Denker Lenker Siegertypen - Universität Mannheim
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DAS MAGAZIN VON ABSOLVENTUM UND DER UNIVERSITÄT MANNHEIM AUSGABE 1|2019 Denker Lenker Siegertypen So erfolgreich LEIBNIZ- NEUES SCIENCE sind PREIS D ATA C E N T E R Mannheims Prof. Michèle Tertilt Millionenförderung Alumni ausgezeichnet vom Land
Pro Jahr schließen durchschnittlich rund 2.600 junge Men- schen ihr Studium an der Universität Mannheim erfolgreich ab, bevor ihre Alma Mater sie in den so viel beschworenen Ernst des Lebens entlässt. Alma Mater – übersetzt heißt das die sorgende, nährende Mutter. Sorgen braucht sich die Uni- versität Mannheim um ihren Nachwuchs keine zu machen. Ein Nährboden für hervorragende Absolventinnen und Absol- venten ist sie jedoch alle Mal – und das bereits seit Jahrzehn- ten. In dieser Ausgabe wollen wir Ihnen eine kleine Auswahl LIEBE von Alumni vorstellen, auf die wir besonders stolz sind: zum Beispiel den renommierten Sozialwissenschaftler und Oxford- LESERINNEN Professor Bernhard Ebbinghaus, die Grünen-Bundestagsabge- ordnete Dr. Franziska Brantner, Europas erfolgreichsten Mo- UND LESER demanager Dr. Bruno Sälzer und Dr. Johannes Dengler, der in Mannheim Wirtschaftsinformatik studiert hat und seit 17 Jahren eines der größten deutschen Kaffeeimperien leitet – die Alois Dallmayr Kaffee OHG. Neben vielen großen Namen erzählen wir Ihnen auch die Erfolgsgeschichten einiger junger Mannheimer Absolventinnen und Absolventen, von denen wir sicherlich noch einiges hören werden. Damit die Universität Mannheim auch in Zukunft die besten Alumni Deutschlands hervorbringt, arbeiten wir täglich daran, die universitäre Ausbildung weiter zu stärken – und haben in dieser Richtung einige Erfolgsmeldungen zu verkünden: So wird das Land Baden-Württemberg unsere innovativen Kon- zepte in Studium und Lehre (S. 44) sowie ein neues Science Data Center (S. 42) in den kommenden Jahren mit insgesamt über drei Millionen Euro fördern. Auch das ALEUESS-Bündnis, ein Zusammenschluss der zwölf besten europäischen Hoch- schulen in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, nimmt weiter Gestalt an (S. 50): Ziel ist es, nicht nur der Bedeutung dieser Fächer auf europäischer Ebene Nachdruck zu verlei- hen, sondern auch in der Forschung und im Studierendenaus- tausch zu kooperieren. Bleibt nur noch zu hoffen, dass das Jahr für die Universität Mannheim genauso erfolgreich weiter geht, wie es angefangen hat. Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen Prof. Dr. Thomas Puhl Rektor Ö�nungszeiten Mo-Do 08:00-18:00 Uhr UNIVERSITÄT MANNHEIM Dr. Peter Merten Fr 08:00-13:00 Uhr SERVICE & MARKETING Präsident von ABSOLVENTUM MANNHEIM Campus Shop shop.uni-mannheim.de
FORUM 1|2019 4–5 INHALT INHALT FORUM 1|2019 10 12 BILDUNG 48 N E U E S FO R S C H U N G S - SCHWERPUNKT DATE N Z E N TR U M DENKER, LENKER, SIEGERTYPEN So erfolgreich sind Mannheims Alumni Eine Million Förderung vom Land 42 CAMPUSLEBEN 40 JAHRE S TU D I U M G E N E R A L E 43 DA S N EUE 5 5 CROS S GY M 35 S TU D I U M U N D L E H R E Ein Selbstversuch 54 K E IN MO D E - MAN AG E R W IE J E D E R AN D E R E Zwei Millionen für I N TE R NATI ONA LE Der ehemalige Hugo Boss-Chef Dr. Bruno Sälzer 16 innovative Konzepte 44 W I N TE RA K A DEMI E 56 „ W IR F R AU E N MÜ SSE N E S FORSCHUNG H O C K E Y S PI E L E R M C E I S EED AWA RD PROFIL WIR KL IC H WO L L E N “ Interview mit Amorelie-Gründerin Lea-Sophie Cramer 18 S TU D I E Z U DER UNI MANNHEIM Im Wettbewerb mit den Carsharing-Startup gewinnt 57 G E FL Ü C H TE TE N besten der Welt 45 E I NE LANGE R EISE DE R G R E N Z G ÄN G E R Arbeitsmarktintegration Wie sich das Rechenzentrum Oxford-Professor Bernhard Ebbinghaus 20 bleibt schwierig 34 neu erfindet 6 MENSCHEN VO N MAN N H E IM Ü B E R B R Ü SSE L J O U R N A L I S TE N M O R D E NETZWERK N E UE GLE I CHSTELLU N G S- NAC H B E R L IN Prof. Sabine Carey über ein B E AUF T RAGT E Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Franziska Brantner 22 dramatisches Phänomen 35 PR E I S E UND Prof. Dr. Jutta Mata 8 U S A B I L I TY U N D K Ü N S TL I - A U S Z E ICHNUNGEN 58 JU N G U N D E R F O L G R E IC H ANLEGER C H E I N TE L L I G E N Z W E CHS E L I M U N IRAT 9 Sechs Alumni, die Sie sich merken sollten 24 Ü B E R S C H ÄTZ E N Tagung an der Uni Mannheim 46 S TI FTE R-P ORTRÄT S I C H O FT H E I L L O S Dr. Carl-Heinrich Esser 60 K UNS T RADFA H R EN EIN E FAMIL IE , E IN E U N I Interview mit Finanzexperte EIN SCHWIERIGES ERBE Mannheimer Sportstipendiat Stefan Fuchs im Interview 28 Prof. Martin Weber 36 Investigativjournalistin Dina Gold E I N W I EDERS EHEN MI T gewinnt WM 10 im Interview 48 Dr. Jörn Ungerer 62 GE B O R E N E AN F Ü H R E R IN N E N G E N O M - E D I TI E R U N G D I E GRÜNDE RFREUN D - MBS-Absolventin Liz Ascherl 30 350.000 Euro für G E M E I N S A M S TÄ R K E R W I L L KOMMEN L I CHS T E N UNIS Forschungsprojekt 40 ALEUESS-Bündnis nimmt Gestalt an 50 Neue Professorinnen Mannheim auf Platz 2 11 I M R E IC H D E R B O H N E N und Professoren 64 Dallmayr-Chef Dr. Johannes Dengler 32 AIRBNB WUMAN L EI BNI Z-PRE IS Wie der Staat an seine Neues Netzwerk für E S WA R EI NMA L . . . Prof. Michèle Tertilt ausgezeichnet 12 Steuereinnahmen kommt 41 Nachwuchswissenschaftler 52 Auf den Hund gekommen 66
FORUM 1|2019 6–7 PROFIL PROFIL parallel zum Tagesgeschäft zu starten. Als Arbeitgeber haben 1|2019 wir durchaus etwas zu bieten. Was uns auszeichnet, sind die tolle Arbeitsatmosphäre und die vielen innovativen Projekte, die wir für die Lehrstühle, Fakultäten und die Verwaltung um- INTERVIEW setzen. Außerdem sind wir als Universitätsrechenzentrum von tausenden jungen begabten Menschen umgeben – das hat „WIR HABEN kein anderer Arbeitgeber in der IT-Branche zu bieten. EINE LANGE FORUM: Welche Steine konnten Sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren als Leiter des Rechenzentrums bereits ins REISE VOR UNS“ Dr. Josef Kolbitsch, Leiter des Rechenzentrums der Uni Mannheim Rollen bringen? Kolbitsch: Ich glaube, ich habe es geschafft, an vielen kleinen Stellen Veränderungen anzustoßen. Dazu gehört vor chenzentren Deutschlands errichten, nur so können wir uns allem, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unsere Rolle In der freien Wirtschaft ist das Einstiegsgehalt von In- als attraktiver Arbeitgeber positionieren. als Rechenzentrum sich radikal gewandelt hat. Wir sind nicht formatikerinnen und Informatikern teilweise doppelt mehr ein reiner Dienstleister, der damit beauftragt wird, ein FORUM: Die Stadt hat der Universität im März den Weg IT-Problem zu lösen – dazu sind die Problemstellungen viel zu so hoch wie am Ende der Karriere in einer öffentlichen für das Baurecht für A 5 frei gemacht. Bis 2024 soll das neue komplex geworden. Wir verstehen uns als Partner, der über Institution. Das Rechenzentrum der Universität Mann- Gebäude stehen. Haben Sie schon genauere