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Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 Was heisst schon alt? Aussensicht Was Schulen in Amsterdam anders machen Informatik Wenn Schüler Roboter programmieren Berufsmeisterschaften And the winner is …
MALWETTBEWERB UND QUIZ MITMACHEN UND TOLLE PREISE GEWINNEN ! Entdecke die Vielfalt: NATUR GESTALTEN ! Der 43. Internationale Raiffeisen-Jugendwettbewerb ruft Kinder und Jugendliche auf, sich kreativ mit dem Thema «Natur» auseinander zu setzen. BESTELLTALON FÜR DIE WETTBEWERBSUNTERLAGEN «Entdecke die Vielfalt: NATUR GESTALTEN!» Ich wünsche den Informationsprospekt für Pädagogen sowie Exemplare der Wettbewerbsbroschüren für Schülerinnen und Schüler von 6 bis 18 Jahren. Schule Name, Vorname Strasse PLZ, Wohnort Talon bitte an Ihre Raiffeisenbank oder an Raiffeisen Schweiz, Marketing, 9001 St.Gallen (Tel. 071 225 88 46, Fax 071 225 85 69) senden oder die Unterlagen via Internet bestellen: www.raiffeisen.ch/wettbewerb www.facebook.com/raiffeisen.jugendwettbewerb
Inhalt 20 Nützliche Hilfe: Die Klassenassistenz. 36 Ohne Schutzbrille keine Berufslehre zum Laboranten. 40 Nach 35 Jahren verlässt Joseph Hildbrand die Bildungsdirektion. Editorial von Katrin Hafner Kommentar von Bildungsdirektorin Regine Aeppli 5 Es braucht Mut, sich zu exponieren, erst recht, wenn es ums Thema Alter geht. Denn: Zu den Magazin Im Lehrerzimmer: Anton-Graff-Haus in Winterthur 6 Alten zählen möchte kaum jemand. Zwar ist in Künstlerin Karin Suter unter der Lupe 7 der Mode und im Design der Vintage-Stil an- Drei Lehrpersonen haben Amsterdamer Schulen besucht 8 gesagt; ein Möbelstück mit Patina gilt als char- mant und bereits beim Kauf abgetragen wir- Fokus: Was heisst schon alt? 10 kende Jeans kosten viel Geld. Geht es aber um Volksschule den Menschen, haftet dem Alter ein negativer Martin Wendelspiess über Massnahmen, die Schüler stützen 20 Beigeschmack an. Wir fühlen uns ja alle – dies Die Arbeit des Beauftragen für Gewaltfragen 23 zeigen Untersuchungen – so wahnsinnig jung, Kurzmeldungen 25 jedenfalls bedeutend jünger, als unser Ge- Mittelschule burtsdatum verrät. Kanti Hottingen begeistert Jugendliche für Informatik 26 Hut ab also vor den drei Lehrpersonen, die Latein – die tote Sprache zeigt sich sehr lebendig 31 sich in dieser Schulblatt-Ausgabe den Fragen Kurzmeldungen 32 rund ums Altsein stellen und ihre persönliche Berufsbildung Geschichte erzählen. Klar wird dabei: Jeder Polybauer wetteiferten miteinander an den Swiss Skills 34 Mensch wird anders alt und geht auf seine Art Berufslehre heute: Laborant EFZ, Fachrichtung Chemie 36 damit um. Die Alten gibt es nicht. Das bestätigt LKB-Vollversammlung – gesund bleiben im Beruf 39 der Soziologe und Altersforscher François Höpflinger. Er erklärt, was Alter mit Weisheit Porträt zu tun hat, und beantwortet die Frage, inwie- Joseph Hildbrand hat die Bildungspolitik mitgeprägt 40 fern sich das Altern im Lehrberuf vom Altern Service in anderen Branchen unterscheidet. Ausser- Schule und Kultur 42 dem zeigt er auf, wie die Schule das Potenzial Hinweise auf Veranstaltungen 44 der verschiedenen Generationen besser nut- Weiterbildung 47 zen könnte. Wie Schulen Wissen und Erfah- Amtliches 54 rungsschatz von älteren zu jüngeren Lehrper- sonen transferieren, veranschaulichen zwei Impressum und wichtige Adressen 67 Beispiele aus dem Kanton Zürich. Wir wünschen einen guten Start ins Jahr Titelfoto/Collage: Marion Nitsch 2013 – für Jung und Alt. ! Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 3
Foto_KEYSTONE/DESAIR/Heinz Leuenberger Podium Pestalozzianum 2013 BILDUNGSSTANDORT ZÜRICH Studie und Podiumsdiskussion zum Stellenwert der Volksschule Donnerstag, 31. Januar 2013 Stiftung Pestalozzianum in Kooperation mit der PH Zürich 18.30 – 20.30 Uhr Einführung Aula Sihlhof, Lagerstrasse 5, 8004 Zürich (vis-à-vis Sihlpost) Prof. Dr. Philipp Gonon präsentiert seine Studie «Bildungsstandort Zürich» Podiumsdiskussion Podium mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Bildung Standortvorteile sind für die wirtschaftliche Prosperität und die Lebensqualität einer Region entscheidend. Dr. Mauro Dell’Ambrogio Staatssekretär für Bildung und Forschung Das Bildungsangebot ist ein wichtiges Kriterium für die Attraktivität eines Standortes. Welches sind die Stär- Esther Guyer ken und Schwächen des Bildungsstandortes Zürich im Kantonsrätin Zürich, Fraktionschefin Grüne nationalen und internationalen Vergleich? Welche Rolle spielt dabei die Volksschule? Welches sind Entwick- Prof. Dr. Sabina Larcher Klee lungsperspektiven für den Bildungsstandort Zürich Prorektorin PH Zürich und welche Strategien und Ideen zu seiner Förderung gibt es? Diese und weitere Fragen werden am Podium Prof. Dr. Rudolf Minsch Chefökonom economiesuisse Pestalozzianum erläutert und diskutiert. Gari Pavkovic Leiter Bildungspartnerschaft Stuttgart Anschliessend: Verleihung der Studienpreise Stiftung Prof. Dr. Cristina Allemann-Ghionda Pestalozzianum für herausragende Lehrstuhl für Vergleichende Erziehungswissenschaft, Leistungen an Studierende der PH Zürich Universität zu Köln Laudatio Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach, Präsident der Stiftung Pestalozzianum Moderation Parkett Pestalozzianum Cornelia Kazis, Radio DRS 2 Apéro im Anschluss an das Podium und die Preisverleihung Eintritt: CHF 10.–, frei für Stiftungsmitglieder, Mitarbeitende und Studierende der PH Zürich www.pestalozzianum.ch 4 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Kommentar Für eine starke Volksschule Auch dieses Jahr bleibt unser oberstes Ziel, den Lehrpersonen gute Arbeitsbedingungen und den Kindern ein bestmögliches Lernumfeld zu bieten. Von Regine Aeppli, Bildungsdirektorin Die Erfüllung der Hauptforderungen aus dem Projekt, Foto: Béatrice Devènes die Senkung der Schülerlektionen und weniger Zeugnisse, liegt nicht in der Kompetenz der Bildungsdirektion. Dafür ist der Bildungsrat zuständig. Da diese Forderungen von ge- sellschaftspolitischer Relevanz sind, wurde eine öffentliche Vernehmlassung durchgeführt. Der Bildungsrat entsprach in der Folge der Forderung nach weniger Zeugnissen. Da- rauf wurde im Kantonsrat eine gesetzliche Verankerung des Anspruchs auf zwei Zeugnisse jährlich verlangt. Um zu verhindern, dass die Zeugnis-Regelung in kurzer zeitlicher Abfolge geändert wird, schob der Bildungsrat die Umset- zung der Änderung bis zum Abschluss des Geschäftes im Kantonsrat auf. Die zweite Forderung, jene nach Senkung der Lektio- nenzahl, erlitt in der Vernehmlassung eine Abfuhr. Eigent- lich wollte man ja lieber die Zahl der Pflichtlektionen der Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer Lehrpersonen senken, was aber nicht ohne den Budget- Zum Jahresende werden allenthalben gute Wünsche zum geber, den Kantonsrat, zu machen ist. Das Anliegen wurde Jahreswechsel verschickt. Heuer habe ich viele Zuschriften von einem Kantonsratsmitglied im Rat deponiert. Dass von Lehrerinnen und Lehrern bekommen. Sie sind dem dem Parlament der Entscheid nicht leicht fällt, hat Gründe: Aufruf ihrer Lehrverbände ZLV, VPOD und SekZH gefolgt Erstens braucht es für die Erteilung der «frei werdenden» und haben darauf aufmerksam gemacht, dass sie in ihrem Lektionen rund 800 Lehrpersonen mehr. Sie kennen den Alltag immer noch stark belastet sind. «Stress» zur Besetzung aller Lehrerstellen auf Beginn des Der Lehrberuf ist äusserst anspruchsvoll, er ist mit neuen Schuljahres, und Sie haben bestimmt auch mit ver- zahlreichen Belastungen verbunden und die Erwartungs- folgt, wie die Schülerzahlen jährlich steigen. Zweitens zieht haltung der Gesellschaft an die Schule steigt ständig. Wir der Abbau von zwei Lektionen jährlich zwischen 70 und haben deshalb in den letzten Jahren Ihre Arbeitssituation 80 Millionen Franken Mehrkosten nach sich. Der Kantons- verbessert. Wir haben die Löhne spürbar erhöht und: Wir rat wird zu diesen zentralen Forderungen einen Entscheid haben das Anliegen in einer finanzpolitisch schwierigen fällen müssen. Zeit durchgebracht. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung. Das schreibe ich Ihnen am Tag, an dem der Kantonsrat Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, haben wir das Budget für 2013 beschlossen und den Regierungsrat vor drei Jahren das Projekt «Belastung – Entlastung» ins verpflichtet hat, nochmals 250 Millionen Franken aus dem Leben gerufen. Am runden Tisch haben alle Beteiligten aus Staatshaushalt zu pressen. Sie sehen daran, wie schwierig dem Schulfeld Vorschläge erarbeitet. Gemeinsam haben das Umfeld ist, auch wenn es für gute Bedingungen an der wir uns auf einen Weg geeinigt, um die Lehrpersonen in Volksschule viel Zustimmung gibt und unsere Schule in der den Schulen zu entlasten. Die Vorschläge, welche die Bil- Gesellschaft gut verankert ist. dungsdirektion in eigener Kompetenz erlassen konnte, wur- Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, es bleibt unser obers- den Schritt für Schritt umgesetzt. So haben wir zum Bei- tes Ziel, eine Schule zu haben, die den Lehrpersonen gute spiel die Mitarbeiterbeurteilung vereinfacht. Auch sind die Arbeitsbedingungen und den Kindern ein bestmögliches Schulen heute freier bei der Verwendung der Mittel aus Lernumfeld bietet. Für dieses Ziel werde ich auch in diesem dem Gestaltungspool und die Schulgemeinden haben Zu- Jahr einstehen. griff auf das kantonale Personal- und Lohnadministrations- Ich bedanke mich für Ihre Arbeit und Ihr Engagement system PULS-ZH und können so den administrativen Auf- im vergangenen Jahr und wünsche Ihnen jetzt allen ein wand reduzieren. gutes 2013! ! Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 5
Magazin Im Lehrerzimmer Im Anton-Graff-Haus der Berufsbildungs- schule Winterthur (BBW) trifft man sich in der Mitte. Fotos: Marion Nitsch 1 von 4: Das Anton-Graff-Haus ist das zweitgrösste der vier Deola, Leiter der BMS. Dominant: das nahe Sulzer-Hoch- Gebäude der BBW. Lehrpersonen: 100. Lernende: 1000 Be- haus, auf das der Blick aus der Fensterfront fällt. Ausgeklü- rufsmaturitätsschule (BMS), 700 Abteilung Maschinenbau. gelt: das Preissystem für die Pausengetränke – von 50 Rap- Alles neu: 2010 bis 2012 wurde das Haus komplett umge- pen fürs Einzelgetränk bis zu 200 Franken Gönnerbeitrag baut. Endlich: verfügt es über eine eigene Mensa und zwei im Jahr. Inbegriffen: sind dafür Äpfel oder Schoggistängeli. Turnhallen. Zentral: Damit der Weg zum Lehrerzimmer für Lärmpegel: heute hoch – für das Schulblatt sind extra viele alle möglichst kurz ist, liegt es in der Mitte des 3. Stock- Lehrpersonen anwesend. Spendiert: sind die Gipfeli aus werks. Büromässig: ist die Einrichtung in Schwarz-Weiss- diesem Anlass von Beat Deola. Nächstes Schul-Highlight: Grau. Lange Diskussionen: habe es über das Mobiliar ge- Erich Gysling spricht am Lehrerkonvent von Anfang Januar geben, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, sagt Beat über den Arabischen Frühling. [jo] 6 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Magazin Unter der Lupe Fünf Fragen Das Zitat «Ein Klas- an Künstlerin Karin Suter senzimmer hat viele Gemeinsamkeiten mit Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn? einer Bühne; Lehr- Kurz vor meiner Einschulung zog unsere Familie von der Stadt aufs Land, wo ich das einzige ungetaufte Kind war. In der Schule wurden wir Kinder personen absolvieren gefragt, ob wir katholisch oder reformiert seien. Ich hatte keine Ahnung, was damit gemeint war, was meinen Mitschülern wiederum – egal, ob ka- tagtäglich Auftritte tholisch oder reformiert – die Aussage entlockte, ich käme also in die Hölle. vor einem Publikum, Da ich auch nicht wusste, was die Hölle ist, fühlte ich mich sehr deplatziert und war eingeschüchtert. Zu Hause erklärten mir meine Eltern, was die das dank seiner Me- Hölle ist, und von da an nahm ich das gelassener. Welcher Lehrperson ge- dienerfahrung kriti- ben Sie rückblickend die Note 6 und warum? Zweifellos meinem Mathe- matiklehrer am Gymnasium. Ich hatte keinen anderen Lehrer, der mit ei- scher ist als früher.» ner solchen Engelsgeduld, so viel Leidenschaft und pausenloser Überzeu- Marianne Weber, Schauspielerin und gungsarbeit erfolgreich für sein Fach plädierte! Ich war nie gut in Mathe, Trainerin für Auftrittskompetenz ich bin eher ein Sprachenmensch und habe es nicht so mit den Zahlen, im «Folio», Zeitschrift für Lehrpersonen in der Berufsbildung dennoch hat mir dieser Unterricht Spass gemacht. Es war eine Heraus- forderung, die ich annahm. Ich habe viel gelernt – nicht nur fachlich, son- dern auch, mich einzulassen auf Dinge, die mir nicht einfach von der Hand gehen. Inwiefern hat die Schule Ihnen geholfen, eine mehrfach ausgezeich- nete Künstlerin zu werden? Ich hab immer gerne gemalt und gezeichnet. Am Gymnasium konnten wir als fakultatives Fach «Freie Kunst» wählen; das waren zwei oder drei Lektionen pro Woche, in denen wir unsere ei- genen Ideen umsetzen konnten. Ich malte damals eine grosse Bohne, 250 mal 100 Zentimeter war die, und die Schule kaufte das Bild zu einem symbolischen Betrag von 50 Franken und hängte es doch tatsächlich im Aufgang zum Zeichensaal auf! Die Erfahrung, dass es – nebst meinen El- tern – Menschen gibt, die meine Bilder so toll finden, dass sie sie auf- hängen, hat mich sehr bestärkt. Was ist das Wichtigste, was Kinder heute in der Schule lernen sollen, und warum? Kinder müssen lernen, selbst- Die Zahl ständig zu sein. Sie müssen sich entwickeln können zu Menschen, die kri- Die Berufswahl junger Frauen und tisch und unabhängig denken und die erkennen, wel- Männer im Kanton Zürich entspricht ches ihre Fähigkeiten und Werte sind. Ich finde vielfach nach wie vor traditionellen es wichtig, die Frage zu stellen, woher wir Mustern. Im Jahr 2011 haben 50 Pro- kommen und wohin wir gehen; daher bin zent der 7769 Frauen im ersten ich der Überzeugung, dass Geschichts- Lehrjahr einen Beruf aus den und Philosophieunterricht mindestens Bereichen Heilbehandlung, so wichtig sind wie Ökonomie oder Verkauf und Hauswirtschaft Neue Medien. Warum wären Sie eine gewählt. Von den 8878 männ- gute Lehrerin – oder eben nicht? Ich lichen Lernenden im ersten habe bisher nur einmal als Gast- Lehrjahr dagegen hat sich Tutorin die Lehrerrolle eingenommen