BERLINER LUFTSCHLÖSSER? - WOHNUNGSNEUBAU AUF DEM PRÜFSTAND - SPEZIAL - BERLINboxx
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März/April 2022 · 23. Jahrgang · 4,90 € ANDREAS GEISEL SIGRID NIKUTTA SEBASTIAN JUNGHÄNEL Artenschutz Erster digitaler Güterzug Lichtenberg baut! stoppt Bauprojekte MIP S P E Z IIM AL BERLINER LUFTSCHLÖSSER? WOHNUNGSNEUBAU AUF DEM PRÜFSTAND 1
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, der deutsche Kulturphilosoph Johann Gottfried von Herder stellte schon Ende des 18. Jahrhunderts fest: „Wie Menschen denken und leben, so bauen und wohnen sie“. So gesehen ist noch viel Luft nach oben, denn es ist DAS Thema für die kommenden Jahre in Berlin: der Wohnungsneubau mit allem, was an Komplexitäten und Versäumnissen dranhängt, gilt als wesentlicher Gradmesser für den Erfolg der neuen Landesregierung. Viele (Wahl-)Verspre- chungen sind einzulösen. Sind die gesetzten politischen Neubauziele unter den herrschenden Rahmenbedingungen zu schaffen? Wir haben mit Bau- senator Geisel und einigen Akteuren des neuen Bündnisses für Wohnungs- neubau über die herausfordernde Ausgangslage gesprochen. Noch mehr Neues aus der Immobilienwirtschaft gibt es im Rahmen unse- res MIPIM Spezial zu lesen. Ab dem 15. März wollen die großen Player der Branche endlich wieder persönlich und vor Ort auf der Leitmesse in Cannes die aktuellen Themen, wie nachhaltiges Bauen und CO2-neutrale Energie- konzepte präsentieren, auch Berlin wird mit einem Stand und verschiedenen Otis setzt Standards Panels präsent sein. Sigrid Nikutta ist eine erfahrene und höchst erfolgreiche Managerin, die das bei Hygiene-Must-haves Wachstum des Güterverkehrs als wesentlichen Erfolgsfaktor für das Erreichen der gesetzten Klimaziele sieht. Mit welchen Innovationen die Vorständin Güterverkehr der Deutschen Bahn AG diese – letztendlich nur gemeinschaft- lich europäisch zu lösende – Kraftanstrengung umsetzen will, verrät sie uns im exklusiven Interview. Unsere Hygiene-Lösungen schützen Fahrgäste in Aufzügen und auf Fahrtreppen vor Krankheitserregern in der Luft und Ich wünsche Ihnen wie immer eine anregende Lektüre und einen Frühling voller Aufbruchstimmung. auf Oberflächen. Dazu gehören Luftreinigungssysteme, LED-Technologien und berührungslose Taster. Alle Informationen und täglich aktualisierte Termine aus Politik und Wirt- schaft erhalten Sie wie immer auf unserer Website: www.berlinboxx.de. Herzlichst, Weitere Informationen unter: www.otis-hygiene.de Ihre Foto: Dirk Lässig Dr. Angela Wiechula 2 3
Neu in Berlin Aus dem Inhalt Wirtschaftsstandort Aktuell + Editorial Seite 3 Berliner Tourismus Wirtschaftsstandort aktuell Seite 4 + optimistisch Berlin – Stadt der Start-ups Seite 6 POLITIK Fashion Week kehrt Imagewandel: Marzahn-Hellersdorf Seite 8 nach Berlin zurück Bauprojektstopp wegen Artenschutz Seite 14 Zu aller Überraschung fand die Titel Fashion Week im vergangenen Jahr in Frankfurt am Main statt. Doch Berliner Luftschlösser? Modebegeisterte wissen: Berlin ist Wohnungsneubau auf dem Prüfstand Seite 16 der Vorreiter, was ausgef allene Wiederbelebung der Wohnungsbauförderung Seite 34 Styles angeht. Nun holt der Ber- liner Senat Veranstaltungen der Wirtschaft Premium Group zurück nach Ber- Dr. Sigrid Nikutta: DB Cargo wird grüner Seite 36 Die Berliner Tourismusbranche zeigt sich trotz lin. Das Unternehmen ist einer der Bekannte Gesichter bei der ISTAF Indoor Seite 42 Corona optimistisch: Sie geht 2022 von einer wichtigsten Messeveranstalter der Jekaterina Cechini: So bleibt die BVG modern Seite 44 allgemeinen Erholung der Wirtschaft aus. Zu Os- deutschen Modebranche und größ- Ludger Inholte im Gespräch Seite 54 tern hält die Berliner Tourismusgesellschaft es ter Player für Advanced Contempo- für wahrscheinlich, dass ein Umsatz von 75 bis rary Fashion. Mit der Rückkehr der BERLINboxx intern: Neuer Chefredakteur Seite 58 80 Prozent des Vor-Corona-Jahres 2019 erreicht Premium Group hat die Hauptstadt einen wichtigen Berlin Partner zu- Architektur & Stadtentwicklung wird. Allerdings kämpft die Branche mit einem schwerwiegenden Problem, dem Fachkräfteman- rück ins Boot geholt – ein ermuti- MIPIM Spezial gel. Wie auch in anderen Arbeitsbereichen hat gendes Signal für den Mode- und Immobilien-Leitmesse in Cannes Seite 60 die Pandemie Spuren hinterlassen. Viele Mitar- Messestandort Berlin. Urbane Quartiersentwicklungen Seite 64 beitende sind in andere Branchen gewechselt. Otis: Mehr Hygiene durch LED Seite 66 + Ob sie nach Corona wieder an ihre alten Arbeits- Hoffnungsträger plätze zurückkehren, ist ungewiss. Covermotive: Designed by Upklyak/Freepik.com; Created by Freepik.com Hohenschönhausen-Lichtenberg Seite 68 Gesundheitsimmobilien mit Wachstumsrekord Seite 70 Kreative Unternehmen profitieren von Corona-Konsumtrend Wo Manager Relaxen Schroffe Schönheit in Island Seite 72 Die Berliner Konjunktur leidet erheblich unter den Folgen der Corona-Pandemie. Be- sonders Lieferengpässe erschweren die Produktion, etwa 13 Prozent der Unternehmen Brandenburg mussten schon Aufträge deswegen ablehnen. Medien-, Software-, Games- und IT-Fir- Die feine Alternative zum BER Seite 74 men profitieren dagegen von dem Corona-Konsumtrend. Der Geschäftsklimaindex in Lebenswertes Wohnen in Bernau Seite 76 der Berliner Digital- und Kreativbranche liegt insgesamt wieder auf dem Vor-Corona- Brandenburg News Seite 79 Niveau. Die Unternehmer*innen der Branche haben den Coronablues bei den Menschen Mit Foto: Markus Spiske/Pexels.com für sich genutzt. Neben ihren bisherigen Angeboten haben sie neue Geschäftsmodelle Termine Seite 80 eingeführt, die den besonderen Bedürfnissen des Coronaalltags angepasst sind. Hauptstadt Impressum Seite 95 kalender Zu guter Letzt: prämiert/blamiert Seite 96 für Wirtschaft Mehr über neue Entwicklungen und Ansiedlungen in Berlin unter: & Politik www.projektzukunft.berlin.de 4 5
