Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Juli/August 2021 · 22. Jahrgang · 4,90 €

MONIKA GRÜTTERS          KAI WEGNER                   MANUEL WIEMANN/VOLKER KRANE
Kultur leben             Der Ehrgeizige               AUTOFREIE STADT?

         Wie erfindet
                  sich der
          Kunstmarkt
                  neu?

                                                                             1
Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Editorial

         NUDO

                                                                                                                                                    Liebe Leserinnen und Leser,

                                                                                                                                                    die Temperaturen steigen und die Inzidenzen sinken – verhaltener Optimismus
                                                                                                                                                    macht sich insbesondere in der Wirtschaft breit. Einzelhandel, Restaurants und
                                                                                                                                                    Tourismus laufen wieder an und auch Kunst und Kultur können wieder stattfinden.

                                                                                                                                                    Unsere Sommerausgabe steht im Zeichen einer Branche, die während der letz-
                                                                                                                                                    ten Pandemiemonate mehrfach ihre Kreativität und ihren Durchhaltewillen
                                                                                                                                                    bewiesen hat – die Berliner Kunstszene. Unsere Titelgeschichte beleuchtet die
                                                                                                                                                    pandemiebedingten Umbrüche, aktuelle Herausforderungen und zukunftswei-
                                                                                                                                                    sende Entwicklungen, Expert*innen und Insider geben uns spannende Einbli-
                                                                                                                                                    cke. Dass Kunst nicht allein den großen Metropolen vorbehalten ist, zeigen
                                                                                                                                                    auch die vielen Künstlerdörfer in unserem Nachbarbundesland Brandenburg.
                                                                                                                                                    Auf ehemaligen Gehöften und Werksiedlungen finden Künstler*innen inspirie-
                                                                                                                                                    rende Rahmenbedingungen.

                                                                                                                                                    Mit dem Sommer tritt der Wahlkampf für das Abgeordnetenhaus in seine heiße
                                                                                                                                                    Phase. In dieser Ausgabe stellen wir Ihnen den CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner

                                        Covermotiv: Installation view: The Artist is Online. Digital Paintings and Sculptures in a Virtual World,
                                                                                                                                                    vor, der mit seiner Partei ein Gegenangebot zu Rot-Rot-Grün machen möchte.

                                        KÖNIG GALERIE, Decentraland, 2021. Image courtesy of KÖNIG GALERIE Berlin, London, Seoul.
                                                                                                                                                    Unsere Reihe Stadtquartiere der Zukunft wird mit dem Leuchtturmprojekt Am
                                                                                                                                                    Tacheles in Berlin-Mitte fortgesetzt. Die städtebauliche Vision der internatio-
                                                                                                                                                    nalen Architekten von Herzog & de Meuron sieht zehn neue Gebäude rund um
                                                                                                                                                    das ehemalige Künstlerareal vor.

                                                                                                                                                    Der Kampf gegen den Klimawandel wird das beherrschende Thema der nächs-
                                                                                                                                                    ten Jahre. Im Beitrag zum Bahnhof der Zukunft schildern wir, wie Bahnhöfe
             Juwelier Reuer                                                                                                                         weltweit schon heute zu klimaschonenden und optimal vernetzten Mobilitäts-
    Feine Uhren & Juwelen am Roseneck                                                                                                               drehscheiben werden.

          Hohenzollerndamm 94                                                                                                                       Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen entspannten Sommer.
              14199 Berlin                                                                                                                          Alle Informationen und täglich aktualisierte Termine aus Politik und Wirt-
        Telefon 030 / 826 42 92
                                                                                                                                                    schaft erhalten Sie wie immer auf unserer Website: www.berlinboxx.de.
             www.reuer.com
                                        FotoEditorial: Dirk Lässig

                                                                                                                                                    Herzlichst,
                                                                                                                                                    Ihre

                                                                                                                                                    Dr. Angela Wiechula

2                                                                                                                                                                                                                                     3
Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Neu in Berlin                                                                                                                                                                                                          Aus dem Inhalt

Wirtschaftsstandort Aktuell

+                                               +
                                                                                                                                                                Editorial                                 Seite 3
                                                         8,5 Stunden von Berlin                                                                                 Wirtschaftsstandort aktuell               Seite 4
    Estrel Berlin – startklar                            in die Alpen                                                                                           Berlin – Stadt der Start-ups              Seite 6
    in die hybride Zukunft
                                                                                                                                                                POLITIK
                                                                                                                                                                Wahljahr 2021 – die
                                                                                                                                                                Spitzenkandidat*innen: Kai Wegner        Seite 8
                                                                                                                                                                Zwiegespräch: Autostadt Berlin?          Seite 16
                                                                                                                                                                Porträt Stadträtin Heike Schmitt-Schmelz Seite 22
                                                                                                                                                                Titel
                                                                                                                                                                Wie erfindet sich der Kunstmarkt neu?     Seite 24
                                                       Corona flaut ab und der Sommerurlaub
                                                                                                                                                                Krypto-Kunst                              Seite 39
                                                       steht vor der Tür – diesmal bequem
                                                       nach Süddeutschland oder Österreich?
                                                                                                                                                                Raab: Galeristinnengenerationen           Seite 42
Trotz der schwierigen Pandemie-Zeit mit ein-           Mit der Direktverbindung der Bahn                                                                        Grütters: Für die Kultur                  Seite 44
schneidenden Beschränkungen und Umsatzver-             gelangt man ab Anfang Juli zum Bo-
                                                                                                                                                                Wirtschaft
lusten rüstete das Kongress-Center technisch auf.      densee und in die Alpen in etwas mehr
                                                                                                                                                                Kunst gut abgesichert                     Seite 47
Denn Veranstaltungen sind der Motor des Estrels.       als acht Stunden – umsteigefrei. Auch
Dafür wurde ein TV-Studio mit einer acht Meter         weitere Reiseziele in Österreich wie Kuf-                                                                Die neue alte Sehnsucht nach Teilhabe     Seite 48
hohen LED-Wand und ein Regieplatz eingerichtet.        stein, Innsbruck, Ötztal und Tirol sind                                                                  Glanzlicht am Kurfürstendamm              Seite 52
Das Motto lautet: Hybride Veranstaltungen als          so leicht zu erreichen. Während es die                                                                   Mittelstand: Zeiten des Umbruchs          Seite 54
Präsenz- und Online-Format. Zusätzlich hat das         Bahnverbindung in die Alpen schon im                                                                     Eine Gala für die Nachhaltigkeit          Seite 58
Unternehmen das neue Auditorium im Februar             Winter gab, ist die zum Bodensee eine
mit einem Kostenpunkt von 25 Millionen Euro er-        Premiere. Das komfortable Angebot gilt                                                                   Architektur & Stadtentwicklung
öffnet. Das Estrel Berlin ist einer der bekanntes-     bis zum 11. September 2021. Wer lieber                                                                   Stadtquartiere der Zukunft: Am Tacheles   Seite 62
ten Veranstaltungsorte in der Hauptstadt. Mit          in den Norden fahren will, kann mit der                                                                  Bahnhöfe der Zukunft                      Seite 66
angeschlossenem Hotel bespielt es 30.000 Qua-          IC-Direktverbindung von Dresden direkt                                                                   Neue Wohnformen für eine

+
dratmeter Veranstaltungsfläche mit jährlich rund       nach Rügen fahren – und das vom 3.
                                                                                                                                                                alternde Gesellschaft                     Seite 70
1.800 Events wie Kongresse, Tagungen, Messen           Juli bis zum 5. September 2021.
                                                                                                                                                                „Ein Areal, viele Möglichkeiten….“        Seite 72
und Musical-Abenden.
                                                                                                                                                                Gesellschaft
       Berliner Konzern Biotronik will Produktion in Asien ausbauen                                                                                             Hideaways für Sonnenhungrige              Seite 74
                                                                                                   Fotos: Estrel Berlin; Deutsche Bahn AG/Kai Michael Neuhold

      Der Konzern beabsichtigt, laut der Berliner Morgenpost, die Produktion nach Asien aus-                                                                    Brandenburg
      zulagern. Das ruft Gewerkschaften wie die IG Metall auf den Plan, die die Produktion am                                                                   Künstlerdörfer in Brandenburg             Seite 76
      Berliner Standort gefährdet sehen. Die Mitarbeitenden bangen um ihre Arbeitsplätze.                                                                       Brandenburg News                          Seite 79
      Bereits im Jahr 2019 verlagerte das Medizintechnik-Unternehmen einen Teil seiner Pro-
      duktion in den asiatischen Stadtstaat Singapur. Dadurch wurden am Hauptsitz von Bio-                                                                      Termine                                   Seite 80
      tronik in Neukölln zahlreiche Stellen abgebaut. Bis 2022 sollen 210 Vollzeit-Arbeitsplät-                                                                 Impressum                                 Seite 95
      ze und rund 170 Leiharbeiterstellen wegfallen. Der Konzern Biotronik SE ist ein weltweit                                                                  Zu guter Letzt                            Seite 96         Mit
      führender Hersteller von medizintechnischen Produkten zur Elektrotherapie des Herzens                                                                                                                           Hauptstadt­
      und vaskulären Intervention.                                                                                                                                                                                      kalender
      Mehr über neue Entwicklungen und Ansiedlungen in Berlin unter:                                                                                                                                                 für Wirtschaft
      www.projektzukunft.berlin.de                                                                                                                                                                                      & Politik

4                                                                                                                                                                                                                                     5
Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Die Berliner Start-up-Szene

