Was heisst schon alt? - Aussensicht Was Schulen in Amsterdam anders machen Informatik Wenn Schüler Roboter programmieren Berufsmeisterschaften And ...

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Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013

Was heisst schon alt?
Aussensicht Was Schulen in Amsterdam anders machen
Informatik Wenn Schüler Roboter programmieren
Berufsmeisterschaften And the winner is …
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MALWETTBEWERB
                                                                            UND QUIZ
                                                                              MITMACHEN UND
                                                                              TOLLE PREISE GEWINNEN !

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Der 43. Internationale Raiffeisen-Jugendwettbewerb ruft Kinder und Jugendliche auf,
sich kreativ mit dem Thema «Natur» auseinander zu setzen.

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Talon bitte an Ihre Raiffeisenbank oder an Raiffeisen Schweiz, Marketing,
9001 St.Gallen (Tel. 071 225 88 46, Fax 071 225 85 69) senden oder die
Unterlagen via Internet bestellen: www.raiffeisen.ch/wettbewerb

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Inhalt

20        Nützliche Hilfe:
          Die Klassenassistenz.                 36       Ohne Schutzbrille keine
                                                         Berufslehre zum Laboranten.         40      Nach 35 Jahren verlässt Joseph
                                                                                                     Hildbrand die Bildungsdirektion.

                                                                               Editorial von Katrin Hafner
Kommentar von Bildungsdirektorin Regine Aeppli                    5            Es braucht Mut, sich zu exponieren, erst recht,
                                                                               wenn es ums Thema Alter geht. Denn: Zu den
Magazin
Im Lehrerzimmer: Anton-Graff-Haus in Winterthur                   6            Alten zählen möchte kaum jemand. Zwar ist in
Künstlerin Karin Suter unter der Lupe                             7            der Mode und im Design der Vintage-Stil an-
Drei Lehrpersonen haben Amsterdamer Schulen besucht               8            gesagt; ein Möbelstück mit Patina gilt als char-
                                                                               mant und bereits beim Kauf abgetragen wir-
Fokus: Was heisst schon alt?                                     10
                                                                               kende Jeans kosten viel Geld. Geht es aber um
Volksschule                                                                    den Menschen, haftet dem Alter ein negativer
Martin Wendelspiess über Massnahmen, die Schüler stützen         20            Beigeschmack an. Wir fühlen uns ja alle – dies
Die Arbeit des Beauftragen für Gewaltfragen                      23            zeigen Untersuchungen – so wahnsinnig jung,
Kurzmeldungen                                                    25            jedenfalls bedeutend jünger, als unser Ge-
Mittelschule                                                                   burtsdatum verrät.
Kanti Hottingen begeistert Jugendliche für Informatik            26                Hut ab also vor den drei Lehrpersonen, die
Latein – die tote Sprache zeigt sich sehr lebendig               31            sich in dieser Schulblatt-Ausgabe den Fragen
Kurzmeldungen                                                    32            rund ums Altsein stellen und ihre persönliche
Berufsbildung
                                                                               Geschichte erzählen. Klar wird dabei: Jeder
Polybauer wetteiferten miteinander an den Swiss Skills           34            Mensch wird anders alt und geht auf seine Art
Berufslehre heute: Laborant EFZ, Fachrichtung Chemie             36            damit um. Die Alten gibt es nicht. Das bestätigt
LKB-Vollversammlung – gesund bleiben im Beruf                    39            der Soziologe und Altersforscher François
                                                                               Höpflinger. Er erklärt, was Alter mit Weisheit
Porträt
                                                                               zu tun hat, und beantwortet die Frage, inwie-
Joseph Hildbrand hat die Bildungspolitik mitgeprägt              40
                                                                               fern sich das Altern im Lehrberuf vom Altern
Service                                                                        in anderen Branchen unterscheidet. Ausser-
Schule und Kultur                                                42            dem zeigt er auf, wie die Schule das Potenzial
Hinweise auf Veranstaltungen                                     44            der verschiedenen Generationen besser nut-
Weiterbildung                                                    47
                                                                               zen könnte. Wie Schulen Wissen und Erfah-
Amtliches                                                        54            rungsschatz von älteren zu jüngeren Lehrper-
                                                                               sonen transferieren, veranschaulichen zwei
Impressum und wichtige Adressen                                  67
                                                                               Beispiele aus dem Kanton Zürich.
                                                                                   Wir wünschen einen guten Start ins Jahr
Titelfoto/Collage: Marion Nitsch
                                                                               2013 – für Jung und Alt.                    !
                                                                                                       Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013       3
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Foto_KEYSTONE/DESAIR/Heinz Leuenberger
                                           Podium Pestalozzianum 2013

    BILDUNGSSTANDORT ZÜRICH
    Studie und Podiumsdiskussion zum Stellenwert der Volksschule

    Donnerstag, 31. Januar 2013                                             Stiftung Pestalozzianum in Kooperation mit der PH Zürich

    18.30 – 20.30 Uhr                                                       Einführung

    Aula Sihlhof, Lagerstrasse 5, 8004 Zürich (vis-à-vis Sihlpost)      „   Prof. Dr. Philipp Gonon
                                                                            präsentiert seine Studie «Bildungsstandort Zürich»

    Podiumsdiskussion                                                       Podium mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Bildung
    Standortvorteile sind für die wirtschaftliche Prosperität
    und die Lebensqualität einer Region entscheidend.
                                                                        „   Dr. Mauro Dell’Ambrogio
                                                                            Staatssekretär für Bildung und Forschung
    Das Bildungsangebot ist ein wichtiges Kriterium für die
    Attraktivität eines Standortes. Welches sind die Stär-              „   Esther Guyer
    ken und Schwächen des Bildungsstandortes Zürich im                      Kantonsrätin Zürich, Fraktionschefin Grüne
    nationalen und internationalen Vergleich? Welche
    Rolle spielt dabei die Volksschule? Welches sind Entwick-           „   Prof. Dr. Sabina Larcher Klee
    lungsperspektiven für den Bildungsstandort Zürich                       Prorektorin PH Zürich
    und welche Strategien und Ideen zu seiner Förderung
    gibt es? Diese und weitere Fragen werden am Podium
                                                                        „   Prof. Dr. Rudolf Minsch
                                                                            Chefökonom economiesuisse
    Pestalozzianum erläutert und diskutiert.
                                                                        „   Gari Pavkovic
                                                                            Leiter Bildungspartnerschaft Stuttgart
    Anschliessend:
    Verleihung der Studienpreise Stiftung                               „   Prof. Dr. Cristina Allemann-Ghionda
    Pestalozzianum für herausragende                                        Lehrstuhl für Vergleichende Erziehungswissenschaft,
    Leistungen an Studierende der PH Zürich                                 Universität zu Köln
    Laudatio Prof. Dr. Peter Stücheli-Herlach,
    Präsident der Stiftung Pestalozzianum
                                                                            Moderation

    Parkett Pestalozzianum                                              „   Cornelia Kazis, Radio DRS 2
    Apéro im Anschluss an das Podium und die Preisverleihung

    Eintritt: CHF 10.–, frei für Stiftungsmitglieder,
    Mitarbeitende und Studierende der PH Zürich                                                        www.pestalozzianum.ch

4   Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Was heisst schon alt? - Aussensicht Was Schulen in Amsterdam anders machen Informatik Wenn Schüler Roboter programmieren Berufsmeisterschaften And ...
Kommentar

                         Für eine starke Volksschule Auch dieses Jahr
                         bleibt unser oberstes Ziel, den Lehrpersonen
                         gute Arbeitsbedingungen und den Kindern ein
                         bestmögliches Lernumfeld zu bieten.
                         Von Regine Aeppli, Bildungsdirektorin