Vorstellungen, wie den gesamten Prozess von der Idee über die Planung bis zum heim ringt deshalb um Fachkräfte, die Lage ist prekär. es aussehen soll? Endprodukt dabei ist und die jeweiligen Stellen bei der Um- setzung unterstützt. Der Web-Relaunch ist solch ein Beispiel. Dr. Josef Kolbitsch kämpft seit 2016 als Leiter des Kolbitsch: In Zukunft befinden wir uns im Herzen des Das Rechenzentrum wird in den kommenden fünf Jahren je- Rechenzentrums dagegen an. Er will es zu einem der Campus. Wenn Sie den modernen Gebäudekomplex betre- denfalls völlig anders aussehen. Nicht nur räumlich – auch modernsten in der deutschen Hochschullandschaft ten, gelangen Sie zunächst in einen lichtdurchfluteten und für die Aufgaben, die Schwerpunkte und die Organisation werden alle frei zugänglichen Eingangsbereich, wo unsere Services sich verändern. machen – und ist auf einem guten Weg. für Nutzerinnen und Nutzer untergebracht sein werden. Dar- über befinden sich unsere Arbeitsbereiche, wo Silicon-Valley- FORUM: Und dabei reden alle mit – Sie selbst stehen für Atmosphäre herrscht. Statt typischen Einzel- und Zweierbü- einen neuen Führungsstil, für mehr Gestaltungsraum und Mit- ros wie heute setzen wir in Zukunft stark auf offene Bereiche sprache Ihrer rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was Interview: Nadine Diehl Foto: ESSEC Business School mit unterschiedlichen Arbeitsmöglichkeiten, wo man sich gut bedeutet das konkret? austauschen kann. Unsere Server, der Hochleistungsrechner und die IT-Infrastruktur verschwinden alle im Keller, der mit Kolbitsch: Ich sage nie, ich bin der Chef und ich ent- FORUM: Es ist nicht ungewöhnlich, dass Informatikerin- neuester Klimatechnik ausgestattet sein wird. Wir gestalten scheide das jetzt, sondern ich versuche, meinen Mitarbeitern nen und Informatiker 100.000 Euro brutto pro Jahr verdienen die gesamte Technik nach dem Prinzip der „Green IT“, das die Möglichkeit zu geben, selbst zu gestalten. Das geht von – da kann das Rechenzentrum der Universität Mannheim nicht heißt unsere Server arbeiten energiesparend und mit geringer der Suche nach einem neuen Namen für das Rechenzentrum, mithalten. Was bedeutet das für Sie? Abwärme. Das ist unsere Idealvorstellung des Gebäudes und der besser widerspiegelt, was wir tun, bis hin zur Planung des ich hoffe, dass wir sie gemeinsam mit den Architekten wei- Neubaus. Darin waren alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kolbitsch: Wir sind als Arbeitgeber in der IT nicht kon- testgehend umsetzen können. eingebunden und haben in zahlreichen Workshops Ideen ein- kurrenzfähig. Oft bleiben Stellen bis zu einem Jahr lang un- gebracht, zum Beispiel wie sie sich ihre neue Büroumgebung besetzt, die Lücken müssen wir übergangsweise mit teue- FORUM: Reicht ein modernes Gebäude, um Fachkräfte vorstellen. Als wir unsere IT-Strategie für die kommenden ren Freelancern schließen – das tut weh. Weltfirmen, wie zu bekommen? vier Jahre ausgearbeitet haben, sind wir genauso vorgegan- Microsoft und SAP, stehen bereits selbst gegeneinander im gen. Von 120 Maßnahmen sind 5 von mir, der Rest von den Kampf um Fachkräfte – nur mit wesentlich höheren Gehältern. Kolbitsch: Nein, wir haben noch eine lange Reise vor uns. Mitarbeitern, die die dringlichsten Handlungsbereiche und Zu- Hinzu kommt die bisher unattraktive Arbeitsumgebung. Wir Das ist nur ein Baustein von vielen. Junge, motivierte Mitarbei- kunftsthemen identifiziert haben. Sie wissen schließlich bes- arbeiten in einem Hochhaus aus den 1960er Jahren in L 15, terinnen und Mitarbeiter bekommt man auch über spannende ser als ich, wo es in ihren Bereichen hakt. Diese Arbeitsweise am Rande der Quadrate. Mit dem Neubau in A 5 möchten wir Projekte und Themen, die gerade besonders angesagt sind – gibt auch vielen langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbei- das ändern. Wir wollen eines der modernsten Hochschulre- wie Machine Learning und Big Data. Das versuchen wir gerade tern neue Motivation.
FORUM 1|2019 8–9 PROFIL EXTERNE MITGLIEDER: Prof. Dr. Dr. h. c. Karl Ulrich Mayer WECHSEL IM Vorsitzender des Universitätsrates ehem. Präsident der Leibniz-Gemein- U N I V E R S I TÄT S R AT schaft Prof. Dr. Christian Mann, Mitherausgeber der Klio / Prof. Dr. Dr. h. c. Herta Flor Foto: Aaron Heinz Wissenschaftliche Direktorin Institut Neuropsychologie und Klinische Psychologie am Zentralinstitut für Seeli- sche Gesundheit Mannheim LEHRSTUHL FÜR A LT E G E S C H I C H T E Stefan R. Fuchs Vorsitzender des Vorstands ÜBERNIMMT Fuchs Petrolub SE REDAKTION DER RENOMMIERTEN Margret Suckale Der Universitätsrat der Universität und Analyse (ZUMA) in Mannheim ehem. Mitglied des Vorstands FA C H Z E I T S C H R I F T Mannheim hat den ehemaligen Präsi- (heute GESIS). Er begründete als BASF SE Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Jutta Mata / Foto: Lena Haas KLIO denten der Leibniz-Gemeinschaft, Prof. Herausgeber die European Sociolo- Dr. Dr. h. c. Karl Ulrich Mayer, zum gical Review und war von 2003 bis Dr. Thomas Schaub Vorsitzenden des Gremiums gewählt. 2010 Professor und Vorsitzender Medien Union GmbH P R O F. D R . J U T TA M ATA I S T N E U E Der Lehrstuhl von Prof. Dr. Christian Der vormalige Vorsitzende Dr. John des Departments für Soziologie an GLEICHSTELLUNGSBEAUFTRAGTE Mann hat die Redaktion der Fach- Feldmann schied nach Beendigung sei- der Yale University. Von 2010 bis zeitschrift „Klio. Beiträge zur Alten ner Amtszeit gemäß der Grundordnung 2014 war Professor Mayer Präsident INTERNE Geschichte“ übernommen. Sie wurde des Universitätsrats aus dem Gremium der Leibniz-Gemeinschaft. Der Senat der Universität Mannheim Karrierestufen der Wissenschaft zu 1897 gegründet und ist damit die aus. Die Mannheimer Psychologiepro- MITGLIEDER: hat im vergangenen Oktober Prof. Dr. erreichen. Dies beinhaltet unter an- älteste deutsche Fachzeitschrift für Alte fessorin Dr. Sabine Sonnentag bleibt Der Universitätsrat ist das Auf- Jutta Mata, Inhaberin des Lehrstuhls derem die Stärkung von Frauen in der Geschichte. Sie ist eine der renommier- stellvertretende Vorsitzende. sichts- und Kontrollgremium der Prof. Dr. Sabine Sonnentag für Gesundheitspsychologie, für eine Forschung, die Förderung des wissen- testen Zeitschriften auf diesem Gebiet Universität. Vergleichbar mit dem Stv. Vorsitzende des Universitätsrates Amtszeit von zwei Jahren zur neuen schaftlichen Nachwuchses sowie die und wird weltweit gelesen. Ihre Haupt- „Mit Professor Mayer haben wir einen Aufsichtsrat eines Unternehmens ist Lehrstuhl Arbeits- und Organisations- Gleichstellungsbeauftragten gewählt. Gewährleistung der Vereinbarkeit von themen sind vor allem Probleme der erfahrenen und hochangesehenen das Gremium vor allem für Fragen psychologie Sie folgt damit auf die Germanistin Familie und Beruf. Gemeinsam mit Geschichte Griechenlands und Roms, Vertreter der deutschen Wissen- der strategischen Entwicklung der Prof. Dr. Katharina Philipowski. Stellver- Prof. Dr. Angelika Storrer, Prorektorin die Beziehungen zum Alten Orient sowie schaftslandschaft an der Spitze des Universität zuständig und setzt Prof. Dr. Matthias Krause treterin der Gleichstellungsbeauftragten für Studium, Lehre und Gleichstellung, Ergebnisse spezieller Forschungsge- Universitätsrates“, sagt der Rektor Impulse für die langfristige Positio- Lehrstuhl für Theoretische Informatik bleibt Prof. Dr. Caroline Lusin, Inhaberin sowie der Stabsstelle Gleichstellung biete wie der Epigraphik, Papyrologie, der Universität Mannheim, Prof. Dr. nierung. Das neunköpfige Gremium des Lehrstuhls für Anglistische Litera- und soziale Vielfalt und der Beauf- Archäologie und Numismatik. Seit März Thomas Puhl. „Ich freue mich auf die besteht aus fünf externen und vier Dr. Regine Zeller tur- und Kulturwissenschaft. tragten für Chancengleichheit arbeitet 2018 ist Prof. Dr. Christian Mann Mit- Zusammenarbeit.