Wohnungslosigkeit in Regensburg
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Wohnungslosigkeit in Regensburg Texte von Studierenden der Sozialen Arbeit Projektseminar Sommersemester 2018
Vorwort W ohnungslosigkeit in Regensburg? Gibt es die? Und wenn ja, wie zeigt sie sich? Wer sind die Betroffenen und wie wird ihnen geholfen? Diese Fragen waren Gegenstand eines Projektseminars, das im Sommersemester 2018 an der Fakultät Angewandte Sozial- und Gesundheitswissenschaften der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) stattgefunden hat. Ziel war, dass die Studierenden selbstständig Forschungsfragen entwickeln und diese im Rahmen von kleineren Untersuchungen beantworten. Die Ergebnisse sind nun in dieser Broschüre zusammengefasst. Sie beschäftigen sich mit den von Wohnungslosigkeit Betroffenen und mit ihrer Sicht auf ihr Leben, das sich oft auf der Straße ab- spielt. Auch das Hilfsangebot in Regensburg wurde recherchiert und wird in Form eines Adressverzeichnisses mit Wegbeschrei- bungen hier abgedruckt. Weitere Forschungsergebnisse beschäftigen sich mit der Wahr- nehmung wohnungsloser Menschen durch die Stadtgesellschaft, der gesundheitlichen Situation der Betroffenen und mit dem kom- munalpolitischen Umgang mit Wohnungslosigkeit in Regensburg. Abgerundet werden diese Untersuchungsergebnisse durch die Zusammenfassung einer Bachelorarbeit, die abschließend einen Überblick zur Thematik gibt. Es sind ausschließlich Beiträge von Studierenden veröffentlicht, die nicht nur die Texte geschrieben, sondern sie auch redigiert und graphisch gestaltet haben. Wir hoffen, den Leserinnen und Lesern das Thema „Wohnungslosig- keit in Regensburg“ durch diese Broschüre näher zu bringen. Prof. Dr. Gabriele Scheffler
Inhalt (Über-) Lebensstrategien Wohnungsloser 6 SANDRA TISCHNER/STEFANIE LANGNER Wohnungslose Frauen 12 BIANCA WEIßMANN Interview mit einer Betroffenen 14 KRISTINA MÜLLER Junge Menschen ohne Wohnung 16 STEFANIE KOCH, ANJA BARTENSCHLAGER, VERONIKA RAINER Die Albertstraße 19 KONSTANTIN SCHMID Die SEEWOLF-Studie: 21 Seelische Erkrankungsrate in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe im Großraum München LUISA-MARIA NEUMANN Sozialer Wohnungsbau 25 MILENA WITTMANN Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus 27 in Regensburg von 2010 bis heute TOBIAS MEHRBREY Wohnungslosigkeit in Regensburg – 34 Ergebnisse einer Befragung von Experten und Betroffenen KATHARINA PFAFF Hilfsangebote nicht nur für wohnungslose Menschen in Regensburg 38 DIANA SCHREINER
6 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG (Über-) Lebensstrategien Wohnungsloser SANDRA TISCHNER/STEFANIE LANGNER I m Rahmen des Projektes „Wohnungs- schrift). Er hat selbst viele Jahre auf losigkeit in Regensburg“ haben wir In- der Straße gelebt und war jahrelang terviews mit Betroffenen und ehemalig alkoholabhängig. Obwohl er vor eini- Betroffenen verschiedener Altersgrup- gen Jahren selbst schwer an Multipler pen geführt, die wir im Umfeld des Ver- Sklerose (MS) erkrankte, unterstützt eins „Soziale Initiativen“ kennengelernt er Obdachlose in Regensburg. haben. Ihre Lebensgeschichten, Einstel- lungen und Meinungen zu den Schwer- Andy W. wuchs in behüteten Familienver- punkten Werdegang, aktuelle Wohnsi- hältnissen auf. Nach einer gescheiterten tuation, Lebensunterhalt, Wohnungsnot Ehe entschied er sich zu reisen und als in Regensburg, zur Verfügung stehende Straßenmusiker und -künstler zu leben. Hilfsangebote in Regensburg, Beziehun- Irgendwann landete er in Regensburg, gen und Reaktionen aus dem Umfeld, wo er ein Tagescafé für bedürftige Men- Freizeitgestaltung und Wünschen bzw. schen eröffnen wollte. Ein MS-bedingter Zukunftsplänen werden hier anhand von Zusammenbruch, der starke Bewegungs- Zitaten der Betroffenen wiedergegeben. einschränkungen in Armen und Beinen nach sich zog, verhinderte dies jedoch. Stattdessen war er ab diesem Zeitpunkt Andy W. auf einen Elektrorollstuhl angewiesen. „Das waren zwei Überlegungen, entwe- Andy W. ist der Sprecher des Projektes der du nimmst deinen Elektrorollstuhl „Sofa“ der Sozialen Initiativen sowie und fährst in die Donau und ersäufst des Donaustrudels (Obdachlosenzeit- oder du kannst wieder laufen. Ich hab
7 gesagt: ‚Ich probier mal, ob‘s mit dem nüchtern sein. Er muss auch nicht nicht- Laufen wieder klappt.‘“ intoxiiert sein, aber er muss ansprechbar Und seine Entschlossenheit gab ihm sein und keine Aggressionen haben und Recht. Heute kann er wieder ohne Krü- wenn er Sachen dabeihat, kann er seinen cken oder andere Hilfsmittel gehen. Krams einfach wegsperren.“ Lebensunterhalt Beziehungen und Reaktionen „Ich bin frühberentet, weil MS geht ja aus dem Umfeld nicht weg. Zum Geld verdienen verkauf‘ Er meint, dass Obdachlose oftmals durch ich Donaustrudl.“ Unverständnis und finanzielle Probleme Seine Lebensmittel erhält er überwiegend von ihrem ehemaligen familiären und von der Tafel und anderen Spenden. Freundesumfeld isoliert leben. „Nach Liebe, Wärme und Geborgenheit Wohnungsnot in Regensburg tut sich eigentlich jeder sehnen. Wobei „Es herrscht klare Wohnungsnot und gerade, wenn du in einer Obdachlosen- Hauptursache dafür ist die Vernachlässi- situation bist, das Gefühl von Einsamkeit gung des sozialen Wohnungsbaus inner- manchmal noch viel größer ist. Du fühlst halb der letzten Monate, wo nur auf Ka- dich manchmal einfach verlassen von al- pital und Eigentumswohnungen gesetzt len.“ wurde.“ Im gesamten Stadtgebiet Regensburg sei Freizeitgestaltung sozialer Wohnraum verloren gegangen, Da die Obdachlosigkeit oft mit weiteren der genutzt hätte werden können, so der Problematiken gekoppelt ist, bleiben Sofa-Sprecher. Andy W. zufolge auch bei bestehendem Angebot, Aktivitäten zur Freizeitgestal- Bewertung der Hilfsangebote tung auf der Strecke: Allerdings ist er der Meinung, dass in „Es gibt schon Dinge, aber die andere Sei- Bezug auf Lebensmittelversorgung und te ist halt, dass wenn du mitten im Dro- Unterstützung in Regensburg relativ viel gen- oder Alkoholkampf drinsteckst, dann geboten ist. Die Notunterkunft in der hast du oft nicht die Zeit, dich um sowas Taunusstraße empfindet er jedoch als zu kümmern. Junken [Heroin konsumie- nutzlos, da sie in seinen Augen nur für ren] ist ein Fulltime-Job.“ einen ganz geringen Personenkreis passt Nichtsdestotrotz erwähnt er lobenswert und andere Gruppen dabei vernachlässigt beispielsweise den Stadtpass, der den er- werden. Das nur in der kalten Jahreszeit mäßigten Eintritt in viele städtische Ein- geöffnete Kälteschutzhaus in der Wöhrd- richtungen ermöglicht. Für größereUn- straße hingegen wird von ihm deutlich ternehmungen empfiehlt er das Projekt positiver bewertet: „KulTür“, über das man auch freien Eintritt „Derjenige, der kommt, muss der Mut- zu bestimmten Veranstaltungen, wie zum tersprache mächtig sein. Er muss nicht Beispiel Theaterkarten, erhalten kann.
