT DES EINTRETENS DER BEEINTRÄCHTIGUNG
                                    Vor Studien- bzw. Arbeitsbeginn                                                                    Während dem Studium bzw. Arbeitsverhältnis

                                                                                        ARTEN DER BEEINTRÄCHTIGUNG

      Allergie /                Bewegungs-              Chronisch-somatische           Hör- / Sprech-              Mehrfach-
                                                                                                                                     Psychische Erkrankungen Sehbeeinträchtigungen         Teilleistungsstörung
 Atemwegserkrankungen        beeinträchtigungen             Krankheiten              beeinträchtigungen        beeinträchtigungen

                                                                   WAHRNEHMUNG UND WIRKUNG IM STUDIEN- UND ARBEITSALLTAG
                                                                                                                                                                 Studienunterbrechungen / Krankenstände durch
          Eigen- und Fremdwahrnehmung                    Sichtbarkeit für andere Universitätsangehörige            Behinderungen in Studium bzw. Beruf
                                                                                                                                                                       Schmerzphasen / Krankheitsschübe

                                                                                 MÖGLICHE MAßNAHMEN AN UNIVERSITÄTEN

                                  Barrierefreie Studiengestaltung                                                                        Barrierefreie Arbeitsplatzgestaltung

  Nachteilsausgleich bei
                           Gestaltung barrierefreier
 der Leistungsbewertung                                    Ausstattung der                Bereitstellung adäquater Hilfsmittel        Arbeitsklima (Offenheit,   Personalentwicklung & -management (Gestaltung
                           Lernmaterialien (Audio-/
 (Alternativen, flexiblere                                   Lehrräume                            (Medieneinsatz etc.)                   Sensibilisierung)         des Bewerbungsprozesses; Unterstützung der
                            Videoaufnahmen etc.)
     Abgabetermine)                                                                                                                                                Einarbeitungs- und Sozialisationsprozesse z.B.
                                                                                                                                                                   durch MitarbeiterInnenmappe, KUG-Kompass,
                                                         Gestaltung der Lehre                                                                                    MitarbeiterInnengespräche; Inanspruchnahme von
                                    Formale                                                                                                                      Förderungen; Sensibilisierung durch Angebote der
Gestaltung von Lern- und                               (Arbeitsklima, Flexibilität                                                        Gestaltung von
                             Rahmenbedingungen                                         Informationen, Beratung, Unterstützung                                               internen Weiterbildung etc.)
      Überäumen                                           in der Gestaltung -                                                             Arbeitsplätzen
                            (Fristen, Förderungen)
                                                         Wahlmöglichkeiten)

Nach einem ersten Überblick über die Determinanten von Behinderung an Universitäten erfolgt nun eine detailliertere Darstellung anhand der Situation von Behinderung
betroffener Studierender.

                                                                                                          14
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

STUDIERENDE MIT STUDIENERSCHWERENDEN BEEINTRÄCHTIGUNGEN

Die Zusatzstudie der Studierenden-Sozialerhebung 2015 gibt einen Überblick über Studierende mit Behinderung an österreichischen Universitäten. Dabei gaben von allen
Studierenden 12% eine STUDIENERSCHWERENDE BEEINTRÄCHTIGUNG an, an der KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ liegt der Anteil bei 18%. Während im Gesamtschnitt aller Universitäten
der Anteil von jenen Studierenden mit Behindertenpass bei 0,6% (5% aller Studierenden mit Beeinträchtigung) liegt, haben lediglich 0,2% DER STUDIERENDEN AN DER
KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ EINEN BEHINDERTENPASS, so die Ergebnisse der Studierenden-Sozialerhebung 2015. Im Rahmen der Studierenden-Sozialerhebung 2015 wurde eine
Zusatzstudie vom Institut für höhere Studien zur Situation behinderter, chronisch kranker und gesundheitlich beeinträchtigter Studierender durchgeführt. 47.000
Studierende öffentlicher und privater Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischer Hochschulen haben sich an der Online-Befragung beteiligt, wobei die Situation
von Studierenden untersucht wurde, „die eine oder mehrere gesundheitliche Beeinträchtigung(en) angeben und aufgrund einer Behinderung, chronischen, psychischen oder
anderen Erkrankung sowie einer Teilleistungsstörung (z.B. Legasthenie) im Studium beeinträchtigt sind. Hier werden nur jene Studierenden betrachtet, deren
Beeinträchtigung sich zumindest schwach bzw. zeitweise studienerschwerend auswirkt“ (Terzieva et al. 2016, 8). Weiters werden nur statistisch signifikante, also
verallgemeinerbare und nicht zufällig entstandene Ergebnisse zur Situation der Studierenden dargestellt.

