BERNIE SANDERS' SOZIALISTISCHES AMERIKA - Von Ethan Earle ROSA LUXEMBURG STIFTUNG - Rosa ...
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Bernie Sanders’ sozialistisches Amerika Von Ethan Earle Mein Geburtsort liegt in North Carolina, aber erklärter demokratischer Sozialist kandidier- meine Eltern stammen aus Vermont. In mei- te er damals für das Amt des Bürgermeisters ner Jugend fuhr ich deshalb viele Sommer von Burlington und gewann zehn Stimmen hindurch die Ostküste entlang nordwärts, um mehr als der – zuvor vier Mal wiedergewählte unsere Familie in Burlington zu besuchen, der – Amtsinhaber. In der Folgezeit bestätigten die mit etwa 40 000 Einwohnern größten Stadt die- Burlingtoner ihn selbst drei Mal im Amt. Seine ses Bundesstaats. Auf einem dieser Ausflüge, Bürgermeisterzeit verschaffte Bernie das Re- irgendwann Anfang der 1990er Jahre, hörte ich nommee eines bekennenden Linken, vor allem zum ersten Mal von Bernie Sanders und seiner aber auch eines fähigen Administrators. Er spezifisch amerikanischen Vorstellung von de- führte den ersten Frauenausschuss der Stadt mokratischem Sozialismus. ein, förderte die Entwicklung von Arbeiterko- operativen und ergriff die Initiative zu einem Vermont ist ein eigenartiges Fleckchen. Sei- der ersten und erfolgreichsten staatlich (vom ne gerade mal 626 000 Einwohner, die es zum Bundesstaat Vermont) finanzierten kommu- zweitkleinsten der 50 US-Bundesstaaten ma- nalen Wohungsbauexperimente in den Verei- chen, wohnen ganz überwiegend in kleinen, nigten Staaten. Die letztgenannte Maßnahme über die Green Mountains verstreuten Land- bewirkte, dass Wohnungen für niedrige und städtchen. Diese Berge ziehen sich der Länge mittlere Einkommen erschwinglich blieben nach durch Vermont, als bildeten sie das Rück- und die Gentrifizierung Burlingtons sich in grat des kleinen Staates. Die Vermonter gel- Grenzen hielt, obwohl gleichzeitig ein Projekt ten als selbstbewusste, entschieden auf ihre zur städtebaulichen Aufwertung der Uferge- Unabhängigkeit bedachte und gelegentlich biete das Gesicht des Stadtzentrums stark ver- revolutionär aufbegehrende Leute. Gegründet änderte. Als engagierter Linker lud Bernie bei- wurde ihr Staat während des Unabhängigkeits- spielsweise Noam Chomsky zu einem Vortrag krieges durch Milizionäre, die auf eigene Faust ins Rathaus ein und verhalf Burlington durch handelten. Später war er der erste, der die einen Besuch bei Daniel Ortega in Nicaragua Sklaverei abschaffte und eine Schlüsselrolle in zu einer sandinistischen Partnerstadt. Als fä- der sogenannten Underground Railroad spiel- higer Administrator sorgte er für einen ausge- te: Vermonter versteckten flüchtige Sklaven glichenen Haushalt und trug seinen Teil dazu und schleusten sie über ihre Nordgrenze nach bei, dass Burlington heute allgemein als eine Kanada. In meiner Kindheit und Jugend hörte der freundlichsten und lebenswertesten Städ- ich manche der Geschichten darüber, die gern te der Vereinigten Staaten gilt. als Beleg dafür erzählt werden, dass die Ver- monter engagierte Bürgerinnen und Bürger 1990 bewarb Bernie sich dann um ein Kon- sind, bei denen Ungerechtigkeit oder politische gressmandat, das er gewann. Fortan saß erst- Doppelzüngigkeit schlecht ankommen. mals nach vier Jahrzehnten ein Unabhängiger im Washingtoner Repräsentantenhaus. Als- Bernie Sanders, gebürtig in Brooklyn, betrat bald betrieb er die Bildung einer fortschrittli- Vermonts politische Bühne erstmals 1980 und chen Abgeordnetenvereinigung, des Congres- zwar gleich von links. Als Unabhängiger und sional Progressive Caucus – der bis zum heu- 1
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA tigen Tage eine der wenigen linken Bastionen ten waschechten Linksliberalen, doch seine ei- auf Capitol Hill geblieben ist. Sanders tadelte gentliche Stärke erwächst aus der Zustimmung Politiker beider großer Parteien, wenn er sie kleinstädtischer weißer Arbeiterfamilien, de- für schuldig befand, der korrupten Logik Was- nen man (zumindest im Zeitraum der letzten hingtons dienstbar zu sein. Er steht im Rufe Jahrzehnte) kaum demokratisch-sozialistische eines ernsthaften, geradlinigen Politikers, der Neigungen nachsagt. stets eindringlich – vielleicht etwas monoman – darauf beharrt, dass unser Land schwe- Meine Familie besteht großenteils aus Friseu- re Probleme hat, denen