Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitäts-Lösungen - IM LÄNDLICHEN RAUM - www.mambaproject.eu - Mamba Project
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Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitäts- Lösungen IM LÄNDLICHEN RAUM Manual For Self-Organised Mobility Von Julia Dick (Rupprecht Consult), Ralf Brand (Rupprecht Consult), Kristin Tovaas (Rupprecht Consult), Sandra Brigsa (VUAS) Jānis Bikše (VUAS), Andris Lapans (VUAS)
Ein Leitfaden für kollaborative © Copyright - Urheberrechtshinweis: Mobilitätslösungen im ländlichen Raum Alle Bilder und Textelemente in dieser Publikation, für die eine Quelle angegeben wird, sind Eigentum Zitierweise: Dick, J., Brand, R., Tovaas, K. (2020). der genannten Organisationen oder Personen. Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen Die Verfasser möchten zu einer umfassenden Ver- im ländlichen Raum. wendung dieses Leitfadens ermutigen. Dieses MAMBA-Projekt. Stockholm: Nordregio. Dokument darf kostenlos verwendet, vervielfältigt und über jedes Medium weiterverbreitet werden, Verfasser: Julia Dick, Ralf Brand, Kristin Tovaas, vorausgesetzt, dass (a) die Quelle mit der oben Rupprecht Consult – Forschung & Beratung GmbH. angegebenen Zitierweise angegeben wird und (b) die Verwendung des weiterverbreiteten Materials Mitwirkende Autoren: Sandra Brigsa (VUAS), kostenlos ist. Die gewerbliche Nutzung dieses Janis Bikshe (VUAS), Åsa Ström Hildestrand Dokuments sowie Änderungen seines Inhalts sind (Nordregio), Pasi Lamminluoto (Pohjois-Karjalan nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Urheber- liitto), Andris Lapans (VUAS), Marianne Pedersen rechtsinhaber gestattet. (NaboGo), Annika Schmiedek-Inselmann Die Verwendung dieses Dokuments fällt unter die (Diakonie Schleswig Holstein) Creative Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0 (Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bear- Peer-Reviewer: Jakob Marcks, REM Consult beitung 4.0 International). Der offizielle Text der Lizenz ist verfügbar unter: Lektorat englische Version: Tam McTurk, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/ Citadel Translations legalcode.de. Übersetzung aus dem Englischen: Heike Demme, Kontakt: Certrans GmbH Diakonie Schleswig-Holstein (MAMBA-Leadpartner), Nicole Rönnspieß: roennspiess@diakonie-sh.de Layout: Agnes Stenqvist Design www.mambaproject.eu Titelfoto: Rafelia Kurniawan/Unsplash Haftungsausschluss: Die in dieser Publikation geäußer- ten Ansichten liegen in der alleinigen Verantwortung der genannten Verfasser und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten der Europäischen Kommission oder des Interreg-Sekretariats wider. MAMBA – Maximising Mobility and Accessibility in Regions Affected by Demographic Change (Verbesserung der Mobilität und des Zugangs zu Dienstleistungen in vom demografischen Wandel betroffenen Regionen) ist ein mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen des INTERREG B-Ostseepro- gramms 2013-2020 gefördertes Projekt. Der Inhalt des Berichts gibt die Meinung des Verfassers/Partners wieder. Weder die Europäische Kommission noch die Verwaltungsbehörde/das Programmsekretariat haften für die Verwend- ung der darin enthaltenen Informationen. Alle Bilder sind urheberrechtlich geschützt und Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber. Gender-Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grund- sätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. 4 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
Inhalt 1. Einleitung 7 2. Charme und Herausforderung kollaborativer Mobilitätslösungen. 9 Fallstudie: Verbesserung der Nahversorgung im ländlichen Raum, MarktTreff Schleswig-Holstein, Deutschland. 12 3. Wie können Mobilität und Zugang zu Dienstleistungen in meiner Region verbessert werden? Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung. 13 Meilenstein 1: Entscheidung, Lösungen für Mobilitätsprobleme zu finden. 15 Phase 1: Verstehen Sie Ihre lokale Situation. 15 Schritt 1A: Identifizieren Sie das/die Hauptproblem(e). 16 MAMBA-Fallstudie: Nordkarelien, Finnland: Umfrage zum Mobilitätsbedarf (Phase 1, Schritt A1). 17 Schritt 1B: Machen Sie eine Bestandsaufnahme des lokalen Kontexts. 18 Schritt 1C: Seien Sie sich der Herausforderungen bewusst. 19 Schritt 1D: Identifizieren Sie Chancen und Stärken. 19 Meilenstein 2: Analyse des lokalen Kontexts (Ressourcen und Bedürfnisse). 20 Phase 2: Formulieren Sie eine Vision und entwickeln Sie Ideen. 21 Schritt 2A: Bauen Sie ein Stakeholder-Netzwerk auf 22 Fallstudie: Dachverband „Pro Bürgerbus NRW e.V.“ – unterstützt Projekte mit Wissen, z.B. darüber wie man ein Stakeholder-Netzwerk aufbaut. 22 Schritt 2B: Entwickeln Sie gemeinsam eine Vision und sprechen Sie über verschiedene Szenarien für Ihre Region. 23 Schritt 2C: Ideenfindung. 24 Schritt 2D: Wählen Sie die vielversprechendste(n) Idee(n) aus. 25 Meilenstein 3: Einigung darüber, welche Lösung(en) gemeinsam umgesetzt werden soll(en). 26 Phase 3: Planen Sie Ihre Lösung im Detail. 26 Schritt 3A: Identifizieren Sie die Bausteine Ihrer Lösung. 26 Schritt 3B: Prüfen Sie, ob die Finanzierung gesichert ist und alle Haftungsfragen geklärt sind. 27 Schritt 3C: Entwickeln Sie umsetzbare Aufgaben in Bezug auf die Lösung(en). 28 Fallstudie: Verschiedene Möglichkeiten zur Bekanntmachung der neuen Mobilitätslösung in der Gemeinde Vejle, Dänemark. 28 MAMBA 5
Schritt 3D: Kommunizieren Sie die Lösung in der Öffentlichkeit. 29 Meilenstein 4: Kollaborativer Mobilitätsansatz angenommen. 29 Phase 4: Setzen Sie Ihre Lösung um und überwachen Sie die Umsetzung. 30 Schritt 4A: Verwalten Sie die Umsetzung. 30 Fallstudie: Tolg, außerhalb der Stadt Växjö in Småland, Schweden: Mobilsamåkning AB – eine Fahrgemeinschafts-App wird von einem Pilotprojekt des LEADER-Programms zu einem privaten Unternehmen. 31 Schritt 4B: Überwachen Sie den Prozess und bewerten Sie die Auswirkungen Ihres Projekts. 32 Fallstudie: Verbesserung des Zugangs zu Dienstleistungen im ländlichen Raum durch CarSharing in Pfaffenwinkel, Deutschland. 33 Schritt 4C: Tauschen Sie sich mit anderen darüber aus, was Sie gelernt haben und inspirieren Sie sie. 34 Meilenstein 5: Umsetzung und Überwachung der kollaborativen Mobilitätslösung. 34 Schlussfolgerung 35 Literaturhinweise und Fußnoten 38 Abbildungen Abbildung 1: Diagramm, das die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Sektor und anderen Akteuren und ihre Rolle als Initiatoren oder Umsetzer zeigt. 11 Abbildung 2: Überblick über die Phasen, Schritte und Meilensteine für eine kollaborative Mobilitätslösung. 14 Abbildung 3: Ergebnisse der Umfrage zum Mobilitätsbedarf. 17 Abbildung 4: SWOT-Matrix. 20 Abbildung 5: Diagramm der Arten von Akteuren, die an kooperativen Mobilitätslösungen beteiligt sind. 21 Abbildung 6: Stakeholder-Mapping-Vorlage. 22 6 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