                                                                                            Die Erfüllung der Hauptforderungen aus dem Projekt,
Foto: Béatrice Devènes

                                                                                       die Senkung der Schülerlektionen und weniger Zeugnisse,
                                                                                       liegt nicht in der Kompetenz der Bildungsdirektion. Dafür
                                                                                       ist der Bildungsrat zuständig. Da diese Forderungen von ge-
                                                                                       sellschaftspolitischer Relevanz sind, wurde eine öffentliche
                                                                                       Vernehmlassung durchgeführt. Der Bildungsrat entsprach
                                                                                       in der Folge der Forderung nach weniger Zeugnissen. Da-
                                                                                       rauf wurde im Kantonsrat eine gesetzliche Verankerung
                                                                                       des Anspruchs auf zwei Zeugnisse jährlich verlangt. Um zu
                                                                                       verhindern, dass die Zeugnis-Regelung in kurzer zeitlicher
                                                                                       Abfolge geändert wird, schob der Bildungsrat die Umset-
                                                                                       zung der Änderung bis zum Abschluss des Geschäftes im
                                                                                       Kantonsrat auf.
                                                                                            Die zweite Forderung, jene nach Senkung der Lektio-
                                                                                       nenzahl, erlitt in der Vernehmlassung eine Abfuhr. Eigent-
                                                                                       lich wollte man ja lieber die Zahl der Pflichtlektionen der
                         Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer                               Lehrpersonen senken, was aber nicht ohne den Budget-
                         Zum Jahresende werden allenthalben gute Wünsche zum           geber, den Kantonsrat, zu machen ist. Das Anliegen wurde
                         Jahreswechsel verschickt. Heuer habe ich viele Zuschriften    von einem Kantonsratsmitglied im Rat deponiert. Dass
                         von Lehrerinnen und Lehrern bekommen. Sie sind dem            dem Parlament der Entscheid nicht leicht fällt, hat Gründe:
                         Aufruf ihrer Lehrverbände ZLV, VPOD und SekZH gefolgt         Erstens braucht es für die Erteilung der «frei werdenden»
                         und haben darauf aufmerksam gemacht, dass sie in ihrem        Lektionen rund 800 Lehrpersonen mehr. Sie kennen den
                         Alltag immer noch stark belastet sind.                        «Stress» zur Besetzung aller Lehrerstellen auf Beginn des
                              Der Lehrberuf ist äusserst anspruchsvoll, er ist mit     neuen Schuljahres, und Sie haben bestimmt auch mit ver-
                         zahlreichen Belastungen verbunden und die Erwartungs-         folgt, wie die Schülerzahlen jährlich steigen. Zweitens zieht
                         haltung der Gesellschaft an die Schule steigt ständig. Wir    der Abbau von zwei Lektionen jährlich zwischen 70 und
                         haben deshalb in den letzten Jahren Ihre Arbeitssituation     80 Millionen Franken Mehrkosten nach sich. Der Kantons-
                         verbessert. Wir haben die Löhne spürbar erhöht und: Wir       rat wird zu diesen zentralen Forderungen einen Entscheid
                         haben das Anliegen in einer finanzpolitisch schwierigen        fällen müssen.
                         Zeit durchgebracht. Das ist ein Zeichen der Wertschätzung.         Das schreibe ich Ihnen am Tag, an dem der Kantonsrat
                              Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, haben wir       das Budget für 2013 beschlossen und den Regierungsrat
                         vor drei Jahren das Projekt «Belastung – Entlastung» ins      verpflichtet hat, nochmals 250 Millionen Franken aus dem
                         Leben gerufen. Am runden Tisch haben alle Beteiligten aus     Staatshaushalt zu pressen. Sie sehen daran, wie schwierig
                         dem Schulfeld Vorschläge erarbeitet. Gemeinsam haben          das Umfeld ist, auch wenn es für gute Bedingungen an der
                         wir uns auf einen Weg geeinigt, um die Lehrpersonen in        Volksschule viel Zustimmung gibt und unsere Schule in der
                         den Schulen zu entlasten. Die Vorschläge, welche die Bil-     Gesellschaft gut verankert ist.
                         dungsdirektion in eigener Kompetenz erlassen konnte, wur-          Liebe Lehrerinnen, liebe Lehrer, es bleibt unser obers-
                         den Schritt für Schritt umgesetzt. So haben wir zum Bei-      tes Ziel, eine Schule zu haben, die den Lehrpersonen gute
                         spiel die Mitarbeiterbeurteilung vereinfacht. Auch sind die   Arbeitsbedingungen und den Kindern ein bestmögliches
                         Schulen heute freier bei der Verwendung der Mittel aus        Lernumfeld bietet. Für dieses Ziel werde ich auch in diesem
                         dem Gestaltungspool und die Schulgemeinden haben Zu-          Jahr einstehen.
                         griff auf das kantonale Personal- und Lohnadministrations-         Ich bedanke mich für Ihre Arbeit und Ihr Engagement
                         system PULS-ZH und können so den administrativen Auf-         im vergangenen Jahr und wünsche Ihnen jetzt allen ein
                         wand reduzieren.                                              gutes 2013!                                                !
                                                                                                                     Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013   5
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Im Lehrerzimmer Im Anton-Graff-Haus der Berufsbildungs-
schule Winterthur (BBW) trifft man sich in der Mitte.

Fotos: Marion Nitsch

1 von 4: Das Anton-Graff-Haus ist das zweitgrösste der vier    Deola, Leiter der BMS. Dominant: das nahe Sulzer-Hoch-
Gebäude der BBW. Lehrpersonen: 100. Lernende: 1000 Be-         haus, auf das der Blick aus der Fensterfront fällt. Ausgeklü-
rufsmaturitätsschule (BMS), 700 Abteilung Maschinenbau.        gelt: das Preissystem für die Pausengetränke – von 50 Rap-
Alles neu: 2010 bis 2012 wurde das Haus komplett umge-         pen fürs Einzelgetränk bis zu 200 Franken Gönnerbeitrag
baut. Endlich: verfügt es über eine eigene Mensa und zwei      im Jahr. Inbegriffen: sind dafür Äpfel oder Schoggistängeli.
Turnhallen. Zentral: Damit der Weg zum Lehrerzimmer für        Lärmpegel: heute hoch – für das Schulblatt sind extra viele
alle möglichst kurz ist, liegt es in der Mitte des 3. Stock-   Lehrpersonen anwesend. Spendiert: sind die Gipfeli aus
werks. Büromässig: ist die Einrichtung in Schwarz-Weiss-       diesem Anlass von Beat Deola. Nächstes Schul-Highlight:
Grau. Lange Diskussionen: habe es über das Mobiliar ge-        Erich Gysling spricht am Lehrerkonvent von Anfang Januar
geben, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, sagt Beat        über den Arabischen Frühling. [jo]

6     Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
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Unter der Lupe Fünf Fragen                                                        Das Zitat «Ein Klas-
an Künstlerin Karin Suter                                                          senzimmer hat viele
                                                                                 Gemeinsamkeiten mit
Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn?          einer Bühne; Lehr-
Kurz vor meiner Einschulung zog unsere Familie von der Stadt aufs Land,
wo ich das einzige ungetaufte Kind war. In der Schule wurden wir Kinder          personen absolvieren
gefragt, ob wir katholisch oder reformiert seien. Ich hatte keine Ahnung,
was damit gemeint war, was meinen Mitschülern wiederum – egal, ob ka-
                                                                                    tagtäglich Auftritte
tholisch oder reformiert – die Aussage entlockte, ich käme also in die Hölle.     vor einem Publikum,
Da ich auch nicht wusste, was die Hölle ist, fühlte ich mich sehr deplatziert
und war eingeschüchtert. Zu Hause erklärten mir meine Eltern, was die
                                                                                  das dank seiner Me-
Hölle ist, und von da an nahm ich das gelassener. Welcher Lehrperson ge-            dienerfahrung kriti-
ben Sie rückblickend die Note 6 und warum? Zweifellos meinem Mathe-
matiklehrer am Gymnasium. Ich hatte keinen anderen Lehrer, der mit ei-            scher ist als früher.»
ner solchen Engelsgeduld, so viel Leidenschaft und pausenloser Überzeu-
                                                                                           Marianne Weber, Schauspielerin und
gungsarbeit erfolgreich für sein Fach plädierte! Ich war nie gut in Mathe,                       Trainerin für Auftrittskompetenz
ich bin eher ein Sprachenmensch und habe es nicht so mit den Zahlen,                     im «Folio», Zeitschrift für Lehrpersonen
                                                                                                             in der Berufsbildung
dennoch hat mir dieser Unterricht Spass gemacht. Es war eine Heraus-
forderung, die ich annahm. Ich habe viel gelernt – nicht nur fachlich, son-
dern auch, mich einzulassen auf Dinge, die mir nicht einfach von der Hand
gehen. Inwiefern hat die Schule Ihnen geholfen, eine mehrfach ausgezeich-
nete Künstlerin zu werden? Ich hab immer gerne gemalt und gezeichnet.
Am Gymnasium konnten wir als fakultatives Fach «Freie Kunst» wählen;
das waren zwei oder drei Lektionen pro Woche, in denen wir unsere ei-
genen Ideen umsetzen konnten. Ich malte damals eine grosse Bohne,
250 mal 100 Zentimeter war die, und die Schule kaufte das Bild zu einem
symbolischen Betrag von 50 Franken und hängte es doch tatsächlich im
Aufgang zum Zeichensaal auf! Die Erfahrung, dass es – nebst meinen El-
tern – Menschen gibt, die meine Bilder so toll finden, dass sie sie auf-
hängen, hat mich sehr bestärkt. Was ist das Wichtigste, was Kinder heute
in der Schule lernen sollen, und warum? Kinder müssen lernen, selbst-            Die Zahl
ständig zu sein. Sie müssen sich entwickeln können zu Menschen, die kri-         Die Berufswahl junger Frauen und
tisch und unabhängig denken und die erkennen, wel-                               Männer im Kanton Zürich entspricht
ches ihre Fähigkeiten und Werte sind. Ich finde                                   vielfach nach wie vor traditionellen
es wichtig, die Frage zu stellen, woher wir                                        Mustern. Im Jahr 2011 haben 50 Pro-
kommen und wohin wir gehen; daher bin                                                 zent der 7769 Frauen im ersten
ich der Überzeugung, dass Geschichts-                                                   Lehrjahr einen Beruf aus den
und Philosophieunterricht mindestens                                                     Bereichen Heilbehandlung,
so wichtig sind wie Ökonomie oder                                                         Verkauf und Hauswirtschaft
Neue Medien. Warum wären Sie eine                                                          gewählt. Von den 8878 männ-
gute Lehrerin – oder eben nicht? Ich                                                       lichen Lernenden im ersten
habe bisher nur einmal als Gast-                                                           Lehrjahr dagegen hat sich
Tutorin die Lehrerrolle eingenommen                                                        die Hälfte für die Industrie-
und mich ganz wohl gefühlt dabei. Ich                                                     oder Informationstechnik-
fand es spannend, dieses unvoreinge-                                                     branche entschieden; immer-
nommene Vertrauen der Studentinnen                                                     hin 724 (9,3 Prozent) Frauen
und Studenten zu spüren. Unterrichten ist                                            haben ebenfalls diese Ausbildung
nicht mein Traumjob, ich habe aber durchaus                                        gewählt. Ähnlich viele junge Män-
Lust, mich ab und zu darauf einzulassen.                                         ner, nämlich 854 (9,6 Prozent), lassen
[Aufgezeichnet von Katrin Hafner]                                                sich in der Heilbehandlung, im Ver-
                                                                                 kauf oder in der Körperpflege ausbil-
                                                                                 den. Büroberufe figurieren bei Frauen
                                                                                 und Männern übrigens unter den be-
Zur Person Karin Suter (33) hat an der Hochschule für Gestaltung und Kunst
                                                                                 liebtesten Berufen. Rund 31 Prozent
in Basel studiert und ist als bildende Künstlerin tätig. Sie hat unter anderem
ein Kunst-am-Bau-Projekt für Hoffmann-La Roche in Basel realisiert und           der Frauen und 21 Prozent der Män-
diverse Kunstpreise und Stipendien erhalten. Seit dem Jahr 2010 wohnt sie        ner haben sich für diese Ausbildung
in Rotterdam (NL).                                                               entschieden. [ana]

