Interaktion zwischen Mensch und Roboter - Forschungsverbund HARMONIK - Campus-Magazin 1/2022 - BHT Berlin
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Campus-Magazin 1/2022 Interaktion zwischen Mensch und Roboter Forschungsverbund HARMONIK Insektenmonitoring mit KI Roboter gegen den Klimawandel Prototypen Mit KI die europäische Recycling- im Einsatz Industrie revolutionieren?
INHALT Editorial PROF. DR. WERNER ULLMANN Präsident der Berliner Hochschule für Technik BHT. 22 Studieren mit den Robotern Campus-Magazin 16 PEPPER und NAO 42 Insektenmonitoring Promotionsrecht für HAW mit künstlicher Intelligenz Liebe Leserinnen und Leser, herzlich willkommen zum Sommersemester 2022 an der Berliner Hochschule für Technik! In den Händen halten Sie die erste reguläre Ausgabe des Magazins seit der Umbenennung unserer Hoch- schule, jetzt unter dem Namen „BHT. Campus- Magazin“. Nach vier Semestern in der Corona-Pandemie hoffen wir im Sommersemester auf wieder viel mehr Leben auf unserem Campus und auf die Durchführung der Lehre in Präsenz. Digitale 8 Formate in der Lehre als auch in der Verwaltung 20 28 56 haben uns ermöglicht, unseren Betrieb während der Pandemie aufrecht zu erhalten – was jedoch schmerzlich gefehlt hat, war der Austausch und Interaktion zwischen Mensch und Roboter Kann KI das Recycling Labor für Elektro-, Mess- Merchandising das persönliche Miteinander. Auf die Rückkehr revolutionieren? und Regelungstechnik aller Lehrenden, Mitarbeitenden und vor allem der Studierenden freuen wir uns sehr. *Aktuell muss sich Europa aber geopolitischen, militärischen und humanitären Herausforderun- Wie sieht die Zukunft aus? Beuth im Bild 4 #hallobht 26 Fräsen, schweißen, feilen, sägen gen stellen, die alles andere nachrangig erschei- Wie werden Menschen und humanoide Roboter in Zukunft kommunizieren Kurz & Knapp 6 und mehr! 48 nen lassen – über den Angriffskrieg Russlands und zusammenarbeiten? Und wie kann der Mensch auf die Interaktion mit Labor für Elektro-, Mess- gegen die Ukraine sind die Mitglieder der BHT einem neuartigem Robotersystem vorbereitet werden? TITELGESCHICHTE und Regelungstechnik 28 Rat für Zukunftsweisende bestürzt, wir verurteilen diese Aggression auf das Wenn Mensch und Roboter Entwicklung 49 Schärfste. Die BHT ist über Kooperationen mit in Interaktion treten Incoming wissenschaftlichen Einrichtungen in der Ukraine Einblicke in die Projekte der Berlin? Natürlich! 30 Studierendenvertretung 50 und den dortigen Kolleg*innen und deren Fami- Forschungsgruppe HARMONIE 8 Outgoing lien verbunden, deren Sicherheit nun massiv Mexiko – Ansteckend gute Laune 31 Studierende fragen – bedroht ist. Wir setzen darauf, dass die Vernunft Die Idee ist, STUDIEREN & FORSCHEN Das Präsidium antwortet 52 siegen wird und die kriegerischen Handlungen dass wir Bür- Forschungsprojekt KInsecta MENSCHEN Foto: Franziska Brandt, Martin Gasch, Illustration: Stefan Müller umgehend eingestellt werden – der Frieden in Insektenmonitoring mit KI 16 Vier von der Beuth 32 Sport 53 Europa muss wiederhergestellt werden. Auch ger*innen einbin- Fotos: Karsten Flögel, Martin Gasch, Ilona Buchem, photka Neuberufene 34 wenn die politischen Entwicklungen und das den, die sowohl KI-Roboter gegen den Klimawandel Alumni 40 Campus-Umfrage 54 Bewältigen der Herausforderungen uns derzeit Revolution der Recycling-Industrie? 20 Dekan*innen und Prodekan*innen 41 erheblich in Anspruch nehmen, so möchte ich mitforschen, als Merchandising 56 Ihnen dennoch einen erfolgreichen Start in das auch in der Ent- Studieren mit den Robotern CAMPUS SERVICE vor uns liegende Semester wünschen. Bleiben Sie PEPPER und NAO 22 Berliner Hochschulgesetz guten Mutes und voller Hoffnung! wicklung dabei Promotionsrecht für HAW 42 Druckfrisch 58 Anregungen oder Kritik zur aktuellen Ausgabe sind“ Die Held*innen der Lieferkette 23 Podcasts 59 unseres Magazins können Sie gern an magazin@ Berliner HAW: Expertentipps 59 bht-berlin.de richten. PROF. DR. INGEBORG Exkursion erfolgreich, aber arm 44 Termine 60 BECKERS, Weltreise trotz Corona 24 Kolumne 62 Ihr Professorin für Medizinphysik Solidarität mit der Ukraine 45 Denksport, Impressum 63 Der Studiengang Werner Ullmann MEHR DAZU AUF SEITE 16 IT-Sicherheit Online 25 Ausgezeichnet 47 *Drucktermin war am 17.3.2022. Wir hoffen, dass es zeitnah ein rasches Kriegsende geben wird
4 | BHT IM BILD BHT IM BILD | 5 Die BHT-WAL(L) Bunte Botschaften: Die Berliner Hoch- schule für Technik (BHT) hat ein neues und vielfältiges Corporate Design und auch der Campus ist in Bewegung! Ein neues Gebäude entsteht, die Wedding Advanced Laboratories (WAL) – ab 2024 ziehen dort die nasschemischen Labore ein. Der 400 Meter lange Bau- zaun, die „BHT-WAL(L)“, lädt jetzt entlang der Luxemburger Straße und dem Campusweg zum Verweilen ein. Studierende der Druck- und Medien- technik gestalteten unter der Leitung von Prof. Dr. Franziska Loh farben- frohe und teils interaktive Banner mit Botschaften für die „Welt“. Die WAL(L) – die Mauer – steht als Fenster für transparente Kommunikation, für den Wandel der Hochschule und für einen Fotos: Franziska Brandt zukunftsorientierten und offenen Ort für Wissenschaft und Lehre. Ent- standen sind großflächige Banner, die informieren, aufklären, inspirieren und zur Kommunikation einladen. www.bht-berlin.de/bht-wall
6 | KURZ & KNAPP KURZ & KNAPP | 7 Prof. Petra Kahlfeldt ist Bücher-Tausch Senatsbaudirektorin Bücher-Sharing is Caring – Im Bücher- Die Architektin Petra Kahlfeldt ist seit regal an der BHT-WAL(L), dem bunt 2010 Professorin für Baukonstruktion gestalteten Bauzaun der Wedding im Bestand am Fachbereich IV der BHT. Advanced Laboratories (WAL), gibt es Am 21.12.2021 wurde sie neue Berliner eine Tauschbörse für Bücher. Lieb- Senatsbaudirektorin und Nachfolgerin lings(fach)bücher können geteilt und von Regula Lüscher. Lieblingstitel auf den dargestellten Buchrücken notiert werden. Mixed-Reality-Technologie bei Stadtplanungsprozessen mit INSPIRER Architektur-Fotografien von Jean Molitor in Haus Grashof Transparente Stadtplanung Fotografien von Jean Molitor Petra Kahlfeldt studierte Architektur an Die Forscher*innen des Projektes INSPIRER Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) mit Bauhaus-Ausstellung an der BHT verlängert der Technischen Universität in Berlin – „Partizipation in Stadtplanungsprozessen insgesamt acht Partnern im Zeitraum von Ein Bienenhabitat über und in Florenz. Ab 1987 arbeitete sie als in virtuellen und realen Räumen" wollen August 2021 bis Juni 2024 mit einer Summe Aufgrund der guten Resonanz sind die Details, führt zu einer Vergleichbarkeit der Architektin. Seit 2004 ist Petra Kahl- Stadtplanungsentwürfe realitätsnäher von 1,8 Millionen Euro. Im Fokus des BHT- Fotografien des Berliner Architekturfoto- Bauten, die sonst kaum zu leisten ist. Die den Dächern der BHT feldt Professorin, seit 2010 an der BHT gestalten und räumlich erfahrbar machen. Teilprojektes, das Prof. Dr. Margitta Pries grafs Jean Molitor noch bis zur Langen große „Patchworkfamilie“ von Häusern berufen. Sie lehrte in den Bereichen Dafür setzen Sie Mixed-Reality-Techno- und Prof. Dr. Ute Wagner vom Fachbereich Nacht der Wissenschaften am 2. Juli 2022 und Architekt*innen der Moderne verdeut- Historische