8 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Nach Liebe, Wärme und Geborgenheit tut sich eigentlich jeder sehnen. Wobei gerade, wenn du in einer Obdachlosensituation bist, das Gefühl von Einsamkeit manchmal noch viel größer ist. Du fühlst dich manchmal einfach verlassen von allen. Tom*, 37 Bewertung der Hilfsangebote „Zurzeit ganz schlimm. Weil‘s keine so „Ich hab Häuser besetzt. Davor bin ich richtigen Institutionen mehr gibt. So An- meiner Arbeit noch nachgegangen.“ laufstellen oder so. Gibt keine Lösung, So beschreibt Tom seinen Werdegang in du bist auf dich selbst gestellt im Endef- Kurzfassung. Er lebt schon sehr lange auf fekt. Jeder sagt zwar Hilfen sind da, aber der Straße und gibt seine Erfahrungen wennste mal Hilfe brauchst, ‚Geh weg!’“ gerne an Neulinge, die sich noch nicht Tom findet vor allem die zur Verfügung so gut auskennen, weiter. Auf Grund ei- stehenden Schlafmöglichkeiten nicht ner Hepatitis-Infektion konnte er seinem ausreichend. Das Frühstück beim Sofa- Lieblingsberuf Metzger nicht länger nach- Treff nimmt er aber gerne an. gehen. „Also wenn ich was verändern könnte, würd ich in Hinsicht auf die Obdachlosig- Lebensunterhalt keit versuchen irgendwie Schlafplätze zu Tom sagt, dass er dem Staat nicht auf der schaffen. Ich bin ja nebenbei noch bei ein Tasche liegen möchte und finanziert sich „Recht auf Stadt“ und die (...) Leerstän- deshalb durch den Verkauf der Obdach- de, die was wir haben in Regensburg, da losenzeitschrift Donaustrudl, die Mitar- kann man echt was draus machen.“ beit bei kleineren Projekten sowie durch Auch Tom hält das Kälteschutzhaus in Schnorren mit seinen Punkerkollegen. der Wöhrdstraße für eine gute Anlauf- „Also ich sag jetzt mal so 80 Euro am Tag stelle. Jedoch bemängelt er, dass diese haben oder nicht haben, ist ein Unter- nur während der Wintermonate zur Ver- schied! Unnötige Ratschläge, schlechte fügung steht. Witze, das kommt immer gut.“ „Wir haben etzt über‘n Winter die Wärme- schutzstelle gehabt, die war nicht schlecht. Gibt‘s auch gute Rückmeldungen.“ * Name von der Redaktion geändert.
Freizeitgestaltung gleich mit Drogen angefangt.“ „Überall wo ich hingeh sagen se ‚Tom, Der Handel mit Betäubungsmitteln haberdere!’, weil ich einfach ein Lustiger brachte ihn schließlich ins Gefängnis, bin.“ in welchem er auch substituiert wurde. „Goas [Tanzevent] geh ich gern, weil ich Dies sieht er als Chance für einen Neu- find die Leute cool. Gibt‘s kein Stress. start in ein drogenfreies Leben. Da er Was ich gern machen würde, wär öfters nach seiner Haftentlassung Schwierig- mal ins Westbad gehen. Aber kann ich keiten hatte, in Regensburg eine Woh- ja nicht.“ nung zu finden, kam er zunächst bei sei- Leider kann er, da er kein ALG II bezieht, ner Mutter in Deggendorf unter. auch nicht den Stadtpass beantragen, „Ich bin hierhergekommen und wollte welcher ihm Eintrittsermäßigungen zum eigentlich gleich wieder nach Regens- Beispiel ins Westbad ermöglichen würde. burg ziehen. Da wäre ich auf der Straße gestanden, wenn ich meine Mutter nicht Zukunftspläne gehabt hätte.“ Für seine Zukunft wünscht er sich, wie- Klaus meint, dass es gerade für Haftent- der in seinem Lieblingsberuf Metzger ar- lassene sehr schwierig sei, in Regens- beiten zu können und eine eigene Woh- burg eine Wohnung zu finden. Seinen nung zu haben. Lebensunterhalt bestreitet Klaus mo- „Ich würd alles machen, was ich krieg. mentan von Hartz IV, wünscht sich aber Ich bin mir für nix zu schade. Ich kanns wieder ein geregeltes Arbeitsverhältnis. mir nicht aussuchen zurzeit.“ Bewertung der Hilfsangebote Mit dem Hilfsangebot in Regensburg ist Klaus*, 32 Klaus noch wenig vertraut, allerdings ist er der Meinung, dass es im Vergleich zu Klaus ist wegen Drogenhandels bereits anderen Städten wie Nürnberg oder Am- mehrmals inhaftiert gewesen. Seit De- berg, wenig Unterstützung für Haftent- zember 2017 ist er wieder entlassen lassene gibt. und mittlerweile wird er auch substitu- „Ich find in Regensburg gibt es nicht iert, d.h. bekommt einen Ersatzstoff für wirklich was, wo so Straffällige hingehen Heroin, wie z.B. Methadon. Seit kurzem können. Da gibt‘s halt nur sowas vom lebt er wieder in Regensburg, wo er auch Kontakt e.V. Da können aber nur zwei seine Freundin kennengelernt hat. Leute einziehen, aber sonst irgendwie Auf Grund privater und schulischer Pro- nichts Neues.“ bleme kam er bereits sehr früh mit Dro- Seiner Meinung nach wird das Kälte- gen in Kontakt. schutzhaus gerade von Menschen mit „Ich bin in der 7. Klasse von der Schu- multiplen Substanzgebrauch sehr positiv le geflogen und habe zu meiner Oma angenommen: ziehen müssen, und da habe ich dann „Viele, die wo ich kenn, haben im Winter
10 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG halt auch in der Kälteschutzeinrichtung Andi, 21 gepennt. Ja und jetzt wissen sie halt auch nicht wohin.“ Andi ist noch nicht so lange auf der Stra- ße. Durch wiederkehrende Streitigkeiten Beziehungen und Reaktionen und Problemen mit seiner Mutter, ent- aus dem Umfeld schied er sich von zu Hause wegzugehen. „Ich hab eigentlich nur Bekannte, die wo „Ich hab bis zu meinem 18. Lebensjahr auch aus dem gleichen Ding sind. Ich fest daheim gewohnt und dann eigentlich hab eigentlich überhaupt keine norma- von Freund zu Freund.“ len Freunde. Ich hab ein oder zwei, die Gerne würde er in eine günstige Woh- überhaupt nicht [abhängig] sind, und nung ins Stadtzentrum ziehen, die er die kommen eigentlich ganz gut damit über verschiedene Facebook-Gruppen zu klar.“ finden versucht. Obwohl Klaus betont, sich von der ak- „Ich schau zurzeit, dass ich in ‘ne Face- tiven Drogenszene weitestgehend fern- book-Gruppe reinkomme und beim Rewe zuhalten, stammen die meisten seiner am Dachau-Platz, weil die haben 1-Zim- Freunde aus diesem Kontext. mer-Wohnungen. Die vermieten sie kalt für dreihundertirgendwas Euro und das Freizeitgestaltung würd mir das Amt auch zahlen.“ „Zurzeit mache ich eigentlich gar nichts, Andi braucht nur geringe finanzielle Mit- so. Ich bin aber jetzt so weit, dass ich tel, um seinen Lebensunterhalt zu be- nicht mehr mit den ganzen Junkies von streiten. Das nötige Geld für seine Unter- früher abhänge.“ nehmungen bekommt er, nach eigener Aussage, immer irgendwie zusammen. Wünsche und Zukunftspläne „Wenn ich so draußen unterwegs bin, Seine Zukunftswünsche ähneln denen brauch ich eigentlich recht wenig Geld. von anderen jungen Männern seines Al- Hab zwischendrin mal den Donaustrudl ters. verkauft, das hat mir auch wieder n „Eigentlich ne Familie und substi blei- paar Euro eingebracht. Ich hab mich ben. Und wenns halt gelingt, ne Arbeit. auch schon zu den Leuten zum Schnor- Etzert möchte ich erst mal in den nächs- ren hingesetzt. Ich kann ja die Leute an- ten paar Monaten meine Wohnung ha- sprechen.“ ben und die gescheit einrichten.“ Um seine Ziele zu verwirklichen, möch- Wohnungsnot in Regensburg te er am liebsten eine Ausbildung zum Andi nimmt es sichtlich mit, davon zu Kfz-Mechatroniker absolvieren und sei- erzählen, dass es in Regensburg so vie- nen Führerschein wiedererlangen, wozu le Obdachlose gibt. Er findet, dass in er sich der dazu erforderlichen medi der Wohnungspolitik einiges verkehrt zinisch-psychologischen Untersuchung läuft und Veränderungen dringend nötig unterziehen muss wären.