                                                                                         Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013   7
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Besuch in Holland
Lehrpersonen aus
Zürich und Umgebung
haben in Amsterdam
Volks- und Berufs-
fachschulen besucht.
Und genauso gestaunt
wie ihre Austausch-
kollegen, die zuvor in
der Schweiz zu Besuch
waren.
Aufgezeichnet von: Katrin Hafner Fotos: Dieter Seeger

                                                           Thomas Röthlisberger, 33, Sekundarlehrer
                                                           «Sie wirken auffallend selbstbewusst, die Oberstufenschü-
                                                           lerinnen und -schüler, die ich in Amsterdam kennenge-
                                                           lernt habe. Und zwar im positiven Sinn: Sie sind Wildfrem-
                                                           den gegenüber offen, stellen Fragen, geben bereitwillig
                                                           Auskunft, trauen sich etwas zu. Das hat mich beeindruckt.
                                                           Entsprechend ist der Umgang zwischen Lehrperson und
Der Blick von aussen                                       Klasse: auf Augenhöhe. Es ist ein warmherziges Klima, man
Unter dem Titel «CAS Schulentwicklung International»       spürt wenig Hierarchie, hat das Gefühl, Lehrer und Schüler
findet ein Schulaustausch statt, bei dem Lehrpersonen      wollen gemeinsam etwas erreichen. Ich habe keine diszi-
aus drei Nationen Einblick in den Schulalltag in einem     plinarische Massregelung im Unterricht erlebt, dafür natür-
jeweils anderen Land erhalten. Diskutiert werden glo-      liches Lob und auch mal ein freundschaftliches Schulter-
bale Trends und Herausforderungen in der Bildung und       klopfen – obwohl es insgesamt unruhiger und lauter zu-
mögliche lokale Antworten darauf. Durchgeführt wird        und hergeht als bei uns. Ob das eine Mentalitätssache ist,
die Weiterbildung von der Pädagogischen Hochschule         obs an der Erziehung oder der Schule liegt? Vermutlich
(PH) Zürich, der Hochschule Amsterdam und dem              kommt alles zusammen. Die holländischen Lehrpersonen
Schulamt des Fürstentums Liechtenstein. In einem           geben ihren Schülerinnen und Schülern mehr Spielraum,
ersten Schritt haben niederländische Lehrpersonen          sie kontrollieren sie über lange Zeiträume wenig – bei-
Schulen in der Schweiz besucht (vgl. Schulblatt 3/12),     spielsweise, wenn die Klasse wochenlang in Gruppen ar-
im Herbst 2012 reiste eine Gruppe von Lehrpersonen         beitet. Konkret angesprochen hat mich, was die Amster-
aus Zürich und Umgebung nach Holland (Text nebenan).       damer Schulen punkto Öffentlichkeitsarbeit unternehmen:
Ziel ist es, Anregungen von ausländischen Kolleginnen      angefangen bei der Hochglanzbroschüre über eine Top-
und Kollegen für die eigene Schule nutzen zu können –      Webseite bis hin zu intensiver, institutionalisierter Zusam-
beispielsweise bezüglich Kooperation mit Eltern.           menarbeit mit den Eltern. Klar, bei ihnen herrscht freie
Im Frühling 2013 treffen sich die Lehrpersonen zum         Schulwahl und insofern wird bewusst Geld und Energie
Abschluss des Lehrgangs.                                   ins Vermarkten gesteckt. Aber gerade beim Internetauftritt
                                                           könnten wir uns durchaus eine Scheibe von ihrem profes-
                                                           sionellen Auftreten abschneiden. Ach ja, und noch etwas:
∑ Infos und Anmeldung zum «CAS Schulentwicklung
International 2013»: www.phzh.ch/cas > alle Zertifikats-   Englisch sprechen die Holländer auf hohem Level, da
lehrgänge. Bei Fragen kontaktieren Sie die CAS-Leitung,    schneiden unsere gleichaltrigen Schülerinnen und Schüler
frank.brueckel@phzh.ch                                     deutlich schlechter ab.»

8     Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
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Martina Baur, 26, Primarlehrerin                               Reto Wegmüller, 37, Schulleiter Berufsfachschule
«30 Kinder in einem kleinen Raum – da habe ich schon ge-       «Es war bereichernd, andere Schulen zu sehen und dabei
staunt. Vor allem, weil die Kinder allem Anschein nach         sein eigenes Tun zu reflektieren. Am meisten überrascht
trotzdem gut lernen können. Wie ist das möglich?, fragte ich   hat mich die Offenheit, die in den holländischen Klassen-
mich. Letztlich geht es um das Klima und die Aufgabenstel-     zimmern herrscht zwischen Lehrpersonen und Schülerin-
lungen. Die Kinder müssen sich wohlfühlen und irgendwie        nen und Schülern, aber auch unter den Jugendlichen. Es
fasziniert sein vom Stoff, den sie vermittelt kriegen, dann    hat mich beeindruckt, wie hoch der Geräuschpegel ist und
ist der Raum nicht wichtig. Dies hat mit dem Unterrichts-      wie das Lernen offenbar trotzdem klappt. Ich hätte wohl
konzept zu tun: Die Schule, die ich besuchte, setzt jeweils    Mühe, so zu unterrichten. Aber ich habe nicht das Gefühl,
für ein Quartal ein Thema, an dem alle Klassen in allen Fä-    dass das holländische System schlechter ist, denn am
chern arbeiten – zum Beispiel Schuhe. Man holt die Welt ins    Schluss erbringen sie vergleichbare Leistungen wie wir.
Schulhaus und arbeitet in verschiedener Hinsicht daran:        Vielleicht sind es kulturelle Unterschiede? Es tut jedenfalls
Im Werken basteln sie dann Schuhe aus Lehm, sie bringen        gut zu sehen, dass es auch funktionieren kann, wenn es
ihre Lieblingsschuhe mit und recherchieren im Internet,        nicht nur ruhig ist und der Unterricht nicht so strukturiert
was es mit der Marke und der Herstellung auf sich hat, sie     abläuft wie bei uns. Die Infrastruktur ist zwar in Holland
putzen Schuhe und verkaufen Schuhe, lernen so etwas über       allgemein viel bescheidener als bei uns – kleinere Räume,
Marketing, Kommunikation, Betriebswirtschaft und den           einfachere Einrichtung. Aber: Alle Zimmer verfügen über
Umgang mit Geld, und sie erfahren von verschiedenen Be-        Smartboards statt Wandtafeln und die Schüler arbeiten mit
rufen, bei denen es im engeren oder weiteren Sinne um          elektronischen Hilfsmitteln. So wird zum Beispiel Facebook
Schuhe geht. Schliesslich gestalten sie Plakate zum Thema,     eingesetzt: Der Lehrer stimmt seine Schüler am Vorabend
die sie im Schulhaus ausstellen. So entsteht ein Wir-Gefühl,   mit einem Eintrag auf Facebook auf den kommenden
man arbeitet zusammen – die Schülerinnen und Schüler           Schultag ein, die Aufgaben werden teilweise in Gruppen
über die Klassengrenzen hinaus, aber auch die Lehrperso-       gelöst, und offenbar machen 99 Prozent der Schülerinnen
nen. Es schwingt viel Freude mit. Und man spürt, dass sich     und Schüler dabei aktiv mit. Es wird da nicht unterschieden
unsere holländischen Kollegen intensiv auseinandersetzen       zwischen einem persönlichen Facebook-Account und ei-
mit den Fragen: Was macht unsere Schule aus? Wer sind          nem Schul-Account. Zu sehen, mit welcher Selbstverständ-
wir? Das hat mir einen enormen Motivationsschub gege-          lichkeit die Lehrer mit elektronischen Hilfsmitteln umge-
ben. Ich will selbst wieder mehr darüber diskutieren, was      hen, ist bemerkenswert. Schweizer Schulen haben diesbe-
wir wollen, möchte mich vermehrt austauschen mit den an-       züglich einen Handlungsbedarf – sowohl was die Geräte
deren, ganz klar. Und die eigene Türe offen halten beim Un-    selbst anbelangt wie auch betreffend neue Unterrichtsfor-
terrichten – im wörtlichen und im übertragenen Sinne.»         men oder Einsatz von Social Medias im Schulzimmer.» !