Die Berliner Start-up-Szene Innovativer Gründergeist in der Hauptstadt Nirgendwo in Deutschland floriert die Start-up-Szene mehr und auch innerhalb Europas zählt Berlin trotz großer Konkurrenz zu den bedeutendsten Start-up- Hochburgen. Denn fast jeden Tag wird hier ein Jungunternehmen gegründet, das sich mit neuartigen Ideen auf dem Markt beweisen will. Sei es in den Bereichen Software, Dienstleistungen oder Mobilität, es ist alles dabei. Die BERLINboxx hat sich die Szene genauer angeschaut und stellt in jeder Ausgabe drei Start-ups vor, die aktuell besonders auf Codary sich aufmerksam machen. Ohne Smartphone geht für Kinder und Jugendliche heute nichts mehr in Freizeit und Schule. Bei der Programmierung der (Spiele)Apps müssen die meisten passen. Erst 2023 wollen sechs Bundesländer Informatik als Pflichtfach an den Schulen einführen. Schneller ist der digitale Bildungs- anbieter codary. Im Videochat erlernen Kinder zwischen sieben und 16 Jahren in Kleingruppen spielerisch Programmiersprachen wie Python. Mevolute Dafür erhielt codary den Sonderpreis des Innovationspreises Berlin Brandenburg 2021. codary.org Seminare und Trainings kosten Un- ternehmen viel Geld – und bringen nicht selten mehr Stress PlusDental als Nutzen. Denn sie müssen in den straffen Unsichtbar, einfach und preiswert – Terminkalender der die Zahnschienen von PlusDental Mitarbeiter*innen passen schenken jedem ein schönes und in den Arbeitsalltag Lächeln. Der Testsieger hat sich eingebettet werden. Die Soft- bei mehr als 50.000 PatientInnen ware von mevolute bietet eine bewährt. Online können in über Fotos: Tim Rohde; codary GmbH; PlusDental kostengünstigere und zugleich effek- 100 Zahnarztpraxen Termine gebucht tivere Lösung. Die Onlinekurse beruhen auf werden. Co-CEO Eva-Maria Meijnen der Synergie von natürlichem Lernen und Technologie. will andere Frauen ermutigen, sich in die Tech-Branche zu trauen. mevolute.com/de/home-2 plusdental.de 6 7
Politik Die zwölf GroSSstädte Berlins Marzahn-Hellersdorf Imagewandel vollzogen Die eineinhalb Kilometer lange Hochseilbahn Marzahns bietet spektakuläre Aussichten Unsere Tour durch die zwölf Großstädte keiten. Zudem gehört mit 18 Prozent auch Berlins führt uns in dieser Ausgabe durch ein großes Stück Grün- und Freifläche den Bezirk Marzahn-Hellersdorf, welcher dazu. Marzahn-Hellersdorf zählt damit zu zuletzt durch das enorme soziale Engage- einem der grünsten Bezirke Berlins. ment der Bürger*innen aufgefallen ist. Was macht den Bezirk besonders? Wofür Die Marzahn-Hellersdorfer sind vor al- steht er? Welche lokalen Unternehmen lem für ihr Engagement innerhalb ihrer stärken den Standort und was bietet der Gemeinde bekannt. Sie liefern konstant sozial und wirtschaftlich aufsteigende Be- Modernisierungs- und Verbesserungsideen zirk? Welche politischen Visionen hat der und leisten somit einen wichtigen Beitrag neugewählte Bezirksbürgermeister? zur Stadtentwicklung. Gerade Schulen und Freizeiteinrichtungen sind dabei im Fokus Sozialer Zusammenhalt der Bürger*innen. Seit den späten Neunzi- gern erhielt der Bezirk für dieses Engage- in der Stadtentwicklung ment diverse Auszeichnungen und Preise, Seit der Verschmelzung von Marzahn und so etwa 1996 die Auszeichnung „Zukunfts- Hellersdorf im Jahr 2001 umfasst der beständige Stadt“. Im Jahr 2000 nahm er Bezirk Marzahn-Hellersdorf rund 6.185 im Rahmen des Hellersdorf-Projekts auf Hektar und belegt damit flächenmäßig der EXPO den Preis für das Nutzungskon- Platz sieben der Berliner Bezirke. Er ist zept zum „Stadtumbau Ost“ im Bundes- Eine botanische Weltreise ist durch die Gärten der Welt möglich unterteilt in Biesdorf, Hellersdorf, Kauls- wettbewerb entgegen. dorf, Marzahn und Mahlsdorf. Zurzeit le- ben ca. 270.000 Einwohner*innen (Stand: Aufstieg als 31.12.2020) in ca. 132.750 Wohnungen. Wohnungsnot nach dem zweiten Weltkrieg grund. Mit dem Ende der DDR ging zusätz- Unternehmerstadt Fotos: Ben Schneider Der Bezirk ist bekannt für seine familien- wurde in der DDR im großen Stil industri- lich ein großer Abbau von Arbeitsplätzen freundliche Umgebung: viele preiswerte Noch vor 30 Jahren war Marzahn-Hellers- ell gefertigter Wohnungsbau errichtet. Es einher. Lange Zeit galt Marzahn-Hellers- Wohnungen, ein dichtes Netz von Kitas, dorf als Standort vieler unattraktiver Platten- galt die Devise, schnell und praktisch- die dorf wegen seiner ‚Skyline‘ in Kombina- Schulen, Einkaufs- und Erholungsmöglich- bauten bekannt. Infolge der großen Attraktivität der Bauten stand im Hinter- tion mit dem schlechten Arbeitsmarkt als 8 9
Politik Weitere Informationen Bezirksbürgermeister Gordon Lemm (SPD) > Geboren am 24. Juli 1977 in Berlin, aufgewachsen in Marzahn > Studium der Geschichtswissenschaften, Politikwissenschaften und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin > 2006-16 Mitglied der Bezirksverordneten- versammlung (BVV) Marzahn-Hellersdorf und persönlicher Referent des Bezirks- bürgermeisters > Seit 2011 Vorsitzender der SPD-Fraktion in Marzahn-Hellersdorf 18 Prozent von Marzahn-Hellersdorf sind Grünfläche > Neben seiner Tätigkeit als Bezirksbürger- meister ist er Bezirksstadtrat für Bürger- dienste, Personal, Wirtschaftsförderung, Finanzen, Sozialraumorientierte Welt‘ bringen ebenfalls große Einnahmen groß geworden und mit Leib und Seele Planungskoordination und Zentrale und viel kosmopolitisches Grün nach Mar- Marzahn-Hellersdorfer. Seine Heimatliebe Vergabestelle zahn-Hellersdorf. Seit der Eröffnung im macht sich besonders in seinem Engage- Jahr 2017 gelten die Gärten mit aktuell ment bemerkbar: bereits seit Jahren ist ca. 800.000 Besuchern pro Jahr als Touris- er hier aktiv in der Politik unterwegs. Sei musmagnet. Sie bieten den Besucher*in- es als persönlicher Referent des Bezirks- unattraktiv. Seit dieser Zeit hat sich aber unter den Marzahn-Hellersdorfer Unter- nen eine botanische Reise durch die ganze bürgermeisters oder als Vorsitzender der vieles getan, der Bezirk hat einen Image- nehmen ist das berlin eastside. In einem Welt mitten in Berlin: China, Japan, Korea, Bezirks-SPD. Seine gewinnende Art bringt wandel erfolgreich vollzogen. Mit der Zusammenschluss mit Lichtenberg agiert Bali, der Orient und Teile Europas werden ihm sowohl unter politischen Kolleg*innen Errichtung des Unfallkrankenhauses Berlin das Gewerbeareal als wichtige Einnahme- in den verschiedenen Gärten landschafts- als auch unter den Bürger*innen hohes im Jahr 1977 etwa konnte der Abbau quelle für den Bezirk. Auf ca. 1.200 Hektar architektonisch präsentiert. Ansehen und Beliebtheit ein. der Arbeitsplätze ausgeglichen werden: Gewerbefläche verteilen sich 16 etablierte mit einem Schlag gab es über 2000 neue Gewerbeparks und rund 2.500 Unterneh- Sozialdemokratisch und Die BERLINboxx Arbeitsplätze. Bis heute gilt das Unfall- men. Überwiegend sind hier produktions- krankenhaus als einer der wichtigsten orientierte Unternehmen angesiedelt. links geprägte Politik hat mit dem und größten Arbeitgeber im Bezirk. Neben Seit 2001 wurde der Bezirk abwechselnd Bezirksbürgermeister dem starken Gesundheitswesen siedelten Darüber hinaus ist Marzahn-Hellersdorf von der SPD und der Linken regiert. Seit sich in den letzten Jahren eine nicht un- auch Heimat von nachhaltigen Unter- November 2021 ist mit Gordon Lemm wie- über seinen Heimatbezirk Fotos: Kareen Kittelmann; Ben Schneider erhebliche Zahl