Von den befragten Studierenden haben nach eigenen Angaben etwa 12% eine oder mehrere studienerschwerende Beeinträchtigung/en. Dabei handelt es sich um 33%
Studierende mit psychischer Erkrankung, 27% mit chronisch-somatischer Krankheit, 9% mit Allergie/ Atemwegserkrankung, 2,2% mit Hör-/Sprechbeeinträchtigung, 3,6%
mit Bewegungsbeeinträchtigung, jeweils 4,3% mit Sehbeeinträchtigung oder mit Teilleistungsstörung. 5,6% haben eine „andere“ Beeinträchtigung, 11% haben mehrere sich
gleich stark auswirkende Beeinträchtigungen. Rund zwei Drittel der Beeinträchtigungen existierten bereits vor Beginn des Studiums, während ein Drittel im Laufe des
Studiums eine Beeinträchtigung erfahren. Weiters ist die „Sichtbarkeit“ der Beeinträchtigung befragt worden. Mehr als zwei Drittel der Studierenden mit Beeinträchtigung
geben an, dass diese nicht sofort von anderen erkennbar sei. Bei 6% ist die Beeinträchtigung sofort, bei 29% nach einiger Zeit wahrnehmbar. Die Beeinträchtigungen führen
dazu, dass 21% der Studierenden sich sehr stark und 33% stark, lediglich 16% schwach eingeschränkt fühlen.

Schwierigkeiten im Studienalltag ergeben sich aus unvorhergesehenen Studienunterbrechungen (Schmerzphasen, Krankheitsschübe) sowie durch zeitliche und / oder
formale Vorgaben im Studium (Prüfungsmodus, Studienorganisation, Abgabefristen). Studierende mit studienerschwerenden Beeinträchtigungen bringen daher ihr
Studium langsamer voran als KollegInnen ohne beeinträchtigungsbedingte Schwierigkeiten. An Kunstuniversitäten hat die Studienwahl einen positiven Einfluss. Laut
Terzieva et al. (2016, S. 66) „stimmen Studierende mit Beeinträchtigung an Kunstuniversitäten häufiger zu, dass ihre Erwartungen an das Studium erfüllt wurden (46% vs.
35%) und zweifeln deutlich seltener an ihrer Entscheidung zu studieren (8% vs. 25%) als Studierende mit Beeinträchtigung an wissenschaftlichen Universitäten“.

Im Rahmen der Studierenden-Sozialerhebung 2015 wurde festgestellt, dass lediglich 17% der von Behinderung betroffenen Studierenden die Ansprechpersonen bzw.
Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen an den Hochschulen kennen. Mit zunehmender Studienerschwernis sind diese Stellen bekannter, 29% der hör-/sprech-, 27%
der seh- und 23% der bewegungsbeeinträchtigten Studierenden kennen die Anlaufstellen. Studierende mit einem Behindertenpass wenden sich zu 54% an die

                                                                                    15
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

entsprechenden Einrichtungen. Die Psychologische Studienberatung an den Hochschulen ist insgesamt bei 54% der von Behinderung betroffenen Studierenden bzw. bei
41% der Studierenden ohne studienerschwerende Beeinträchtigung bekannt. Im zweiten Teil der Zusatzstudie der Studierenden-Sozialerhebung 2015 wurden
Unterstützungsangebote an den österreichischen Universitäten recherchiert und ExpertInneninterviews geführt. Dabei hält Wroblewski (2016) fest, dass im Jahr 2015 drei
Studierende mit körperlicher Beeinträchtigung an der Kunstuniversität Graz studierten, laut Wissensbilanz studierten 2016 zwei Studierende mit Behinderung an der
Kunstuniversität Graz. Begründet wird diese geringe Anzahl damit, dass die angebotenen Studien die körperlichen bzw. kunsthandwerklichen Fähigkeiten sowie deren
Weiterentwicklung bedingen. Daher werden für Studierende keine generellen Maßnahmen gesetzt. Vielmehr wird im Bedarfsfall die Teilhabe sichergestellt. Dies kann im
Rahmen des Einzelunterrichts oder durch die Kooperation mit dem Zentrum Integriert Studieren der Karl-Franzens-Universität Graz passieren.