1. Einleitung Warum sollten Sie diesen Leitfaden gespannte kommunale Haushalte) ziehen viele ab- lesen? gelegene Regionen in ganz Europa in einen sich Leben Sie im ländlichen Raum? Erleben Sie ungün- selbst verstärkenden „Teufelskreis des Nieder- stige Bedingungen für Mobilität und den Zugang gangs“, der sich negativ auf die Lebensqualität im zu Dienstleistungen? Wollen Sie etwas gegen die ländlichen Raum auswirkt. Sieht man genauer hin, Situation unternehmen? Wenn Sie diese Fragen zeigt sich jedoch, dass es ein reichhaltiges verbor- mit „Ja“ beantwortet haben, ist dieser Leitfaden genes Potenzial gibt, das nur darauf wartet, ge- das Richtige für Sie. Er bietet Orientierung dazu, nutzt zu werden (in Form von bestehenden sozia- wie die Akteure an der Basis und der öffentliche len Netzwerken, Ressourcen und Infrastruktur) Sektor gemeinsam die Herausforderungen meis- und das alles in Reichweite von Akteuren der Ge- tern können, vor denen sie in ihren ländlichen Räu- meinden vor Ort und des öffentlichen Sektors. men stehen. Diese Art der Zusammenarbeit er- Das MAMBA-Projekt will dieser Herausforde- möglicht es Ihnen: rung begegnen, indem es nachhaltige Mobilitäts- l ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der lösungen im ländlichen Raum fördert, bei denen Einwohner zu gewinnen entweder die Menschen zu den Dienstleistungen l die für Akteure an der Basis und im öffentlichen (People-to-Service) oder die Dienstleistungen zu Sektor verfügbaren Ressourcen zu maximieren und den Menschen (Service-to-People) gebracht wer- zu nutzen den. In der Praxis haben die MAMBA-Partner zu- l kreativere, effizientere und kostengünstigere sammengearbeitet, um innovative Mobilitäts- Mobilitätslösungen zu entwickeln, die gut genutzt lösungen, wie Bürgerbusse, Mobility as a Service werden und nachhaltig sind. (MaaS) und Fahrgemeinschaftsanwendungen besser in bestehende Mobilitätsstrukturen einzu- Unabhängig davon, ob Sie versuchen, eine kollabo- binden. Ihr Ziel war es, die Mobilität in ländlichen rative Mobilitätslösung ins Leben zu rufen, diese zu Regionen zu steigern und den Zugang zu Dienst- koordinieren oder umzusetzen, wird Ihnen dieser leistungen zu verbessern und gleichzeitig die Nut- Leitfaden mögliche Wege aufzeigen, wie Sie dies zer in den Prozess einzubeziehen. Letztlich macht tun können. MAMBA deutlich, wie kleine Eingriffe in das beste- hende System – basierend auf Kreativität, Innova- Was ist MAMBA? tion, Engagement und Leidenschaft – tatsächlich Angesichts der rückläufigen und alternden Bevöl- etwas verändern und diesem (Teufels-)Kreis ent- kerung in vielen ländlichen Gebieten des Ostsee- gegenwirken können. raums wird es immer schwieriger, den öffentlichen Personenverkehr und andere von der Mobilität ab- hängige Dienstleistungen wie häusliche Pflege und Zustellungen bis an die Haustür aufrechtzuer- halten. Dieser eingeschränkte Zugang zu Dienst- leistungen wirkt sich auf die Lebensqualität der Menschen aus, die außerhalb der städtischen Zen- tren leben. Die Aussichten für solche Regionen scheinen auf den ersten Blick düster. Ungünstige, sich selbst verstärkende und voneinander abhängige Prozesse (z.B. Überalterung der Bevölkerung, Abwande- rung, ungünstige wirtschaftliche Bedingungen, an- Quelle: Wes Hicks/Unsplash. MAMBA 7
Personenbeförderung zur MAMBA Teilnahme am gesellschaft- lichen Leben und zur Gesund- Lösungen für Portal für den öffentlichen heitsvorsorge in der Region Personenverkehr für Mobilität und den Südostbottnien, Finnland. die Einwohner in der Zugang zu Dienst- gesamten Region leistungen Nordkarelien, Finnland. Fahrgemeinschafts-App für das Dorf Smidstrup-Skærup, das zur Gemeinde Vejle in Südjütland, Dänemark gehört Transport-on-Demand in den Gemeinden Aluksne und Mazsalaca, Vidzeme, Co-Working Space im Lettland ländlichen Raum in Södra Mobile Sozial- Åby und Busse für ältere beratung für die Menschen. Gemeinde Einwohner der Trelleborg, Schweden. Hallig Hooge Transport-on-Demand-Dienst und Online-Plattform mit Informationen Fahrgemeinschafts-App in Bielsko-Biała, über die Personenbeförderungsmög- Polen. Das Mobilitätszentrum des Kreises lichkeiten im Kreis Plön, Deutschland Bielski stellt Informationen zu den Wie macht und Transport on Demand-Dienst Beförderungsmöglichkeiten und einen Buchungsdienst zur Verfügung. MAMBA ländliche Car-Sharing im ländlichen Raum mit ehrenamtlichen Fahrdienst Regionen In der Ortschaft Neuenwalde, Stadt Geestland im Landkreis Cuxhaven, Deutschland und Regionale Mobilitätszentrale über lebenswerter? die Personenbeförderungsmöglichkeiten im Landkreis Cuxhaven MAMBA fördert nachhal- 0 150 300 km tige People-to-Service- und Service-to-People-Mobili- MAMBA-Lösungen für Mobilität und den Zugang zu Dienstleistungen tätslösungen in ländlichen Gebieten im Ostseeraum – und bezieht die Nutzer MAMBA diese Fragen und stellte mögliche Lösun- in den Prozess mit ein. Das auf drei Jahre angelegte gen vor. Das Konsortium hat mehr als 13 Maßnah- Projekt versuchte, die folgenden Fragen zu beant- men mitgestaltet und dabei lokale Akteure aus worten: abgelegenen Regionen, Städten und Dörfern im l Wie können wir in Zukunft die ländliche Mobil- gesamten Ostseeraum miteinbezogen. Jede dies- ität und Leistungen der öffentlichen Daseinsvor- er Maßnahmen stand zeitweise vor besonderen sorge so organisieren, dass sie die Menschen erre- Herausforderungen. Mal waren sie finanzieller, ichen, die darauf angewiesen sind? mal soziokultureller, organisatorischer, politischer l Wie können wir ländliche Mobilitätsdienste ent- oder rechtlicher Art. Doch mit Mut, Einfallsreich- wickeln, die für alle Einwohner so nützlich und tum und Flexibilität konnten die meisten Heraus- zugänglich wie möglich sind? forderungen gemeistert werden. l Wie könnte Technologie zur Unterstützung und Weitere Informationen über das MAMBA-Pro- Verbesserung ländlicher Mobilitätsdienste einge- jekt finden Sie unter: https://www.mambapro- setzt werden? ject.eu/. l Wie können die Nutzer kontinuierlich einbezo- Viele inspirierende Lösungen, die aus dem gen werden, damit wir ländliche Mobilitätsdienste MAMBA-Projekt hervorgegangen sind, finden Sie entwickeln, die für sie relevant sind und ihren auch in dem Bericht mit dem Titel „Mobilität für Bedürfnissen entsprechen? alle im ländlichen Raum – Inspirierende Lösungen Zusammen mit einem Konsortium bestehend von MAMBA“. aus 15 Partnern aus sechs Ländern untersuchte 8 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