es sich stellen muss. rinnen und Friseuren, untermischt mit ein paar Auch wenn er gelegentlich ruppig, gar unge- Krankenschwestern und Elektrikern. Wir sind hobelt auftritt, zog doch niemand je in Zwei- eine Familie von Jägern und Katy-Perry-Fans. fel, dass er seine Arbeit überaus ernst nimmt. Und wir gehören zu denen, die glauben muss- Schon bald fand seine Stimme landesweit Ge- ten, dass ihre Stimmen in der politischen Kul- hör, ganz gleich, ob es nun um die Kritik der tur des heutigen Amerika nicht zählen. Offen Einkommensungleichheit und die Forderung gestanden konnte erst Bernie Sanders meine nach einer öffentlichen Krankenversicherung Familie umstimmen. Fast alle Familienmitglie- für alle oder die Reform der Wahlkampffinan- der haben vor, bei der anstehenden Vorwahl zierung und, beispielsweise, um LGBT-Rechte für Bernie Sanders als Präsidentschaftskandi- geht (die Rechte von Lesben, Schwulen, Bi- und daten zu stimmen, obwohl sie sonst wohl bei Transsexuellen also). Später gehörte er zu den jeder Wahl den Republikanern zuneigten. Bei ersten Kritikern des Irakkriegs und von inner- meinen Vermont-Besuchen reden wir norma- amerikanischen Überwachungsprogrammen lerweise nicht über Politik, wenn aber doch, wie dem Patriot Act. dann über Bernie. Ich habe noch meine Tante im Ohr: „Auch wenn ich nicht allem zustimme, Im Grundsatz hat Bernie den von Anfang an was er sagt oder tut,“ versicherte sie einmal, eingeschlagenen Kurs beharrlich gehalten – „weiß ich doch genau, dass er meint, was er den eines unerschrockenen Linken, der sich sagt, und an das glaubt, was er tut. Ich weiß, in seiner Arbeit von prinzipienfester Unabhän- dass er uns nie verkaufen und immer reinen gigkeit und der Entschlossenheit leiten lässt, Wein einschenken wird.“ etwas zu bewegen und das, was er anpackt, auch zu schaffen. Zurück in Vermont, das er *** seit 2006 als Senator vertritt, ist Bernie weiter- hin unglaublich populär. So gewann er seine Dass Senator Bernie Sanders sich darum be- jüngste Wahl mit 71 Prozent der abgegebenen wirbt, der 45. Präsident der Vereinigten Staa- Stimmen und rangiert beständig unter den ten zu werden, erscheint immer weniger als US-Politikern mit den höchsten Zustimmungs- Donquijoterie. Seine Kampagne hat die ame- werten in ihrem Wahlkreis. Dass er aggressive rikanische Öffentlichkeit in eine ungewohn- Wahlwerbung verschmäht, ist ebenso bekannt te, geradezu hektische Stimmung versetzt. Er wie sein manchen altmodisch erscheinendes zieht mehr Publikum an und erweckt größere Bemühen, Gemeinsamkeiten auch mit Politi- Begeisterung als irgendein anderer Kandidat kern aus dem anderen Lager zu suchen. Bei- der einen oder der anderen Partei. Im Lauf des des hat seine Reputation nur weiter gefestigt. Jahres 2015 flossen seiner Kampagne 73 Mio. Bernies bedeutendste Leistung – sein eigentli- Dollar von über einer Million Einzelspendern ches Erfolgsgeheimnis – besteht in der Herbei- zu. Seit geraumer Zeit figuriert er auf den Ti- führung eines neuen politischen Konsenses im telseiten aller wichtigen Medien in den USA, Staate Vermont. Natürlich gefällt er den meis- und im Web befassen sich zahllose Tweets, 2
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA Shares und Internet-Meme mit Bernie. Seine er ganz einfach: durch Steuererhöhungen für wichtigste Gegenspielerin, die in dem Umfra- Reiche und Großunternehmen sowie die Be- gen immer noch vorn liegt – Hillary Clinton, die steuerung spekulativer Finanzgeschäfte. frühere Außenministerin, Senatorin, First Lady im Weißen Haus und Favoritin des Demokrati- Wenn er darüber spricht, wie Amerika zu ei- schen Parteiestablishments – stand bei ihrem nem der Länder mit der weltweit ausgepräg- Start vor gerade mal sechs Monaten mehr als testen Ungleichheit werden konnte, gilt Ber- irgendwer sonst im Rufe, niemand werde sie nies Zorn besonders den Großbanken, die er aufhalten können. Doch jetzt, während ich dies für die Finanzkrise der Jahre 2007/08 verant- – Ende Januar 2016 – niederschreibe, klammert wortlich macht. Kein einziger Bankchef sei Hillary sich an einen Siebenpunktevorsprung dafür ins Gefängnis gekommen, dass er Mit- in landesweiten Umfragen und muss sogar schuld an dem Crash trägt, während das ame- fürchten, in den ersten beiden Primary-Staa- rikanische Strafrechtssystem andererseits ten, die seit eh