EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2019/20 BERN La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
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W IR B R I N G E N E UCH K L A S S I K 2019/ 2 0 B E R N P R O G R A M M · Zürich h a u x - d e - Fo n ds · Luzern Ge n f · L a C
E N T- C L A S S I C S L T U R P R O Z MIGROS-K/2U0 im Casino Bern 9 Pr ogr amm 201 Samstag, 5. Oktober 2019 – Abo I Mittwoch, 22. Januar 2020 – Abo II WIENER SYMPHONIKER KAMMERORCHESTER BASEL Philippe Jordan (Leitung) Sylvain Cambreling (Leitung) Julia Fischer (Violine) Sol Gabetta (Violoncello) → Seite 9 → Seite 29 Dienstag, 5. November 2019 – Abo II Montag, 6. April 2020 – Abo II ORCHESTRA DELL’ACCADEMIA MARIINSKY ORCHESTRA NAZIONALE DI SANTA CECILIA Valery Gergiev (Leitung) Sir Antonio Pappano (Leitung) Denis Matsuev (Klavier) Francesco Piemontesi* (Klavier) → Seite 35 → Seite 15 Mittwoch, 29. April 2020 – Abo I und II Donnerstag, 12. Dezember 2019 – Abo I MAHLER CHAMBER ORCHESTRA Inhaltsverzeichnis FREIBURGER BAROCKORCHESTER Lahav Shani (Leitung und Klavier) Zürcher Sing-Akademie → Seite 41 Migros-Kulturprozent-Classics . . . . . . . . . . . . . 3 Trevor Pinnock (Leitung) Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4–5 Katherine Watson (Sopran) Sonntag, 10. Mai 2020 – Abo I Zum Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . 6–7 Claudia Huckle (Alt) RUSSISCHES NATIONALORCHESTER Konzert 1: Wiener Symphoniker . . . . . . . . . . . . . 8–13 Stuart Jackson (Tenor) Mikhail Pletnev (Leitung) Konzert 2: Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia . . . . . . 14–19 Božidar Smiljanić (Bass) Lucas Debargue (Klavier) Konzert 3: Freiburger Barockorchester . . . . . . . . . . . . 20–27 → Seite 21 → Seite 47 Konzert 4: Kammerorchester Basel . . . . . . . . . . . . 28–33 Konzert 5: Mariinsky Orchestra . . . . . . . . . . . . . 34–39 Konzert 6: Mahler Chamber Orchestra . . . . . . . . . . . . 40–45 Konzert 7: Russisches Nationalorchester . . . . . . . . . . . 46–51 Abos und Karten . . . . . . . . . . . . . . . . 52–53 Saalplan Casino Bern . . . . . . . . . . . . . . . . 54–55 Tourneen und Einzelkonzerte . . . . . . . . . . . . . . 56–57 Ein nachhaltiges Engagement . . . . . . . . . . . . . 58 *Schweizer Solist 3
V O R W O R T Sehr geehrte Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber «Die lebendige Idee ist es, was die Migros ausmacht», sagte Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler Gottlieb Duttweiler revolutionierte nicht nur den Lebensmittelhandel, er setzte sich zudem im Mai 1940 – und setzte damit das Fundament, auf dem die Migros noch heute steht. Eine dafür ein, dass wachsendem Wohlstand stets noch grössere soziale und kulturelle Leistungen Ideenwelt aufbauen, eine Vision haben, mit Leidenschaft und Pioniergeist etwas verwirklichen: folgen. Deshalb gibt es das Migros-Kulturprozent, das auf der «lebendigen Idee» basiert, Das alles ist Migros-typisch. mit unterschiedlichsten Projekten etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun. Unsere Migros-Kulturprozent-Classics sind ein Teil davon – und darauf sind wir stolz. Eine Vision hatte Dutti auch, als er im Jahr 1948 eigens die Klubhaus-Konzerte ins Leben rief: der breiten Bevölkerung Zugang zur klassischen Musik verschaffen, auf höchstem künstlerischem Herzlich Niveau und dennoch erschwinglich für alle. Migros-typisch eben. Mit den Migros-Kulturprozent-Classics haben wir die von Duttweiler geschaffene Tradition in die Zukunft übertragen. Jede Saison lancieren wir neue Formate mit dem Ziel, jungen Musizierenden beim Start ihrer Karriere zu helfen und Ihnen, wertes Publikum, neue Entdeckungen zu bieten. «Ouvertüre» heisst die neu geschaffene Talentfördermassnahme. Vor allen Konzerten – in Bern, Genf, Luzern und Zürich – erhalten ausgewählte Nachwuchstalente die Chance, auf der grossen Hedy Graber Bühne aufzutreten. So eröffnen sich neue Horizonte: den Nachwuchskünstlerinnen und Leiterin Direktion Kultur und Soziales -künstlern genauso wie dem Konzertpublikum. Migros-Genossenschafts-Bund Sie sind einzigartig und musizieren auf höchstem Niveau: die Solistinnen und Solisten, Dirigenten sowie Orchester, die in der Saison 2019/2020 der Migros-Kulturprozent-Classics auftreten. Sie zählen zu den Besten der Welt. Und sie zeigen einmal mehr: Klassische Konzerte sind nicht nur ein kulturelles Erbe, das lebendig wird, sondern sie bieten musikalische Erlebnisse, die lange nachklingen. 4 5
G R A M M Z U M P RO Verehrtes Publikum Auch in der kommenden Spielzeit möchten wir Ihnen wieder klassische Konzerte zu moderaten Besonderen Wert legen wir auch diesmal wieder auf die Förderung junger Künstlerinnen Eintrittspreisen, aber auf höchstem Niveau bieten. Dass wir hierzu Spitzenorchester aus und Künstler. Zu Beginn jedes Konzerts erhalten talentierte Sänger und Instrumentalisten ganz Europa eingeladen haben, ist kein Zufall. In einer Zeit, die mit Abschottung und neuen aus der Schweiz Gelegenheit, sich Ihnen, liebes Publikum, vorzustellen. Eine «Ouvertüre» Grenzen von sich reden macht, halten wir es für umso wichtiger, auf das Verbindende in doppelter Hinsicht: nicht nur als Einstimmung auf den Konzertabend, sondern auch als hinzuweisen. Und eines der zentralen gemeinschaftsstiftenden Elemente unseres Kontinents Türöffner für «Unsere Stars von morgen». ist eben die klassische Musik. In diesem Sinne freuen wir uns auf eine erfahrungsreiche, Grenzen überwindende Spielzeit. Aus diesem Grund heissen wir nächste Saison Orchester aus Italien, Russland, Österreich, Deutschland und natürlich auch aus der Schweiz als Gäste willkommen. Während die einen Musik aus ihrem eigenen Land präsentieren, wagen die anderen einen Blick über den Tellerrand. Auf das hr-Sinfonieorchester mit seinem Brahms-Strauss-Schwerpunkt freuen wir uns ebenso wie auf das rein russische Programm von Mikhail Pletnevs Russischem Nationalorchester – und sind andererseits gespannt, wie Antonio Pappano und die Accademia Nazionale di Santa Cecilia Musik der deutschen Romantik interpretieren werden. Das Mahler Chamber Orchestra wiederum, ein dezidiert international angelegtes Projekt, schlägt eine musikalische Brücke von West nach Ost. Mischa Damev Intendant Einzelne Konzerthighlights hervorzuheben, fällt angesichts der Breite unseres Angebots Migros-Kulturprozent-Classics schwer. Vielleicht die einem einzigen Komponisten gewidmeten Porträtabende: Brahms (Wiener Symphoniker) und Rimski-Korsakow (Russisches Nationalorchester)? Das Migros- Debüt des französischen Pianisten Lucas Debargue mit Rachmaninows 1. Klavierkonzert sollte man sich jedenfalls nicht entgehen lassen, ebenso wenig die Uraufführung von Wolfgang Rihms «Concerto en SOL» mit der Cellistin Sol Gabetta. Ein Wiedersehen gibt es mit Weltklassesolisten wie Julia Fischer, Francesco Piemontesi und Joshua Bell sowie mit Nachwuchsstar Lahav Shani in seiner Doppelrolle als Dirigent und Pianist. 6 7