                                                                                             Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013   9
Was heisst schon alt? - Aussensicht Was Schulen in Amsterdam anders machen Informatik Wenn Schüler Roboter programmieren Berufsmeisterschaften And ...
Fokus

                          Sekundarlehrerin, 55                                          Zweifache Mutter, 38

                       Schülerin Berufsmaturität II, 28                            Berufsschüler, 17

                                                                                 Primarlehrerin, 56

Gross und Klein äussern sich zur Frage: Was macht die alte Lehrperson eigentlich aus?

10      Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus

Was heisst schon alt? Älter
werden wir alle. Aber was
passiert dabei im Berufsall-
tag? Wie erleben die Lehr-
personen die letzten Berufs-
jahre? Und wie arbeiten Jung
und Alt zusammen?
Umfrage: Katrin Hafner und Jacqueline Olivier, Grafik: Büro Z

Soziologe François Höpflinger über das Altwerden                                                       12
Drei ältere Lehrpersonen und ihre persönliche Erfahrung                                                15
Wissenstransfer von Alt zu Jung in der Schulpraxis                                                     18
Wie die PH Zürich ältere Lehrpersonen berät                                                            47
                                                                Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013      11
Fokus

«Alt sind immer die anderen» François Höpflinger,
Soziologieprofessor und Altersforscher, erklärt,
was es heisst, zu den Älteren zu gehören, und
wie die Schule das Potenzial der verschiedenen
Generationen besser nutzen kann.
Interview: Katrin Hafner Fotos: Conradin Frei

Herr Höpflinger, Sie sind nicht mehr             mittlerweile beinahe intuitiv. Ausser-    prägt von alten Menschen und gleich-
der Jüngste. Wie alt sind Sie?                  dem kann ich diagonal lesen, bin also     zeitig nimmt die gesundheitliche Fit-
François Höpflinger: Vierundsechzig,             in gewissen Arbeiten schneller als frü-   ness im Alter zu. Die Sprache hinkt
nein, eigentlich sogar: vierundsechzig-         her. Und ich kenne mich besser: Wenn      dieser Realität hinterher: Wir kennen
einviertel Jahre alt.                           ich etwas schreiben muss und nach         keine Begriffe, die breit abgestützt und
Die Frage nach dem Alter ziemt sich             zehn Minuten immer noch ein leeres        akzeptiert sind. Alt sind immer die an-
hierzulande nicht, viele zucken zusam-          Blatt vor mir habe, weiss ich, es hat     deren. Es kursieren Ausdrücke wie Be-
men. Warum eigentlich?                          keinen Sinn, und ich verschiebe es auf    tagte, Golden Girls oder Silberfüchse,
Das hängt mit der verbreiteten Mei-             den nächsten Tag.                         neuerdings Bestagers. Die Hotelbran-
nung zusammen, jung sein bedeute in-            Inwiefern hat Ihr Alter negative          che hat einen Ausdruck kreiert, der gut
novativer, fitter und sozial angesehe-           Auswirkungen?                             ankommt: aktive Senioren. Da denkt
ner zu sein. So kommt es einem Outing           Wenn es um neue mathematische Me-         man doch sofort an Menschen, die
gleich, wenn man eine Alterszahl nen-           thoden geht, habe ich viel nachzuho-      fröhlich um fünf Uhr morgens auf ei-
nen muss.                                       len. Und ich muss aufpassen, dass ich     nen Berg steigen und den Sonnenauf-
Alter bedeutet auch Erfahrung. Was              mich nicht wiederhole.                    gang bestaunen.
können Sie als Soziologe heute besser           Das Wort «alt» ist kein Kompliment.       Und was sagt die Forschung?
als vor 20 Jahren?                              Wie bezeichnen Sie ältere Menschen?       In der Forschung gelten grundsätzlich
Ich sehe innerhalb weniger Minuten,             Die Lebenserwartung steigt von Jahr       Menschen über 50 als Senioren; das
ob Thesen, Budget und Zeitplan eines            zu Jahr, demografisch betrachtet ist       Angebot der Pro Senectute zum Bei-
Forschungsprojekts stimmen. Das läuft           unsere Gesellschaft immer stärker ge-     spiel kann man ab 55 in Anspruch

12      Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
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                 François Höpfinger: «Die älteren Arbeitenden leiden oft unter dem Gefühl, ihre Erfahrung zähle nicht, es interessiere sich niemand dafür.»

nehmen. Wir sprechen auch von jun-                Es geht jedoch nicht nur um physische                 Lehrerinnen und Lehrer müssen ihre
gen Alten oder dem dritten Lebens-                Grenzen: Lastwagenfahrer werden im                    ganze Person eingeben – erst recht,
alter und meinen damit die 65- bis 79-            Alter beispielsweise teamunfähig, sie                 seit sie individualisiert unterrichten.
Jährigen. Über 80-Jährige bezeichnen              sind sich nicht gewöhnt, mit anderen                  Der Job ist privater geworden, es geht
wir als alte Alte, das ist dann das vierte        Menschen zusammenzuarbeiten. Per-                     mehr als vor 30 Jahren um das Indivi-
Lebensalter.                                      sonen mit jahrelanger Machtposition                   duum, das mit der Klasse arbeitet.
Ihre Untersuchungen zeigen, dass                  wiederum zeigen im Alter eine gewisse                 Der Anteil älterer Lehrpersonen in der
sich die Charaktereigenschaften mit               Lernresistenz.                                        Volksschule ist im Kanton Zürich hoch:
dem Alter ausprägen, die Menschen                 Ist es – verglichen mit anderen                       Jede dritte ist über 50, Tendenz stei-
gleichen sich also nicht an. Trotzdem:            Berufen – für Lehrerinnen und Lehrer                  gend. Ist das gut für unsere Kinder?
Was sind – ganz pauschal – die Vor-               besonders hart, älter zu werden?                      Burnout-Opfer oder Lehrpersonen mit
und Nachteile des Altseins?                       Eine spezifische Schwierigkeit besteht                 innerer Kündigung scheiden in der Re-
Ältere Menschen brauchen meist mehr               in der wachsenden kulturellen Distanz                 gel vor 50 aus. Lehrpersonen, die mit
Ruhepausen. Sie haben zudem eher                  zu den Schülerinnen und Schülern. Mit                 über 50 noch im Beruf sind, gehören
gesundheitliche Probleme wie Seh-                 jedem Klassenzug vergrössert sich die                 zu einer selektiven Gruppe, es sind die
oder Höreinschränkungen und Mühe                  Generationenkluft. Die ältere Lehrper-                motivierten Überlebenden. Das heisst:
mit dem Multitasking. Dafür sind sie              son kennt Jugendsprache und -spiele                   Grundsätzlich habe ich keine Beden-
besser vernetzt und haben mehr Er-                nicht mehr, nutzt die technischen Er-                 ken für die Kinder.
fahrung.                                          rungenschaften selbst nicht intensiv                  Und was heisst es für die älteren Lehr-
Das entspricht weitgehend den                     und muss doch nahe an die Schülerin-                  personen selber? Was brauchen sie?
Klischees.                                        nen und Schüler herankommen, um                       Für sie wäre es wichtig, dass sie die
Es ist einfach so, dass es physisch               gut unterrichten zu können. Es fehlen                 Möglichkeit für Auszeiten haben, klei-
messbare Alterungsprozesse gibt. An-              zudem weitgehend Karrieremöglich-                     ne Sabbaticals oder Projektarbeiten,                     3
dererseits sind zum Beispiel keine                keiten. Das heisst: Man kann nicht auf-
Hinweise bekannt, wonach Alter und                steigen und nicht gross Position wech-
Weisheit zusammengehören.                         seln innerhalb des Systems Schule.
Was ist eigentlich schwierig, wenn                Bedeutet das, dass ältere Lehr-                            Zur Person François Höpflinger, 64,
man im Beruf altert?                              personen besonders Gefahr laufen                           ist Soziologieprofessor am Sozio-
Die älteren Arbeitenden leiden oft un-            abzuschalten?                                              logischen Institut der Universität
ter dem Gefühl, ihre Erfahrung zähle              Nein, das Verrückte ist: In diesem Be-                     Zürich und hat sich unter anderem
nicht, es interessiere sich niemand da-           ruf überlebt man nicht, wenn man in-                       auf die Altersforschung konzentriert.
für. Und dann sind da natürlich noch              nerlich kündigt. Man ist persönlich so                     Er ist Mitherausgeber des Buches
                                                                                                             «Die Babyboomer. Eine Generation
branchen- und hierarchiespezifische                sehr exponiert, muss sich so engagie-
                                                                                                             revolutioniert das Alter» und ist als
Unterschiede.                                     ren, dass man sich nicht einfach bis                       Berater in Altersfragen tätig. Fran-
Dass es körperliche Altersgrenzen                 zur Pensionierung durchmogeln kann.                        çois Höpflinger ist verheiratet, hat
gibt, etwa für Sportlerinnen und Bau-             Das hat mit dem sozialen und perso-                        zwei erwachsene Kinder, vier Enkel-
arbeiter, liegt auf der Hand.                     nenfixierten Aspekt der Arbeit zu tun:                      kinder und lebt in Horgen.

