Bericht aus Brüssel - Hessische Staatskanzlei

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Bericht aus Brüssel - Hessische Staatskanzlei
Bericht aus Brüssel

                16/2015 vom 11.09.2015

Vertretung des Landes Hessen bei der Europäischen Union
            21, Rue Montoyer, B- 1000 Bruxelles
        Tel.: 0032.2.739.59.00 Fax: 0032.2.732.48.13
         E-mail: hessen.eu@lv-bruessel.hessen.de
Inhaltsverzeichnis

                                                                      Seite

Institutionelles                                                      3

Europäisches Parlament                                                4

Ausschuss der Regionen                                                8

Wirtschaft                                                            8

Verkehr                                                               11

Energie                                                               12

Forschung                                                             13

Finanzdienstleistungen                                                14

Finanzen                                                              15

Soziales                                                              19

Umwelt                                                                20

Landwirtschaft                                                        21

Justiz                                                                23

Inneres                                                               25

Bildung und Kultur                                                    28

Information, Kommunikation und Medien                                 29

EU-Förderprogramme                                                    29

Veranstaltungen                                                       31

Vorschau                                                              33

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Institutionelles

Kommission; Kommissionspräsident Juncker spricht über die „Lage der
Union“
Kommissionspräsident Juncker hat am 09.09.2015 vor dem EP in Straßburg das
erste Mal in seiner Amtszeit eine „Rede zur Lage der Union“ gehalten. Wie erwartet
lag der Schwerpunkt der Rede auf der Flüchtlingsproblematik. Juncker stellte die
Grundpfeiler eines neuen Migrationspakets vor. Als weitere Themen sprach er GRI,
das Fünf-Präsidenten-Papier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion,
das GBR-Referendum, die Ukraine-Krise und die Klimakonferenz in Paris an.
Die Elemente des von Juncker vorgestellten Migrationspakets im Einzelnen:
     Ein Vorschlag zur Notumsiedlung von 120.000 Personen aus GRI, HUN und
        ITL, die eindeutig internationalen Schutz benötigen; für DEU bedeutet dies die
        Aufnahme weiterer 31.443 Flüchtlinge. Unter Berücksichtigung der 40.000
        Flüchtlinge, die bereits umgesiedelt werden sollen, ergibt dies insgesamt
        160.000 Flüchtlinge. Der Verteilungsschlüssel soll verpflichtend sein. Juncker
        appellierte an die Mitgliedstaaten, dem Vorschlag auf der außerordentlichen
        Tagung der Innenminister am 14.09.2015 zuzustimmen;
     Ein auf Dauer angelegten Umsiedlungsmechanismus für alle Mitgliedstaaten;
        dieser soll aber nur für Notfallsituationen gelten;
     Eine gemeinsame europäische Liste sicherer Herkunftsstaaten: Alle Staaten,
        die die Kopenhagener Kriterien für eine EU-Mitgliedschaft erfüllen, sollen als
        „sicher“ eingestuft werden. In einem ersten Schritt soll die Liste umfassen:
        Albanien, Bosnien und Herzegowina, das Kosovo, die ehemalige
        jugoslawische Republik Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei;
     Ein Handbuch zum Thema Rückkehr/Rückführung und ein EU-Aktionsplan,
        um die Rückkehr/Rückführungsmaßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten zu
        verbessern;
     Eine Mitteilung über die öffentliche Auftragsvergabe in der Flüchtlingshilfe;
     Eine Mitteilung über die externe Dimension der Flüchtlingskrise;
     Ein Notfallfonds für afrikanische Staaten von 1,8 Mrd. EUR zur Bewältigung
        der Krisen in der Sahelzone und in der Tschadseeregion, am Horn von Afrika
        und in Nordafrika;
     Die Ankündigung eines Gesetzespakets zur legalen Zuwanderung für Anfang
        2016, um Möglichkeiten legaler Migration zu schaffen.
Mit Bezug auf die Klimakonferenz in Paris machte der Kommissionspräsident
Juncker deutlich, man werde im Dezember auf der Klimakonferenz nicht
„irgendetwas“ unterschreiben. Europas Priorität sei es, sich mit seinen
internationalen Partnern auf ein ambitioniertes, robustes und bindendes globales
Klimaabkommen zu einigen.
http://europa.eu/rapid/press-release_SPEECH-15-5614_en.htm
http://ec.europa.eu/priorities/soteu/index_en.htm

Kommission; Brief von Kommissionpräsident Juncker an Parlamentspräsident
Schulz
Ergänzend zur Rede des Kommissionspräsidenten Juncker am 09.09.2015 wandten
sich Juncker und Vizepräsident Timmermanns in einem Brief an Parlamentspräsident
Schulz und den luxemburgischen Ministerpräsidenten Bettel, der der zurzeit den
Vorsitz im Rat innehat. In dem Schreiben erläuterten sie die von der Kommission bis
Ende 2016 geplanten weiteren Initiativen zur Umsetzung der zehn Prioritäten der
politischen Leitlinien der Juncker-Kommission. Das Schreiben führt zahlreiche
Aktionen auf, die die Kommission in Form von Rechtsakten und anderen Initiativen

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bis Ende 2016 ergreifen will. Juncker sprach in seiner am selben Tag in Straßburg
gehaltenen Rede zur „Lage der Union“ mit Blick auf den Brief von einer
„ambitionierten, konzentrierten und intensiven Gesetzgebungsagenda, die eine enge,
effiziente Zusammenarbeit zwischen Kommission, EP und Rat verlange“. Die
aufgeführten Maßnahmen werden die Ausgangslage bilden für die Vorbereitung des
Arbeitsprogramms der Kommission für 2016. Juncker und Timmermanns kündigen
ferner an, dass das neue Arbeitsprogramm weitere Vorschläge auflisten wird, die
zurückgezogen werden sollen. Außerdem sollen besonders wichtige Dossiers im
Arbeitsprogramm priorisiert und im Gesetzgebungsprozess beschleunigt werden.
Das neue Arbeitsprogramm wird eine Liste der vorgeschlagenen prioritären Dossiers
enthalten.
http://ec.europa.eu/priorities/soteu/docs/letter-of-intent_en.pdf

EP; Risiken und Folgen des „Brexit“-Referendums
Der Ausschuss für Konstitutionelle Fragen des EP (AFCO) hielt am 03.09.2015 eine
Aussprache zu dem für 2016 geplanten Referendum über einen EU-Austritt von
GBR. Als externe Gutachter und Impulsgeber wurden zunächst Jean-Claude Piris,
ehemaliger Generaldirektor des Juristischen Dienstes des Rates, sowie Charles
Grant, Leiter des „Centre for European Reform" in London, angehört. Sowohl die
Gutachter als auch die Europaabgeordneten legten in ihren Ausführungen dar, dass
das Referendum ein riskantes Unterfangen darstelle, dessen Ausgang bislang völlig
ungewiss sei und von einer Vielzahl Faktoren abhänge, die von den auf nationaler
Ebene handelnden Akteure kaum steuerbar seien. Wie wirkt sich beispielsweise die
aktuelle Flüchtlingsdebatte auf das Referendum aus? Welchen Einfluss hat die
Eurokrise?     Generaldirektor    a.D.    Piris  schilderte   mehrere   mögliche
Handlungsoptionen, die der von Premierminister Cameron geforderten Reform der
EU entgegen kämen: von der Ausarbeitung eines neuen Vertragswerks
(„unwahrscheinlichste Option“) bis hin zu einzelgesetzlichen Reformen auf EU-
Ebene, mit denen Regelungslücken gefüllt würden (z.B. Vollendung des
Binnenmarkts) oder Bürokratie abgebaut werde. Letzteres sei wohl die
wahrscheinlichste Option, so Piris. Gleichwohl verwies sein Gegenredner Grant auf
die Problematik, dass Cameron jeden Ausgang dieses Prozesses als große,
grundlegende Reform der EU verkaufen müsse, um die Unterstützung seiner
Landsleute für einen Verbleib in der EU zu gewinnen. Von Seiten der MdEP wurde
darüber hinaus die Rolle der Oppositionsparteien Labour und UKIP hinterfragt.
Labour werde durch das Referendum geradezu gespalten. Um ein besseres
Verständnis über die Absichten und das weitere Vorgehen der GBR-Regierung zu
erhalten, soll Premierminister Cameron eingeladen werden, den Fragen der MdEP
selbst Rede und Antwort zu stehen. Wie MdEP Guy Verhofstadt (ALDE/BEL)
eingangs der Sitzung mitteilte, sei bereits am selben Morgen ein Beschluss der
Konferenz der Präsidenten (EP-Präsidium und Gruppenvorsitzende) ergangen,
Premierminister Cameron zu einer Plenarsitzung nach Straßburg einzuladen.
http://www.europarl.europa.eu/committees/de/afco/home.html