Konzert 1 – Abo I Casino Bern Wiener Symphoniker Samstag, 5. Oktober 2019, 19.30 h Philippe Jordan (Leitung) Julia Fischer (Violine) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Johannes Brahms (1833–1897) Allegro non troppo Konzert für Violine und Orchester Adagio D-Dur op. 77 (ca. 43') Allegro giocoso, ma non troppo vivace Pause Johannes Brahms Allegro non troppo Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op. 98 (ca. 40') Andante moderato Allegro giocoso Allegro energico e passionato r Julia Fische 8 9
PR O G R A M M Ko n z e r t 1 Johannes Brahms (1833–1897) kernd auf die Spitze: Während die Orchester Konzert für Violine und Orchester instrumente virtuose Begleitfiguren einwerfen, D-Dur op. 77 übt sich der Solist konsequent in Mehrstimmig- So manch ein Werk, das heute als Klassiker keit. Weitere Glanzstückchen aus dem Inventar der Geigenliteratur gilt, hatte es anfangs der Kontrapunktik verbirgt Brahms geschickt schwer. Wie die Violinkonzerte Beethovens und hinter dem ungarischen Flair des Satzes. Tschaikowskis stiess auch das D-Dur-Konzert von Johannes Brahms (1878) auf Skepsis: Johannes Brahms (1833–1897) Brahms war schliesslich Pianist, kein Streicher. Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op. 98 Zudem dachte er in sinfonischen Strukturen, Jede der vier Sinfonien von Johannes Brahms pure Virtuosität war ihm ein Gräuel. Pablo de beginnt anders: schmerzlich zerrissen die erste, Sarasate, einer der grössten Geiger seiner Zeit, friedvoll die zweite, kämpferisch die dritte. Am brachte die Vorbehalte gegen op. 77 auf den Anfang der 1885 vollendeten Sinfonie Nr. 4 Punkt, als er lästerte, er wolle nicht mit dem steht eine Geigenmelodie, so wehmütig und Instrument in der Hand der einzigen Melodie des verträumt, als sei sie eben erst erfunden. Spon- ganzen Stücks lauschen. taner Einfall oder nicht – interessant ist, was Bei dieser Melodie handelt es sich um das in Brahms im Verlauf des Satzes aus diesem der Tat berückende Oboensolo zu Beginn des Gebilde macht. Er benutzt es nämlich als Stein- zweiten Satzes. Was Sarasate verkannte: dass bruch für zahlreiche weitere Themen und Brahms weder auf gesanglichen Schmelz noch Motive, in denen das Kernintervall der Melodie, auf instrumentale Brillanz verzichtet, beides die Terz, eine entscheidende Rolle spielt. allerdings in ein komplexes kompositorisches Das ist typisch für einen Komponisten, der Gefüge einbindet. Solist und Orchester sind romantische Empfindsamkeit und kühlen Kons- absolut gleichberechtigt, und das von Beginn an: truktionswillen in sich vereinigt. Im Finale der Johannes Brahms So herrscht im 1. Satz bei der Vorstellung der Sinfonie treibt Brahms diesen (scheinbaren) Hauptthemen geradezu brüderliche Eintracht. Gegensatz auf die Spitze, indem er nach Art Auch im Adagio hat die Oboe zwar das erste, die barocker Meister ein achttaktiges Thema 30 Sinfonie etwas leichtgewichtiger angelegt, als Anfangsschwierigkeiten setzte sich die Vierte Sologeige aber das zweite und vielleicht wichti- Variationen unterwirft. Auch hier beruht alles elegisches Andante und turbulent-grimmiges sowohl beim Publikum als auch bei den Fach gere Wort, indem sie die Bläsermelodie weiter- auf der Terz als zentralem Baustein – klanglich Scherzo. Nichtsdestotrotz verweisen auch sie kritikern rasch durch. Heute gilt sie als End- und führt, umformuliert und so den Ablauf des Satzes aber durchläuft dieser Satz Ausdrucksextreme dank des archaischen Tonfalls (Andante) und Gipfelpunkt nicht nur von Brahms’ orchestralem entscheidend bestimmt. Im Finale treibt Brahms von erschütternd über zärtlich bis majestätisch. kontrapunktischer Techniken (Scherzo) auf Œuvre, sondern der romantischen Sinfonie die Gleichberechtigung der Partner augenzwin- Demgegenüber sind die beiden Mittelsätze der Brahms’ kompositorische Doppelstrategie. Nach schlechthin. 10 11
INTE R P R E T E N Philippe Jordan Im Herbst 2020 wird Philippe Jordan Musik Jordans Wirken ist auf etlichen CDs und DVDs Ko n z e r t 1 direktor der Wiener Staatsoper. Ein weiterer dokumentiert, vor allem im Bereich der Oper: Mosaikstein in der glanzvollen Karriere des «Salome», «Tannhäuser», «Carmen» und «Figaro», Schweizer Dirigenten, die 1994 mit einem Enga- um nur einige zu nennen. Für die Aufnahme der gement am Stadttheater Ulm begann. Von da an «Alpensinfonie» mit dem Orchester der Pariser ging es steil bergauf: Assistent von Daniel Oper erhielt Jordan den renommierten CHOC Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden de l’année 2010. Mit den Wiener Symphoni- (1998), Chefdirigent in Graz (2001) und schliess- kern, deren Geschicke er seit 2014 leitet, ist die Wiener Symphoniker lich musikalischer Direktor der Opéra National Einspielung sämtlicher Beethoven-Sinfonien Die Wiener Symphoniker, im Jahr 1900 als zeit 2021 wird Andrés Orozco-Estrada seinen de Paris (2009). Dazu Gastspiele in New York, geplant; zum Jubiläumsjahr 2020 soll der Zyklus Orchester des Wiener Concertvereins gegrün- Posten übernehmen. Als Kulturbotschafter Wiens London, Mailand, München sowie bei den Fes- komplett vorliegen. det, machten schon bald durch Ur- und Erstauf- bestreitet das Orchester jährlich mehrere Kon- tivals von Glyndebourne, Bayreuth und Salzburg. führungen bedeutender Werke, wie Bruckners zerttourneen ins europäische und aussereuro- Neunter oder Mahlers Sechster, von sich reden. päische Ausland, mit den Bregenzer Festspielen Julia Fischer Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mangelte besteht schon seit 1946 eine erfolgreiche Julia Fischers Werdegang steckt voller Superla- dence ist Julia Fischer hochbegehrt, wie ihre es dem Orchester niemals an Qualität, sondern Kooperation. Durch rege Konzerttätigkeit in den tive: jüngste Hochschulprofessorin Deutsch- Engagements in Berlin, Dresden, Amsterdam, lediglich an einem eigenen musikalischen Profil. Wiener Aussenbezirken, durch Benefiz- und lands, meistverkauftes Klassikdebüt auf iTunes Frankfurt und bei den Festspielen Mecklenburg- Zu seinen Leitern zählten Dirigenten wie Herbert Jugendkonzerte findet zudem eine Rückbesin- und von der Süddeutschen Zeitung zur «Jahr- Vorpommern belegen. Ihre Ausnahmestellung von Karajan, Wolfgang Sawallisch oder Carlo nung auf die Ursprünge des Orchesters statt, das hundert-Geigerin» geadelt – mit gerade einmal zeigt sich auch darin, dass sie mittlerweile den Maria Giulini. Seit 2014 ist Philippe Jordan Chef- gegründet wurde, um möglichst vielen Menschen 23 Jahren. Seit dem Sieg beim Yehudi-Menuhin- CD-Labels den Rücken gekehrt hat und stattdes- dirigent der Symphoniker; mit Beginn der Spiel- klassische Musik nahezubringen. Wettbewerb 1995 hat sie so ziemlich alles sen ganz auf Selbstvermarktung setzt. 2016 gewonnen, was die Musikszene an Auszeich- wurde ihr in ihrem Heimatort München zudem nungen bietet, vom Gramophone Award über das Bundesverdienstkreuz verliehen. Und als den Diapason d’Or und den Echo Klassik bis hin wäre all dies nicht genug, ist Fischer auch noch zum Midem Classic Award. Als Artist in Resi- eine ausgezeichnete Pianistin. r Julia Fische an Philippe Jord phoniker Wiener Sym 12 13