                                                                                                                  Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013      13
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während deren sie nicht dem dauern-            dern. Es geht letztlich um den explizi-     Da spielen vermutlich verschiedene
den Bühnenauftritt vor Klassen aus-            ten Austausch. Manche Themen, die           Überlegungen eine Rolle. Aus Sicht
gesetzt sind.                                  Alte bewegen, sind den Jungen nicht         des Altersforschers gibt es keine stich-
Durch neue Unterrichtsformen – Team-           bewusst und umgekehrt. Es liegt viel        haltige Begründung dafür.
teaching, integrativer Unterricht – sind       Potenzial brach in altersdurchmisch-        Wie sehen das die Eltern und Kinder?
ältere Lehrpersonen automatisch in             ten Teams, viel gegenseitiges – formel-     Akzeptieren sie ältere Lehrpersonen?
Kontakt mit jüngeren. Dennoch fühlen           les und informelles – Wissen, das allen     Ich kenne keine spezifischen Studien
sich manche, befragt man sie separat,          zugutekommen könnte und sie ent-            dazu. Man weiss aber, dass die Alten
isoliert.                                      lasten würde.                               heute ein schlechteres Bild haben von
Es reicht eben nicht, wenn zwei Perso-         Kann ein derart künstlich geschaffener      den Jungen als die Jungen von den Al-
nen unterschiedlichen Alters zusam-            Austausch das Klima zwischen Jung           ten. Es kann also nicht stimmen, dass
men unterrichten. Sie müssten eine             und Alt wirklich verbessern?                generell Kinder und Jugendliche oder
extrem gute Beziehung haben, damit             Ja, das zeigen Beispiele, wo dies be-       Eltern etwas gegen ältere Lehrer ha-
sie sich offen kritisieren oder alters-        reits passiert. Allerdings ist es relativ   ben. Mir sind Beispiele bekannt, die
                                                                                           eher das Gegenteil beweisen.
                                                                                           Nennen Sie bitte eines.
                                                                                           Es gab eine Gewerbeschule, auf deren
                                                                                           Pausenplatz ein gewalttätiges Klima
«Das Verrückte ist: Im Lehrberuf überlebt                                                  herrschte. Man positionierte dann ei-

man nicht, wenn man innerlich kündigt.»                                                    nen Pensionierten, der nichts anderes
                                                                                           tat, als Präsenz zu markieren. Das Kli-
                                                                                           ma verbesserte sich merklich.
                                                                                           Insofern begrüssen Sie wohl das
                                                                                           Projekt «Generationen im Klassen-
spezifische Fragen und Themen auf-              zeitaufwendig und braucht einen kla-        zimmer»?
werfen könnten, ohne sich gegenseitig          ren Willen vonseiten Behörden oder          Absolut, das ist ein spannender An-
zu verletzen.                                  Schulleitung.                               satz, es dürften ruhig mehr Projekte in
Welche Lösungen schlagen Sie denn              Viele ältere Lehrpersonen beschäftigen      diese Richtung gehen.
vor, um die Zusammenarbeit im Team             sich aktiv mit dem Altwerden; die The-      Sie haben von positiven Seiten älterer
zu stärken?                                    menreihe «Älter werden im Beruf» der        Personen gesprochen, und Studien
Methoden wie das diversity manage-             Pädagogischen Hochschule (PH) Zü-           gemäss sind Menschen nach 50
ment, bei denen man soziale Vielfalt           rich stiess auf grosse Nachfrage.           glücklicher als um 40. Warum haben
als Chance sieht. Im Umfeld Schule             Das ist ein gutes Zeichen: Die Lehr-        dennoch viele das Gefühl, ab 50 gehe
heisst das, man könnte Gruppen grün-           personen machen sich offenbar Ge-           es bergab?
den, am besten bestehend aus Lehr-             danken über ihre Ressourcen, ihre           Das hängt mit gesellschaftlich veran-
personen verschiedenen Alters und              Stellung, ihre Zukunft. Das ist nicht in    kerten Bildern zusammen. Und da-
aus mehreren Schulhäusern, die sich            allen Branchen so.                          mit, dass es wenig Weiterbildungsan-
zum Beispiel einmal im Monat für zwei          Es könnte auch ein Signal sein,             gebote und schon gar keine Stipendien
Stunden treffen und über Generatio-            dass ältere Lehrpersonen Mühe haben         für über 50-Jährige gibt. Es ist auch
nenfragen diskutieren.                         und Hilfe brauchen.                         schwieriger, in diesem Alter eine neue
Welche Art Themen müssten da                   Ein Problem ist bestimmt die enorme         Stelle in einem anderen Bereich zu
aufgenommen werden?                            Präsenz, die sie an den Tag legen           finden – allerdings nicht primär wegen
Denkbar ist alles, etwa der Sprach-            müssen. Da würde ein Modell helfen,         fehlender Qualifikation, sondern weil
stil. Welche Ausdrücke verwenden die           das ich generell befürworte: Dass wir       man für den Arbeitgeber zu teuer ist.
Jungen wann und warum – und ist                in der Schweiz flexiblere Übergangs-         Wie sieht es bei Ihnen aus? Denken
das begrüssenswert? Oder: Die Älteren          lösungen ins Rentenalter hätten. Dann       Sie selbst an die Pensionierung?
könnten ihr Know-how im Umgang                 könnte jemand zum Beispiel ohne             Ich fahre langsam herunter, versuche,
mit Reformen und Problemen mit El-             Renteneinbusse das Pensum reduzie-          den Nachwuchs sicherzustellen. Ich
tern kundtun.                                  ren oder mit 60 mal ein Jahr ausset-        werde allerdings nach der Pensionie-
Und wenns um Persönliches geht?                zen – dafür nach 65 noch ein Jahr an-       rung weiterarbeiten – auf Mandats-
Zum Beispiel ist ein älterer Unter-            hängen.                                     basis und selbstständig.
stufenlehrer verunsichert, ob er ein           Ausnahmsweise dürfen Lehrpersonen           Es wäre ja auch paradox, wenn Sie
trauriges Kind auf die Schoss nehmen           nach 65 weiter unterrichten oder vika-      jetzt, im Alter, mit der Altersforschung
darf, wie er das früher immer tat.             risieren – etwa bei Lehrermangel oder       aufhören würden.
Im Team sind nur noch Frauen, die              wenn es sich um ein exotisches Fach         Tatsächlich gehe ich sozusagen auf
meisten deutlich jünger, er kann und           handelt wie Japanisch. Derzeit tun          mein Arbeitsthema zu, nicht wie ein
will nicht darüber reden.                      dies etwa 70 im Kanton Zürich. Eine         Jugendforscher, der sich per se im-
In einer Gesprächsgruppe hätte der             Weisung des Volksschulamts verbietet        mer mehr von seinem Untersuchungs-
Lehrer Platz, um genau dies zu schil-          die Arbeit allerdings nach 70.              objekt entfernt.                       !
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Fokus