Europäisches Parlament

Plenarsitzung des EP vom 07.-10.09.2015 in Straßburg

Jean-Claude Junckers erste Rede zur Lage der Union
"Die Flüchtlingskrise hat und muss jetzt höchste Priorität haben." Mit diesen Worten
wandte sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in seiner Rede zur Lage
der Union am 09.09.2015 an die MdEP. Es sei vor allem eine Frage der

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Menschlichkeit und der Menschenwürde. Für Europa sei es zudem eine Frage der
historischen Gerechtigkeit. "Wir kämpfen gegen den Islamischen Staat. Aber warum
sind wir nicht bereit, die Menschen aufzunehmen, die vor ihm fliehen?" Ein weiterer
wichtiger Themenpunkt der Rede des Kommissionspräsidenten war die Krise in GRI:
"Es war absolut notwendig zu sagen, dass der Grexit keine Option ist. Es hätte zum
Grexit kommen können, wenn wir das nicht klar und deutlich gesagt hätten. Der
Grexit war eine theoretische Möglichkeit, aber keine Option." Juncker verwies auf die
Mitgliedstaaten Irland, Portugal und Spanien. Diese hätten gezeigt, dass mit der
Umsetzung guter Reformen die richtigen Ergebnisse erzielt werden können.
Kommissionspräsident Juncker betonte, dass die Wirtschaftskrise noch nicht
beendet sei. Dafür müsse das Ziel der Vollbeschäftigung in Europa erreicht werden.
Juncker hob die Bedeutung der EU hervor: "Ich weiß, wie schwach Europa wäre,
würde die Europäische Union nicht bestehen." (Siehe Beitrag unter „Institutionelles“).
Der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber (EVP/DEU) erklärte u.a.: „Wir müssen
den Menschen helfen, die an unseren Grenzen anklopfen. Wenn es diesen armen
Ländern wie Libanon und Jordanien gelingt, dann muss es dem reichen Europa auch
gelingen. Was hier versagt, ist nicht Europa – es ist der nationale Egoismus auf
diesem Kontinent!“ Er sagte aber auch: „Im letzten Jahr wurden 2/3 der
Asylbewerber nicht anerkannt. Die Menschen erwarten, dass wir Missbrauch
bekämpfen. Der Binnenmarkt hat bisher viel Wachstum geschaffen, deshalb sollten
wir hier weiter ambitioniert vorangehen!“ Immerhin seien in Europa im vergangenen
Jahr 1,65 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden. An GRI gewandt sagte er: „Wer
lernen will, wie man Zukunft schafft, soll nach IRL, ESP, PTL schauen. Tsipras hat
bewiesen, dass linke Ideologien in diesem Kontinent gescheitert sind und deshalb
geht auch die Zustimmung für Podemos zurück“.
Der S&D-Fraktionsvorsitzende Gianni Pittella (S&D/ITL) wandte sich an die
Kommission und forderte sie dazu auf, Maßnahmen gegen Sozialdumping und Null-
Stunden-Verträge in die Wege zu leiten. In Hinblick auf die Flüchtlingskrise forderte
Pittella zu Solidarität auf: "Wir müssen die Flüchtlinge willkommen heißen. Die
Flüchtlinge, die vor dem Krieg fliehen – die müssen aufgenommen werden.“ Sonst
scheitere Europa als Konzept einer Union der Solidarität. Pittella begrüßte Junckers
Vorschlag für einen ständigen verpflichtenden Mechanismus für die Verteilung von
Flüchtlingen. Dublin müsse überarbeitet werden. Steuern müssten dort bezahlt
werden, wo die Renditen erwirtschaftet werden. Er sagte darüber hinaus: „Für uns
Sozialisten ist der Zeitpunkt gekommen, dass wir wieder über die Eurobonds
sprechen! Wenn wir jetzt nicht handeln, wird die Krise unumkehrbar sein.“
Der ECR-Fraktionsvorsitzende Syed Kamall (ECR/GBR) sagte: „Viele Menschen in
dieser Kammer vermischen absichtlich Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten. Regeln
müssen eingehalten werden“. Kamall verwies auf die internationale Dimension der
Flüchtlingskrise: "Lasst uns gemeinsam Lösungen finden; jedoch nicht nur in der EU
Dies ist eine internationale Krise, die braucht eine internationale Reaktion. Einige
Länder tun überhaupt nichts. Verschiedene Länder können unterschiedlich helfen.
Wir dürfen nicht nur den Tausenden helfen, die es geschafft haben bis zu unseren
Küsten. Wir müssen auch in die Strukturen investieren, die es möglich machen, dass
diejenigen, die abgelehnt werden, auch wieder zurückgeführt werden. Europa
benötigt keinen neuen Eisernen Vorhang. Europa benötigt einen eisernen Willen, um
gemeinsam über die Krise zu diskutieren, zusammenzuarbeiten und eine Lösung zu
finden."
Der ALDE-Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt (ALDE/BEL) rief: „So geht man mit
einer Flüchtlingskrise nicht um. Wir brauchen jetzt eine gemeinsame Verantwortung
der EU! Wir behandeln die Flüchtlinge nicht auf die richtige Art und Weise. Es ist
nicht eine Krise Europas – es ist eine Krise, weil es an Europa fehlt! Eine
Unterscheidung zwischen Migranten und Flüchtlingen ist überhaupt erst dann

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möglich, wenn wir ein europäisches Blue Card-System haben. Wir brauchen eine
neue Initiative im Rahmen der UN, um das Blutvergießen in Syrien zu beenden – das
ist die einzige nachhaltige Lösung der Krise! Kern des Problems ist das Fehlen eines
politischen Willens."
Die GUE-Fraktionsvorsitzende Gabi Zimmer (GUE/DEU) sagte, sie unterstütze alle
Maßnahmen zur Schaffung von legaler Einwanderung. Eine Quotenregelung dürfe
nicht der Familienzusammenführung im Wege stehen. Im Umgang mit GRI seien
Tabus gebrochen worden. Demonstrativ sei ein Land erniedrigt worden. Die
Kommission sei von den Regierungen „zum Deppen gemacht worden.“ Die
Regierungschefs müssten daran gehindert werden, eine nationalistische und
kleinkarierte Politik zu verfolgen. Sonst drohe das Ende der Europäischen Union. In
einem Punkt übte Zimmer konkrete Kritik am Kommissionspräsidenten. Dieser sei in
seiner Ansprache überhaupt nicht auf sozialen Prioritäten eingegangen.
Der GRÜNEN-Ko-Fraktionsvorsitzende Phillippe Lamberts (GRÜNE/BEL) sagte an
Juncker gerichtet: „Ich bin einverstanden mit dem, was Sie gesagt haben. In diesen
schwierigen Zeiten müssen wir den europäischen Geist aufleben lassen. Europa –
das ist nicht die Abschottung. Europa – das ist die Offenheit und Solidarität. Wir
müssen offen sein für Veränderungen und die Zukunft. Wir müssen Allianzen
schmieden, um das wiederaufzubauen, was Europa verloren hat."
Der EFDD-Fraktionsvorsitzende Nigel Farage (EFDD/GBR) sagte: „DEU hat letzte
Woche erklärt, dass im Grunde jeder kommen kann. Ich muss im Grunde nur den
Pass wegwerfen und sagen, ich komme aus Syrien!“ Diese Möglichkeit werde nun
auch vom IS genutzt, um Terroristen nach Europa zu schleusen. „Wir müssten
verrückt sein, dieses Risiko für unsere Gesellschaft einzugehen." Bezüglich des
britischen Referendums sagte Farage: „Wenn wir nicht wieder über unsere Grenzen
bestimmen können, werden die Bürger mit Nein stimmen.“
Für die ENF-Fraktion sprach Florian Philippot (ENF/FRA). Er klagte Juncker mit den
Worten an: „Sie missachten die Völker und berauben sie ihrer Freiheit. Die Völker
wollen Wohlstand, Demokratie und Frieden!“ Darüber hinaus beklagte sich Philippot,
Europa habe keinen Druck auf die Golfstaaten ausgeübt, damit diese Flüchtlinge
aufnehmen. Er fügte hinzu: "Großunternehmen möchten, dass die Illegalen zu uns
kommen."