11 „Sie bauen dann auch immer wieder neue Obwohl die Problemlagen der Befrag- Häuser und die sind dann alle so teuer, ten unterschiedlich waren, ließ sich je- dass sie sich keiner leisten kann. Dann doch übereinstimmend zeigen, dass der stehen sie wieder Monate lang leer…oder Wunsch nach einer eigenen Wohnung bei es gibt ja so viele leerstehende Häuser, allen eine sehr hohe Priorität hat. Eine wenn sie die einfach renovieren würden Wohnung als sichere Basis für weitere anstatt gleich neue Häuser zu bauen.“ Aktivitäten, als Rückzugsort, oft als Vor- aussetzung, um eine Anstellung in ein Ar- Bewertung der Hilfsangebote beitsverhältnis zu erhalten, als Raum für Das Hilfsangebot in Regensburg findet eigenen kreativen Ausdruck. Diese Auf- er insgesamt recht gut. Zum Beispiel zählung ließe sich noch um einige Punk- nimmt er regelmäßig an den Frühstücks- te erweitern und macht auf diese Weise treffen von Streetworker Ben Peter sowie deutlich, wie wichtig die Deckung die- von „Sofa“ teil. Besonders gerne ist er ses Grundbedürfnisses ist. Aus diesem aber im DrugStop. Grund lohnt es sich auch, auf verschiede- „In der Wechselwelt [Umsonstladen] sel- nen Ebenen und mit verschieden Mitteln ber schau ich durch wegen Klamotten. immer wieder darauf hinzuweisen, um so Im DrugStop bin ich auch so unter der vielleicht Schritt für Schritt eine Verbesse- Woche und Mittagessen kostet da ja bloß rung der aktuellen Lage für bezahlbaren nen Euro und Kaffee gibt‘s den ganzen Wohnraum zu erreichen. Tag umsonst und die Leute sind auch super freundlich.“ Beziehungen und Freizeitgestaltung „Im Bayerischen Wald war ich vor kur- zem. Da hab ich einen kennengelernt, auch beim Feiern gehen. Der hat ne eigene Drechsel-Werkstatt. Da haben wir schon Schalen gedrechselt ausm Nussbaum.“ Andi hat einen großen Freundeskreis, den er hauptsächlich beim Weggehen kennengelernt hat. Er fotografiert in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne Naturobjekte, welche er dann teilweise digital verfremdet oder zu Collagen zu- sammenfügt. Unterstützung erhält er dabei von DrugStop, wo ihm auch sei- ne erste Ausstellung im Kontaktladen ermöglicht wurde.
12 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Wohnungslose Frauen BIANCA WEIßMANN B eim Thema „Wohnungslosigkeit“ Während Männer auch mal die Jahninsel und „Obdachlosigkeit“ denkt man als Schlafplatz nutzen, versuchen woh- wahrscheinlich an männliche Be- nungslose Frauen häufig eine privatere troffene. Frauen kommen einem Unterkunft zu finden. Neben spezifische- zunächst nicht in den Sinn, obwohl sie ren Angeboten wie den Frauenhäusern, von fehlendem Wohnraum und dem Le- können sie auch beispielsweise in der ben auf der Straße ebenso betroffen sind. Obdachlosenunterkunft in Regensburg Doch weshalb ist dies so? eine Bleibe auf Zeit bekommen. Dennoch Hintergrund ist die Form der Wohnungs- lassen sie sich aus Not auch auf das Un- losigkeit. Frauen bemühen sich, ihre Not- terkommen bei Zweckbekanntschaften lagen so gut es geht zu verbergen und oder Zweckpartnern ein, trotz der damit die entstandene Wohnungslosigkeit ver- verbundenen Risiken wie sexuelle Aus- deckt zu leben. Familie, Freunde, Bekann- beutung, Nötigungen, Gewalt oder Ab- te kommen als vorübergehender Unter- hängigkeitsverhältnissen, um so lange schlupf häufig in Frage. wie möglich gesellschaftlich und institu- tionell unauffällig zu bleiben sowie eine Stigmatisierung und Etikettierung zu ver- meiden. Beziehungen sind Neben typischen Ausgangsituationen eine wichtige Funktion wie Kündigung und Zwangsräumung der Wohnung, Schulden, Verlust des Arbeits- der Überlebenshilfe für platzes, Haftstrafen und anderen Schick- Frauen auf der Straße. salsschlägen wie der Tod einer naheste- henden Person, sind Gewalterfahrungen ein spezifischer Grund, der Frauen in die Um zu diesem Thema nähere, fachkun- Wohnungslosigkeit führen kann. Charak- dige Informationen einzuholen, erklärte teristisch dabei sei, laut dem Streetwor- sich Ben Peter, der Streetworker der Ca- ker, dass sich die Frau meist in der Rolle ritas in Regensburg bereit, ein Interview sieht, die Familie zusammenhalten zu zu geben. Seine wichtigsten Aussagen müssen und sich aufgrund dessen erst werden hier wiedergegeben: spät entscheidet wegzugehen, obwohl „Beziehungen sind eine wichtige Funktion ihr bereits mehrfach Gewalt widerfahren der Überlebenshilfe für Frauen auf der ist. Auch der Verlust eines Kindes durch Straße.“ das Eingreifen des Jugendamtes kann die
13 Mutter in die Wohnungslosigkeit führen. der Streetworker Ben Peter. „Der tägliche Kampf und der permanente Wie müsste ein Angebot aussehen, das Stress, einen Schlafplatz zu finden und auch auf der Straße lebende Frauen an- seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, spricht? Zuerst liegt die Priorität darin, zuzusehen, dass man nicht beraubt oder jemandem ein Dach über den Kopf zu verprügelt wird, führt dazu, dass man zugeben. Dadurch schafft man die Voraus- Substanzen greift und bei andauerndem setzung für eine Arbeit und damit neue Konsum in die Abhängigkeit rutscht“, so Perspektiven. Es ist wichtig, etwas anzu- bieten, wie beispielsweise erste Hilfe in Form von ärztlicher Be- handlung und eine Möglichkeit, der Körperhygiene nachzugehen. „Anfangs muss man vor allem Vertrauen schaffen, da manche so isoliert leben, dass sie erstmal genügend Zeit brauchen, um den Kontakt anzunehmen. Sie müs- sen wie Menschen behandelt wer- den“, so Ben Peter. Wenn man davon ausgeht, dass ein psychisches oder ein Sucht- problem vorliegt, ist es wichtig, das Angebot so niedrigschwellig und fürsorglich wie möglich zu gestalten. Dabei fängt die Arbeit bereits in den Notunterkünften an. Betroffene sollten nicht hin- kommen um dort nur zu über- nachten, sondern ankommen, sich wohlfühlen und die Möglich- keit erhalten, sich mehr zu öff- nen. Darauf aufbauend sollte die Klientin passende Unterstützung und Vermittlung erhalten. Man muss die Personen motivieren und benötigt genügend Personal und eine angemessene Finanzie- rung der Stadt, um entsprechende Frauenzimmer Notunterkunft Taunusstraße Hilfe anbieten zu können. Foto: Amt für Soziales der Stadt Regensburg
14 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Interview mit einer Betroffenen KRISTINA MÜLLER A n einem Dienstag im Mai stellte Freund untergekommen, es kam jedoch uns Streetworker Ben Peter eine zur Trennung. Derzeit wohnt sie bei ei- Frau vor, die derzeit wohnungs- nem Bekannten. Das Zusammenwohnen los ist und sich häufig im Be- funktioniert gut, Lisa versucht im Haus- reich der Albertstraße aufhält. Wir führten halt mitzuhelfen so gut sie kann. das Interview im Bereich der Grünfläche „Aber ich weiß, er will mehr von mir als zwischen den Bushaltestellen Albertstra- nur Freundschaft. Das belastet mich sehr.“ ße und dem Bahnhofsgelände. Wir setz- ten uns mit ihr ein bisschen abseits der Lisa ist auf Wohnungssuche. Von Vermie- anderen auf den Boden der Grünfläche. tern bekommt sie jedoch nur Absagen, Sie hatte ihren Hund dabei und erzählte sobald diese erfahren, dass sie Geld vom uns von sich. Jobcenter bezieht. Die Wohnungssuche wird durch ihren Hund erschwert. Er ist Wohnungssituation für sie von großer Bedeutung, jedoch für Lisa* hat viele Jahre in einer Wohnung die Vermieter ein weiterer Hinderungs- gelebt. Dann musste sie wegen meh- grund für die Zusage einer Wohnung. rerer kleiner Delikte in Haft. Sie spricht „Ohne meinen Hund würde ich keinen davon, ein paar Dinge geklaut zu haben. Sinn mehr sehen weiter zu machen.“ Ihre Wohnung wurde vor Haftantritt, ver- Hilfe erhält Lisa vom Streetworker, denn mutlich wegen Mietschulden, zwangs- er begleitet sie bei Behördengängen und geräumt. Nach der Haft ist sie bei ihrem bei Wohnungsbesichtigungen. Insgesamt fühlt sie sich jedoch bei der Wohnungs- * Name von der Redaktion geändert. suche im Stich gelassen.