Konzert 2 – Abo II © Eric Richmond Warner Classics Casino Bern Orchestra dell’Accademia Nazionale Dienstag, 5. November 2019, 19.30 h di Santa Cecilia Sir Antonio Pappano (Leitung) Francesco Piemontesi (Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Carl Maria von Weber (1786–1826) Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» (ca. 10') Frédéric Chopin (1810–1849) Allegro maestoso Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 (ca. 41') Romance – Larghetto Rondo – Vivace Pause Robert Schumann (1810–1856) Sostenuto assai – Allegro ma non troppo Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 (ca. 40') (mit einer langsamen und feierlichen Einleitung) Scherzo. Allegro vivace Adagio espressivo Allegro molto vivace Pappano Sir A ntonio 14 15
PR O G R A M M Kon z er t 2 Carl Maria von Weber (1786–1826) der Wiederkehr der Anfangsthematik in die Chopin selbst allerdings dürfte dem Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» Schranken gewiesen wird. Am guten Ende der langsamen Satz den Vorzug gegeben Die Uraufführung des «Freischütz» 1821 in Berlin Oper lässt diese Ouvertüre keinen Zweifel – dass haben: eine Romanze in E-Dur, die vom war ein derartiger Triumph für Carl Maria von es bis dorthin ein weiter Weg ist, aber auch nicht. Klangkontrast zwischen gedämpften Weber, dass der nächste Schritt nur folgerichtig Streichern und klar gezeichneter Klavier- erschien: die Komposition einer heroisch-drama- Frédéric Chopin (1810–1849) melodie lebt – «wie ein Traum im Mond- tischen Oper. Der Auftrag hierzu kam aus Wien, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 licht» (Chopin). Adressatin dieses nächtli- als Librettistin wählte Weber die Romantikerin Das Klavierkonzert e-Moll markiert eine Wende chen Grusses war Konstancja Gladkowska Helmina von Chézy. Dramaturgische Schwächen im Leben Frédéric Chopins. Seine Premiere gewesen, eine junge Sängerin, von der sich des Textbuchs gelten als Hauptgrund, warum erfolgte im Rahmen von Chopins Warschauer Chopin 1830 ebenfalls hatte verabschieden sich «Euryanthe» trotz erfolgreicher Premiere Abschiedskonzert im Oktober 1830; wenige müssen. Mit dem Klavierkonzert konnte er Frédéric Chopin nie so recht durchsetzen konnte. Was umso Wochen später verliess er Polen Richtung Paris. wenigstens eine klingende Reminiszenz an bedauerlicher ist, als Webers Oper entwick- Auch dort diente ihm das Stück Anfang 1832 als sie mit in die Fremde nehmen. lungsgeschichtlich für Wagners Musikdramen Einstand und Türöffner. Anwesend waren Satz, einer romantischen Paraphrase über ein den Boden bereitet. neben der pianistischen Crème de la Crème – Robert Schumann (1810–1856) Stück aus dem «Musikalischen Opfer». Aber An den «Lohengrin» etwa erinnert nicht nur vom Kalkbrenner, Hiller, Mendelssohn – auch Ver Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 auch schon in den Anfangstakten des Werks, Inhalt her vieles: Ritterromantik, das Thema der leger, Klavierbauer und vor allem: potenzielle Die 2. Sinfonie von Robert Schumann ist das wenn Bläser- und Streicherstimmen gegenein- Gattentreue, Verklärungsszenen und eine spezi- Kunden aus Adel und Bürgertum, für die er in Dokument einer Krise – biografisch wie kom ander in Konkurrenz treten. elle Figurenkonstellation. Auch stilistisch setzte der Folge als Klavierlehrer arbeiten würde. positorisch. Schumann selbst bekannte später, Als weiteres Vorbild ist Franz Schubert zu nen- Weber Massstäbe für die Zukunft: durch drama- Sie alle konnten sich anhand des e-Moll-Kon- er habe sie «im December 1845 noch halb nen, dessen Entdeckung als Sinfoniker ja auf tische Deklamation, die Weitung geschlossener zerts überzeugen, dass der junge polnische Emi- krank» geschrieben, und meinte auch, man Schumann persönlich zurückgeht. Schuberts Formen, instrumentale Effekte und Ansätze zu grant über Geschmack, Stilsicherheit und eine müsse ihr dies anhören. «Erst im letzten Satz grosse C-Dur-Sinfonie stand mit ihrer über- einer Leitmotivtechnik. exzellente Klaviertechnik verfügte. Im ersten fing ich an mich wieder zu fühlen; wirklich wurde schäumenden rhythmischen Energie und ihren In der Ouvertüre zu «Euryanthe» verfolgte Weber Satz des Werks sind es drei Themen, die Chopin ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes Sehnsuchtsklängen für Schumanns Werk Pate. einen ähnlichen Ansatz wie in der zum «Frei- auf seine unnachahmliche Weise durch Ver wieder wohler.» Zur Gestaltung innermusikalischer Konflikte und schütz»: Zentrale Themen der Oper werden nicht zierungen und Umspielungen subtil verfeinert. Im Vorfeld der Sinfonie hatte Schumann einge- deren Überwindung wiederum griff Schumann bloss vorgestellt, sondern zu einem konflikthaf- Ganz anders das Finale, eine pianistische Tour hend Kontrapunktstudien betrieben und sich mit auf einen dritten Komponisten zurück: Ludwig van ten Ablauf verdichtet. So mündet der anfängliche de Force im Stil eines polnischen Volkstanzes, der Musik Johann Sebastian Bachs beschäftigt. Beethoven. Im Finale ist es sogar ein Beethoven- Jubelton unerwartet in eine mystische Geigen- des Krakowiak. Noch heute lässt sich erahnen, Hierdurch lernte er eigenem Bekunden nach das Zitat, das für die endgültige Bestätigung von passage, die auf die Geisterszene des ersten Akts welchen Eindruck die kaum gezügelte Wildheit Komponieren noch einmal neu. Tatsächlich C-Dur sorgt: eine Zeile aus dem Liederzyklus vorausweist. Aus ihr entwickelt sich ein immer dieses Rondos auf das Pariser Salonpublikum spielt das Schaffen Bachs eine bedeutende «An die ferne Geliebte», mit der Schumann ein- dichteres, turbulenteres Fugato, das zuletzt von gemacht haben mag. Rolle für die 2. Sinfonie, vor allem im langsamen mal mehr seine Liebe zu Clara bekundete. 16