an Unternehmen im Be- nehmen: Der CleanTech Business Park ist der ein SPD-Bezirksbürgermeister im Amt. und seine Visionen zirk an, die die Infrastruktur ankurbeln. auf 90 Hektar Berlins größtes Industrie- Der 44-Jährige wurde während der Sitzung gesprochen. Das „EASTGATE Berlin“ zum Beispiel ist gebiet für grüne Technologien. Er bietet der BVV mit 33 von 54 Stimmen ernannt, er eines der größten und beliebtesten Ein- zukunftsorientierten Unternehmen ideale wurde in einer Zählgemeinschaft aus SPD, Welche drei Attribute beschreiben Marzahn- kaufscenter östlich des Brandenburger Rahmenbedingungen, um nachhaltige Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Hellersdorf in Ihren Augen am besten? Tors. Pro Tag besuchen es bis zu 23.601 Produkte und klimafreundliche Technolo- Tierschutzpartei zum Bezirksregierenden Marzahn-Hellersdorf ist grün, ruhig und Einkäufer*innen. Ein weiterer Vorreiter gien weiterzuentwickeln. Die ‚Gärten der gewählt. Gordon Lemm ist selbst im Bezirk vor allem familienfreundlich. 10 11
Politik Stadt. Wärme. Welche Ziele haben Sie sich für das erste Jahr im Amt gesetzt? Worauf werden Sie Der Cleantech Business Park ist Heimat grüner Technologien Wende. ein besonderes Augenmerk legen? Aktuell haben wir im Bezirk ein Haus- Welche Vision für den Bezirk haben Sie? Mit unserer Stadtwärme stellen wir haltsloch in zweistelliger Millionenhöhe. Ein großes Projekt und auch eine Herzens- Das wird eine der größten Herausforde- angelegenheit für mich ist das Kombibad für immer mehr Immobilien rungen in meinem ersten Jahr als Bezirks- bürgermeister. Fest steht, dass es keine für Marzahn-Hellersdorf. In den nächsten fünf Jahren wird viel Kraft, Anstrengung fossilfreie Wärme bereit. Einbußen beim Thema Familienunterstüt- und Energie nötig sein, um dieses Ziel um- zung, Kinderschutz und Schulreinigung zusetzen. Marzahn-Hellersdorf ist der ein- geben wird. Als ehemaliger Schul- und zige Bezirk in Berlin ohne eigenes Freibad, Jugendstadtrat liegen mir diese Themen das muss sich ändern. Ich wünsche mir, immer noch sehr am Herzen. Zudem rollt dass wir es schaffen, Marzahn-Hellersdorf eine Verrentungs- und Pensionierungs- als einen Bezirk zu etablieren, bei dem welle im öffentlichen Dienst auf uns zu. die Menschen nicht sofort an Plattenbau, Hier müssen wir schneller beim Einstel- Hartz 4 oder Nazis denken. Zwei Drittel lungsverfahren werden und auch junge des Bezirkes bestehen aus Ein- und Mehr- Menschen für einen Job im öffentlichen familienhäusern. Zudem haben wir eine Dienst begeistern. Zudem muss das The- der niedrigsten Arbeitslosenquoten aller Begleiten Sie uns auf unserem Weg. ma Tier- und Umweltschutz mehr in das Berliner Bezirke. Die Menschen sollen ger- www.wärmewende.berlin Foto: WISTA.Plan GmbH öffentliche Bewusstsein und auch in un- ne nach Marzahn-Hellersdorf kommen und serer Verwaltung ankommen. All diese sich auch bewusst dafür entscheiden, hier Ziele habe ich mir für mein erstes Jahr im leben zu wollen. Diese Vision möchte ich Amt gesetzt. verwirklichen. (bk) 12 13
Politik 10.000 Bauprojekte wegen Artenschutzes gestoppt Im Gespräch mit Andreas Geisel, Senator für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen Andreas Geisel kennt sein Metier, war er doch schon von 2014 bis 2016 Senator für Stadtentwicklung und Umwelt Es ist das zentrale Thema der neuen Ber- Welche neuen Erkenntnisse haben Sie zu liner Landesregierung: es muss gebaut dem Umstand, dass in Berlin aktuell wicklung und Wohnen vorgestellt, in dem Wenig vorhandenes Bauland in Kombina- werden und zwar schnell und sozialver- 60.000 Baugenehmigungen vorliegen, ausführlich neue Stadtquartiere und Woh- tion mit deutlich gestiegenen Preisen und träglich, soweit sind sich alle im Kabinett ohne dass diese in konkrete Bauprojekte nungsneubaupotenziale analysiert wor- eine hohe Kapazitätsauslastung in der einig. Das im Koalitionsvertrag beschlos- münden? den sind. Im Nachgang der Senatsklausur Baubranche ganz generell: welche politi- sene neue Bündnis für Wohnungsbau soll von Mitte Januar hieß es, dass eine neue schen Konzepte verfolgen Sie, um unter es richten. Die BERLINboxx hat bei Bause- Zwei Drittel der Projekte laufen. Das ande- Senatskommission ihre Arbeit aufnehmen diesen Rahmenbedingungen schnelles nator Andreas Geisel nachgefragt, wie der re Drittel hat Probleme. Bei diesem einen werde, um eine Bestandsaufnahme aller und sozialverträgliches Bauen zu ermög- Stand des Fortschritts ist. Drittel ist die Hälfte der Projekte z. B. we- aktuell geplanten Wohnungsbauvorhaben lichen? gen des Artenschutzes gestoppt worden. zu erarbeiten. Entspricht dieses Vorgehen Was unsere Stadt dringend braucht, ist be- Was ist aus Ihrer Sicht erforderlich, um Die andere Hälfte des einen Drittels wurde Ihrem Ziel, zügig „vom Reden ins Han- zahlbarer Wohnraum. Wenn wir potenziell das Bündnis für Wohnungsbau schnell er- aus politischen Gründen angehalten. Zum deln“ kommen? Geld haben für die Förderung von 3500 So- folgreich zu machen? Beispiel auf Wunsch der Bezirksverordne- Das eine hat mit dem anderen nichts zu zialwohnungen, aber nur 1000 Anträge auf Foto: Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport Ein gemeinsames Verständnis, dass es tenversammlungen nach Bürgerprotesten. tun. Der neue Senat hat sich auf den Bau Förderung bei uns eingehen, dann stimmt allen nützt, wenn wir in Berlin den Woh- von 200.000 neuen Wohnungen bis 2030 etwas nicht. Deswegen ändern wir jetzt die nungsneubau wieder ankurbeln. Es geht Wie viele der für 2022 geforderten 20.000 verständigt. Dazu sollen alle Flächen in der Förderkriterien für den sozialen Wohnungs- darum, schnell und den heutigen Anfor- neuen Wohnungen sind bereits im Bau? Stadt genutzt werden. Im Koalitionsvertrag bau. Dann müssen wir uns die verfügbaren derungen genügend Wohnungen in der Leider verfügen wir noch nicht über die ist auch die Elisabeth-Aue in Pankow wieder Flächen sehr genau anschauen und prüfen, ganzen Stadt zu bauen. Und gleichzeitig aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2021. Ende mit aufgenommen. Damit haben wir jetzt 17 in welcher Dichte wir wo bauen können. Wir die Mieten stabil zu halten. Das geht nur 2020 waren 41.652 Wohnungen im Bau. neue Stadtquartiere in Planung und Realisie- müssen aber auch klimagerecht bauen und gemeinsam mit den landeseigenen Woh- rung. Dort sollen über 50.000 neue Wohnun- den großen Wert, den Berlin hat, nämlich nungsbaugesellschaften, Genossenschaf- Im Mai 2020 wurde der umfangreiche gen entstehen. Die Senatskommission wurde eine der grünsten Städte Europas zu sein, ten, privaten Bauherren, dem Senat und „Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030“ eingerichtet, um Knoten zu lösen, wenn ein erhalten. Flächen schonen hier, heißt dich- den Bezirken. der damaligen Senatorin für Stadtent- Projekt, an welcher Stelle auch immer, hakt. ter und höher bauen dort. 14 15