2. Charme und Herausforderung kollaborativer Mobilitätslösungen. Ausgangspunkt für MAMBA war die Erkenntnis, amtliche Helfer. Ein besonders bemerkenswertes dass die traditionellen Formen des öffentlichen Beispiel für ein solches selbstorganisiertes Projekt Personenverkehrs in bestimmten ländlichen Gebie- ist die „Fahrgemeinschaft Valmiera-Riga”-Face- ten immer schwieriger aufrecht zu erhalten sind. book-Gruppe in Lettland. Aus dieser Gruppe ist Dabei steht „traditionell“ hier für eine klare, ver- eine Online-Plattform hervorgegangen, über die tragliche Rollenverteilung zwischen drei Hauptak- mehr als 3.900 Menschen entweder Mitfahrgele- teuren: genheiten anbieten oder suchen. l Der öffentliche Sektor, der mehr oder weniger In anderen Fällen tragen lokale Organisatio- regelmäßig Transportdienstleistungen auf festen nen, wie Bürgergruppen, Genossenschaftsbanken, Strecken ausschreibt und subventioniert. Wohltätigkeitsorganisationen, Glaubensgemein- l Private Verkehrsbetriebe, die diese Verbindun- schaften und andere Einrichtungen zu ähnlichen gen anbieten. Selbsthilfeinitiativen bei, indem sie Wissen, Fahr- l Nutzer, die einen Teil der Kosten durch den Kauf zeuge, Personal, Räumlichkeiten oder auch nur von Fahrkarten decken. eine Telefonverbindung zur Verfügung stellen. Auch bestimmte Dienstleister, darunter auch Das Problem ist, dass der öffentliche Sektor nicht kommerzielle Anbieter, haben begonnen, die Art, immer – und tatsächlich immer seltener – finan- wo und wie sie ihre Dienstleistungen anbieten, zu ziell in der Lage ist, viel Geld für diese Form des überdenken. Einige von ihnen erwarten nicht mehr, öffentlichen Personenverkehrs aufzuwenden. Hin- dass die Landbevölkerung zu ihnen reist, sondern zu kommt, dass viele Menschen vom Land in die bringen stattdessen ihre Dienste zu den Men- Stadt ziehen – meist die junge arbeitende Bev- schen. Dazu gehören Bibliotheken, mobile Kliniken, ölkerung. Unter denen, die bleiben, haben viele ein Pflegedienste, Banken, Einzelhändler und mehr. eigenes Auto und benutzen es auch, was die Zahl Auch wenn die ländliche Bevölkerung in der Regel der Nutzer des öffentlichen Personenverkehrs keine aktive Rolle in solchen Initiativen spielt, ist noch weiter verringert. Hinzu kommt, dass die An- klar, dass solche Modelle von der oben skizzierten zahl derer, die keine Alternative haben, einfach traditionellen Rollenverteilung abweichen. Es gibt nicht ausreicht, um eine „kritische Masse“ zu bilden, auch eine Reihe vielversprechender Beispiele, in de- um einen finanziell tragfähigen Busverkehr auf- nen der öffentliche Sektor verstanden hat, dass rechtzuerhalten. Die Folge kann soziale Ausgren- man durch eine Zusammenarbeit mit zivilgesell- zung aufgrund mangelnder Mobilität sein. Dies schaftlichen Akteuren dem „Teufelskreis des Nie- macht einige ländliche Gebiete für neu Hinzugezo- dergangs“ entkommen kann. Die öffentliche Hand gene noch unattraktiver, was den „Teufelskreis des unterstützt bestimmte Initiativen auf vielfältige Niedergangs“ noch verstärkt. Weise – sei es durch neue Regeln, die Bereitstel- Aber es gibt Hoffnung. In einer Reihe von Fällen lung von Räumen oder Flächen, Kommunikations- haben ländliche Gemeinden selbst die Initiative er- kanäle, Wissen, Infrastruktur und (zumindest griffen, indem sie neue, meist nicht-kommerzielle manchmal) Geld. Fahrgemeinschaftsprojekte, Car-Sharing-Clubs, Ein Beispiel für eine Initiative dieser Art ist das Bürgerbusse und andere Programme ins Leben ge- „Dörpsmobil“ in Klixbüll, Deutschland. Hier vermie- rufen haben – oft mit Unterstützung durch ehren- tet ein gemeinnütziger Verein ein kleines Elektro- MAMBA 9
Quelle: Janis Bikshe fahrzeug, das sowohl von Mitarbeitern der Ge- lichen Sektor und anderen Akteuren (unter dem meinde als auch von Mitbürgern genutzt werden Begriff „Basis“ zusammengefasst). Sie unterschei- kann. Sogar Touristen können es mieten. Diese Lö- det zwischen einer initiierenden und einer umset- sung bietet Mobilität für Menschen, die kein Auto zenden Rolle, und jeder konkrete Fall lässt sich in besitzen. Dadurch, dass die Gemeinde (d.h. die öf- diesem Diagramm „abbilden“. Das soll nicht heißen, fentliche Hand) das Fahrzeug nutzt, ist eine Grundauslastung gewährleistet, die für die finan- zielle Tragfähigkeit des Systems sorgt. Ein weite- Der öffentliche Sektor bleibt res interessantes Beispiel ist die Mobilsamåkning verantwortlich! AB Fahrgemeinschafts-App in Schweden (siehe Fallstudie auf Seite 31). Dieses Projekt brachte Auch Selbsthilfeprogramme, an denen nur Orts- Menschen zusammen, die einen ähnlichen Start- ansässige beteiligt sind (z.B. die Facebook-Gruppe und Zielort für ihre Reise haben. Für die Verbin- in Lettland), sollten als kooperative Mobilitätslö- dung wurden Festnetztelefone, Computer, SMS sungen in Betracht gezogen werden. Man soll aber und Smartphones genutzt. Öffentliche Gelder nicht glauben, dass der öffentliche Sektor damit (das europäische LEADER-Programm) halfen beim vom Haken ist. Bürgergruppen allein werden selten Start des Projekts. in der Lage sein, Lösungen für alle Fälle zu finden, Der Sinn all dieser Projekte ist es, die traditio- bei denen Menschen vom Zugang zu ländlicher nelle Form des öffentlichen Personenverkehrs mit Mobilität ausgeschlossen sind. Im Gegenteil, der der damit verbundenen starren Rollenverteilung öffentliche Sektor hat definitiv eine Rolle zu spielen: durch neue Kooperationsvereinbarungen zu erset- zum Beispiel als Vermittler, Kommunikator, zen, an denen eine Vielzahl von Akteuren beteiligt Anbieter von Räumlichkeiten und Flächen und sind: einzelne Einwohner, Bürgergruppen, Unter- Wissen - und sicherlich auch als (Mit-)Geldgeber, nehmen (Dienstleister, Einzelhändler, Verkehrsbe- wenn auch möglicherweise mit weniger Geld als triebe usw.), Nichtregierungsorganisationen (ein- bei den traditionellen Subventionen für den schließlich karitativer Einrichtungen) und – in der öffentlichen Personenverkehr. Schließlich bleibt überwiegenden Zahl der Fälle – der öffentliche der öffentliche Sektor dafür verantwortlich, die Sektor. Letzteres ist aus politischer Sicht beson- menschlichen Grundbedürfnisse seiner Bürger zu ders interessant. Folgende Abbildung veranschau- befriedigen, und das sollte auch so bleiben. licht die Zusammenarbeit zwischen dem öffent- 10 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