und je als Stimmungsbarometer Millionen Menschen für geringfügige und nicht für den Rest des Landes fungieren, zu unterlie- gewalttätige Delikte zu Haftstrafen verurteilt. gen. Noch erstaunlicher ist, dass Bernie San- Sanders plädiert für eine zeitgemäße Neuauf- ders’ Kampagne so gut läuft, obwohl er weder lage des Glass-Steagall-Gesetzes, das seit 1933 Konzernspenden akzeptiert, noch von irgend- die Trennung von Investmentgeschäften und einer Gruppierung des Establishments unter- traditioneller Banktätigkeit vorgeschrieben stützt wird und unentwegt die Vorzüge des hatte, bis es unter Präsident Bill Clinton 1999 demokratischen Sozialismus herausposaunt. außer Kraft gesetzt wurde. Letzthin kündigte Seine Botschaft, dass dieses Land dringend er zudem an, er werde – falls gewählt – in sei- einer politischen Revolution bedarf, lässt sich nem ersten Amtsjahr für die Entflechtung aller nicht überhören. „systemrelevanten“ („too big to fail“) Finanz- institute sorgen. Da Bernie Jahrzehnte in der Politik verbracht hat, verwundert es nicht, dass seine Wahlplatt- Doch der Hinweis auf seinen entschiedenen form breit und sehr detailliert – man könnte Wirtschaftspopulismus alleine kann nicht er- fast sagen: faktenhuberisch – angelegt ist. Viel- klären, warum Millionen Menschen mittlerwei- leicht zu detailliert, aber keinesfalls wirr: Dass le einer Art „Bernie-Stimmung“ verfallen – „Feel ihm die Ungleichheit, die Amerikas Wirtschaft the Bern“, wie der virale Hashtag es formuliert, immer stärker kennzeichnet, die größten Sor- der zu einem der Slogans der Sanders-Kam- gen macht, daran lässt der demokratische So- pagne geworden ist. Es liegt wohl eher daran, zialist keinen Zweifel. Er schlägt eine Erhöhung dass er so unverblümt ausspricht, wie es um des Mindestlohns von 7,25 Dollar auf 15 Dollar das Land steht. Die Verschuldung der Privat- bis zum Jahr 2020 vor. Er verspricht, durch Inf- haushalte und die wirtschaftliche Ungleichheit rastruktur- und Jugendförderungsprogramme haben historische Ausmaße erreicht, und die der Bundesregierung Millionen Arbeitsplät- Generation, die jetzt ins Erwachsenenalter ze schaffen zu wollen. Er will die öffentliche kommt, wurde durch den Irakkrieg und die Rentenversicherung ausbauen, für kostenlo- Große Rezession sozialisiert. Aufgewachsen se Hochschulausbildung an allen öffentlichen mit Mythen vom Amerikanischen Traum, sahen Universitäten sorgen und durch eine öffent- sie sich schon früh mit ganz anderen Realitäten liche Krankenversicherung allen Menschen konfrontiert – mit einer zunehmenden Mobili- in den Vereinigten Staaten zu umfassender tät nach unten, die außer den Eliten und eini- Gesundheitsversorgung verhelfen. Wie diese gen wenigen Glücklichen so gut wie jeden be- Programme finanziert werden sollen, erklärt droht. Vor diesem Hintergrund begreift man, 3
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA warum Bernies Kampagne so überraschend sie betreiben. Ihm geht es darum, dass wir uns gut einschlägt: Weil er dieses System als ka- unsere Demokratie zurückholen und auf die in putt, und zwar irreparabel kaputt bezeichnet seinem Wahlprogramm propagierten Refor- – als „not just broken but fixed“ in dem Sinne, men pochen, die uns nachhaltigen Einfluss auf dass es der Verewigung der Kontrollmacht ei- das Wirtschaftsgeschehen und den politischen ner kleinen, von politisch fest verankerten Ka- Prozess verschaffen sollen. pitalinteressen bestimmten Elite dient. *** Neben ihren wirtschaftspolitischen Vorschlä- gen hat die Sanders-Kampagne einen weiteren Es überrascht nicht, dass die herrschenden Schwerpunkt mit der Forderung, die Politik Kräfte keine Freude an Bernie haben. Beson- vom Einfluss des Großen Geldes zu befreien. ders beleidigt zeigt sich – bedauerlicherweise, Lautstark verlangt Bernie eine umfassende Re- aber auch nicht überraschend – das Partei- form der Wahlkampffinanzierung, darunter die establishment der Demokraten. Dabei kann Aufhebung der Citizens-United-Entscheidung dessen Kandidatin Hillary Clinton bislang 455 des Obersten Gerichtshofs der USA und die Ab- Unterstützungserklärungen von Gouverneu- schaffung der „Super-PACs“ (PAC = Political Ac- ren und Kongressabgeordneten für sich verbu- tion Committee). Die Gerichtsentscheidung von chen, verglichen mit drei für Bernie Sanders. 