die Hälfte für die Industrie- und mich ganz wohl gefühlt dabei. Ich oder Informationstechnik- fand es spannend, dieses unvoreinge- branche entschieden; immer- nommene Vertrauen der Studentinnen hin 724 (9,3 Prozent) Frauen und Studenten zu spüren. Unterrichten ist haben ebenfalls diese Ausbildung nicht mein Traumjob, ich habe aber durchaus gewählt. Ähnlich viele junge Män- Lust, mich ab und zu darauf einzulassen. ner, nämlich 854 (9,6 Prozent), lassen [Aufgezeichnet von Katrin Hafner] sich in der Heilbehandlung, im Ver- kauf oder in der Körperpflege ausbil- den. Büroberufe figurieren bei Frauen und Männern übrigens unter den be- Zur Person Karin Suter (33) hat an der Hochschule für Gestaltung und Kunst liebtesten Berufen. Rund 31 Prozent in Basel studiert und ist als bildende Künstlerin tätig. Sie hat unter anderem ein Kunst-am-Bau-Projekt für Hoffmann-La Roche in Basel realisiert und der Frauen und 21 Prozent der Män- diverse Kunstpreise und Stipendien erhalten. Seit dem Jahr 2010 wohnt sie ner haben sich für diese Ausbildung in Rotterdam (NL). entschieden. [ana] Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 7
Magazin Besuch in Holland Lehrpersonen aus Zürich und Umgebung haben in Amsterdam Volks- und Berufs- fachschulen besucht. Und genauso gestaunt wie ihre Austausch- kollegen, die zuvor in der Schweiz zu Besuch waren. Aufgezeichnet von: Katrin Hafner Fotos: Dieter Seeger Thomas Röthlisberger, 33, Sekundarlehrer «Sie wirken auffallend selbstbewusst, die Oberstufenschü- lerinnen und -schüler, die ich in Amsterdam kennenge- lernt habe. Und zwar im positiven Sinn: Sie sind Wildfrem- den gegenüber offen, stellen Fragen, geben bereitwillig Auskunft, trauen sich etwas zu. Das hat mich beeindruckt. Entsprechend ist der Umgang zwischen Lehrperson und Der Blick von aussen Klasse: auf Augenhöhe. Es ist ein warmherziges Klima, man Unter dem Titel «CAS Schulentwicklung International» spürt wenig Hierarchie, hat das Gefühl, Lehrer und Schüler findet ein Schulaustausch statt, bei dem Lehrpersonen wollen gemeinsam etwas erreichen. Ich habe keine diszi- aus drei Nationen Einblick in den Schulalltag in einem plinarische Massregelung im Unterricht erlebt, dafür natür- jeweils anderen Land erhalten. Diskutiert werden glo- liches Lob und auch mal ein freundschaftliches Schulter- bale Trends und Herausforderungen in der Bildung und klopfen – obwohl es insgesamt unruhiger und lauter zu- mögliche lokale Antworten darauf. Durchgeführt wird und hergeht als bei uns. Ob das eine Mentalitätssache ist, die Weiterbildung von der Pädagogischen Hochschule obs an der Erziehung oder der Schule liegt? Vermutlich (PH) Zürich, der Hochschule Amsterdam und dem kommt alles zusammen. Die holländischen Lehrpersonen Schulamt des Fürstentums Liechtenstein. In einem geben ihren Schülerinnen und Schülern mehr Spielraum, ersten Schritt haben niederländische Lehrpersonen sie kontrollieren sie über lange Zeiträume wenig – bei- Schulen in der Schweiz besucht (vgl. Schulblatt 3/12), spielsweise, wenn die Klasse wochenlang in Gruppen ar- im Herbst 2012 reiste eine Gruppe von Lehrpersonen beitet. Konkret angesprochen hat mich, was die Amster- aus Zürich und Umgebung nach Holland (Text nebenan). damer Schulen punkto Öffentlichkeitsarbeit unternehmen: Ziel ist es, Anregungen von ausländischen Kolleginnen angefangen bei der Hochglanzbroschüre über eine Top- und Kollegen für die eigene Schule nutzen zu können – Webseite bis hin zu intensiver, institutionalisierter Zusam- beispielsweise bezüglich Kooperation mit Eltern. menarbeit mit den Eltern. Klar, bei ihnen herrscht freie Im Frühling 2013 treffen sich die Lehrpersonen zum Schulwahl und insofern wird bewusst Geld und Energie Abschluss des Lehrgangs. ins Vermarkten gesteckt. Aber gerade beim Internetauftritt könnten wir uns durchaus eine Scheibe von ihrem profes- sionellen Auftreten abschneiden. Ach ja, und noch etwas: ∑ Infos und Anmeldung zum «CAS Schulentwicklung International 2013»: www.phzh.ch/cas > alle Zertifikats- Englisch sprechen die Holländer auf hohem Level, da lehrgänge. Bei Fragen kontaktieren Sie die CAS-Leitung, schneiden unsere gleichaltrigen Schülerinnen und Schüler frank.brueckel@phzh.ch deutlich schlechter ab.» 8 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Magazin Martina Baur, 26, Primarlehrerin Reto Wegmüller, 37, Schulleiter Berufsfachschule «30 Kinder in einem kleinen Raum – da habe ich schon ge- «Es war bereichernd, andere Schulen zu sehen und dabei staunt. Vor allem, weil die Kinder allem Anschein nach sein eigenes Tun zu reflektieren. Am meisten überrascht trotzdem gut lernen können. Wie ist das möglich?, fragte ich hat mich die Offenheit, die in den holländischen Klassen- mich. Letztlich geht es um das Klima und die Aufgabenstel- zimmern herrscht zwischen Lehrpersonen und Schülerin- lungen. Die Kinder müssen sich wohlfühlen und irgendwie nen und Schülern, aber auch unter den Jugendlichen. Es fasziniert sein vom Stoff, den sie vermittelt kriegen, dann hat mich beeindruckt, wie hoch der Geräuschpegel ist und ist der Raum nicht wichtig. Dies hat mit dem Unterrichts- wie das Lernen offenbar trotzdem klappt. Ich hätte wohl konzept zu tun: Die Schule, die ich besuchte, setzt jeweils Mühe, so zu unterrichten. Aber ich habe nicht das Gefühl, für ein Quartal ein Thema, an dem alle Klassen in allen Fä- dass das holländische System schlechter ist, denn am chern arbeiten – zum Beispiel Schuhe. Man holt die Welt ins Schluss erbringen sie vergleichbare Leistungen wie wir. Schulhaus und arbeitet in verschiedener Hinsicht daran: Vielleicht sind es kulturelle Unterschiede? Es tut jedenfalls Im Werken basteln sie dann Schuhe aus Lehm, sie bringen gut zu sehen, dass es auch funktionieren kann, wenn es ihre Lieblingsschuhe mit und recherchieren im Internet, nicht nur ruhig ist und der Unterricht nicht so strukturiert was es mit der Marke und der Herstellung auf sich hat, sie abläuft wie bei uns. Die Infrastruktur ist zwar in Holland putzen Schuhe und verkaufen Schuhe, lernen so etwas über allgemein viel bescheidener als bei uns – kleinere Räume, Marketing, Kommunikation, Betriebswirtschaft und den einfachere Einrichtung. Aber: Alle Zimmer verfügen über Umgang mit Geld, und sie erfahren von verschiedenen Be- Smartboards statt Wandtafeln und die Schüler arbeiten mit rufen, bei denen es im engeren oder weiteren Sinne um elektronischen Hilfsmitteln. So wird zum Beispiel Facebook Schuhe geht. Schliesslich gestalten sie Plakate zum Thema, eingesetzt: Der Lehrer stimmt seine Schüler am Vorabend die sie im Schulhaus ausstellen. So entsteht ein Wir-Gefühl, mit einem Eintrag auf Facebook auf den kommenden man arbeitet zusammen – die Schülerinnen und Schüler Schultag ein, die Aufgaben werden teilweise in Gruppen über die Klassengrenzen hinaus, aber auch die Lehrperso- gelöst, und offenbar machen 99 Prozent der Schülerinnen nen. Es schwingt viel Freude mit. Und man spürt, dass sich und Schüler dabei aktiv mit. Es wird da nicht unterschieden unsere holländischen Kollegen intensiv auseinandersetzen zwischen einem persönlichen Facebook-Account und ei- mit den Fragen: Was macht unsere Schule aus? Wer sind nem Schul-Account. Zu sehen, mit welcher Selbstverständ- wir? Das hat mir einen enormen Motivationsschub gege- lichkeit die Lehrer mit elektronischen Hilfsmitteln umge- ben. Ich will selbst wieder mehr darüber diskutieren, was hen, ist bemerkenswert. Schweizer Schulen haben diesbe- wir wollen, möchte mich vermehrt austauschen mit den an- züglich einen Handlungsbedarf – sowohl was die Geräte deren, ganz klar. Und die eigene Türe offen halten beim Un- selbst anbelangt wie auch betreffend neue Unterrichtsfor- terrichten – im wörtlichen und im übertragenen Sinne.» men oder Einsatz von Social Medias im Schulzimmer.» ! Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 9
