Berufssportrecht - Fortschreitende Privatisierung der Rechtsetzung - JKU ePUB

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                                        Markus Zocher

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                                        Institut für Europarecht

                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                        Univ.-Prof. Dr. Franz

Berufssportrecht –
                                        Leidenmühler

                                        Juni 2020

Fortschreitende
Privatisierung der
Rechtsetzung

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium
Rechtswissenschaften
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Linz, Juni 2020

Markus Zocher

                                                                                      2
Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung – Die Stellung des Sports in der Gesellschaft................................................5

II. Überblick über die historische Entwicklung des Sport(recht)s.......................................7

     A. Antike.......................................................................................................................7

           1. Die Olympischen Spiele des antiken Griechenlands........................................7

           2. Die Bedeutung des Sports im alten Rom..........................................................8

     B. Mittelalter.................................................................................................................9

     C. Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert...............................................................................9

III. Begriff des Sportrechts................................................................................................11

     A. Der Rechtsbegriff ..................................................................................................12

     B. Rechtsausblick nach Deutschland........................................................................14

     C. Definition des internationalen Sportrechts............................................................15

           1. Das internationale Sportrecht (i. e. S.)............................................................15

           2. Das internationale Sportrecht (i. w. S.)...........................................................16

IV. „lex sportiva“: Die private Rechtsetzung als Regelfall im Sportrecht..........................17

     A. Rechtsetzungsorgane............................................................................................18

     B. Begrenzung durch staatliches Recht.....................................................................18

V. Die Auswirkungen der Autonomie der Sportverbände bezüglich der Einheitlichkeit im
     Sportrecht...................................................................................................................20

     A. Spielregeln als „Rechtsetzung“?...........................................................................20

           1. Verstoß gegen die Grundfreiheiten der EU.....................................................21

           2. Begrenzungen des Strafrechts bei Sportausübungsregeln............................23

     B. Organisation der Wettkämpfe................................................................................24

           1. Die Auswirkungen durch das Bosman-Urteil..................................................26

           2. Transferbestimmungen...................................................................................26

           3. Das „Sonderproblem“ der Individualsportarten...............................................27

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VI. Schiedsgerichtsbarkeit................................................................................................29

     A. Allgemeines zur Schiedsgerichtsbarkeit................................................................29

     B. Die Notwendigkeit einer (einheitlichen) Sportgerichtsbarkeit................................29

           1. Vorteile............................................................................................................31

           2. Nachteile.........................................................................................................33

     C. Die (Un-)Zulässigkeit des Rechtswegs.................................................................34

     D. Prüfungsbefugnis der ordentlichen Gerichte.........................................................35

     E. Schiedsfähigkeit in Österreich...............................................................................36

           1. Objektive Schiedsfähigkeit..............................................................................36

           2. Subjektive Schiedsfähigkeit............................................................................37

VII. Schiedsgerichtsbarkeit des internationalen Sportgerichtshofs (CAS).......................37

     A. Schiedszwang.......................................................................................................38

     B. Anwendbares „Schiedsrecht“................................................................................39

     C. Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte.........................................................40

     D. Die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen des CAS..................42

VIII. Schlussbemerkungen................................................................................................42

IX. Literaturverzeichnis....................................................................................................45

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I.    Einleitung – Die Stellung des Sports in der Gesellschaft

Die Stellung des Sports nimmt in der heutigen Gesellschaft eine immer wichtiger
werdende Position ein. Der Sportbereich hat sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts
durchaus zu einem sehr bedeutenden gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und
auch politischen Phänomen entwickelt.1 Es kann durchaus von einer teilweisen
„Versportlichung“ der modernen Gesellschaft gesprochen werden, die sich vor
allem durch Wachstum und Differenzierung auszeichnet.2