2010 und die Begünstigung von Großspendern Achtzehn Gewerkschaften mit zwölf Millionen durch die Zulassung von Super-PACs haben Mitgliedern haben sich für Clinton erklärt, dazu geführt, dass die Finanzmacht der Konzer- während lediglich drei Gewerkschaften mit zu- ne den Wahlprozess immer stärker beeinflusst. sammen einer Million Mitgliedern Sanders un- Bernie ruft uns regelmäßig in Erinnerung, terstützen. Unter den sogenannten Superdele- dass er der einzige Kandidat ohne Super-PAC gierten soll Hillary über einen 45:1-Vorsprung ist und eine konzernunabhängige Kampagne verfügen. (Bei den „Superdelegierten“ handelt führt. Seine Wahlkampfmittel stammen im es sich um eine unerfreuliche Besonderheit des Wesentlichen aus kleinen Einzelspenden und amerikanischen Wahlsystems: Auf sie entfällt wenigen größeren Zuwendungen von Gewerk- ungefähr ein Drittel der Parteistimmen, doch schaftsseite. Hillarys Kampagne dagegen wird unterliegen sie keiner demokratischen Kont- hauptsächlich von vermögenden Bürgern und rolle durch die tatsächliche Wählermeinung.) Konzernen finanziert; unter ihren zehn größten Das Democratic National Committee (DNC) Geldgebern befinden sich sechs Banken. hat seinerseits versucht, Clintons Vorsprung zu sichern, indem es die Fernsehdebatten der Bernie ist überzeugt, dass die Wirtschaft Ame- Kandidaten extrem beschränkte. Einmal hat rikas Demokratie gekapert hat, und das lässt die Parteiführung Sanders gar wegen eines (in ihn öffentlich über eine „politische Revoluti- der Sache umstrittenen) „Datendiebstahls“ un- on“ nachdenken. Fast in jeder Rede stößt er verhältnismäßig hart bestraft, indem sie ihm in dieses Horn, ohne je einen Zweifel daran zeitweilig die Nutzung der Parteidatenbank für zu lassen, dass weder er noch sonst irgend- seinen Wahlkampf sperrte. Derweil überschla- ein Politiker allein für die notwendigen Ver- gen die Fernsehsprecher des Establishments änderungen sorgen kann. In Bernies Version sich in dem Bemühen, Bernie die Fähigkeit, beginnt die politische Revolution damit, dass Wahlen zu gewinnen, abzusprechen, obwohl das amerikanische Volk möglichst massenhaft zahlreiche Umfragen das Gegenteil beweisen. an die Urnen geht. In diesem Sinne fordert er auch die Beseitigung der rassistischen Wahl- Die Wohlmeinendsten unter den Hillary-An- rechtseinschränkungen, wie die Republikaner hängern dürften etwa wie folgt argumentie- 4
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA ren: Egal welcher verrückte/gefährliche Strolch vor acht Jahren vergleichen ließe. Doch dessen am Ende siegreich aus der Rauferei hervor- Regierungszeit hat uns zugleich die Grenzen geht, als die sich der im Wrestling-Stil ausgetra- symbolischer Politik aufgezeigt: In diesen Jah- gene Vorwahlkampf der Republikaner darstellt ren sind Durchschnittseinkommen und -ver- – Hillary Clinton sei nun einmal diejenige, die mögen der Schwarzen gesunken, während diesen Burschen noch am ehesten schlagen andererseits die Inhaftierungsraten scheinbar könne. Und weiter werden ihre Freunde ar- unaufhaltsam weiter steigen und Latino-Ein- gumentieren, sie werde es, einmal zur Präsi- wanderer in rekordverdächtigen Größenord- dentin gewählt, auch noch am ehesten schaf- nungen abgeschoben werden. Die harte politi- fen, die Dinge in Washington auf die Reihe zu sche Währung der Wahl eines Präsidenten, der bringen. Politik sei nun einmal ein schmutzi- über einen Plan und über das Mandat verfügt, ges Geschäft, und die Republikanische Par- die Art und Weise wie Washington – und unser tei habe sich durch ihren Obstruktionismus Land insgesamt – funktioniert, substanziell zu ebenso wie durch ihren Fanatismus grund- verändern, wiegt bedeutend schwerer als sol- legend verändert. Hillary sei vielleicht keine che bloß symbolischen Akte. Lichtgestalt, doch jedenfalls diejenige in der Demokratischen Partei, die zumindest einige *** positive Reformen durchsetzen könne, soweit unser dysfunktionales Regierungssystem dies Wie kaum anders zu erwarten, haben die De- überhaupt zulasse. Außerdem sei es höchste batten „der Linken“, wie ich sie verallgemei- Zeit, werden die Wohlmeinenden sagen, nach nernd nennen möchte, über diese Wahl in den über zwei Jahrhunderten ununterbrochener letzten Monaten ziemlich hässliche Formen Männerherrschaft endlich eine Frau ins Weiße angenommen. Eine Zeit lang sorgten Bernies Haus zu