IN T E R P R E T E N Sir Antonio Pappano Seine britisch-italienische Staatsbürgerschaft auch das italienische Opernrepertoire liegt. Kon z er t 2 lebt der 1959 bei London geborene Antonio 2006 brachte ihm die Einspielung von «Tristan Pappano seit vielen Jahren auch dirigentisch aus: und Isolde» mit Plácido Domingo einen von mitt- als Künstlerischer Leiter des Royal Opera House lerweile vier Echo Klassik ein, 2013 erhielt er in London sowie des Orchestra dell’Academia den International Opera Award als Dirigent des Nazionale di Santa Cecilia in Rom. Entdeckt Jahres. Auch die gesellschaftlichen Auszeich- wurde Pappano von Daniel Barenboim, der ihn nungen Pappanos spiegeln seine Verwurzelung als Assistenten nach Bayreuth mitnahm; wei- in zwei Ländern: 2012 wurde er mit dem Ver- Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia tere Stationen waren die Opernhäuser von Oslo dienstorden der Italienischen Republik geehrt Gegründet 1908, widmete sich das Orchestra Renommee – und das mittlerweile wieder sehr und Brüssel. Pappano gehört zu den wenigen und zusätzlich von der Queen geadelt. dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in erfolgreich auch auf dem Gebiet der Oper. Die Dirigenten weltweit, denen sowohl Wagner als seinen Anfangsjahren ausschliesslich dem sin- Einspielungen von Puccinis «Madama Butterfly» fonischen Repertoire. Werke wie Respighis mit Angela Georghiu, von Rossinis «Stabat Francesco Piemontesi «Fontane» und «Pini di Roma» wurden urauf Mater» mit Anna Netrebko sowie von Verdis Zehn Jahre ist es her, da kürte die BBC Francesco Londoner Wigmore Hall aufzuführen. Höchstes geführt, prominente Dirigenten wie Mahler, «Aida» mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros Piemontesi zum «New Generation Artist» – der Kritikerlob gab es auch für seine Aufnahme der Strauss, Toscanini und Furtwängler gaben sich erlangten Kultstatus und wurden mit Preisen Startschuss zu einer internationalen Karriere, die 24 Préludes von Debussy (2015), der er 2018 den die Klinke in die Hand. Unter der Leitung von überhäuft. Unter den jüngeren Veröffentlichun- den aus Locarno stammenden Pianisten mittler- ersten Band von Liszts «Années de Pélérinage» Giuseppe Sinopoli und Daniele Gatti, vor allem gen sind die drei Sinfonien von Leonard Bernstein weile rund um die Welt geführt hat. Piemontesi, folgen liess. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» aber seit der Amtsübernahme durch Antonio zu nennen, der von 1983 bis zu seinem Tod ausgebildet von Klavierlegenden wie Alexis pries seine «subtile Anschlagtechnik», für die Pappano 2005 erspielte sich das Vorzeige Ehrenpräsident des Orchesters war. Weissenberg, Murray Perahia und Alfred Brendel, «Neue Zürcher Zeitung» ist er schlichtweg ein ensemble aus Italiens Hauptstadt internationales spielte im Concertgebouw Amsterdam, in der «Klangzauberer». Seit 2013 prägt Piemontesi das Berliner Philharmonie, in den USA, in Japan Musikfestival Settimane Musicali di Ascona als und China. 2016/17 wurde ihm die Ehre zuteil, künstlerischer Leiter. sämtliche Mozart-Sonaten in der renommierten emontesi Francesco Pi Pappano Sir A ntonio ilia di Santa Cec ll’Accadem ia Nazionale 18 Orchestra de 19
Konzert 3 – Abo I Casino Bern Freiburger Barockorchester Donnerstag, 12. Dezember 2019, 19.30 h Zürcher Sing-Akademie Trevor Pinnock (Leitung) Katherine Watson (Sopran) Claudia Huckle (Alt) Stuart Jackson (Tenor) Bozidar Smiljanić (Bass) Programm Georg Friedrich Händel (1685–1759) «Der Messias» Oratorium (ca. 150') Pause nach ca. 65' ich Händel Georg Friedr 20 21
PR O G R A M M Ko n z e r t 3 Georg Friedrich Händel (1685–1759) Auch inhaltlich trug das neue Werk den Stempel dass es sich bei Jesus von Nazareth, wie er im ten Chorfuge. Auch Lutherchoräle finden, zum «Der Messias» des Experimentellen. Anders als in deutschen Neuen Testament geschildert wird, tatsächlich Teil als Zitat, Eingang in die Komposition, etwa Was Beethovens Neunte für die Gattung Sinfo- Ländern – man denke nur an Bachs Passionen – um den verheissenen Messias handelt. Dazu «Wachet auf, ruft uns die Stimme» im berühmten nie ist, das ist der «Messias» mit Blick auf das war dem englische Publikum eine singende, agie- verweist es auf Parallelen zwischen alttesta- «Halleluja»-Chor. Hinzu kommen, wie üblich bei Oratorium: ein Musterwerk, qualitativ ausser- rende Christusfigur offenbar nicht zumutbar. Im mentlichen Prophezeiungen und deren Erfüllung Händel, zahlreiche Übernahmen aus eigenen und halb jeder Diskussion, Massstab und Herausfor- «Messias» tritt Jesus daher nicht als Person in im Leben Jesu. Im ersten Teil kommen seine fremden Werken: Mal greift er auf eine Opern- derung noch für Generationen von Komponisten. Erscheinung, sondern wird aus der Sicht anderer Herkunft, seine Geburt und seine Wundertaten arie zurück, mal auf die Klavierfuge eines Kolle- Schon durch sein Thema hebt es sich von den beschrieben. Dem Librettisten fiel die Aufgabe zur Sprache, im zweiten wird seine Leidens gen. Und wenn zu Beginn des Werks die Ouver- anderen Oratorien Georg Friedrich Händels ab. zu, entsprechende Passagen aus der Bibel aus- geschichte thematisiert. Teil drei weitet den türe mit ihren harschen Mollharmonien über- Weder um eine Figur aus dem Alten Testament zuwählen und im Einzelfall behutsam anzupas- Blick auf die kommende Gottesherrschaft und rascht, so ist das Teil des Konzepts: Nach diesem geht es noch um eine mythologische Gestalt, sen. In den meisten Fällen betraf das den Wech- das ewige Leben, das uns erst durch Jesu Gang durch die Düsternis menschlicher Existenz sondern um Jesus selbst und damit um den Kern sel von der Ich-Perspektive zur dritten Person: Opfergang ermöglicht wird. klingt die Prophezeiung des Tenors («Comfort christlicher Weltanschauung. Es ist, als habe Aus dem «Kommt her zu mir» des Matthäus- Was dem Libretto an äusserlicher Dramatik ye»/«Tröstet euch») umso hoffnungsvoller. Händel in diesem Werk die Summe aus seinen Evangeliums wird so ein «Kommt her zu ihm». fehlt, ersetzt Händel durch stilistische Vielfalt. Schon bei der Uraufführung im April 1742 in kompositorischen Erfahrungen gezogen – dabei Jennens trieb diese Distanzierung aber noch Sie reicht vom hochexpressiven Rezitativ bis zur Dublin wurde der «Messias» begeistert aufge- kam seine Oratorienproduktion nach dem «Mes- weiter, indem er es generell vermied, Individuen stillen Klage, von der virtuosen Arie bis zum pas- nommen. In London gab es anfangs einen Disput sias» erst so richtig in Fahrt. auf die Bühne zu bringen. In seinem Libretto toralen Orchesterstück, vom blockhaften Chor- über die Darbietung eines zutiefst christlichen Entstehungsgeschichtlich jedenfalls deutete agieren namenlose Sängerinnen und Sänger, und satz nach Art englischer Anthems bis zur gelehr- Themas in einem weltlichen Theater, aber auch zunächst eher wenig auf ein Jahrhundertwerk sie tun dies mit betont undramatischen