Innovativer Gründergeist
in der Hauptstadt

    Nirgendwo in Deutschland floriert die Start-up-Szene mehr und auch innerhalb
    Europas zählt Berlin trotz großer Konkurrenz zu den bedeutendsten Start-up-
    Hochburgen. Denn fast jeden Tag wird hier ein Jungunternehmen gegründet, das
    sich mit neuartigen Ideen auf dem Markt beweisen will. Sei es in den Bereichen
    Software, Dienstleistungen oder Mobilität, es ist alles dabei. Die BERLINboxx
    hat sich die Szene genauer angeschaut und stellt in jeder Ausgabe drei
                                      Start-ups vor, die aktuell besonders auf                                                                                                             Resilient Resident
                                            sich aufmerksam machen.
                                                                                                                                                                                           Mehr Raum für nachhaltige Projekte im knappen Wohnungsmarkt schaffen?
                                                                                                                                                                                           Das Start-up Resilient Resident macht Dächer zu innovativen Gestaltungsflächen
                                                                                                                                                                                           und möchte hochfunktionale Module für den Anbau von Nutzpflanzen oder
                                                                                                                                                                                           auch als Erholungsort darauf bauen. Das GreenTech-Unternehmen ermöglicht,
                                                                                                                                                                                           viele Aspekte unseres täglichen Lebens neu zu lokalisieren und vorhandenen
                                                            Beazy                                                                                                                          Platz in der Stadt sinnvoll zu nutzen.
                                                                                                                                                                                           resilient-resident.com
                                                         Die Mission des
                                                          Start-ups ist es,
                                                          Kreativen zu helfen,
                                                                                     Fotos: Ovidiu Dumitra, Julia Besson; Johannes Müller, Sebastian Siebel; Leo Seidel von Fotodesign

                                                         ein zusätzliches
                                                         Einkommen zu gene-                                                                                                              Careloop
                                                        rieren. Zur Unterstüt-                                                                                                           Die Pandemie hat den Pflegekräfte-
                                                       zung vermietet es als                                                                                                             Mangel in den Fokus gerückt. Das
                                                      Vermittlungsplattform                                                                                                              Start-up Careloop möchte dieser
                                                    Equipment wie Kameras                                                                                                                Herausforderung durch Vermittlung
                                                  und Objektive sowie auch                                                                                                               zwischen ausländischen Pflegekräften
                                               professionelle Studios und                                                                                                                und Kliniken sowie Pflegeeinrich-
                                            Apartments. Sie verstehen sich                                                                                                               tungen in Deutschland begegnen.
                                       als Community engagierter Kreativer.                                                                                                              Mit ihrer gleichnamigen Onlineplatt-
                                  Mit regelmäßigen Meet-ups, Fotowanderungen,                                                                                                            form revolutionieren sie den Rekru-
                                  Workshops und Vorträgen bringen sie die                                                                                                                tierungsmarkt im Gesundheitswesen.
                                 Kreativen zusammen und voran.                                                                                                                           Einen Job in der Pflege finden und
                                www.beazy.co                                                                                                                                             das ohne große Bewerbung.
                                                                                                                                                                                         careloop.io
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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik

Der Ehrgeizige
Porträt Kai Wegner, Spitzenkandidat der CDU Berlin

    Kai Wegner beschreibt sich selbst als Ber-        CDU und der Jungen Union und wurde ein
    liner mit Leib und Seele. Sein Ziel ist es,       Jahr später Vorsitzender der Schülerunion.
    das Rote Rathaus wieder mit der CDU zu            Zu seinen Aufgaben gehörte es, im Ostteil
    besetzen. Von einer absoluten Mehrheit ist        der Stadt Kreisverbände für die Schülerunion
    die Berliner CDU dieser Tage weit entfernt        zu gründen. Dadurch war er viel in Ostber-
    und wird auf einen Koalitionspartner zu-          lin unterwegs. Seine Heimat war und ist das
    rückgreifen müssen.                               grüne, wasserreiche Spandau, aber wenn er
                                                      etwas erleben wollte, fuhr er in die Metropo-
    In diesem Jahr kandidiert Wegner nicht            le Berlin und genau dieser Gegensatz macht
    mehr für den Bundestag, denn er will Re-          Berlin noch heute für ihn aus.
    gierender Bürgermeister von Berlin wer-                                                                                     „Wir müssen die großen Chancen Berlins endlich konsequent nutzen und ein neues Miteinander
    den. Er möchte die Chancen der Stadt end-         Nach seinem Wehrdienst absolvierte Weg-                                 schaffen. Berlin muss für die Berlinerinnen und Berliner wieder funktionieren“, erklärt Kai Wegner
    lich nutzen und anpacken. Doch wer ist der        ner eine Ausbildung zum Versicherungs-
    Mensch, den die Berliner CDU ins Rennen           kaufmann. Im Anschluss daran arbeitete
    um das Abgeordnetenhaus Berlin schickt?           er in einem familiengeführten mittelstän-
                                                      dischen Bauunternehmen, zuletzt bis 2002                                Darüber hinaus war er von 2000 bis 2003        Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    Ein Berliner                                      als Mitglied der Geschäftsleitung.                                      Landesvorsitzender der Jungen Union Ber-       und war Vorsitzender der AG Bau, Wohnen,
                                                                                                                              lin und stellvertretender Landesvorsitzen-     Stadtentwicklung und Kommunen der CDU/
    durch und durch                                   Dennoch blieb er immer auch politisch, in                               der der CDU Berlin. 2005 wechselte er in den   CSU-Bundestagsfraktion. 2019 übernahm
    Kai Wegner ist Spandauer. Dort ist er gebo-       der Jungen Union und später nur noch in                                 Bundestag und war 2009 bis 2017 Vorsit-        er schließlich das Amt von Monika Grütters
    ren, aufgewachsen und mit seiner eigenen          der CDU, aktiv. 1995 bis 1999 war er Mit-                               zender der Landesgruppe Berlin in der CDU/     als Landesvorsitzender der CDU Berlin.
    Familie geblieben. Seine Grundschule lag di-      glied der Bezirksverordnetenversammlung                                 CSU-Bundestagsfraktion. In der gleichen
    rekt am Spandauer Forst – mitten im Grünen.       von Berlin-Spandau. Danach ging es für                                  Zeit war er Generalsekretär der CDU Berlin,    Politik für „die Normalen”
    Ob er damit wirklicher Berliner sei, ist wohl     ihn ins Abgeordnetenhaus von Berlin. Dort                               Großstadtbeauftragter der CDU/CSU-Bun-
                                                                                                      Foto: Yves Sucksdorff

    nach über 100 Jahren Groß-Berlin eine über-       übernahm er von 2001 bis 2005 das Amt des                               destagsfraktion und wurde anschließend         Wegner holt gern gegen die Grünen und noch
    holte Frage. Vor allem, wenn man in seine         stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden                                 2017 stellvertretender Landesvorsitzen-        lieber gegen den rot-rot-grünen Senat aus.
    Vergangenheit schaut. Als die Berliner Mauer      und von 2003 bis 2005 das des wirtschafts-                              der der CDU Berlin. Ein Jahr später über-      Kritisiert Planlosigkeit, ideologische For-
    fiel, war er 17 Jahre alt, bereits Mitglied der   politischen Sprechers der CDU-Fraktion.                                 nahm er die Funktion des baupolitischen        derungen, Unstimmigkeiten und Verbote.