EP fordert Änderung der Dublin-Regeln und humanitäre Visa
In einer am 10.09.2015 angenommenen Entschließung begrüßen die Abgeordneten
die neuen Kommissionsvorschläge zur Bewältigung des beispiellosen Zustroms von
Migranten und Flüchtlingen und erklären sich bereit, mit der Arbeit an den
Gesetzesvorschlägen für eine robuste Migrations- und Asylpolitik für die Zukunft zu
beginnen. Nachdem sie bereits am Vortag eine Notfallmaßnahme zur Umsiedlung
von 40.000 Asylsuchenden innerhalb der EU-Länder gebilligt hatten, begrüßten die
Abgeordneten einen zusätzlichen von der Kommission vorgeschlagenen Notfallplan
zur Umsiedlung weiterer 120.000 Asylsuchender aus Italien, Griechenland und
Ungarn sowie die geplante Einführung eines ständigen Mechanismus zur
Abänderung der Dublin-Regelung, die bestimmt, welcher Mitgliedstaat für die
Abwicklung der Asylanträge zuständig ist. Das EP fordert einen "fairen,
obligatorischen Verteilungsschlüssel", bei dem die Aussichten auf Integration und die
Bedürfnisse und die spezifischen Umstände der Asylsuchenden berücksichtigt
werden. Das EP will darüber hinaus, dass Mitgliedstaaten Flüchtlinge aus
Drittstaaten über ein obligatorisches Neuansiedlungsprogramm aufnehmen, und hält
es "für absolut vorrangig, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sichere und legale
Wege für Flüchtlinge schaffen, wie etwa humanitäre Korridore und Visa aus
humanitären Gründen". Die Abgeordneten sind der Ansicht, dass der Visakodex
geändert werden sollte, indem "speziellere gemeinsame Bestimmungen über Visa

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aus humanitären Gründen eingefügt werden" und fordern die Mitgliedstaaten auf, die
Möglichkeit zu schaffen, in ihren Botschaften und Konsulaten Asyl zu beantragen.
Gemeinsame EU-Liste sicherer Herkunftsländer: Dieser Ansatz sollte nicht das
Individualrecht auf Asyl, insbesondere das von Personen, die schutzbedürftigen
Gruppen angehören, untergraben, fordern die Abgeordneten in dem Text der
Entschließung. Das EP bekräftigt seine Zusage, die "Grenzen innerhalb des
Schengen-Raums zu öffnen", und hebt hervor, dass die wirksame Überwachung der
Außengrenzen gewährleistet werden muss. Die eigentlichen Ursachen der Migration
müssen angegangen werden und sollten Hauptthema auf dem Gipfel von Valletta in
Malta am 11.-12. November sein, so der Text der Entschließung. Auch strenge
strafrechtliche Sanktionen gegen Menschenhandel und das Schleusen von
Menschen seien erforderlich. Das Parlament lobt die Bemühungen von Gruppen der
Zivilgesellschaft und von Einzelpersonen in ganz Europa, die in großen Zahlen aktiv
werden, um die Flüchtlinge und Migranten zu begrüßen und ihnen zu helfen. Diese
Aktionen zeigen "die wirkliche Wahrung der europäischen Werte" und sind "ein
Zeichen der Hoffnung für die Zukunft Europas", so die MdEP. Die Entschließung
wurde mit einer Mehrheit von 432 - 142 - 57 angenommen.

Notfallmaßnahmen zur Umsiedlung von zunächst 40.000 Asylsuchenden aus Italien
und Griechenland im Lauf von 2 Jahren in andere Mitgliedstaaten
Am 09.09.2015 hat das EP im Rahmen des Berichts Ska Keller (GRÜNE/DEU)
befristete Notfallmaßnahmen zur Umsiedlung von zunächst 40.000 Asylsuchenden
aus ITL und GRI im Lauf von zwei Jahren in andere Mitgliedstaaten gebilligt. Die
legislative Entschließung wurde mit einer Mehrheit von 498 - 158 - 37 angenommen.
Um die stark unter Druck stehenden Asylsysteme Italiens und Griechenlands zu
entlasten, aber auch "um als wichtiger Testfall in Bezug auf den bevorstehenden
Legislativvorschlag für ein ständiges Notfall-Umsiedlungssystem" zu dienen, hat das
EP dem Vorschlag zugestimmt, zunächst insgesamt 40.000 Antragsteller aus ITL
und GRI im Lauf von zwei Jahren umzusiedeln (24.000 aus ITL und 16.000 aus
GRI). Um eine Anpassung an sich schnell ändernde Flüchtlingsströme und Trends
im Verlaufe der Anwendung des Notfallplans zu ermöglichen, solle, falls erforderlich,
"eine weitere Aufstockung in Betracht gezogen" werden (d.h. innerhalb des
vorgesehenen Zeitraums von zwei Jahren). Das EP schlägt vor, dass die
Asylsuchenden eine Rangliste von Mitgliedstaaten nach Präferenz aufstellen und
ihre Vorlieben begründen sollten, etwa durch Angabe von familiären, sozialen und
kulturellen Bindungen, beispielsweise Sprachkenntnisse, früherer Aufenthalt; frühere
Ausbildung oder frühere Arbeitserfahrungen. Das EP unterstreicht zudem, dass den
unbegleiteten Minderjährigen unter den schutzbedürftigen Personen besondere
Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser
Am 08.09.2015 verabschiedete das EP mit einer Mehrheit von 363 – 96 – 261 eine
Entschließung über die Antwort der Kommission auf die Europäische Bürgerinitiative
zum Recht auf Wasser („Right2Water“). Die MdEP zeigten sich enttäuscht, da die
Antwort der Kommission aus ihrer Sicht nicht den vorgebrachten konkreten
Forderungen Rechnung trage. Die Kommission habe sich lediglich darauf
beschränkt, bestehende Zusagen zu bekräftigen (siehe Beitrag unter „Umwelt“).

Klonverbot von Nutztieren
In einer Abstimmung am 08.09.2015 haben die MdEP im Rahmen des Berichts von
Giulia Moi (EFDD/ITL), Renate Sommer (EVP/DEU) den ursprünglichen Vorschlag
der Kommission zum Klonverbot von Nutztieren verschärft. Die Richtlinie soll nun für
alle Nutztiere gelten, nicht nur für Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Die

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Entschließung wurde mit einer Mehrheit von 529 - 120 - 57 angenommen (siehe
Beitrag unter „Landwirtschaft“).

Ausschuss der Regionen

Vom 03.08. bis zum 11.09.2015 fanden im AdR keine Sitzungen statt.