Titel Berliner Berlin boomt, Berlin baut – doch viel zu wenig. Der Wohnungsbau hält seit langem nicht mehr Schritt mit der dynamischen Entwicklung der Stadt. Das lässt die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Luftschlösser? Foto: evening_tao /Freepik.com Wohnungsmarkt immer weiter auseinandergehen. Der neue Berliner Senat hat nun ein Bündnis für Wohnungsbau geschmiedet. Gemeinsam mit der Bau- und Wohnungswirt- schaft sollen Wege aus der Krise gefunden werden. 16 17
Titel Wohnungsneubau auf dem Prüfstand Berlin, eine Stadt im ständigen Wandel. Befindlichkeit der Hauptstädter auswirkt. „Wohin wächst Berlin?“ heißt eine ak- Bei Wohnungsbesichtigungen stehen schon tuelle Studie der SPD-nahen Friedrich- mal hunderte Bewerber*innen stundenlang Ebert-Stiftung (FES). Sie versucht, Ant- Schlange. Das bleibt nicht ohne Folgen für worten auf die Frage zu geben, wie die die allgemeine Stimmung in der Stadt. Es gut 3,7 Millionen Berlinerinnen und Ber- ist daher nicht verwunderlich, dass Berlin liner zukünftig leben wollen und werden. im Glücksatlas auf dem letzten Platz gelan- „Abgesehen von der Pandemie geht die det ist. Bei dieser Untersuchung im Auftrag Studie auf die zentrale Dynamik ein, die der Deutschen Post wurde bundesweit nach Berlin seit Jahren prägt: das Wachstum der Zufriedenheit der Menschen gefragt. der Stadt“, schreibt Felix Eikenberg, Leiter des Berliner FES-Büros, im Vorwort. Die Hochgesteckte Hauptstadt hat selten ein derartiges Wachstum erlebt wie in den zurückliegen- Neubauziele: Wunsch den Jahren. Berlin ist hip. Und so zieht und Wirklichkeit es Menschen aus aller Welt in die Spree- Foto/Visualisierung: Instone Real Estate Development GmbH metropole. Im Zeitraum von 2010 bis 2030 „Bezahlbarer Wohnraum ist das Themen- werden es nahezu eine halbe Million feld, das die Berliner*innen am meisten Die Region braucht mehr familienfreundliche Projekte sein. Das entspricht fast einem Siebtel der beschäftigt und bei dem sie den größten wie die ‚Fontane Gärten‘ in Potsdam-Bornstedt gegenwärtigen Einwohnerzahl. Handlungsbedarf seitens der Politik sehen“, fasst Eikenberg die Ergebnisse der FES-Er- Dieses rasante Wachstum ist Segen und hebung zusammen. Was im Umkehrschluss und Wohnen, Katrin Lompscher, in einem orientierten Sektor entstehen. Das ist die Fluch zugleich. Es treibt die urbane Ver- bedeutet, dass die Landespolitik (zu) lange Vorwort zum „Stadtentwicklungsplan Woh- Hälfte des bis 2030 geplanten Neubaus.“ änderung an – und verschärft damit ein die Hände in Sachen Wohnungsbau untä- nen 2030“ mit dem Untertitel: „Neue Woh- Konkret geplant sind 14 komplette neue Kernproblem der Metropolregion, den ekla- tig in den Schoß gelegt hat. Dabei hat es nungen für Berlin“, bezahlbare Wohnungen Stadtquartiere zwischen Buch und Lich- tanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum. nicht an vollmundigen Absichtserklärungen seien ihr „ganz besonders wichtig“. Deshalb terfelde Süd, die Mehrzahl außerhalb des Die Studie beschreibt zugleich, wie die ob- gefehlt. So versicherte im Mai 2020 die habe sich der Senat das Ziel gesetzt, „dass S-Bahn-Ringes. Ebenso viele bestehende jektive Wohnungsnot sich auf die subjektive damalige Senatorin für Stadtentwicklung allein 100.000 Wohnungen im gemeinwohl- Siedlungen sollen weiterentwickelt werden. 18 19
Titel „Ja, das möchste: Eine Villa im trugen noch wie Narben Einschusslöcher Grünen mit großer Terrasse, vorn aus den letzten Tagen des Zweiten Welt- die Ostsee, hinten die Friedrich- kriegs. Balkontüren waren buchstäblich mit straße; mit schöner Aussicht, Brettern vernagelt, weil die dazugehörigen ländlich-mondän, vom Badezim- Balkone nicht mehr vorhanden waren. „Rui- mer ist die Zugspitze zu sehn – nen schaffen ohne Waffen“ wurde zu einem aber abends zum Kino hast dus geflügelten Wort im SED-Staat. nicht weit. Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit: Neun Zim- Nach dem Ende der DDR haben staatliche mer – nein,doch lieber zehn! Ein und private Wohnungsbaugesellschaften Dachgarten, wo die Eichen drauf Abermilliarden in die Instandsetzung und stehn…“ spottete der Schriftsteller Kurt Modernisierung des maroden Wohnungsbe- Tucholsky 1927. stands investiert. Dass heute ausgerechnet die SED-Erben von der Linken ein Grund- Das ist satirisch zugespitzt, charakteri- recht auf Wohnen postulieren, mutet vor siert aber treffend die Erwartungshaltung diesem Hintergrund paradox an. Das Grund- vieler Wohnungssuchender. Dabei kommt gesetz kennt ein solches Grundrecht nicht. der Appetit offensichtlich beim Essen. Zur Die Berliner Landesverfassung schon. Sie Erinnerung: Im Wendejahr 1989 wurden spricht jedem Menschen das Recht auf an- 65 Prozent aller ostdeutschen Wohnungen gemessenen Wohnraum zu. Nachverdichtung durch mit Kohleöfen geheizt, jede vierte verfügte Dachgeschossausbau steht tiggestellten Wohnungen in Berlin erstmals über keine eigene Toilette, 18 Prozent hat- Doch was ist angemessen? Es beginnt bei ebenfalls auf der Agenda seit 2009 gesunken“. ten kein Bad. Auch und gerade im Ostteil der Lage. Nicht alle Bezirke sind gleicher- Berlins prägten verfallende Miethäuser das maßen gefragt. Mitte, Kreuzberg, Prenz- Wohnungsbau auf Sparflamme also. Der Bild ganzer Stadtquartiere. Viele Fassaden lauer Berg und Friedrichshain, zunehmend Negativrekord zeugt vom politischen Versa- Zufall oder Absicht? Im Vorwort von Lin- gen auf ganzer Linie. Denn es müssen nach ken-Politikerin Lompscher fehlt jeder Hin- Schätzungen von Wohnungsmarktexperten weis, welche Bedeutung dabei der Bauwirt- jährlich 20.000 Wohnungen gebaut wer- schaft zukommt. Von einer Partnerschaft den, nur um den durch Zuzug nach Berlin Wohnungsbestand in Berlin (Stand: 2020) mit privaten Investoren ganz zu schweigen. entstehenden Bedarf zu befriedigen. Kri- Der unbedarfte Leser muss oder soll zu tisch zieht der Berliner Tagesspiegel Bilanz: Wohnungsbestand in Berlin (Stand: 2020) 10% Wohnungsbestand in Berlin (Stand: 2020) dem Schluss kommen, die Politik schaf- „Gescheitert war der Senat bereits zuvor an Private Wohnungsunternehmen, Wohnungsbestand Investoren, in Berlin (Stand: 2020) 10% fe im Alleingang bezahlbaren Wohnraum. seinem Versprechen, in dieser Legislatur größere private Eigentümer 10% Kleinere private Eigentümer Private Wohnungsunternehmen, Investoren, 15% 10% Eine fatale Fehleinschätzung. Dazu ein 30.000 bezahlbare städtische Wohnungen Private größere Wohnungsunternehmen, private Eigentümer Investoren, Blick in die Statistik: Für 2020 melden die zu schaffen – realisiert werden stattdessen Selbstnutzer Private größere W Kleinere ohnungsunternehmen, private Eigentümer Investoren, Eigentümer private 42% Kleinere 15% größere pprivate rivate EEigentümer igentümer 15% Berliner Bauaufsichtsbehörden 16.337 fer- nur rund 20.000.