15 „Ich weiß nicht, wohin ich mich noch wen- den soll, um Hilfe zu bekommen.“ Irgendwann wurde mir Ein Unterkommen in der Notunterkunft in der Taunusstraße kommt für sie nicht Heroin angeboten. Es in Frage. Zu streng seien die Regeln vor gefiel mir auf Anhieb. Ort in Bezug auf Alkohol und ihren Hund. Lisa hat Angst davor, erneut inhaftiert zu werden, unter Tränen sagt sie: „Ich hatte in Haft mehrmals eine Überdo- „Die Haft hat mein Leben kaputt gemacht, sis. Fast hätte ich das nicht überlebt.“ mich kaputt gemacht.“ Erst bei der Entlassung hat man sie wie- der in das Methadonprogramm aufge- Finanzielle Situation nommen. Derzeit konsumiert sie seit Derzeit bezieht Lisa Arbeitslosengeld II. mehreren Monaten keine weiteren illega- Sie sagt, sie hat nicht mehr als ein paar len Substanzen. Jahre in ihrem Leben arbeiten können. Sie bekommt auch keine Jobvorschläge, weil Albertstraße sie durch ihre Suchterkrankung nicht ar- Jeden Morgen holt Lisa den Ersatzstoff vom beitsfähig ist. Nach der Haft bekam Lisa fi- Arzt, kauft sich Alkohol und geht dann zur nanzielle Unterstützung von Kontakt e.V., Albertstraße. Dort herrscht jedoch auf den einem Verein zur Wiedereingliederung Grünflächen zwischen Bahnhof und Halte- von Menschen nach einem Strafvollzug. stelle Albertstraße ein Alkoholverbot. „Manchmal schäme ich mich dafür, Geld „Die Polizei kontrolliert täglich, das kostet zu bekommen ohne dafür zu arbeiten. dann so 25 Euro, wenn man dagegen ver- Manche Rentner bekommen weniger Geld stößt.“ als ich und haben ihr ganzes Leben lang Auch während des Interviews kamen gearbeitet.“ mehrere Polizisten in den Bereich, um die anwesenden Personen zu kontrollie- Sucht ren. Die Kontrolle verlief problemlos. Lisa Bereits früh hat Lisa angefangen mit ih- trifft sich dort, weil sie keinen anderen ren Freunden verschiedene Drogen zu Platz hat, um sich mit ihren Bekannten konsumieren. zu treffen. Vor allem im Winter oder bei „Irgendwann wurde mir Heroin angebo- schlechtem Wetter weiß sie nicht, wohin ten. Es gefiel mir auf Anhieb.“ sie gehen soll. Zu sich in die Wohnung Seit einigen Jahren bekommt sie vom Arzt mitnehmen wolle sie die anderen nie, den Ersatzstoff Methadon. Während der denn man vertraut sich nicht. Fast alle Haft wurde die Vergabe des Ersatzstoffes ihre Bekannten sind drogenabhängig, jedoch nicht weitergeführt. Sie dosierte dazu kommt noch Alkohol. sich kurz vor Haftantritt von Methadon ab „Es kommt schon vor, dass man von den und konsumierte während der Haftstrafe anderen beklaut wird, wahre Freund- wieder Heroin. schaften gibt es hier nicht.“
16 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Junge Menschen ohne Wohnung STEFANIE KOCH, ANJA BARTENSCHLAGER, VERONIKA RAINER D ie Schwierigkeiten bei der Woh- Hans nungssuche betreffen auch jun- ist 30, hat einen Job in Aussicht als An- ge Menschen, die sich noch in gestellter bei der Stadt Regensburg und Ausbildung bzw. Studium befin- wohnt derzeit in Augsburg bei einem den oder gerade den ersten Schritt in ein Freund. Dort hat er ein eigenes Zimmer eigenständiges Berufsleben wagen wol- und zahlt einen Teil der Miete mit. Nach len. Um die Problemlagen dieser Perso- Regensburg ist er fast zwei Stunden mit nengruppe zu beleuchten, haben wir fünf dem Auto unterwegs. Er ist genervt von junge Menschen in unterschiedlichen Si- der Wohnungssuche und fühlt sich unge- tuationen befragt, die von der aktuellen recht behandelt. Bis jetzt ist er mit Hil- Wohnungssituation in Regensburg be- fe von verschiedenen Portalen wie dem troffen waren oder es immer noch sind. Wohnungsamt, Immowelt, Immobilien- scout und anderen seit sieben Monaten Peter* auf der Suche nach einer Wohnung. Bei ist 20 und studiert Bauingenieurwesen seinem skurrilsten Angebot bekam er im 4. Semester. Er hat sich von einer einen Mietvertrag von 15 Seiten, der die Unterkunft in München aus auf die Suche Kernsanierung auf Kosten des Mieters be- nach einer Wohnung begeben. Sein Weg inhaltete. zur Hochschule war somit ca. eineinhalb Stunden Autofahrt von Regensburg ent- Tim fernt. Während der Wohnungssuche fühl- ist 27 und beginnt in eineinhalb Monaten te er sich durchweg gestresst, aber er eine Ausbildung zum CNC- Programmie- hatte auch Glück. Zwischenzeitlich ist er rer in Regensburg. Während der Woh- bei mehreren Freunden untergekommen nungssuche wohnte er noch bei seinen und in einem Hostel. Nach eineinhalb Eltern im Cham, ungefähr eine Stunde Monaten fand er schließlich eine Wohn- Autofahrt von Regensburg entfernt. Er gemeinschaft, in der er sich wohlfühlt. ist seit fünf Monaten auf der Suche nach Seine Suche verlief über die Internetseite einer Wohnung. Übergangsweise ist er WG-gesucht. Er empfand es als Fehler, für ein paar Monate in der Wohnung ei- nur auf einer Plattform zu suchen. Zu Be- nes Freundes untergekommen, als die- ginn der Wohnungssuche wollte er gern ser zeitweise nicht dort wohnte. Da Tim in einer Wohnung in der Innenstadt leben. lediglich einen Platz zum Wohnen sucht, Dieses Suchkriterium musste er jedoch reicht ihm ein Zimmer mit einer niedrigen verwerfen und schließlich auch nach Woh- Miete. Im Verlauf der Suche musste er sei- nungen außerhalb des Zentrums suchen. ne preisliche Vorstellung jedoch überden- * Sämtliche Namen in diesem Beitrag geändert.