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik

                                                                                                                                     Wegner ist pro Wachstum in der Stadt und        gern mit Menschen ins Gespräch und in den
                                                                                                                                     damit wieder im Einklang mit seiner Partei.     Austausch. Unterstützung bekommt er vor
                                                                                                                                     Ziel in Berlin muss seiner Meinung nach         allem aus der Berliner Wirtschaft. Um die,
                                                                                                                                     eine ökologisch, soziale Marktwirtschaft        insbesondere den Mittelstand, macht er
                                                                                                                                     sein – mit Angeboten statt Verboten. Weg-       sich aktuell große Sorgen.
                                                                                                                                     ner will sich das Vertrauen der Berliner*in-
                                                                                                                                     nen, von dem er glaubt, das es durch die        Wo er sich für den Bund durchaus eine Koa-
                                                                                                                                     vielen Streitigkeiten in der aktuellen Regie-   lition aus CDU und Grünen vorstellen kann,
                                                                                                                                     rung verloren gegangen ist, zurückgewin-        fehlt ihm für das Land Berlin die Phantasie
                                                                                                                                     nen. Vertrauen gewinnen, Politik für „die       für Schwarz-Grün – die ist ihm hier zu links.
                                                                                                                                     Normalen“ machen – für die Erzieher*innen       Dennoch versucht er, das Image der CDU
                                                                                                                                     und Polizist*innen, einheitlich handeln,        vom Altherrenverein zur Großstadtpartei zu
                                                                                                                                     Wachstum gestalten – sind Narrative, die        wandeln. Die Berliner CDU müsse diverser
                                                                                                                                     sich bei ihm vielfach finden.                   werden. Darum sollen die Senatspositionen
                                                                                                                                                                                     unter ihm auch paritätisch besetzt werden.
                                                                                                                                     Eine Vision für
                                                                                                                                                                                     Beim Öffentlichen Nahverkehr zeigt sich,
                                                                                                                                     die Hauptstadt                                  dass ihm nicht bei allen Themen eine klare,
Der Christdemokrat möchte für Berlin einen grundlegenden Politikwechsel                                                              Als baupolitischer Sprecher beschäftigt ihn     definitive Richtung, die er von einer Regie-
                                                                                                                                     ein Thema besonders: Neubau. Hier zeigt         rung erwartet, gelingt. Er will die Verkehr-
                                                                                                                                     sich, wie er die, in seinen Augen durch die     steilnehmer*innen nicht gegeneinander
                                                                                                                                     Regierung verursachte, politisch polarisier-    ausspielen. Das ÖPNV-Angebot soll wach-
      Es brauche ein gemeinsames Ziel für Ber-         auf Bundesebene zugeschrieben wird, stehe                                     te und gespaltene Metropole Berlin wieder       sen, die Sicherheit des Radverkehrs ebenso
      lin und nicht immer nur den kleinsten ge-        er nicht zur Verfügung. Die CDU-Mitglieder                                    zusammenbringen will. Wegner selbst lebt        und alle, die wollen, in Berlin mit dem Auto
      meinsamen Nenner. Berlin würde unter Wert        hätten eine Verantwortung für die Partei                                      im Eigentum und wünscht sich das auch für       unterwegs sein.
      regiert, sind Aussagen, die von ihm vielfach     und die Richtung, in die sie sich entwickle.                                  mehr Berliner*innen. Um in Berlin mehr
      kommen. Für die Hauptstadt will er einen         Einen konservativen Flügel brauche eine                                       bezahlbares Wohnen zu erreichen, will er        Ein steiniger Weg
      grundlegenden Politikwechsel und einen           Volkspartei dennoch, vor allem in Bezug auf                                   einen runden Tisch mit einem Bündnis aus
      neuen Politikstil. Die Berliner CDU sieht er     die AfD, aber auch eine klare Haltung, so der                                 privaten und öffentlichen Wohnungsunter-        Man kann wohl mit Fug und Recht behaup-
      klar als Gegenmodell zu Rot-Rot-Grün. Denn       Christdemokrat.                                                               nehmen sowie Genossenschaften ins Leben         ten, dass Kai Wegner jemand ist, der viel in
      der Spandauer ist ehrgeizig und hartnäckig.                                                                                    rufen. Mit diesen relevanten Akteuren für       Berlin rumgekommen ist und diese Stadt
      Auf eine politische Richtung innerhalb der       Wegner findet die Vielfalt Berlins gut und                                    den Wohnungsbau will er auf Augenhöhe           kennt. Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit
      CDU möchte er sich allerdings nicht festle-      sieht in der Unterschiedlichkeit der Bezirke,                                 ins Gespräch kommen.                            der Stadt sieht er als Gewinn. Er will das
      gen lassen und stattdessen für einen ganz        mit seinen vielen kleinen Kiezen und den                                                                                      Vertrauen der Berliner*innen in die Regie-
      pragmatischen Kurs stehen. In Bezug auf          verschiedenen Mentalitäten einen Gewinn.                                      Ein gutes Beispiel, wie er künftig Themen       rung zurückgewinnen. Dass er sich bei aller
      Lebensformen in der Stadt sei er sehr liberal,   Er wolle vor allem Politik für „die Normalen“                                 in Berlin angehen will, ist das Tempelhofer     Offenheit dennoch auf eine politische Linie
      bei Alters- und Kinderarmut und Bildungsge-      machen, für die, die Berlin am Laufen halten.                                 Feld. Er sieht in dem Gelände eine riesige      festlegen muss, rückt manchmal etwas in
      rechtigkeit sehr sozial, begründet in seiner                                                                                   Chance. Um auch die Kritiker zu überzeugen,     den Hintergrund. Seine Themen sind Wirt-
      eigenen Vergangenheit, da er in kleinen          Immer wieder betont der Christdemokrat,                                       brauche es für ihn vor allem eine Vision. Er    schaft und Arbeitsplätze, Bauen und be-
      Verhältnissen aufgewachsen sei. Bei Recht-       dass Berlin seine Potenziale besser nutzen                                    sieht dort einen Stadtwald und Randbebau-       zahlbare Mieten, Bildung, Mobilität, Sicher-
      staatlichkeit, Sicherheit und Sauberkeit sei     muss – sei es im Neubau oder in der Ent-                                      ung mit Wohnungen. Einen smarten Stadt-         heit, Sauberkeit, Vereinbarkeit von Familie
      er wiederum sehr konsequent, erklärte er im      wicklung innovativer Technologien für die                                     teil mit bezahlbarem, alters- und familien-     und Beruf, Klimaschutz und eine funktio-
                                                                                                       Foto: Photomat from Pixabay

      S-Bahn-Podcast des Tagesspiegels zur anste-      Stadt der Zukunft. Der Anspruch Berlins                                       gerechten Wohnen und gleichzeitig reichlich     nierende Verwaltung. Für alles will er mehr
      henden Wahl. Ob er das Wort konservativ an       müsse sein, sich mit den Metropolen Eu-                                       Platz für Freizeitaktivitäten aller Art.        Geld und mehr Personal. Hoffen wir, dass er
      dieser Stelle bewusst vermeidet, bleibt wohl     ropas zu messen. Eine weltoffene, liberale                                                                                    sich damit nicht zu viel vorgenommen hat,
      Spekulation. Doch für einen Rechtsruck, wie      Metropole Berlin auf einem sicheren Funda-                                    Wegner bezeichnet sich selbst als Optimist      sollte er der nächste Regierende Bürger-
      er einigen seiner Parteimitglieder gerade        ment, so seine Vision.                                                        und freut sich auf den Wahlkampf. Er kommt      meister von Berlin werden. (aw)

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik

     Zehn Fragen                                     Wie wollen Sie die Menschen erreichen?
                                                     Digital oder persönlich?

     An…
                                                     Natürlich nutze ich gerne auch die digitalen
                                                     Formate, aber der persönliche Austausch,
                                                     das Vier-Augen-Gespräch, ist durch nichts
                                                     zu ersetzen.

     Kai Wegner                                      Wir stehen offensichtlich vor einer Abwen-
                                                     dung von der sozialen Marktwirtschaft.
                                                     Wie wollen Sie den Linksrutsch, die zuneh-
                                                     menden Eingriffe der Politik in das Leben
                                                     der Menschen verändern? Was wollen Sie
                                                     anders machen, sollten Sie Regierender
     Für die Wahl im Herbst hat sich die Berliner    Bürgermeister werden? Welche Vision ha-
     CDU große Ziele gesetzt. Ihr Spitzenkan-        ben Sie für Berlin?
     didat Kai Wegner möchte Politik für „die        Rot-Rot-Grün hat die Instrumente der sozi-
     Normalen“ machen und sieht seine Partei         alen Marktwirtschaft an vielen Stellen au-
     als klares Gegenmodell zu Rot-Rot-Grün.         ßer Kraft gesetzt und die Stadt gespalten.
     Was er damit meint und wie er in Zukunft        Das will ich ändern. Wir müssen die großen
     in Berlin Politik machen möchte, sollte er      Chancen Berlins endlich konsequent nutzen
     Regierender Bürgermeister sein, verrät er       und ein neues Miteinander schaffen. Berlin
     uns in 10 Fragen an…                            muss für die Berlinerinnen und Berliner
                                                     wieder funktionieren. Wir brauchen als Fun-
     Wie sind Sie zur Politik gekommen? Gab          dament der Vielfalt und Liberalität unserer
     es ein konkretes Ereignis in Ihrem Leben?       Stadt einen starken und konsequenten
     In der Schule habe ich gerne diskutiert, ich    Rechtstaat. Dann kann hier jeder nach sei-
     wollte aber auch anpacken und etwas bewe-       ner Fasson glücklich werden.                                                                       Als baupolitischer Sprecher beschäftigt ihn insbesondere ein Thema: Neubau.
     gen. Das hat die Junge Union mitbekommen                                                                                                 Hier müsse Schluss sein mit der Mangelverwaltung und der Neubaumotor angeworfen werden
     und mich intensiv umworben. Eingetreten         Mit einem wirksamen, unbürokratischen
     bin ich dann 1989, weil die SPD mit der Al-     und umfassenden Behandlungsplan wol-
     ternativen Liste eine Koalition gebildet hat.   len Sie die Berliner Wirtschaft aus der Kri-
                                                     se holen. Wie genau sieht dieser Plan aus?                                     Berlin hat eine ausgeprägte Start-up-Szene,     Viele Investoren haben sich zurückgezo-
     Mehr und mehr Menschen haben das Ge-            Wir brauchen einen echten Neustart der                                         ist in den letzten Jahren im internationalen    gen. Wie wollen Sie zu einem konstruk-
     fühl, dass sich die Politiker*innen zu viel     Berliner Wirtschaf t. Dafür müssen wir                                         Vergleich aber zurückgefallen. Deswegen will    tiven Dialog mit der Immobilienbranche
     mit Machterhalt, Taktieren, Wahrung ei-         Schluss machen mit unnötigen Vorschrif-                                        ich zur Förderung von Start-ups eine Investi-   zurückkommen? Wie den geplanten mas-
     gener Privilegien beschäftigen und nicht        ten. Alles, was wirtschaftshemmend ist,                                        tionsagentur aufbauen. Diese Agentur kann       siven Neubau fördern?
     ausreichend an Bürgeranliegen arbeiten.         gehört auf den Prüfstand. Am Ende geht                                         Zuschüsse vergeben und junge Unternehmen        Mietendeckel und Enteignungsdebatte ha-
     CDU-Kanzlerkandidatur, Listenplatz-Schar-       es um Arbeitsplätze, um Ausbildungsplätze                                      mit Wagniskapital von privaten Geldgebern       ben die Wohnungskrise in Berlin verschärft.
     mützel etc. Wie dicht sind Sie an den Sor-      und um Existenzen.                                                             fördern. Es geht darum, Wissenschaft, For-      Nie war es so schwer, in Berlin eine Wohnung
     gen der Bürger*innen?                                                                                                          schung und Entwicklung noch besser mit den      zu finden. Wir müssen weg von der Mangel-
                                                                                                    Foto: Marcus Lenk on Unsplash

     Der direkte Austausch mit den Berlinerinnen     Ihr Fokus liegt vor allem auf der Unter-                                       Start-ups zu verbinden.                         verwaltung, den Neubaumotor anwerfen und
     und Berliner ist mir besonders wichtig. Der     stützung des Mittelstandes. Wie sieht es                                                                                       starke soziale Leitplanken einziehen, die
     Zuspruch vieler Menschen, aber auch kritische   mit den Start-ups aus? Welche Anreize                                          Mietendeckel und Enteignungsdebatte ha-         wirklich funktionieren. Das schaffen wir mit
     Worte, sind die Grundlage meiner Arbeit. Ich    wollen Sie setzen, um den jungen Gründer-                                      ben das Vertrauen der Immobilienunter-          einem Bündnis für bezahlbares Bauen und
     will zuhören, entscheiden und machen.           geist in der Hauptstadt zu erhalten?                                           nehmen in die Berliner Politik erschüttert.     Wohnen, mit allen Beteiligten.