“ Kleinere private Eigentümer Selbstnutzer StädGsche WohnungsbaugesellschaIen in Berlin 15% 42% tiggestellte Wohnungen, exakt 14 Prozent Selbstnutzer 42% Selbstnutzer StädGsche WiohnungsbaugesellschaIen WohnungsbaugenossenschaIen n Berlin in Berlin 42% weniger als im Jahr zuvor. In allen Sparten Wachsende Ansprüche StädGsche WohnungsbaugesellschaIen in Berlin Quelle: Amt für Statistik Berlin Brandenburg sind Rückgänge zu verzeichnen. Bei der StädGsche 16% WohnungsbaugenossenschaIen in Berlin erlin W ohnungsbaugesellschaIen i n B Fertigstellung von Bauvorhaben beträgt der Mieter WohnungsbaugenossenschaIen in Berlin Foto: Jens-Robert Schulz/Pixelio.de 16% WohnungsbaugenossenschaIen in Berlin 16% das Minus gegenüber dem Vorjahr rund 25 Nachlassende Bautätigkeit ist jedoch nicht 16% Prozent, bei den Neubauwohnungen rund die einzige Ursache der Misere. Die Ansprü- 17% 13 Prozent, bei Mehrfamilienhäusern sind che an Ausstattung und Lage sind deutlich 17% es gut 11 Prozent weniger. Damit nicht ge- gestiegen. Wenn es um die eigene Wohnung 17% 17% nug, titelt die Pressemeldung des Amtes für geht, war dem Berliner schon immer das Statistik Berlin-Brandenburg „Zahl der fer- Beste gerade gut genug: 20 21
Titel wie noch im Jahr 2000 in den neuen Län- einen Ritt auf der Rasierklinge vollführen: dern und Berlin-Ost.“ Ob verzweifelte Woh- Er will sich es nicht mit den Wählern ver- nungssuchende das auch so sehen? Enge ist scherzen – mehr als jeder zweite Berliner eben relativ. hat sich für die Enteignung privater Woh- nungsunternehmen ausgesprochen. Auf der Zumal Berlin mit einer durchschnittlichen anderen Seite darf er private Investoren Wohnungsgröße von 73 Quadratmetern nicht verprellen. (Stand: Ende 2020) bereits heute deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt Ohne sie bliebe es beim Bau von Luftschlös- von 92 Quadratmetern liegt. Ähnlich sieht es sern – eine bittere Erkenntnis für das Rote bei der Wohnfläche pro Kopf aus. Bundesweit Rathaus. Ein Blick auf den Wohnungsbestand sind es 47,7 Quadratmeter, in der Haupt- verdeutlicht dies. Von den insgesamt 1,98 stadt 39,6 Quadratmeter. Bei der Wohnei- Millionen Wohneinheiten (Stand: Ende 2020) gentumsquote schließlich bildet Berlin das befinden sich rund 323.000 im Besitz lan- Schlusslicht im Länderranking. Sie beträgt deseigener Wohnungsbaugesellschaften. Der bundesweit etwa 46 Prozent, in Berlin dage- weitaus größte Teil, nämlich gut 800.000, gen nur knapp über 17 Prozent. Mit anderen entfällt indes auf private Wohnungsunter- Worten: Berlin war, ist und bleibt vermutlich nehmen, Investoren und große Privat- auch in Zukunft eine Mieterstadt. eigentümer. Die 80 Wohnungsbaugenos- Kinderlose Paare senschaften an der Spree steuern 186.000 bevorzugen Andererseits muss die Frage erlaubt sein, Wohnungen bei. Allein die größte unter ih- Wohnen in Kiezlage Mieten sind offenbar im Bestand noch nicht ob es ein Recht auf eine top sanierte, be- nen, die Wohnungsgenossenschaft Lichten- so hoch, dass leerstehende Zimmer unter- zahlbare Wohnung in Bestlage einer Welt- berg, hat 10.000 Wohnungen im Bestand. vermietet werden müssten. Singles halten metropole gibt. Und dies auf Kosten der Einzimmerwohnungen für unzumutbar, Paa- Allgemeinheit, weil der Mietpreis aus Steu- Umso wichtiger war nach der Wahl zum auch Wedding und Nord-Neukölln gelten re träumen von wenigstens vier bezahlba- ermitteln subventioniert werden muss. Das Abgeordnetenhaus 2021 und der Senats- als angesagt. Randlagen wie Buckow oder ren Zimmern, und Zweitwohnungen werden führt zu der Rolle des Staates. CDU-Chef bildung ein klares Signal an die Bau- und Hakenfelde rangieren in der Gunst der Be- behalten. Die Witwe kann andererseits aus Kai Wegner ging unlängst mit der Landes- Wohnungswirtschaft, dass das Rote Rathaus werber weit unten. Nur im äußersten Not- ihrer Fünfzimmerwohnung nicht ausziehen, politik hart ins Gericht: „Mietendeckel, Ent- einen Kurswechsel vollzieht. „Rot-Grün-Rot fall wird der Radius bei der Wohnungssuche weil die Zweizimmerwohnung mindestens eignungsfantasien und eine überbordende muss sich nach der verfehlten Wohnungs- über den S-Bahn-Ring hinaus ausgedehnt. genauso teuer ist.“ So die nüchterne Ana- Bürokratie haben den Wohnungsbau in baupolitik in der vergangenen Legislatur- Das Interesse gerade der jungen Zuzügler lyse von Alexander Kraus, Berliner Landes- Fesseln gelegt.“ Die Fundamentalkritik ist periode endlich klar zum Bauen beken- konzentriert sich auf wenige innerstäd- chef beim Bund der Steuerzahler. nicht unberechtigt. Durch die Verstaatli- nen“, schrieb die Fachgemeinschaft Bau tische Kieze. Da sich darunter viele Gut- chung von Bestandswohnraum und die De- Berlin und Brandenburg dem neuen Senat und Besserverdiener befinden, wächst der Wie wäre es, wenn sie etwas enger zusam- ckelung der Miethöhe qua Gesetz entsteht ins Stammbuch. Der Fokussierung auf den Gentrifizierungsdruck auf alteingesessene menrücken würden? Diplom-Volkswirt Kraus keine einzige Wohnung zusätzlich. Wohnungsbau müsse in den nächsten fünf Mieter. Ihnen bleibt bei einer Mieterhö- schließt ein Rechenexempel an. Bei durch- Jahren höchste Priorität eingeräumt wer- hung oft nur der Umzug an den Stadtrand. schnittlich zwei Personen pro Wohnung den. Nur so könne der dringend benötigte Holzweg Enteignung Die luxusmodernisierte Drei-Zimmer-Woh- statt derzeit nur 1,87 Personen ließen sich Wohnraum geschaffen werden, betonte nung mit Marmorbad im kaiserzeitlichen über 250.000 Menschen zusätzlich in dem Eine (teilweise) Enteignung wäre sogar in Dr. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführe- Stuck-Altbau ist zu einem Statussymbol vorhandenen Wohnungsbestand Berlins un- höchstem Maße kontraproduktiv. Kein Un- rin der Fachgemeinschaft Bau. junger, erfolgreicher Neu-Berliner gewor- terbringen. Bei einer Belegung mit gut 2,3 ternehmer würde unter diesen Umständen Foto: Cottonbro/Pexels.com den. Tucholsky lässt grüßen. Einwohnern je Wohnung hätten sogar ins- künftig auch nur einen Euro in den Bau Bausenator Geisel sucht gesamt über 4,5 Millionen Menschen Platz. neuer Wohnungen investieren. Auf das Land Hinzu kommen mangelnde Mobilität und „Mit dann nur noch durchschnittlich knapp Berlin kämen Entschädigungszahlungen in die Kooperation Flexibilität. Oder böse formuliert: Der Lei- 32 Quadratmetern pro Person müsste man Milliardenhöhe zu. Geld, das dann für den Ihre Hoffnungen richten sich auf die Re- densdruck muss erst noch steigen. „Die dann in Berlin allerdings so beengt leben, Wohnungsbau fehlt. Der Senat muss hier gierende Bürgermeisterin Franziska Giffey, 22 23