17 dauschjohann@ya... Posteingang Sie haben eine neue Nachricht. von Herr Patrick Flierl Sehr geehrte/r Interessent/in, herzlichen Dank für Ihre e-Mail und Ihr Interesse an diesem schönen 1-Zimmer- Universität. Für die Suche be- Apartment in Regensburg. Da wir innerhalb weniger Tage über 150 nutzte sie verschiedene In- Bewerbungen für diese Wohnung bekommen ternetseiten, Facebook-Grup- haben, konnten wir leider nicht alle zu einem pen, sowie Aushänge in der Besichtigungstermin einladen und deshalb Universität. Da die Miete für mussten wir eine gewisse Vorauswahl mit den Sophie jedoch zu teuer ist, von Ihnen angegebenen Daten treffen. begibt sie sich derzeit wieder Leider muss ich Ihnen nun mitteilen, dass wir auf Wohnungssuche. Auch einen passenden Bewerber für diese Wohnung sie musste ihre preislichen gefunden haben. Vorstellungen während der Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Glück und Wohnungssuche überdenken Erfolg bei der Wohnungssuche und hoffe, dass und Angebote über ihrem Sie bald eine passende Wohnung finden. Mit freundlichem Gruß Budget in Betracht ziehen. Patrik Flierl Sara ist 21 und studiert Soziale Arbeit im 3. Semester. Wäh- rend der Wohnungssuche lag ihre Unterkunft in der Nähe ken und auch Wohnungen über seinem von Memmingen im Allgäu, ca. zweiein- Budget in Betracht ziehen. Sein skurrils- halb Stunden Autofahrt von Regensburg tes Angebot kam von einem Mann, der entfernt. Auch sie hat Schwierigkeiten ihm eindeutige sexuelle Handlungen als damit, sich in Regensburg wohl zu füh- Gegenleistung vorschlug. len. Zwischenzeitlich hat sie zunächst bei einer Klassenkameradin übernachtet, Sophie dann einen Monat zur Zwischenmiete in ist 21 und studiert Jura im 2. Semester einer WG und schließlich bei einer Mit- und wohnte in München, ca. eineinhalb studentin auf der Couch im deren Wohn- Stunden Autofahrt von Regensburg ent- zimmer. Sie war viereinhalb Monate auf fernt. Sie fühlt sich nicht wohl in Re- Wohnungssuche mit Hilfe der Internet- gensburg und kann die vielen neuen seite „WG-gesucht“ und verschiedenen Eindrücke durch den Stress der Woh- Bekannten und hat schließlich eine WG nungssuche nicht verarbeiten. Schließ- gefunden. Auch sie ist jedoch wieder auf lich fand sie nach dreieinhalb Monaten Wohnungssuche, da sie mit der aktuel- eine Wohngemeinschaft in der Nähe der len Wohngemeinschaft unzufrieden ist.
18 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Dauer der Wohnungssuche Anzahl der besichtigten Wohnungen Peter 1,5 Monate Hans: bisher 7 Monate Peter: 10 Tim: bisher 5 Monate Hans: 15 Sophie: 3,5 Monate Tim: keine Angabe Sara: 4,5 Monate Sophie: 7 – 8 Wohnungen, 20 WG-Zimmer Sara: 6 Gefühle während der Wohnungssuche Veränderung der Suchkriterien Peter: Stress, Glück Hans: genervt Peter: Außerhalb des Zentrum Tim: keine Angaben Hans: höhere Miete Sophie: Unwohlsein und Stress Tim: keine Angabe Sara: fühlt sich meist als Gast Sophie: höhere Miete Sara: keine Veränderung Unterkunft während der Wohnungssuche Aktuelle Wohnsituation Peter: Hostel, Eltern eines Freun- Peter: 3er WG im Kasernenviertel des, WG eines Freundes Hans: Augsburg bei einem Freund Hans: in einer anderen Stadt Tim: Cham bei Eltern Tim: halbes Jahr bei einem Freund Sophie: 2er WG in Uninähe Sophie: keine Angabe Sara: WG in Kumpfmühl Sara: WG-Zimmer einer Freundin, eigenes WG- Zimmer, Schlafcouch in einem Wohnzimmer Tipps bei der Wohnungssuche Peter: Abheben von der Masse Pendelzeit mit dem Auto beim Vorstellen (eine Strecke) Hans: keine Angaben Tim: außergewöhnlich sein Peter: 1,5 Std. (nähe MUC) Sophie: Dranbleiben, im Bekann- Hans: 1,75 Std. (Augsburg) tenkreis umhören, früher mit der Tim: 1 Std. (Cham) Suche beginnen Sophie: 1,5 Std. (MUC) Sara: Freunden Bescheid geben, Sara: 2,5 Std. (nähe Memmingen) nicht verrückt machen lassen
19 Die Albertstraße KONSTANTIN SCHMID D ie Albertstraße gilt für viele Be- Hierzu gab es vier Antwortmöglichkei- wohner*innen der Stadt Regens- ten: gar nicht, weniger, mehr oder burg als sozialer Brennpunkt, sehr. da sich dort häufig obdachlose und drogenabhängige Menschen aufhal- Die Antworten zeigen, dass sich der ten. Um herauszufinden, wie das Areal Großteil der Passanten in der Albertstra- um die Albertstraße von Passant*innen ße weniger bzw. gar nicht wohl fühlt. wahrgenommen wird, wurden dort tags- über zu unterschiedlichen Tageszeiten Auch die Abfrage zu verschiedenen Tages- insgesamt 50 Personen befragt. zeit zeigt, dass diese Einschätzung über den gesamten Tag gegeben ist, wobei sich Die erste Frage lautete: Wie wohl fühlen zumindest vormittags eine etwas größere Sie sich in der Albertstraße? Gruppe der Befragten dort wohl fühlt. Antworten insgesamt sehr 8% gar nicht 18% mehr 20% weniger 54%
20 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG grund verunsichert. Es wurde auch gefragt, durch was oder Auch hier wird nochmals deutlich, dass wen sich die Passanten in der Albert- das Gefühl der Sicherheit vormittags und straße verunsichert fühlen. mittags am stärksten ausgeprägt ist. Abends nimmt das Gefühl der Sicherheit Zu dieser Frage gab es folgende Antwort- deutlich ab. Dann fühlen sich die meisten möglichkeiten: Befragten durch Bettler und obdachlose Unübersichtlichkeit der Anlage Menschen verunsichert. Polizeipräsenz Bettler Hier stellt sich die Frage, ob sich abends Obdachlose Menschen mehr obdachlose und bettelnde Men- Menschen mit Migrationshintergrund schen im Areal um die Albertstraße auf- Ich fühle mich durch nichts verun halten als zu anderen Tageszeiten. Ein sichert. anderer Grund für dieses Ergebnis könn- Hier war es möglich, mehrere Antworten te aber auch sein, dass abends die Wahr- anzugeben. nehmung der Passanten eine andere ist. Um hier Klarheit zu gewinnen, müsste Hier wird deutlich, dass sich über die man allerdings untersuchen, wie viele Hälfte der Befragten durch Bettler und ob- obdachlose und bettelnde Menschen sich dachlose Menschen verunsichert fühlen. tatsächlich in der Albertstraße aufhalten. Zudem fühlen sich 50 % der Befragten Dies konnte im Rahmen dieser Projekt- durch Menschen mit Migrationshinter- arbeit nicht geleistet werden. Antworten insgesamt 60 50 40 30 20 27 27 25 10 16 5 7 0 Unübersichtlichkeit Polizeipräsenz Bettler Obdachlose Menschen mit Ich fühle mich der Anlage Menschen Migrations- durch nichts hintergrund verunsichert