Fokus Sekundarlehrerin, 55 Zweifache Mutter, 38 Schülerin Berufsmaturität II, 28 Berufsschüler, 17 Primarlehrerin, 56 Gross und Klein äussern sich zur Frage: Was macht die alte Lehrperson eigentlich aus? 10 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus Was heisst schon alt? Älter werden wir alle. Aber was passiert dabei im Berufsall- tag? Wie erleben die Lehr- personen die letzten Berufs- jahre? Und wie arbeiten Jung und Alt zusammen? Umfrage: Katrin Hafner und Jacqueline Olivier, Grafik: Büro Z Soziologe François Höpflinger über das Altwerden 12 Drei ältere Lehrpersonen und ihre persönliche Erfahrung 15 Wissenstransfer von Alt zu Jung in der Schulpraxis 18 Wie die PH Zürich ältere Lehrpersonen berät 47 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 11
Fokus «Alt sind immer die anderen» François Höpflinger, Soziologieprofessor und Altersforscher, erklärt, was es heisst, zu den Älteren zu gehören, und wie die Schule das Potenzial der verschiedenen Generationen besser nutzen kann. Interview: Katrin Hafner Fotos: Conradin Frei Herr Höpflinger, Sie sind nicht mehr mittlerweile beinahe intuitiv. Ausser- prägt von alten Menschen und gleich- der Jüngste. Wie alt sind Sie? dem kann ich diagonal lesen, bin also zeitig nimmt die gesundheitliche Fit- François Höpflinger: Vierundsechzig, in gewissen Arbeiten schneller als frü- ness im Alter zu. Die Sprache hinkt nein, eigentlich sogar: vierundsechzig- her. Und ich kenne mich besser: Wenn dieser Realität hinterher: Wir kennen einviertel Jahre alt. ich etwas schreiben muss und nach keine Begriffe, die breit abgestützt und Die Frage nach dem Alter ziemt sich zehn Minuten immer noch ein leeres akzeptiert sind. Alt sind immer die an- hierzulande nicht, viele zucken zusam- Blatt vor mir habe, weiss ich, es hat deren. Es kursieren Ausdrücke wie Be- men. Warum eigentlich? keinen Sinn, und ich verschiebe es auf tagte, Golden Girls oder Silberfüchse, Das hängt mit der verbreiteten Mei- den nächsten Tag. neuerdings Bestagers. Die Hotelbran- nung zusammen, jung sein bedeute in- Inwiefern hat Ihr Alter negative che hat einen Ausdruck kreiert, der gut novativer, fitter und sozial angesehe- Auswirkungen? ankommt: aktive Senioren. Da denkt ner zu sein. So kommt es einem Outing Wenn es um neue mathematische Me- man doch sofort an Menschen, die gleich, wenn man eine Alterszahl nen- thoden geht, habe ich viel nachzuho- fröhlich um fünf Uhr morgens auf ei- nen muss. len. Und ich muss aufpassen, dass ich nen Berg steigen und den Sonnenauf- Alter bedeutet auch Erfahrung. Was mich nicht wiederhole. gang bestaunen. können Sie als Soziologe heute besser Das Wort «alt» ist kein Kompliment. Und was sagt die Forschung? als vor 20 Jahren? Wie bezeichnen Sie ältere Menschen? In der Forschung gelten grundsätzlich Ich sehe innerhalb weniger Minuten, Die Lebenserwartung steigt von Jahr Menschen über 50 als Senioren; das ob Thesen, Budget und Zeitplan eines zu Jahr, demografisch betrachtet ist Angebot der Pro Senectute zum Bei- Forschungsprojekts stimmen. Das läuft unsere Gesellschaft immer stärker ge- spiel kann man ab 55 in Anspruch 12 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus François Höpfinger: «Die älteren Arbeitenden leiden oft unter dem Gefühl, ihre Erfahrung zähle nicht, es interessiere sich niemand dafür.» nehmen. Wir sprechen auch von jun- Es geht jedoch nicht nur um physische Lehrerinnen und Lehrer müssen ihre gen Alten oder dem dritten Lebens- Grenzen: Lastwagenfahrer werden im ganze Person eingeben – erst recht, alter und meinen damit die 65- bis 79- Alter beispielsweise teamunfähig, sie seit sie individualisiert unterrichten. Jährigen. Über 80-Jährige bezeichnen sind sich nicht gewöhnt, mit anderen Der Job ist privater geworden, es geht wir als alte Alte, das ist dann das vierte Menschen zusammenzuarbeiten. Per- mehr als vor 30 Jahren um das Indivi- Lebensalter. sonen mit jahrelanger Machtposition duum, das mit der Klasse arbeitet. Ihre Untersuchungen zeigen, dass wiederum zeigen im Alter eine gewisse Der Anteil älterer Lehrpersonen in der sich die Charaktereigenschaften mit Lernresistenz. Volksschule ist im Kanton Zürich hoch: dem Alter ausprägen, die Menschen Ist es – verglichen mit anderen Jede dritte ist über 50, Tendenz stei- gleichen sich also nicht an. Trotzdem: Berufen – für Lehrerinnen und Lehrer gend. Ist das gut für unsere Kinder? Was sind – ganz pauschal – die Vor- besonders hart, älter zu werden? Burnout-Opfer oder Lehrpersonen mit und Nachteile des Altseins? Eine spezifische Schwierigkeit besteht innerer Kündigung scheiden in der Re- Ältere Menschen brauchen meist mehr in der wachsenden kulturellen Distanz gel vor 50 aus. Lehrpersonen, die mit Ruhepausen. Sie haben zudem eher zu den Schülerinnen und Schülern. Mit über 50 noch im Beruf sind, gehören gesundheitliche Probleme wie Seh- jedem Klassenzug vergrössert sich die zu einer selektiven Gruppe, es sind die oder Höreinschränkungen und Mühe Generationenkluft. Die ältere Lehrper- motivierten Überlebenden. Das heisst: mit dem Multitasking. Dafür sind sie son kennt Jugendsprache und -spiele Grundsätzlich habe ich keine Beden- besser vernetzt und haben mehr Er- nicht mehr, nutzt die technischen Er- ken für die Kinder. fahrung. rungenschaften selbst nicht intensiv Und was heisst es für die älteren Lehr- Das entspricht weitgehend den und muss doch nahe an die Schülerin- personen selber? Was brauchen sie? Klischees. nen und Schüler herankommen, um Für sie wäre es wichtig, dass sie die Es ist einfach so, dass es physisch gut unterrichten zu können. Es fehlen Möglichkeit für Auszeiten haben, klei- messbare Alterungsprozesse gibt. An- zudem weitgehend Karrieremöglich- ne Sabbaticals oder Projektarbeiten, 3 dererseits sind zum Beispiel keine keiten. Das heisst: Man kann nicht auf- Hinweise bekannt, wonach Alter und steigen und nicht gross Position wech- Weisheit zusammengehören. seln innerhalb des Systems Schule. Was ist eigentlich schwierig, wenn Bedeutet das, dass ältere Lehr- Zur Person François Höpflinger, 64, man im Beruf altert? personen besonders Gefahr laufen ist Soziologieprofessor am Sozio- Die älteren Arbeitenden leiden oft un- abzuschalten? logischen Institut der Universität ter dem Gefühl, ihre Erfahrung zähle Nein, das Verrückte ist: In diesem Be- Zürich und hat sich unter anderem nicht, es interessiere sich niemand da- ruf überlebt man nicht, wenn man in- auf die Altersforschung konzentriert. für. Und dann sind da natürlich noch nerlich kündigt. Man ist persönlich so Er ist Mitherausgeber des Buches «Die Babyboomer. Eine Generation branchen- und hierarchiespezifische sehr exponiert, muss sich so engagie- revolutioniert das Alter» und ist als Unterschiede. ren, dass man sich nicht einfach bis Berater in Altersfragen tätig. Fran- Dass es körperliche Altersgrenzen zur Pensionierung durchmogeln kann. çois Höpflinger ist verheiratet, hat gibt, etwa für Sportlerinnen und Bau- Das hat mit dem sozialen und perso- zwei erwachsene Kinder, vier Enkel- arbeiter, liegt auf der Hand. nenfixierten Aspekt der Arbeit zu tun: kinder und lebt in Horgen. Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 13