Mitteln, dort konnte man sich der Faszination des Werks hin. 1741 befand sich Händel in prekärer Situa- ohne Dialog, ohne jede szenische Anweisung. nicht entziehen. Nach Händels Tod bildete der tion. Die vergangene Opernsaison war eine Kata- Gerade diese Massnahmen jedoch, die enge «Messias» unangefochten die Speerspitze der strophe gewesen, seine letzten Oratorien, «Israel Anlehnung an den Bibeltext und der Verzicht auf britischen Oratorienpflege; 1784 kamen in in Ägypten» (1739) und «L’Allegro, il Penseroso alle opernhaften Elemente, wurden von den Westminster Abbey rund 500 Musiker für eine ed il Moderato» (1740), hatten nur Teilerfolge zeitgenössischen Hörern gelobt. Umso bemer- Aufführung zusammen, und zwei Jahre später erzielt. Ein Ortswechsel, ausgelöst durch die Ein- kenswerter, dass Händel unter solchen Voraus- war das Werk erstmals in Kalkutta zu hören. ladung des irischen Vizekönigs nach Dublin, kam setzungen eine Musik schuf, der man innere da gerade recht. Innerhalb von nur dreieinhalb Dramatik nun wirklich nicht absprechen kann. Wochen schrieb Händel ein neues Oratorium Aber was ist nun der Inhalt des «Messias»? Von nach einem Libretto von Charles Jennens, den einer Handlung, wie sie andere Oratorien auf- «Messias». Die reduzierte Orchesterbesetzung weisen, etwa der direkt im Anschluss kompo- lässt darauf schliessen, dass er nicht wusste, mit nierte «Samson», kann keine Rede sein. Zentra- welchen Verhältnissen er vor Ort rechnen konnte. les Anliegen des Librettos ist der Nachweis, Georg Friedrich Händel 22 23
INTE R P R E T E N Zürcher Sing-Akademie Dass ein Chor schon in den ersten Jahren seines regelmässiger Gast beim Lucerne Festival prägt Ko n z e r t 3 Bestehens von Weltstars wie Roger Norrington, sie die Chorlandschaft Schweiz und legt zudem Daniel Barenboim oder Bernhard Haitink ver- grossen Wert auf die Zusammenarbeit mit nicht pflichtet wird, lässt aufhorchen. Aber die Zürcher professionellen Sängerinnen und Sängern. Höhe- Sing-Akademie wurde 2011 genau zu diesem punkte der bisherigen Tätigkeit waren Gastspiele Zweck gegründet: als Elitechor, der allerhöchsten bei den BBC Proms 2014 mit Bachs «Johannes- musikalischen Ansprüchen genügt. Kurz zuvor Passion», Beethovens Neunte im KKL, aber auch hatte sich der renommierte Schweizer Kammer- der Kurzauftritt beim Rolling-Stones-Konzert im Freiburger Barockorchester chor aufgelöst, und aus der Not, diese Lücke zu Zürcher Letzigrund. Seit 2017 steht der Chor Das Freiburger Barockorchester wurde 1987 von wie René Jacobs, Ton Koopman oder auch füllen, machte die Sing-Akademie eine Tugend: unter der Leitung von Florian Helgath, einem ehe- Studenten des Geigers Rainer Kussmaul gegrün- Simon Rattle zusammen, ansonsten überneh- Als Partner des Tonhalle-Orchesters Zürich und maligen Mitglied der Regensburger Domspatzen. det. Rasch machte man sich als Spezialensemble men die Konzertmeister Gottfried von der Goltz für Alte Musik einen Namen, spielte auf den und Petra Müllejans die Leitung. Ungewöhnlich Trevor Pinnock einschlägigen Festivals, etwa im niederländi- ist nicht nur die hohe Zahl von Auszeichnungen Trevor Pinnock, 1946 in Canterbury geboren, zählt als Dirigent tätig, widmet sich aber auch neu- schen Utrecht, und trat 1992 erstmals in den für das Ensemble – mehrere Echo-Klassik-Preise, neben seinen Landsleuten Norrington, Gardiner erer Cembaloliteratur, etwa in Zusammenar- USA auf. Mit der Etablierung eigener Konzert- eine Grammy-Nominierung, viele internationale und Hogwood zu den Pionieren der historischen beit mit dem Komponisten John Webb. Seinen reihen in Freiburg, Stuttgart und Berlin (Philhar- Schallplattenpreise –, ungewöhnlich ist auch Aufführungspraxis. Mit 25 Jahren gründete er 60. Geburtstag feierte er in besonderer Weise: monie) hat sich das Orchester in den vergange- die Organisationsform des Orchesters als in London The English Concert, eines der ersten als Leiter eines Projektorchesters namens Euro- nen Jahren ein treues Stammpublikum aufge- Gesellschaft bürgerlichen Rechts, mit den Musi- Ensembles weltweit, das auf zeitgenössischen pean Brandenburg Ensemble, das mit Bachs baut. Bei Opern- und Oratorienprojekten arbei- kern als Gesellschaftern. Instrumenten spielte. Die Händel-, Bach- und Brandenburgischen Konzerten auf Tournee ging ten die Freiburger mit renommierten Dirigenten Vivaldi-Aufnahmen des Orchesters unter Pinnocks und dafür prompt einen Gramophone Award Leitung wurden mit Schallplattenpreisen über- gewann. Pinnock hat mehrere Ehrendoktorwür- häuft, ebenso Pinnocks Einspielungen von Wer- den inne und ist Commander of the Order of the ken für Cembalo solo. Seit seinem Abschied von British Empire. The English Concert 2003 ist Pinnock vermehrt ock Trevor Pinn -A kademie Zürcher Sing 24 arockorche ster 25 Freiburger B
INTE R P R E T E N Stuart Jackson Mit 25 Jahren machte der englische Tenor Stuart toire reicht von Bachs Passionen über Mozart Ko n z e r t 3 Jackson erstmals auf sich aufmerksam, als er beim bis zu Bruckner und Britten. Beim heimischen Internationalen Liedwettbewerb der Wigmore Glyndebourne Festival ist er regelmässiger Gast, Katherine Watson Hall Platz zwei belegte – als jüngster aller Fina- 2018 feierte er sein Debüt an beiden Londoner Die englische Sopranistin Katherine Watson Emmanuelle Haïm. Beim Glyndebourne Festival listen. Diese Auszeichnung bestätigte er in der Opernhäusern mit denkbar gegensätzlichen wurde 2009 in William Christies Sängerakademie 2012 gewann sie den begehrten John Christie Folge durch weitere Siege und vordere Plätze, Rollen: Irus («Il ritorno d’Ulysses in patria», «Le Jardin des Voix» aufgenommen. Seitdem hat Award für ihre Darstellung der Titelrolle in u.a. beim Wettbewerb der Hugo-Wolf-Akade- Covent Garden) und Narraboth («Salome», sie sich ein Repertoire mit Schwerpunkt auf dem Purcells «Fairy Queen». Es folgten Gastspiele in mie Stuttgart. Stuttgart war auch der Ort seines English National Opera). Für Letztere fand der 18. Jahrhundert erarbeitet: Opern und Oratorien Berlin (Komische Oper), Paris (Théâtre des ersten Opernengagements, mit Auftritten als Don Kritiker der Sunday Times nur ein Wort: «out- von Händel und Bach, diverse Mozart-Rollen, Champs-Elysées) und New York (Carnegie Hall). Ottavio («Don Giovanni»), Orfeo oder Gastone standing», und auch der Observer fand Jacksons dazu Ausflüge zu Monteverdi und Purcell. Beson- «Ihre Stimme vereinigt Kraft und Ausdruck», («La Traviata»). Jacksons sängerisches Reper- Darbietung herausragend. ders Dirigenten aus dem Bereich der historisch resümierte «Opera Today» nach ihrem Auftritt informierten Aufführungspraxis schätzen die als Theodora (Händel), während die New York Božidar Smiljanić Zusammenarbeit mit der jungen Sängerin, neben Times «stimmlichen Glanz, emotionale Tiefe und Beim Frankfurter Wettbewerb «Neue Stimmen» («La Traviata») an der English National Opera zu Christie auch Roger Norrington, Paul Agnew und betörende Phrasierung» pries. schaffte es der Bass-Bariton Božidar Smiljanić hören. Zu seinen Paraderollen gehören Mozarts 2017 ins Finale und wurde dort mit einem der Figaro und Masetto; Letzteren gab er 2017 bei Claudia Huckle begehrten Förderpreise ausgezeichnet. Dies einer konzertanten Aufführung in der Elbphil Als das BBC Music Magazine vor gut drei Jahren in Verona. 