wählen. beharrliche Weigerung, negative Wahlkampf- techniken anzuwenden – in Verbindung mit Diesem Argumentationsgang würde ich entge- dem ursprünglich komfortablen Vorsprung genhalten, dass Clinton viel zu viel von eben- Hillarys – für einen einigermaßen zivilen Ver- dem repräsentiert, was an unserem politi- lauf. Doch mit dem Fortgang der Kampagne schen System heute dysfunktional ist, als dass und der Verringerung ihres Vorsprungs sind sie tatsächlich Abhilfe schaffen könnte. Sie ist Hillarys Anhänger in den Medien dazu über- der Wall Street so eng verbunden wie nur ir- gegangen, Bernie-Unterstützer ziemlich wahl- gendein Politiker gleich welcher Partei. Sie hat los als „Brocialists“ abzustempeln, als eine Art für den Irakkrieg gestimmt und hält dem krie- sexistischer Macho-Linker. (Das Schimpfwort gerischen Falkenflügel einer Demokratischen „Brocialist“ setzt sich aus „Bro“ alias Bruder/ Partei die Treue, der von der weithin diskredi- Kumpel und „Socialism“ zusammen – d. Übs.) tierten Fahne des liberalen Interventionismus Bernies Anhänger hielten bissig und manch- um keinen Preis lassen mag. Clinton ist poli- mal recht undiplomatisch – aber in der Sache tisch vor allem darauf geeicht, Macht als solche durchaus zu Recht – dagegen, dieser habe zu gewinnen, während Sanders über 30 Jahre doch immer wieder politische Schritte und an- hindurch in verschiedenen Wahlämtern kon- dere Maßnahmen unterstützt, die weit mehr sequent zu seinen Wertmaßstäben gestanden für die Frauengleichstellung (jedenfalls über hat. Eine Frau ins Präsidentenamt zu wählen, Mittelschichtskreise hinaus) gebracht haben wäre zweifellos ein Akt von hohem Symbolge- als Clintons Vorschläge. Diese Debatte hätte halt – ein potenziell historischer Vorgang, der das Pozential zu einer produktiven Auseinan- sich insofern mit der Wahl Barack Obamas zum dersetzung über die Unterschiede zwischen ersten schwarzen Präsidenten unseres Landes befreiungs- und karriereorientiertem Feminis- 5
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA mus, ist aber bislang zumeist auf papierne und Interessanter und bedeutsamer für den ge- parteiische Argumente beschränkt geblieben genwärtigen Stand der Dinge in der amerikani- und über das Stadium der Schlammschlachten schen Politik ist eine Debatte, die auf der letz- à la Twitter kaum hinausgekommen. ten Konferenz von „Netroots Nation“, einem wichtigen Jahrestreffen linker Kräfte, offen ent- Weiter links verkünden die üblichen Verdäch- brannte. Aktivisten der Bewegung „Black Lives tigen, Bernie sei gar nicht berufen, die wahre Matter“ (BLM) unterbrachen dort eine San- Revolution zu verfechten. Sie halten ihm eine ders-Rede, um auf die anhaltende Polizeigewalt ganze Litanei von Verfehlungen, ja geradezu gegen Schwarze hinzuweisen und entschiede- Erbsünden vor, die grob gesagt alle auf den Vor- nere Aktionspläne zur Überwindung des struk- wurf hinauslaufen, er habe sich nicht mit Haut turellen Rassismus in den USA zu fordern. San- und Haaren einer ganz bestimmten (und mei- ders’ Reaktion auf diesen Vorstoß wurde von ner Auffassung nach esoterischen) politischen einigen abgetan als unangemessen im Ton und Linie verschrieben. Manche sagen, er fungiere von oben herab. Dass Bernie daraufhin heraus- als eine Art Hirtenhund der Demokratischen strich, was er selbst in Sachen racial justice alles Partei, der enttäuschte Jugendliche wie entlau- unternommen habe, und das Thema Rassismus fene Schafe in deren Hürden zurücktreibt – ob- in den Kontext seines auf die Verringerung der wohl Bernie doch fast sein ganzes politisches sozialen Ungleichheit zielenden wirtschaftspo- Leben als Unabhängiger tätig war und jetzt litischen Programms einzuordnen versuchte, für das Parteiestablishment so etwas wie der half ihm zunächst wenig. Eine Wochen danach „Staatsfeind Nummer 1“ geworden ist. Andere unterbrach eine BLM-Gruppe aus Seattle er- wiederum können ihm nicht verzeihen, dass er neut einen Sanders-Auftritt, diesmal bei einer sich fälschlich als demokratischer Sozialist aus- Jubiläumsveranstaltung anlässlich des 80jähri- gebe, wo er doch in Wahrheit Sozialdemokrat gen Bestehens der Social Security. Die BLM-Ak- sei – was für eine Frechheit! Und schließlich gibt tivisten rissen das Mikrofon an sich, ehe Bernie es noch jene, für die Bernie Persona non grata etwas sagen konnte, und