Dies hat wiederum als logische Folge wirtschaftliche Interessen geweckt und so hat
sich der Sport auch zu einem sehr wichtigen Wirtschaftszweig entfaltet. Das seit
Jahren aufblühende wirtschaftliche Interesse und der damit einhergehende
Lobbyismus hinter den diversen Sportarten ermöglichen es, immer größer
werdende Umsätze zu erzielen. Über Jahre hinweg sind dabei zahlreiche
Sachgüter und Dienstleistungen durch und speziell auch für den Sport entwickelt
worden. Daraus resultierend entstand eine Vielzahl an Organisationen, die sich
daraufhin viel mit dem Sport beschäftigt hat. In weiterer Folge konnten sich dadurch
viele große Markennamen etablieren.3 Gerade Sportarten wie der weltweit
verbreitete Fußball oder saisonal bzw regional verbreitetere Sportarten – wie etwa
Tennis, Basketball oder American Football -- ermöglichen Jahr für Jahr
rekordverdächtige Gewinnsummen. Durch steigende Medienpräsenz eröffnen sich
sowohl für Sportverbände und -vereine als auch für einzelne Athleten neue
Möglichkeiten, durch Sponsoren-, Werbe- oder etwa auch durch Spenden
Einnahmequellen zu generieren.4 Als logische Konsequenz stellen solche weit
verbreiteten Sportarten nicht nur für diverse Großunternehmen eine gute

1 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
  27.
2 Vgl Güllich/Krüger, Konzeption des Lehrbuchs, in: Güllich/Krüger (Hrsg), Sport: Das Lehrbuch für das
  Sportstudium1 (2013), 5.
3 Vgl Preuß, Bedeutung und Arten von Marken im Sport, in: Preuß/Huber/Schunk/Könecke (Hrsg), Marken
  und Sport: Aktuelle Aspekte der Markenführung im Sport und mit Sport 1 (2014), 3.
4 Vgl Schneider/Köhler/Schumann, Medien und Psychologie im Spitzensport – Eine Einführung, in:
  Schneider/Köhler/Schumann (Hrsg), Sport im Spannungsfeld zwischen Medien und Psychologie: Aktuelle
  Herausforderungen und Perspektiven1 (2016), 11ff.

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Investitionsmöglichkeit           dar,       sondern         erscheinen           auch        für      die
„Durchschnittsbürger*innen“ in diversen Wettbüros als gewinnbringend interessant.5

Mittlerweile ist es durch zahlreiche Studien belegt, dass die sportliche Betätigung
gesundheitsförderndes Potential besitzt. Das Risiko für verschiedenste chronische
Krankheiten kann durch regelmäßige Sportausübung gesenkt werden. Aus diesem
Grund erscheint es vielen Menschen als sinnvoll und erstrebenswert, sich sportlich
zu betätigen, um einen gesünderen Lebensstil zu pflegen.6
Darüber hinaus ist auch die positive Auswirkung auf die geistige Gesundheit des
Menschen nicht zu unterschätzen. Gerade in der aktuellen, schnelllebigen Zeit hat
der stressreduzierende Ausgleich durch Ausübung einer Sportart eine durchaus
wichtige Rolle eingenommen.7

Auch in Österreich spielt der Sport eine sehr bedeutsame Rolle. Österreich gilt seit
vielen Jahren als „Ski-Nation“. Das Skifahren bildet seit Beginn der Zweiten
Republik einen „Baustein“ der nationalen Identität. Dies erfolgte hauptsächlich
durch eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Durch das „Miterleben“ bei solchen
Nationalsportarten kommt es vermehrt zu einer Sportifizierung nationaler Identität.8

Nicht zu unterschätzen sind die großen Auswirkungen des Sports in den sozialen
Bereichen des Lebens. Durch Organisation in Vereinen, Mannschaften und gerade
auch im Wettkampf kommt es stets zu einer Einübung sozialen Verhaltens. Ebenso
dient der Sport der Erleichterung der sozialen Integration unterschiedlichster
Nationalitäten, Gruppen und Schichten.9

5 Vgl Heißl, Glücksspiel (Toto) und Sportwetten, wbl 2018, 75ff.
6 Vgl Bock, Sport, Bewegung und kardiovaskuläre Prävention, in: Becker (Hrsg), Aktiv und Gesund?:
  Interdisziplinäre Perspektiven auf den Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit 1 (2014), 195ff.
7 Vgl Jekauc/Reiner/Woll, Zum Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und habitueller Gesundheit
  und ihrer Wirkungsrichtung, in: Becker (Hrsg), Aktiv und Gesund?: Interdisziplinäre Perspektiven auf den
  Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit1 (2014), 13ff.
8 Vgl Sturmberger, Sport und Gesellschaft: Sport durchdringt viele gesellschaftlichen Teilbereiche. Kann
  man von Sportifizierung der Gesellschaft sprechen?, in: FALTER.at, 26.06.2013, URL:
  https://www.falter.at/heureka/20130626/sport-und-gesellschaft/4070e8b29e, Abruf am 06.04.2020.