Fokus während deren sie nicht dem dauern- dern. Es geht letztlich um den explizi- Da spielen vermutlich verschiedene den Bühnenauftritt vor Klassen aus- ten Austausch. Manche Themen, die Überlegungen eine Rolle. Aus Sicht gesetzt sind. Alte bewegen, sind den Jungen nicht des Altersforschers gibt es keine stich- Durch neue Unterrichtsformen – Team- bewusst und umgekehrt. Es liegt viel haltige Begründung dafür. teaching, integrativer Unterricht – sind Potenzial brach in altersdurchmisch- Wie sehen das die Eltern und Kinder? ältere Lehrpersonen automatisch in ten Teams, viel gegenseitiges – formel- Akzeptieren sie ältere Lehrpersonen? Kontakt mit jüngeren. Dennoch fühlen les und informelles – Wissen, das allen Ich kenne keine spezifischen Studien sich manche, befragt man sie separat, zugutekommen könnte und sie ent- dazu. Man weiss aber, dass die Alten isoliert. lasten würde. heute ein schlechteres Bild haben von Es reicht eben nicht, wenn zwei Perso- Kann ein derart künstlich geschaffener den Jungen als die Jungen von den Al- nen unterschiedlichen Alters zusam- Austausch das Klima zwischen Jung ten. Es kann also nicht stimmen, dass men unterrichten. Sie müssten eine und Alt wirklich verbessern? generell Kinder und Jugendliche oder extrem gute Beziehung haben, damit Ja, das zeigen Beispiele, wo dies be- Eltern etwas gegen ältere Lehrer ha- sie sich offen kritisieren oder alters- reits passiert. Allerdings ist es relativ ben. Mir sind Beispiele bekannt, die eher das Gegenteil beweisen. Nennen Sie bitte eines. Es gab eine Gewerbeschule, auf deren Pausenplatz ein gewalttätiges Klima «Das Verrückte ist: Im Lehrberuf überlebt herrschte. Man positionierte dann ei- man nicht, wenn man innerlich kündigt.» nen Pensionierten, der nichts anderes tat, als Präsenz zu markieren. Das Kli- ma verbesserte sich merklich. Insofern begrüssen Sie wohl das Projekt «Generationen im Klassen- spezifische Fragen und Themen auf- zeitaufwendig und braucht einen kla- zimmer»? werfen könnten, ohne sich gegenseitig ren Willen vonseiten Behörden oder Absolut, das ist ein spannender An- zu verletzen. Schulleitung. satz, es dürften ruhig mehr Projekte in Welche Lösungen schlagen Sie denn Viele ältere Lehrpersonen beschäftigen diese Richtung gehen. vor, um die Zusammenarbeit im Team sich aktiv mit dem Altwerden; die The- Sie haben von positiven Seiten älterer zu stärken? menreihe «Älter werden im Beruf» der Personen gesprochen, und Studien Methoden wie das diversity manage- Pädagogischen Hochschule (PH) Zü- gemäss sind Menschen nach 50 ment, bei denen man soziale Vielfalt rich stiess auf grosse Nachfrage. glücklicher als um 40. Warum haben als Chance sieht. Im Umfeld Schule Das ist ein gutes Zeichen: Die Lehr- dennoch viele das Gefühl, ab 50 gehe heisst das, man könnte Gruppen grün- personen machen sich offenbar Ge- es bergab? den, am besten bestehend aus Lehr- danken über ihre Ressourcen, ihre Das hängt mit gesellschaftlich veran- personen verschiedenen Alters und Stellung, ihre Zukunft. Das ist nicht in kerten Bildern zusammen. Und da- aus mehreren Schulhäusern, die sich allen Branchen so. mit, dass es wenig Weiterbildungsan- zum Beispiel einmal im Monat für zwei Es könnte auch ein Signal sein, gebote und schon gar keine Stipendien Stunden treffen und über Generatio- dass ältere Lehrpersonen Mühe haben für über 50-Jährige gibt. Es ist auch nenfragen diskutieren. und Hilfe brauchen. schwieriger, in diesem Alter eine neue Welche Art Themen müssten da Ein Problem ist bestimmt die enorme Stelle in einem anderen Bereich zu aufgenommen werden? Präsenz, die sie an den Tag legen finden – allerdings nicht primär wegen Denkbar ist alles, etwa der Sprach- müssen. Da würde ein Modell helfen, fehlender Qualifikation, sondern weil stil. Welche Ausdrücke verwenden die das ich generell befürworte: Dass wir man für den Arbeitgeber zu teuer ist. Jungen wann und warum – und ist in der Schweiz flexiblere Übergangs- Wie sieht es bei Ihnen aus? Denken das begrüssenswert? Oder: Die Älteren lösungen ins Rentenalter hätten. Dann Sie selbst an die Pensionierung? könnten ihr Know-how im Umgang könnte jemand zum Beispiel ohne Ich fahre langsam herunter, versuche, mit Reformen und Problemen mit El- Renteneinbusse das Pensum reduzie- den Nachwuchs sicherzustellen. Ich tern kundtun. ren oder mit 60 mal ein Jahr ausset- werde allerdings nach der Pensionie- Und wenns um Persönliches geht? zen – dafür nach 65 noch ein Jahr an- rung weiterarbeiten – auf Mandats- Zum Beispiel ist ein älterer Unter- hängen. basis und selbstständig. stufenlehrer verunsichert, ob er ein Ausnahmsweise dürfen Lehrpersonen Es wäre ja auch paradox, wenn Sie trauriges Kind auf die Schoss nehmen nach 65 weiter unterrichten oder vika- jetzt, im Alter, mit der Altersforschung darf, wie er das früher immer tat. risieren – etwa bei Lehrermangel oder aufhören würden. Im Team sind nur noch Frauen, die wenn es sich um ein exotisches Fach Tatsächlich gehe ich sozusagen auf meisten deutlich jünger, er kann und handelt wie Japanisch. Derzeit tun mein Arbeitsthema zu, nicht wie ein will nicht darüber reden. dies etwa 70 im Kanton Zürich. Eine Jugendforscher, der sich per se im- In einer Gesprächsgruppe hätte der Weisung des Volksschulamts verbietet mer mehr von seinem Untersuchungs- Lehrer Platz, um genau dies zu schil- die Arbeit allerdings nach 70. objekt entfernt. ! 