weigerten sich, ihn ist, weil er bei dieser oder jener außenpoliti- auf ihre Vorwürfe antworten zu lassen. Die schen Abstimmung vermeintlich oder tatsäch- Stadt Seattle bezichtigten sie nach Buhrufen lich falsch entschied, also nicht besser als alle aus dem Publikum des Rassismus und hielten anderen sei. Dass er die Regimewechsel-Politik die Bühne so lange besetzt, bis die Veranstal- unseres Landes beharrlich kritisiert, zählt für tung abgebrochen wurde. sie nicht. Ebenso wenig, wie entschieden er die weitaus größere Bedrohung betont, die vom Unmittelbar nach diesem zweiten Vorfall stellte Klimawandel ausgeht, verglichen mit der in den die Sanders-Kampagne eine (vermutlich nach Medien aggressiv herausgestellten Terroris- der ersten Intervention entworfene) Agenda musgefahr. Auch wenn derartige politische Pa- zur Gleichberechtigung der Schwarzen vor, der thologien das politische Mainstream-Bewusst- – als Geste der Zustimmung zu den Forderun- sein kaum berühren, lohnt es sich doch, sie zu gen von „Black Lives Matter“ und anderen Ak- erwähnen, weil sie die Positionen innerhalb tivisten – eine Namensliste der in letzter Zeit der „sozialistischen Linken“ im weitesten Sinne von der Polizei getöteten schwarzen Frauen deutlicher kenntlich gemacht haben – den Un- und Männer voransteht. Im Anschluss daran terschied etwa zwischen denen, die zu den Leu- geht die Agenda unmittelbar auf die physische ten hingehen und ihre Politik auf der Basis der Gewalt seitens staatlicher Stellen und rechter realen Verhältnisse entwickeln, und jenen, die Extremisten ein, der Menschen schwarzer und lieber unter sich bleiben und alle beschimpfen, brauner Hautfarbe in diesem Land ständig die noch nicht bei ihnen mitmachen. ausgesetzt sind. Es folgt eine etwas langatmige 6
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA Liste politischer Vorschläge und Forderungen, Erfahrung dar – und damit für die Linken insge- die sich ebenfalls mit der Problematik politi- samt eine gute Nachricht. Ergänzend zu seiner scher, polizeilicher, justizieller, wirtschaftlicher Racial-Justice-Agenda hat Bernie mittlerweile und ökologischer Gewalt befassen, unter der wichtige Posten in seinem Wahlkampfteam Communities of Color besonders zu leiden ha- mit Schwarzen und Latinos besetzt. Auch be- ben. Diese neue Agenda hat den Beifall pro- müht er sich sichtlich, dem anhaltenden Trend minenter Stimmen aus der BLM-Bewegung erschreckender Polizeigewalt gegen Schwarze gefunden. die gebührende Aufmerksamkeit der Öffent- lichkeit zu verschaffen. So besuchte er bei- Während die erste BLM-Aktion demonstrierte, spielsweise die Familie von Sandra Bland, einer wie zwei unterschiedliche, in ihren Zielen aber 28-jährigen Frau, die wegen eines geringfügi- teilweise übereinstimmende progressive Be- gen Verstoßes gegen Straßenverkehrsregeln wegungen kritisch, doch letztlich produktiv auf- verhaftet und später in ihrer Zelle tot aufge- einanderstoßen können, zeigte demgegenüber funden worden war. Bernie äußerte sich dazu die zweite, dass die beiden manchmal durch- mit der starken, wenngleich tragisch einfachen aus aneinander vorbei reden. Bernie, 74 Jahre Aussage, die junge Frau „würde heute noch le- alt, weiß, ein jüdischer Mann aus dem zweitwei- ben, wäre sie eine Weiße gewesen“. Er ist auch ßesten Staat Vermont (96,7 Prozent), erkannte zusammen mit prominenten schwarzen Künst- nicht sofort die Dringlichkeit des Themas raci- lern wie Killer Mike von der Rap-Group „Run al justice und ebenso wenig, welch schlechtes the Jewels“ aufgetreten und versteht sich heu- Bild er mit dem Versuch abgab, die BLM-For- te besser darauf zu verdeutlichen, in welchem derungen einfach in seine vorgegebene Wahl- Ausmaß die wirtschaftliche Entwicklung der plattform einzuordnen, deren Schwerpunkt USA seit den Zeiten der Sklaverei rassistisch auf Fragen wirtschaftlich-sozialer Gerechtigkeit unterlegt ist. Zwar steht sein Bekanntheits- liegt. Die BLM-Aktivisten ihrerseits verhielten grad in den Minderheiten-Communities immer sich kurzsichtig, als sie die Szene zum Nachteil noch weit hinter demjenigen Hillary Clintons eines Menschen ausschlachteten, der – um das zurück, doch sind seine Sympathiewerte und Mindeste zu sagen – sich stets als guter „wei- die ihm zugetrauten Abstimmungsergebnisse ßer Bündnispartner“ der Schwarzenbewegung