Marcel Meyer, 59                                                         Für mich waren Neuerungen immer eine Möglichkeit,
                                                                    aus dem Schulalltag herauszutreten. Denn mit der Zeit hat
Gymnasiallehrer, Kantons-                                           man gewisse Verhaltens- und Unterrichtsmuster – Routine
                                                                    halt. Die hat aber auch ihre positiven Seiten: Man weiss,
schule Zürcher Oberland                                             wie man am besten reagiert, wenn etwas nicht klappt, dies
                                                                    macht ein rascheres Ermüden wett. Die ständige Präsenz
Aufgezeichnet von: Jacqueline Olivier Foto/Collage: Marion Nitsch   strengt natürlich vermehrt an, und das ist heikel: Wenn
                                                                    man im Unterricht müde ist, reagiert man vielleicht einmal
                                                                    etwas schärfer, was eine Stimmung in der Klasse sofort zum
                                                                    Kippen bringen kann. Die Erfahrung schafft aber auch
                                                                    Freiräume, um Neues auszuprobieren.
«Dieses Jahr erreiche ich eine magische Grenze: 60. Da ma-               Als mühsamer empfinde ich die Korrekturarbeit, ins-
che ich mir natürlich Gedanken, wie ich den Übergang zur            besondere bei Aufsätzen. Irgendwann hat man bereits hun-
Pensionierung gestalten soll. Sicher möchte ich nicht in ei-        dert ähnliche Texte gelesen und die Entwicklung so vieler
nen Vorpensionierungsaktivismus verfallen, wie ich ihn              Jugendlicher miterlebt – ich finde deshalb die Notenge-
manchmal bei Kollegen beobachte. Kurz vor Schluss noch              bung nicht mehr so entscheidend. Ich habe ausserdem ge-
die eigene Unentbehrlichkeit beweisen zu wollen, finde ich           rade eine Klassenreise hinter mir und gebe zu: Die Jugend-
befremdlich, irgendwann muss man die Schule denen über-             herberge fällt mir inzwischen etwas schwer. Auch verbringe
lassen, die noch 20, 30 Jahre dort sein werden. Das heisst ja       ich weniger Zeit in der Schule und schätze es zusehends,
nicht, dass ich mich nicht mehr engagiere oder für Neues            mich mit Leuten zu unterhalten, die nicht im Schulwesen
interessiere. Ob man Veränderungen gegenüber offen ist,             tätig sind, denn mir fällt heute mehr auf, dass die Schule
hat ohnehin mehr mit der Persönlichkeit als mit dem Alter           doch ein recht eigenes Biotop ist. Dazu allmählich ein wenig
zu tun. Ich habe mich beispielsweise schon früh und immer           auf Distanz zu gehen, versuche ich ganz bewusst. Mich in-
wieder mit der IT-Thematik auseinandergesetzt. Momentan             teressiert Stadtentwicklung und ich gehe gerne im ‹Clouds›
bin ich Mitglied des Projektteams für die Laptopklassen, die        im Zürcher Prime Tower Espresso trinken. Ich unterrichte
wir vor eineinhalb Jahren gestartet haben. Da ist seitens ei-       aber nach wie vor sehr gerne und hoffe, dass mir der Ab-
niger Kollegen schon der Spruch gefallen: ‹Dass du dich in          schied gut gelingen wird. Als Lehrer steht man ständig auf
deinem Alter noch damit auseinandersetzt.› Das war zwar             einer Bühne, das fehlt einem dann vielleicht. Gefordert sein
anerkennend gemeint, etwas deplatziert war es trotzdem.             bedeutet schliesslich immer Last und Lust zugleich.»      !
                                                                                                Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013      15
Fokus

Walter Schällibaum, 61                                              Bereits in den letzten Jahren habe ich sukzessive Ämter ab-
                                                                    gegeben. So bin ich nach 15 Jahren als Fachvorstand zu-
Berufsschullehrer, Bildungs-                                        rückgetreten, arbeite nicht mehr im Konventsvorstand mit
                                                                    und gehöre auch nicht mehr dem Autorenteam der kan-
zentrum Zürichsee                                                   tonalen Berufsmaturitätsprüfungen an. Bis heute finde ich
                                                                    es bereichernd, Neues im Unterricht auszuprobieren, das
Aufgezeichnet von: Jacqueline Olivier Foto/Collage: Marion Nitsch   hat mich auch vor dem Burnout bewahrt.
                                                                         Mit knapp 40 Jahren durchlebte ich eine Krise und bin
                                                                    ausgestiegen, habe mich ein Jahr lang im Tagesjournalis-
                                                                    mus und als Juniorprogrammierer versucht. Das war aber
                                                                    nicht meine Welt. Ich bin jedoch mit einem anderen Blick
«An unserer Schule haben wir altersmässig eine gute Durch-          in den Lehrberuf zurückgekehrt, schätze seither zum Bei-
mischung und eine offene Gesprächskultur, da gehört je-             spiel meine relativ grosse Freiheit, etwa was meine Zeitein-
der dazu, egal, wie alt er oder sie ist. Leider höre ich nicht      teilung ausserhalb des Stundenplans angeht.
mehr so gut. Ich mache aus dieser Behinderung kein Ge-                   Zuhause eine Familie und emotionale Stabilität zu ha-
heimnis, und die meisten Jugendlichen nehmen darauf                 ben, ist mir sehr wichtig. Meine Partnerin und ich adoptier-
auch Rücksicht. Wenn immer möglich achte ich darauf, dass           ten relativ spät noch zwei Kinder. So hatte ich in den letzten
sich ein Teil der Klasse schriftlich beschäftigt, während ich       Jahren auch zuhause noch Jugendliche um mich, das hat
mit den anderen Lernenden mündlich arbeite. Die Schullei-           mir im Umgang mit meinen Schülerinnen und Schülern ge-
tung hat mich auch mit Klassenteilungen oder einem                  holfen. Ebenso habe ich stets einen Ausgleich zur Schule
schalldämpfenden Teppich im Schulzimmer unterstützt.                gepflegt – mal für mich ein Buch lesen, Gitarre spielen, Holz
     Ein Vorteil des Alters ist sicher, dass man selbstsiche-       spalten oder am Wochenende eine Wanderung unterneh-
rer ist und von den Lernenden vermehrt als Autorität wahr-          men. Vor zwei Jahren sind wir ins alte Ferienhaus meiner
genommen wird. Weil ich eher introvertiert bin und auch             Eltern eingezogen und leben nun dort, weit abgelegen hoch
nicht von stattlicher Statur, war ich ganz froh, als sich das       über Steg und dem Tösstal. Der Arbeitsweg auf die andere
Alter irgendwann mit grauen Haaren und ersten Falten                Seeseite ist mit Zug oder Fähre einfach zu bewältigen. Zu-
zeigte. Mir selber wurde mein Alter in den letzten Jahren so        hause kann ich mich als Handwerker und Gärtner betäti-
richtig bewusst, weil viele meiner langjährigen Kollegen in         gen und werde selber wieder zum Lernenden. Die Ruhe so-
Pension gingen. Ich freue mich aber auf den Ruhestand.              wie die fast unberührte Natur sind einfach herrlich.»       !
16      Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus

Helen Ritter, 57                                               ich; seit ich ein künstliches Kniegelenk habe, kann ich das
                                                               aber nicht mehr. Den Schülern ist das egal. Die helfen mit,
Primarlehrerin,                                                ob du mitmachst oder nicht. Zentral ist, ob man sie packen
                                                               kann und authentisch ist. Wenn ich sage, das kann ich nicht
Unterstufe Dachsen                                             vormachen, rufen zehn, sie möchten es vorzeigen. Ich achte
                                                               einfach darauf, konsequent zu sein. Und: Ich unterrichte
Aufgezeichnet von: Katrin Hafner Foto/Collage: Marion Nitsch   offener – in jeder Hinsicht. Wage Dinge, die ich mich als
                                                               junge Lehrerin nicht getraut hätte. Konkret? In meiner
                                                               Klasse sind 16 Buben und 6 Mädchen. Im Rechnen dürfen
                                                               sie eine Runde ums Zimmer rennen, wenn sie die Lösung
                                                               haben. Und ich gehe öfters auf Exkursionen, mache Natur-
«Alt fühlte ich mich erstmals, als mir ein Kollege sagte: Du   experimente. Das lieben sie. Vieles tue ich intuitiv, das hat
wirst ja 57, da erhält man Altersentlastung. Altersentlas-     mit Lebenserfahrung zu tun und auch damit, dass ich einen
tung. Allein das Wort tönt nach Müdigkeit. Dabei bin ich       Sohn aufgezogen habe. Es ist mir wichtig, dass mir alle die
voller Energie. Pensionierung? Die ist für mich noch weit      Hand geben am Morgen. An den Augen erkenne ich sofort,
weg. Wie lange ich bereits unterrichte, weiss ich ehrlich      wie es dem Kind geht. Und die Schüler merken: Ich nehme
nicht. Nach 30 Jahren hörte ich auf zu zählen und jetzt habe   sie wahr. So fassen sie Vertrauen. Es gelingt mir heute eher,
ich zwei Lektionen weniger, eben diese Entlastung.             anbahnende Unruhe mit direktem Blick zu bannen.
     Ich habe in meinem Leben schon einige Krisen über-             Wichtig war mir stets, Lehrer-Studenten zu begleiten,
standen – Krankheit und den Tod von Angehörigen. In die-       pro Jahr mindestens einen. So sehe ich, was Neues kommt
sen schwierigen Phasen wurde die Bedeutung der Schule          von der Pädagogischen Hochschule. Trotzdem: Mit dem
noch grösser. Als mein Mann anderthalb Jahre schwer krank      Alter wird man weniger gefragt von Kollegen. Ich werde
war und ich jeden Tag ins Spital fuhr, wusste ich: In der      respektiert, doch die Jungen teilen viel miteinander, auch
Schule kann ich abschalten, bin einfach Lehrerin, kann la-     Freizeit, während ich lieber in mein Zuhause und meinen
chen, egal, was sonst ist. Kinder – das ist Leben, Bewegung,   Garten gehe. Ich brauche den Ausgleich zum Schulalltag,
da läuft etwas. Das schätze ich noch mehr als früher. Ob-      besuche kulturelle Anlässe, treffe Freunde und suche die
wohl ich auch Grenzen fühle. Am klarsten im Turnen. Zwar       Natur. Gerne würde ich später einen Vogel- oder Pilzkurs
zählen die Kinder noch heute von zehn rückwärts, wenn ich      besuchen. Und mehr reisen. Das Meer tut mir unglaublich
über den Pausenplatz zur Turnhalle komme. Früher rannte        gut, es bringt Ruhe.»                                      !
                                                                                            Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013      17
Fokus