Wirtschaft

Kommission; Mehrheitsbeteiligung von KKR (USA) an Deutsche Glasfaser
(NDL) genehmigt
Die Kommission billigte am 02.09.2015 die Beteiligung der amerikanischen
Anlagegesellschaft KKR an dem Kabelbetreiber Deutsche Glasfaser mit Sitz in
Borken (DEU). Deutsche Glasfaser bietet in DEU Telekommunikationsdienste an und
wurde bisher allein von der Anlagegesellschaft Reggeborgh in NDL gehalten. Nach
Auskunft von Unternehmensseite sind u.a. Investitionen bis zu 450 Mio. EUR in die
Glasfaserinfrastruktur in DEU geplant.
http://ec.europa.eu/competition/elojade/isef/case_details.cfm?proc_code=2_M_7723

Eurostat; Fast ein Viertel des weltweiten BIP entfällt auf die EU
Nach der am 03.09.2015 veröffentlichten Ausgabe von „EU in the World“ des
Statistischen Amts der EU (Eurostat), erwirtschaftete die EU im Jahr 2013 23,7% des
weltweiten BIP. Im Vergleich hierzu entfielen auf die USA 22,2%, auf China 12,1%
und auf Japan 6,5%. Mit Blick auf diese Wirtschaftsleistung leben in der EU nach
Auskunft von Eurostat dahingegen lediglich 7% der Weltbevölkerung. Weiter wird
berichtet, die EU habe den zweithöchsten Altenquotienten unter den G20-M. Der
Altenquotient stellt das Verhältnis von älteren Menschen (65 Jahre und älter) zu
Menschen in erwerbsfähigem Alter (15 – 65 Jahre) dar. Er liegt in der EU bei 27,5%
im Vergleich zum „Spitzenreiter“ Japan mit 40,5% und Kanada mit 22,2% welches
auf Platz 3 liegt.
http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/6979301/1-03092015-BP-
DE.pdf/66086bcb-3853-4c05-9b95-1be07accd0d7

Kommission; Fahrplan zum Thema Fracking veröffentlicht
Im August 2015 stellte die Kommission ihren Fahrplan zur Bewertung des Nutzens
ihrer Empfehlung 2014/70/EU vom 22.01.2014 zu Mindestgrundsätzen für die
Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen (z.B. Schiefergas) durch
Hochvolumen-Hydrofracking online. Es soll nun ca. 18 Monate nach der
Veröffentlichung der Empfehlung überprüft werden, inwieweit die Empfehlung
aktualisiert werden, oder ob sogar rechtsverbindliche Vorschriften auf den Weg
gebracht werden sollten. Auf der Internetplattform der Kommission für bessere
Rechtssetzung kann zu diesem Fahrplan „Feedback“ abgegeben werden.
http://ec.europa.eu/smart-
regulation/roadmaps/docs/2015_env_021_shale_gas_fracking_en.pdf

Kommission; Hilfestellung bei der Registrierung von Chemikalien im Rahmen
von REACH
Der REACH-CLP-Biozid Helpdesk, eine Einrichtung der Auskunftsstelle des Bundes,
welche es vergleichbar auch allen anderen Mitgliedstaaten gibt, hat sein
Internetangebot für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) erweitert. Um die KMUs
bei    der   Registrierung      der     nach    der   REACH-Verordnung       (EG)

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Nr. 1907/2006 registrierungspflichten Stoffe zu unterstützen, gibt es auf der
Homepage zwei neue Rubriken. Zum einen die Rubrik „Erfolgreich Registrieren
2018“, unter welcher Aspekte erläutert werden, welche bei der Registrierung zu
beachten sind. Zum anderen die Rubrik „KMU Informationen“, unter welcher vor
allem die geringeren Gebühren für KMU dargestellt werden. Weiter wird hier definiert
was ein KMU ist und Hilfestellung für die Konsultation eines Beratungsunternehmens
gegeben. Dies ist von besonderer Bedeutung, da am 01.06.2018 die letzte Frist vor
vorregistrierten „Phase-in-Stoffe“ für das Mengenband 1 bis 100 Tonnen pro Jahr
nach Art. 3 Nr. 20 der REACH-Verordnung endet und die Europäische
Chemikalienagentur (ECHA) europaweit bis zu 70.000 Registrierungsdossiers
erwartet, die zu einem großen Teil von KMU eingereicht werden dürften.
http://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/de/REACH/REACH.html

Kommission; Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam
Am 04.08.2015 verkündete Handelskommissarin Malmström, dass sich die EU und
Vietnam grundsätzlich über ein Freihandelsabkommen zwischen den beiden
Volkswirtschaften geeinigt haben. Dieser Einigung seien zweieinhalb Jahre
Verhandlungen voraus gegangen. Auf der jetzigen Grundlage seien nur noch einige
technische Details und sprachliche Einzelheiten abzuklären, bevor der Text vom Rat
und dem EP angenommen werden könnte. Das Abkommen gehe neue Wege im
Vergleich zu den bisherigen Abkommen mit Entwicklungsländern und man
verspreche sich einen Anschub der Handelsbeziehungen mit dem gesamten südost-
asiatischen Raum Die Kommission verspricht sich von dem Abkommen
insbesondere Vorteile für die Exporte der EU, da in Vietnam weitere 90 Mio.
Konsumenten leben. Allein DEU exportiere Waren im Wert von 2 Mrd. EUR nach
Vietnam.
http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/countries/vietnam/

EuG; Strafzahlung gegen Panasonic und Toshiba herabgesetzt
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hat am 09.09.2015 in dem Verfahren
T-83/13 die Strafen gegen die Unternehmen Panasonic (Japan) und Toshiba (Japan)
sowie deren gemeinsames Unternehmen MTPD wegen Beteiligung an zwei Kartellen
herabgesetzt. Die Kommission hatte mit Beschluss vom 05.12.2012 Geldbußen in
einer Gesamthöhe von 1,47 Mrd. EUR gegen sieben Unternehmen verhängt, die
zwischen 1996/1997 und 2006 an einem oder an zwei separaten Kartellen auf dem
Markt für Kathodenstrahlenröhren auf dem europäischen Markt beteiligt waren. Die
Kartelle betrafen die Röhren für PC-Bildschirme und Farbfernseher. Die Klagen der
Unternehmen Samsung SDI (Südkorea), LG Electronics (Südkorea) und Philipps
(NDL) gegen die Geldbußen wurden in vollem Umfang vom EuG abgewiesen.
Dahingegen hat das EuG die Strafe gegen Panasonic von 157,5 Mio. EUR auf 128,9
Mio. EUR und die gegen Panasonic und MTPD gesamtschuldnerisch verhängte
Geldbuße von 7,9 Mio. EUR auf 7,5 Mio. EUR herabgesetzt. Aus Sicht des EuG sei
die Kommission ohne Begründung von den von den Unternehmen selbst zur
Verfügung gestellten Daten abgewichen. Die gegen Toshiba und MTPD
gesamtschuldnerische Geldbuße wurde ebenfalls herabgesetzt. Da die
zweimonatige Rechtsmittelfrist noch läuft, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.
http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2015-09/cp150097de.pdf

EuGH; Mindestlohnvorgabe bei öffentlichen Aufträgen rechtens
Der Generalstaatsanwalt Mengozzi vertritt in seinen Schlussanträgen vom
09.09.2015 zur Rechtssache C-115/14 den Standpunkt, dass öffentliche
Auftraggeber den Bietern und Nachunternehmern im Rahmen der öffentlichen
Auftragsvergabe die Zahlung eines Mindestlohns vorschreiben können. In der