deutlich gewachsen. erwiesen hat und schon 1963 an der Seite Martin Luther Kings marschierte. Was bei der Allgemeiner gesehen lassen diese Ausein- Netroots-Konferenz als nützliche Provokation andersetzungen und Entwicklungen sich als wirkte, war in Seattle eindeutig überzogen. Die Bestandteil einer neuen Aufwärtsbewegung – dortige Intervention ging von sozialpolitisch re- vielleicht sogar einer neuen Generation – linker lativ unerfahrenen Aktivisten aus, die auch der Aktivitäten in den Vereinigten Staaten auffas- Führung von „Black Lives Matter“, einer grund- sen. Nach mehreren Jahrzehnten des Rückzugs sätzlich offenen Bewegung, weit weniger na- – zumindest was die Präsenz der Linken im öf- hestehen. Ihre Aktion wirkte eher zynisch, und fentlichen Bewusstsein angeht – kehrte sich die an der Entwicklung einer ideologische Gräben Entwicklungsrichtung mit „Occupy Wall Street“ überwindenden progressiven Politik schienen im September 2011 plötzlich um.1 Die OWS-Be- sie nicht sonderlich interessiert zu sein. wegung wies all die schönen wie die schwieri- gen Eigenschaften eines neugeborenen Kindes *** 1 Vgl. dazu meine Studie: Eine kurze Geschichte von Oc- cupy Wall Street, hgg. vom New Yorker Büro der Rosa- Alles in allem stellt die Bernie/BLM-Geschichte Luxemburg-Stiftung, November 2012, www.rosalux-nyc. eine für Sanders und seine Anhänger lehrreiche org/de/a-history-of-occupy. 7
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA auf, und für viele, wenn nicht die meisten Be- Machtfaktor werden kann, und zugleich neue teiligten war die Erfahrung, die sie da machten, – auf Klassensolidarität und der Überwindung tatsächlich brandneu. So gesehen erlebte hier ethnischer Spaltungen basierende – Bündnis- eine ganze Generation erstmals hautnah, dass se zusammenzuführen, also das Gegenteil der es doch möglich ist, in den Vereinigten Staaten Spaltungen zu bewirken, in welche die Kon- für grundlegende Veränderungen politisch ak- zerninteressen uns treiben. Sanders hat es in tiv zu werden. „Black Lives Matter“ steht zwar Vermont vorgeführt, vielleicht nicht immer auf in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erwartungsniveau sozialistischer Höhen- „Occupy Wall Street“ und ist auch nicht aus der flüge, aber auf unzweifelhaft transformative OWS-Bewegung hervorgegangen, doch fand und nachhaltige Weise. Und wenn wir uns den BLM in deren Kielwasser Zugang zu Mainstre- Zustand der amerikanischen Politik vor Augen am-Medien und berücksichtigt in ihrer Praxis führen – der es einem Rechtspopulisten wie (bewusst oder unbewusst) viel von dem, was Donald Trump gestattet, mit billigem Was- an OWS bemängelt wurde. hington-Bashing einen beträchtlichen Teil des republikanischen Elektorats in seinen Bann Die Sanders-Kampagne erreicht Millionen zu ziehen –, wissen wir, was wir zu tun haben: Menschen, die ein Präsidentschaftswahlkampf Nichts ist dringlicher, als für eine neue Neue eher anregt, sich für Politik zu interessieren. Mehrheit in diesem Lande zu kämpfen, die auf Nimmt man die drei skizzierten Entwicklungen Zusammengehörigkeit gründet und nicht auf zusammen (auch wenn sie nicht in allen Fällen Hass. als eine, als Triple-Bewegung gesehen werden möchten), so haben wir es hier mit dem Beginn Zurück zu Bernie: Der kümmert sich weiter um einer neuen Ära fortschrittlicher Politik in den den Zusammenhalt und Ausbau der Koalition, Vereinigten Staaten zu tun. Sicher, Auseinan- die er durch eine Politik jenseits der typischen dersetzungen zwischen diesen und anderen Fraktionsgrabenkämpfe hat schaffen können. politischen Bewegungen sind wichtig und nö- Man kennt seine Unterstützung für amerika- tig, genau so wie das kritische Ringen um Ge- nische Kriegsveteranen ebenso wie sein En- stalt und Richtung progressiver Politik. Nicht gagement dafür, der Fed – der US-Zentralbank minder wichtig ist allerdings, dass wir nicht in – auf die Finger zu sehen. Beide Themen gelten destruktive Grabenkämpfe verfallen und uns herkömmlicherweise eher als Domänen der nicht von der Grundfrage unserer Zeit ablen- Konservativen. Und erstaunlich viele seiner ken lassen: Wie lässt das politische und öko- republikanischen Kollegen im Kongress mö- nomische System der Vereinigten Staaten sich gen Bernie Sanders, nicht als Gesprächspart- dahingehend umgestalten, dass es für jede ner für Themen wie