Baukonstruktion, Denk- logie ein: Mithilfe von intuitiven, virtuel- II leiten, steht die Erstellung einer Virtual- im Foyer Haus Grashof der BHT zu sehen. licht, dass der Gedanke einer globalen Welt malpflege und Entwurf und war Leite- len Anwendungen können Bürger*innen Reality-App und eines Stadtmodell- und Die Ausstellung „Die Moderne in Berlin, bereits in den 1920er Jahren präsent war rin des Labors für Baugeschichte und so künftig Kritik oder Vorschläge zu Bau- Planungsservers. Die VR-App soll eine Visu- Ankara und der Welt“ zeigt in Fotografien und dass sich von damals bis heute archi- Bauerhaltung. Von 2000 bis 2014 war vorhaben äußern. alisierung städtebaulicher Entwürfe sowohl nicht nur das bauliche Erbe der beiden tektonische Stile auch über Ländergrenzen Kahlfeldt Mitglied des Landesdenkmal- Im Fokus steht die Frage, welche Tech- im virtuellen Raum als auch auf einem Hauptstädte, sondern auch kulturelle Ver- hinweg beeinflussen. So wie die Architektur rats der Stadt Berlin. Sie gehörte u.a. den nologien für die Einbindung der unter- Monitor unterstützen. So können auch Nut- bindungen auf. Interessierte können den ein internationales Phänomen ist, so ist die Kommissionen zum Bau des Berliner schiedlichen Nutzer*innengruppen beson- zer*innen ohne passende Hardware-Aus- Fotografen auf seiner Spurensuche nach Fotografie ein Grenzen überschreitendes Humboldtforums, zum Wiederaufbau ders geeignet sind. Dabei werden ethische, stattung die Anwendung nutzen – und zwar der architektonischen Moderne von Berlin Medium. Die Sprache der Bilder ist ohne der Altstadt Dom Römer in Frankfurt rechtliche und soziale Aspekte betrachtet. unabhängig von der Tageszeit oder vom nach Ankara begleiten. Seine Bildsprache Übersetzer zu verstehen, sie erklärt sich am Main und auch zur Potsdamer Mitte Das Bundesministerium für Bildung und Aufenthaltsort. positioniert sich mittlerweile als ein festes überall auf der Erde. am Alten Markt an. Forschung (BMBF) unterstützt das Projekt https://interaktive-technologien.de/ Markenzeichen. Die Konzentration auf den Die Ausstellung ist in der Luxemburger unter Federführung der Hochschule für projekte/inspirer Baukörper oder die gesamte Fassade, und Straße 10 während der Öffnungszeiten des HIIVE ist ein artgerechter Bienenkorb, nicht wie oft in der Architekturfotografie, Hauses Grashof zu sehen, ein Faltblatt führt der aus nachhaltigen Rohstoffen her- auf vergleichsweise leicht abzubildende durch die Ausstellung. gestellt wird und das natürliche Mik- KI-App mit Herz roklima einer Baumhöhle repliziert. kommt aus der BHT Neue Kita eröffnet Fabian Wischmann, Philip Potthast und Anders Svendsen, die Gründer des Pro- 5 Eine KI-basierte Smartphone-App soll DIE ZAHL jektes, testen auf dem Dach des Hauses herzkranke Patient*innen im Alltag Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit wurde im Bauwesen der Beuth Hochschule seit unterstützen und Leben retten. September die neue Kindertagesstätte auf Fotos: Klaus Hoffmann, Monika Jansen, Karsten Flögel, HIIVE August 2021 vier Prototypen ihres selbst BHT-Professor Dragan Macos (FB VI) dem Campus der BHT offiziell eröffnet. Die entwickelten Bienenstocks. Fotos: INSPIRER, Karsten Flögel, Sebastian Gabsch entwickelte die App im Rahmen des drei unteren Etagen bieten Platz für 130 Ziel des Projektes ist es, einen natür- Projektes „MobiDig“, das im Januar Kinder, in zwei weiteren oberen Etagen lichen und chemikalienfreien Weg der 2022 startete. Die Projektleitung hat erhielt die Hochschule 52 neue Arbeits- Haltung von Honigbienen zu ermögli- das Deutsche Herzzentrum Berlin plätze in Gruppenbüros. Die neue Kinder- chen, also eine Art „bedienbare Baum- (DHZB). Die App soll Patient*innen tagesstätte auf dem Campus bietet haupt- höhle“ zu erschaffen, wie Wischmann durch einen integrierten Schrittzähler, sächlich Plätze für die Kinder von betont. einen Ratgeber sowie Herzsportvideos Studierenden und Hochschulbeschäftigten, Die BHT ist der offizielle Partner von Impfaktionen zu mehr Bewegung animieren. 50 aber auch Kinder aus der Umgebung kön- fanden im Januar/Februar in fünf auf- HIIVE für das EXIST-Gründerstipen- ausgewählte Herzinsuffizienz-Pati- nen hier betreut werden. Betreiber ist das einanderfolgenden Wochen auf dium, das innovative Unternehmens- ent*innen werden die Anwendung in studierendenWERK BERLIN, das an insge- dem Campus statt. (#BHTIMPFT) gründungen aus Hochschulen und einer Pilotstudie drei Monate lang samt sieben Hochschulen Berlins Kinder- 2237 (!) Impfungen wurden von Aino außeruniversitären Forschungsein- Betriebsmedizin durchgeführt und testen. tagesstätten hat. richtungen fördert. vom Krisenstab organisiert. https://www.dhzb.de www.bht-berlin.de/kita https://www.hiive.eu/
HARMONIK – TITELGESCHICHTE | 9 I m digitalen Zeitalter wachsen die reale und die virtuelle Welt zusammen und bilden ein Netzwerk, das völlig neue Möglichkeiten der Produktion und Kommunikation schafft und die Arbeitswelt, den Konsum und das Zusam- menleben grundlegend verändert. Schon heute sind Künstliche Intelligenz (KI) und technische Assistenzsysteme aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und viele digitale Schnittstellen unterstützen uns bereits täglich. Die Humanoide Robotik forscht unter anderem auf der Grundlage der Bionik an technischen Assistenzsystemen, um bei- spielsweise Exoskelette (Unterstützungs- systeme) für den Menschen zu entwickeln oder um bei körperlich schweren oder monotonen Tätigkeiten zu entlasten. Assistenzsysteme Doch Robotersysteme werden heute nicht mehr nur als dienstleistende Helfer ver- standen, sondern der Mensch lernt auch zunehmend von menschzentrierten Robo- tersystemen und wird bei Lernprozessen unterstützt: So können robotische Assis- tenzsysteme die ergonomische Körperhal- tung bei Handlungsabläufen verbessern. Bionik als Grundlage humanoider Robotik: CT visualisiert biologische Funktionsprinzipien Auch werden sie in Therapien eingesetzt oder fördern die kommunikativen, emo- fessor am Fachbereich VII der BHT, steht entwickeln, um zukunftsfähige Beiträge zur tionalen und kreativen Kompetenzen von die Untersuchung einer menschzentrier- Lösung dieser gesellschaftlichen Heraus- Demenzerkrankten oder autistischen Kin- ten, selbst bestimmten sowie zuverlässigen forderung zu erarbeiten. dern. Umgekehrt können auch Roboter- und informationssicheren Interaktion zwi- Im transdisziplinären Forschungs- systeme den Menschen „verstehen lernen“, schen Mensch und neuartigen humanoiden verbund HARMONIK arbeiten 15 Profes- indem sie beispielsweise über kinemati- Roboter-Assistenzsystemen. Es geht um sor*innen aus fünf der insgesamt acht sche Modellgleichungen des menschlichen die Zukunftsfrage, wie sich der Mensch im Fachbereiche (FB) an der BHT zusammen: Bewegungsapparates dessen Laufdynamik Spannungsfeld zwischen realer und virtu- Eingebunden sind Wissenschaftler*innen imitieren oder über Emotionserkennung aus den Bereichen Psychologie, Kommuni- und Nachahmung sich dem menschli- kations- und Medienwissenschaften sowie chen Verhalten annähern und damit eine Wirtschafts- und Gesellschaftswissen- menschzentrierte Interaktion ermöglichen. Dabei wird der Umgang mit der Technik HARMONIK: schaften (FB I), Mathematik