Damit Wissen nicht verloren geht Ältere Lehr-
personen verfügen über wertvolle Erfahrungen.
An der Kantonsschule Wiedikon fördert man den
Austausch mit jüngeren Lehrpersonen in soge-
nannten Tandems.
Text: Charlotte Spindler

Die Kantonsschule Wiedikon ist für die 26-jährige Ursina       Wissenstransfer
Bamert kein unbekanntes Terrain: Hier ging sie zur Schule;     Viele Schulen – ob Volksschulen, Gymnasien oder Be-
Walter Summermatter war ihr Chemie-Lehrer. Seit Kur-           rufsfachschulen – bieten neu eintretenden Lehrperso-
zem unterrichtet die ETH-Studentin hier im Teilzeitpen-        nen einen Mentor, Coach oder eine so genannte Fach-
sum Chemie und Physik und ihr damaliger Lehrer ist ihr         begleitung an: eine Lehrperson, die sie begleitet. Aller-
Tandem-Partner. Die KS Wiedikon hat das Tandem-Modell          dings muss diese nicht älter, sondern schlicht erfahren
vor zwei Jahren eingeführt. Es ist eine von mehreren mög-      sein. Ist sie zudem deutlich älter, kommt es gleichzeitig
lichen Formen eines Individualfeedbacks, zwischen denen        zum Erfahrungs- und Generationen-Wissenstransfer.
die Lehrpersonen wählen. Die Idee dahinter: Eine ältere        Andere Schule setzen zudem ganz bewusst auf den
Lehrperson stellt einem jüngeren Fachkollegen sein Wissen      Transfer von Wissen zwischen Alt und Jung – hier zwei
in Form von sorgfältig aufbereitetem Unterrichtsmaterial       Beispiele:
zur Verfügung, beantwortet Fragen und unterstützt ihn bei      • An der Allgemeinen Berufsschule Zürich (ABZ) wurde
Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Ein solches Tan-       im Juni 2012 eine neue Form des Wissenstransfers
dem dauert in der Regel ein Semester.                          gestartet: Lehrpersonen ab 57 Jahren (mit Anspruch
     Für den 61-jährigen Prorektor Walter Summermatter         auf Altersentlastung), die mindestens 20 Jahre an der
ist Ursina Bamert die zweite junge Lehrperson, die er beim     Schule unterrichten, werden vor dem Schulteam in
Einstieg in den Berufsalltag unterstützt. «Auf diese Weise     Form eines kurzen moderierten Gesprächs dazu be-
kann ich meine über die Jahrzehnte entstandenen Arbeits-       fragt, was gutes Unterrichten in ihren Augen aus-
blätter, Übungsaufgaben samt Lösungen, Drehbücher und          macht. Die Gespräche werden auf Video aufgezeichnet
Skripts für die Lektionen zur Verfügung stellen und die        und online gestellt (www.a-b-z.ch > Weisenrat;
Kollegin oder den Kollegen auf didaktische Stolpersteine       www.dgd.ch > wissenstransfer). Die befragten Lehr-
aufmerksam machen.» Gleichzeitig gehe es ihm darum,            personen werden Mitglied des Weisenrats der Schule,
dem Tandem-Partner «didaktisches Augenmass» zu vermit-         der dem Kollegium als Ratgeber für Schul- und Unter-
teln. «Junge Lehrpersonen sind stark auf wissenschaftliche     richtsbelange zur Verfügung steht, von der Schulleitung
Genauigkeit fokussiert, während es bei der Stoffvermitt-       bei Entscheidungsfindungen beigezogen werden kann
lung immer auch darum geht, anschauliche Beispiele zu          und den nächsten Wissenstransfer organisiert. Christian
finden, die sich den Schülern einprägen, etwa zu Themen         Etter, der das Modell entwickelt hat, hofft, dass weitere
wie Masse und Gewicht.» Prüfungen setzen die Tandem-           Schulen auf den Zug aufspringen und ihre Videoauf-
Partner oftmals zeitgleich an: «Wir können die Arbeiten ge-    zeichnungen auf dieselbe Homepage stellen werden.
meinsam anschauen und uns bei der Notengebung aus-             Es gehe dabei nicht nur um das Weitergeben von
tauschen.» In der Regel treffen sie sich alle zwei, drei Wo-   Know-how, sondern auch um die Wertschätzung von
chen zu einem Gespräch, ab und zu besucht Walter Sum-          Wissen und Erfahrung älterer Kolleginnen und Kollegen.
mermatter eine Unterrichtsstunde von Ursina Bamert, ein        • An der Kantonsschule Zürcher Oberland (KZO) pflegt
anderes Mal setzt sie sich in seine Klasse.                    man ein Feedback-Modell, das ursprünglich vor allem
     Walter Summermatter und Ursina Bamert sind über-          Lehrpersonen wenige Jahre vor der Pensionierung mo-
zeugt von der Tandem-Idee. «Ich habe nie das Gefühl, zu        tivieren sollte, einer jüngeren Lehrperson einige speziell
stören, wenn ich Fragen stelle; ich fühle mich unterstützt,    bewährte Unterrichtseinheiten oder -themen weiter-
habe aber trotzdem die Freiheit, meinen eigenen Unter-         zugeben und von ihr dafür ein Feedback zu erhalten.
richtsstil zu finden», sagt Ursina Bamert. Und Walter Sum-      Mittlerweile werde dieser Austausch aber zwischen vie-
mermatter sieht im Feedback seiner jungen Kollegin eben-       len gepflegt, unabhängig vom Alter. Marcel Hatt, Ver-
falls einen Gewinn: «Wer direkt vom Studium kommt, legt        antwortlicher für Qualitätsmanagement an der KZO, ist
beispielsweise viel Gewicht auf die wissenschaftliche For-     überzeugt, dass viele ältere Lehrpersonen ihr Wissen in
mulierung von Prüfungsfragen, während ich eher zu Ver-         ihren Fachgruppen gezielt einbringen, umso mehr, je
einfachungen neige. Solche über die Jahre eingespielten        besser diese funktionierten. Hier trage die Hauskultur
Gewohnheiten dürfen ruhig hinterfragt werden.»            !    viel dazu bei, dass der Wissenstransfer stattfinde. [jo]

18      Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Fokus

                     Schülerin Berufsmaturität II, 29                              Berufsfachschullehrer, 50

                                                                                    Erstklässler, 7
                      Drittklässler, 8

                                                                                        Dreifacher Vater, 49

Gross und Klein äussern sich zur Frage: Was macht die alte Lehrperson eigentlich aus?

                                                                                                               Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013      19
Volksschule

«Wir wollen überprüfte Neuerungen bringen»
Bis zum Sommer werden mit Vertretern des Schul-
felds Massnahmen erarbeitet, die die Leistungen
der schwächsten Schülerinnen und Schüler
steigern sollen. Wo man jetzt steht, erklärt Martin
Wendelspiess, Chef Volksschulamt.
Interview: Katrin Hafner Foto: Dieter Seeger

Martin Wendelspiess, nachdem die                                                               Als Folgemassnahme möchte man