2015 gab sie ihr Debüt am Royal brachte dem jungen Briten mit serbischen Wur- harmonie Hamburg an der Seite von Christian eine Liste mit den sechs besten Altistinnen aller Opera House in London, wo sie seither regel zeln prompt einen Vertrag an der Oper Frankfurt Gerhaher und Simona Šaturová. Ein weiterer Zeiten präsentierte, fand sich Claudia Huckle als mässig auftritt. In diversen Opernproduktionen ein, wo er in der anschliessenden Spielzeit u.a. Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt auf dem «Rising Star» dort neben Grössen wie Kathleen sang sie unter Dirigenten wie Yannick Nézet- in den Händel-Opern «Xerxes» und «Rodelinda» Oratorienrepertoire: Neben Bachs Passionen Ferrier wieder. Das Lob kam nicht von ungefähr, Séguin, Simon Rattle, Andris Nelsons und John sang und den Zuniga in Barrie Koskys «Carmen» und den Werken Händels sind hier Elgars «Dream hatte die britische Sängerin mit deutschen Wur- Eliot Gardiner. Ihr Repertoire ist breit gestreut gab. Schon 2014 hatte Smiljanić sein Debüt of Gerontius» und Tippetts «A Child of Our Time» zeln doch in den Jahren zuvor etliche Nach und reicht von Bach und Mozart über Berlioz, beim Glyndebourne Festival in «Eugen Onegin» zu nennen. wuchspreise abgeräumt, darunter den National Wagner bis zu Britten, Elgar und der zeit gefeiert, 2018 war er erstmals als Schaunard Council Award der New Yorker Met, den Thelma genössischen Moderne. Vier Jahre lang, von King Award und – als erste Frau und Britin über- 2009 bis 2013, war Huckle Ensemblemitglied haupt – den Birgit Nilsson Remembrance Award der Oper Leipzig. iljanić Božidar Sm son Stuar t Jack kle Claudia Huc 26 n 27 Kathe rine Watso
Konzert 4 – Abo II Casino Bern Kammerorchester Basel Mittwoch, 22. Januar 2020, 19.30 h Sylvain Cambreling (Leitung) Sol Gabetta (Violoncello) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Igor Strawinski (1882–1971) Vivace – Moderato «Concerto in Re» für Streichorchester (ca. 22') Arioso. Andantino Rondo. Allegro Wolfgang Rihm (*1952) «Concerto en SOL» (ca. 20') Uraufführung Pause Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) Andante con moto – Allegro un poco agitato Sinfonie Nr. 3 a-Moll Vivace non troppo «Schottische» op. 56 (ca. 40') Adagio Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai Sol Gabet ta 28 29
PR O G R A M M Ko n z e r t 4 Wolfgang Rihm Igor Strawinski (1882–1971) huldigt augenzwinkernd italienischem Belcanto: ssen Sinfonien vollendet. Ihre Anfänge freilich «Concerto in Re» für Streichorchester Celli und erste Geigen wetteifern hier um die reichen ins Jahr 1829 zurück, als der junge Aufführungen von Igor Strawinskis Concerto in elegantere Melodielinie. Das Schlussrondo setzt Komponist die Britischen Inseln besuchte und Re sind für das Kammerorchester Basel geradezu dann wieder auf motorische Energie; lediglich vor allem in Schottland zahlreiche Reiseeindrü- eine Verpflichtung, steht man doch in der Tra- im Mittelteil kommt sein Perpetuum-mobile- cke sammelte, die sich auch kompositorisch dition von Paul Sachers legendärem Basler Charakter kurzzeitig zum Erliegen. niederschlugen. So notierte er angesichts der Kammerorchester, das von 1926–1987 bestand Ruinen des Holyrood Palace in Edinburgh einen und dem das Concerto gewidmet ist. Sacher Wolfgang Rihm (*1952) musikalischen Einfall, der zur Keimzelle des hatte es zum 20-jährigen Jubiläum seines «Concerto en SOL» Uraufführung langsamen Satzes wurde: «Ich glaube, ich habe Ensembles bei Strawinski in Auftrag gegeben. Der erfolgreichste lebende deutsche Kompo- heut da den Anfang meiner Schottischen Sym- Trotz vielfältiger Verpflichtungen kam der Kom- nist – dieses Etikett kommt eindeutig Wolfgang phonie gefunden.» ponist der Bitte nach; im Januar 1947 erfolgte Rihm zu. Kompositionsstudent schon als Schüler, Dass es ganze 13 Jahre bis zur Fertigstellung des die Uraufführung. gelang ihm mit 22 der Durchbruch bei den musik ebenso wie im Vokalen, wobei v.a. seine Werks dauerte, dafür lassen sich mehrere Gründe Stilistisch gesehen, bildet das Concerto in Re Donaueschinger Musiktagen. Zu seinen Lehrern Bühnenwerke besondere Beachtung fanden. ins Feld führen. Auf der direkt anschliessenden den Abschluss von Strawinskis mittlerer, der zählten Wolfgang Fortner, Karlheinz Stockhausen Illuster ist auch die Riege seiner Uraufführungs- Italienreise fehlte dem jungen Komponisten die neoklassizistischen Schaffensphase, zu der und Klaus Huber, in deren Fussstapfen Rihm solisten: Daniel Barenboim, Anne-Sophie Mutter, Inspiration, die «Schottische Nebelstimmung», Werke wie das Capriccio für Klavier und bald selbst trat. Nach vierjähriger Lehrtätigkeit Steven Isserlis, Renaud Capuçon, um nur einige wie er schrieb. Später kamen allgemeine Über- Orchester (1929) oder das Concerto in Es (1938) in München übernahm er 1985 die Professur für zu nennen. Bei der Eröffnung der Elbphilharmonie legungen hinzu, die Schwierigkeit, nach Beetho- gehören. Ein letztes Mal bedient sich der Komposition in seiner Heimatstadt Karlsruhe. Hamburg stand ebenfalls ein neues Rihm-Werk ven ein überzeugendes sinfonisches Konzept zu Komponist hier dezidiert barocker Formen Der Schweiz ist er seit 2016 eng verbunden: als im Zentrum. Von seinen zahlreichen Auszeichnun- entwickeln – überlagert von der Frage, wie viel und Tonfälle – in einer spielerisch aufge- Leiter der von Pierre Boulez begründeten Lucerne gen seien hier nur der Ernst von Siemens Musik- «Programm», also Inhalte, man einem Orches- lockerten Atmosphäre, die an Bachs Branden- Festival Academy. preis, der Grawemeyer Award sowie das Bundes- terwerk zumuten durfte. burgische Konzerte erinnert. Geht es darum, Rihms Schaffen zu beschreiben, verdienstkreuz mit Stern genannt. Schliesslich Die gefundene Lösung jedenfalls begeisterte Der 1. Satz ist ein beschwingtes Vivace im fällt immer wieder ein Begriff: Subjektivität. noch ein Blick auf seine Schüler, zu denen u.a. zeitgenössische Hörer auf Anhieb. Jeder Satz Giguen-Rhythmus, das den Gegensatz von D-Dur Eigene Wege zu finden, eine eigene Sprache zu Jörg