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015                9
Ausgangsrechtssache wendet sich die RegioPost GmbH & Co. KG gegen den
Ausschluss aus einer öffentlichen Ausschreibung, welcher damit begründet wurde,
dass sie keine Verpflichtung abgab, ihren Arbeitnehmern einen Mindestlohn von 8,70
EUR zu bezahlen. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung gab es in DEU weder den
gesetzlichen Mindestlohn, noch einen anwendbaren Tarifvertrag. Das Erfordernis
einer solchen Verpflichtung ergab sich aus dem Landestariftreuegesetz (LTTG). Das
vorlegende Oberlandesgericht Koblenz bezweifelt, dass ein solches Gesetz mit Art. 1
Abs. 3 der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen
der Erbringung von Dienstleistungen oder mit Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG über
die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge
und Dienstleistungsaufträge vereinbar ist. Nach Ansicht des Generalanwalts ist aber
der Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG gar nicht eröffnet. Weiter stehe Art.
26 der Richtlinie 2004/18/EG dem Gesetz und seiner vorliegenden Anwendung nicht
entgegen, da die Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestlohns, wie es die Richtlinie
vorschreibt ein sozialer Aspekt im Bereich der Arbeitsbedingungen ist.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=167181&pageIndex
=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1116738#

EP; Familienunternehmen sollen stärker unterstützt werden
Am 08.09.2015 wurde der Initiativbericht über Familienunternehmen in Europa von
der Berichterstatterin Angelika Niebler (EVP/DEU) im Plenum angenommen. Danach
sollen Familienunternehmen in Zukunft mehr Unterstützung auf europäischer Ebene
erfahren. Familienunternehmen würden mehr als 60% der europäischen
Unternehmen stellen und damit mehr als 50% der Arbeitsplätz im Privatsektor
schaffen. Oftmals stünden Familienunternehmen aufgrund ihrer Struktur vor anderen
Herausforderungen als andere Unternehmen. Unter anderem deswegen schlössen
jährlich ca. 150.000 Familienbetriebe. Um dem entgegenzuwirken, fordert das EP die
Mitgliedstaaten daher unter anderem dazu auf, nationale Regelungen zur
Erbschafts-, Schenkungs-, oder Unternehmensbesteuerung so zu gestalten, dass
diese keine negativen Konsequenzen für Investitionen und Eigenkapitalfinanzierung
haben.
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=PV&reference=20150908&sec
ondRef=ITEM-005-10&language=DE&ring=A8-2015-0223

EP; Mehr Rechte für urbane Gebiete
Am 09.09.2015 wurde der Initiativbericht über die städtische Dimension der EU-
Politikfelder von der Berichterstatterin MdEP Kerstin Westphal (S&D/DEU) im
Plenum angenommen. Der Bericht führt aus, dass ein Großteil europäischer
Gesetzgebung auf kommunaler Ebene angewandt wird. Deshalb begrüßt das EP die
Bestrebungen der Kommission, eine neue Städteagenda auszuarbeiten. Es solle
gewährleistet werden, dass auch die städtische Ebene früher und besser in die
europäische Gesetzgebung involviert wird. Weiter wird vorgeschlagen bei der
Kommission eine Anlaufstelle für Städte anzusiedeln um auch eine ausreichende
Informationsmöglichkeit der Städte aller Größen zu gewährleisten.
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=PV&reference=20150909&sec
ondRef=ITEM-008-11&language=DE&ring=A8-2015-0218

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015               10
Verkehr

Kommission; Task Force empfiehlt Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht
nach dem Absturz des Flugs Germanwings 9525
Am 17.07.2015 legte die Kommission den endgültigen Bericht der von der
Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) geleiteten Task Force zum Absturz
des Flugs Germanwings 9525 am 24.03.2015 vor. In dem Bericht werden
verschiedene Empfehlungen zur künftigen Vermeidung vorsätzlich herbeigeführter
Flugzeugabstürze gegeben. Hierzu gehören u.a. die Grundsätze, dass sich jederzeit
zwei Personen im Cockpit aufhalten sollen, dass Piloten vor Aufnahme des
Flugdienstes bei einer Fluggesellschaft einer psychologischen Beurteilung
unterzogen werden sollen und die Fluggesellschaften stichprobenartig Drogen- und
Alkoholscreenings durchführen. In dem Bericht wird weiter empfohlen, die nationale
Regulierung sollte sicherstellen, dass ein Ausgleich zwischen der Vertraulichkeit von
Patientendaten und der öffentlichen Sicherheit gewährleistet ist. Hierzu fordert der
Bericht die Einrichtung einer europäischen flugmedizinischen Datenbank, die mit
einer Abschwächung der ärztlichen Schweigepflicht einhergehen müsste, da hierfür
die Weitergabe medizinischer Daten erforderlich wäre. Die Kommission kündigte an,
die Vorschläge der Task Force eingehend zu prüfen und die auf EU-Ebene
erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Sollten neue Rechtsvorschriften erforderlich
sein, werde die EASA gebeten, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, welche dann
ggf. in die Flugsicherheitsvorschriften der EU aufgenommen würden.
http://ec.europa.eu/transport/modes/air/news/doc/2015-07-17-germanwings-
report/germanwings-task-force-final-report.pdf

Kommission; Zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen DEU
wegen mangelnder Umsetzung des Funktionalen Luftraumblocks (FAB)
Am 16.07.2015 gab die Kommission bekannt, dass sie DEU, BEL, FRA, LUX und
NDL gemäß Artikel 258 AEUV eine die mit Gründen versehene Stellungnahme
zugesandt und damit die zweite Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens
eingeleitet hat. Nach Auffassung der Kommission sind die betroffenen
Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Einrichtung des funktionalen Luftraumblocks
FABEC (Funktionaler Luftraumblock Zentraleuropa) nicht hinreichend nachkommen.
Zwar haben BEL, FRA, DEU, LUX, NDL und die Schweiz zur förmlichen
Verwirklichung ihres Luftraumblocks FABEC ein internationales Übereinkommen
geschlossen, das am 01.06.2013 in Kraft getreten ist. Die zur Umsetzung der
Neuordnung des europäischen Luftraums verfolgten Ziele – Optimierung der
Nutzung des Luftraums und der Flugsicherungsdienste – seien bislang im FABEC
jedoch nicht erreicht worden, weil die Umsetzung nach Auffassung der Kommission
nur schleppend vorankommt. Die beteiligten Mitgliedstaaten haben nun zwei Monate
Zeit, um auf die Vorwürfe der Kommission zu reagieren. Andernfalls kann die
Kommission Klage vor dem EuGH erheben.
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-15-5356_en.htm

EP; Bericht zum Weißbuch Verkehr verabschiedet
Das EP hat in seiner Sitzung am 09.09.2015 den Initiativbericht von MdEP Wim van
de Camp (EVP/NDL) zur „Umsetzung des Weißbuchs Verkehr von 2011:
Bestandsaufnahme und künftiges Vorgehen im Hinblick auf nachhaltige Mobilität“ mit
547 Ja, 125 Nein und 21 Enthaltungen angenommen. Darin begrüßt das EP
grundsätzlich die zentralen Ziele des Weißbuchs, insbesondere die angestrebte
Verlagerung des Verkehrs hin zu energieeffizienteren Verkehrsmitteln. Die Mobilität
müsse von ihren negativen Nebenwirkungen wie Überlastung, Luftverschmutzung,
Unfällen und Klimawandel entkoppelt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, seien

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015                11
marktbasierte Instrumente, aber auch verbindliche Grenzwerte erforderlich. Auch
müsse die europäische Verkehrspolitik auf einer effizienten Ko-Modalität der
Verkehrsträger basieren. Gefordert wird eine verstärkte Förderung von
Elektromobilität und elektrisch betriebener öffentlicher Verkehrssysteme, gekoppelt
mit der Einführung von erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätssektor, wodurch
der Elektrifizierung des Schienennetzes, Straßenbahnen, Elektroautos und E-Bikes
Priorität eingeräumt wird. Auf dem Gebiet des Luftverkehrs fordert das EP eine
Überprüfung der Ordnungs- und Fiskalpolitik der EU, um die Wettbewerbsfähigkeit
der europäischen Luftfahrtindustrie zu stärken und einen lauteren Wettbewerb mit
Fluggesellschaften aus Drittstaaten zu gewährleisten. Die Kommission wird daher
aufgerufen, jegliche unilateralen EU-Bestimmungen, die den Wettbewerb verzerren,
zu überprüfen und abzuschaffen. Für den Bereich des Straßenverkehrs wurde ein
Prüfauftrag zur Vereinbarkeit einer europaweiten PKW-Maut mit den EU-Verträgen
aufgenommen. Weiteres Petitum des EP ist eine schnelle Umsetzung des vierten
Eisenbahnpakets, insbesondere eine schnelle Beseitigung von technischen Barrieren
für den grenzüberschreitenden Verkehr sowie von marktabschottenden Regelungen.
Zudem          sollen     lokale      und       regionale      grenzüberschreitende
Schienenverkehrsverbindungen revitalisiert werden.
http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A8-2015-
0246&language=DE