Titel vor allem aber Bausenator Andreas Geisel. Man sehe „einer konstruktiven und prag- matischen Zusammenarbeit“ entgegen, „um die zahlreichen Bauhemmnisse in Berlin gemeinsam abzubauen“. Geisel wie- derum hat die Botschaft verstanden. Seine beiden Hauptziele: der Neubau von 20.000 Wohnungen jährlich und stabile Mieten. In einem bemerkenswert deutlichen Inter- view der Berliner Morgenpost rechnete der SPD-Politiker mit seinen (linken) Amtsvor- gängern ab. Eine Kostprobe: Die Zahlen der Clea- ringstelle, die schleppende Bauvorhaben beschleunigen soll, seien in seiner Amtszeit als Stadtentwicklungssenator von 2014 bis 2016 „steil nach oben gegangen“. Als die Linken das Ressort übernommen haben, Franziska Giffey hat seien sie wieder abgefallen. Seine Bemer- den Wohnungsneubau zur kung, „man müsse jetzt aus den Planun- Chefinnensache erklärt gen in die Handlung“ kommen, attestiert seinen Vorgängern wahlweise Untätigkeit oder Unvermögen. Geisel weiter: Es sei jetzt höchste Zeit, das Gegeneinander zu Wohnungen in der ganzen Stadt zu bauen. zeitnah Baugenehmigungen erteilen. Wenn Vergleich mit anderen Kommunen, die be- beenden. „Wir brauchen das Miteinander Und gleichzeitig die Mieten stabil zu hal- man frage, „woran es gelegen hat, dass die reits in Digitalisierung investiert haben“, aller Akteure.“ Dazu zählten die kommu- ten. Das geht nur gemeinsam mit den lan- Ziele in den vergangenen fünf Jahren nicht pflichtet ihm Carsten Sellschopf bei, COO nalen Wohnungsbaugesellschaf ten, die deseigenen Wohnungsbaugesellschaften, erreicht wurden, so lag das an den deutlich von Nord-Ost Instone Real Estate. Genossenschaften und eben auch die pri- Genossenschaften, privaten Bauherren, verlängerten Planungsprozessen“, mo- vaten Bauherren. Schließlich befänden sich dem Senat und den Bezirken“, betonte er nierte der SPD-Senator im Morgenpost-In- Ein (Negativ)Beispiel ist das Projekt Elisa- 80 Prozent der Baufläche in Berlin in pri- im Interview mit der BERLINboxx (S. 8/9). terview. Auch seien Grundstücke „nicht in beth-Aue in Pankow. Noch 2016 sahen die vatem Eigentum. „Das heißt, ohne Private Die Fachgemeinschaft Bau sieht in der dem Maße übertragen worden, in dem das Planungen den Bau von 5.000 Wohnungen geht es nicht“, unterstreicht Geisel. neuen Partnerschaftlichkeit den richtigen erforderlich war.“ vor. Dann geriet der Verwaltungsmotor ins Ansatz für das Bündnis, „um die ambiti- Stocken. Auf Nachfrage Geisels teilte ihm Der Koalitionsvertrag gibt den Weg für die onierten Wohnungsbauziele zu erreichen.“ Dabei stünden genügend Flächen zur Ver- der Bezirk lakonisch mit, man könne sich institutionalisierte Zusammenarbeit von fügung. Im Stadtentwicklungsplan Wohnen 2.000 Wohnungen vorstellen. Vielleicht Politik und Privatwirtschaft vor. „Gemein- In der Analyse der zentralen Aufgaben sind Flächen für circa 200.000 Wohnungen würden es aber auch nur 1.000. Geisels sam mit den Akteuren“ solle ein Bündnis sind sich Dr. Manja Schreiner und Andreas ausgewiesen – deutlich mehr Potenzial als Geduld war damit erschöpft. „5.000 Woh- für Wohnungsbau und für bezahlbare Mie- Geisel weitgehend einig. Es gehe um die andere Großstädte. Aber man müsse die nungen sind die Maßgabe“, lautet die klare ten gegründet werden, warb der Bause- Verkürzung der Planungs- und Genehmi- Flächen auch entwickeln wollen, mahnt Ansage. Jetzt müsse endlich Planungsrecht nator kurz nach dem Jahreswechsel. We- gungsverfahren, die Vereinfachung des Gesobau-Chef Jörg Franzen an. Wie Geisel geschaffen werden. Foto: SPD Berlin, Jonas Holthaus nige Wochen später erfolgte bereits die Vergaberechts und eine Reduzierung der macht auch er die Bezirke ein Stück weit für Gründung – und wurde von beiden Seiten Vorschriften, so die Hauptgeschäftsfüh- die Misere verantwortlich. Es dauere viel zu Wie es in Zukunft besser laufen kann, beweist freudig begrüßt. Senator Geisel sprach von rerin der Fachgemeinschaft Bau. Geisel lange, bis die Wohnungsbaugesellschaften Instone schon heute. Das Unternehmen re- Partizipation als wichtigem Element für mahnte darüber hinaus mehr Tempo bei Baurecht bekämen. „Die Prozesse bei den alisiert in der Region Berlin-Brandenburg Akzeptanz. „Es geht darum, schnell und den Bezirksämtern an. Sie hätten zügig Ämtern müssen eben deutlich effizienter zwei Projekte. „Das ist das Quartier „Frie- den heutigen Anforderungen genügend Planungsrecht zu schaffen und müssten werden. Man sieht die Unterschiede beim denauer Höhe“ in zentraler Berliner Lage, 24 25
Titel in dem wir im Joint Venture mit der OFB Berlin berühmt für seine Traufhöhe von 22 rund 1.060 Wohnungen bis 2026 entwi- Metern. Sie rührt aus der Kaiserzeit her, als ckeln. Dazu gehören aber auch die „Fonta- die Feuerwehr über keine längeren Leitern ne Gärten“ in Potsdam-Bornstedt mit 108 verfügte. Höchste Zeit also, die Vorschrif- Wohneinheiten. Damit sind wir natürlich ten aus dem 19. Jahrhundert der verän- gut beschäftigt, sind aber als deutschland- derten Realität anzupassen. Ähnliches gilt weit tätiger Wohnentwickler so aufgestellt, für die Abstandsflächen. Berlin ist eine der dass wir ohne Probleme auch weitere Pro- grünsten Metropolen in Europa. Wenn dies jekte in Berlin-Brandenburg umsetzen so bleiben soll, darf der Wohnungsbau nicht könnten“, erläutert Sellschopf. Und fügt auf Kosten der Grünflächen gehen. Das hat hinzu: „Letztendlich brauchen wir in Berlin zur Folge, dass in Zukunft verdichtetes ein investitionsfreundliches Klima, um der Bauen kein Tabu mehr sein darf. In den In- Stadt wieder mehr Dynamik zu geben.“ nenstadtlagen sind die Preise für Bauland um bis zu tausend Prozent gestiegen. Das Neustart: Bündnis schließt den Ankauf fremder Grundstücke durch städtische Wohnungsbaugesellschaf- für Wohnungsbau und ten nahezu aus. Sie könnten stattdessen bezahlbare Mieten auf Grundstücken bauen, die ihnen schon gehören. Nicht immer stehen Unwille oder Unver- Carsten Sellschopf, COO Nord-Ost der Instone mögen der beteiligten Behörden dem Bei seinem Bemühen, dem Berliner Woh- wirtschaft und Wohnungsunternehmen ge- Real Estate Development GmbH, Wohnungsbau im Wege. Manchmal schei- nungsbau in einer konzertierten Aktion wiss sein. „Das Bündnis für Wohnungsbau fordert effizientere Prozesse in den Ämtern tern Projekte noch im Planungsstadium Beine zu machen, kann sich Bausenator und bezahlbare Mieten ist eine sehr viel- Grafik/Quelle: Faus, J.; Faus, R.; Ickstadt, L. (2021): Wohin wächst Berlin? Berlin: Friedrich.