dass eine der vier Ecken besser oder schlechter als Vom öffentlichen die andere ist, aber es unterstreicht, dass beide Sektor umgesetzt Rollen wichtig sind und dass echte Zusammenar- beit beide wertschätzt. Solche kollaborativen Ansätze können einen besonderen Charme oder Reiz haben. Sie können erfrischend kreativ sein und zu „unkonventionel- len“ Lösungen führen. Sie können Menschen zu- Vom öffentlichen Von der Basis Sektor initiiert initiiert sammenbringen und dies nicht nur durch einen verbindlichen Vertrag, sondern auch, weil sie eine Idee und eine Vision für eine bessere Gesellschaft eint. Sie können eine Gemeinschaft aufbauen und oft Geld sparen. Kollaborative Solche Ansätze können jedoch auch eine Her- Mobilitätslösungen ausforderung sein, gerade weil sie von etablierten Facebook-Fahr- Mustern abweichen. Zum Beispiel werden manche Von der Basis gemeinschafts- Menschen nervös, wenn sie sich nicht mehr auf umgesetzt gruppe traditionelle Routinen verlassen können, wenn konventionelle Rollen in Frage gestellt werden oder wenn Regeln, auf die man sich lange Zeit gestützt Abbildung 1: Diagramm, das die Zusammenarbeit hat, nicht mehr gültig sind. Dies kann für Men- zwischen dem öffentlichen Sektor und anderen schen, die im öffentlichen Sektor arbeiten, aber Akteuren und ihre Rolle als Initiatoren oder Umsetzer zeigt. Quelle: Ralf Brand, Rupprecht Consult. auch für Verkehrsbetriebe und Fahrgäste eine He- rausforderung darstellen. Darüber hinaus fehlen einigen dieser Akteure die Ressourcen, Netzwerke und Schlüsselkompetenzen (wie Management, Ge- schäftsplanung oder Kommunikationsfähigkeit), passive Empfänger öffentlicher Dienstleistungen die für die erfolgreiche Erbringung einer Dienst- sein, sondern können aktiv zur Schaffung besserer leistung erforderlich sind. Dies ist ein weiterer As- Mobilitätslösungen beitragen – sei es als freiwilli- pekt, der deutlich macht, dass eine Zusammen- ger Fahrer, als „Mitarbeiter“ einer Mobilitätshot- arbeit sinnvoll ist, weil verschiedene Akteure line, als Vorstandsmitglied eines neuen Vereins, als unterschiedliche Stärken haben. Es ist wichtig, die Ideengeber, als „Botschafter“ einer neuen Initiati- jeweiligen Stärken dieser Akteure zu nutzen – als ve usw. Eine solche Partnerschaft bedeutet typi- Ideengeber, vertrauenswürdiger Sprecher der Ge- scherweise, dass der öffentliche Sektor ein gewis- meinschaft, Wissensträger, Automechaniker, Or- ses Maß an Kontrolle abgeben muss, was schwierig ganisator, Geldgeber oder Fundraiser, Planer usw. sein kann. Es muss darauf geachtet werden, dass Grundsätzlich wird die ganze Bandbreite an Fähig- diese neue Situation nicht zu einem Vakuum in Be- keiten gebraucht, vom Initiator bis zum Umsetzer. zug auf Entscheidungsfindung, Haftung oder Kollaborative Mobilitätslösungen erfordern langfristige Verlässlichkeit führt. Solche Heraus- Offenheit für neue Ideen, die Entwicklung neuer forderungen lassen sich oft bewältigen, aber das Fähigkeiten, vielleicht das Erlernen neuer Soft- erfordert Geduld, Kreativität und harte Arbeit. ware, das Aushandeln neuer Verträge und Dinge Aber die Erfahrung von MAMBA und vielen ande- anders zu tun als bisher. Die größte Veränderung ren Fällen, die wir untersucht haben, hat gezeigt, für den öffentlichen Sektor besteht darin, von sei- dass es sich lohnt! ner Rolle als „Versorger“ zu einer neuen Rolle als Die MAMBA-Empfehlung lautet daher, sich Partner und Vermittler überzugehen, wobei er nicht nur dafür einzusetzen, dass alles wieder so weiterhin eine gewisse rechtliche und finanzielle wird wie früher, sondern gemeinsam mit anderen Verantwortung behält. Auch die Zivilgesellschaft Bürgern, Bürgergruppen, Unternehmen und dem muss eine neue Rolle spielen – potenziell eine sehr öffentlichen Sektor an neuen, kooperativen Lösun- befriedigende, denn die Menschen müssen nicht gen zu arbeiten! MAMBA 11
FALL STUDIE Quelle: MAMBA. Verbesserung der Nahversorgung im ländlichen Raum, MarktTreff Schleswig-Holstein, Deutschland. Ein Beispiel für solche neuen, kreativen und l einen zentralen Treffpunkt für die Einwoh- kollaborativen Ansätze zum Zugang zu ner. Dienstleistungen ist der MarktTreff. Diese People-to-Service- und Service-to-People- Eine Vielzahl von Menschen aus dem öffent- Lösung wurde 1999 vom Land Schleswig- lichen Sektor, der lokalen Wirtschaft und Holstein ins Leben gerufen und wurde ge- der Ortsgemeinschaft arbeiten zusammen, meinsam mit den Gemeinden vor Ort in den um den MarktTreff möglich zu machen. Dörfern dieser ländlich geprägten Region Die Gemeinde ist für die Durchführung der Deutschlands umgesetzt. Der MarktTreff Machbarkeitsstudie verantwortlich. Nach ist eine zentrale Anlaufstelle für Produkte, der Bewilligung stellt das Ministerium für Dienstleistungen und Informationen, Ideen Inneres, ländliche Räume und Integration und Initiativen. Er fungiert als Treffpunkt eine infrastrukturelle Anschubförderung in den Dörfern, trägt zur Förderung des Ge- bereit. Während der Umsetzungsphase ist meinschaftslebens und des bürgerschaftli- die Gemeinde der Hauptgesellschafter des chen Engagements bei und schafft Arbeits- MarktTreffs. Angetrieben wird das Projekt plätze – alles an einem Ort. Ein MarktTreff aber von den Menschen und Unternehmen bietet in der Regel Folgendes unter einem vor Ort. Dach an: Derzeit gibt es in 39 ländlichen Gemein l einen kleinen Lebensmitteleinzelhändler, den Schleswig-Holsteins einen MarktTreff. manchmal kombiniert mit einem Bistro Diese besondere, innovative Lösung hat l Dienstleistungen, die sich an den Bedürf- dazu beigetragen, ein breites und belast- nissen der Region orientieren, z.B. Postamt, bares soziales Netzwerk in diesen Gemeinden Bürgerbüro, Tourist-Information, ärztliche zu schaffen. Aufgrund des Erfolgs haben Zweigpraxis, Weiterbildungsangebote, andere Länder, wie Österreich und Finnland, Secondhand-Laden, Café, Geldautomat, ihr Interesse daran bekundet, das Konzept Frisör, Physiotherapie, Kosmetikstudio usw. zu übernehmen. 12 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