Energie

Kommission; Öffentliche Konsultation zur Überarbeitung des Beschlusses
über zwischenstaatliche Energieabkommen
Die Kommission eröffnete am 30.07.2015 eine Konsultation zur Überarbeitung
Beschlusses Nr. 994/2012/EU des EP und des Rates vom 25.10.2012 zur
Einrichtung    eines    Mechanismus      für   den     Informationsaustausch     über
zwischenstaatliche Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern.
Zwar sieht die Kommission in dem vorhandenen Mechanismus eine nützliche
Möglichkeit, Informationen über bestehende Abkommen und dort vorhandene
Probleme zu erhalten. Um diese Probleme auf dem Weg zur Energieunion zu lösen,
reiche der Mechanismus aber nicht aus. Die Konsultationsfrist läuft bis 22.10.2015.
https://ec.europa.eu/energy/en/consultations/consultation-review-intergovernmental-
agreements-decision

Kommission; Neue Vorschriften zum Strommarkt ermöglichen europaweiten
Stromhandel
Am 24.07.2015 verabschiedete die Kommission die Verordnung (EU) 2015/1222 zu
neuen Strommarktvorschriften, die zu einem gut integrierten europäischen
Energiebinnenmarkt beitragen sollen. Die Kompetenz hierzu hat die Kommission
gem. Art 18 Absatz 3 b und Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 714/2009, wonach sie
ermächtigt wird, Leitlinien für den Stromhandel festzulegen. Es handelt sich also um
einen delegierten Rechtsakt gem. Art. 290 AEUV. Die neue Verordnung schafft einen
umfassenden Rahmen für den Stromhandel in Europa und macht die Marktkopplung
europaweit verpflichtend. Die Marktkopplung soll alle Angebote von verschiedenen
nationalen Strombörsen für den grenzüberschreitenden Handel bündeln und es
ermöglichen, dass diese Angebote grenzüberschreitend optimal zusammengebracht
werden. Aus der Marktkoppelung soll sich ausweislich eines Gutachtens, welches die
Kommission in Auftrag gegeben hat, für die europäischen Konsumenten ein
Einsparpotential von 2,5 bis 4 Mrd. EUR ergeben. Die Verordnung über die
Marktkoppelung soll dazu beitragen, den kurzfristigen Stromhandel zu erhöhen. Dies

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015                12
werde eine bessere Integration von erneuerbaren Energien in die Netze ermöglichen.
Darüber hinaus etablieren die neuen Vorschriften zum Strommarkt ein neues
Entscheidungsfindungsverfahren, das eine effektive regionale Kooperation zwischen
Netzbetreibern, Strombörsen und Aufsichtsbehörden ermöglichen soll. Die neuen
Vorschriften sind am 14.08.2015 in Kraft getreten.
http://eur-lex.europa.eu/legal-
content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32015R1222&from=DE

Kommission; Fahrplan zum Heizen und Kühlen von Gebäuden veröffentlicht
Die Kommission hat im Juli 2015 einen Fahrplan zum Heizen und Kühlen von
Gebäuden vorgestellt. Sie weist darauf hin, dass die bestehenden Richtlinien zur
Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen 2009/28/EG, über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden 2010/31/EU und zur Energieeffizienz
2012/27/EU überprüft werden sollen. Die Kommission beabsichtige, den Austausch
über neue Technologien, Strategien und Innovationen mit den Mitgliedstaaten zu
stärken. Momentan werde ca. die Hälfte der benötigten Energie in der EU für das
Heizen und Kühlen von Gebäuden verwendet. Der Bedarf hierfür würde lediglich zu
16% aus erneuerbaren Energien und zu 84% aus fossilen Brennstoffen gewonnen.
Momentan liege noch ein zu geringer Fokus auf dem Markt für Beheizung und
Kühlung von Gebäuden, welcher oftmals noch ein regionaler sei. Auch hier solle ein
Binnenmarkt etabliert werden. Die Kommission plane, weitere Maßnahmen zur
Steigerung der Energieeffizienz zur Erreichung der Klimaziele 2020, 2030 und 2050
zu ergreifen.
http://ec.europa.eu/smart-
regulation/roadmaps/docs/2015_ener_026_heating_cooling_strategy_en.pdf

Forschung

Kommission; Jahresbericht Forschung und Innovation 2014
Die Kommission hat am 19.08.2015 ihren Tätigkeitsbericht für die Bereiche
Forschung und technologische Entwicklung im Kalenderjahr 2014 vorgelegt. Dieses
Jahr war für Forschungsakteure in Europa insofern von besonderer Bedeutung, als
es zum einen für den Start des neuen und bislang größten EU-Rahmenprogramms
für Forschung und Innovation („Horizont 2020“) steht und zum anderen mit dem
Amtsantritt der Juncker-Kommission auch der Europäische Fonds für Strategische
Investitionen (EFSI) geschaffen wurde. Aus seinem Gesamtbudget von knapp 80
Mrd. EUR leistet „Horizont 2020“ einen Beitrag zu EFSI in Höhe von 2,2 Mrd. EUR.
Der Jahresbericht bilanziert dem neuen Forschungsrahmenprogramm einen
insgesamt guten Start. Insbesondere habe die eigens dafür geschaffene IT-Plattform
zur Einreichung von Förderanträgen von Anfang an funktioniert. Dabei war die
Nachfrage enorm: Für die ersten 100 Aufforderungen zur Antragseinreichung
(„Calls“) gingen laut Bericht insgesamt 37.000 Projektvorschläge ein, mit
Erfolgsquoten zwischen 12% und 14%. Bis April 2015 seien 3.200
Finanzhilfevereinbarungen mit einem Volumen von 5,4 Mrd. EUR unterzeichnet
worden. Der Privatsektor hat mit einem Anteil von 31%, gemessen an der Zahl der
Teilnehmer, bzw. 28%, was die Höhe der Fördermittel anbelangt, leicht gegenüber
dem Siebten Forschungsrahmenprogramm zugelegt (30% bzw. 25%). Laut Bericht
sei die EU „auf bestem Wege“, das selbstgesteckte Ziel von 20% KMU-Anteil am
Fördervolumen zu erreichen – nähere Angaben zum tatsächlich erreichten KMU-
Anteil werden jedoch nicht gemacht. Hinsichtlich der forschungspolitischen
Aktivitäten im Berichtszeitraum verweist die Kommission auf ihre Länderspezifischen
Empfehlungen (u.a. die an DEU gerichtete Empfehlung einer stärkeren

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015              13
Schwerpunktsetzung auf öffentliche Investitionen in Forschung und Innovation). Mit
Blick auf 2015 und die kommenden Jahre kündigt die Kommission an, dass „Horizont
2020“ auch weiterhin an den Zielsetzungen der „Europa 2020“-Strategie und ihrer
Leitinitiative    „Innovationsunion“     sowie     an     gesamtgesellschaftlichen
Herausforderungen ausgerichtet werde. Die aus den ersten Calls gesammelten
Erfahrungen würden bereits in das Arbeitsprogramm 2016/2017 einfließen. Themen
wie Internationale Zusammenarbeit, Sozial- und Geisteswissenschaften und
Geschlechteraspekte sollen in künftigen Arbeitsprogrammen stärker zum Tragen
kommen.
http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2015/DE/1-2015-401-DE-F1-1.PDF