und (Medizin-) Physik (FB II), Informatik, insbesondere in rasanter Geschwindigkeit intuitiver und 15 Medieninformatik und Data Science (FB Wenn Mensch und Roboter sicherer. Die Bedienbarkeit wird den Nut- VI), Ingenieurwissenschaften, insbesondere zerwünschen angepasst und muss unab- Elektrotechnik und Robotik (FB VII) und hängig von Alter, Geschlecht und kulturel- BHT-Lehrende des Maschinenbaus, insbesondere Konst- lem Hintergrund funktionieren. forschen ruktion und Produktion (FB VIII). in Interaktion treten Sie werden unterstützt durch mehr als Zukunftsfrage interdisziplinär 20 wissenschaftliche Mitarbeitende, die in Aber es geht in der Forschung nicht nur den Forschungsprojekten zum größten Teil um die Verbesserung der technischen kooperativ promovieren. Durch die par- Interaktion in vielen Anpassungsschrit- eller Welt und im Zusammenspiel mit der allele und intensive Einbindung der For- Wie werden Menschen und humanoide Roboter in Zukunft kommunizieren und zu- ten. Es entstehen neuartige soziale For- unterstützenden Technik möglichst selbst- schungslabore in Lehrveranstaltungen, ein sammenarbeiten? Und wie kann der Mensch auf die Interaktion mit einem neuartigem men, in denen der Unterschied zwischen verständlich und konfliktfrei bewegen wird. Markenzeichen der BHT, profitiert außer- Mensch und Technik eine andere Relevanz Der Forschungsverbund besteht aus Wis- dem die Lehre: So können auf der Grund- Robotersystem vorbereitet werden? Dieser Frage geht der Forschungsverbund „Huma- bekommt. Die Gesellschaft hat jetzt die senschaftlerinnen und Wissenschaftlern lage der laufenden Forschung Studienin- Fotos: Martin Gasch noide Robotik und Mensch-Technik-Interaktion“ (HARMONIK) an der BHT nach Chance, diese weitreichenden Verände- verschiedener Disziplinen, die ihr jewei- halte auf dem aktuellsten Stand der Technik rungen zielgerichtet mitzugestalten. Hier liges Fachwissen, ihre Kompetenzen und vermittelt werden. Die Verbundprojekte setzt die Arbeit des Forschungsverbundes ihre Forschungsprojekte in das komplexe, werden jeweils durch Forschungsförderun- TEXT: DR. MARGRET BECKER HARMONIK an: Im Fokus des Verbundes gemeinsame Verbundthema einbringen gen des Bundes, des Landes, der EU oder INTERVIEW: ERNESTINE VON DER OSTEN-SACKEN um Sprecher Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan, Pro- und im interdisziplinären Diskurs weiter- der Deutschen Forschungsgemeinschaft
10 | TITELGESCHICHTE – HARMONIK HARMONIK – TITELGESCHICHTE | 11 EPI und Bionik Soft-robotische Hände Nonverbale Kommunikation EPI steht für „Exoskelette nach dem Inspiriert von der Geschicktheit, Robust- Es werden Möglichkeiten nonverbaler Prinzip elastischer Insektenlokomo- heit und Vielseitigkeit der menschlichen Kommunikation in Form von Geräuschen tion“. Mit der Methode Bionik wird der Hand, wird im Soft Interactive Robotics (z.B. Lachen, Jubeln, Stöhnen, Jammern, Mechanismus des Heuschreckensprungs Laboratory (SIRo-Lab) die Entwicklung Klatschen, Stampfen) als Ergänzung zur untersucht und auf das zugrundeliegende komplexer mechatronischer Systeme am rein sprachgesteuerten Mensch-Robo- Wirkprinzip extrahiert. Dieses wird in die Beispiel von Roboterhänden erforscht ter-Kommunikation untersucht. Für Technik übertragen und auf ein Unter- und gelehrt. Untersucht werden die Lehr- und Pflegeszenarien mit Roboter- stützungssystem in Form eines Exoske- grundlegenden Prinzipien, die den unterstützung werden die technischen lettes für den menschlichen Gehapparat erstaunlichen Fähigkeiten der mensch- Voraussetzungen zur Geräuscherkennung angepasst. Je besser sich das Unterstüt- lichen Hand zugrunde liegen und wie sich geschaffen und an Robotern erprobt. Mit zungssystem an den Nutzer anpasst, ihn diese auf künstliche Systeme übertragen der Entwicklung sollen Roboter auch nicht einschränkt, sondern führt und lassen, zum Beispiel im Forschungspro- andere Ereignisse akustisch wahrnehmen, Forschungen am humanoiden Roboter „Digit“ unterstützt, desto größer ist die spätere jekt zur „Identifikation und Analyse von z. B. herunterfallende Gegenstände bei Akzeptanz. Prinzipien der Geschicklichkeit“ für soft- Patient*innen in häuslicher Pflege. (DFG) finanziert. Beteiligt sind fast immer lität, Kontrolle und die adaptiv und iterativ zen entwickeln sowie eigene Tätigkeiten robotische Hände. auch Praxispartner, zum Beispiel aus dem lernende Regelung des technischen Systems anpassen. LEITUNG: Prof. Dr. Ivo Boblan, LEITUNG: Prof. Dr. André Jakob, Gesundheitsbereich oder der Industrie, und des Metasystems Roboter-Mensch auf Viele neue Fragen ergeben sich vor allem Prof. Dr. Astrid Haibel LEITUNG: Prof. Dr. Hannes Höppner Prof. Dr. Ilona Buchem die großes Interesse an der Umsetzung der Basis biomechanischer Modelle. aus der Nutzung der Robotersysteme, was entwickelten Innovationen und Prototypen die Forschung vorantreibt: Die Forschungs- haben – was die gesellschaftliche Relevanz Technisches Eigenverhalten projekte werden oftmals in enger Koopera- des Themas unterstreicht. Im Schwerpunkt „Technisches Eigenverhal- tion mit Partnern aus unterschiedlichsten Für eine verbesserte Integration und ten“ wird unter anderem an Themen rund Kontexten entwickelt. Anwendungsfelder Akzeptanz humanoider Roboter im Alltag um die Bewegung und Bewegungsabläufe, sind unter anderem Industrie 4.0, Gesund- und der Arbeitswelt wird an unterschied- an der Interaktion mit der Umgebung, Kog- heitswesen und Rehabilitation, Bildung und lichsten Teilaspekten geforscht. Vier the- nition mit Wahrnehmung, Erkennung und Lebenslanges Lernen sowie der Kontext des matische Schwerpunkte des Verbundes Vorhersage, VR/AR, optisch-akustisch-hap- häuslichen Lebens. Bis eine Mensch-Tech- zur Weiterentwicklung der Humanoiden tischer Muster- und Situationserkennung, nik-Interaktion reibungslos funktioniert, Robotik und Mensch-Technik-Interaktion Künstlicher Intelligenz, Entscheidungsfin- sind häufig viele Entwicklungsschritte und Fotos: Y. Hahnemann, Martin Gasch, Rezaul Tutul, Malte Weingart, Kristian Hildebrand stehen miteinander in Wechselwirkung: dung und an der Kollaboration sowie dem Anpassungen notwendig. Lernen im Austausch mit anderen huma- Körperliche Intelligenz noiden Robotern und Menschen geforscht. Human.VR.Lab VR-REACH BewARe Im Schwerpunkt „Körperliche Intelli- Das fachübergreifende Institut verknüpft Das Projekt “Virtual Reality to REduce Ziel des Projektes BewARe ist die Ent- genz“ geht es um alle Themen rund um Soziales Metaverhalten ZENTRUM FÜR FORSCHUNG die verschiedenen Schwerpunkte der Anxiety in Childhood” nutzt das fach- wicklung eines sensorunterstützten die Materialität von Robotern, zum Bei- Der Schwerpunkt „Soziales Metaverhalten“ UND INNOVATION beteiligten Disziplinen im Spannungsfeld übergreifende Human.VR.Lab und Bewegungs- und Beweglichkeitstrainings spiel um Konstruktion und Dynamik, Aus- steht für übergeordnete Themen rund um Die Forschungsverbünde werden vom zwischen Mensch, Roboter und VR/KI. erforscht in Kooperation mit Psycho- für Senior*innen mit Hypertonie auf Basis wahl geeigneter Materialien (3D-druckbare die Prozesse der Entwicklung und Nutzung Zentrum für Forschung und Innovation Hier werden die Mensch-Technik-Inter- log*innen der Charité neue