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik

Eine weltoffene, liberale Metropole Berlin auf einem sicheren Fundament,
so die Vision des Spandauers

      Eines Ihrer zentralen Themen ist die Bil-        Ich will nicht 36 Milliarden Euro für sinnlose
      dungsgerechtigkeit. Wie wollen Sie es            Enteignungen ausgeben. Ich möchte lieber
      schaffen, dass die Berliner Schüler*innen        Geld in einen leistungsfähigen öffentlichen
      unabhängig von ihrer sozialen Herkunft           Dienst investieren.
      bessere Chancen haben?
      Wir brauchen eine neue Qualität und eine         In Berlin sollten alle Verkehrsteilneh-                                                Lieferando   Wolt
      neue Verlässlichkeit. Die Berliner Bildung       mer*innen schnell, sauber und sicher
      muss endlich wieder spitze werden. Ich will      vorankommen, so ist es auf Ihrer Web-
      eine Berliner Bildungsgarantie, damit alle       site nachzulesen. Sie schließen dabei
      Schüler bestmöglich gefördert werden. Au-        die öffentlichen Verkehrsmittel ebenso
      ßerdem brauchen wir die Vorschule und die        ein wie das Fahrrad und das Auto. Wie
      Lehrerverbeamtung, um im Wettstreit um die       wollen Sie all diese Verkehrsteilneh-
      besten Köpfe zu bestehen.                        mer*innen zusammenbringen?
                                                                                                        Foto: Stefaan Van Parys on Unsplash

                                                       Verbote, Zwang und Bevormundung im Stile
      Mehr qualifiziertes Lehrpersonal, mehr           von Rot-Rot-Grün sichern keine nachhal-
      Polizist*innen, mehr Verwaltungsmitar-           tige Mobilität. Ich setze auf pragmatische
      beiter*innen – die Berliner CDU will das         Lösungen und ein Miteinander aller Mobi-
      Personal im öffentlichen Dienst ordentlich       litätsträger. Wir brauchen attraktive Ange-
      aufstocken. Doch wie? Und wo sollen die          bote und müssen insbesondere den ÖPNV
      finanziellen Mittel dafür herkommen?             massiv stärken. (aw)

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik
Zwiegespräch

                                                                              Manuel Wiemann                                                                                                                     Volker Krane

               Autostadt Berlin?

          Es geht auf/um
                                                                ➥                                                                                                                                                   ➥
                                                                                                                                                                                                        Nahverkehrsnetz. Deswegen ist die para-
                                                                                                                                                                                                        doxe Situation entstanden, dass in Berlin
                                                                                                                                                                                                        nicht nur NGOs und Grüne, sondern auch
                                                                                                                                                                                                                                                       gleichberechtigt mit Fahrradfahrer*innen
                                                                                                                                                                                                                                                       und Fußgänger*innen mitgedacht wer-
                                                                                                                                                                                                                                                       den? Werden in Ihren Augen durch diesen
                                                                                                                                                                                                        Junge Union und sogar der ADAC weniger         Vorstoß die Berliner Verkehrsteilneh-

          die StraSSe
                                                                                                                                                                                                        Autos fordern. Allen ist klar, dass mehr Le-   mer*innen gegeneinander ausgespielt?
                                                                                                                                                                                                        bensqualität nur mit weniger Autos möglich
                                                                                                                                                                                                        ist. Dafür liefern wir einen zukunftsweisen-   Wiemann: Auch wenn der Name „auto-
                                                                                                                                                                                                        den Vorschlag.                                 frei“ provokant klingt: Das Auto kommt wei-
          Der Kampf um die Straßen Berlins hat gerade erst begonnen. So scheint es, wenn man in den                                                                                                                                                    ter zum Einsatz, wo es notwendig ist. Hand-
          vergangenen Monaten die Berichterstattung in der Hauptstadt verfolgt hat. Fußgänger*innen                                                                                                     Krane: Eine vollkommen autofreie Innen-        werker, Lieferverkehr, Krankenschwestern
          gegen Radfahrer*innen, Radfahrer*innen gegen Autofahrer*innen und dazwischen der Wirt-                                                                                                        stadt ist aus Sicht des ADAC Berlin-Bran-      bei Nacht, aber auch Feuerwehr und Men-
          schafts- und der öffentliche Nahverkehr. Sie alle wollen täglich von A nach B kommen und das                                                                                                  denburg fernab jeder Realität. Die Men-        schen mit Mobilitätseinschränkungen wer-
          in einer Millionenstadt wie Berlin. Die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ möchte nun    Fotos: Initiative Volksentscheid Berlin autofrei/CC by-sa 4.0; Uwe Klössing/Hoffotografen   schen haben ein hohes Bedürfnis nach Mo-       den schneller und staufrei im Auto ans Ziel
          in dieser hitzigen Debatte von „Wer darf wo fahren?“ durchsetzen, dass das Auto fast komplett                                                                                                 bilität, welches sich (noch) nicht durch den   kommen. Gleiches gilt für den privaten Um-
          aus der Innenstadt verschwindet. Die BERLINboxx hat Manuel Wiemann, einen Sprecher der                                                                                                        Umweltverbund allein decken lässt. Um dies     zug oder den Ausflug nach Brandenburg.
          Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“ und Volker Krane, Vorstand für Verkehr beim ADAC                                                                                                  zu ändern, müsste der öffentliche Verkehr
          Berlin-Brandenburg zum Zwiegespräch zum Thema autofreies Berlin gebeten.                                                                                                                      im gesamten Stadtgebiet erheblich ausge-       Dadurch stellen wir die individuelle Mobili-
                                                                                                                                                                                                        baut sowie Radinfrastruktur und Gehwege        tät in den Mittelpunkt, statt wie bisher das
                                                                                                                                                                                                        erneuert, verbessert und sicherer gemacht      Auto. Denn obwohl der Kfz-Verkehr kaum
                  Ist Berlin bereit für                       aufgebaut worden. Ist die Hauptstadt                                                                                                      werden. Angebote statt Verbote lautet hier     Menschen innerhalb des S-Bahn-Rings be-
                                                              bereit für diesen radikalen Umschwung?                                                                                                    unsere Devise.                                 wegt, nimmt er fast 60 Prozent der Fläche
                  einen Spurenwechsel?                        Wiemann: Berlin hat die besten Voraus-                                                                                                                                                   ein. Diesen Raum möchten wir zurückge-
                  Die Initiative „Volksentscheid Berlin au-   setzungen, um Vorreiter für die Verkehrs-                                                                                                 Gleichberechtigtes                             winnen. Wir wollen, dass Eltern wieder
                  tofrei“ möchte den privaten Autoverkehr     wende zu werden: Schon jetzt sind über die                                                                                                                                               nebeneinander Kinderwagen schieben kön-
                  im gesamten Berliner S-Bahnbereich weit-    Hälfte der Haushalte ohne eigenes Auto                                                                                                    Mobilitätskonzept                              nen, statt über schmale Gehwege stolpern
                  gehend verbieten und damit die weltweit     mobil. Innerhalb des S-Bahn-Rings werden                                                                                                  In Berlin sind rund 1,2 Millionen Autos        zu müssen. Auch ältere Menschen sollen
                  größte autoreduzierte Zone schaffen.        Pkw nur für 17 Prozent der Wege genutzt!                                                                                                  angemeldet. Braucht es da nicht auch ein       sich wieder aufs Rad trauen. Wir möchten
                  Nach dem zweiten Weltkrieg ist vor allem    Und auch wenn die BVG manchmal auf                                                                                                        integratives Mobilitätskonzept, in dem         ein menschenfreundliches Berlin, in dem
                  West-Berlin als Stadt für den Autoverkehr   sich warten lässt, haben wir ein sehr gutes                                                                                               Auto-, Wirtschafts- und Lieferverkehre         Kinder selbstständig und sicher zur Schule

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Kunstmarkt neu? Wie erfindet - BERLINboxx
Politik

                                                                                                                                                                                                    Zwiegespräch
                                                     Manuel Wiemann                                            Volker Krane