Finanzdienstleistungen

Kommission; Neuregelung zum zentralen Clearing für Zinsderivate
Die Kommission hat am 06.08.2015 eine Neuregelung in Form einer delegierten
Verordnung       erlassen,      wonach      künftig     außerbörslich     gehandelte
Zinsderivatekontrakte über eine zentrale Gegenpartei (CCP) abgerechnet werden
müssen. Eine CCP rechnet Geschäfte zwischen zwei Parteien ab und trägt so dazu
bei, das durch den Ausfall einer Partei mögliche Risiko zu verringern. Laut
Kommission sei die CCP-Pflicht ein wesentlicher Bestandteil, um die
Finanzstabilität zu erhöhen und das Vertrauen in die Märkte zu stärken. Mit der
Neuregelung würde zudem den Forderungen des G20-Gipfels 2009 in Pittsburgh
entsprochen, bei dem die Staats- und Regierungschefs erhöhte Transparenz bei
gleichzeitiger Reduzierung der Risiken auf den Finanzmärkten gefordert hatten.
Gemäß aktuellen Statistiken machten Zinsderivate mit knapp 80% den größten Anteil
am außerbörslich gehandelten Derivatemarkt aus. Die Kompetenz zum Erlass dieses
delegierten Rechtsaktes wurde der Kommission in der Verordnung (EU) Nr.
648/2012 vom 04.07.2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und
Transaktionsregister übertragen. Die Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer
Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft, wenn nicht das EP oder der Rat in diesem
Zeitraum Einwände erheben. Die Einführung der Clearingpflicht soll dann
schrittweise über einen Zeitraum von drei Jahren erfolgen.
http://ec.europa.eu/finance/financial-markets/docs/derivatives/150806-delegated-
act_de.pdf

EZB; Neue Leitlinie zur Ankurbelung der Kreditvergabe in der Eurozone
Um die Kreditvergabe im Euroraum weiter anzukurbeln, hat die Europäische
Zentralbank (EZB) am 31.08.2015 eine neue Kategorie notenbankfähiger
Sicherheiten in den Sicherheitenrahmen des Eurosystems aufgenommen,
sogenannte durch notenbankfähige Kreditforderungen besicherte, nicht marktfähige
Schuldtitel („non-marketable debt instruments backed by eligible credit claims
(DECCs)“). Durch die veröffentlichte Leitlinie zur Änderung der Leitlinie über die
Umsetzung des geldpolitischen Handlungsrahmens (ECB/2015/27) können laut EZB
Institute künftig gebündelte Kreditpakete als Sicherheiten hinterlegen, um frisches
Zentralbankgeld zu erhalten. Von diesen Änderungen betroffen sind zunächst nur
Kredite innerhalb eines Mitgliedstaates der Eurozone und können nicht auf
grenzüberschreitende Aktivitäten übertragen werden. Bis zum 02.11.2015 sollen die
nationalen Zentralbanken die neue Leitlinie umsetzen.
https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2015/html/pr150831_1.en.html

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015               14
Eurostat; Inflation im Euroraum verharrt bei 0,2%
Am 31.08.2015 veröffentlichte Eurostat eine Schnellschätzung zur jährlichen Inflation
im Euroraum für den Monat August. Danach belaufe sich die Teuerungsrate wie
bereits im Vormonat auf einen Wert von 0,2%. Nach Schätzungen von Eurostat liege
dies primär an den weiter gesunkenen Energiepreisen (Rückgang im August um
weitere 7,1%) während die Preise für Nahrungsmittel und Dienstleistungen um
jeweils 1,2% gestiegen seien. Die um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigte
Kerninflationsrate belaufe sich derweil wie im Vormonat auf 1,0%. Um ein stabiles
Preisniveau zu gewährleisten geht die EZB von einer mittelfristigen Inflationsrate von
knapp unter 2% aus.
http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/6977684/2-31082015-AP-
DE.pdf/f3bc79b8-3d29-414e-aa2b-d5e4b4053d00

EZB; Korrektur der Wachstums-Prognosen
Nach dem turnusmäßigen Treffen des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) am
03.09.2015 gab Präsident Draghi bekannt, dass der Leitzinssatz unverändert auf
dem Niveau von 0,05% bleibe. Gleichzeitig korrigierte die EZB ihre bisherigen
Wachstumsprognosen für die Jahre 2015/16 nach unten: demnach soll die Wirtschaft
in den Jahren 2015 und 2016 um lediglich 1,4% bzw. 1,7% wachsen, während die
Inflation bei 0,1% bzw. 1,1% liegen soll. Als Gründe für die schwache wirtschaftliche
Erholung nannte der EZB-Präsident die Probleme in den Schwellenländern wie
China oder Brasilien und die damit verbundene schwächere globale Nachfrage. In
der Konsequenz machte Draghi deutlich, dass das bis September 2016 befristete
Aufkaufprogramm von Staatsanleihen („quantitative easing“, vgl. BaB 07/2015) bei
Bedarf verlängert werde, sollten sich die Inflationsaussichten bis dahin nicht
verbessert haben. Gleichzeitig kündigte Draghi an, dass die Obergrenze für den
Aufkauf einzelner Anleiheemissionen, wie z.B. Staatsanleihen, von aktuell 25% auf
33% erhöht werde.
https://www.ecb.europa.eu/press/pressconf/2015/html/is150903.en.html

Finanzen

Kommission, Eurostat; Rückgang des saisonbereinigten öffentlichen Defizits
im Euroraum und in der EU im ersten Quartal 2015
Am 23.07.2015 veröffentlichte das Statistische Amt der Kommission, Eurostat, eine
Statistik zum saisonbereinigten öffentlichen Defizit im Euroraum und in der EU für
das erste Quartal 2015. Demnach belief sich das saisonbereinigte öffentliche Defizit
(Finanzierungssaldo des Staatssektors) im Verhältnis zum BIP im Euroraum auf
2,3%, ein Rückgang gegenüber 2,5% im vierten Quartal 2014. In der EU belief sich
das Defizit im Verhältnis zum BIP auf 2,6%, ein Rückgang gegenüber 2,8% im
Vorquartal. Darüber hinaus veröffentlichte Eurostat auch Zahlen bezüglich der
staatlichen Einnahmen und Ausgaben im ersten Quartal 2015. Demnach beliefen
sich die staatlichen Gesamteinnahmen im Euroraum auf 46,5% des BIP, im
Vergleich zu 46,7% im vierten Quartal 2014. Die staatlichen Gesamtausgaben lagen
im Euroraum bei 48,7% des BIP, gegenüber 49,2% im Vorquartal. In der EU
betrugen die staatlichen Gesamteinnahmen im ersten Quartal 2015 45,0% des BIP,
gegenüber 45,4% des BIP im vierten Quartal 2014. Die staatlichen Gesamtausgaben
beliefen sich in der EU auf 47,6% des BIP, im Vergleich zu 48,1% im Vorquartal.
http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/6923279/2-23072015-AP-
DE.pdf/535af2a7-8ba5-4d6c-a910-0b75a52c2fb5

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015                 15
Kommission; Bessere Mehrwertsteuererhebung von den Mitgliedstaaten
gefordert
Laut Bericht der Kommission vom 04.09.2015 hätten die Mitgliedstaaten bei der
Erhebung der Mehrwertsteuer keine signifikanten Verbesserungen erzielen können.
Der Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zoll, Pierre
Moscovici, forderte, dies zu ändern. Die Mehrwertsteuer-Erhebungsdaten des Jahres
2013 zeigten laut Bericht, dass sich die Differenz zwischen den erwarteten MwSt.-
Einnahmen und dem tatsächlich erhobenen Betrag (die so genannte
„Mehrwertsteuerlücke“) gegenüber 2012 nicht verbessert hat. In 15 der untersuchten
Mitgliedstaaten, unter anderem in LET, MTL und der SLK, wäre zwar eine
Verbesserung erkennbar, doch hätten sich die Zahlen in 11 Mitgliedstaaten, darunter
EST und POL, verschlechtert. DEU läge im Mittelfeld (2013 – 11,2%; 2012 – 10,6%).
http://ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/common/publications/stu
dies/vat_gap2013.pdf