“ internen Mitgliedern. (LS) Seminar für Deutsche Philologie die Gleichstellungsbeauftragte daran, herausgeber der Klio. Im vergangenen Die Gleichstellungsbeauftragte nachhaltige Programme und Angebote September wurde auch die Redaktion Karl Ulrich Mayer habilitierte sich an Leon Heckmann unterstützt die Universität bei ihrer für diese Beschäftigtengruppen zu an den Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Mannheim und leitete Student Aufgabe, Chancengleichheit auf allen schaffen. (LS) der Universität Mannheim verlegt. (ND) das Zentrum für Umfragen, Methoden
FORUM 1|2019 10–11 PROFIL M A N N H E I M A U F P L AT Z 2 D E R GRÜNDERFREUNDLICHSTEN HOCHSCHULEN DEUTSCHLANDS sierung, die Gründungsunterstützung sowie die Gründungsaktivitäten, also der Effekt, den die Bemühungen der Im Gründungsradar 2018 des Stifter- Mit dem Gründungsradar 2018 wurde Gründungsförderung am Ende haben verbands erreicht die Universität Mann- zum vierten Mal die Gründungskultur – in Form von Ausgründungen, deren heim den zweiten Platz in der Kategorie an Hochschulen in Deutschland Prämierungen und Erfolge bei Förder- der mittelgroßen Universitäten. Sie untersucht. Im Fokus stand die Frage, programmen. gehört damit zu den gründungsfreund- wie Hochschulen die Gründung von lichsten Universitäten in Deutschland. Unternehmen fördern. Analysiert Der Gründungsradar wird durch das Neben der sehr guten Gesamtleistung wurden dafür vier Bausteine: die Bundesministerium für Wirtschaft und erhielt die Universität Mannheim vor institutionelle Verankerung einer Energie gefördert und vom Stifterver- allem im aktuellen Schwerpunkt „Grün- nachhaltigen Gründungskultur an der band in Kooperation mit der Heinz dungsaktivitäten“ Bestnoten. Universität, die Gründungssensibili- Nixdorf Stiftung durchgeführt. (LS) Sportstipendiat Serafin Schefold: Weltmeister auf dem Kunstrad / Foto: Sportstipendium MRN M A N N H E I M E R S P O R T S T I P E N D I AT VERTEIDIGT ERFOLGREICH W M - T I T E L I M K U N S T R A D FA H R E N Ende November des vergangenen Jahres vom Sattel auf den Lenker. Der Spitzen- war es wieder soweit: Das Saisonhigh- sportler ließ sich davon jedoch nicht light im Hallenradsport stand an. Die UCI aus dem Konzept bringen und glänzte Indoor Cycling World Championships fan- anschließend mit perfekter Ausführung. den diesmal im belgischen Lüttich statt. So errang das Zweier-Team erneut den WM-Titel. Beiden Sportlern war die Er- Der Mannheimer Wirtschaftsinformatik- leichterung, ihrer Favoritenrolle gerecht Student und Sportstipendiat Serafin geworden zu sein, anzumerken, als sie Schefold und sein Partner Max Han- sich am Ende des Wettkampfes das selmann gingen als Titelverteidiger im Regenbogen-Trikot des Weltmeisters Kunstradfahren und somit auch als Fa- erneut überstreifen durften. voriten an den Start. Das Team des RV Hohenlohe Öhringen ist bereits seit ei- Serafin Schefold wird derzeit mit dem nem Jahr ungeschlagen, musste jedoch Spitzensport-Stipendium Metropolregion 2018 aufgrund einer Verletzung auf die Rhein-Neckar an der Universität Mann- Teilnahme an der EM-Qualifikation und heim gefördert, welches Spitzensportle- Europameisterschaft verzichten. Das Fi- rinnen und Spitzensportler bei der Ver- nale begann entgegen der hohen Erwar- einbarkeit von Studium und sportlicher tungen etwas holprig: Schefold stürzte Karriere unterstützt. Seit 2014 nimmt bei dem Versuch eines Mautesprungs, er mit seinem Teamkollegen erfolgreich einem Sprung auf dem fahrenden Rad, an internationalen Wettkämpfen teil. (AV)
FORUM 1|2019 12–13 PROFIL D I E U N I V E R S I TÄT MANNHEIM IN DEN AKTUELLEN RANKINGS THE World University Ranking: ben, sondern auch international unsere Unter den besten 10 Prozent aller hervorragende Position noch einmal Universitäten stärken konnten, freut mich daher umso Im aktuellen Times Higher Education mehr“, sagt Rektor Prof. Dr. Thomas World University Ranking erreicht die Puhl. In der Kategorie Social Sciences Universität Mannheim Platz 123 von and Management wurde die Universität 1.258 bewerteten Universitäten welt- Mannheim in sieben Teilbereichen NEUE JUNIOR- weit. Im deutschlandweiten Vergleich bewertet. Besonders erfolgreich war sie PROFESSUR FÜR belegt sie Platz 11. Im Vergleich zum in den Bereichen Accounting & Finance, KÜNSTLICHE Vorjahresranking verbessert sich die Business & Management Studies und Universität Mannheim damit weltweit Economics & Econometrics, in denen sie INTELLIGENZ um zwei Plätze, in Deutschland um eine jeweils Rang 1 in Deutschland belegt. Position. Insbesondere in der Kategorie In Politics & International Studies und Forschung hat sie hervorragend abge- Sociology erreichte die Universität Mann- Das Wissenschaftsministerium fördert schnitten. Mit ihrer guten Lehre belegt heim Rang 2. Im Fach Psychologie – das im Rahmen der Ausschreibung „Künst- die Universität Mannheim im aktuellen im QS-Ranking der Kategorie Life Scien- BACHELOR liche Intelligenz Baden-Württemberg“ Times Higher Education Europe Teaching ces & Medicine zugeordnet wird – schaff- die Einrichtung einer Juniorprofessur Ranking deutschlandweit Platz 5. In te es die Universität Mannheim auf P S YC H O L O G I E mit 600.000 Euro. Die neue Junior- ihren Kernfächern, den Wirtschafts- und Rang 4 deutschlandweit. Das „QS World E R H Ä LT professur „Methoden der Künstlichen Sozialwissenschaften, erreicht sie im University Ranking by Subject“ wird Q U A L I TÄT S S I E G E L Intelligenz (KI)“ wird am Institut für In- weltweiten Vergleich jeweils als beste jährlich veröffentlicht und untersucht formatik und Wirtschaftsinformatik der deutsche Universität Platz 33, europa- über 1.200 Hochschulen weltweit in Fakultät für Wirtschaftsinformatik und weit platziert sie sich jeweils auf Rang Bezug auf ihre Forschungsreputation, die Die Deutsche Gesellschaft für Psy- Wirtschaftsmathematik angesiedelt. 