Unterstützung wird laut Terzieva et al. (2016) von 33% bei anderen Studierenden oder von 26% bei Lehrenden gesucht. Rund ein Drittel der Betroffenen möchte
beeinträchtigungsbedingte Herausforderungen ohne Sonderbehandlung bewältigen. 17% der Studierenden gaben an, nicht zu wissen, welche Person / Stelle unterstützend
oder beratend zur Seite stehen könnte. Je nach Beeinträchtigungsform wirken sich bauliche Gegebenheiten (Bewegung), die Gestaltung von Lehrveranstaltungen (Sehen,
Hören, Sprechen), die Aufbereitung von Lehr- und Lernmaterialien (Sehen) oder organisatorische Rahmenbedingungen wie zeitliche Vorgaben (Leistung) erschwerend auf
die erfolgreiche Studienbewältigung aus. An Kunstuniversitäten treten häufiger konkrete beeinträchtigungsbedingte Schwierigkeiten auf, als an wissenschaftlichen
Universitäten. Jedoch fühlen sich die Studierenden häufig (sehr) gut unterstützt. Vor allem die Lehrveranstaltungsleitung hilft den betroffenen Studierenden, die
Herausforderungen zu bewältigen. In der Erhebung wurde weiters festgestellt, dass Anlaufstellen wie Studienprogrammleitung bzw. Studiengangsleitung, Dekanat,
Rektorat oder Prüfungsreferat hilfreicher erlebt wurden als beispielsweise die Angebote der Studierendenvertretung (ÖH). Einige Studierende wenden sich nicht an
zuständige Personen / Stellen an den Hochschulen, da sie nicht glauben, dass dies etwas ändern würde. Andere betroffene Studierende wollen die Probleme selbständig
lösen, möchten keine Sonderbehandlung oder wollen die Beeinträchtigung nicht Preis geben. Gleichzeitig haben von Behinderung betroffene Studierende (27%) häufiger
als Studierende ohne Beeinträchtigung (15%) oft das Gefühl, an der Hochschule nicht dazuzugehören. Ausgehend von der Befürchtung einer Stigmatisierung oder eines
abweichenden Verhaltens von Nicht-Beeinträchtigten aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigung geben 59% der Betroffenen an, dass möglichst wenig von der
Beeinträchtigung bekannt werden soll. Dies ist abhängig von der Beeinträchtigungsart, insbesondere der Sichtbarkeit (z.B. Rollstuhl) und Tabuisierung (z.B. psychische
Erkrankungen). 14% der Betroffenen haben das Gefühl, dass Lehrende oder StudienkollegInnen unsicher im Umgang mit der Beeinträchtigung sind. Umgekehrt haben 27%
der Personen ohne Beeinträchtigung das Gefühl, nicht zu wissen, wie sie sich im Umgang mit beeinträchtigten Studierenden verhalten sollten.

Insgesamt wünschen sich die betroffenen Studierenden eine Enttabuisierung des Themas, mehr Verständnis, Rücksichtnahme sowie Sichtbarkeit und eine offene
Kommunikation. Eine Flexibilisierung der Studienorganisation und -struktur sowie verstärkte Informations- und Beratungsangebote werden als Fazit der Studierenden-
Sozialerhebung 2015 aus bestehender Kritik abgeleitet. Die Einschätzung der Chancen am Arbeitsmarkt nach dem Studienabschluss unterstreicht den Handlungsbedarf
sowie die Bedeutung der Auseinandersetzung mit diesem Thema. 25% der Studierenden mit studienerschwerenden Beeinträchtigungen schätzen Ihre Chancen als (sehr)
schlecht ein, 28% als mittelmäßig und 47% als (sehr) gut. Hingegen geben 60% der Studierenden ohne Beeinträchtigung an, (sehr) gute Chancen am Arbeitsmarkt zu
erwarten, 23% gehen von mittelmäßigen und 17% von (sehr) schlechten Chancen aus.