EuGH; Urteil zur Besteuerung von Dividendeneinkünften
Am 02.09.2015 entschied der EuGH in der Rechtssache C-386/14. In der Sache
wendet sich die Group Steria SCA mit Sitz in Paris (FRA) gegen eine französische
Regelung, wonach Dividendeneinkünfte aus inländischen Tochtergesellschaften
steuerfrei, jene aus ausländischen Tochtergesellschaften jedoch mit 5% zu
versteuern sind. Die unterschiedliche Besteuerung von Dividendeneinkünften der
Muttergesellschaften eines steuerlichen Konzerns nach Maßgabe des Ortes der
Niederlassung der Tochtergesellschaften verstößt gegen das Unionsrecht. Die
streitige französische Regelung benachteiligt die Muttergesellschaften, die in
anderen Mitgliedstaaten ansässige Tochtergesellschaften halten, wodurch es für
diese Gesellschaften weniger attraktiv werden kann, von ihrer Niederlassungsfreiheit
Gebrauch zu machen und in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu
gründen. Eine solche unterschiedliche Behandlung beeinträchtigt damit
ungerechtfertigt die Niederlassungsfreiheit.
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=9ea7d0f130d5097a961
3f4984072ad22de230e77db07.e34KaxiLc3eQc40LaxqMbN4ObNiKe0?text=&docid=
166763&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=372038

EZB; Direktoriumsmitglied der EZB, Benoît Coeuré, fordert Finanzministerium
für den Euroraum
Benoît Coeuré, Direktionsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), äußerte sich
in einer Rede vom 27.08.2015 bei der „Semaine des Ambassadeurs“, der jährlichen
Versammlung aller französischen Botschafter, zur Gegenwart und Zukunft der
Euroraums. Es müsse deutlich werden, dass der Euroraum ein unumkehrbares
Projekt sei und nicht nur ein System fester Wechselkurse. Der Euro müsse mit einer
positiven „Geschichte“ verknüpft und mit den notwendigen Instrumenten ausgestattet
werden, wobei zu gewährleisten sei, dass diese demokratisch legitimiert seien.
Solidarität dürfte dabei nicht zu einem System dauerhafter Transfers führen, denn
dies sei im Gründungsvertrag der Währungsunion nicht vorgesehen. Es ginge
darum, einen neuen europäischen Gesellschaftsvertrag zu schaffen, um das im
Hinblick auf die Exekutive bestehende Defizit zu beseitigen. Wie bereits der
ehemalige Direktor der EZB, Jean-Claude Trichet, habe auch er sich für die
Schaffung eines Finanzministeriums für den Euroraum unter der Aufsicht des EP
ausgesprochen. Dieses Ministerium könnte dafür zuständig sein, wirtschaftliche
Ungleichgewichte und Haushaltsungleichgewichte zu verhindern, Krisen im
Eurogebiet zu bewältigen und die im Bericht der fünf Präsidenten anvisierte
haushaltspolitische Kapazität zu steuern sowie die Regierungen des Euroraums in
internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen zu vertreten. Auf kurze Sicht

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015               16
halte er es für wesentlich, die Bankenunion zu vollenden und insbesondere frühzeitig
einen     gemeinsamen         Sicherungsmechanismus      für    den   einheitlichen
Abwicklungsfonds sowie die schrittweise Einführung eines europäischen
Einlagensicherungssystems zu vereinbaren. Gleichzeitig müsste durch Reformen
gewährleistet werden, dass die Wechselbeziehung zwischen der Solvenz von
Banken und Staaten ein für alle Mal beseitigt würde.
https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2015/html/sp150827.de.html

Kommission; Dreijähriges ESM-Stabilitätshilfeprogramm für GRI unterzeichnet
Am 19.08.2015 unterzeichnete die Kommission das Memorandum of Understanding
(MoU) mit GRI für ein neues Stabilitätshilfeprogramm. Der Europäische
Stabilitätsmechanismus (ESM), der 2012 in Reaktion auf die weltweite Finanzkrise
als „Brandschutzmauer“ Europas errichtet wurde, werde in den kommenden drei
Jahren Darlehen in Höhe von bis zu 86 Mrd. EUR an GRI auszahlen können, sofern
die Regierung in GRI die im MoU genannten Reformen umsetze und damit
grundlegende wirtschaftliche und soziale Herausforderungen angehe. Nach
monatelangen intensiven Verhandlungen liegt damit aus Sicht der Kommission ein
Programm vor, das dazu beitragen werde, Unsicherheiten zu beseitigen sowie die
Wirtschafts- und Finanzlage zu stabilisieren und GRI so dabei helfen wird, zu
nachhaltigem Wachstum zurückzukehren, das auf soliden öffentlichen Finanzen,
einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit, einem funktionierenden Finanzsektor, neuen
Arbeitsplätze und sozialem Zusammenhalt beruhe. Im Einklang mit Artikel 13 des
ESM-Vertrags seien im MoU die Reformziele und die zur Freigabe der ESM-Mittel zu
erfüllenden Auflagen im Einzelnen aufgeführt. Die Auszahlung der Mittel sei an die
Fortschritte bei der Umsetzung geknüpft. Die Umsetzung werde von der Kommission
– im Benehmen mit der EZB und nach Möglichkeit zusammen mit dem
Internationalen Währungsfonds – überwacht. Letzterer werde über eine weitere
Beteiligung am dritten Paket aber erst im Oktober entscheiden. Die Kommission
veröffentlichte begleitend eine Bewertung der sozialen Auswirkungen des
Programms. Bei ihrer Analyse ist sie zu dem Schluss gelangt, dass die im Programm
vorgesehenen Maßnahmen, wenn sie vollständig und rechtzeitig umgesetzt würden,
GRI dabei helfen würden, auf finanziell tragfähige und sozialverträgliche Weise zu
Stabilität und Wachstum zurückzukehren. Ebenso würden sie dazu beitragen, den
dringendsten sozialen Bedürfnissen und Herausforderungen in GRI gerecht zu
werden. Im Fokus der Kommission stünden insbesondere folgende Maßnahmen:
schrittweise Einführung eines garantierten Mindesteinkommens und Sicherstellung
einer allgemeinen Gesundheitsversorgung; Gewährleistung, dass die dem Einzelnen
abverlangte Anstrengung dem jeweiligen Einkommen angemessen sei;
Konzentration der Sparmaßnahmen auf Bereiche, die sich nicht direkt im
Portemonnaie des Durchschnittsbürgers bemerkbar machten, z.B. Kürzung der
Verteidigungsausgaben oder Beseitigung von Ineffizienzen in verschiedenen
Bereichen der öffentlichen Ausgaben; Zurückstellung von Partikularinteressen, z.B.
schrittweise Abschaffung von Steuervergünstigungen für Reeder und Landwirte oder
Aufhebung einer Vielzahl von Ausnahmeregelungen (etwa bei den
Mehrwertsteuersätzen für einige Inseln) oder ungerechtfertigten Subventionen;
Stärkung      der    Rolle   der    Sozialpartner   und     Modernisierung     des
Tarifverhandlungssystems; Bekämpfung von Korruption, Steuerhinterziehung und
Schwarzarbeit; Förderung einer transparenteren und effizienteren öffentlichen
Verwaltung, u. a. durch Stärkung der Unabhängigkeit der Steuerverwaltung,
Reorganisation von Ministerien und eine engere Verknüpfung zwischen Verdienst
und beruflicher Verantwortung. Am 20.08.2015 überwies der ESM die erste Tranche
in Höhe von 13 Mrd. EUR an GRI. Weitere 3 Mrd. EUR würde GRI im November,
erhalten, wenn bis dahin Reformmaßnahmen („prior actions“) umgesetzt würden.

                        Bericht aus Brüssel 16/2015 vom 11.09.2015               17
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