21 Die SEEWOLF-Studie: Seelische Erkrankungsrate in Einrichtungen der Wohnungs losenhilfe im Großraum München LUISA-MARIA NEUMANN Was wurde untersucht? mit der aktuellen Wohnsituation in den D ie SEEWOLF-Studie untersuch- Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe in te den psychischen und kör- München. perlichen Gesundheitszustand Durch die SEEWOLF-Studie sollte auf den von wohnungslosen Personen, Unterstützungsbedarf wohnungsloser die sich im Erhebungszeitraum 2010 Menschen aufmerksam gemacht werden. bis 2012 in den Einrichtungen der Woh- Es sollte herausgefunden werden, inwie- nungslosenhilfe in München aufgehalten weit die aktuelle Versorgung den Bedürf- haben. nissen der Wohnungslosen gerecht wird Die Studie untersuchte Häufigkeit, Art und welche Änderungen des Hilfesystems und Ausmaß psychischer und körper- angestrebt werden sollten, um diese für licher Erkrankungen sowie die kognitive wohnungslose und obdachlose Personen Leistungsfähigkeit der Wohnungslosen. zu verbessern. Neben einer körperlichen und einer psy- chologischen Untersuchung gaben die Be- Wer wurde untersucht? fragten Auskunft über ihre Herkunft, Fa- Insgesamt haben 232 Personen aus ver- milie, schulische und berufliche Bildung, schiedenen Einrichtungs- bzw. Unter- Ursachen und Verlauf der Wohnungslo- bringungsarten (Betreute WGs, nied- sigkeit, Krankheits- und Behandlungsvor- rigschwellige Hilfen, Notunterkünfte, geschichte sowie über die Zufriedenheit Langzeithilfen, Reintegration, Hilfen nach
22 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG SGB XII) an der Untersuchung teilgenom- überwiegen und höhere Abschlüsse eher men. Von den 232 untersuchten Perso- selten vorkommen. Auch von Bildungs- nen waren 48 weiblich und 184 männlich. abbrüchen sind wohnungslose Menschen 80 % der befragten Personen waren so- überdurchschnittlich häufig betroffen. mit Männer. Das durchschnittliche Alter Der größte Teil (52 %) der Befragten lebte lag bei 48 Jahren. Der deutliche geringe zum Zeitpunkt der Befragung von Sozial- Frauenanteil unter Wohnungslosen liegt hilfe (SGB XII) oder befand sich bereits in unter anderem daran, dass Frauen in Rente (18 %). Die restlichen Personen wa- Zeiten von Not leichter bei Angehörigen, ren entweder arbeitssuchend (6,5 %) oder Freunden oder Bekannten Unterschlupf arbeits- bzw. erwerbsunfähig (12 %). Nur finden können. ca. 12 % gaben an, aktuell erwerbstätig zu sein oder sich noch in Ausbildung bzw. im Studium zu befinden. Die wichtigsten Ergebnisse: Ursachen für Wohnungslosigkeit Schulische Bildung und Arbeitssituation Die Befragten selbst gaben Geldman- Wenn man die Ergebnisse der SEE- gel als die häufigste Ursache ihrer Woh- WOLF-Studie mit der deutschen Allge- nungslosigkeit an, gefolgt von Trennung meinbevölkerung vergleicht, zeigt sich, bzw. Tod eines Mitwohnenden sowie dass in der Gruppe der Wohnungslosen eigener körperlicher oder psychischer Er- die gering qualifizierten Schulabschlüsse krankung. Bei weniger als 10 % wurden Berufliche Situation Berentet Erwerbsunfähig Arbeitssuchend Männer Arbeitsunfähig Frauen Gesamt Sozialhilfeempfänger (SGB XII) Ausbildung/Studium Erwerbstätig 0 20 40 60 80 100 120 Quelle: Jahn et al. 2016, S. 91; eigene Darstellung
23 Ursachen für die Wohnungslosigkeit Männer Frauen Gesamt 12 Sonstiges 5 17 4 Koppelung der Unterkun ft an verlorener Arbeitsstelle 0 4 11 Haft 0 11 14 Wohnortwechsel 2 16 28 Krankheit 9 37 16 Kündigung durch Vermietung 4 20 28 Trennung/Tod v on Mitwohnenden 12 40 54 Geldmangel 11 65 Quelle: Jahn et al. 2016, S. 107; eigene Darstellung Kündigungen des Vermieters, Wohnort- schon an behandlungsbedürftigen psy- wechsel, Koppelung der Unterkunft an chischen Beschwerden gelitten habe, ant- die verlorene Arbeitsstelle sowie Haftan- worteten 86 % der Untersuchten mit „Ja“. tritt als Grund für den Verlust der Unter- 57 % aller Befragten gaben an bereits in kunft genannt. psychiatrischer Behandlung gewesen zu sein, d.h. 30 % wurden trotz entsprechen- der Beschwerden nicht therapeutisch be- Krankheitsvorgeschichte handelt. Mehr als die Hälfte der Befragten wiesen behandlungsbedürftige psychische Stö- Psychische Erkrankungen rungen bereits vor der Wohnungslosig- Die SEEWOLF-Studie belegt, dass woh- keit auf. nungslose Menschen häufig unter deut- Während der Befragung gaben ca. 42 % lichen gesundheitlichen Beeinträchtigun- an, schon in der Kindheit bzw. als Jugend- gen leiden. Bei 93 % wurde bereits einmal licher psychisch auffällig gewesen zu im Leben eine psychische Erkrankung sein. Zudem berichteten 13 % sich bereits diagnostiziert. Im letzten Monat vor der als Kinder oder Jugendliche in psychiat- Befragung war dies bei 74 % der Fall. Dies rischer Behandlung befunden zu haben. bedeutet einen hohen Betreuungs- und Auf die Frage, wer im bisherigen Leben Behandlungsbedarf der Betroffenen und
24 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Körperliche Erkrankungen Gesamt Frauen Männer 174 148 64 51 53 38 39 43 32 34 26 20 13 15 11 8 2 6 14 13 9 7 5 1 e… en s e it m k n tu s ar ge uc ke u lo ng li ns gb r un ig ku el td ku b ko a nk m er lu ei rtr an ti n es b ttl B ra be r Tu er et Fe ko rk k ll ü er ab h re Ni Ho en Di be e xu ng Le Se Lu Quelle: Jahn et al. 2016, S. 205 ff.; eigene Darstellung stellt die Wohnungslosenhilfe vor eine Fazit große Herausforderung. Eine weitere Die SEEWOLF-Studie hat gezeigt, dass im Herausforderung besteht in der Sucht- Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei mittelabhängigkeit vieler wohnungslo- der Gruppe der wohnungslosen Personen sen Personen (v.a. Alkohol). Ca. 43 % der weitaus häufiger psychische und körper- Befragten gaben an, dass sie im letzten liche Beeinträchtigungen bzw. Erkrankun- Monat suchtmittelabhängig waren, 73 % gen vorliegen. Deshalb besteht die Auf- waren dies jemals in ihrem Leben. gabe, das Hilfesystem im Interesse der betroffenen Personen, besonders im Be- Körperliche Erkrankungen reich der Diagnostik und im Umgang mit Die SEEWOLF-Studie zeigt, dass körper- psychischen Erkrankungen und Suchtmit- liche Erkrankungen bei wohnungslosen telerkrankungen, stetig zu verbessern, Menschen sehr häufig sind. Bei der Unter- um diese Personen angemessen zu be- suchung gaben fast zwei Drittel der Teil- handeln und zu fördern. nehmerInnen mindestens eine gesund- heitliche Beeinträchtigung an. Bei ca. 41 % Quelle: Thomas Jahn, Josef Bäuml, Monika Brönner, Barbara wurde ein dringender Behandlungsbedarf Baur, Gabriele Pitschel-Walz (Hrsg.): Die SEEWOLF-Stu- festgestellt. die (2016), Lambertus Verlag, Freiburg