14 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus Marcel Meyer, 59 Für mich waren Neuerungen immer eine Möglichkeit, aus dem Schulalltag herauszutreten. Denn mit der Zeit hat Gymnasiallehrer, Kantons- man gewisse Verhaltens- und Unterrichtsmuster – Routine halt. Die hat aber auch ihre positiven Seiten: Man weiss, schule Zürcher Oberland wie man am besten reagiert, wenn etwas nicht klappt, dies macht ein rascheres Ermüden wett. Die ständige Präsenz Aufgezeichnet von: Jacqueline Olivier Foto/Collage: Marion Nitsch strengt natürlich vermehrt an, und das ist heikel: Wenn man im Unterricht müde ist, reagiert man vielleicht einmal etwas schärfer, was eine Stimmung in der Klasse sofort zum Kippen bringen kann. Die Erfahrung schafft aber auch Freiräume, um Neues auszuprobieren. «Dieses Jahr erreiche ich eine magische Grenze: 60. Da ma- Als mühsamer empfinde ich die Korrekturarbeit, ins- che ich mir natürlich Gedanken, wie ich den Übergang zur besondere bei Aufsätzen. Irgendwann hat man bereits hun- Pensionierung gestalten soll. Sicher möchte ich nicht in ei- dert ähnliche Texte gelesen und die Entwicklung so vieler nen Vorpensionierungsaktivismus verfallen, wie ich ihn Jugendlicher miterlebt – ich finde deshalb die Notenge- manchmal bei Kollegen beobachte. Kurz vor Schluss noch bung nicht mehr so entscheidend. Ich habe ausserdem ge- die eigene Unentbehrlichkeit beweisen zu wollen, finde ich rade eine Klassenreise hinter mir und gebe zu: Die Jugend- befremdlich, irgendwann muss man die Schule denen über- herberge fällt mir inzwischen etwas schwer. Auch verbringe lassen, die noch 20, 30 Jahre dort sein werden. Das heisst ja ich weniger Zeit in der Schule und schätze es zusehends, nicht, dass ich mich nicht mehr engagiere oder für Neues mich mit Leuten zu unterhalten, die nicht im Schulwesen interessiere. Ob man Veränderungen gegenüber offen ist, tätig sind, denn mir fällt heute mehr auf, dass die Schule hat ohnehin mehr mit der Persönlichkeit als mit dem Alter doch ein recht eigenes Biotop ist. Dazu allmählich ein wenig zu tun. Ich habe mich beispielsweise schon früh und immer auf Distanz zu gehen, versuche ich ganz bewusst. Mich in- wieder mit der IT-Thematik auseinandergesetzt. Momentan teressiert Stadtentwicklung und ich gehe gerne im ‹Clouds› bin ich Mitglied des Projektteams für die Laptopklassen, die im Zürcher Prime Tower Espresso trinken. Ich unterrichte wir vor eineinhalb Jahren gestartet haben. Da ist seitens ei- aber nach wie vor sehr gerne und hoffe, dass mir der Ab- niger Kollegen schon der Spruch gefallen: ‹Dass du dich in schied gut gelingen wird. Als Lehrer steht man ständig auf deinem Alter noch damit auseinandersetzt.› Das war zwar einer Bühne, das fehlt einem dann vielleicht. Gefordert sein anerkennend gemeint, etwas deplatziert war es trotzdem. bedeutet schliesslich immer Last und Lust zugleich.» ! Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 15
Fokus Walter Schällibaum, 61 Bereits in den letzten Jahren habe ich sukzessive Ämter ab- gegeben. So bin ich nach 15 Jahren als Fachvorstand zu- Berufsschullehrer, Bildungs- rückgetreten, arbeite nicht mehr im Konventsvorstand mit und gehöre auch nicht mehr dem Autorenteam der kan- zentrum Zürichsee tonalen Berufsmaturitätsprüfungen an. Bis heute finde ich es bereichernd, Neues im Unterricht auszuprobieren, das Aufgezeichnet von: Jacqueline Olivier Foto/Collage: Marion Nitsch hat mich auch vor dem Burnout bewahrt. Mit knapp 40 Jahren durchlebte ich eine Krise und bin ausgestiegen, habe mich ein Jahr lang im Tagesjournalis- mus und als Juniorprogrammierer versucht. Das war aber nicht meine Welt. Ich bin jedoch mit einem anderen Blick «An unserer Schule haben wir altersmässig eine gute Durch- in den Lehrberuf zurückgekehrt, schätze seither zum Bei- mischung und eine offene Gesprächskultur, da gehört je- spiel meine relativ grosse Freiheit, etwa was meine Zeitein- der dazu, egal, wie alt er oder sie ist. Leider höre ich nicht teilung ausserhalb des Stundenplans angeht. mehr so gut. Ich mache aus dieser Behinderung kein Ge- Zuhause eine Familie und emotionale Stabilität zu ha- heimnis, und die meisten Jugendlichen nehmen darauf ben, ist mir sehr wichtig. Meine Partnerin und ich adoptier- auch Rücksicht. Wenn immer möglich achte ich darauf, dass ten relativ spät noch zwei Kinder. So hatte ich in den letzten sich ein Teil der Klasse schriftlich beschäftigt, während ich Jahren auch zuhause noch Jugendliche um mich, das hat mit den anderen Lernenden mündlich arbeite. Die Schullei- mir im Umgang mit meinen Schülerinnen und Schülern ge- tung hat mich auch mit Klassenteilungen oder einem holfen. Ebenso habe ich stets einen Ausgleich zur Schule schalldämpfenden Teppich im Schulzimmer unterstützt. gepflegt – mal für mich ein Buch lesen, Gitarre spielen, Holz Ein Vorteil des Alters ist sicher, dass man selbstsiche- spalten oder am Wochenende eine Wanderung unterneh- rer ist und von den Lernenden vermehrt als Autorität wahr- men. Vor zwei Jahren sind wir ins alte Ferienhaus meiner genommen wird. Weil ich eher introvertiert bin und auch Eltern eingezogen und leben nun dort, weit abgelegen hoch nicht von stattlicher Statur, war ich ganz froh, als sich das über Steg und dem Tösstal. Der Arbeitsweg auf die andere Alter irgendwann mit grauen Haaren und ersten Falten Seeseite ist mit Zug oder Fähre einfach zu bewältigen. Zu- zeigte. Mir selber wurde mein Alter in den letzten Jahren so hause kann ich mich als Handwerker und Gärtner betäti- richtig bewusst, weil viele meiner langjährigen Kollegen in gen und werde selber wieder zum Lernenden. Die Ruhe so- Pension gingen. Ich freue mich aber auf den Ruhestand. wie die fast unberührte Natur sind einfach herrlich.» ! 16 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus Helen Ritter, 57 ich; seit ich ein künstliches Kniegelenk habe, kann ich das aber nicht mehr. Den Schülern ist das egal. Die helfen mit, Primarlehrerin, ob du mitmachst oder nicht. Zentral ist, ob man sie packen kann und authentisch ist. Wenn ich sage, das kann ich nicht Unterstufe Dachsen vormachen, rufen zehn, sie möchten es vorzeigen. Ich achte einfach darauf, konsequent zu sein. Und: Ich unterrichte Aufgezeichnet von: Katrin Hafner Foto/Collage: Marion Nitsch offener – in jeder Hinsicht. Wage Dinge, die ich mich als junge Lehrerin nicht getraut hätte. Konkret? In meiner Klasse sind 16 Buben und 6 Mädchen. Im Rechnen dürfen sie eine Runde ums Zimmer rennen, wenn sie die Lösung haben. Und ich gehe öfters auf Exkursionen, mache Natur- «Alt fühlte ich mich erstmals, als mir ein Kollege sagte: Du experimente. Das lieben sie. Vieles tue ich intuitiv, das hat wirst ja 57, da erhält man Altersentlastung. Altersentlas- mit Lebenserfahrung zu tun und auch damit, dass ich einen tung. Allein das Wort tönt nach Müdigkeit. Dabei bin ich Sohn aufgezogen habe. Es ist mir wichtig, dass mir alle die voller Energie. Pensionierung? Die ist für mich noch weit Hand geben am Morgen. An den Augen erkenne ich sofort, weg. Wie lange ich bereits unterrichte, weiss ich ehrlich wie es dem Kind geht. Und die Schüler merken: Ich nehme nicht. Nach 30 Jahren hörte ich auf zu zählen und jetzt habe sie wahr. So fassen sie Vertrauen. Es gelingt mir heute eher, ich zwei Lektionen weniger, eben diese Entlastung. anbahnende Unruhe mit direktem Blick zu bannen. Ich habe in meinem Leben schon einige Krisen über- Wichtig war mir stets, Lehrer-Studenten zu begleiten, standen – Krankheit und den Tod von Angehörigen. In die- pro Jahr mindestens einen. So sehe ich, was Neues kommt sen schwierigen Phasen wurde die Bedeutung der Schule von der Pädagogischen Hochschule. Trotzdem: Mit dem noch grösser. Als mein Mann anderthalb Jahre schwer krank Alter wird man weniger gefragt von Kollegen. Ich werde war und ich jeden Tag ins Spital fuhr, wusste ich: In der respektiert, doch die Jungen teilen viel miteinander, auch Schule kann ich abschalten, bin einfach Lehrerin, kann la- Freizeit, während ich lieber in mein Zuhause und meinen chen, egal, was sonst ist. Kinder – das ist Leben, Bewegung, Garten gehe. Ich brauche den Ausgleich zum Schulalltag, da läuft etwas. Das schätze ich noch mehr als früher. Ob- besuche kulturelle Anlässe, treffe Freunde und suche die wohl ich auch Grenzen fühle. Am klarsten im Turnen. Zwar Natur. Gerne würde ich später einen Vogel- oder Pilzkurs zählen die Kinder noch heute von zehn rückwärts, wenn ich besuchen. Und mehr reisen. Das Meer tut mir unglaublich über den Pausenplatz zur Turnhalle komme. Früher rannte gut, es bringt Ruhe.» ! Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 17