                                                                                   16
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

BEHINDERUNG AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ IM FOKUS

Als Bildungseinrichtung, Kulturstätte und Arbeitgeberin nimmt die Kunstuniversität Graz eine besondere gesellschaftliche Verantwortung wahr. Die Förderung der
Gleichstellung von Frauen und Männern und der Abbau von Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Weltanschauung und Religion, des Alters, der
sexuellen Orientierung oder aufgrund von Behinderung sind erklärte Ziele der Kunstuniversität Graz, die durch eine enge Zusammenarbeit des Vizerektorats für Forschung,
des AKG, des ZfG und der ÖH-KUG unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Bericht die strukturellen Unterstützungsmöglichkeiten und die
Bemühungen um eine chancengerechte Teilhabe an der Kunstuniversität Graz für Menschen mit Behinderung aufgezeigt. Eine barrierefreie Umgebung wird bei der
Gestaltung der neuen Website oder bei der (Neu)Gestaltung von Raumkonzepten (z.B. Lift) geschaffen. Darüber hinaus liegt es in der individuellen Verantwortung der
einzelnen Menschen, sich über mögliche Ansprüche zu informieren und diese geltend zu machen sowie Unterstützungsmöglichkeiten wahrzunehmen.

Ausgehend vom Wissen, dass (angehende) KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen erst im Laufe ihres (Berufs-)Lebens von Behinderung betroffen sein können, setzt die
Universität auf eine Langzeitstrategie. Dabei werden die Arbeitsplätze in regelmäßigen Abständen besichtigt und ein arbeitsmedizinischer Dienst fördert das
Gesundheitsbewusstsein des Universitätspersonals. Durch die von der Stabsabteilung Personalentwicklung organisierten internen Weiterbildungsangebote zur
Gesundheitsförderung wird der Forderung von Klammer und Ganseuer (2015, S. 38) nach vermehrten Informations- und Sensibilisierungsinitiativen für
Universitätsangehörige entsprochen. Im Sommersemester 2017 und Wintersemester 2017/18 wurde ein Schwerpunkt auf die MusikerInnengesundheit gelegt.
Veranstaltungen der internen Weiterbildung sowie ein Wissensbrunch fokussierten auf die Bedeutung der MusikerInnengesundheit sowie auf die Bereiche Beratung, Lehre
und Forschung in diesem Bereich. Die Anforderungen an KünstlerInnen werden mit jenen im Hochleistungssport verglichen. Damit sind für etwa ein Viertel der
Studierenden und bis zu Dreiviertel der BerufsmusikerInnen gesundheitliche Belastungen bzw. Schmerzen verbunden. Präventive und therapeutische Möglichkeiten,
beispielsweise Körperarbeit und Mentaltechniken, wurden im Rahmen der Veranstaltungen thematisiert. Es wurde ein Überblick über Anlaufstellen für Beratungen im
Netzwerk der ÖGfMM, Weiterbildungslehrgänge, Publikationen, Tagungen und Online-Ressourcen geboten. Matthias Bertsch gab darüber hinaus einen Einblick in
ergonomische und physiologische Behelfe für MusikerInnen (http://mb.drtrumpet.eu/wp-content/uploads/2018/03/ERGO-MUSIC-COLLECTION_drtrumpet-s-1.pdf). Die
Veranstaltungen richteten sich an Lehrende und MitarbeiterInnen der Universität, mit dem Ziel, die Studierenden trotz höchster musikalischer Anforderungen für das
Thema Gesundheit zu sensibilisieren. Lehrende sollen in der Lage sein, ein breites Angebot an Hilfestellungen und Techniken anzubieten, damit Gesundheit und Spielfreude
lebenslang bewahrt werden können.