3. Wie können Mobilität und Zugang zu Dienstleistungen in meiner Region verbessert werden? Eine Schritt-für- Schritt-Anleitung. Wie ist dieser Leitfaden zu einzelnen Schritts finden Sie drei kurze Abschnitte: verwenden? l den Grundgedanken und die Leitfragen, die an Auf den folgenden Seiten erfahren Sie mehr diesem Punkt des Gesamtprozesses relevant sind darüber, wie Sie kollaborative Mobilitätslösungen l die Hauptziele des Schrittes in Ihrer Region entwickeln und umsetzen können. l Aufgaben, die Sie innerhalb des jeweiligen Kapitel 2 bereitet Sie auf diese Reise vor und erläu- Schrittes erledigen sollten. tert den Charme kollaborativer Mobilitätslösun- gen und die damit verbundenen Herausforderun- Zusammen mit den Meilensteinen gibt es am Ende gen. jeder Phase eine Checkliste, um sicherzustellen, Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten dass wichtige Elemente abgearbeitet wurden. In- Schritt. Wir haben dies als Motto für Kapitel 3 ge- formationen über relevante Fallstudien und die un- nommen, das den Kern dieses MAMBA-Leitfadens ter der Kategorie „Werkzeuge“ gegebenen Hin- bildet. Es ist ein Versuch, den langen Weg zu einer weise können bei der Initiierung und Umsetzung erfolgreichen kollaborativen Mobilitätslösung zu selbstorganisierter Mobilitätslösungen helfen. beschreiten und diesen in kleinere Abschnitte zu un- Bitte beachten Sie: Einige Aufgaben innerhalb terteilen, damit es leichter wird, den Prozess zu bestimmter Schritte sind nummeriert, andere steuern. Es erscheint sinnvoll, zunächst zwischen nicht. Damit soll gezeigt werden, dass es manch- den folgenden vier Hauptphasen zu unterscheiden: mal wichtig ist, bestimmte Dinge in einer be- 1. Verstehen Sie Ihre lokale Situation. stimmten Reihenfolge zu tun. In anderen Situatio- 2. Formulieren Sie eine Vision und entwickeln nen ist es jedoch oft nicht möglich (oder ratsam), Sie Ideen. eine Aufgabe zu beenden, bevor die nächste be- 3. Planen Sie Ihre Lösung im Detail. gonnen wird. Tatsächlich erfordert die Realität vor 4. Setzen Sie Ihre Lösung um und überwachen Ort oft, mehrere Dinge parallel oder in einer ande- Sie die Umsetzung. ren Reihenfolge zu tun. Einige Aufgaben haben wir daher nicht nummeriert. Verlassen Sie sich in der Vor und nach jeder Phase heben wir die Bedeutung Praxis einfach auf Ihr eigenes Urteilsvermögen und einer wichtigen Entscheidung, eines Grundes zum reagieren Sie kreativ auf jede Situation, mit der Sie Feiern oder das Erreichen eines besonderen Ziels es zu tun haben. hervor. Wir nennen diese wichtigen Zeitpunkte Wir nennen diesen Leitfaden trotzdem eine „Meilensteine“. Es sind insgesamt fünf Meilensteine, Schritt-für-Schritt-Anleitung, weil wir hoffen, dass wie Sie der folgenden Abbildung auf Seite 14 entne- er Sie und andere Menschen in Ihrer Umgebung in- hmen können. spirieren und zeigen kann, dass die Entwicklung Um die Dinge noch klarer zu machen, haben wir und Umsetzung von kollaborativen Mobilitätslö- jede Phase in kleinere Elemente, so genannte sungen im ländlichen Raum kein Hexenwerk ist – „Schritte“, unterteilt. In der Beschreibung jedes sondern vielmehr das Ergebnis gründlicher Pla- MAMBA 13
Schritt-für-Schritt-Anleitung für eine kollaborative Mobilitätslösung Meilenstein 1: Entscheidung, einen kollaborativen Mobilitätsansatz Meilenstein 2: zu entwickeln Phase 1: Analyse des lokalen Kontexts Verstehen Sie Ihren lokalen Zusammenhang Phase 2: Entwicklung einer Vision, Meilenstein 3: Ideensammlung Visionen, Ziele und und Auswahl Maßnahmen vereinbaren Phase 3: Meilenstein 4: Kollaborativer Definieren der Maßnahme im Mobilitätsansatz Detail und angenommen Vorbereitung Phase 4: Umsetzung, Betrieb und Meilenstein 5: Überwachung Kollaborativer Mobilitätsansatz wird umgesetzt und überwacht Abbildung 2: Überblick über die Phasen, Schritte und Meilensteine für eine kollaborative Mobilitätslösung Quelle: MAMBA-Projekt. nung, kreativer Ideen, engagierter Partner, einer Planungszyklus für einen SUMP (Sustainable Ur- guten Dosis Managementfähigkeiten, eines Be- ban Mobility Plan)1. wusstseins für bestimmte rechtliche Anforderun- Auf den ersten Blick mag dieser MAMBA-Leit- gen, eines Verständnisses für Finanzfragen und so faden ein wenig komplex erscheinen. Aber haben weiter. Dieser Leitfaden führt Sie Seite für Seite Sie keine Angst – die einzelnen Abschnitte sind oder Schritt für Schritt durch den Prozess, so dass ziemlich selbsterklärend. Sie müssen auch nicht kein wichtiger Aspekt übersehen wird. unbedingt den ganzen Leitfaden von vorne bis hin- Der Aufbau und die Abfolge dieser Schritt-für- ten lesen oder die vier Phasen und 15 Schritte Schritt-Anleitung orientieren sich am systemati- nacheinander durchdenken. Das wahre Leben ist schen Entwicklungs- und Umsetzungsansatz des immer komplexer als das, was sich auf Papier nie- 14 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
Quelle: Arnaud Gillard/Unsplash. derschreiben lässt. Das Wichtigste ist, unabhän- Phase 1: Verstehen Sie Ihre lokale gig davon, welche Abschnitte Sie in welcher Rei- Situation. henfolge lesen, dass Sie immer alles in Ihren lokalen In der ersten Phase geht es darum, die Situation vor Kontext übertragen. Kurz gesagt: Machen Sie sich Ort im Detail kennen zu lernen, denn es ist wichtig diesen Leitfaden zu eigen und nutzen Sie ihn so, zu verstehen, was genau die dringendsten Bedür- wie es für Sie am hilfreichsten ist! fnisse sind, was die am stärksten betroffenen Men- schen denken und welche Möglichkeiten es gibt. Es Meilenstein 1: Entscheidung, Lösungen für ist aber auch wichtig, sich bewusst zu sein, was Mobilitätsprobleme zu finden. schon einmal versucht wurde, und zu fragen, mit Herzlichen Glückwunsch – Sie haben den ersten welchen Risiken und Problemen zu rechnen ist. Schritt zur Verbesserung des Zugangs zu Dienstleis- In der Praxis lässt sich diese Phase nicht klar von tungen in Ihrer Region getan! Der gesamte Prozess einer Diskussion über mögliche Lösungen trennen – beginnt hier. Auch wenn noch nicht klar ist, wie das ist natürlich in Ordnung. In der Realität geht es genau diese Verbesserung aussehen wird, beginnt meist nicht so gradlinig zu, wie in der idealen Welt alles typischerweise mit der Entscheidung, sich auf einer Schritt-für-Schritt-Anleitung. Nichtsdestotrotz diese Reise zu begeben. Dies ist an sich schon ein möchten wir Sie ermutigen, etwas Zeit und Energie wichtiger Meilenstein, denn für viele potenzielle zu investieren und wirklich gründlich über die Situa- Partner ist ein klares Bekenntnis einer treibenden tion vor Ort nachzudenken. Wir raten Ihnen, diese Kraft oft ein entscheidendes Signal, um aus der vier Schritte zu befolgen: passiven in eine aktive Rolle zu wechseln. l Identifizieren Sie das/die Hauptproblem(e). l Machen Sie eine Bestandsaufnahme des lokalen Kontexts. l Seien Sie sich der Herausforderungen bewusst. l Identifizieren Sie Chancen und Stärken. MAMBA 15