8. Das THE World University Ranking Anzahl und Qualität ihrer Publikationen chologie (DGPs) hat dem Mannheimer Die Stelle soll im kommenden Herbst- Leibniz-Preisträgerin Michèle Tertilt /Foto: Stefanie Eichler ist das weltweit einzige Ranking, das sowie das Ansehen der Absolventinnen Bachelorstudiengang Psychologie das semester besetzt werden und ist auf forschungsintensive Universitäten in und Absolventen bei Arbeitgebern. DGPs-Qualitätssiegel verliehen. Mit sechs Jahre angelegt. ihren Kernaufgaben Lehre, Forschung, dem Siegel zeichnet die Gesellschaft Bachelorstudiengänge aus, die ihre Die bewilligte Juniorprofessur soll die P R O F. M I C H È L E T E R T I LT E R H Ä LT Forschungseinfluss, Wissenstransfer und Internationalisierung insgesamt Ökonomen-Ranking: Qualitätskriterien in Hinsicht auf Anbindung des Instituts für Informatik WICHTIGSTEN FORSCHUNGS- bewertet. Es gehört seit Jahren zu den Mannheimer Betriebswirte in Top 10 Wissenschaftlichkeit und Forschungs- und Wirtschaftsinformatik an die FÖRDERPREIS DEUTSCHLANDS international anerkanntesten Rankings Im aktuellen Ranking der Wirtschafts- orientierung erfüllen. Mannheimer Wirtschafts- und Sozialwis- im Hochschulbereich. Im weltweiten Woche haben es drei Mannheimer senschaften weiter stärken. Ziel ist es, Vergleich konkurriert die Universität Professoren unter die hundert besten Berücksichtigt werden dabei unter an- Künstliche-Intelligenz-Methoden zu ent- Prof. Michèle Tertilt, Ph.D., erhält den schungsmöglichkeiten zu erweitern, sie Mannheim mit Universitäten wie dem Forscherinnen und Forscher in der BWL derem Kriterien wie Inhalt und Struktur wickeln, die Anwendung in unterschiedli- renommierten Gottfried Wilhelm Leibniz- von administrativem Arbeitsaufwand zu Massachusetts Institute of Technology, im deutschsprachigen Raum geschafft: des Studiengangs, Forschungsorientie- chen Bereichen finden – zum Beispiel im Preis für ihre herausragenden Arbeiten entlasten und ihnen die Beschäftigung Stanford und Harvard. Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Christian Homburg rung und besonders innovative Lehr- Management von Geschäftsprozessen, auf dem Gebiet der Makro- und Ent- besonders qualifizierter jüngerer Wis- (Lehrstuhl für Business-to-Business Mar- und Lernformen. Damit unterstützt das zur Untersuchung des Kommunikations- wicklungsökonomie sowie der Familien- senschaftlerinnen und Wissenschaftler keting, Sales & Pricing) erreichte den ers- Siegel die Sicherung einer exzellenten verhaltens in sozialen Netzwerken, in Ökonomie und Finanzwissenschaft. „Ich zu erleichtern. Der Preis ist mit 2,5 QS-Ranking: Platz 1 in den Wirt- ten Platz in der Kategorie „Lebenswerk“. fachlichen Qualität. Außerdem soll der Aktivitäts- und Intentionserkennung fühle mich sehr geehrt, in die Runde der Millionen Euro dotiert. schafts- und Sozialwissenschaften Prof. Dr. Dr. h. c. Martin Weber, Senior- auch die Einheitlichkeit des Faches sowie der Erkennung von Cyberangriffen Leibniz-Preisträger aufgenommen worden Im aktuellen „QS World University Ran- professor und ehemaliger Inhaber des Psychologie im deutschsprachigen in großen Unternehmen. zu sein. Der Preis ist nicht nur eine gro- „Michèle Tertilt ist eine der produkt- king by Subject“ schneidet die Univer- Lehrstuhls für ABWL, Finanzwirtschaft Raum gewahrt werden. ße Auszeichnung. Das damit verbundene ivsten Wirtschaftswissenschaftlerinnen sität Mannheim in der Kategorie Social und Bankbetriebslehre, belegt den dritten Mit sechs Millionen Euro finanziert das Preisgeld eröffnet mir auch ganz neue Europas und eine der besten ihrer Sciences and Management als beste Platz im Ranking. Auf Platz sieben landet Im Studiengang B.Sc. Psychologie an Wissenschaftsministerium insgesamt Möglichkeiten für meine Forschung“, Generation. Dass sie nun als Anerken- deutsche Universität ab. Im weltweiten Prof. Stefan Reichelstein, Ph.D. Der ehe- der Universität Mannheim sind derzeit zehn Juniorprofessuren in Baden- sagt die Mannheimer Volkswirtin. nung ihrer hervorragenden Arbeit den Vergleich erzielt sie einen hervorragen- malige Stanford-Professor hat im vergan- 440 Studierende eingeschrieben. Württemberg im Bereich Methoden angesehensten Preis in der deutschen den 55. Platz und verbessert sich damit genen Jahr einen Ruf an die Universität Der Studiengang gehört zu den be- und Anwendungen der Künstlichen Der Leibniz-Preis ist der wichtigste Wissenschaftslandschaft erhält, freut um 20 Plätze im Vergleich zum Vorjahr. Mannheim angenommen und baut hier liebtesten an der Universität: Auf die Intelligenz. Die attraktiv ausgestatteten Forschungsförderpreis in Deutschland. mich sehr. Ich bin stolz, dass Michèle „Die Universität Mannheim befindet sich das Stiftungsinstitut „Mannheim Institute insgesamt 110 Studienplätze haben Stellen werden an sieben Hochschulen Ziel des Leibniz-Programms ist es, die Tertilt an der Universität Mannheim in einem harten Wettbewerb mit Spitzen- for Sustainable Energy Studies“ auf, sich im vergangenen Semester 2.386 des Landes eingerichtet, um künftig ein Arbeitsbedingungen herausragender lehrt und forscht und gratuliere ihr herz- universitäten aus der ganzen Welt. Dass welches sich vornehmlich mit den privat- Kandidatinnen und Kandidaten bewor- noch stärkerer KI-Forschungsstandort Wissenschaftlerinnen und Wissen- lich“, sagt Prof. Dr. Thomas Puhl, Rektor wir uns nicht nur erneut an die Spitze und gesamtwirtschaftlichen Kosten der ben. Damit sind auf einen Studienplatz zu werden. (YK) schaftler zu verbessern, ihre For- der Universität Mannheim. (LS) der deutschen Universitäten gesetzt ha- Energiewende beschäftigen wird. (RED) 22 Bewerbungen eingegangen. (RED)
FORUM 1|2019 14–15 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Denker 1|2019 Lenker Siegertypen So erfolgreich sind Mannheims Alumni Text: Nadine Diehl W as haben eine junge Frau, die die deutsche Ero- Auch einige der wichtigsten deutschen Forschungsinstitute tikindustrie revolutioniert hat, der Erfinder der werden von ehemaligen Studierenden der Universität Mann- Payback-Karte und ein 84-Jähriger, der einst den heim geleitet: zum Beispiel das ifo-Institut in München (Prof. Weltkonzern SAP mitgründete, gemeinsam? Genau – sie alle Dr. Clemens Fuest) oder das Wissenschaftszentrum für Sozi- haben in Mannheim studiert. Die Universität gehört nicht nur alforschung in Berlin (Prof. Dr. Jutta Allmendinger). Viele ak- zu den gründerfreundlichsten Deutschlands, auch die starke tuelle und ehemalige Wirtschaftsweise haben in Mannheim BWL ist sicherlich ein Grund dafür, warum die Chef-Etagen studiert oder promoviert wie Prof. Dr. Wolfgang Franz, Prof. internationaler Konzerne von „Mannheimern“ besetzt sind. Dr. Isabel Schnabel und Prof. Dr. Christoph M. Schmidt, der Sie sind im Vorstand von Roche, sovanta, Fresenius, Heidel- gleichzeitig auch Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für bergCement, Südzucker, American Express und ABB. Sie sit- Wirtschaftsforschung ist. zen in den Aufsichtsräten von Lacoste, Deichmann und Kauf- hof, oder leiten Familienunternehmen, so wie Dr. Johannes Einige der erfolgreichsten Absolventinnen und Absolventen Dengler (Alois Dallmayr Kaffee OHG), Stefan Fuchs (Fuchs stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe vor – sowie sechs junge Petrolub SE) oder Alexander Schwörer (Peri GmbH) – um nur Alumni, von denen wir in Zukunft sicherlich noch viel hören einige große Namen zu nennen. werden. Und weil ein FORUM Magazin nicht ausreicht, um die vielen anderen Geschichten ebenfalls zu erzählen, steht Nicht nur in Unternehmen, auch in der Politik finden sich dieses Jahr ganz im Zeichen unserer Alumni. Instagram, Fa- bekannte Persönlichkeiten, die ihren Abschluss an der Uni- cebook, der Uni Mannheim Newsletter oder FORUM Online versität Mannheim gemacht haben: zum Beispiel der ehema- – was auch immer das Medium Ihrer Wahl ist: Sie dürfen lige Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller oder die gespannt sein. Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Franziska Brantner.
FORUM 1|2019 Kein 16–17 SCHWERPUNKT E s ist 11 Uhr morgens im Café eines Münchner Nobel- Als Bruno Sälzer kam, tobte gerade die Finanzkrise, Escada hotels. Dem 61-jährigen Bruno Sälzer sieht man sein stand vor der Insolvenz. Kein guter Zeitpunkt, um Erfolge zu Alter nicht an – genauso wenig wie die Tatsache, dass feiern. „Ich habe zwei Mal die Woche Townhall-Meetings vor Mode- er bis vor wenigen Stunden noch auf der Weihnachtsfeier von den 400 Mitarbeitern gehalten, mich an die Treppe gestellt Lacoste unterwegs war. Neben Deichmann und Amer Sports und erzählt, wie es gerade um uns steht“, erinnert sich der ist Lacoste eines der großen Modeunternehmen, in denen er Modemanager. „Mode ist ein People-Geschäft. Das sind alles im Aufsichtsrat sitzt. Eine französische Marke, die auf einen sehr emotionale Menschen. Die merken sofort, ob Sie selbst Deutschen setzt – das ist ungewöhnlich, zeigt jedoch, wie an- noch ans Unternehmen glauben oder nicht.“ Sälzer glaubte gesehen Bruno Sälzer als Modemanager in Europa ist. daran: weg vom konservativen Goldknopf-Image hin zum En- tertainment-Faktor – was bei Boss funktionierte, konnte für Manager Hugo Boss hat Bruno Sälzer großgemacht – und umgekehrt. Escada nicht schlecht sein. Außerdem holte er Megha Mittal, Von 1995 bis 2008 hat er aus dem konservativen schwäbi- eine der reichsten Frauen der Welt, als Investorin mit ins Boot schen Anzughersteller eine Weltmarke geformt. Die erfolg- – Rettung geglückt. reichen Mode-Linien Boss Orange und Boss Woman hat der Konzern ihm zu verdanken – genauso wie sein Image. „Mir Ganz nah bei den Menschen zu sein, vor allem wenn es mal war immer klar, wir müssen jung und crazy werden und die schlecht läuft – das ist wohl eines von Sälzers Erfolgsrezep- Medien auf uns ziehen“, erzählt Sälzer. Hugo Boss war eine ten. Aber auch die komplette Identifikation mit der Marke: der ersten Firmen, die mit medialer Wucht Partys auf der gan- Während er um die Jahrtausendwende ausschließlich in Hugo zen Welt veranstaltete, um ihre Mode vorzustellen. Sie waren Boss gekleidet war, sah man ihn zuletzt als CEO der britischen die ersten mit Fashionshows im Moskauer Kreml und vor der Modemarke Bench fast nur noch im Kapuzenpulli. Zum Inter- Chinesischen Mauer. Zu Gast: Hollywood-Stars, Top-Models, view in München trägt er Hemd und Hose von Arc‘teryx, eine internationale Prominenz und die angesagtesten DJs. „Das der Marken von Amer Sports, dessen Aufsichtsratsvorsitzen- hat der Marke irre viel gebracht und zu hohen Wachstumsra- der er seit zwei Jahren ist. Für Sälzer gehört das zum guten ten geführt“, sagt Sälzer, in dessen Zeit Hugo Boss Milliarden Ton – genauso wie Disziplin. Neben seinem ausgefüllten Ter- erwirtschaftete und seinen Aktienkurs verfünffachte. minkalender verbringt er viel Zeit mit seinen vier Söhnen. Und egal, wie hart ein Arbeitstag war, Laufen oder Fitnessstudio Kundengespräche morgens um fünf in Tokio, Paris oder Los stehen fast täglich auf dem Plan. Sportverrückt sei er schon Angeles – für Bruno Sälzer ist das selbstverständlich. Manch- immer gewesen: Während seiner Zeit an der Uni Mannheim mal reist er um die halbe Welt, nur um sich einen einzigen machte er den schwarzen Gürtel in Karate, war neun Jahre Store anzuschauen. „Viele Menschen halten das für verrückt, lang Trainer am Institut für Sport und gewann mehrfach die aber anders entwickelt man kein Gespür für den Zeitgeist – Deutschen Karate-Hochschulmeisterschaften. Und natürlich und den braucht man, um in der Modewelt ernst genommen war er auch auf jeder Schneckenhof-Fete dabei. zu werden.“ Hinter dem Menschen, dessen Herz seit jeher für die Schönheitsindustrie schlägt, steckt auch ein Mann der Zahlen. „Ohne sauberes betriebswirtschaftliches Handwerks- „Zum Erschrecken zeug können Sie kein Unternehmen führen. Wenn man so lan- ge wie ich an der Uni Mannheim war, hat man das aber im meiner Eltern habe ich Griff.“ Von 1976 bis 1981 machte Sälzer sein BWL-Diplom. Danach promovierte er ebenfalls in Mannheim am ersten Lo- jeden Trend mitge- macht – ob Schlaghosen gistiklehrstuhl Deutschlands. Im Studentenwohnheim in N6, 8 Er hat aus einem kleinen schwäbischen Anzughersteller und auch in seinem Heimatdorf bei Bad Rappenau, wo er auf oder Vokuhila.“ einen der größten internationalen Modekonzerne geformt: einem Bauernhof aufwuchs, sei er jedoch ein bunter Vogel Fast dreizehn Jahre war der Mannheimer BWL-Absolvent Dr. gewesen. „Zum Erschrecken meiner Eltern habe ich Düfte ge- Bruno Sälzer im Vorstand von Hugo Boss, sechs davon als sammelt und jeden Trend mitgemacht – ob Schlaghosen oder Vorsitzender. Danach bewahrte er das Damen-Luxuslabel Vokuhila“, sagt er und lacht. „Als ich dann nach Mannheim Escada vor der Insolvenz. Einem, der zu den größten Mode- kam, war das für mich die große weite Welt.“ Managern Europas zählt, muss der Erfolg zu Kopf gestiegen sein – sollte man meinen. Doch Fehlanzeige. Erst nach seiner Promotion mit 28 Jahren saß er das erste wie jeder Mal im Flieger – das Ticket spendierte ihm Beiersdorf für die Reise zum Vorstellungsgespräch nach Hamburg. Sälzer hat- te viele Jobangebote, vor allem von großen Unternehmens- beratungen. „Doch Beiersdorf mit seinen großen Marken wie Nivea reizte mich natürlich. Und dass ich zum ersten Mal flie- gen durfte“, erinnert sich Sälzer. Nach fünf Jahren bei Beiers- andere dorf wurde er von Schwarzkopf abgeworben, wo er innerhalb kürzester Zeit zum Geschäftsführer des internationalen Fri- seurgeschäfts aufstieg – verantwortlich für mehrere hundert Mitarbeiter in über 70 Ländern. In seinem Job war Sälzer so Text: Nadine Diehl erfolgreich, dass Hugo Boss auf ihn aufmerksam wurde. Nach Neun Jahre lang war die Universität Mannheim Sälzers zweites Foto: Andreas Müller 13 Jahren wechselte er dann zu Escada – und in einen seiner Zuhause / Foto: privat härtesten Kämpfe.