Therapieme- eines intelligenten Augmented Reality Werkstoffe), Leichtbau, die Herstellbarkeit von humanoiden Robotern. Hier stehen (ZFI) unterstützt. Forschung und Entwick- aktionen mit Fokus auf die Schnittstellen thoden zur Bewältigung von Schulangst, Systems. Dabei werden verschiedene, lung an der BHT werden gefördert und in Bezug auf Kosten und Zeit, die mecha- ethische, rechtliche und soziale Implika- untersucht. Die Forschungsverbünde indem Kinder und Erwachsene als Teil durch AR technisch unterstützte Übungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs nische Robustheit, passive Nachgiebigkeit tionen sowie Fragen der gesellschaftlichen Angebote zur Vernetzung und über- HARMONIK und Data Science +X nutzen einer Pilotstudie speziell entwickelte aus den Trainingskomponenten Aus- und technische Zuverlässigkeit sowie das Verantwortung im Mittelpunkt. Damit Men- fachlichen Qualifizierung im Rahmen bereits die technischen Möglichkeiten VR-Anwendungen nutzen. Spezielle dauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordina- menschliche Design und die Nutzbarkeit. schen mit humanoiden Robotern sicher, der kooperativen Promotion angeboten. dieser interaktiven Forschungsplattform, Szenarien werden entwickelt, um zu tion zur Verfügung gestellt und individu- kompetent und selbstverantwortlich inter- Mit der Gründung themenfokussierter z.B. für Projekte mit dem humanoiden untersuchen, in wieweit sich psychische elle Belastungsnormative berücksichtigt. Schnittstellen-Verarbeitung agieren können, müssen nicht nur Roboter Forschungsverbünde unter dem Dach Roboter Digit. Belastungen mit VR und durch Mensch- des ZFI wird das Forschungsprofil der LEITUNG: Prof. Dr. Hildebrand, Der Schwerpunkt „Schnittstellen-Verarbei- nach Kriterien einer menschengerechten Hochschule geschärft. Gleichzeitig ist Technik-Interaktion effektiv behandeln PROJEKTBETEILIGTE: Prof. Dr. Kristian Hil- Prof. Dr. Villwock, Prof. Dr. Buchem Foto: Martin Gasch tung“ steht für alle Themen rund um die Gestaltung (zum Beispiel kontextsensiti- das ZFI ein zentraler Baustein des Ent- lassen. Sensorik (Fühlen, Sehen, Hören), Signal- ves Verhalten, soziale Wirkmechanismen) wicklungskonzeptes zur Umsetzung der debrand (PL), Prof. Dr. Ivo Boblan, Prof. Dr. und Bildverarbeitung, Datenaustausch, konstruiert werden, sondern müssen auch Hochschulverträge mit dem Land Berlin. Joachim Villwock, Prof. Dr. Peter Tröger, LEITUNG: Datenhaltung und -reduktion, Aktorik, die Menschen selbst auf diese Interaktion www.bht-berlin.de/zfi Prof. Dr. Alexander Löser, Prof. Dr. Steffen Prof. Dr. Hildebrand Weitere Informationen zu allen Projekten: Roboter-Betriebssysteme sowie für Stabi- vorbereitet werden und neue Kompeten- Prowe, Prof. Dr. Simone Reber https://projekt.bht-berlin.de/harmonik/forschung
12 | TITELGESCHICHTE – HARMONIK HARMONIK – TITELGESCHICHTE | 13 Robotik in Seniorenwohnanlagen ePA-Coach Vitalab.mobile WINK – mobile Gestensteuerung Servo-aktiver Balancer Exoskelett _ Hebeunterstützung Humanoide Roboter werden zunehmend Wichtige Voraussetzungen für die gesell- Zur Behandlung neurologischer Erkran- Es wird ein intelligentes Armband für Um störende Trägheitsmomente zu Ein interdisziplinäres Konsortium ent- in den häuslichen Bereich einziehen und schaftliche Teilhabe älterer Menschen im kungen werden mit medizinischen Part- die Mensch-Technik-Interaktion ent- überwinden, werden in Kooperation mit wickelt ein pneumatisches Exoskelett als damit unsere Gesellschaft nachhaltig ver- Zeitalter der Digitalisierung sind eine leis- nern in „Living Labs“ virtuelle Therapie- wickelt, das über integrierte Sensorik Praxispartnern schnell reagierende, mit Hebehilfe für körperlich belastende und ändern. Das Projekt Robotik in Senioren- tungsfähige digitale Infrastruktur sowie formen entwickelt und in Feldstudien auf Finger- und Handbewegungen erkennt Sensoren ausgestattete Servo-Balancer monotone Tätigkeiten. Der Kraftaufwand wohnanlagen (RoSen) beschäftigt sich die digitale Souveränität im Umgang mit ihre Effektivität überprüft. Das mobile und eine robuste, intuitive und mobile zum Heben und Bewegen von Lasten ent- wird verringert und verteilt: Bewegungen mit dem Einsatz humanoider Roboter in Technologien und Daten. Ziel des Projekts „Vitalab“ soll die Teilnahme an VR-Stu- Gestensteuerung realisiert. Hierfür wird wickelt. Der Servo-Mechanismus reagiert beim Heben von leichteren Lasten werden Senior*innen-Wohnanlagen einer Berliner ePA-Coach ist die Entwicklung einer dien vor Ort ermöglichen: Bewegungs- durch innovative Nutzung von Sensorik bei leichter Berührung des Bedieners mittels pneumatischer Muskeln mit einer Wohnungsbaugenossenschaft. Ziel ist die coachingbasierten, interaktiven Lern- eingeschränkte Personen, Reha-Zentren, eine neuartige Bewegungserfassung mög- sofort und verfährt die Last, solange Entlastung von fünf bis zehn Kilogramm Identifikation von Wünschen und Bedürf- plattform, die ältere Menschen zur kom- Spezialkliniken werden direkt angefahren lich und durch Aktuatoren haptisches durch die Berührung eine Richtung vor- unterstützt. Eine solche nach dem Prinzip nissen der Bewohner*innen sowie die petenten und selbstbestimmten Nutzung und profitieren von neuartigen Therapie- Feedback als Guidance für die Gestenaus- gegeben wird. Die BHT entwickelt die der Servolenkung funktionierende Hand- Analyse der Umsetzbarkeit. Ausgewählte ihrer Gesundheitsdaten befähigen soll formen. Unterschiedlichste Orte kön- führung bereitgestellt. Mit modernsten Algorithmen zur Steuerung, Kontrolle habungshilfe soll körperlich arbeitende Anwendungen werden auf dem huma- – als Beitrag zur zwingend erforderlichen nen einbezogen werden, zum Beispiel Verfahren des maschinellen Lernens und und Regelung für die Bewegungsvor- Menschen unterstützen, Muskel- und noiden Roboter Myon implementiert und Kommunikations- und Kompetenzstrate- der Tierpark Berlin für eine Studie zum einem nutzerzentrierten Entwicklungs- gabe, die Lastkompensation und den Skeletterkrankungen vorbeugen, zudem in der Interaktion mit den Senior*innen gie in der Mensch-Technik-Interaktion. räumlichen Gedächtnis. prozess wird dies in ein Gesamtsystem Servo-Betrieb sowie die Regelung auf den auch kognitiv entlasten und damit die beobachtet und ausgewertet. integriert und evaluiert. virtuellen Kanal. Arbeitsqualität erhöhen. LEITUNG: Prof. Dr. Kristian Hildebrand, LEITUNG: Prof. Dr. Manfred Hild LEITUNG: Prof. Dr. Ilona Buchem Prof. Dr. Joachim Villwock u.a. LEITUNG: Prof. Dr. Katrin Wolf LEITUNG: Prof. Dr. Ivo Boblan LEITUNG: Prof. Dr. Ivo Boblan Fotos: Forschungslabor Neurorobotik, Pixabay, Joachim Villwock, iStock.com/Cecilie Arcurs, Adobe Stock, Pixabay Care4Care Implement_dBGF Social Robotics (SoRo) Illusionary Surface Interfaces Schallinduzierte Kühlung Nanofokus-CT Der Pflegeberuf ist von hohen psychi- Die zunehmende Digitalisierung der Die Partnerschaft mit dem Holon Institute Das Projektteam arbeitet an der Genese Die notwendige Kühlung elektronischer Das CT der BHT eignet sich perfekt für Fotos: Pixabay, J. Zawatzki, Katrin Wolf, Yutao Lan, Martin Gasch schen und physischen Belastungen Arbeit und der Gesundheitsvorsorge wirft of Technology in Israel zielt darauf ab, multisensorischer