                                      ➥
     gehen können. Daran misst sich Freiheit
     – und nicht daran, ob ich eine Spritztour
     durch die Innenstadt machen darf.
                                                     den Individualverkehr zukunftsfähiger zu
                                                     gestalten, indem emissionsfreie Pkw ge-
                                                     fördert werden?
                                                     Wiemann: Wir brauchen beides: Eine
                                                                                                           ➥
                                                                                                   einmal vielerorts besteht, zu mindern. Ein
                                                                                                   starker, zuverlässiger ÖPNV ist hier das A und
                                                                                                   O. Zudem könnte schon jetzt oder zumindest
                                                                                                   mittelfristig der Berliner Autoverkehr effek-
                                                                                                                                                    gelingen, mehr motorisierte Pendler*innen
                                                                                                                                                    zu motivieren, auf den ÖPNV umzusteigen?
                                                                                                                                                    Wiemann: Unser Gesetz würde ab 2027
                                                                                                                                                    zu einer autoarmen Innenstadt führen. Bis
     Krane: Ein Mobilitätskonzept für ALLE           Antriebswende und eine Verkehrswen-           tiv reduziert werden, in dem das P+R-An-         dahin kann das Busnetz verdichtet und das
     Berliner*innen, also auch für alle Verkehrs-    de durch weniger Autos. Neuzulassungen        gebot (Park + Ride) im Speckgürtel und im        Tramnetz vor allem in West-Berlin stark er-
     gruppen, ist sehr wichtig. Darauf haben wir     müssen baldmöglichst elektrisch sein. Aber    Land Brandenburg endlich ausgebaut wird.         weitert werden. Busse und Trams kommen
     unter anderem in der Diskussion um das          das reicht nicht aus: Auch Elektroautos                                                        schneller ans Ziel durch weniger private
     Berliner Mobilitätsgesetz wiederholt hin-       verursachen Feinstaub durch Reifenabrieb,     Viele der 150.000 Menschen, die tagtäglich       Autos.
     gewiesen.                                       rauben der Stadt wertvollen Platz, verlet-    mit ihrem Pkw in die Hauptstadt pendeln,
                                                     zen und töten Menschen. Wir müssen den        könnten ihr Auto auf diese Weise vor den         Allerdings steigt niemand freiwillig aufs Rad
     Die Initiative „Berlin autofrei“ macht letzt-   Kfz-Verkehr deutlich reduzieren, um wieder    Toren der Stadt stehen lassen. Doch trotz        oder in die Bahn, wenn er oder sie auch be-
     endlich – auch wenn etwas rabiater – den        durchatmen zu können.                         dieses Bedarfs wird der Senat nicht tätig.       quem und billig mit dem Auto fahren kann.
     gleichen Fehler wie der Senat: sie will die                                                                                                    Deswegen sagt die Verkehrsforschung: Die
     Verkehrswende in Berlin mit Verboten und        Krane: Man muss zum Teil unterscheiden        In eine ähnliche Kerbe schlägt auch unsere       Pkw-Nutzung muss unattraktiv werden – le-
     Einschränkungen vorantreiben – komme,           zwischen Maßnahmen, die dem Klimaschutz       Forderung, endlich ein gutes Parkraumma-         diglich Anreize reichen nicht für den Aus-
     was wolle. Egal, was das für viele Men-         dienen und Maßnahmen, die den Verkehr         nagement mit Parkleitsystem, in das auch         stieg aus dem Auto. Als Autolobby-Verband
     schen bedeuten würde. Dem Ziel eines            selbst zukunftsfähig machen. Emissionsfreie   die vorhandenen Parkhäuser integriert            will der ADAC dies natürlich mit Händen und
     „harmonischen Miteinanders“ aller Ver-          Pkw und „grüne“ Kraftstoffe zu fördern und    werden, in Berlin aufzusetzen, um den mas-       Füßen verhindern. Aber wir müssen uns fra-
     kehrsträger*innen und einer nachhaltigen        die entsprechende Infrastruktur auszubau-     siven Parksuchverkehr zu reduzieren. Erst,       gen, wie wir die Verkehrswende sozial und
     Verkehrswende wird auf diese Weise sicher       en, erachten wir als unumgänglich für eine    wenn diese offensichtlichen Probleme ge-         zukunftsfähig gestalten. Dafür liefert der
     nicht gedient, im Gegenteil.                    umweltfreundliche Mobilität. Das beweist      löst wurden, kann über einen sukzessiven         Volksentscheid einen sehr durchdachten
                                                     auch unsere Kooperation mit der BTU Cott-     Rückgang des privaten Autoverkehrs nach-         und konkreten Vorschlag.
     Zukunftsfähiger                                 bus, die sich der Erforschung „grünerer“      gedacht werden.
                                                     Kraftstoffmischungen verschrieben hat.                                                         Krane: Die Ausweitung des P+R-An-
     Individualverkehr                                                                                                                              gebots, ein stadtumfassendes Parkraum-
                                                                                                   Motivation zum Umstieg
     Elektro, Brennstoffzelle, Hybrid – neben        Doch der Verkehr wird durch emissionsfreie-                                                    management und der Ausbau des ÖPNV-An-
     reinen Verbrennern gibt es bereits Alter-       oder ärmere Pkw nicht weniger. Hier müs-      Die Umwelt profitiert stark davon, wenn          gebots in puncto Kapazität und Taktung
     nativen oder es wird daran geforscht. Wir       sen parallel zur Technologieentwicklung       weniger Autos auf den Straßen unterwegs          sind die wichtigsten Stellschrauben, an de-
     haben die beiden Herren gefragt, was sie        endlich Angebote geschaffen werden, um        sind. Dies ist wohl der zentrale Gedanke         nen es zu drehen gilt. Was vor dem Hinter-
     von dem Vorschlag halten, stattdessen           die Abhängigkeit vom privaten Pkw, die nun    der Initiative. Wie kann es in Ihren Augen       grund der COVID-19-Pandemie zudem nicht

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Politik
Zwiegespräch                                                                                                                                                            22. Jahrgang

                                                                                                                                               Bleiben Sie
                                                                                                                                               vernetzt.
                                                                                                                                               Hybride Termine in Wirtschaft
                                                                                                                                               und Politik, News und Trends
               Berlins große Straßen sind geprägt von dichtem Autoverkehr.
               Das soll sich ändern – aber wie? Darüber diskutieren die Hauptstädter*innen noch

               vergessen werden darf: BVG und Deutsche         die Umsetzung verschleppt. Deswegen
               Bahn müssen das verlorene Vertrauen der         nehmen wir die Verkehrswende selbst in
               Fahrgäste und die Fahrgäste selbst wieder       die Hand und setzen uns für saubere Luft
               zurückgewinnen. Dies geht nur mit einem         und Freiräume ein: Wir möchten, dass alle
               durchdachten und umfassenden Hygiene-           Berliner*innen abstimmen können, wie das
               Konzept, das langfristig - auch nach Corona     Berlin der Zukunft aussieht!
               - verfolgt werden muss.                                                                                                                    www.BERLINboxx.de
                                                               Krane: Es zeigt sich, dass der Pkw-Bestand
               Berliner                                        sogar weiter zunimmt, nur nicht in dem Aus-
                                                               maß, wie es die Berliner Bevölkerung tut.
               Mobilitätsgesetz                                Umso wichtiger ist es, auch wenn es für viele
               2018 wurde das Mobilitätsgesetz be-             einfacher erscheint, die Fahrzeughalter*in-
               schlossen. Immer weniger Berliner*innen         nen in der Verkehrswende nicht zu vergessen
               haben ein eigenes Auto – der Motorisie-         oder gar per Verbot auszusperren.
               rungsgrad sinkt. Braucht es da überhaupt
               die Initiative? Ist es nicht fast ein natür-    Der große bürokratische Aufwand, den ein
                                                                                                               Foto: Ernest Ojeh on Unsplash

               licher Prozess, dass immer mehr private         solches Verbot mit sich ziehen würde, stün-
               Pkw aus dem Stadtbild verschwinden?             de in keiner Kosten-Nutzen-Relation. Die
               Wiemann: Das Gegenteil ist der Fall. Die        Berliner*innen sollten nicht bevormundet
               Gesamtzahl der Autos steigt noch immer.         werden, sondern selbst entscheiden kön-
               Auf der Straße macht sich das Mobilitäts-       nen, welches Verkehrsmittel sie künftig
               gesetz kaum bemerkbar, weil der Senat           nutzen. Dies ist ihr gutes Recht. (aw)

          20                                                                                                                                                                      21
Politik

Traufhöhe ade
und andere
frische Ideen
Porträt Heike Schmitt-Schmelz, Stadträtin und SPD-Bürgermeister-
kandidatin im City-Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf

     Mutige und unkonventionelle Ideen formu-      Und dann sind da noch die großen Entwick-
     lierte Heike Schmitt-Schmelz im Interview     lungsgebiete wie das ehemalige Reemts-
     mit Frank Schmeichel, Verleger BERLIN-        ma-Areal, wo ein ganz neues Stadtquartier
     boxx, zum Beispiel im Hinblick auf die        entstehen soll für mehr als 10.000 Arbeits-
     Baurichtlinien im Bezirk. Politik und In-     plätze. Hier könne sich Wirtschaft, Wissen-
     vestor sollten sich zukünftig für kreativen   schaft und vielleicht auch Wohnen zu einem
     Lösungsansätze offener zeigen und nicht       lebendigen Quartier entwickeln.
     an der alten Traufhöhe, die in B-Plänen
     aus den 1950er Jahren als Maßstab dient,      Auch bei den drängenden Verkehrsproble-                                                                   Mit „Flitzi“, dem Öko-Flitzer und mobilen Wahlkampfstand,
     festhalten. So könne deutlich über sieben     men strebt die kreative Kandidatin unkonven-                                                                            geht Heike Schmitt-Schmelz auf Tour im Bezirk
     Stockwerke geplant werden. Verdichten in      tionelle Lösungen an. So sieht sie den Bezirk
     die Höhe, nannte das die Bürgermeis-          zukünftig als Modellbezirk für eine intelli-
     terkandidatin von Charlottenburg-Wilm-        gente und stadtverträgliche Logistik. Trans-                     hat, soll den Wirtschaftsstandort weiter       und die jüdische Tradition, die mit dem von
     ersdorf. Allerdings dürfe das nicht allein    portfahrzeuge sollten die Busspur benutzen                       stärken, genauso wie eine engere Zusam-        der Kantorin Avitall Gerstetter initiierten
     zugunsten der Gewinnmaximierung des           dürfen, wenn sie verantwortungsbewusst die                       menarbeit zwischen Wirtschaft und Hoch-        Kampagne für einen jüdischen Leuchter auf
     Investors geschehen, sondern auch die         Fahrradfahrerinnen beachten. Insgesamt                           schulen. Der Wissenschaftsstandort kann        dem Kurfürstendamm bald ein neues Sym-
     Bürger müssten was davon haben. So kann       müsse der Verkehr menschengerechter wer-                         noch deutlich mehr genutzt und im Bezirk       bol erhalten wird.
     sie sich gut vorstellen, dass die Preise in   den und der ÖPNV deutlich umweltgerechter.                       vernetzt werden. Für Charlottenburg-Wil-
     den Dachgeschossen durchaus höher seien,                                                                       mersdorf wünscht sich Schmitt-Schmelz,         Heike Schmitt-Schmelz ist eine zielstrebi-
     dafür müsse aber Wohnraum in den unte-        Eine starke Verwaltung ist für Schmitt-                          dass die Stadt mit dem studentischen Le-       ge, offene und ideenreiche Politikerin, die
     ren Geschossen bezahlbar bleiben. Durch       Schmelz ein Augenmerk. Alle Leistungen                           ben ins Pulsieren kommt. Die Mutter zweier     seit 15 Jahren in der Bezirksverordneten-
     mehr Kooperation mit den Kommunen             aus einer Hand sei ein Ziel, flankiert durch                     schulpflichtiger Töchter will sich auch für    versammlung arbeitet und seit fünf Jahren
     lässt sich im dichtbesiedelten Innenstadt-    eine Stellenoffensive und eine stärkere Ser-                     eine Verbesserung der Bildungsstandorte        als Stadträtin für Jugend, Familie, Bildung,
     bezirk zusätzlicher Wohnraum schaffen.        vice- und Bürgerorientierung.                                    einsetzen und insgesamt mehr Vernetzung        Sport und Kultur überparteilich anerkann-
                                                                                                                    schaffen zwischen den gesellschaftlichen       te sozialdemokratische Politik macht. Als
     Das klingt nach Partnerschaft statt Geg-      Die gute und konstruktive Zusammenarbeit                         Bereichen. Der große Vorteil ihres Bezirks,    Nachfolgerin für den beliebten Reinhard
                                                                                                     Foto: privat

     nerschaft wie heute zumeist das Verhältnis    mit den Unternehmen und Interessengrup-                          wo die gelernte Facherzieherin für Integra-    Naumann ist sie sicher eine exzellente
     zwischen Politik und Bauherr bestimmt ist.    pen wie der AG City, für die sie nur gute Worte                  tion aufgewachsen ist, sei die Weltoffenheit   Wahl. (fs)

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Titel

     Wie erfindet
     sich der
     Kunstmarkt
     neu?
     Berlin ist bekannt für seine Kunst- und
     Kulturszene. Sie ist Motor der Stadt.
     Die Kreativität, die von Ihren Akteur*innen
     ausgeht, strahlt in alle Branchen und
     Bereiche. Doch wie geht es dem Kunstmarkt
     aktuell? Die BERLINboxx hat die
                                                   Foto: Jeanchristophe Lett, bbk berlin

     Teilnehmer*innen selbst gefragt.
                                                                                           Heidi Sill, berufsverband bildender künstler*innen berlin

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Titel

     Kunst
     markt
     2.0?
     „Ein ganzes System kann kippen, wenn             offener für neue Formate – muss es werden.
     sich nur eine Winzigkeit ändert. Das ist in      „Die Stimmung in der Berliner Kunstszene
     einem Bild so, das ist in der echten Welt        ist, wie sie immer war: Sie schwankt zwi-                                                                                             Berlin ist ein Ort, wo in vielfältiger Weise Kunst entsteht – die
     so“, sagte Katharina Grosse, Künstlerin          schen ‚hoffnungslos, aber nicht ernst‘ und                                                                                              Anziehungskraft für junge Kunstschaffende ist ungebrochen
     von Weltrang, im Sommer 2020 anlässlich          ‚ernst, aber nicht hoffnungslos‘. Insofern
     ihrer fulminanten Ausstellung „It wasn’t         bleibt alles beim Alten: Man tut so, als wäre
     us“ im Hamburger Bahnhof.                        man der Nabel der Kunstwelt, und hofft da-
                                                      rauf, dass es einem genug Leute abnehmen                                                               vieles im Umbruch, was wir uns in dieser       und die Rechte der Kunstschaffenden –
     Corona hat den Kunstmarkt in Berlin nicht        und niemand den Bluff merkt. Aber funk-                                                                Titelgeschichte näher anschauen wollen.        besonders auch in der Krise. „Das gesell-
     einschneidend geschädigt, aber sehr wohl         tioniert so nicht der gesamte Kunstmarkt?                                                                                                             schaftliche Leben in Berlin ist wesentlich
     aus dem Takt gebracht. Vieles, was bis zum       Und zumindest in Berlin klappt diese Eigen-                                                                                                           von Kunst und Kultur geprägt. Kunst und
                                                                                                                                                             Stadt der
     März 2020 unumstößlich schien – Auktio-          blut-Therapie und Selbstbestätigung noch                                                                                                              Künstler*innen waren von der „Bühne“ der
     nen, Ausstellungen und Galerieveranstal-         ganz gut“, beschreibt Markus Peichl von der                                                            Künstler*innen                                 Stadt verbannt, das kulturelle Leben exis-
                                                                                                      Foto: RhondaK Native Florida Folk Artist on Unsplash

     tungen in Präsenz oder auch der Verkauf          Galerie Crone die Lage. Die Stimmung ist                                                               Für die Attraktivität der Kunststadt Berlin    tiert seit über einem Jahr nicht mehr, wie
     per Handschlag in Persona – war nicht mehr       also verhalten optimistisch. Finanzstarke                                                              sind nicht in erster Linie die Messen und      wir es kennen, und die Menschen sind ihrer
     möglich. Ob dies alles in seiner alten Form      Käufer*innen gibt es auch.                                                                             ähnliche Formate prägend, sondern die          kulturellen Auseinandersetzung beraubt.
     wiederkommen wird, ist zum jetzigen Zeit-                                                                                                               Kunstschaffenden selbst. In der Spreemet-      Umso deutlicher wurde, dass Arbeits- und
     punkt noch nicht klar zu sagen. Es ist viel-     Digitalisierung? Auch in der Kunstszene                                                                ropole arbeiten aktuell etwa 8.000 bildende    Lebensbedingungen der Künstler*innen
     mehr die Rede davon, dass die Pandemie           ist sie nicht aufzuhalten. Der Kunstmarkt                                                              Künstler*innen. Ihre Belange werden un-        stabilisiert und stetig verbessert werden
     eine Chance zur Selbstreinigung und Kor-         wird digitaler. Präsentiert wird nun auch im                                                           ter anderem vom berufsverband bildender        müssen. Wir als bbk berlin stehen hierzu in
     rektur eines überhitzten Kunstmarktes ist. In    virtuellen Raum und bei Instagram – Auk-                                                               künstler*innen berlin (bbk Berlin) vertre-     der vordersten Reihe“, erläutert Heidi Sill,
     jedem Fall wurde ein Strukturwandel einge-       tionen finden online live statt. Es kommen                                                             ten. Der Verband kämpft seit seiner Grün-      Sprecherin des berufsverbands bildender
     leitet. Die Kunstwelt wird vielschichtiger und   neue Formen des Schaffens auf. Es ist also                                                             dung 1950 für bessere Arbeitsbedingungen       künstler*innen berlin.