FORUM 1|2019 18–19 SCHWERPUNKT FORUM: In Deutschland gründen weiterhin mehr Männer Mitarbeiter gewachsen, ProSiebenSat1 hält 98 Prozent an dem als Frauen Unternehmen. Inwiefern versuchen Sie selbst, Frauen Unternehmen. Haben Sie die Startup-Mentalität im Unterneh- zu dieser Entscheidung zu ermutigen? men trotzdem beibehalten? Cramer: Wir haben viele tolle Gründerinnen in Deutsch- Cramer: Heute haben wir natürlich mehr Mitarbeiter, so land, aber wir brauchen noch mehr weibliche Vorbilder und dass ich mehr Verantwortung fühle und übernehme. Mit AMO- Investments in frauengeführte Unternehmen. Studien zufolge RELIE haben wir bereits viele Geschäftsziele erreicht, haben bringen Gründungen von Frauen im Schnitt mehr als doppelt so aber noch viel vor. Wir wollen die größte Marke für das Liebes- „Wir viel Rendite auf das investierte Geld. Trotzdem erhalten sie in leben weltweit werden. Das heißt für mich auch weiter Startup- manchen Ländern nur ein Prozent des gesamten Venture Fun- Mentalität: Mut, Neugier und Vertrauen in die eigenen Ideen. dings – wie kann das sein? Als Business Angel engagiere ich Und ja, der Morning Dance findet noch jeden Montagmorgen mich persönlich dafür, investiere in neue Geschäftsideen, die statt! mich überzeugen und gebe meine Expertise und Gründungs- erfahrung weiter. Ich glaube fest daran, dass Frauen berufliche FORUM: Sind Sie heute eine andere Chefin als noch vor Frauen Netzwerke noch viel stärker nutzen können. sechs Jahren? FORUM: Vor sechs Jahren haben Sie mit der Gründung von Cramer: Ich glaube, dass ich als Chefin schon immer sehr AMORELIE die deutsche Erotikindustrie aus ihrem Dornröschen- nahbar gewesen bin. Ich sitze am selben Tisch mit meinen Mit- schlaf erweckt – weg vom eingestaubten Beate Uhse-Image hin arbeitern und versuche, transparent und echt zu sein – auch zu modernem Design und Sinnlichkeit. Wie hat AMORELIE dazu wenn ich Fehler mache. Diese Augenhöhe und dieses Miteinan- müssen beigetragen, dass Sexualität und Sex-Spielzeug heute längst der halte ich für sehr wichtig. Im Vergleich zu den ersten Jahren nicht mehr als Tabu sondern als Lifestyle-Themen gelten? führe ich besser: Anstatt viele Aufgaben selbst zu übernehmen, delegiere ich mehr und befähige die Führungskräfte und Teams dazu, immer selbstständiger zu werden. Dieser Prozess wurde noch stärker durch die Geburt meiner Kinder eingeleitet. Es geht gar nicht mehr anders. Für die Erkenntnis bin ich sehr es wirklich dankbar. Seitdem ich Kinder habe, bin ich eine bessere Füh- rungskraft. FORUM: Denken Sie noch oft an Ihr Studium in Mann- heim zurück? Cramer: Wir waren ja der allererste Bachelor-BWL-Jahr- wollen“ gang an der Universität Mannheim. Das war schon eine beson- dere Zeit. Das Studium ist mir nicht immer leicht gefallen, aber Erinnerung an die Studienzeit: Lea-Sophie Cramer mit ihren mich haben die Mitstudierenden, die Inhalte und Professoren zwei Mitbewohnern / Foto: privat sehr inspiriert. Ich denke unglaublich gern an meine Zeit im Interview: Nadine Diehl Schloss und in den Quadraten zurück. Bei einem Besuch im EO Foto: Alberto Ferrero Café oder in den Bibliotheken werde ich ganz wehmütig, auch Cramer: Wir sind sexuelle Wesen. Wir haben Lust an Inti- wenn ich sie in den intensiven Lernphasen nicht mehr sehen mität und Nähe, trotzdem waren Lovetoys immer noch ein Tabu. konnte. Bei meinem Besuch beim „Q-Summit“, dem alljährli- Ich und mein Mitgründer haben uns gefragt, wie wir selbst gern chen Gründergipfel an der Uni Mannheim, habe ich erst mal Lea-Sophie Cramer ist eine der erfolgreichsten und bekann- FORUM: Leider herrscht in unserer Gesellschaft immer einkaufen und informiert werden wollen: in einem stilvollen im Tiffany’s mit ein paar Ex-Kommilitonen die Nacht zum Tag testen Gründerinnen Deutschlands: Mit AMORELIE hat die noch die Meinung, dass man nur eines von beidem sein kann: Onlineshop für das Liebesleben. So ist AMORELIE entstanden gemacht. 32-jährige BWL-Absolventin der Universität Mannheim die Mutter oder Karrierefrau. Sie beweisen das Gegenteil. Wie schaf- und hat schnell Fahrt aufgenommen. Den Zugang zur Sexuali- Erotikindustrie revolutioniert und innerhalb weniger Jahre fen Sie das? tät leichter zu machen, fühlt sich heute wie damals sehr mo- FORUM: Dachten Sie zu Ihrer Studienzeit bereits ans ein Millionengeschäft aufgebaut. Gleichzeitig ist sie Mutter tivierend an. Wir haben tatsächlich einen echten Einfluss auf Gründen? von zwei kleinen Kindern. Wie das geht und welche großen Cramer: Ich musste und wollte mich nie zwischen Familie das Liebesleben der Deutschen und auf die ganze Branche. Pläne sie für die Zukunft ihres Unternehmens hat, erzählt sie und Karriere entscheiden. Es kostet allerdings viel Kraft und wir Dass unsere Lovetoys ganz selbstverständlich online bestellt Cramer: Wir waren damals alle auf die Beratungsfirmen, im FORUM-Interview. Frauen müssen es wirklich wollen. Vereinbarkeit geht – mit viel und mittlerweile auch in Drogerien und Warenhäusern zum Kauf die großen regionalen Konzerne und Investmentbanken gepolt Hilfe und einer starken Priorisierung, sowohl zu Hause als auch angeboten werden, sind nur einige Beispiele für den Wandel in und Unternehmertum war noch gar kein mögliches Tätigkeits- bei der Arbeit: Ich habe fast alle Konferenzen und Interviews in der Gesellschaft. Das Thema Sexualität wird viel offener disku- feld – geschweige denn, in ein Startup zu gehen. Genau das diesem Jahr abgesagt. Zu Hause haben mein Partner und ich tiert als noch vor unserer Gründung. Und vor allem die Frau ist habe ich aber gemacht und bin dafür nach Berlin gezogen. Ich zusätzlich noch Unterstützung, zum Beispiel durch meine Eltern mehr in den Mittelpunkt gerückt. Das wurde früher ziemlich un- habe bei Rocket Internet gearbeitet und später das Asien-Ge- oder unsere Kinderfrau. Manchmal bringe ich die Kinder in die terschätzt, da Männer eher als Zielgruppe und Käufer gesehen schäft für die Gutscheinplattform Groupon mitaufgebaut. Als Firma mit – das war bei uns nie ein Problem. Bei AMORELIE wurden. ich die Idee für AMORELIE hatte, hat mir anfangs niemand ge- haben wir einen Meetingraum, der für Mütter als Kinderraum glaubt, dass ich dieses Unternehmen wirklich gründen würde. umfunktioniert werden kann. Wir haben Kooperationen mit FORUM: In den Anfangsjahren gab es bei Ihnen immer Ich kam ja überhaupt nicht aus der Branche. Meine Mutter hat Notfall-Nannys und einem Berliner Kindergarten abgeschlos- montags den „Morning Dance“, bei dem von der Praktikantin mir gesagt: „Mach es nur, wenn du damit gesellschaftlich etwas sen. Meetings, bei denen alle anwesend sein müssen, finden bis zum CFO jeder einmal die verschiedenen Funktionen der bewegen willst – nicht nur, um Geld zu verdienen.“ Und so war morgens oder spätestens bis 16 Uhr statt, so dass die Eltern AMORELIE-Produkte nachtanzte. Nun ist AMORELIE seit seiner es dann auch. Niemals hätte ich gedacht, dass diese Entschei- zur Not früher nach Hause gehen können. Gründung auf einen Wert von 100 Millionen Euro und über 100 dung mich heute hierher bringen würde.