-Ebert-Stiftung, Landesbüro Berlin an überkommenen Bauvorschriften. So ist Geisel der Unterstützung von Immobilien- versprechende Absicht des Berliner Senats, den angespannten Wohnungsmarkt in Ber- lin in den Griff zu bekommen“, lobt etwa und schnellere Genehmigungsprozesse. Stefanie Frensch, Sprecherin der ZIA-Regi- Und zusätzlich den unbedingten Willen al- on Ost. Die Immobilienwirtschaft stehe zum ler Beteiligten, dieses Ziel gemeinsam für Dialog bereit. Der runde Tisch, bestehend Berlin zu erreichen.“ aus Politik, Stadtgesellschaft und Immobi- lienwirtschaft, stelle hierfür ein geeignetes Am mangelnden Willen der Partner aus Instrument dar. Ihr Wort hat Gewicht, gilt der Privatwirtschaft mangelt es jedenfalls doch der Zentrale Immobilien Ausschuss nicht. Das macht auch Maren Kern vom Ver- (ZIA) als Spitzenverband der Branche. band Berlin-Brandenburgischer Wohnungs- unternehmen (BBU) deutlich. Sie hält die Die Immobilienexpertin hat konkrete Rat- Zielmarke von jährlich 20.000 neugebauten schläge für Geisel im Gepäck. Es komme Wohnungen in Berlin für „sehr ambitioniert, jetzt auf „eine Beschleunigung bei der Aus- aber richtig und realistisch.“ Und benennt weisung von passenden Grundstücken und mit Baukostenexplosion, Baulandknappheit Flächen zur Entwicklung von neuem und be- und langen Planungs- und Genehmigungs- zahlbarem Wohnraum“ an. Stefanie Frensch verfahren auch die größten Hindernisse auf weiter: „Wenn am Ende die Zielmarke von dem Weg dorthin. 200.000 neuen Wohnungen bis 2030 min- Foto: Inga Sommer destens in Sichtweite rücken soll, braucht Im Interview mit der BERLINboxx geht die es vereinfachte Bauvorschriften, stärkere BBU-Vorständin ins Detail. Wichtig sei eine digitale Schnittstellen in den Bauämtern personelle und vor allem auch digitale 26 27
Titel BBU-Chefin Maren Kern erwartet 2022 mehr als 10.000 fertiggestellte Mietwohnungen durch ihre Mitglieds- unternehmen Auftaktsitzung des Bündnisses für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen Verstärkung der Behörden. Außerdem müss- versichert Maren Kern: „Auch in der sozi- planungsrechtlich möglich und angesichts Aber selbst hier sind die Möglichkeiten ten die Bauplanungsverfahren dringend alen Wohnungswirtschaft Berlins stehen der steigenden Baukosten keine Ausschrei- begrenzt. Abstriche bei den energetischen vereinfacht werden. Ein Ansatzpunkt hier- Klimaschutz und nachhaltiges Bauen schon bungen wiederholt werden müssen“, war Standards lassen die gesetzlichen Vorga- für wäre bereits, „die Berliner Bauord- lange weit oben auf der Agenda.“ beim BBU einschränkend zu hören. Die ben nur in Ausnahmefällen zu. Und auf nung nicht noch weiter zu verschärfen“. entscheidenden Faktoren seien Bauland- Balkone zum Beispiel können und wollen Die Topmanagerin denkt dabei an Dach- Durch innovativen Neubau und hohe Mo- mobilisierung, Bauakzeptanz und Baukos- die Wohnungsbaugesellschaften mit Blick und Fassadenbegrünungen, die Erhöhung dernisierungsinvestitionen lägen die tenentwicklung. auf die langfristige Vermietbarkeit nicht des Anteils barrierefreier Wohnungen und CO2-Emissionen der Bestände der Berliner verzichten. Wie dann aber eine Absenkung eine Entschlackung der Bauordnung von BBU-Mitgliedsunternehmen heute rund Steigender Kostendruck der Standards aussehen könnte, das müsse ohnehin geltendem Nebenrecht. „Kommu- 70 Prozent unter dem Wert von 1990. Kli- von Projekt zu Projekt entschieden werden, nikativ wird es darum gehen, ein wachs- maschutz sei nur dann nachhaltig, wenn er Stichwort Baukosten: Natürlich ist die Me- hieß es in der Senatsbauverwaltung. tums- und baufreundliches Klima in der langfristig bezahlbar, effizient und wirt- tropolregion nicht von der allgemeinen Stadt zu stärken und dabei zu vermitteln: schaftlich tragbar ist. Wesentliches Ziel Entwicklung abgekoppelt. Die amtlichen Die landeseigenen Wohnungsbaugesell- Entwicklung kommt allen zugute.“ müsse daher die Reduzierung von Treib- Statistiker legten im Januar die aktuellen schaften stehen auch aus einer anderen hausgasemissionen sein. Als Zielmarke der Daten vor. Demnach lagen die Preise für Richtung unter massivem (Kosten)Druck. Für mehr Tempo beim Bauen brächten die BBU-Mitgliedsunternehmen gibt Vorständin den Neubau von Wohngebäuden im Novem- Bei Neubauprojekten müssen mindestens Mitgliedsunternehmen ihre Expertise ein. Kern für 2022 die Fertigstellung von mehr ber 2021 in Berlin im Schnitt um 13,9 Pro- die Hälfte der Wohnungen mietpreis- und Dazu zählten Innovationen wie serielles als 10.000 Mietwohnungen in der Region zent, in Brandenburg sogar um 17,4 Pro- belegungsgebunden für höchstens 6,70 Planen und Bauen, ebenso verstärktes an, das Gros davon in Berlin. zent höher als ein Jahr zuvor. BBU-Chefin Euro pro Quadratmeter an Menschen mit Fotos: Senatskanzlei/Sebastian Wolf; BBU Bauen mit Fertigteilen. „Der BBU fungiert Maren Kern spricht von einer regelrechten Wohnberechtigungsschein (WBS) ver- dabei als Innovations-Turbo“, beschreibt Etwas niedriger liegt die Latte bei den „Preisexplosion beim Bau“. Deren Ursachen mietet werden. Von den vorhandenen sie den Part ihres Verbandes im Bündnis. Neubauvorhaben. Die sechs landeseige- sind bekannt, bei den Maßnahmen zur Wohnungen gehen sogar 63 Prozent an Man habe Erfahrung als Netzwerkplattform nen Wohnungsbaugesellschaften (Degewo, Preisdämpfung halten sich Senat und Bau- WBS-berechtigte Haushalte. Von diesen für Digitalisierungstreiber und etablierte Gesobau, WBM, HOWOGE, Stadt und Land, wirtschaft gleichermaßen bedeckt. 63 Prozent wiederum muss ein Viertel der Wohnungsunternehmen. Auf das nicht im- Gewobag) wollen nach Angaben der bbu in Wohnungen an besondere Bedarfsgrup- mer spannungsfreie Verhältnis zwischen diesem Jahr mit dem Bau von rund 7.000 Klar ist, à la longue führt kein Weg an ei- pen, wie Wohnungslose oder Geflüchtete, Ökonomie und Ökologie angesprochen, neuen Wohnungen beginnen. „Sofern ner Absenkung der Baustandards vorbei. vermietet werden. 28 29