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Titel

                                                                                                                                             unmittelbar von der Pandemie betroffen.       nator, teilweise von der Förderkommission
                                                                                                                                             Sie mussten sich mit Verdienstausfällen,      Bildende Kunst begleitet. Mitglieder der
                                                                                                                                             unbezahlten Vorleistungen und zeitrauben-     Kommission sind Vertreter*innen der Ber-
                                                                                                                                             den Nebenjobs auseinandersetzen, statt        liner Sammlungen zeitgenössischer Kunst.
                                                                                                                                             ihrer ureigenen Arbeit, der Schaffung von     Aktuell gehören dazu: der Neue Berliner
                                                                                                                                             Kunst, nachgehen zu können.                   Kunstverein e.V. (n.b.k.), das Stadtmuse-
                                                                                                                                                                                           um Berlin, das Kupferstichkabinett und die
                                                                                                                                                                                           Berlinische Galerie (BG) sowie ein weiteres
                                                                                                                                             Staatliche Förderungen
                                                                                                                                                                                           freies Mitglied. „Erworben werden auf die-
                                                                                                                                             Ankaufsetats für Bildende Kunst sind gute     sem Weg ausschließlich Werke der zeitge-
                                                                                                                                             Möglichkeiten, wie der Staat durch be-        nössischen Kunst von in Berlin lebenden
                                                                                                                                             stimmte Strukturen Künstler*innen un-         Künstler*innen. Bei der Auswahl der Werke
                                                                                                                                             terstützen kann, die über Stipendien und      berücksichtigen die Vertreter*innen der In-
                                                                                                                                             andere Förderstrukturen hinausgehen und       stitutionen, die jeweiligen Sammlungsziele
                                                                                                                                             außerdem eine Sichtbarkeit für die Werke      und Sammlungsgrundsätze ihrer Häuser
                                                                                                                                             zu schaffen. Denn mit den Etats werden die    sowie die künstlerische Qualität. Ziel ist
                                                                                                                                             Werke tatsächlich gekauft oder zur Auffüh-    es gleichmäßig Frauen und Männer zu för-
                                                                                                                                             rung gebracht. Doch wonach entscheidet        dern“, erklärt Lederer.
                                                                                                                                             sich, welche Kunstwerke von den Berliner
                                                                                                                                             Museen gekauft werden? Kultursenator          Ankaufsetats für Berliner Museen bestün-
                                                                                                                                             Klaus Lederer sagt dazu: „Unsere Berliner     den nur im Hinblick auf den Ankauf von
                                                                                                                                             Museen sind weitüberwiegend rechtlich         zeitgenössischer Kunst aus Berlin, so Le-
                                                                                                                                             selbständige Kultureinrichtungen, die ei-     derer. „So hat die Förderkommission vorbe-
                                                                                                                                             genständig über den Erwerb von Kunst-         haltlich der Zustimmung des Stiftungsrats
     Markus Peichl, Galerie Crone                                                                                                            werken entscheiden. Dabei müssen für das      der Lotto Stiftung Berlin jährlich einen Etat
                                                                                                                                             jeweilige Museum die für dieses Haus gel-     von 250.000 Euro zur Verfügung. Diese
                                                                                                                                             tenden Regeln über den Ankauf eingehalten     Summe wird aufgeteilt und steht für Samm-
                                                                                                                                             werden. Zum Teil ist also ein entsprechen-    lungsankäufe dem n.b.k., dem Stadtmuse-
     Künstler*innen brauchen einen Raum,            eine Selbstverständlichkeit sein – in der                                                des Aufsichts- oder Beratungsgremium des      um Berlin, dem Kupferstichkabinett und in
     wo sie ihre Kreativität ausleben können,       Kunst ist sie es nicht“, kritisiert Sill. Vorbe-                                         jeweiligen Hauses in den Entscheidungs-       geringer Höhe der BG zur Verfügung. Die BG
     ein Atelier. Von der Branche wird darum        reitungszeiten sind häufig gar nicht vergü-                                              prozess einzubeziehen. Von entscheiden-       verfügt seit dem Doppelhaushalt 2016/17
     immer wieder gefordert, dass langfristige      tet ebenso das Verfassen von Anträgen und                                                der Bedeutung sind die Aufgabe bzw. der       über einen eigenen jährlichen Ankaufse-
     Programme initiiert werden, die eine ver-      Konzepten. Darum strebt der Verband eine                                                 Zweck des jeweiligen Museums und das          tat in Höhe von 250.000 Euro. Dieser ist
     stärkte Nutzung des Leerstandes durch          Regelung für Mindesthonorare für Künst-                                                  hierauf gründende Sammlungskonzept. Es        zweckgebunden für den Erwerb von zeit-
     Schöpfer*innen von Kunst und Galerist*in-      ler*innen auf Bundesebene an.                                                            ist grundsätzlich davon auszugehen, dass      genössischer in Berlin produzierter Kunst“,
     nen im Blick haben. Auch müsse die Künst-                                                                                               sich die Berliner Museen an professionelle    beschreibt der Senator.
     ler*innenförderung neu gedacht werden.         Von den coronabedingten Absagen der                                                      Standards halten und sich somit beim An-
     „Künstler*innen sind ständig gefordert,        Ausstellungen und Schließungen der Ga-                                                   kauf von Kunstwerken an den Kriterien der     Was die Galerien betrifft, sind auch sie
     ihre Strategien für das Überleben zu sichern   lerien waren diejenigen Künstler*innen                                                   Leitfäden des Deutschen Museumsbundes         durch staatliche Unterstützung bisher gut
     und zu entwickeln. Dazu gehört besonders       am stärksten betroffen, die sich noch nicht                                              bzw. des International Council of Museums     durch die Krise gekommen. Keine musste,
                                                                                                       Foto: Crone Wien GmbH/Galerie Crone

     ein sicherer Arbeitsplatz, gute Bedingun-      zur etablierten Szene zählen können. Die                                                 (ICOM) orientieren. Insofern spielen Fragen   trotz gravierender Umsatzeinbußen, dau-
     gen für eine kontinuierliche, künstlerische    Zeit war mit vielen Unsicherheiten für sie                                               des Zustands eines Kunstwerkes, ggf. sei-     erhaft schließen. Besonders schwierig war
     Arbeit mit niederschwelligen Zugängen zu       verbunden, weitere Planungen wurden                                                      ner Provenienz, des Schließens von Lücken     die Situation für international tätige Ga-
     Werkstätten und Ausstellungsorten so-          sehr schwierig. Nicht selten standen Aus-                                                in der Sammlung eine große Rolle bei der      lerien bzw. für jene, die junge, noch nicht
     wie die ungefährdete Kranken- und Renten-      stellungen monatelang in geschlossenen                                                   Entscheidungsfindung.“ Anders sieht es        renommierte Künstler*innen vertreten.
     versicherung in der KSK“, erklärt Sill. „Be-   Institutionen. Insbesondere freischaffende                                               aus, wenn es um den Ankauf zeitgenössi-       Dennoch wurden die vergangenen Monate
     zahlung von geleisteter Arbeit ist und muss    Künstler*innen waren trotz der Soforthilfen                                              scher Kunst geht. Diese werden, so der Se-    von vielen Galerien vor allem für eine ein-

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Titel

     gehende Reflexion über die Galerietätigkeit   schen Kunsthandel auf dem internationalen
     genutzt. Die Entschleunigung des Kunst-       Markt erheblich geschwächt. Denn die Erhö-
     marktes hat bei einigen dazu geführt, dass    hung macht es für Sammler*innen günsti-
     Kontakte zu Galerist*innen, Kurator*innen     ger, Kunstwerke beispielsweise in Frankreich
     und Sammler*innen national und interna-       zu kaufen. Hinzu kommt: Der Einkaufetat
     tional intensiviert wurden. Ebenso ist das    vieler Museen ist nur klein.
     Thema Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt.
     Beispiele dafür sind das Ausstellungspro-     Gerade einmal 12 Prozent der Berliner Gale-
     jekt K60 und die Initiative Gallery Climate   rien erwirtschaften einen Jahresumsatz von
     Coalition – ein Zusammenschluss verschie-     mehr als einer Million Euro. Bei 50 Prozent
     dener Berliner Galerien, der sich für mehr    liegt er bei unter 100.000 Euro und bei 35
     Nachhaltigkeit im Kunstbetrieb einsetzt.      Prozent unter 50.000 Euro. So ein Ergebnis
                                                   einer repräsentativen Online-Umfrage, die
     GröSSter Galerie-                             der Verein Berliner Kaufleute und Indus-
                                                   trieller (VBKI) 2019 gemeinsam mit dem
     standort Europas                              Landesverband Berliner Galerien (lvbg)
     Berlin ist mit mehr als 300 Galerien der      gemacht hat. Also in einer Zeit, in der die
     dichteste Galeriestandort in Europa. Doch     Corona-Pandemie noch weit entfernt war.
     in der hiesigen Szene fehlen große inter-
     national renommierte Adressen und Auk-        Doch trotz all dieser Entwicklungen gibt es
     tionshäuser. Die Akteur*innen kritisieren     sie noch immer – die Galerist*innen mit
     immer wieder die fehlende Anerkennung         einem optimistischen Blick in die Zukunft:
     des Kunstmarktes und ein dezidiertes Ver-     „Ich blicke immer positiv in die Zukunft. Als
     ständnis seines Wirkungsfeldes.               Kind der 1980er Jahre halte ich es mit dem
                                                                                                                                                                                             Virtual Reality, Augmented Reality,
                                                   Optimismus-Mantra von Dame Edna Everage:                                                                                                  Apps – diese Technologien sind heute
     Lange Zeit funktionierte der Kunstmarkt       Expect the worst, hope the best and take                                                                                                  auch Teil moderner Kunstwirklichkeit
     nach dem gleichen, einfachen Schema:          what you get“, sagt Peichl. Denn während                                               am Leben zu halten, setzt er auf Transpa-
     ein*e Künstler*in erschuf ein Werk, über-     ihre Bedeutung als Händler*in zunehmend                                                renz und Partizipation. „Das Ziel all meiner
     gab es an eine*n Galerist*in und so fand      schwindet, erweitert sich heute ihr Aufga-                                             Aktivitäten ist es, die Kunstwelt transpa-      atshirts, Caps oder Küchentücher verkauft,
     das Werk eine*n Käufer*in. Anschließend       benspektrum gegenüber den Künstler*in-                                                 renter und verständlicher zu machen. Jeder      macht er auf seine Galerie und die von
     wurden die Einnahmen zwischen Galerist*in     nen. Für die reine kommerzielle Vermittlung                                            kann ein Insider sein. Über soziale Medien      ihm vertretenen Künstler*innen effektvoll
     und Kunstschaffendem aufgeteilt. Gefun-       eines Objektes gibt es viele Alternativen.                                             wie Instagram und virtuelle Welten wie          aufmerksam. „Last but not least“ befeuert der
     den wurden die kunstinteressierten Samm-      Doch um das künstlerische Oeuvre des Pro-                                              Decentraland erreiche ich ein neues Publi-      Umtriebige täglich seinen Instagram-Kanal.
     ler*innen über Ausstellungen und Messen.      gramms auch inhaltlich zu vermitteln bis das                                           kum, das vielleicht erst einmal nicht in eine
                                                   künstlerische Schaffen ausgereift ist und es                                           Galerie gehen würde, weil Berührungsängs-       König ist sicher ein Pionier der Branche.
     Doch gerade in der Hauptstadt gibt es kaum    von Museen in ihre Sammlung aufgenommen                                                te da sind“, erklärt Galerist Johann König.     Als der Galerist vor einigen Jahren erstmals
     Messen, neue lassen sich nur schwer imple-    wird, braucht es Zeit und die Unterstützung                                            Er sieht die Galerie nicht mehr als engen       Preisschilder neben die Werke hing, galt es
     mentieren und die Corona-Pandemie hat         von Galerist*innen.                                                                    Zirkel, in den nur wenige, ausgewählte Ku-      als Tabubruch, heute setzt sich dieses Vor-
     auch international die Messen zumindest in                                                                                           rator*innen und Sammler*innen dürfen,           gehen mehr und mehr durch. Auch haben
     Präsenz zum Erliegen gebracht. Zudem hat                                                                                             sondern macht sie zum Ort für alle und zur      bereits andere Galerien begonnen, Editio-
                                                   Marketinggenie König
     die Digitalisierung eine direktere Kommuni-                                                                                          Brand itself. Er will die Kunst aus dem stil-   nen über Onlineshops zu verkaufen.
                                                                                                   Foto: Billetto Editorial on Unsplash