Illusionen beim Berüh- Bauteile bedingt zusätzliche Masse, ein breites Spektrum von Werkstoff- und gekennzeichnet. Entwickelt wird ein die Frage auf, unter welchen Vorausset- die fachübergreifende Zusammenarbeit ren von Oberflächen intelligenter Objekte, vergrößertes Bauvolumen oder auch Bauteiluntersuchungen, wie zum Beispiel integratives, bedarfsgerechtes Programm zungen digitale Unterstützungsangebote im Forschungsfeld der „Social Robotics“ um damit den Gestaltungsspielraum der Lüftergeräusche und Bewegung. Das Energiespeicher, Leichtbau-Verbund- zur Gesundheitsförderung in der Pflege. tatsächlich wirksam sind und welchen in der Informatik, den Ingenieurwissen- Schnittstellen pervasiver Computer zu Forschungsprojekt „Schallinduzierte Küh- werkstoffe, metallische und keramische Dabei werden digitale Angebote mit Qualitätsanforderungen sie genügen schaften, Sozialwissenschaften, Kommu- erweitern. Statt das Design der Objekte zu lung mit Ultrasonic-Resonatoren“ verfolgt Sintermaterialien sowie biologische, persönlicher Unterstützung kombiniert. sollten. Das Verbundprojekt zielt darauf, nikationswissenschaften, der Psychologie ändern, werden mithilfe intelligenter Bril- ein vollkommen neues Lüftungskonzept bioinspirierte oder geologische Proben. Pflegekräfte und deren Führungskräfte die „Erfolgsfaktoren der Implementierung und den Rechtswissenschaften voran- len und Projektionen visuell multisenso- durch die Anregung mit Schallwellen. Die innere Materialverteilung, aber auch werden dabei unterstützt, gesundes digitaler Angebote in der betrieblichen zutreiben. Der gegenseitige Austausch rische Illusionen, zum Beispiel haptisches Diese neue Art der aktiven Wärmeab- biologische Strukturen und deren Funk- Arbeiten zu ermöglichen und die eigenen Gesundheitsförderung“ in Klein- und von Gastwissenschaftler*innen und Feedback, erzeugt. So können beispiels- fuhr kommt ohne mechanisch bewegte tionsprinzipien werden zerstörungsfrei gesundheitlichen Ressourcen zu stärken. Mittelbetrieben zu identifizieren und wissenschaftlichem Nachwuchs dient der weise glatte und harte Oberflächen von Bauteile aus, ist unhörbar, dadurch in 3D mit µm-Auflösung visualisiert und Erfahrungen aus dem Projekt fließen einen Beitrag zur Weiterentwicklung der gemeinsamen und multidisziplinären den Benutzer*innen als weich, uneben, benutzerfreundlich sowie sehr zuver- analysiert. Insbesondere die Entschlüsse- in die Verbundarbeit zur humanoiden erfolgreichen Mensch-Technik-Interak- Arbeit an gesellschaftlichen Herausforde- flexibel oder verformbar wahrgenommen lässig – entscheidende Vorteile, die auch lung von biologischen Funktionsprinzi- Robotik und Mensch-Technik-Interaktion tion zu leisten. rungen im Gesundheits- oder Bildungs- werden. die Weiterentwicklung der Humanoiden pien liefert auch für die Robotik wichtige im Gesundheitsbereich ein. bereich. Robotik für sich nutzen wird. Erkenntnisse. LEITUNG: Prof. Dr. Antje Ducki LEITUNG: Prof. Dr. Antje Ducki LEITUNG: Prof. Dr. Ilona Buchem LEITUNG: Prof. Dr. Katrin Wolf LEITUNG: Prof. Dr. Tobias Merkel LEITUNG: Prof. Dr. Astrid Haibel
14 | TITELGESCHICHTE – HARMONIK HARMONIK – TITELGESCHICHTE | 15 Kommunikation wie ungeklärt und können beziehungsweise müssen sogar von den Menschen, die mit Ihnen umgehen wollen, beantwortet werden. ändern, ohne sie immer wieder neu kosten- und zeitintensiv entwickeln zu müssen. Das machen wir mittels VR/AR, indem wir – wie bereits erwähnt zwischen Mensch – die Unzulänglichkeiten der Roboter mit virtuel- Im Human.VR.Lab der BHT testen Sie Roboter len Erweiterungen, wie zum Beispiel einem Kopf mittels VR/AR und KI in unterschiedlichen An- oder filigranen Händen, überblenden und diese und Roboter wendungsbereichen. Welche sind das? vermischte reale und virtuelle Welt in der Mensch- Unser Human.VR.Lab ist ein sehr gut ausgestattetes Roboter-Interaktion testen. Das alles mache ich Labor, in dem wir Bewegungsanalysen durchführen alles natürlich nicht allein, sondern in enger können. Das heißt, wir kleben Marker auf die Gelenke Kooperation mit meinen Kollegen Prof. Dr. Hilde- INTERVIEW: ERNESTINE VON DER OSTEN-SACKEN von Menschen, um ihre Gelenkbewegungen nach- brand, Prof. Dr. Villwock und Prof. Dr. Höppner. zuverfolgen. Diese Bewegungsmuster übertragen wir 15 Lehrende aus den Gesellschaftswissenschaf- dann auf Roboter. So versuchen wir etwa, unseren ten, den Lebenswissenschaften, der Informatik, Ob beim Putzen, in der industriellen Fer- den eigenen Wünschen und Vorstellun- Roboter Digit „menschlicher“ laufen zu lassen. Per der Robotik und dem Maschinenbau arbeiten im tigung, im Service oder in der Pflege – gen steuern und bewegen. Das ist auch virtueller und erweiterter Realität (VR/AR) können Rahmen des Verbunds zusammen. Data Science +X Roboter werden zum Teil unseres Alltags. für Studierende sehr einfach und schnell wir ihm außerdem weitere menschliche Merkmale und HARMONIK forschen und lehren im Human. Dr.-Ing. Ivo Boblan erforscht mit seinem zu erlernen. Bei uns am Studiengang überblenden. Auf diese Weise können wir den Grad VR.Lab eng verzahnt, um Technik näher an den Team am Human VR-Lab, wie Mensch und Humanoide Robotik arbeiten Studierende der Akzeptanz testen, ohne den gesamten Roboter Menschen zu bringen. Ein weiteres Ziel von HAR- Technik künftig besser miteinander inter- bereits ab dem zweiten Semester zusam- tatsächlich bauen zu müssen. Das ist deutlich schnel- MONIK ist es, das Human.VR.Lab zu verstetigen. agieren können und er ist auch Brain City- men mit Doktorand*innen an einem ler und billiger. Wir werden am Human VR-Lab auch Um einen Ort zu schaffen, an dem sämtliche Player Botschafter. Ein Fokus seiner Arbeit: Dass robotischen Thema. mit Techniksoziolog*innen zusammenarbeiten, um hochschulübergreifend an menschzentrierter die Menschen ihre technischen Helfer*in- die Roboter der Zukunft in den Antrie- besser zu verstehen, was die Freude im Umgang mit Technik forschen und lehren können. Ein großer nen auch akzeptieren. Roboter nehmen zunehmend Einzug ben und Gliedmaßen weicher machen. Robotern erhöhen kann. Vorteil von Berlin ist ja: Hier kann man Dinge in unseren Alltag: Wo liegen die Her- Seit längerer Zeit gibt es auf dem Markt schnell umsetzen, weil wir nicht entlang alter Leit- Herr Prof. Dr. Boblan. Was fasziniert ausforderungen in der Entwicklung? nachgiebige Druckluftantriebe, wie zum Im Projekt „EPI“ hingegen befassen Sie sich mit planken denken. Und weil es hier viele Menschen Sie an der Robotik? Monotone Tätigkeiten stundenlang aus- Beispiel fluidische Muskeln. Diese sind Exoskeletten – also mit äußeren Stützstruktu- gibt, die neue Ideen und Tools weiterentwickeln. IVO BOBLAN: Ich bin mit Automaten zuführen, ist für uns Menschen weder inhärent nachgiebig und können, wenn ren für den Menschen, richtig? aufgewachsen. Mit Technik, die sich angenehm noch gesund. Roboter hin- man Sie paarig verschaltet, als men- Ja genau. In dem vom IFAF Berlin geförderten Projekt, Wie werden Mensch und Roboter in Zukunft bewegt. Bereits während meiner Schulzeit gegen können das sehr gut. Industrie- schenähnliche Gelenke in Robotersys- das aktuell noch in der Verlängerung läuft, haben miteinander kommunizieren? Zur Person habe ich gelötet und mechanische