Fokus Damit Wissen nicht verloren geht Ältere Lehr- personen verfügen über wertvolle Erfahrungen. An der Kantonsschule Wiedikon fördert man den Austausch mit jüngeren Lehrpersonen in soge- nannten Tandems. Text: Charlotte Spindler Die Kantonsschule Wiedikon ist für die 26-jährige Ursina Wissenstransfer Bamert kein unbekanntes Terrain: Hier ging sie zur Schule; Viele Schulen – ob Volksschulen, Gymnasien oder Be- Walter Summermatter war ihr Chemie-Lehrer. Seit Kur- rufsfachschulen – bieten neu eintretenden Lehrperso- zem unterrichtet die ETH-Studentin hier im Teilzeitpen- nen einen Mentor, Coach oder eine so genannte Fach- sum Chemie und Physik und ihr damaliger Lehrer ist ihr begleitung an: eine Lehrperson, die sie begleitet. Aller- Tandem-Partner. Die KS Wiedikon hat das Tandem-Modell dings muss diese nicht älter, sondern schlicht erfahren vor zwei Jahren eingeführt. Es ist eine von mehreren mög- sein. Ist sie zudem deutlich älter, kommt es gleichzeitig lichen Formen eines Individualfeedbacks, zwischen denen zum Erfahrungs- und Generationen-Wissenstransfer. die Lehrpersonen wählen. Die Idee dahinter: Eine ältere Andere Schule setzen zudem ganz bewusst auf den Lehrperson stellt einem jüngeren Fachkollegen sein Wissen Transfer von Wissen zwischen Alt und Jung – hier zwei in Form von sorgfältig aufbereitetem Unterrichtsmaterial Beispiele: zur Verfügung, beantwortet Fragen und unterstützt ihn bei • An der Allgemeinen Berufsschule Zürich (ABZ) wurde Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Ein solches Tan- im Juni 2012 eine neue Form des Wissenstransfers dem dauert in der Regel ein Semester. gestartet: Lehrpersonen ab 57 Jahren (mit Anspruch Für den 61-jährigen Prorektor Walter Summermatter auf Altersentlastung), die mindestens 20 Jahre an der ist Ursina Bamert die zweite junge Lehrperson, die er beim Schule unterrichten, werden vor dem Schulteam in Einstieg in den Berufsalltag unterstützt. «Auf diese Weise Form eines kurzen moderierten Gesprächs dazu be- kann ich meine über die Jahrzehnte entstandenen Arbeits- fragt, was gutes Unterrichten in ihren Augen aus- blätter, Übungsaufgaben samt Lösungen, Drehbücher und macht. Die Gespräche werden auf Video aufgezeichnet Skripts für die Lektionen zur Verfügung stellen und die und online gestellt (www.a-b-z.ch > Weisenrat; Kollegin oder den Kollegen auf didaktische Stolpersteine www.dgd.ch > wissenstransfer). Die befragten Lehr- aufmerksam machen.» Gleichzeitig gehe es ihm darum, personen werden Mitglied des Weisenrats der Schule, dem Tandem-Partner «didaktisches Augenmass» zu vermit- der dem Kollegium als Ratgeber für Schul- und Unter- teln. «Junge Lehrpersonen sind stark auf wissenschaftliche richtsbelange zur Verfügung steht, von der Schulleitung Genauigkeit fokussiert, während es bei der Stoffvermitt- bei Entscheidungsfindungen beigezogen werden kann lung immer auch darum geht, anschauliche Beispiele zu und den nächsten Wissenstransfer organisiert. Christian finden, die sich den Schülern einprägen, etwa zu Themen Etter, der das Modell entwickelt hat, hofft, dass weitere wie Masse und Gewicht.» Prüfungen setzen die Tandem- Schulen auf den Zug aufspringen und ihre Videoauf- Partner oftmals zeitgleich an: «Wir können die Arbeiten ge- zeichnungen auf dieselbe Homepage stellen werden. meinsam anschauen und uns bei der Notengebung aus- Es gehe dabei nicht nur um das Weitergeben von tauschen.» In der Regel treffen sie sich alle zwei, drei Wo- Know-how, sondern auch um die Wertschätzung von chen zu einem Gespräch, ab und zu besucht Walter Sum- Wissen und Erfahrung älterer Kolleginnen und Kollegen. mermatter eine Unterrichtsstunde von Ursina Bamert, ein • An der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) pflegt anderes Mal setzt sie sich in seine Klasse. man ein Feedback-Modell, das ursprünglich vor allem Walter Summermatter und Ursina Bamert sind über- Lehrpersonen wenige Jahre vor der Pensionierung mo- zeugt von der Tandem-Idee. «Ich habe nie das Gefühl, zu tivieren sollte, einer jüngeren Lehrperson einige speziell stören, wenn ich Fragen stelle; ich fühle mich unterstützt, bewährte Unterrichtseinheiten oder -themen weiter- habe aber trotzdem die Freiheit, meinen eigenen Unter- zugeben und von ihr dafür ein Feedback zu erhalten. richtsstil zu finden», sagt Ursina Bamert. Und Walter Sum- Mittlerweile werde dieser Austausch aber zwischen vie- mermatter sieht im Feedback seiner jungen Kollegin eben- len gepflegt, unabhängig vom Alter. Marcel Hatt, Ver- falls einen Gewinn: «Wer direkt vom Studium kommt, legt antwortlicher für Qualitätsmanagement an der KZO, ist beispielsweise viel Gewicht auf die wissenschaftliche For- überzeugt, dass viele ältere Lehrpersonen ihr Wissen in mulierung von Prüfungsfragen, während ich eher zu Ver- ihren Fachgruppen gezielt einbringen, umso mehr, je einfachungen neige. Solche über die Jahre eingespielten besser diese funktionierten. Hier trage die Hauskultur Gewohnheiten dürfen ruhig hinterfragt werden.» ! viel dazu bei, dass der Wissenstransfer stattfinde. [jo] 18 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus Schülerin Berufsmaturität II, 29 Berufsfachschullehrer, 50 Erstklässler, 7 Drittklässler, 8 Dreifacher Vater, 49 Gross und Klein äussern sich zur Frage: Was macht die alte Lehrperson eigentlich aus? Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 19
Volksschule «Wir wollen überprüfte Neuerungen bringen» Bis zum Sommer werden mit Vertretern des Schul- felds Massnahmen erarbeitet, die die Leistungen der schwächsten Schülerinnen und Schüler steigern sollen. Wo man jetzt steht, erklärt Martin Wendelspiess, Chef Volksschulamt. Interview: Katrin Hafner Foto: Dieter Seeger Martin Wendelspiess, nachdem die Als Folgemassnahme möchte man Foto: zvg Resultate der PISA-Erhebung 2009 auch Deutsch als Zweitsprache (DaZ) im Herbst 2011 bekannt wurden, ausbauen. Eine Variante sieht eine begann die Bildungsdirektion Folge- qualitative Optimierung vor ohne Aus- massnahmen zu entwickeln. Wie bau. Was heisst das? wurden die Lehrpersonen ausgewählt, Bevor wir über einen Ausbau disku- die dabei mitarbeiten? tieren, müssen wir genauer wissen, ob Martin Wendelspiess: Ende 2012 be- der heutige Umfang des DaZ-Unter- gann die Phase, in der auch Vertrete- richts ausreicht oder nicht. Darum rinnen und Vertreter des Schulfeldes wollen wir zuerst den Ist-Zustand er- mitmachen. Dabei sind aber auch Per- fassen. sonen aus der Verwaltung, den Schul- Martin Wendelspiess. Wie will man das untersuchen? behörden, der Pädagogischen Hoch- Müssen die Schulen mit Besuchen schule (PH) Zürich und der Hochschu- rechnen? le für