                                                                                  17
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

EINRICHTUNGEN UND PERSONEN FÜR MENSCHEN MIT BEEINTRÄCHTIGUNGEN AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ
VIZEREKTORIN FÜR FORSCHUNG –                                       BEHINDERTENVERTRAUENSPERSONEN
   BEHINDERTENBEAUFTRAGTE                                                                                                              Grundlagen      der     ArbeitnehmerInnen-    und
                                                                                                                                        Personalvertretung
                                                    An      der        Kunstuniversität       Graz        nimmt          eine             Integration von ArbeitnehmerInnen mit Behinderung
                                                    Behindertenvertrauensperson           (bzw.     die   Stellvertretung)                 in den Arbeitsmarkt
Zu den Agenden der Vizerektorin für
                                                    wirtschaftliche,    soziale,    gesundheitliche       und     kulturelle              Erfolgreich              verhandeln            als
Forschung              zählen              gemäß                                                                                           Behindertenvertrauensperson
                                                    Interessen von begünstigt behinderten ArbeitnehmerInnen
Geschäftsordnung              des     Rektorats
                                                    wahr.    Als    Sprachrohr      dieser    Personen        erörtert    die             Aktiv gegen Mobbing
auch      die         Bereiche            „Gender   Vertrauensperson gemeinsam mit dem Betriebsrat sowie der
                                                                                                                                2016         wurde      Karl
Mainstreaming“               und      „Diversity    Arbeitsmedizinerin       Probleme        am       Arbeitsplatz,       die
                                                                                                                                Schwarzl feierlich das
Management“. Im Rahmen dieser                       behindertengerechtes Arbeiten betreffen, und leitet diese
                                                                                                                                Zertifikat               als
Agenden         ist         die     Vizerektorin    gegebenenfalls an höhere Stellen weiter. Die Teilnahme an
                                                                                                                                ausgebildete
                                                    Sitzungen          des         Betriebsrates          sowie          des
maßgeblich für gesamtuniversitäre                                                                                               Behinderten-
                                                    Arbeitsschutzausschusses (ASA) — in beratender Funktion —
strategische Weichenstellungen und                                                                                              vertrauensperson
                                                    unterstützt darüber hinaus die sehr gute Zusammenarbeit an
Prozesse verantwortlich.                                                                                                        überreicht.
                                                    der Universität.
                                                                                                                                Darüber hinaus betont
Als     Behindertenbeauftragte                der
                                                                              Seit sechs Jahren vertritt Karl Schwarzl          Karl       Schwarzl     die
Kunstuniversität             Graz      ist    die                             als gewählte Behindertenvertrauens-               Teilnahme                an
Vizerektorin          für     Forschung       die                             person (Vertretung Bernadett Binder)              Fortbildungen           des
Ansprechpartnerin und Anlaufstelle                                            MitarbeiterInnen der Kunstuniversität             Verbands              öster-
für      Studierende,               die      zum                              Graz, die in den begünstigten Bereich             reichischer       gewerk-
                                                                              fallen, also zu mindestens 50% von                schaftlicher     Bildung       (VÖGB)    sowie      das     umfassende
Personenkreis der behinderten oder
                                                                              Behinderung         betroffen     sind.    Um     Informationsmaterial           mit   wesentlichen     Adressen        und
chronisch       kranken           Studierenden
                                                                              beratend und unterstützend wirken zu              Ansprechpersonen          im     Rahmen     seiner        Tätigkeit   als
zählen oder in einer anderen Form                                             können, besuchte Karl Schwarzl den                Behindertenvertrauensperson. Somit ist er gut gerüstet für
in ihrem Studium beeinträchtigt                     Lehrgang für Behindertenvertrauenspersonen mit den vier                     allfällige Fragen und Anliegen der MitarbeiterInnen mit
sind.                                               Lehrgangsmodulen:                                                           Behinderung an der Kunstuniversität Graz.