Dinge Roboter schweißen oder lackieren bei- temen weiche Bewegungen erzeugen. In wir zusammen mit der Hochschule für Technik und Es wird immer einen Unterschied geben zwischen Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan zusammengeschraubt. Ich war fest ent- spielsweise in der Automobilindustrie seit naher Zukunft werden Roboter so günstig Wirtschaft (HTW Berlin) und mehreren Industriepart- der Sensorik der Technik und der des Menschen. wurde 2016 an die BHT schlossen, Robotik zu studieren. Damals Jahren sehr zuverlässig und genau. Die sein, dass fast jede*r sie sich leisten kann. nern zwei passive Exoskelette nach dem Vorbild des Wir haben unsere klassischen fünf Sinne; die Tech- berufen. Er ist Leiter des Forschungslabors hieß das noch Automatisierungstech- Herausforderung liegt jetzt darin, Robo- Die Frage ist: Werden wir sie auch akzep- Heuschreckensprungs entwickelt. Diese sollen den nik hat Kamera, Lautsprecher und Mikrofon. Idea- Pneumatische Robo- nik. Die Roboter, mit denen ich während tersysteme so weiterzuentwickeln, dass tieren? Das wird nur geschehen, wenn Menschen mechanisch dabei unterstützen, schwere lerweise werden wir mit der Technik sprechen, weil tik und Softrobotik. Im meines Studiums an der TU Dresden, sie den Menschen auch im Alltag, also wir sie so menschenähnlich wie möglich Gegenstände zu heben und zu transportieren. Es geht das am einfachsten ist. Was uns aber emotional Studiengang Humanoide und später dann an der TU Berlin, zu im Haushalt oder in der Pflege, entlasten. machen. Und damit meine ich nicht, dass uns dabei nicht darum, den Menschen mit Super- ausmacht, ist vor allem das Fühlen und Gefühlt Robotik lehrt er Elektro- sie „humanoid“ aussehen – also Haut, mechanische Grundlagen, tun hatte, waren noch sehr rudimentär Indem sie etwa Physiotherapeut*innen man-Fähigkeiten auszustatten. Vielmehr könnten werden. In Zukunft wird es sicherlich auch Tools Pneumatische Robotik in ihren Funktionen und sehr umständ- beim Heben und Tragen unterstützen. Haare und ein Gesicht haben, sondern Rückenleiden, Bandscheibenvorfällen, Knieprobleme geben, mit denen wir fühlen und so Nähe über die und Softrobotik sowie lich zu programmieren. Aber mir war – Oder indem sie älteren Menschen schwer dass sie sich „humanoid“ verhalten. und auch Ermüdungserscheinungen beim Arbeiten Distanz bringen können – beispielsweise in Video- Bionik und bionische Anfang der 1990er Jahre – schon klar: Das zu erreichende Gegenstände holen. Es unter hoher körperlicher Belastung reduziert oder konferenzen. Wir werden vermutlich auch über die Bewegungssysteme. ist die Zukunft. geht hier um körperlich belastende Der Roboter „Myon“ Ihres Kollegen Menschen mit Bewegungseinschränkungen mecha- Distanz riechen können. Das sind emotionale Ver- Nach dem Studium der Automatisierungstechnik Routine-Tätigkeiten. Ganz wichtig ist: Prof. Dr. Hild hat eine humanoide Ge- nisch unterstützt werden. Die entwickelten Exoske- bindungen, die wir Menschen brauchen. Wir arbei- und Robotik promovierte Was macht Roboter als Forschungs- Das Reden, Zuhören und andere soziale stalt. Steht das nicht im Widerspruch lette werden aktuell an realen Arbeitsplätzen getestet. ten daran, dass Roboter künftig mit sämtlichen er zum Thema Bionische gebiet so spannend? Interaktionen sollen weiterhin Menschen zu dem, was Sie eben gesagt haben? menschlichen Sinnen kommunizieren können. muskuläre Antriebe in Roboter können uns ganz viel abnehmen. übernehmen. Grundsätzlich stellt sich Ganz und gar nicht. Myon hat zwei Arme, Was ist die Zielsetzung des Forschungsver- humanoiden Robotern und leitete als Postdoc die von Sie sind ununterbrochen für uns im Ein- allerdings die Frage: Was wollen Men- zwei Beine und etwas, das man Kopf bunds „Humanoide Robotik und Mensch-Tech- ihm eingeworbene Nach- satz. Und sie arbeiten viel präziser als wir. schen in Zukunft noch tun – und welche nennen kann. Aber er ist klein, kann nik-Interaktion (HARMONIK)“ der BHT, dessen wuchsgruppe MTI-en- Die Technik ist heute natürlich viel aus- Tätigkeiten können besser Roboter über- wenig tragen, hat Elektromotoren in Sprecher Sie sind? BRAIN CITY BERLIN gAge – „Sozio-technische gereifter als in den 1990ern. Wir beschäf- nehmen. den Gelenken und seine Finger bewegen An der BHT haben wir Ende 2020 zwei Forschungs- Berlin ist ein spannender Wissenschaftsstand- Interaktion von Mensch ort. Wissenschaftler*innen aus aller Welt for- und Roboter im Kontext tigen uns nicht mehr nur mit Knick- sich nicht. Er ist auf den ersten Blick verbünde ins Leben gerufen: „Data Science +X“ schen an über 40 Hochschulen und mehr als des demographischen Arm- oder SCARA-Robotern. Das sind die Sie beschäftigen sich auch mit dem als Technik zu erkennen. Wenn ich von beschäftigt sich unter anderem mit Lernverfahren, Wandels”, bevor er seine 70 interdisziplinäre Einrichtungen. Sie alle typischen, in der Industrie verwendeten Thema „Soft Robotik“: Müssen sich humanoiden Robotern spreche, meine ich Data Mining und Data Quality. Mit „HARMONIK” schätzen die intensive Zusammenarbeit. BHT-Professur antrat. Gelenkarmroboter. Die Forschung geht die Roboter in ihrem Verhalten dem solche, die man aus der Entfernung für möchten wir anhand existierender Robotersysteme Auf der Webseite der Wissenschaftskampagne https://prof.bht-ber- inzwischen in Richtung menschenähn- Menschen anpassen? Menschen halten könnte. Wie der auf der die Mensch-Roboter-Interaktion optimieren. Das Brain City werden u. a. Wissenschaftler*innen lin.de/boblan liche Roboter. Sie haben Ellenbogen-, Damit Roboter künftig in unseren Alltag CES 2022 in Las Vegas vorgestellte AMECA passiert auf verschiedenen Ebenen. Einerseits unter- und ihre Projekte vorgestellt, darunter die BHT- Schulter-, Knie- und andere Gelenke Einzug nehmen können, müssen sie in AI ROBOT oder „Geminoid HI-1“. Wenn suchen wir aktuell, wie man intuitiv mit einem Robo- Professoren und Brain City-Botschafter Manfred Hild und Ivo Boblan. Dort gibt es auch eine – und damit auch mehr Freiheitsgrade ihren Bewegungen weich und nachgie- Roboter uns zu sehr ähneln, werden sie ter kommunizieren will, etwa um ihm mitzuteilen, Podcast-Serie: Prof. Dr. Hild beantwortet in einer Fotos: Martin Gasch in der Bewegung. Das Spannende daran big sein und sich unseren Eigenschaften uns unheimlich. Um von uns gruselfrei dass er doch bitte eine Kiste aufheben soll. Spricht Folge die Frage, wie wir in der Stadt der Zukunft ist: Man kann sie über frei verfügbare anpassen. Nur dann akzeptieren wir akzeptiert zu werden, muss ein Roboter man ihn an, steuert ihn mit einem Joystick oder leben werden. Auch die FH-Jubiläumskampa- Software (Open-Source) wie zum Beispiel sie; nur dann fühlen wir uns wohl mit nicht einmal einen Kopf haben. Ein Dis- schaut man ihn an und zeigt dabei gleichzeitig auf gne „50 Jahre – 50 Köpfe“ ist dort zu finden. auf „GitHub“ und in Hochsprachen wie ihnen. Die heutigen Industrieroboter play zur Ansprache könnte ausreichen. die Kiste? Andererseits wollen wir, um das Erlebnis https://braincity.berlin „Python“ programmieren und sie nach bewegen sich noch sehr steif. Wir müssen Alle diese Fragen sind aber noch so gut Interaktion zu verbessern, die Robotersysteme ver-