FORUM 1|2019 28–29 SCHWERPUNKT gie inne, leitete für drei Jahre das Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) und baute die Graduate School of Economic and Social Sciences (GESS) mit auf. Ein strukturiertes Doktorandenprogramm nach amerikanischem Grenzgänger Vorbild – das war damals in Deutschland eine kleine Revolu- tion. Zusammen mit dem späteren Rektor Prof. Dr. Ernst-Lud- wig von Thadden war er davon überzeugt, dass dies die Dokto- randenausbildung verbessern würde. Die Überzeugungsarbeit hat sich gelohnt. Zehn Jahre lang wurde die GESS von der Exzellenzinitiative gefördert. Aus aller Welt kommen Promovie- rende und viele von ihnen haben heute Positionen an interna- tionalen Spitzenunis. Wenn er über seine Zeit an der Uni Mannheim spricht, fällt stets das Wort „Wir“ – obwohl er seit über zwei Jahren Pro- W ährend des Mauerfalls promovierte er am European fessor in Oxford ist. Kein Wunder: So richtig gegangen ist University Institute (EUI) in Florenz, während des Ebbinghaus nie. Als Mercator Fellow ist er weiterhin an For- 11. September 2001 war er Gastprofessor an der schungsprojekten im Mannheimer Sonderforschungsbereich University of Wisconsin-Madison. Und so erlebte Bernhard (SFB) zur Politischen Ökonomie von Reformen und am MZES Ebbinghaus das ein oder andere historische Ereignis aus beteiligt. Das SFB-Projekt dreht sich um die Bereitschaft der nicht-deutscher Perspektive. Die war für ihn schon immer von Bevölkerung, sozialpolitische Reformen mitzutragen: Gönnen besonderer Bedeutung – und das bereits zu einer Zeit, als Bürgerinnen und Bürger eine höhere finanzielle Unterstützung man in der deutschen Wissenschaft noch kaum international eher einer alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern, einem dachte: Bernhard Ebbinghaus Langezeitarbeitslosen oder jemandem mit Migrationshinter- schrieb 1988 seine Diplomar- grund? Ändern sie ihre Einstellung zu Reformen, wenn sie beit auf Englisch, als einer der besser über das Vorhaben informiert sind? Solchen Fragen ersten Mannheimer Studieren- geht er mit seinen Mannheimer Kooperationspartnern auf den den überhaupt – danach auch Grund. Weitere Schwerpunkte seiner Forschung sind Bezie- die Doktorarbeit am EUI und hungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, der Über- die Habilitationsschrift an der gang vom Arbeitsleben in den Ruhestand, Arbeitsmarktpolitik, Universität zu Köln, während sowie die Privatisierung der Rente – allesamt Themen mit di- er bereits am angesehenen rektem gesellschaftlichem Bezug. Max-Planck-Institut für Gesell- schaftsforschung arbeitete. Auch an der Elite-Universität Oxford ist solche Forschung an- Seine englische „Habil“ über gesagt – hier dreht sich alles um den so genannten „Impact“: Frühverrentung, die 2006 bei Anders als in Deutschland werden britische Forschungsmittel Oxford University Press er- neben den Publikationen auch nach dem Kriterium verteilt, Der schien, erhitzte die Gemüter der Kölner Professoren und wurde prompt zum Streitthema welchen Einfluss die Ergebnisse auf die Gesellschaft haben. „Das ist vielleicht nicht immer der sinnvollste Ansatz, doch die Forschungsbedingungen in Oxford sind hervorragend und auch allein aufgrund der Sprache, in der Austausch mit der Praxis wird groß geschrieben. Es gibt der sie verfasst war. die Möglichkeit, Kontakte in die obersten politischen Kreise zu knüpfen, und die Forschung ist sehr interdisziplinär“, sagt Eb- Grenzen überschreiten, neue Wege gehen – eine Devise, die binghaus. Als Leiter eines Departments kommt ihm besondere sich schon früh in Ebbinghaus‘ wissenschaftlicher Karriere Verantwortung für Lehre und Forschung zu. Dabei hätte er die Oxford-Professor Bernhard Ebbinghaus abzeichnete. Während seines Studiums der Soziologie ging er Stelle fast nicht angenommen: „Ein halbes Jahr vor dem Brexit- Text: Nadine Diehl mit einem Fulbright-Stipendium für ein Jahr an die New School Referendum wurde ich nach Oxford berufen. Ich war mir nicht Foto: DSPI/Oxford University for Social Research nach New York City. „Das war eine unbe- sicher, ob ich mich auf dieses Risiko einlassen soll, doch die schreibliche Erfahrung, die meine Entscheidung, in die Wis- Aufgabe dort reizte mich einfach zu sehr.“ senschaft zu gehen, sehr gefestigt hat“, erzählt der Soziologie- Ob New York, Genf, Florenz, Boston oder nun Oxford – Prof. Bern- Professor. Auf sein Diplomstudium folgten viele internationale 25 Prozent der sozialwissenschaftlichen Forschungsgelder hard Ebbinghaus, Ph.D., kennt die internationale Wissenschafts- Stationen und Gastaufenthalte in Europa und den USA, unter in Oxford stammen aus dem EU-Haushalt, für die Universität landschaft wie kaum ein anderer. Studiert hat er bis 1988 So- anderem an den Universitäten Genf, Harvard und Luxemburg. ist der Brexit deshalb ein Schlag. „Die Auswirkungen auf die ziologie in Mannheim und ist in seiner Karriere immer wieder So viel unterwegs zu sein, hat sich für den erfolgreichen Wis- Universitäten hat man völlig unterschätzt. Viele Studieren- zu seinen wissenschaftlichen Wurzeln zurückgekehrt. Seit 2017 senschaftler ausgezahlt. „Diese Aufenthalte waren nicht nur de und Forschende in Oxford kommen aus der Europäischen leitet er an der Oxford University das Department of Social Poli- für meine Forschung wichtig. Sie halfen mir auch, meine Be- Union dank der EU-Freizügigkeitsregeln. Oxford als globale For- cy and Intervention – und bleibt auch weiterhin als Forscher mit kanntheit in ausländischen Wissenschaftskreisen zu steigern schungsuniversität hat jedoch den Vorteil, international renom- Mannheim verbunden. und ein internationales Netzwerk aufzubauen“, berichtet er. miert zu sein. Die Devise lautet: Wir haben die letzten 800 Jahre überlebt, dann schaffen wir das nun auch.“ Angesichts Auch deshalb nahm seine Alma Mater Ebbinghaus mit Hand- der gegenwärtigen Unsicherheiten sei es jedoch wichtig, gera- kuss, als dieser sich an der Universität Mannheim bewarb: de mit Europa weiterhin vernetzt zu bleiben. Die Verbindung zu Von 2004 bis 2016 hatte er den Lehrstuhl für Makrosoziolo- Mannheim hat die Elite-Universität jedenfalls schon mal sicher.