Baseball oder dergleichen, und jeden in diesem Lande da ist und zugleich aber als jemanden, der nicht anders redet als für den Rest der Welt mehr Nutzen und weni- er handelt. Als er kürzlich an der konservativen ger Schaden bewirkt? Christian Liberty University eine Rede hielt, griff Bernie auf ein rhetorisches Hilfsmittel Bernie Sanders tut, was er kann, damit wir zurück, dessen er sich seine ganze Karriere diese gewaltige Aufgabe ernsthaft ins Auge hindurch immer wieder bedient hat: „Wir sind fassen, ohne den geringsten Zweifel daran zu vielleicht nicht in allen Fragen einer Meinung“, lassen, dass sie nicht von ihm alleine gelöst versicherte er seinem Publikum, „aber wir kön- werden kann. Vor allem deshalb unterstütze nen uns darüber verständigen, wie ungerecht ich Bernie und finde, alle sollten das tun. Nie- die Ungleichheit, die Korruption und die man- mand ist besser als er dafür positioniert, eine gelnde Funktionsfähigkeit sind, die unser Sys- breite Bewegung in Gang zu bringen, die zum tem prägen.“ 8
ETHAN EARLE BERNIE SANDERS’ SOZIALISTISCHES AMERIKA So tief die Risse sind, die der gegenwärtige Vor- Frau als Präsidentin regiert – Cristina Kirchner, wahlkampf in beiden großen Parteien offen- eine Progressive. Wie groß der Schritt auch legt, so deutlich macht er auch, dass ein noch sein möge, den die USA mit der Wahl einer Frau viel tieferer kultureller Gegensatz zwischen zur Präsidentin täten – was wäre er im Ver- dem konservativen und dem progressiven La- gleich zur Wahl eines sozialistischen Präsiden- ger unser Land zerreißt. Niemand scheint sich ten im mächtigsten Land der kapitalistischen etwas Schrecklicheres vorstellen zu können als Welt? Moment mal, rief meine Großmutter – die Wahl eines Politikers der Gegenseite ins weniger misstrauisch als den Staub von einer Weiße Haus. Über den ökonomischen und poli- Idee, die sie lange Zeit nicht erwogen hatte, tischen Wandel hinaus, den Bernie propagiert, abschüttelnd – seid ihr beide etwa Sozialisten? steht er auch für die Möglichkeit, unser tief Wir sahen einander an und zögerten einen Au- gespaltenes Gemeinwesen im 21. Jahrhundert genblick lang, bis meine Frau antwortete: Yeah wieder zu einen. Dass ein Präsident Bernie – wenn’s weiter nichts braucht, um Sozialist zu Sanders vorstellbar ist, gibt uns eine – wenn sein, dann sind wir wohl welche. Meine Groß- auch noch unvollständige – Wegbeschreibung mutter sah uns überrascht, vielleicht auch ein an die Hand, wie wir der kulturellen und politi- wenig schalkhaft an – womöglich versuchte schen Zwangslage, in der wir stecken, entkom- sie aber auch nur, aus ihrem Enkel und ihrer men können. (angeheirateten) Enkelin schlau zu werden und zugleich die ganze Spannweite alter und neuer *** Ideen zu erfassen. Ach so, sagte sie schließlich, langsam und bedächtig. Als wir zuletzt in Vermont waren, besuch- ten meine argentinische Frau und ich meine Bei meinem nächsten Familienbesuch wird 90-jährige Großmutter, die ihr ganzes Leben in Vermonts jüngster Beitrag zum Gang der ame- dem kleinen Staat verbracht hat und sich leb- rikanischen Geschichte, hoffe ich, Anlass zum haft für Golf und Talkshow-Politik interessiert. Feiern geben, im Fall der Fälle sogar dazu, ei- Wie nicht anders zu erwarten, kamen wir auf nander zur Wahl des ersten demokratisch-so- den Wahlkampf zu sprechen, und sie sagte, ei- zialistischen Präsidenten zu beglückwünschen. ner ihrer Söhne – mein Onkel – versuche, sie Aber auch wenn Bernie verliert, wird seine für Bernie zu gewinnen. Sie blieb unentschlos- Kampagne, wie ich meine, dennoch als Erfolg sen. Sie kennt Bernie seit Jahrzehnten, mag ihn zu werten sein: Weil sie vorstellbar und sinnlich und traut seinem Urteil, aber sie möchte auch erfahrbar gemacht hat, dass wir in eine neue unbedingt eine Frau im Weißen Haus sehen, Ära progressiver Politik eintreten können. So bevor sie stirbt. Das Argument ist einfach, und oder so hat Bernies Botschaft, dass wir eine es ist stark. Ich nehme es sehr ernst. politische Revolution brauchen, eine neue Ge- neration junger Menschen erreicht – und damit Meine Frau widersprach: In dem Land, aus dem ein Fundament gelegt, auf dem alle, die eine sie kommt, habe jetzt fast zehn Jahre lang eine bessere Zukunft erstreben, aufbauen können. www.rosalux-nyc.org
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