Widmann, Philip David Hefti und Rebecca der a-Moll–Sinfonie setzt einen anderen inhalt- und d-Moll lustvoll ausspielt. Immer wieder entwickeln, das ist für ihn der Wesenskern Saunders zählen. lichen Schwerpunkt (Natur – Volksfest – Rui- treten einzelne Instrumente nach Art eines künstlerischer Ästhetik; Dogmatismus begreift nen – Kampf), ohne die formalen Vorgaben der Concerto grosso, solistisch oder in Kleingruppen, er als «Zeichen der Schwäche». In diesem Sinne Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) Tradition zu vernachlässigen. Zudem ist das Werk aus dem Streicherverbund hervor. Dagegen wir- standen seine Werke oft quer zu den Trends, Sinfonie Nr. 3 a-Moll «Schottische» als Zyklus angelegt: durch Mendelssohns Vor- ken die beiden eingeschobenen Moderato- eben weil sie so stark vom Künstler-Ich geprägt Von der Nummerierung lasse man sich nicht schrift, die vier Sätze ohne Pause hintereinander Abschnitte mit ihren blockhaften Tutti-Akkorden sind. Kompositorisch fühlt sich Rihm in allen täuschen: Mendelssohns «Schottische» wurde zu spielen, ebenso wie durch verwandtschaft regelrecht statisch. Der 2. Satz, ein Arioso, Genres zu Hause, in der Kammer- und Orchester- erst 1842 und damit als letzte seiner fünf gro- liche Beziehungen zwischen den Hauptthemen. 30 31
INTE R P R E T E N Sylvain Cambreling Mit Sylvain Cambreling gastiert ein Dirigent bei ereilte: Opernchef in Frankfurt (1992–1997), in Ko n z e r t 4 Migros-Kulturprozent-Classics, der in den ver- Stuttgart (2012–2018), dazwischen Chefdirigent gangenen Jahrzehnten vor allem in der deut- des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und schen Musiklandschaft Spuren hinterliess. Freiburg, Gastspiele in Wien, Salzburg, an der Danach sah es anfangs gar nicht aus, beschränkte Met, der Scala. Zweimal wurde Cambreling zum sich Cambrelings Wirken als junger Dirigent doch Dirigenten des Jahres gekürt, für die Einspielung zunächst auf sein Heimatland Frankreich, die von Messiaens Orchesterwerken gab es 2009 Oper Lyon und das Pariser Ensemble Intercon- den Jahrespreis der Deutschen Schallplatten- Kammerorchester Basel temporain. 1981 ging er nach Brüssel. Am dorti- kritik. Aktuell hat der «Universalist unter den Dass ein Orchester auch ohne festen Dirigenten Romantik bis zur Moderne, die man mit regel- gen Opernhaus La Monnaie arbeitete er dann so Dirigenten» seine Zelte bei den Symphonikern auf höchstem Niveau musizieren kann, beweist mässig vergebenen Kompositionsaufträgen erfolgreich, dass ihn ein Ruf nach dem andern in Hamburg aufgeschlagen. das Kammerorchester Basel seit mehr als zwei bereichert. Unter seinem Ersten Gastdirigenten Jahrzehnten. Gegründet 1984 als Serenata Giovanni Antonini beteiligt sich das Orchester Sol Gabetta Basel, erfolgte die Umbenennung im Jahr 1999; an einer neuen Gesamtaufnahme von Haydns Schon mehrmals war sie im Rahmen von Migros- in Olsberg sowie Auftritte mit den renommier- seither verzichtet man auch auf einen Chefdiri- Sinfonien, zusammen mit Heinz Holliger wird Kulturprozent-Classics zu hören: die argentini- testen Orchestern weltweit, von den Berliner, genten. Wie beim legendären Basler Kammer- man zudem Schuberts Sinfonien einspielen. sche Cellistin Sol Gabetta, die seit Jahren ihren Wiener und Münchner Philharmonikern bis zum orchester von Paul Sacher ist die stilistische Grossen Wert legt das Ensemble auch auf die Wohnsitz in der Schweiz hat. Obwohl erst Ende Orchestre National de Radio France und den Bandbreite des Ensembles gross: Sie reicht von Musikvermittlung an Kinder und Jugendliche. 30, kann Gabetta auf eine beeindruckende musi- Tschechischen Philharmonikern. «Sie versprüht der Alten Musik – die auf historischen Instru- 2008 erhielt das Kammerorchester Basel einen kalische Laufbahn zurückblicken: 3. Preis beim eine fast unbändige Musizierlust, lässt den menten präsentiert wird – über Klassik und Echo Klassik. ARD-Musikwettbewerb 1998, mehrfache Echo- Cellobogen vor Freude tanzen», urteilte die Klassik-Preisträgerin, Premio Gardel 2009 und Presse. Und Gabetta gibt diese Freude an der zuletzt der Herbert-von-Karajan-Musikpreis. Musik weiter: als Moderatorin des BR-Klassik- Dazu hochgelobte CD-Einspielungen, eine stetig Magazins «KlickKlack», das vor allem junge wachsende Fangemeinde, ein eigenes Festival Menschen anspricht. Sol Gabet ta g Sylva in C ambrelin ester Basel Kammerorch 32 33
Konzert 5 – Abo II © Alexander Shapunov Casino Bern Mariinsky Orchestra Montag, 6. April 2020, 19.30 h Valery Gergiev (Leitung) Denis Matsuev (Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Igor Strawinski (1882–1971) Jahrmarkt in der Fastnachtswoche Suite aus dem Ballett «Petruschka» (ca. 40') Bei Petruschka Bei dem Mohren Der Jahrmarkt am Abend Igor Strawinski Presto Capriccio, Konzert für Klavier Andante rapsodico und Orchester (ca. 20') Allegro capriccioso ma tempo giusto Pause Igor Strawinski Introduktion. Kastscheis Zaubergarten und «Der Feuervogel». Tanz des Feuervogels. Suite aus der Ballettmusik (1911) (ca. 35') Molto moderato – Vivo – Allegro Bittgebete des Feuervogels. Adagio – Allegretto – Adagio Spiel der Prinzessinnen mit den goldenen Äpfeln. Allegretto Reigen der Prinzessinnen. Moderato Höllentanz sämtlicher Untertanen Kastscheis. Allegro feroce ev Valery Gergi 34 35
PR O G R A M M Kon z er t 5 Der zweite Satz hat etwas ungemein Sprechen- Auf diese märchentypische Konstellation mit des: Wie bei einer barocken Fantasie werden klarer Rollenverteilung von Gut und Böse, Hell Igor Strawinski (1882–1971) suchtsszenen, und im Finale wird Petruschka rezitativische Einfälle immer reicher ausge- und Dunkel antwortet Strawinski mit einem Suite aus dem Ballett «Petruschka» von seinem Rivalen erstochen. Keine Sorge, schmückt. Und im rondoartigen Schlusssatz ähnlich klaren kompositorischen Rezept, das er Da sind sich die Experten ausnahmsweise ein- erklärt der Zauberer der Menge und dem Publi- dominiert klassischer Etüdenstil, hier natürlich freilich bis ins Kleinste ausdifferenzierte: Iwan mal einig: ohne «Petruschka» kein «Sacre du kum: Es war doch nur eine Puppe. Aus der Ballett- mit einem kräftigen Augenzwinkern vorgeführt. und seine Braut werden durch diatonische Printemps»! Mag das ältere Ballett mit seinem musik formte Strawinski ohne grössere Eingriffe Die Premiere des Capriccios fand 1929 in Paris Melodien charakterisiert, Kastschei durch Chro- Jahrmarktstrubel und Marionettenabenteuern eine konzerttaugliche Suite. statt – mit Strawinski als Solist, der sich zudemmatik, der Feuervogel durch zusätzliche Inter- auch harmloser anmuten als die skandalträch- das exklusive Aufführungsrecht für die folgen- valle. Ein Modell, das Strawinski bei seinem