25 Sozialer Wohnungsbau MILENA WITTMANN D er Wohnungsmarkt wird von ren, welches wiederum durch die Gebur- marktwirtschaftlichen Faktoren, tenrate und Migration beeinflusst wird. aber auch von politischen Ent- Außerdem zieht es immer mehr Men- scheidungen und gesellschaftli- schen auf der Suche nach Arbeit in grö- chen Rahmenbedingungen bestimmt. Zu- ßere Städte und deren Einzugsgebiete, nächst lässt sich festhalten, dass in vielen was zu steigenden Preisen geführt hat. Regionen die Nachfrage nach Wohnraum Zudem führt steigende Lebensqualität das Angebot übersteigt, was zu enormen und Wohlstand dazu, dass die Wohnflä- Preissteigerungen geführt hat. Laut Stu- che pro Kopf steigt, wodurch mehr Wohn- dien besteht in Deutschland momentan raum nötig ist.1 ein Defizit von einer Million Wohnungen, welches besonders in Städten spürbar ist. Neben gesellschaftlichen Veränderungen haben auch politische Entscheidungen zu Abbildung 1: Genehmigte und fertiggestellte Wohnungen von 1993 bis 2016 sowie die Entwicklung des Wohnungsdefizitsseit 2010 der aktuellen Situation beigetragen. Nachdem 1.000 Wohnungen 1000 der Immobilienmarkt 900 lange Zeit entspannt Genehmigungen 800 Fertigstellungen war, geriet das Thema Wohnungsdef izit 700 mehr und mehr aus 600 dem Blick. Deutsch- landweit wurde durch 500 den Verkauf von kom- 400 munalem Baugrund 300 die Kontrolle über die 200 Stadtentwicklung aus 100 der Hand gegeben und 0 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 so die Grundstücks- spekulationen vor- Quelle: Pestel-Institut e.V./Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., angetrieben. Zudem 2018, S. 2 wurde 1988 die Ge- meinnützigkeit inner- Die steigende Nachfrage nach Wohnraum halb des Wohnungssektors abgeschafft, lässt sich zum einen durch das Bevölke- rungswachstum der letzten Jahre erklä- 1 Vgl. Dömer u.a., 2016, S. 12-15
26 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Abbildung 13: Entwicklung des Bestandes an Sozialmietwohnungen Mio. Sozialmietwohnungen 5 Rückgang seit 2002: knapp 50 % 4 früheres Bundesgebiet Deutschland 3 2 1 0 1987 2002 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quellen: Statistisches Bundesamt; Bundestagsdrucksache 18/13054 Quelle: Pestel-Institut e.V./Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V., 2018, S. 16 wodurch dieser zunehmend privatisiert zialwohnungen nur an Wohnungssuchen- wurde. Außerdem wurde durch die Föde- de mit einem Wohnberechtigungsschein ralismusreform, die 2006 in Kraft trat, die vermietet werden. Verantwortung über die Wohnungsbau- In den vergangenen Jahren kam es zu politik an Länder und Kommunen über- einem großen Rückgang von Sozialwoh- tragen. Dadurch verlor das Thema Woh- nungen, da neben einem geringen Neu- nungsbau weiter an Aufmerksamkeit.2 bau bestehende Sozialwohnungen aus der Bindung herausgefallen sind. Laut Jedoch ist das Thema seit einigen Jahren einer Studie des Pestel-Instituts sind ak- wieder zunehmend relevant. Zur Verbes- tuell noch 1,5 Millionen Sozialwohnun- serung der Wohnraumversorgung wurden gen vorhanden, während es 1980 noch 4 verschiedene Förderinstrumente einge- Millionen waren. führt. Zunächst wird unterschieden zwi- Literatur: schen Subjektförderung, also der finan- Dömer, Klaus/Drexler, Hans/Schultz-Granberg, 2016, ziellen Unterstützung von Mieter*innen Bezahlbar. Gut. Wohnen: Strategien für erschwing- lichen Wohnraum, Berlin: Jovis (Wohngeld), und der Objektförderung, Kleefisch-Jobst, Ursula/Köddermann, Peter/Jung, bei der die staatliche Förderung in Wohn- Karen (Hrsg.), 2017, Alle wollen wohnen: Gerecht. immobilien fließt. Indem Bauherren also Sozial. Bezahlbar, Berlin: Jovis Pestel-Institut e.V./Arbeitsgemeinschaft für zeit- Subventionen erhalten, verpflichten sie gemäßes Bauen e.V., 2018, Das Baujahr 2018 im sich, bestimmte Auflagen zu erfüllen. Fakten-Check, Hannover, online unter: Neben einer Mietpreisbindung dürfen So- https://www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de/ fileadmin/images/Wohnungsbautag/2018/Das_Bau- 2 vgl. Kleefisch-Jobst u.a. 2017: 16 f. jahr_2018_im_Fakten-Check_20180214.pdf
27 Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus in Regensburg von 2010 bis heute TOBIAS MEHRBREY 2010 A usgangspunkt für die folgende „Im Ergebnis führt diese Regelung bei ei- Analyse der Wohnbaupolitik in nem Gesamtinvestitionsvolumen für 150 Regensburg ist eine Beschluss- WE à 90 m² in einer guten Wohnlage zu vorlage des Stadtrates vom einem Ablösebetrag von 23 WE x 24.300 18.5.20101. Hier wird beschrieben, dass € = 558.900 € [entspricht in diesem Bei- ein Rückgang des sozialen Wohnungs- spiel 15 %]. In einer mittleren Wohnlage baus spürbar sei und dass in Regensburg ergäbe sich folgendes Ergebnis: 23 WE x der Bestand der gebundenen Wohnungen 10.800 € = 248.400 €.“ (Beschlussvorla- seit 1990 von 9.747 auf 5.761 im Jahr ge, S. 7) 2008 schrumpfte. Da 2010 der durchschnittliche Preis je Die am 10.5.2010 vorgenommenen Än- Quadratmeter bei ca. 2.700,- € lag2, war derungen im Regensburger Modell Woh- eine Wohnung mit 90 Quadratmetern nen II, das seit dem 6. März 2007 in Kraft durchschnittlich 243.00,- € wert. Bei be- ist, bedeuten, dass die geförderten Woh- reits drei von 23 verkauften Wohnungen nungen nicht mehr in einer bestimmten konnte der Ablösebetrag erwirtschaf- Anzahl gebaut werden müssen, sondern tet werden. Die anderen 20 Wohnungen an 15 % der Fläche des Bebauungsplanes stünden dann ohne Preisbindung zur Ka- gemessen werden. Damit sollte gewähr- pitalbildung zur Verfügung. leistet werden, dass genügend Wohn- In der Beschlussvorlage des Stadtrats wird raum zur Verfügung gestellt wird. weiter beschrieben, dass die geförderten Bei Bruttobebauungsflächen von 4.500 Wohnungen einkommensorientiert (EOF) bis 15.500 qm kann sich der Bauträger gefördert werden, um die Interessen der jedoch weiterhin durch eine Ablöse von Investoren zu wahren. Das bedeutet, dass der Baupflicht für geförderten Wohnbau klassische Sozialwohnungen nicht mehr befreien. gebaut werden. 1 Beschlussvorlage, Amt für Stadtentwicklung, 2 Immobilienreport der Sparkasse 2015, S.45, online Planungs- und Baureferentin Schimpfermann, Ver- verfügbar: https://www.sparkasse-regensburg.de/ besserung der Wohnraumversorgung einkommens- content/dam/myif/spk-regensburg/work/dokumen- schwacher Haushalte, VO/09/5098/66 te/pdf/allgemein/Immobilienreport.pdf