Schritt 1A: Identifizieren Sie das/die schafts-App, oder das Fehlen einer Kreditkarte, Hauptproblem(e). wenn diese eine Voraussetzung für die Anmeldung Grundidee für einen bestimmten Dienst ist. Häufig sind Men- Der Ausgangspunkt für Überlegungen zu einer kol- schen, die sich für eine Verbesserung der Situation laborativen Mobilitätslösung sollte der Wille sein, einsetzen, selbst nicht von Zugangs- oder Mobili- die derzeitige Mobilitätssituation für Menschen zu tätsproblemen betroffen – daher ist es in einer sol- verbessern, die von herkömmlichen Mobilitätsfor- chen Situation umso wichtiger, den tatsächlich Be- men und -angeboten nicht gut erreicht werden. troffenen aufmerksam zuzuhören. Andernfalls Dabei geht es in der Regel um den Zugang zum ei- könnte eine gut gemeinte Idee den Zweck völlig genen Auto als Voraussetzung für die Anreise zu verfehlen. verschiedenen Orten und Dienstleistungen, die in Kurz gesagt: Versuchen Sie, die Probleme so zu größeren Städten zentralisiert sind. Die Arten von verstehen, wie sie von den Betroffenen wahrge- sozialen Gruppen, für die das Risiko besteht, von nommen werden, bevor Sie Ideen für Lösungen der Mobilität ausgeschlossen zu werden, sind da- sammeln. her häufig ältere Menschen, junge Menschen, Men- schen mit körperlichen oder geistigen Behinderun- Ziel gen, einkommensschwache Bevölkerungsgruppen, Der Zweck von Schritt 1 besteht darin, die Mobili- Pflegekräfte oder Betreuungspersonen (häufig tätsprobleme bestimmter sozialer Gruppen in Ihr- Frauen), Menschen mit aktuellem Migrations- er Region genau zu verstehen. hintergrund usw. Es ist wichtig, den Kern des Problems für die Aufgaben Hauptzielgruppe(n) zu verstehen. Dies kann z.B. l Überlegen Sie sich, welche soziale(n) Gruppe(n) die Linienführung eines Busses oder sein Fahrplan Sie am liebsten unterstützen würden – dies sind sein. Es kann u.a. das Fehlen bestimmter Ausstat- typischerweise die soziale(n) Gruppe(n), die durch tung in einem Bus sein, ein schlechtes Mobilfunk- das bestehende Mobilitätssystem am meisten netz in der Gegend, die Sprache einer Fahrgemein- benachteiligt oder ausgeschlossen sind. Quelle: Dylan Gillis/Unsplash. 16 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
FALL STUDIE MAMBA-Fallstudie: Nordkarelien, Finnland: Umfrage zum Mobilitätsbedarf (Phase 1, Schritt A1). In Nordkarelien, einem abgelegenen ländli- chen Gebiet in Ostfinnland, hatten mehrere ÖPNV-Betreiber lange Zeit ihre eigenen getrennten Plattformen benutzt, um die Einwohner über ihre Dienstleistungen zu informieren. Im Laufe der Zeit wurde dem Regionalrat von Nordkarelien klar, dass die Menschen, die diese Dienste nutzen könn- ten, Schwierigkeiten hatten, die Informatio- nen zu finden, die sie für ihre verschiedenen Fahrten benötigten. Um die Situation vor Ort und die Mobili- tätsprobleme zu verstehen, führte der Regio- nalrat im Rahmen des MAMBA-Projekts eine Umfrage unter den in der Region lebenden Menschen durch. Die Online-Umfrage deckte die gesamte Region ab, und eine bestimmte Ort, an dem die Umfrage durchgeführt Person war dafür verantwortlich, die Um- wurde frage bekannt zu machen und zu verbreiten. Richtungen der Die Bewohner wurden zu ihren Transport- Freizeitmobilität Intensität und Mobilitätsbedürfnissen befragt. N Auf Grundlage der Ergebnisse und der Regionalrat von Nordkarelien 2018 allgemeinen Diskussion über das Thema Basiskartenmaterial: NLS 2015 & YKR/SYKE 2015 beschloss Nordkarelien, eine digitale Platt- form für den Regionalverkehr einzurichten. Dabei handelt es sich um eine technische Abbildung 3: Ergebnisse der Umfrage zum Lösung, die verschiedene öffentliche Ver- Mobilitätsbedarf (Quelle: Screenshot aus kehrsmittel auf einer bequemen digitalen Lamminluoto, P. (2018): Overview report of the mobility patterns and needs of users in the Plattform zusammenfasst. Sie dient quasi rural areas of North Karelia and other als virtuelles „Mobilitätszentrum", in dem Mamba regions). aktuelle Informationen über öffentliche und private Möglichkeiten im Regionalverkehr zentral zusammengefasst zur Verfügung Die Hauptgründe für Freizeitmobilität stehen. waren: l selbstorganisierte Aktivitäten Die wichtigsten Orte und Dienste, im Freien (32 %) die erreicht werden sollten (siehe Karte) l Besorgungen (27 %) Die Befragten wurden gebeten, die l Besuch bei Freunden (25 %) wichtigsten Freizeit-Ziele auf der Karte zu l Kulturelle Veranstaltungen (5 %) markieren und den Grund dafür anzugeben, l Vereinstreffen (3 %) warum man diesen Ort besuchen will. Es gab insgesamt 65 Einträge. MAMBA 17
Quelle: MAMBA. l Bewerten Sie diese Mobilitätsprobleme, indem der? Genauso wichtig ist es, sich die lokale Wirt- Sie viele verschiedene Mitglieder der Zielgruppe(n) schaft genau anzusehen. Wo sind die wichtigsten anhören. Nutzen Sie Fokusgruppen, Umfragen Arbeitgeber und die wichtigsten Schulen? Wie und persönliche Gespräche mit Einzelpersonen hoch ist die Arbeitslosenquote? Wie ist die finanzi- und mit Vertretern relevanter Gruppen sowie mit elle Situation der Gemeinde? Diese und viele ande- Nutzerverbänden, die diese Zielgruppe(n) gut ken- re Fragen werden Ihnen bei der Bestandsaufnah- nen. me helfen sowie dabei, die Stärken und Schwächen l Denken Sie auch über die Gründe nach, warum der Region herauszuarbeiten. ihre Zielgruppen Fahrten unternehmen: Ist die Im Rahmen dieser Bestandsaufnahme sollten größte Herausforderung die Fahrt ins Kranken- Sie auch gründlich prüfen, welche Akteure es in Ih- haus, zum Einkaufen, zu gesellschaftlichen Aktiv- rer Region gibt und was diese tun. Die Bezeichnung itäten, zur nächsten Bank usw.? „kollaborative Mobilitätslösung“ deutet bereits darauf hin, dass solche Lösungen auf die Beteili- Schritt 1B: Machen Sie eine Bestands- gung aller möglichen Partner angewiesen sind. aufnahme des lokalen Kontexts. Daher ist es wichtig, sich zu überlegen, wer noch Grundidee an der Umsetzung einer neuen Lösung interessiert Es ist wichtig, alle Umstände zu kennen, die entwe- sein könnte. Denken Sie an Einwohner, Verkehrsun- der als Teil des Problems oder als Teil der Lösung ternehmen, Kommunalverwaltungen, aber auch von Bedeutung sein können. Zum Beispiel könnte an private Akteure wie lokale Unternehmen, Inter- das Durchschnittsalter der Menschen in Ihrer Regi- essengruppen, Vereine oder Verbände, Wohltätig- on von Bedeutung sein oder wie das Siedlungs- keitsorganisationen, religiöse Gruppen, Bibliothe- muster in Ihrem Gebiet aussieht (z.B. leben die ken und andere Einrichtungen – all diese Akteure meisten Menschen in kleinen Dörfern, die über die und mehr sollten von Anfang an berücksichtigt ganze Region verstreut sind?) oder die Frage, wie werden. Die Kenntnis der Landschaft der regiona- die Landschaft aussieht – flach oder hügelig? Gibt len Stakeholder wird in Phase 2 wichtig werden, es in der Gegend viele gute fahrradfreundliche wenn Sie mit der Bildung strategischer Allianzen Straßen? Gibt es ein starkes Gefühl der lokalen beginnen. Identität – vertrauen die meisten Menschen einan- 18 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