                                                                                   Foto: zvg
Resultate der PISA-Erhebung 2009                                                               auch Deutsch als Zweitsprache (DaZ)
im Herbst 2011 bekannt wurden,                                                                 ausbauen. Eine Variante sieht eine
begann die Bildungsdirektion Folge-                                                            qualitative Optimierung vor ohne Aus-
massnahmen zu entwickeln. Wie                                                                  bau. Was heisst das?
wurden die Lehrpersonen ausgewählt,                                                            Bevor wir über einen Ausbau disku-
die dabei mitarbeiten?                                                                         tieren, müssen wir genauer wissen, ob
Martin Wendelspiess: Ende 2012 be-                                                             der heutige Umfang des DaZ-Unter-
gann die Phase, in der auch Vertrete-                                                          richts ausreicht oder nicht. Darum
rinnen und Vertreter des Schulfeldes                                                           wollen wir zuerst den Ist-Zustand er-
mitmachen. Dabei sind aber auch Per-                                                           fassen.
sonen aus der Verwaltung, den Schul-             Martin Wendelspiess.                          Wie will man das untersuchen?
behörden, der Pädagogischen Hoch-                                                              Müssen die Schulen mit Besuchen
schule (PH) Zürich und der Hochschu-                                                           rechnen?
le für Heilpädagogik. Die Lehrperso-           mehr Lernzeit für die Schülerinnen              Nein, das wird man mehrheitlich über
nen und die Schulleitungen suchten             und Schüler wirklich zu besseren Leis-          die Gemeinden in Erfahrung bringen –
wir via Verbände.                              tungen in Mathematik und Deutsch                es geht um allgemeine Fragen wie: Wie
Fünf Massnahmen sollen bis im                  führen kann. Und wir definieren Kri-             viele Lektionen bieten die Gemeinden
Sommer 2013 vorbereitet werden                 terien, die den Lehrpersonen helfen             an? Läuft die Förderung integriert oder
(vgl. Kasten). Machen überall die              zu entscheiden, welche Kinder mehr              separiert? Wie sieht es aus mit dem
gleichen Lehrerinnen und Lehrer mit?           Lernzeit brauchen. Zudem stellt sich            Schulerfolg der betroffenen Schüle-
Nein, denn wir wollten die Lehrperso-          die Frage, ob es im Einzelfall Dispen-          rinnen und Schüler?
nen zeitlich nicht überfordern, darum          sationen braucht oder ob zusätzliche            Man denkt offenbar auch darüber
arbeiten die meisten bei einem Projekt         Lernzeit dazukommen kann.                       nach, die Dauer des DaZ-Unterrichts
mit oder vielleicht bei zwei.                  Wenn Kinder nicht mehr am Unter-                zu verlängern.
Ein Projekt läuft unter dem Titel              richt teilnehmen, sondern die Zeit für          Ja, Schülerinnen und Schüler sollen so
«Erhöhung der Lernzeit in Deutsch              andere Fächer nutzen, bedeutet das              lange qualitativ guten DaZ-Unterricht
und Mathematik». Was kann man                  wohl mehr Arbeit für die Lehrperson,            erhalten, bis sie einen bestimmten
sich darunter vorstellen?                      die auch diese Schülerinnen und Schü-           Sprachstand erreicht haben. Das Level
Bereits heute dispensieren manche              ler betreuen muss.                              der Sprachkenntnis ist wichtig, nicht
Lehrpersonen einzelne Schülerinnen             Nicht unbedingt. Es sind nämlich Va-            die Dauer, bis ein Kind dieses Level er-
und Schüler von gewissen Aufgaben,             rianten denkbar mit zusätzlichen Per-           reicht. Insofern möchten wir in Zu-
damit diese mehr Zeit investieren kön-         sonen, die die Lehrperson entlasten.            kunft den DaZ-Unterricht nicht mehr
nen für Mathematik und Deutsch. Dies           Etwa im Zusammenhang mit dem Teil-              auf maximal drei Jahre pro Schülerin
passiert aber noch unsystematisch: Der         projekt «Einsatz von Schul- und Klas-           oder Schüler begrenzen. Denn es ist
Lehrer entscheidet, dass Schüler X             senassistenzen». Es gibt aber auch              völlig unbestritten: Kinder, die gut
nicht mehr mitmachen muss in einem             Ansätze ohne Assistenzen. Ich möchte            Deutsch können, entlasten auch die
bestimmten anderen Fach. Wir klären            hier allerdings nicht den Vorschlägen           Lehrerinnen und Lehrer. Da wird nie-
nun die Voraussetzungen dafür ab, wie          aus den Arbeitsgruppen vorgreifen.              mand dagegen sein.

20      Schulblatt des Kantons Zürich 1/2013
Volksschule

Vielleicht müsste man auch die Lehr-
mittel unter die Lupe nehmen?
Klar, das wird alles genau angeschaut.
Und was ist mit der Qualität der
DaZ-Lehrpersonen?
Über ein Drittel der DaZ-Lehrper-
sonen hat die Zusatzausbildung noch
nicht gemacht. Doch an der PH läuft
die Rekrutierung auf Hochtouren. Und
zudem überlegen wir, ob es zusätzliche
schulinterne Weiterbildungen braucht.
Das Bekanntwerden der PISA-2009-
Ergebnisse liegt eine Weile zurück,
noch ist nichts Konkretes umgesetzt
worden. Warum dauert das so lange?
Wir wissen, dass manchmal die Resul-
tate alleine etwas verändern, weil sie
bewusst machen, wo Probleme vor-
handen sind. Ausserdem befinden wir
uns im Bereich Volksschule allgemein
in einer Phase der Konsolidierung. Als
wir im Frühling 2012 mit Vertrete-
rinnen und Vertretern aus der Schul-
praxis über praktische Massnahmen         Schon heute sind Klassenhilfen im Einsatz, hier zum Beispiel in der Schule Rorbas.
diskutierten, kam klar heraus, dass
das Schulfeld nach den vergangenen
Reformen keine Hektik wünscht. Wir        Fünf Massnahmen nach den PISA-Ergebnissen
wollen seriöse, überprüfte Neuerun-       Die PISA-Erhebung 2009 hat gezeigt, dass im Kanton Zürich rund 20 Prozent
gen bringen. Die Umsetzung solcher        der Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit die
Massnahmen muss gut geplant sein;         grundlegenden Ziele im Lesen und in der Mathematik nicht oder nur knapp
das braucht seine Zeit.                   erreichen. Bildungsdirektorin Regine Aeppli hat fünf Arbeitsgruppen beauf-
Was erhoffen Sie sich konkret von         tragt, zusammen mit Vertretungen aus dem Schulfeld konkrete Massnahmen
diesen Massnahmen?                        vorzuschlagen, um den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler dieser so
Das Ziel müsste die Halbierung sein       genannten Risikogruppe zu steigern. Im Sommer 2013 wird die Bildungs-
der Anzahl von Schülerinnen und           direktion darüber befinden, welche der fünf Teilprojekte weiterverfolgt wer-
Schülern, die die minimalen Ziele nicht   den. Danach starten Pilotprojekte – frühestens ab Schuljahr 2014/15.
erreichen; anders ausgedrückt: 90 Pro-    Gearbeitet wird in folgenden Teilprojekten:
zent müssten den Sek-II-Abschluss         • Erhöhung der Lernzeit in Deutsch und Mathematik: Die Arbeitsgruppe
schaffen.                                 klärt ab, mit welchen Massnahmen die Schülerinnen und Schüler der Risiko-
Und die restlichen zehn Prozent?          gruppe vermehrt in Deutsch und Mathematik gefördert werden können.
Ich glaube, wir müssen uns damit ab-      Sie prüft individuelle Dispensationsmöglichkeiten von anderen Fächern und
finden, dass es einfach nicht mit al-      wie die Lernunterstützung optimiert werden kann.
len Schülerinnen und Schülern geht.       • Ausbau und Optimierung des DaZ-Unterrichts: Es werden Vorschläge
Es gibt eine kleine Gruppe, bei der       erarbeitet, wie der DaZ-Unterricht zukünftig aussehen soll. Sind die vorgege-
alle Anstrengungen der Schule nicht       benen DaZ-Lektionen ausreichend? Braucht es Anpassungen in den Lehr-
die erwünschte Wirkung zeigen – da        mitteln oder der Ausbildung der DaZ-Lehrpersonen? Benötigen auch die
nützt es auch nichts, wenn die Lehr-      Klassenlehrpersonen zusätzliche Unterstützung?
personen den Kopfstand machen oder        • Einsatz von Schul- und Klassenassistenzen (vgl. Schulblatt 2/12): Wie
noch so ausgeklügelte zusätzliche         sehen die Einsatzmöglichkeiten von Assistentinnen und Assistenten konkret
Massnahmen ergriffen werden. Eine         aus? Wie sollen Assistenzen eingeführt und wie finanziert werden? Welche
ganz wichtige Erkenntnis lautet: Wir      kantonalen Rahmenbedingungen sollen gelten?
können die so genannte Risikogruppe       • Unterstützung und Begleitung von Lernenden ausserhalb des Unterrichts
nicht verkleinern, indem wir nur Ver-     (vgl. Schulblatt 3/12): Wie haben sich bestehende Angebote bewährt? Welche
änderungen auf der Sekstufe ins Auge      Resultate erzielen sie? Sollen neue Angebote bereitgestellt werden?
fassen; wir müssen viel früher anset-     • Stärkung der Schulleitungen in der pädagogischen Führung: Welche
zen – eben zum Beispiel mit DaZ auf       Instrumente und Verfahren helfen den Schulleitungen und den Lehrpersonen,
der Unterstufe oder allgemein, indem      die Qualität des Unterrichts in Hinblick auf die Risikogruppe zu beurteilen?
man früh selbstständiges Lernen för-      Braucht es neue Tests? Wie sollen diese eingesetzt und wie die Resultate
dert, Stichwort: «frühe Förderung». !     verwendet werden? [red]

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