PROJEKTE – STUDIEREN & FORSCHEN | 17 Ü ber 33.000 heimische Insek- tenarten gibt es in Deutsch- land. Im Frühling beginnt an der Hochschule das Sommer- Insektenmonitoring mit semester und auf den Grün- flächen beginnt das große Tummeln. An jeder Ecke surrt, flattert und brummt es. Einige Insekten, wie Schmetterlinge, begrü- Künstlicher Intelligenz ßen wir gern, auf andere, wie Stechmücken, würden wir liebend gern verzichten. Dabei sind alle Insekten für unseren Lebens- raum wichtig und erhalten das ökologische Gleichgewicht – sie bestäuben Blüten, zer- Im Forschungsprojekt KInsecta werden mit Citizen Science neue Möglichkeiten getes- setzen abgestorbene Pflanzen oder dienen tet, um die Entwicklung der Insektenfauna zu verfolgen. Der Prototyp ist mit Beginn anderen Tieren als Futter. Durch großflächige landwirtschaftliche der wärmeren Temperaturen in zwei Bundesländern im Einsatz Nutzung und den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden wird der Lebensraum der KI-Modelle erkennen die anatomischen Regionen eines Insekts TEXT UND INTERVIEW: DOROTHEE GÜMPEL Insekten zunehmend zerstört – es fehlt an grünen Wiesen, Hecken und Grünstreifen, Monitoring neu gedacht einer Malaisefalle, die beim Insektenmo- in denen sie einen Schutzraum finden. Ihre Das interdisziplinäre Team von KInsecta nitoring standardmäßig eingesetzt wird. Nahrungsgrundlagen verschwinden. Nicht entwickelt gemeinsam mit Citizen Scien- Beim Verlassen der Falle müssen die Insek- nur das Artensterben ist weltweit im Gange, tists ein Multisensorsystem für die Klassi- ten ein Multisensorsystem passieren, wel- auch die Anzahl einzelner Insekten sinkt fikation von heimischen Insekten im Frei- ches funktional ähnlich der menschlichen drastisch. Laut Krefelder Studie, einer Lang- land, das auf Künstlicher Intelligenz (KI) Wahrnehmung aufgebaut ist: Unterschied- zeitstudie von ehrenamtlich arbeitenden basiert. Im Bereich Sensorik und KI arbeitet liche Sinnesorgane liefern Informationen, Insektenfreund*innen, hat die Insekten- an der BHT ein siebköpfiges Team unter der die zentral zusammengeführt und nach zahl in den letzten 30 Jahren um 75 Pro- Leitung von Prof. Dr. Ingeborg Beckers und Relevanz weiter verarbeitet werden. zent abgenommen. Um die Entwicklungen Prof. Dr. Frank Haußer vom Fachbereich II Im Multisensorsystem werden diverse im Auge zu behalten und die Biodiversität an den Schwerpunkten Sensorik und KI- optische, mechanische und akustische erhalten zu können, ist ein umfassendes Methoden. Signale erfasst und mithilfe einer KI eine Insektenmonitoring eine Voraussetzung. Die genaue Bestimmung einzelner Insek- Vorhersage der Insektenart gemacht. Die An diesem Punkt setzt „KInsecta“ an, ein ten ist sehr aufwändig und erfolgt durch Geräusche von Insekten werden durch den Verbundprojekt der BHT und des Umwelt- Entomolog*innen, die sich an Bildern, Flügelschlag erzeugt und sind eine Mög- bildungszentrums Listhof e.V. (UBZ) im bzw. Bestimmungsschlüsseln mit äußeren lichkeit, um Insekten zu unterscheiden. baden-württembergischen Reutlingen, das Merkmalen orientieren, meist unter dem Deshalb kommt ein Wingbeatsensor zum über den Projektträger Z.U.G., die Zukunft- Mikroskop. 2021 wurde der KInsecta-Pro- Einsatz, ein optischer Sensor, der mit Hilfe Umwelt-Gesellschaft GmbH, unterstützt totyp entwickelt, der pünktlich zum Beginn von Licht im Nahinfrarotbereich die Flü- und vom Bundesministerium für Umwelt, der Insekten-Saison im Einsatz ist. Die- gelschlagfrequenz misst. Bei den meisten Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) ser soll eine automatisierte Bestimmung Insekten können mindestens zehn Flügel- gefördert wird. ermöglichen. Der Prototyp basiert auf schläge ausgewertet werden. Die Insekten werden hochauflösend mit einer einfachen Raspberry-Pi-Kamera von oben fotogra- fiert. Dabei ist es notwendig, dass die Auf- nahmen besonders detailreich sind, um charakteristische Merkmale, wie die Flü- gelstruktur und Behaarung, zu erfassen, Foto: Prof. Dr. Frank Haußer, Prof. Dr. Ingeborg Beckers die auch von Entomolog*innen für die Bestimmung genutzt werden können. Es wird eine Auflösung von wenigen Mikro- metern erreicht, innerhalb eines Schärfen- tiefebereichs von 1,5 Zentimetern. Durch mehrere Lichtschranken ist gewährleistet, dass die Kameraaufnahme für Insekten unterschiedlicher Größe zuverlässig startet. Das Verhalten der Insekten stellte die Projektbeteiligten zunächst vor Herausfor- derungen. Der Bau des ersten Prototypen war noch nicht erfolgreich. Prof. Dr. Inge- borg Beckers: „Die Insekten sind nicht an den Lichtschranken vorbeigekrabbelt, sie Modell des Multisensorsystems, an dem die Insekten vorbeifliegen (erster Prototyp) haben sich gerne auch länger in der Falle
18 | STUDIEREN & FORSCHEN – PROJEKTE PROJEKTE – STUDIEREN & FORSCHEN | 19 ßerer Beliebtheit, auch an Schulen kommt diese Methode häufiger zum Einsatz. Die Citizen Scientists für die Forschung Anwendungsgebiete sind dabei vielfäl- tig und reichen von der Datenanalyse bis zur Umweltbeobachtung. Citizen Science macht Wissenschaft transparent und nah- bar. Durch die Kommunikation nach außen Prof. Dr. Ingeborg Beckers und Prof. Dr. wird der Austausch mit der Öffentlichkeit Frank Haußer leiten das Projekt „KInsec- gestärkt. Die Ergebnisse kommen der Wis- ta“ an der BHT. Im Interview berichten senschaft dann wieder zugute. sie über den Citizen Science-Ansatz des Fünf KInsecta-Prototypen sollen 2022 in Berlin und Baden-Württemberg eingesetzt Forschungsprojekts, das noch bis Mai werden und die KI mit Hilfe von Citizen 2023 läuft Scientists trainiert werden. Die Baupläne sind online auf Gitlab open source verfüg- einem piezoelektrischen Sensor in elekt- bar, sodass Interessierte sich eine Monito- BHT: Citizen Science ist ein Schwerpunkt im rische Signale umzuwandeln. In Workshops ring-Station an einem geeigneten Ort auf- Projekt. Warum? können Gruppen in Projektmodulen nach- bauen können. Über die KInsecta-Webseite PROF. DR. INGEBORG BECKERS: Wir erhoffen uns, bauen und Messungen durchführen. Wir hatten Henning Schmidt und Danja Brandt bei der Installation des Laborsystems im Gewächshaus werden hilfreiche Tipps zum Thema und dass die Dringlichkeit der Erhaltung der Biodiversi- auch schon Anfragen von wissenschaftlichen zum Prototypen bereitgestellt, zudem gibt tät durch eine partizipative Forschung weiter in die Gruppen, die in einem ähnlichen Gebiet arbeiten aufgehalten oder waren zu träge reinzu- selbst wird auf einem größeren Rechen- es ein Forum zum Austausch. Ein Prototyp Bevölkerung getragen werden kann. Und viele der und unseren Prototypen nachbauen wollen. gehen. Den Bereich, wo sie die Sensorik server durchgeführt. Das fertig trainierte ist bereits erfolgreich am UBZ in Betrieb. Aufgaben in dem Projekt könnten wir ohne die Mit- HAUßER: Wenn wir genügen Arbeit reinstecken passieren, haben wir daher jetzt durch KI-Modell soll schließlich Insektenarten In Zusammenarbeit mit dem Studiengang arbeit von Citizen cientists gar nicht stemmen. würden, was wir vielleicht ressourcentechnisch eine kleine ‚Arena‘ beschränkt, so dass zuverlässig bestimmen können. Gartenbauliche Phytotechnologie konnte Was sind das für Personen? nicht schaffen, dann könnte man den Bau des Pro- sie auf jeden Fall von der Kamera erfasst Die Herausforderung besteht darin, ein im März im Gewächshaus der BHT bereits BECKERS: Die bisher Mitarbeitenden sind meistens totypen wie einen Ikea-Bausatz gestalten. werden und wir ordentliche Aufnahmen KI-Modell zu implementieren, welches gut ein Aerarium mit einem Prototypen auf- Leute, die wir auch schon kennen. Die an dem Projekt BECKERS: Es für alle machbar zu machen ist etwas, bekommen. In der Arena werden die Insek- generalisiert, also nicht nur korrekte Aus- gebaut werden. Projektziel ist es, so Prof. und der Thematik interessiert sind und die direkt auf was wir jetzt noch testen mit den Leuten, die mög- ten gleichmäßig ausgeleuchtet. Wir haben sagen bei den erhobenen Trainingsdaten Haußer, dass wesentlich mehr Prototypen uns zugekommen sind. Wenn wir mal durchrechnen, liche Anwenderinnen und Anwender sind. gestaunt, wie schnell die Insekten da teil- reproduziert, sondern auch im Live-Ein- gebaut werden und im Feld stehen und es haben wir genauso viele Citizen Scientists dabei, wie weise durchgekrabbelt sind.