                                                                                                     18
GENDER & DIVERSITY AN DER KUNSTUNIVERSITÄT GRAZ

 TEAM FÜR UMWELT UND NACHHALTIGKEIT                                          ÖH                                        UNIABILITY                     FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNGEN
                                                                                                                                                   FÜR STUDIERENDE
Die Kunstuniversität Graz nimmt die wichtige           Die         Österreichische               Hoch-   Weiters gibt es in Österreich die                           
Aufgabe wahr, Personen mit körperlicher,               schülerInnenschaft (2018) hat das                 Arbeits-        bzw.         Interessens-   Studierende     mit     Behinderung
geistiger oder seelischer Behinderung eine             Referat         für         Barrierefreiheit      gemeinschaft Uniability (2018) von          erhalten je nach Behinderungsgrad
berufliche und soziale Eingliederung in die            eingerichtet,      welches         sich     der   Behindertenbeauftragten,                    nach      Ansuchen      bei     der
Gesellschaft zu ermöglichen.                           Barrierefreiheit im Studium bzw.                  BetreuerInnen von            besonderen     Studienbeihilfenbehörde eine höhere
                                                       den spezifischen Bedürfnissen von                 Lernorten,               Behinderten-       Studienbeihilfe. Ebenfalls kann man
Wegen erforderlicher motorischer Fähigkeiten
                                                       Studierenden mit Beeinträchtigung                 referentInnen           der        Hoch-    bei der Studienbeihilfenbehörde eine
gibt es in Kunststudien wenige STUDIERENDE mit                                                                                                       Studienunterstützung      beantragen,
                                                       und / oder chronischer Krankheit im               schülerInnenschaften                 und
körperlicher     Behinderung,        weshalb    die                                                      MitarbeiterInnen an Projekten, die          welche laut Studienförderungsgesetz
                                                       Hochschulalltag         annimmt.           Eine
Universität auf spezifische Maßnahmen im                                                                 sich mit dem Thema Behinderung              für Härtefälle in Form einer
                                                       zentrale      Aufgabe         stellen       die
Anlassfall setzt. Seit 2007 stellt durch eine                                                            an      Österreichs      Universitäten      einmaligen Zahlung oder eines
                                                       Bewusstseinsbildung,                        die
Kooperation das Zentrum Integriert Studieren                                                             beschäftigen. Mit dieser Initiative         regulären  Stipendiums gewährt
                                                       Sensibilisierung             und            die
der    Karl-Franzens-Universität       Graz    den                                                       wird            intendiert,          die    werden kann. Unter bestimmten
                                                       Öffentlichkeitsarbeit dar. Darüber
Studierenden     der      Kunstuniversität     Graz                                                      Studienbedingungen                    an    Voraussetzungen      gewährt     das
                                                       hinaus       erhalten          Studierende
Leistungen             zur           Unterstützung                                                       österreichischen         Universitäten      Sozialministeriumservice        Aus-
                                                       Beratung (vor Ort, Skype etc.) und
sehbeeinträchtigter          Studierender       zur                                                      durch      Informationen,      Beratung     bildungsbeihilfen und übernimmt
                                                       Unterstützung         sowohl       bei      der
Verfügung.                                                                                               und Unterstützung zu verbessern             Kosten für erforderliche technische
                                                       Umsetzung von Projektideen als
                                                                                                         (z.B.        barrierefreie        Lehre,    Hilfsmittel im Rahmen des Studiums.
                                                       auch        bei        Vorfällen           von
Für MITARBEITERINNEN mit Behinderung wurden                                                              Lernfreiheit,     soziale      Chancen-
                                                       Diskriminierung. Die Österreichische                                                          Wenn Studierende im Rahmen des
die    notwendigen           Adaptierungen      der                                                      gleichheit), eine Arbeitsassistenz
                                                       HochschülerInnenschaft hat einen                                                              Sokrates   /   Erasmus-Programmes
Arbeitsplätze vorgenommen. Um die Aufnahme                                                               für                           betroffene
                                                       Fonds eingerichtet, der finanzielle                                                           einen         Studierendenaustausch
weiterer       Personen        mit     besonderen                                                        (Jung)AkademikerInnen              anzu-    absolvieren,     unterstützt    die
                                                       Leistungen zur Unterstützung von
Bedürfnissen     zu    erleichtern     sowie    die                                                      bieten (z.B. Berufseinstieg) und            Europäische Kommission Studierende
                                                       Studierenden          mit     Behinderung
Chancenfairness am Arbeitsplatz zu fördern,                                                              eine Interessensvertretung in der           und     Lehrende     mit   schwerer
                                                       erbringt.
aber auch um Menschen mit Gehbehinderung                                                                 Öffentlichkeit          (Forderungen,       Behinderung       oder       außer-
den Zugang zur Kunstuniversität Graz zu                Die ÖH-KUG bietet mit dem Referat                 Stellungnahmen)          zu       bieten.   gewöhnlichen Bedürfnissen mit
ermöglichen, werden spezielle Maßnahmen                für          Gesellschafts-                und    Uniability                       möchte     einem finanziellen Zuschuss für
getroffen        (Bauvorhaben,          finanzielles   Gleichbehandlungsfragen                    eine   Veränderungspotenzial aufzeigen,            erhöhte     Mobilitätskosten    im
Anreizsystem).                                         Anlaufstelle für Studierende.                     motivieren und Mut machen!                  Gastland.
                                                                                                 19
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