Ziele sichtigt werden. An welchen Stellen könnte lokales Der Zweck von Schritt 1B ist es, sich ein ganz Wissen so knapp werden, dass Hilfe von außen er- genaues Bild von allen Faktoren in Ihrer Region zu forderlich ist? machen, die als Teil des Problems – oder als Teil der Lösung – relevant sein könnten. Dazu gehört auch Ziele eine gründliche Kenntnis der Landschaft der loka- Der Zweck von Schritt 1C besteht darin, sich der len Stakeholder. spezifischen finanziellen, personellen oder sonsti- gen Herausforderungen und Einschränkungen be- Aufgaben wusst zu sein, die sich ergeben können, und über l Denken Sie über alle möglichen Faktoren in Ihr- Lösungen nachzudenken, um sie zu überwinden. er Region nach, die Teil des Problems oder der Lösung sein könnten. Dazu gehören geographis- Aufgaben che Merkmale, die politische Lage, die soziale und l Wenden Sie sich an potenzielle Stakeholder, um finanzielle Situation usw. Informationen über die Finanzierung und Förder- l Denken Sie an potenzielle Partner – auch an ung von kollaborativen Mobilitätslösungen zu scheinbar unkonventionelle! Denken Sie daran: erhalten. Ziehen Sie lokale, regionale, nationale, Die klassische Rollenverteilung zwischen dem EU- und externe Finanzierungsmöglichkeiten in öffentlichen Sektor, den privaten Betreibern und Betracht. den Fahrgästen gilt für kollaborative Mobilitäts- l Denken Sie über die Grenzen nach, die aufgrund lösungen nicht mehr. von Personalmangel oder Geldmangel bestehen. l Klären Sie die Fähigkeiten potenzieller Stake- Schritt 1C: Seien Sie sich holder und finden Sie heraus, wo zusätzliches der Herausforderungen bewusst. Fachwissen vorhanden sein könnte. Grundidee l Stellen Sie sicher, dass Sie einen guten Wenn Sie eine kollaborative Mobilitätslösung im- Querschnitt aller Bürger haben. plementieren wollen, gibt es auch einige Heraus- l Prüfen Sie die Haftung im Zusammenhang mit forderungen, die es zu meistern gilt, und die leich- Mobilität/Transport in Ihrer Region. ter zu bewältigen sind, wenn Sie sich dieser bereits l Seien Sie sich der Einschränkungen in Ihrem im Voraus bewusst sind. Das ist es, was in diesem spezifischen Kontext bewusst. dritten Schritt in Angriff genommen werden soll. Sie könnten auf Hindernisse stoßen, wie z.B. zu Schritt 1D: Identifizieren Sie Chancen wenig Geld oder komplizierte Vorschriften für eine und Stärken. neue kollaborative Mobilitätslösung. Wenn die Lö- Grundidee sung von Freiwilligen abhängt, könnte ein Problem Kollaborative Mobilitätslösungen sind auf die Mit- darin bestehen, dass es nicht genügend Menschen hilfe der Bürger und auf bestehende Strukturen gibt, die bereit sind, ehrenamtlich zu helfen. angewiesen. Eine der größten Ressourcen ist da- Dies hängt auch mit der Akzeptanz einer neuen her die lokale Gemeinschaft. Damit meinen wir so- Lösung zusammen. Passt diese besondere Lösung ziale Akteure, zivilgesellschaftliche Gruppen oder zu den Menschen, die dort leben? Ist sie an ihre Ge- Nichtregierungsorganisationen. Denken Sie daran, wohnheiten angepasst? Zum Beispiel ist es in eini- dass die beteiligten Personen oft gleichzeitig auch gen Kulturen/Lebensstilen allgemein üblich, be- Nutzer der neuen Dienstleistung sind. Das könnte stimmte Dinge zu teilen, während es in anderen ein starker Grund für sie sein, sich zu engagieren eher nicht oder gar nicht üblich ist. Es könnte da- und sich zu motivieren, in ihrer eigenen Nachbar- her schwierig sein, eine geeignete Lösung für das/ schaft etwas zu verändern. die im ersten Schritt identifizierte(n) Problem(e) Darüber hinaus wird es bereits Dienstleistun- zu finden. gen geben, die von Verbänden, Gemeinden oder Nicht zuletzt ist klar, dass unter den Einwoh- lokalen Unternehmen, wie z.B. Verkehrsbetrieben, nern zwar viel Wissen vorhanden sein mag, an angeboten werden. Diese Dienste können genutzt manchen Orten aber noch Expertenwissen benö- werden, entweder indem man auf ihnen aufbaut tigt wird. Auch dies sollte von Anfang an berück- oder ungenutzte Ressourcen aktiviert. Fragen Sie MAMBA 19
sich: Welche Institutionen, einschließlich Verbände ist und wer nicht, und ob die Mitglieder der oder lokale Unternehmen, verfügen möglicherwei- Gemeinschaft die Lösung akzeptieren werden. se über Ressourcen, die in Ihrer Gemeinde derzeit Identifizieren Sie Bereiche, in denen zusätz- nicht oder nur unzureichend genutzt werden? liches Fachwissen erforderlich sein könnte. Im Fall der bestehenden Strukturen ist es be- Identifizieren Sie die Ressourcen und die sonders wichtig zu untersuchen, wie die Kommuni- Strukturen der lokalen Gemeinschaft. kation zwischen den einzelnen Akteuren bisher Identifizieren Sie nicht ausgenutzte oder nicht funktioniert hat. Dasselbe gilt für öffentliche Ein- genutzte Ressourcen, die für gemeinschaft- richtungen. Mobilität ist ein Thema, das viele Berei- liche Mobilitätslösungen nützlich sein könnten. che betrifft und deshalb interdisziplinär angegan- gen werden muss. Die Kommunikation zwischen Werkzeug verschiedenen Bereichen sollte untersucht und SWOT-Analyse: SWOT – wie oben erwähnt – ste- vielleicht neu organisiert werden, um einen guten ht für Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Informationsfluss innerhalb der Gemeinschaft zu Die SWOT-Analyse unterstützt Sie bei der strate- gewährleisten. gischen Planung Ihres Projekts bereits in der An- fangsphase. Ziel ist es, jeden der Quadranten Ziele auszufüllen (siehe Abbildung 4), so dass Sie ein Der Zweck von Schritt 1D besteht darin, sowohl klares Bild von Ihren Ressourcen und Bedürfnissen mögliche lokale Ressourcen als auch die Beziehun- haben. Letztlich wird Ihnen dies helfen, die Ihnen gen zwischen verschiedenen Ressourcen zu verste- zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zu hen, damit sie in den folgenden Phasen aktiviert nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen, werden können. denen Sie auf dem Weg dorthin begegnen könnt- en, vorherzusehen – und abzumildern. Aufgaben l Ermitteln Sie die vorhandenen lokalen Ressour- cen, die lokal etablierten Strukturen und die Hilfreich, Schlecht, um das Ziel zu erreichen um das Ziel zu erreichen Gewohnheiten der Einwohner. S S l Versuchen Sie, die