Heilpädagogik. Die Lehrperso- mehr Lernzeit für die Schülerinnen Nein, das wird man mehrheitlich über nen und die Schulleitungen suchten und Schüler wirklich zu besseren Leis- die Gemeinden in Erfahrung bringen – wir via Verbände. tungen in Mathematik und Deutsch es geht um allgemeine Fragen wie: Wie Fünf Massnahmen sollen bis im führen kann. Und wir definieren Kri- viele Lektionen bieten die Gemeinden Sommer 2013 vorbereitet werden terien, die den Lehrpersonen helfen an? Läuft die Förderung integriert oder (vgl. Kasten). Machen überall die zu entscheiden, welche Kinder mehr separiert? Wie sieht es aus mit dem gleichen Lehrerinnen und Lehrer mit? Lernzeit brauchen. Zudem stellt sich Schulerfolg der betroffenen Schüle- Nein, denn wir wollten die Lehrperso- die Frage, ob es im Einzelfall Dispen- rinnen und Schüler? nen zeitlich nicht überfordern, darum sationen braucht oder ob zusätzliche Man denkt offenbar auch darüber arbeiten die meisten bei einem Projekt Lernzeit dazukommen kann. nach, die Dauer des DaZ-Unterrichts mit oder vielleicht bei zwei. Wenn Kinder nicht mehr am Unter- zu verlängern. Ein Projekt läuft unter dem Titel richt teilnehmen, sondern die Zeit für Ja, Schülerinnen und Schüler sollen so «Erhöhung der Lernzeit in Deutsch andere Fächer nutzen, bedeutet das lange qualitativ guten DaZ-Unterricht und Mathematik». Was kann man wohl mehr Arbeit für die Lehrperson, erhalten, bis sie einen bestimmten sich darunter vorstellen? die auch diese Schülerinnen und Schü- Sprachstand erreicht haben. Das Level Bereits heute dispensieren manche ler betreuen muss. der Sprachkenntnis ist wichtig, nicht Lehrpersonen einzelne Schülerinnen Nicht unbedingt. Es sind nämlich Va- die Dauer, bis ein Kind dieses Level er- und Schüler von gewissen Aufgaben, rianten denkbar mit zusätzlichen Per- reicht. Insofern möchten wir in Zu- damit diese mehr Zeit investieren kön- sonen, die die Lehrperson entlasten. kunft den DaZ-Unterricht nicht mehr nen für Mathematik und Deutsch. Dies Etwa im Zusammenhang mit dem Teil- auf maximal drei Jahre pro Schülerin passiert aber noch unsystematisch: Der projekt «Einsatz von Schul- und Klas- oder Schüler begrenzen. Denn es ist Lehrer entscheidet, dass Schüler X senassistenzen». Es gibt aber auch völlig unbestritten: Kinder, die gut nicht mehr mitmachen muss in einem Ansätze ohne Assistenzen. Ich möchte Deutsch können, entlasten auch die bestimmten anderen Fach. Wir klären hier allerdings nicht den Vorschlägen Lehrerinnen und Lehrer. Da wird nie- nun die Voraussetzungen dafür ab, wie aus den Arbeitsgruppen vorgreifen. mand dagegen sein. 20 Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Volksschule Vielleicht müsste man auch die Lehr- mittel unter die Lupe nehmen? Klar, das wird alles genau angeschaut. Und was ist mit der Qualität der DaZ-Lehrpersonen? Über ein Drittel der DaZ-Lehrper- sonen hat die Zusatzausbildung noch nicht gemacht. Doch an der PH läuft die Rekrutierung auf Hochtouren. Und zudem überlegen wir, ob es zusätzliche schulinterne Weiterbildungen braucht. Das Bekanntwerden der PISA-2009- Ergebnisse liegt eine Weile zurück, noch ist nichts Konkretes umgesetzt worden. Warum dauert das so lange? Wir wissen, dass manchmal die Resul- tate alleine etwas verändern, weil sie bewusst machen, wo Probleme vor- handen sind. Ausserdem befinden wir uns im Bereich Volksschule allgemein in einer Phase der Konsolidierung. Als wir im Frühling 2012 mit Vertrete- rinnen und Vertretern aus der Schul- praxis über praktische Massnahmen Schon heute sind Klassenhilfen im Einsatz, hier zum Beispiel in der Schule Rorbas. diskutierten, kam klar heraus, dass das Schulfeld nach den vergangenen Reformen keine Hektik wünscht. Wir Fünf Massnahmen nach den PISA-Ergebnissen wollen seriöse, überprüfte Neuerun- Die PISA-Erhebung 2009 hat gezeigt, dass im Kanton Zürich rund 20 Prozent gen bringen. Die Umsetzung solcher der Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit die Massnahmen muss gut geplant sein; grundlegenden Ziele im Lesen und in der Mathematik nicht oder nur knapp das braucht seine Zeit. erreichen. Bildungsdirektorin Regine Aeppli hat fünf Arbeitsgruppen beauf- Was erhoffen Sie sich konkret von tragt, zusammen mit Vertretungen aus dem Schulfeld konkrete Massnahmen diesen Massnahmen? vorzuschlagen, um den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler dieser so Das Ziel müsste die Halbierung sein genannten Risikogruppe zu steigern. Im Sommer 2013 wird die Bildungs- der Anzahl von Schülerinnen und direktion darüber befinden, welche der fünf Teilprojekte weiterverfolgt wer- Schülern, die die minimalen Ziele nicht den. Danach starten Pilotprojekte – frühestens ab Schuljahr 2014/15. erreichen; anders ausgedrückt: 90 Pro- Gearbeitet wird in folgenden Teilprojekten: zent müssten den Sek-II-Abschluss • Erhöhung der Lernzeit in Deutsch und Mathematik: Die Arbeitsgruppe schaffen. klärt ab, mit welchen Massnahmen die Schülerinnen und Schüler der Risiko- Und die restlichen zehn Prozent? gruppe vermehrt in Deutsch und Mathematik gefördert werden können. Ich glaube, wir müssen uns damit ab- Sie prüft individuelle Dispensationsmöglichkeiten von anderen Fächern und finden, dass es einfach nicht mit al- wie die Lernunterstützung optimiert werden kann. len Schülerinnen und Schülern geht. • Ausbau und Optimierung des DaZ-Unterrichts: Es werden Vorschläge Es gibt eine kleine Gruppe, bei der erarbeitet, wie der DaZ-Unterricht zukünftig aussehen soll. Sind die vorgege- alle Anstrengungen der Schule nicht benen DaZ-Lektionen ausreichend? Braucht es Anpassungen in den Lehr- die erwünschte Wirkung zeigen – da mitteln oder der Ausbildung der DaZ-Lehrpersonen? Benötigen auch die nützt es auch nichts, wenn die Lehr- Klassenlehrpersonen zusätzliche Unterstützung? personen den Kopfstand machen oder • Einsatz von Schul- und Klassenassistenzen (vgl. Schulblatt 2/12): Wie noch so ausgeklügelte zusätzliche sehen die Einsatzmöglichkeiten von Assistentinnen und Assistenten konkret Massnahmen ergriffen werden. Eine aus? Wie sollen Assistenzen eingeführt und wie finanziert werden? Welche ganz wichtige Erkenntnis lautet: Wir kantonalen Rahmenbedingungen sollen gelten? können die so genannte Risikogruppe • Unterstützung und Begleitung von Lernenden ausserhalb des Unterrichts nicht verkleinern, indem wir nur Ver- (vgl. Schulblatt 3/12): Wie haben sich bestehende Angebote bewährt? Welche änderungen auf der Sekstufe ins Auge Resultate erzielen sie? Sollen neue Angebote bereitgestellt werden? fassen; wir müssen viel früher anset- • Stärkung der Schulleitungen in der pädagogischen Führung: Welche zen – eben zum Beispiel mit DaZ auf Instrumente und Verfahren helfen den Schulleitungen und den Lehrpersonen, der Unterstufe oder allgemein, indem die Qualität des Unterrichts in Hinblick auf die Risikogruppe zu beurteilen? man früh selbstständiges Lernen för- Braucht es neue Tests? Wie sollen diese eingesetzt und wie die Resultate dert, Stichwort: «frühe Förderung». ! verwendet werden? [red] Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013 21
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