28 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG FÖRDERUNGSMODELLE Objektförderung (klassische Sozialwohnungen) Die Objektförderung bedeutet, dass Investoren ein staatliches Darlehen be- antragen können, um ihr Bauvorhaben zu finanzieren. Als Gegenleistung werden Wohnungen zu niedrigen Preisen an Bedarfshaushalte (Haushalte mit niedrigen Einkommen) vermietet. Hierzu wird der Wohnberechtigungsschein benötigt. Subjektförderung Je nach Einkommen können Mieter bei der Kommune Zuschüsse zur Miete beantragen (Wohngeld). Einkommensorientierte Förderung (EOF) Bauträger werden für die EOF-geförderten Wohnungen mit günstigen Darle- hen unterstützt, müssen sich aber bei diesen Wohnungen an die ortsübliche Durchschnittsmiete binden. Dazu werden die Mieter je nach Einkommen in Stufen eingeteilt. Die Finanzierungen werden aus staatlichen Mitteln ermög- licht und von den Bezirken vergeben3. Die Einkommensstufen sind von den jeweiligen Kommunen abhängig. Die EOF-Wohnungen werden in drei Stufen eingeteilt. Stufe I und II entspre- chen etwa einem Einkommen, das zum Bezug einer Sozialwohnung berech- tigt, Einkommensstufe III wäre mit einem Wohngeldzuschuss vergleichbar.4 2011 Im Jahr 2011 wurde der „Bericht zur so- burg veröffentlicht, auf den im Folgenden zialen Lage 2011“5 von der Stadt Regens- Bezug genommen wird. Der Bericht be- schäftigt sich mit der sozialen Teilhabe 3 Die aktuellste Stufeneinordnung vom 1. Mai 2018 und Gerechtigkeit der gesamten Regens- ist unter folgendem Direktlink zu finden: https:// burger Bevölkerung. Hier soll hauptsäch- www.regensburg.de/fm/121/zwischenbericht-wohn- lich auf die Wohn- und Einkommensver- bauoffensive.pdf (S.6) hältnisse eingegangen werden. Das zur 4 Genauere und weiterführende Informationen zur Berechnung: https://www.regierung.oberbayern. Verfügung stehende Einkommen der bayern.de/imperia/md/content/regob/internet/doku- Regensburger*innen steht im direkten mente/bereich3/staedtebaufoerderung/wohnenfoer- Zusammenhang mit den Mietpreisen der dernfinanzieren/a._infoblatt_eof.pdf Stadt. Wie viel Geld hat die Bevölkerung 5 Bericht der sozialen Lage 2011 – Regensburg plant denn zur Verfügung, um den benötigten & baut; Herausgeber: Planungs- & Baureferat, Amt für Stadtentwicklung; Verantwortlich: Anton Sedlmeier; Wohnraum zu finanzieren? Das Ergebnis Jahr: Juni 2011 bezieht sich auf den Zeitraum von 1998
29 bis 2004: Die unteren Einkommensklas- Die Änderungen beinhalten im Wesent- sen nehmen immer mehr zu, das heißt lichen, dass bei einer Bruttogrundfläche immer mehr Menschen verdienen weni- ab 4.500 qm der geförderte Wohnbau ger Geld. Im Gegensatz dazu steht 1-2 nicht mehr 15 %, sondern 20 % betragen % der Menschen in der oberen Einkom- muss. Ebenso ist kein Freikauf mehr von mensklasse 15 % des gesamterwirtschaf- dieser Pflicht möglich. Bereits genehmig- teten Geldes zur Verfügung. Deshalb te Bauprojekte fallen nicht unter diese Re- ließen sich durchaus zukünftige prekäre gelung, auch wenn der Baubeginn noch Einkommensverhältnisse ableiten, so der nicht stattgefunden hat. Bericht (S. 32). Der Bericht analysiert, dass sich durch 2015 den wirtschaftlichen Aufschwung im Ge- Am 28.10.2015 wurden aufgrund eines genzug die Wohnsituation verschlechtert. Vortrages7 neue Zahlen zusammenge- Durch den Zuzug nach Regensburg wur- fasst und veröffentlicht. Es wurde gra- de der Wohnraum knapper und die Preise phisch festgehalten, dass der Bestand des stiegen an (S. 39). Besonders stark davon öffentlich geförderten Wohnbaus rückläu- betroffen sind junge Familien. Regens- fig ist, aber der Bedarf unverändert hoch burg hat eine für Bayern vergleichsweise ist. Ebenso ist die Bevölkerung der Stadt sehr hohe Empfängerzahl von Wohngeld, seit 1987 kontinuierlich gewachsen. was ebenfalls ein Hinweis auf häufige niedrige Einkommen der Bevölkerung ist. Interessant sind die großen Bauprojekte Weiter wird detailliert beschrieben, wie in Regensburg, insbesondere wenn man sich der Bestand der geförderten Woh- den Beschluss von 2012 heranzieht, der nungen entwickelt und dass deren Zahl 20 % geförderten Wohnbau vorschreibt: rückläufig ist. Zwar wird auf den Be- Marina Quartier, 400 Wohneinheiten, schluss von 2010 verwiesen, dass 15 % Baubeginn 2013, kein geförderter der Neubauten dem geförderten Wohn- Wohnbau raum zu Gute fallen, aber es wird nicht Candis I, 515 Wohneinheiten, Baube- erwähnt, dass es sich dabei um eine be- ginn 2013, 15 % geförderter Wohnbau stimmte Größe des Bauprojektes handeln Nibelungenkaserne, 800 Wohneinhei- muss und dass sich die Investoren von ten, Baubeginn 2013, 20 % geförderter dieser Pflicht „freikaufen“ können. Wohnbau Dörnberg-Viertel, 1.200 Wohneinhei- 2012 ten, Baubeginn 2016, 15 % geförderter Am „Bericht zur sozialen Lage 2011“ lässt Wohnbau sich erkennen, dass die Stadt Regensburg Handlungsbedarf sieht. Deshalb wurde Lediglich die Nibelungenkaserne erfüllt am 4.12.2012 ein neuer Beschluss ge- demnach die 20 %-Regelung, die Ende fasst6: 7 Aktuelle und zukünftige städtebauliche Entwick- 6 Beschlussvorlage, Amt für Stadtentwicklung, lungen in Regensburg, 28.10.2015 Urban Netz- Planungs- und Baureferentin Schimpfermann, Woh- werktagung Regensburg, Christine Schimpfermann, nungsbauförderung in Regensburg, VO/12/8369/66 Planungs- und Baureferentin
30 WOHNUNGSLOSIGKEIT IN REGENSBURG Planungs- und Baureferat Rückgang des öffentlich geförderten Wohnungs- bestandes bei gleichbleibend hoher Nachfrage Abbildung 1: Rückgang des öffentlich geförderten Wohnungsbestandes bei gleichbleibend hoher Nachfrage6 / 21 Quelle: Aktuelle und zukünftige städtebauliche Entwicklungen in Regensburg, Vortrag: 28.10.2015 „Urban Netzwerktagung Regensburg“; Planungs- und Baureferat, Christine Schimpfermann, Folie 6 2012 festgelegt wurde. Daher müssen geeignet sind, wie es sich mit den Bau- die Bebauungspläne der anderen Bebau- vorschriften vereinen lässt, welche In- ungen allesamt zuvor genehmigt worden vestoren in Frage kommen und welche sein, auch wenn erst zu einem deutlich Möglichkeiten bestehen um den Verwal- späteren Zeitpunkt der Bau begonnen tungsprozess kurz zu halten. wurde. 2017 2016 Am 7.3.2017 gab es einen Zwischenbe- Seit Anfang 2016 gibt es in Regensburg richt zu dieser Offensive9, die folgen der- die Wohnbauoffensive8. Das Ziel dieses maßen vorgehen will: Projektes ist, dass so schnell wie möglich Phase 1: Prüfung von über 45 in Frage kostengünstiger Wohnraum geschaffen kommende Flächen wird. Dabei soll geprüft werden, welche Bodenflächen für eine schnelle Bebauung 9 Beschlussvorlage, Amt für Stadtentwicklung, Planungs- und Baureferentin Schimpfermann, 8 https://www.regensburg.de/leben/wohnen-u-bau- Zwischenbericht zur Wohnbauoffensive Regensburg, en/wohnbauoffensive VO/17/12796/66
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