“ „Ein Meter pro satz eine zuverlässige Artbestimmung so zuverlässig läuft und diese Plattform Angestellte im Projekt. Der große Stil, dass wir auf die Wie teuer ist ein Prototyp? Sekunde ist durchaus möglich. Das ist auch ermöglicht. Prof. Dr. Frank Haußer: „Es weiterhin genutzt werden kann. Bevölkerung zugehen, und auch Leute integrieren, die BECKERS: Zwischen 700 und 800 Euro. Das ist eine große Herausforderung für die Auf- gibt Insektenarten, die sehr schwer von- Über die Webseite können Daten der durch Veranstaltungen auf uns aufmerksam wer- nicht so günstig. Es hat sich herausgestellt, das nahmetechnik“, sagt Prof. Dr. Frank Haußer. einander zu unterscheiden sind, aber die Monitoring-Systeme in eine zentrale Daten- den, ist noch nicht passiert. Wegen Corona sind viele die Elektronik doch komplexer sein muss, als in Gattung oder Familie ist oft einfacher. Da bank geladen werden. Später sollen Aus- Veranstaltungen ausgefallen oder fanden nur online unserer ersten Idee. Wir haben alles miniaturisiert, werden wir dann eventuell auf diesen Ebe- wertungen über das lokale Vorkommen von statt. verwenden kleine elektronische SMD-Bauteile und „Die Insekten nen bestimmen. Von wie vielen Arten wir Insektenarten auf der Webseite visualisiert haben professionelle Platinen designt, die bestellt haben sich anders ausreichend gutes Datenmaterial haben, bestimmt damit die Güte der KI-Anwen- werden. https://kinsecta.org „Diese Saison werden müssen. Die Baupläne sind aber open source. Wir haben während der Entwicklung erst verhalten, als wir dung. Die Datenqualität der Kamera ist sehr wird die herausbekommen, was mit den unterschiedlichen gut.“ Insekten überhaupt funktioniert und was nicht. erwartet haben“ Das KI-Modell wird zunächst nur für Spannendste Die Insekten wollten dann doch oft anders als wir. einen kleinen Teil der Insektenarten entwi- PROF. DR. INGEBORG BECKERS Professorin für Medizinphysik, FB II ckelt und trainiert, es lässt sich zwar erwei- im Projekt!“ Was sind die nächsten Schritte? tern, jedoch wird es nicht möglich sein, jede HAUßER: Alles ist bereit, die KI-Modelle sind ent- MITMACHEN! PROF. DR. FRANK HAUSSER Insektenart mit Hilfe der KI zu bestimmen, wickelt, aber noch nicht trainiert, der Server steht Zu den Personen Professor für Mathematik, FB II KI im Einsatz da einige Arten nur durch Präparation (mit Es gibt viele Entwicklungsfelder im da. Der Prototyp ist fertig, die Infrastruktur ist da Prof. Dr. Ingeborg Beckers Im Kern des Systems laufen diese Daten auf Mikroskop und Skalpell) oder über eine Projekt. Hard- und Softwarentwickler*in- und jetzt ist die Frage, wie gut wird es funktionie- und Prof. Dr. Frank Haußer Foto: Prof. Dr. Frank Haußer (privat), Martin Gasch, Unsplash nen oder Enthusiast*innen können sich leiten das Projekt „KInsec- einem Raspberry-Pi-Computer zusammen, DNA-Analyse identifiziert werden können. PROF. DR. FRANK HAUßER: Es gab zum Beispiel schon ren!? einbringen, genauso wie Umweltschüt- ta“ an der BHT, das noch wo sie verarbeitet und durch eine KI aus- zer*innen, Gärtner*innen und Naturlieb- einen Workshop mit einer Gruppe von Lehrerinnen BECKERS: Wir haben den enormen Vorteil, dass bis Mai 2023 läuft. gewertet werden, um Aussagen über die Citizen Science haber*innen. In der ersten Projektphase und Lehrern, die sich vorstellen können, Teile des wir unsere Daten selbst aufnehmen und auch Ingeborg Beckers ist Pro- vorliegende Spezies zu treffen. Durch die Bei KInsecta sind nicht nur fachliche ging es hauptsächlich um die Entwick- Projektes im Unterricht zu verwenden oder auch schon so viel Erfahrung mit KI gesammelt haben, fessorin für Medizinphysik Zusammenführung der Daten aus den ver- Expert*innen im Einsatz. Das Projekt wird lung des Prototypen. In der zweiten weiterzuentwickeln.Das Umweltbildungszentrum dass wir jetzt hoffen können, von der Seite der am Fachbereich II (Mathe- Phase geht es um die Anwendung. Das matik – Physik – Chemie) schiedenen Sensoren ergibt sich für jedes auch von Citizen Scientists mitgestaltet, Listhof hat auch ein Netzwerk an ehrenamtlichen Sensorik aus für das Datensammeln die Voraus- Monitoring-Gerät kann nachgebaut und und Leiterin des Labors für passierende Insekt ein komplexer Daten- die an der Entwicklung des Prototypen, bei zur Messung eingesetzt werden. Gleich- Mitarbeitenden, die zum Beispiel Messungen mit den setzungen richtig geschaffen zu haben. Aber wir Optik und Lasertechnik. satz. Zunächst werden gemessene Daten Voruntersuchungen oder an Messungen gesinnte tauschen sich im Forum aus. Prototypen durchführen. brauchen eine große Menge an Bildern, Wingbeat- Frank Haußer ist Professor von Entomolog*innen ausgewertet (gela- beteiligt sind. Der Begriff „Citizen Science“ Außerdem wird es eine Webapplikation signalen und Metadaten, damit das Training gut für Mathematik am Fach- bereich II. belt) und so für das Erkennungstraining der beschreibt Methoden in der Wissenschaft, geben, mit der automatisiert Daten in die Wie kann man sich beteiligen? funktioniert. Die KI muss auf einem Mini-Com- Datenbank hochgeladen werden können KI eingesetzt. Angereichert werden diese bei denen Bürger*innen in Forschungspro- BECKERS: Es sind alle willkommen! Es gibt viele puter laufen, das erfordert zum Schluss noch eine Das Team und die auch nach Projektende bestehen insektenspezifischen Daten um Metada- jekte einbezogen werden. Die Teilnehmen- Ansatzmöglichkeiten, je nachdem wo das Interesse Menge Entwicklungsarbeit. Danja Brandt, Martin soll. Interessierte sind herzlich zum Mit- Tschaikner, Henning ten, wie Temperatur, Tageszeit und lokale den sind dabei nicht institutionell an diesen machen und Diskutieren eingeladen! besteht. Zum Beispiel haben wir einen Citizen Scien- Schmidt, Teodor Chiaburu, Wetterdaten. Mit diesen gelabelten Daten Wissenschaftsbereich gebunden. Citizen- #jedesInsektzählt tist kennengelernt, der die Idee ausgearbeitet hat, die Philip Zettl, Roman Süsin wird das KI-Modell trainiert, das Training Science-Projekte erfreuen sich immer grö- Vibrationen, die entstehen, wenn Insekten laufen, mit und Yasmin Grosenick
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