     kation zwischen Künstler*innen und Samm-      Einer, der wie kaum ein zweiter für einen                                              len Kämmerlein holen. Mit seinen spektaku-
     ler*innen möglich gemacht.                    Wandel in der Branche steht, ist der Gale-                                             lären Ausstellungsräumen – der ehemaligen       Als die Art Basel letztes Jahr ausfiel und das
                                                   rist Johann König. Jeden Tag wartet er mit                                             Kirche St. Agnes in Kreuzberg –, einem ge-      Gallery Weekend verschoben wurde, stellte
     Ein großes Problem stellt zudem immer noch    einer neuen Idee auf. Statt Konservatismus                                             druckten Magazin, einem Podcast und dem         er – Marketinggenie, das er nun mal ist, in
     die Mehrwertsteuererhöhung aus Jahr 2014      und Elitismus, die lange das vorherrschen-                                             Editionshandel „Koenig Souvenir“, über          schönster Doppeldeutigkeit kurzerhand die
     von 7 auf 19 Prozent dar. Sie hat den deut-   de Momentum der Branche waren, künstlich                                               den er von Künstler*innen gestaltete Swe-       ‚Messe in St. Agnes‘ (MISA) in seinen ehemals

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                                                                                                                                                             aufstrebende Künstler*innen als auch eta-       gen. Viele Galerien haben die vergangenen
                                                                                                                                                             blierte Positionen sehen. Manch einer, der      Monate genutzt, um ihr digitales Angebot
                                                                                                                                                             kam, weil er sich für ein Gemälde von Lee       auszubauen oder zu optimieren. Online-
                                                                                                                                                             Ufan interessierte, hat am Ende vielleicht      rundgänge sogenannte „Live Tours“ haben
                                                                                                                                                             eine Arbeit von Jeppe Hein gekauft“, be-        es den Kunstinteressierten ermöglicht,
                                                                                                                                                             richtet uns Lena Winter. „Für die MISA im       trotz Beschränkungen durch die Galerien zu
                                                                                                                                                             August haben wir die Ausstellungsarchitek-      schlendern. „Begleitet“ wurden sie dabei
                                                                                                                                                             tur umgebaut. Es wird nun Kojen geben, die      von den Künstler*innen oder den Gale-
                                                                                                                                                             thematische Schwerpunkte setzen. Dort           rist*innen. Auch beim Gallery Weekend im
                                                                                                                                                             präsentieren wir beispielsweise prägende        Mai 2021, das nicht in seiner üblichen Form
                                                                                                                                                             Positionen zu Themen wie ‚Junge Wilde‘,         stattfinden konnte, haben sie eine zentrale
                                                                                                                                                             ‚40er /50er Jahre‘, ‚Editionen‘ oder ‚Farbe‘.   Rolle gespielt – ob auf den Webseiten der
                                                                                                                                                             In langen Fluchten im Mittelgang zeigen wir     Galerien oder ihren Instagram-Kanälen.
                                                                                                                                                             einige Highlights aus dem Programm, da-         Denn letztere wurden in den vergangenen
                                                                                                                                                             runter Arbeiten von Albert Oehlen, Martin       Monaten immer wichtiger, um den Kontakt
                                                                                                                                                             Kippenberger, Günter Fruhtrunk, Rosemarie       zu Sammler*innen und interessiertem Pu-
                                                                                                                                                             Trockel, Leiko Ikemura. Und natürlich,          blikum nicht zu verlieren. Mit Instagram
                                                                                                                                                             da wir uns als Galerie ja auch gerade da-       Stories oder Live-Stream-Talks mit Künst-
                                                                                                                                                             mit beschäftigen, wird es eine Koje für         ler*innen oder Galerist*innen werden
                                                                                                                                                             NFTs geben, die dort auf Screens zu sehen       neue Ausstellungen und die Ideen dahinter
                                                                                                                                                             sein werden“, so Winter. Non-Fungible           präsentiert. Durch Live-Stream-Talks ist
                                                                                                                                                             Token (NFT) sind digitale Zertifikate auf       vielleicht sogar ein intensiverer Austausch
                                                                                                                                                             der Ethereum-Blockchain, die eindeutig          möglich, so der Eindruck einiger Berliner
                                                                                                                                                             einem Kunstwerk zugeordnet werden und           Galerist*innen.
                                                                                                                                                             die die Kundschaft als Besitzer*in der „Ori-
                                                                                                                                                             ginal-Datei“ festlegen. Damit wird digitale     Dass sich die Uhr nicht mehr zurückdre-
                                                                                                                                                             Kunst fälschungssicher und handelbar.           hen lässt, ist sich Galerist König sicher:
                                                                                                                                                                                                             „Der Kunstmarkt ist jetzt schon digitaler,
                                                                                                                                                             Nicht alles, was aus Königs Werkstatt           als er es noch vor einem Jahr war. Diese
                                                                                                                                                             kommt, ist im Sinne der Kunst. So sehen es      Entwicklung ist nicht aufzuhalten, denn
                                                                                                                                                             seine Kritiker*innen. Auch steht die Frage      NFTs beispielsweise gehen so wenig wie-
                                                                                                                                                             im Raum, ob so viel Tamtam wirklich not-        der weg wie das Internet. Ich bringe mich
                                                    MISA 2020 in der König Galerie                                                                           wendig ist. Doch auch wenn König immer          ein und probiere Neues aus, da man nur
                                                                                                                                                             wieder Gegenwind und Kritik mit seinen          so konstruktiv neue Räume, sei es digital,
                                                                                                                                                             oft radikalen Überlegungen bekommt, ist         sei es lokal, mitgestalten kann. Ich bin
                                                                                                                                                             er ein Taktgeber, bringt neuen Schwung in       lieber hyperaktiv, statt in Schockstarre zu
                                                                                                 Foto: Roman März,courtesy of the artist and KÖNIG GALERIE
                                                                                                 Ausstellungsansicht: Messe in St. Agnes, September 2020,

                                                                                                                                                             den Betrieb.                                    verharren. Der Kunstmarkt wird sich lokal
     sakralen Räumlichkeiten auf die Beine. Er      nun professionalisiert. „Die MISA wurde                                                                                                                  und digital weiterentwickeln, wie wir das
     lud Sammler*innen, Künstler*innen und          im ersten Lockdown 2020 als Plattform                                                                                                                    gerade auf den NFT Marktplätzen wie Nifty
                                                                                                                                                             Neue Technologien
     andere Galerien ein. Die erste Ad-hoc-Ver-     gegründet, um Künstler*innen und auch                                                                                                                    Gateway und SuperRare sehen. Dort kaufen
     sion der Verkaufsausstellung war aufgrund      Galerist*innen Sichtbarkeit zu bieten, die                                                               und Kunstformate                                nicht traditionelle Kunstsammler*innen,
     der Schnelligkeit, in der sie entstand noch    durch die Absagen der Kunst-Messen stark                                                                 In Berlin ist die Kunstszene schneller als      sondern die Fans der Künstler*innen, die
     recht chaotisch. In Petersburger Hängung       eingeschränkt war. Mit der MISA wollen wir                                                               anderswo und in der Lage, neuen Ideen           über soziale Medien groß geworden sind.
                                                                                                 Berlin, London, Seoul

     hingen große Namen neben kleinen, eher         den Primär- und Sekundärmarkt nebenein-                                                                  Raum zu geben. Virtual Reality, Augmen-         Und natürlich Crypto-Sammler*innen, die
     unbekannten Künstler*innen. Mit Lena           ander präsentieren und damit zeigen, dass                                                                ted Reality, Apps – diese Technologien          oft aus der Tech-Branche kommen und
     Winter als Direktorin, zuletzt bei Grisebach   die beiden Märkte einander bedingen. So                                                                  werden Teil moderner Kunstwirklichkeit.         einen anderen Zugang zur Kunst haben.
     und Ketterer tätig, wird das Format in 2021    können Besucher*innen sowohl ganz junge                                                                  Corona hat viele digitale Formate erzwun-       Diese neuen Sammler*innen sind Teil der

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