tige Inszenierung heidnischer Riten – komposi- Igor Strawinski (1882–1971) den fünf Jahre sicherte. Von der rhythmischen Lehrer Rimsky-Korsakov studiert hatte, wie torisch haben die beiden Werke viel gemein. Capriccio, Konzert für Klavier Energie des Werks liessen sich etliche Choreo- auch die glänzende Instrumentierung dem Älte- Harte Schnitte, Collagetechniken, rhythmische und Orchester grafen zu einer Umsetzung als Ballett anregen. ren verpflichtet ist. Weitere Vorbilder sind Entladungen, Bitonalität: All dies findet sich Mit Solokonzerten tat sich Igor Strawinski zeit Tschaikowski (Figurenzeichnung) und Mussorg- bereits in «Petruschka», bloss im Gewand eines seines Lebens schwer. Zur Komposition eines Igor Strawinski (1882–1971) ski (der hymnische Schluss); harmonisch dage- Puppenspiels. Violinkonzerts musste man ihn regelrecht drän- «Der Feuervogel». Suite aus der gen geht das Werk neue Wege. Aus der Ballett- Auch die Entstehungsgeschichte beider Werke gen, sein erstes Klavierkonzert «bürstete» er Ballettmusik (1911) musik stellte Strawinski selbst 1911 eine verlief anfangs parallel: Während der Vorarbei- schon durch den Verzicht auf Streichinstru- Für den «Feuervogel» liess Igor Strawinski sogar Orchestersuite zusammen. ten zum «Sacre» hatte Igor Strawinski den Ein- mente gegen die Tradition. Und das Capriccio, eine Oper liegen. Im Herbst 1909 hatte der junge fall, die Erlebnisse einer Holzfigur musikalisch zu gewissermassen Strawinskis Klavierkonzert Komponist gerade den ersten Akt der «Nachti- gestalten, und zwar als Dialog zwischen Klavier Nr. 2, entstand vor allem aus dem Wunsch, sich gall» nach Andersen beendet, als er ein Tele- und Orchester. Sergei Diaghilew, für den er den der Öffentlichkeit als Pianist und Komponist gramm von Sergei Diaghilew erhielt: ob er ein «Feuervogel» geschrieben hatte, brachte eine gleichzeitig präsentieren zu können. Stück für dessen in Paris gastierende Ballett- Ballettversion ins Spiel, und als solche kam Zum spätromantischen Virtuosenkonzert à la compagnie schreiben wolle. Strawinski, ausser- «Petruschka» im Juni 1911 in Paris auf die Bühne. Rachmaninow bildet das Capriccio einen radika- halb seiner Heimat noch völlig unbekannt, packte Mit enormem Erfolg, wozu nicht nur Strawinski len Gegenentwurf: knappe, präzise Formulierun- die Gelegenheit beim Schopf und sagte sofort zu. beitrug, sondern auch die Choreografie Michail gen, entschlacktes Klangbild, klare Linienfüh- Diaghilew und seine Mitstreiter, der Choreograf Fokins, das Dirigat von Pierre Monteux sowie rung und viel Humor. Der erste Satz beginnt mit Michail Fokin und der Kostümbildner Léon die Leistungen der Tänzer (u.a. Waslaw Nijinski). einer Gegenüberstellung von Orchesterschlägen Bakst, hatten Sujet und Handlung des Balletts Von den vier Bildern des Balletts spielen die und sanfter Melodie, und aus diesem Kontrast bereits entworfen. Sie bedienten sich dabei beiden äusseren im Petersburger Fastnachts von perkussiven und gesanglichen Elementen dreier Erzählungen aus der berühmten Sammlung treiben. Zu den vielen Schaustellern, Musikern bezieht er seine Energie. Dass Strawinski dabei «Russische Volksmärchen»: Iwan Zarewitsch und Tänzern gesellen sich drei Puppen, die ein munter Ragtime-Passagen und Floskeln aus fängt den mythischen Feuervogel, schenkt ihm Zauberer zum Leben erweckt. Zwischen ihnen dem Klavierunterricht mischt, trägt zum Hör das Leben und besiegt mit seiner Hilfe den Zau- kommt es in den mittleren Bildern zu Eifer- vergnügen bei. berer Kastschei. 36 Igor Strawinski 37
INTE R P R E T E N Valery Gergiev Einen treuen Gast wie Valery Gergiev braucht sowie an der Metropolitan Opera, ganz zu Ko n z e r t 5 man dem Publikum von Migros-Kulturprozent- schweigen von seinen zahlreichen Auftritten bei Classics kaum noch vorzustellen. Seine Energie Festivals und natürlich seinem fast lebens und sein Arbeitspensum sind legendär; zuweilen langen Engagement am Petersburger Mariinsky heisst es, er müsse einen Doppelgänger haben, Theater. Diese Namen verbürgen aber auch, um all seine Herausforderungen zu bewältigen. dass bei Gergiev Quantität nicht mit Qualitäts- Tatsächlich hat der 1953 in Wladikawkas gebo- verlust einhergeht, im Gegenteil. Für sein Wir- rene Gergiev mehrere Chef- oder Gastdirigenten- ken als Pianist und Dirigent erhielt er mehrere Mariinsky Orchestra ämter bei Spitzenorchestern inne: aktuell beim Auszeichnungen, darunter den Herbert-von- Das Mariinsky Orchestra gehört zu den ältesten gleichwohl nach wie vor für seine Interpretatio- London Symphony Orchestra und bei den Karajan-Preis, den Echo Klassik sowie den Titel musikalischen Institutionen Russlands über- nen russischer Musik. Bei Kritikerumfragen wird Münchner Philharmonikern, zuvor in Rotterdam «Held der Arbeit der Russischen Föderation». haupt – und steht doch mit beiden Beinen in das Mariinsky Orchestra regelmässig unter die der Gegenwart. Zu verdanken ist das vor allem besten Klangkörper der Welt gezählt. Zuhause in Denis Matsuev seinem Chefdirigenten Valery Gergiev, der das St. Petersburg ist es der unumstrittene musika- Wer den Moskauer Tschaikowski-Wettbewerb auf ihn verzichten. In seiner russischen Heimat Orchester in den vergangenen drei Jahrzehnten lische «Platzhirsch»: Es spielt in der 2007 eröff- gewinnt, dem ist eine internationale Pianisten- ist Matsuev mittlerweile selbst als Festival zu internationaler Bekanntheit führte. Zudem neten Mariinsky Konzerthalle, Einspielungen karriere vorgezeichnet. So war es auch bei dem veranstalter tätig, u. a. beim Musikfest «Stars erweiterte er das Repertoire des ehemaligen werden unter dem gleichnamigen Label veröf- aus Irkutsk stammenden Denis Matsuev, der mit am Baikalsee». Eine kontinuierliche Zusammen Opernorchesters, das politisch bedingt mehr- fentlicht, und natürlich hat das Orchester auch 16 in die Hauptstadt zog und mit 23 dort seinen arbeit verbindet ihn mit dem Dirigenten Valery fach seinen Namen wechselte, um aktuelle sein eigenes Festival, die «Weissen Nächte». Ritterschlag erhielt. Seitdem führte ihn sein Gergiev. Als 2013 das neue Mariinsky Theater sinfonische Literatur. Am bekanntesten ist es Weg in die wichtigsten Konzertsäle der Welt, eingeweiht wurde, war Matsuev einer der darunter die Carnegie Hall, das Concertgebouw Solisten, und auf dem hauseigenen CD-Label und die Royal Festival Hall. Keines der grossen hat er neben Werken von Schostakowitsch und Festivals, sei es nun Edinburgh, Schleswig- Schedrin auch Rachmaninows 3. Klavierkonzert Holstein, die BBC Proms oder Verbier, möchte veröffentlicht. ev Denis Matsu ev Valery Gergi rchestra Mariinsk y O 38 39
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