FORUM 1|2019 22–23 SCHWERPUNKT „Demokratie und der europäische Gedanke sind „E n allemand ou en français?“, fragt Dr. Franziska Brantner die etwa 60 Gäste im Fuchs-Petrolub-Saal der Universität Mannheim, die sie bei dem deutsch- französischen Bürgerforum „Wir alle sind Europa“ aus den nichts Selbstver- ständliches.“ Von vollen Sitzreihen anblicken. Es ist ein Donnerstagabend im November, draußen ist es bereits dunkel. Brantner ist erst we- nige Minuten zuvor die Treppen zum Saal hochgehechtet, hat ihren Rollkoffer hastig in einer Ecke geparkt. Sie wirkt etwas außer Atem, doch lächelt viel, ist enthusiastisch. Viele Umzüge und Reisen – nicht immer ist das einfach: Als Mannheim Die Frage, die Brantner ins Publikum stellt, ist durchaus be- Brantner beispielsweise 2009 für das Europa-Parlament kan- rechtigt. In der ersten Reihe sitzt neben dem Ersten Bürger- didiert, steht sie kurz davor, ihre Dissertation zur Reformfä- meister Christian Specht auch Frédéric Petit, Abgeordneter der higkeit der Vereinten Nationen an der Universität Mannheim Französischen Nationalversammlung, mit dem sie gemeinsam abzuschließen. „Glücklicherweise war die Arbeit schon fertig, an diesem Abend mit Studierenden und Bürgern über die Zu- sodass ich sie nach der Europawahl nur noch verteidigen kunft der Europäischen Union diskutieren wird. Nach kurzem musste.“ Anstrengend sei die Zeit trotzdem gewesen. „Hätte Schweigen fährt Brantner auf Deutsch fort, doch sieht sie den ich damals gewusst, dass ich in die Politik gehe, hätte ich die über fragenden Blick ihres Kollegen, übersetzt sie ihre Sätze immer Doktorarbeit vermutlich nicht angefangen“, sagt sie und lacht. wieder mühelos ins Französische. Als sie sich für die Promotion entscheidet, kann sich Brantner jedoch eine wissenschaftliche Karriere gut vorstellen. Was das Publikum beeindruckt, ist für Franziska Brantner selbstverständlich. Perfektioniert hat die Bundestagsabgeord- Ihren späteren Doktorvater Prof. Dr. Thomas König hatte nete ihr Französisch während ihres Studiums der Politikwis- Brantner bereits bei internationalen Konferenzen kennenge- Brüssel senschaften an der Sciences Po in Paris. Doch ihre Zweispra- lernt. „Seine Forschung hat mich tief beeindruckt“, erklärt chigkeit reicht viel weiter zurück: Geboren und aufgewachsen Brantner. „Er war der Grund, warum es mich für die Promotion ist sie im Dreiländereck bei Freiburg, hat an einem deutsch- an die Universität Mannheim zog.“ Vor allem sei ihr die gute französischen Gymnasium ihr Abitur gemacht. Nicht nur die Zusammenarbeit am Lehrstuhl im Gedächtnis geblieben – Sprache, auch die interkulturellen Erfahrungen, die sie aus und ein Interview mit John Bolton, dem heutigen Sicherheits- Dr. Franziska Brantner, Bundestagsabgeordnete der Grünen dieser Zeit mitgenommen hat, haben ihr Weltbild maßgeblich berater von US-Präsident Donald Trump, das sie damals für nach geprägt. „Sie haben mich zu einer überzeugten Europäerin ge- ihre Dissertation führte. „Politische Tendenzen, die scheinbar macht“, sagt Brantner. mit Trump aufkamen, waren nicht neu, sondern haben sich im Rückblick schon ein Jahrzehnt zuvor abgezeichnet“, erklärt Überhaupt zieht sich das Internationale durch Brantners Vor- Brantner. „Ich sehe dadurch heute Kontinuität, wo andere Dis- zeige-Lebenslauf. Nach dem Abitur geht sie direkt ins Ausland. ruption sehen.“ Eine politische Karriere ist damals trotz ihres Engagements im Berlin Bundesvorstand der Grünen Jugend noch nicht ihr Ziel. Nach Dass sich Brantner letztlich doch für die Politik entschied, einem einjährigen Auslandsaufenthalt in Washington und Tel habe sich entwickelt, als sie neben ihrer Promotion als Pro- Mit 18 im Bundesvorstand der Grünen Jugend, mit 30 Ab- Aviv, wo sie für die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet, entscheidet jektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung in Brüssel ver- geordnete im Europa-Parlament, mit 34 Mitglied des Deut- sie sich für ein Doppelstudium der Politikwissenschaften mit suchte, Abgeordnete für politische Ideen zu begeistern. „Mir schen Bundestags: Der Lebenslauf der Grünen-Politikerin Schwerpunkt Europapolitik an den Elite-Universitäten Scien- wurde dabei bewusst, dass ich nicht nur Politiker von Ideen Dr. Franziska Brantner spricht von so viel Zielstrebigkeit ces Po in Paris und der Columbia University in New York. Sie überzeugen, sondern selbst die Dinge bewegen wollte“, so und politischem Elan, dass kaum zu glauben ist, dass eine schließt als Beste ihres Jahrgangs ab. Es folgt eine Stelle als Brantner. Veranstaltungen wie das deutsch-französische Bür- politische Karriere nicht von Anfang an ihr Plan A war. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Oxford. gerforum an ihrer Alma Mater, bei dem es darum geht, die sich Brantner dann doch gegen die Wissenschaft und für die Zukunft Europas mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren Text: Linda Schädler Politik entscheidet, ist das Fundament dafür bereits gelegt Die Erfahrungen, die sie im Ausland gemacht hat, seien für und weiterzuentwickeln, sind ihr deshalb ein besonderes An- Foto: Florian Freundt – dank ihres Studiums an der Sciences Po, der Columbia ihre heutige Arbeit als Politikerin wertvoll. In der aktuellen liegen. „Demokratie und der europäische Gedanke sind nichts University – und der Universität Mannheim. Wahlperiode ist die 39-Jährige europapolitische Sprecherin Selbstverständliches“, sagt Brantner an diesem Abend mit ihrer Fraktion. Zuvor war sie von 2009 bis 2013 Abgeordnete Nachdruck. „Wir verstehen oft erst, wenn uns etwas wegge- im EU-Parlament. „Will man europäisch denken, gibt es bei nommen wird, was wir daran hatten.“ Um das zu verhindern, jedem Thema mindestens zwei Lesarten“, so Brantner. „Den müsse jeder selbst aktiv werden. Als in den Reihen ein Kopf Kontext der anderen Länder muss man immer mitdenken.“ nach dem anderen zu nicken beginnt, ist klar: Andere zu be- Das zu tun, habe sie während dieser Zeit gelernt. wegen – das hat sie heute geschafft.
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