Stärken, Schwächen, Chan- Interner Ursprung (Eigenschaften der cen und Risiken (SWOT) für die Entwicklung einer Organisation) Mobilitätslösung in Ihrem spezifischen Kontext Stärken Schwächen vorherzusehen. O R Checkliste für Phase 1 Externer Ursprung Hier finden Sie eine hilfreiche Checkliste, in der die (Eigenschaften der wichtigsten Dinge zusammengefasst werden, die Umgebung) in Phase 1 getan werden sollten: Chancen Risiken Definieren Sie die Hauptzielgruppe(n). Versuchen Sie, die verschiedenen Bedürfnisse der Zielgruppe(n) zu verstehen. Bestimmen Sie die Ziele, Zeiten und Zwecke Abbildung 4: SWOT-Matrix Bildquelle: Xhienne/CC BY-SA (https://creative- der problematischen Fahrten. commons.org/licenses/by-sa/2.5. Verstehen Sie den regionalen oder lokalen Gesamtkontext. Identifizieren Sie alle typischen Stakeholder Meilenstein 2: Analyse des lokalen und Mobilitätspartner. Kontexts (Ressourcen und Bedürfnisse). Denken Sie kreativ über potenzielle neue Herzlichen Glückwunsch – jetzt wissen Sie über die Partner nach. Ressourcen und Bedürfnisse Ihres lokalen Kontexts Erstellen Sie eine Übersicht über die finanziel- Bescheid! Sie sind auf dem besten Weg, eine Lösung len Ressourcen und Haftungsfragen. zu finden, die die Lebensqualität in Ihrer Region ver- Prüfen Sie, wer Teil der lokalen Gemeinschaft bessern wird. 20 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
Phase 2: Formulieren Sie eine Vision und entwickeln Sie Ideen. In der zweiten Phase geht es um die Entwicklung einer Vision und von Lösungsansätzen – zunächst Öffent- sollte dies ohne Scheuklappen ins Blaue hinein ge- Unternehmen licher Sektor schehen, um alle zu ermutigen, kreative und viel- leicht auch unkonventionelle Ideen vorzuschlagen. Kollaborative Die systematische Suche nach anderen bewährten Anwendungsbeispielen als Inspiration für das ei- Mobilitäts- gene Projekt ist ebenfalls Teil dieses Prozesses. Phase 2 sollte auch eine strukturierte Reflexion Lösungen darüber beinhalten, welche Organisationen, Grup- Gemein- Bürger pen und Einzelpersonen beteiligt werden könnten nützige Orga- (Individuen nisationen und Gruppen) oder sollten. Gegen Ende der Phase 2 sollte das Spektrum der möglichen Lösungen auf eine konk- rete Lösung (oder eine Reihe von einigen ergänzenden Lösungen als Teil eines integrierten Ansatzes) ein- gegrenzt werden. Wir schlagen die folgenden vier Abbildung 5: Diagramm der Arten von Akteuren, Schritte vor: die an kooperativen Mobilitätslösungen beteiligt sind. l Bauen Sie ein Stakeholder-Netzwerk auf Quelle: Ralf Brand, Rupprecht Consult. l Entwickeln Sie gemeinsam eine Vision und sprechen Sie über verschiedene Szenarien für auf die eine oder andere Weise davon profitieren Ihre Region und an einer Teilnahme interessiert sein könnten. l Sammeln Sie Ideen in einem Brainstorming Die Abbildung zeigt gängige Arten von Akteuren l Wählen Sie die vielversprechendste(n) Idee(n) aus. und könnte bei der Entscheidung helfen, an welche Akteure man sich wenden sollte. Natürlich kommt Schritt 2A: Bauen Sie ein Stakeholder- einem der öffentliche Sektor als traditioneller Netzwerk auf. Partner in den Sinn. Das ist selbstverständlich gut, Grundidee aber innovative Lösungen können genauso gut von Es ist nun an der Zeit, die relevanten Stakeholder Bürgervereinigungen, einzelnen Bürgern, Nichtre- anzusprechen und sie von einer Teilnahme zu über- gierungsorganisationen oder privaten Unterneh- zeugen. Können Sie sich konkret Personen aus Ih- men kommen. Wenn Sie von Anfang an verschie- rer lokalen Gemeinde vorstellen, die hilfreich sein dene Stakeholder an Bord haben, können Visionen könnten und die motiviert und engagiert an einem und Ideen entstehen, die bereits die Sichtweise solchen Projekt mitarbeiten würden? Wer sonst dieser verschiedenen Stakeholder einbeziehen. könnte über Ideen, Wissen, Kontakte oder andere Ressourcen verfügen? Versuchen Sie, auch an Sobald ein vorläufiges Stakeholder-Netzwerk auf- mögliche Stakeholder zu denken, die in der Regel gebaut wurde, ist es wichtig, die in Phase 1 gewon- nicht mit Mobilitätsfragen befasst sind, die aber nenen Erkenntnisse auszutauschen und zu sehen, Quelle: Ryan Darin/Unsplash. MAMBA 21
ob alle die gleiche Ansicht teilen oder ob es Dinge Aufgaben gibt, die hinzugefügt werden müssen. Das Wort l Denken Sie über potentielle Stakeholder nach – „vorläufig“ ist hier wichtig, weil es immer möglich typische und nicht so typische. sein sollte, dass zu einem späteren Zeitpunkt wei- l Überlegen Sie, wie Sie potenzielle Stakeholder tere Stakeholder mitmachen können. Dies könnte erreichen können. entscheidend sein, wenn etwas nicht wie geplant l Nehmen Sie Kontakt mit ihnen auf und laden läuft und „Plan B“ aktiviert werden muss. Sie sie zu aktiver Mitarbeit ein. l Tauschen Sie sich mit allen Stakeholdern über Ziele die Erkenntnisse aus Phase 1 aus und sprechen Sie Der Zweck von Schritt 2A besteht darin, sich ein darüber. klares Bild von Ihrem Stakeholder-Netzwerk zu machen und relevante Stakeholder zu motivieren, sich der Initiative anzuschließen und ihre beson- deren Beiträge einzubringen. FALL STUDIE Quelle: http://www.pro-buergerbus-nrw.de/ Dachverband „Pro Bürgerbus NRW e.V.“ – unterstützt Projekte mit Erfahrungswissen, z.B. darüber, wie man ein Stakeholder-Netzwerk aufbaut. Bürgerbusse sind Kleinbusse für acht Per- aus Mitteln des Verkehrsministeriums des sonen, die von Freiwilligen gefahren werden. Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt Sie verkehren auf einer festen Strecke in und finanziert, und die Fahrzeuge werden den ländlichen und halb-ländlichen Gebie- häufig vom örtlichen Verkehrsunternehmen ten Nordrhein-Westfalens mit einem festen zur Verfügung gestellt. Daher ist es von Fahrplan und ausgewiesenen Haltestellen. entscheidender Bedeutung, dass jedes Sie ergänzen das bestehende öffentlichen Bürgerbus-System auf einer engen Zusam- Personenverkehrsnetz um andere Gebiete menarbeit zwischen diesen Akteuren, und andere Zeiten, insbesondere dort, wo Bürgergruppen und Freiwilligen beruht. ein regelmäßiger Busverkehr finanziell nicht Der Dachverband „Pro Bürgerbus NRW e.V.“ tragbar wäre. unterstützt diese Art der Zusammenarbeit Derzeit gibt es in NRW über 140 aktive durch seine Kontakte und Erfahrungen. Bürgerbus-Initiativen, und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Ein Bürgerbuspro- Weitere Informationen: gramm wird in der Regel von der Gemeinde www.pro-buergerbus-nrw.de 22 Ein Leitfaden für kollaborative Mobilitätslösungen im ländlichen Raum
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