Titel Stefanie Frensch, Sprecherin der ZIA Region Ost, betont die Dialogbereit- schaft der Immo- bilienwirtschaft Co-Working und Co-Living schaffen neue Wohnformate All das animiert private Investoren nicht die Voraussetzung für die Förderung sind, gerade, Wohnraum in diesem Segment zu von vornherein nicht darstellen. Oder sie schaffen. Dazu ein Blick in die Statistik: müssten das Defizit aus eigener Tasche Haushalt, der im Juni beschlossen werden meister von Marzahn-Hellersdorf, Gordon Im vergangenen Jahr waren im Berliner beziehungsweise mit Fremdkapital ausglei- soll, sind Fördermittel für 5.000 Sozialwoh- Lemm, sowie der Gesobau-Vorstandsvorsit- Budget Mittel zur Finanzierung von 3.500 chen. Entsprechend gering ist das Interesse nungen pro Jahr eingeplant. „Ich werde zende Jörg Franzen. Das Bündnis für Woh- Sozialwohnungen eingestellt. Abgerufen an dieser Form staatlich gelenkten Woh- dafür sorgen, dass das Geld auch abgerufen nungsbau hat seine erste Bewährungsprobe wurden sie aber nur für etwas mehr als nungsbaus. „Wir werden unsere Wohnungs- wird“, verspricht Geisel. bestanden. 1.000. „Und das waren auch nur die landes- bauförderung attraktiver machen müssen“, eigenen Wohnungsbaugesellschaften, die so Andreas Geisels Fazit. Dass die städtischen Wohnungsbauun- Neue Wohntrends wir dazu gezwungen haben, die Förderung ternehmen unter diesen Umständen in Anspruch zu nehmen“, räumt SPD-Sena- Oft hilft ein Blick über den Tellerrand. In überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum Apropos Studierenden-Wohnhaus: Berlin tor Geisel ein. Dies könne nicht so bleiben. Hamburg und selbst im Nachbarland Bran- schaffen können, grenzt an ein Wunder. zählt zu Deutschlands begehrtesten Studi- Deshalb wolle er die Wohnungsbauförde- denburg sind die aktuellen Kostenstruktu- Ein solches kleines Wunder war Anfang enorten. An den Universitäten und Hoch- Fotos: Harry Schnitger; Visual Tag Mx/Pexels.com rung in der Hauptstadt überarbeiten, und ren bereits abgebildet. Berlin werde diesem Februar das Richtfest für weitere 448 von schulen sind derzeit fast 200.000 Studie- zwar kurzfristig. Beispiel folgen, erklärt der Bausenator. Mit rund 1.500 Wohnungen im Quartier Stadt- rende eingeschrieben – und die brauchen finanziellen Anreizen wie Eigenkapitaler- gut Hellersdorf. Auf einem Grundstück bezahlbare „Buden“. Das müssen nicht Das Problem dabei ist, die Förderung basiert satz oder einem teilweisen Tilgungsverzicht nördlich des Liberty-Parks entstehen ins- immer die eigenen vier Wände sein. Viele auf der Kostenstruktur von 2018. Die Preis- will er Bauherren die Inanspruchnahme der gesamt 13 Wohnhäuser mit 408 Wohnun- angehende Akademiker bevorzugen ein sprünge der vergangenen drei Jahre sind Fördermittel schmackhaft machen. Auf die- gen sowie ein Studierenden-Wohnhaus mit gemietetes Zimmer in einer Wohngemein- folglich nicht berücksichtigt. Das macht se Weise könnten bezahlbare Wohnungen 40 Wohnungen für bis zu 84 junge Men- schaft. Das ist zumeist günstiger als eine das Ganze für Bauherren unattraktiv. Sie zu 6,70 Euro pro Quadratmeter entstehen, schen. Beim Richtfest Seite an Seite: Bau- kleine, eigene Wohnung. Die WG-tauglichen können entweder die niedrigen Baukosten, die Berlin so dringend brauche. Im neuen senator Andreas Geisel, der Bezirksbürger- Altbauwohnungen konzentrieren sich 30 31
Titel Baufachkräfte sind absolute Mangelware Mehr Richtfeste braucht die Stadt! überdies auf die Innenstadtbezirke mit ih- Mehrgenerationenhaus im Wrangelkiez. Es ren attraktiven Kulturangeboten und einer ist Teil des dortigen Familien- und Nachbar- hoher Kneipendichte. Im Idealfall lässt sich schaftszentrums. das persönlich Angenehme, nämlich eine günstige Miete, mit dem gesellschaftlich Share Economy, Shared Working, Shared Nützlichen verbinden. In der alternden Living – in Zeiten mobilen Arbeitens entwi- Stadt finden sich immer häufiger Angebote ckeln sich neue Wohnformen. Beim Co-Living älterer Mieter, die gegen Unterstützung im stand das Konzept des Co-Working Pate, bei Alltag Zimmer an Studenten abgeben. dem sich etablierte Büroarbeitende ge- meinschaftliche genutzte Arbeitsflächen Das Modell des altersgemischten Wohnens mit Startups teilen. Dabei handelt es sich an Baufachkräften macht auch vor Berlin Hier ist der Berliner Senat gefordert. Berlin liegt voll im Trend. Einer älteren Studie des in der Regel um Trendwohnungen in urba- nicht halt. Seit Jahren können nur mit darf seine industrielle Basis und vor allem wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen ner Lage. Und die hat ihren Preis. Wer es Mühe freie Lehrstellen im Bausektor besetzt das (Bau)Handwerk nicht vernachlässigen. Beratungsunternehmens Empirica zufolge noch etwas exklusiver (und teurer) mag, werden. Allein zu Beginn des Lehrjahres im Das setzt eine Stärkung der beruflichen Fotos: GEOSBAU_AG_Christoph_Schieder; Los Muertos Crew/Pexels.com wünschen sich mehr als 600.000 Erwach- wählt das Coliving Space mit Rundum-Sorg- vergangenen Herbst waren in der Haupt- Bildung voraus. „Wir brauchen mehr Hand- sene in Deutschland für die eigene Zukunft los-Paket. Dies deckt alle Kosten ab, inklu- stadtregion hunderte Ausbildungsplätze werker und weniger Maulwerker“, heißt es das Leben in einem Mehrgenerationenhaus. sive Möblierung, Reinigungsservice und vakant. Bundesweit fehlten im Vorjahr in im Volksmund. Die Malocher auf dem Bau Berlin kennt eine Vielzahl von Projekten, gegebenenfalls Nutzung des hauseigenen der gesamten Immobilienwirtschaft 36.000 verdienen die gleiche Wertschätzung wie vom Beginenwerk Müggelhof in Friedrichs- Fitness- und Wellnessbereichs. Handwerker. Nicht eingerechnet ist dabei der Virologe an der Charité. Mit der Grün- hain, über die Alten-WG Cheruskerstraße die energetische Gebäudesanierung. Be- dung des Bündnisses für Wohnungsbau und am Schöneberger Gasometer, in der Senio- sonders groß ist der Fehlbedarf in den Be- für bezahlbare Mieten ist der Grundstein Mehr Handwerker*innen ren mit Wohngemeinschaften unter einem reichen Sanitär-, Heizungs- und Klimatech- gelegt. Es ist jetzt an Franziska Giffey und Dach leben, bis hin zum Wohn!Aktiv-Kon- braucht das Land nik sowie der Bauelektrik. Laut Statistik der Andreas Geisel, die Partnerschaft zwischen zept der Gewobag für Menschen über 60, Bauen geht nicht ohne Bauarbeiter*innen. Bundesagentur für Arbeit gehören zu den Staat und Privatwirtschaft mit Leben zu fül- die selbstständig wohnen, aber in akti- Das klingt banal, bringt aber eines der 15 Berufen mit den größten Engpässen fast len. Konfrontation statt Kooperation kann ver Gemeinschaft leben wollen. Über die drängendsten Probleme im Wohnungsbau ausschließlich Berufe aus dem Baugewerbe sich Berlin in der Wohnungspolitik nicht Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist das auf den Punkt. Der bundesweite Mangel und den vorgelagerten Zulieferindustrien. länger leisten. (evo) 32 33
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