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Als letzter Punkt sei hier noch der Beitrag des Sports zur Identifikation genannt. Die
Sportausübung ermöglicht eine lokale, nationale und in gewissen Fällen auch eine
internationale Repräsentation. Die Gesellschaft wird durch die Identifikation der
vereinzelten Landsleute mit dem Gemeinwesen gestärkt.
Aufgrund dieser Tatsachen ist der Sport eben nicht nur für die Sportler selbst, deren
Fans und Funktionäre interessant, sondern auch zunehmend für Juristen. Der
Sport findet dabei in keinem rechtsfreien Raum statt. Die damit einhergehende
steigende Kommerzialisierung führt zu einer steigenden Zahl an Konflikten, die es
vermehrt auch mit juristischem Fachwissen zu lösen gilt.10

II.   Überblick über die historische Entwicklung des Sport(recht)s

Das Sportrecht ist keinesfalls, wie man vielleicht vermuten möchte, eine
kontemporäre Erscheinung. In den nachfolgenden Punkten wird hier im
Zusammenhang ein kurzer Überblick über die wichtigsten Entwicklungsstadien des
Sportrechts bzw Teilentwicklung dessen geboten.11

A.    Antike

1.    Die Olympischen Spiele des antiken Griechenlands
Aus historischer Sicht betrachtet gelten die Olympischen Spiele des antiken
Griechenlands als Grundstein und Anfangspunkt der Entwicklung des Sportrechts.
Zwar hat es bereits in vorangegangenen Epochen der Geschichte – etwa im alten
Ägypten oder in der minoischen Hochkultur – „sportliche“ Wettkämpfe gegeben,
jedoch sind die Olympischen Spiele die ersten dem heutigen Begriff des
Sportrechts – auf welchem unter Punkt III. noch näher eingegangen wird –

9 Vgl Braun/Nobis, Migration, Integration und Sport – Perspektiven auf zivilgesellschaftliche Kontexte vor
   Ort: zur Einführung, in: Braun/Nobis (Hrsg), Migration, Integration und Sport: Zivilgesellschaft vor Ort 1
   (2011), 9ff.
10 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   32.
11 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   39ff.

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ähnlichen Sportwettbewerbe. Dabei hatten die Spiele durchaus noch religiösen
Charakter und wurden nicht bloß als reine „Sportveranstaltung“ gesehen. Die
Spiele wurden als Festakt zu Ehren der Götter veranstaltet und gefeiert. Die
Einwirkungen dieser religiösen Züge offenbarten sich vor allem in dem Regelwerk,
wie auch in den darin verankerten Sanktionen gegen Regelverstöße. Wenn ein
Athlet durch eine Regelverletzung den Sieg errungen hatte, wurde er von allen
weiteren Wettkämpfen ausgeschlossen und in Schande in seine Heimat
zurückgeschickt. Der Athlet konnte dieser Sanktion jedoch dadurch entgehen, wenn
er auf eigene Kosten eine Götterstatue des Zeus errichtete, diese mit seinem
Namen versah und vor dem Eingang zum Stadium aufstellte.12

Für die Olympischen Spiele wurde mit den Hellanodiken eine mit ehrenamtlichen
„Richtern“ besetzte Behörde eingerichtet. Sie trafen dabei sämtliche rechtliche
Entscheidungen im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen – insbesondere
auch die Sanktionen aufgrund von Regelverstößen. Die Hellanodiken wurden von
den damaligen Gesetzeshütern für ihre Aufgabe im Hinblick auf die Spiele
unterrichtet, womit es zu einer engen Verbindung von Sport und (staatlichem)
Recht gekommen ist.13

2.    Die Bedeutung des Sports im alten Rom

In der Blütezeit des alten Roms erfuhr das „antike Recht des Sports“ eine weitere
Entwicklung. Gerade im Zusammenhang mit der Haftungsproblematik im Sport
stellte sich vermehrt die Frage nach Ersatzansprüchen für im Wettkampf verletzte
oder gar getötete Sklaven.14

12 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 80ff.
13 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   43.
14 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   44.

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Sehr interessant erscheint auch die Tatsache, dass bereits im alten Rom rechtliche
Regelungen für Sportwetten, Sponsorings und Sportförderungen existierten. So
wurden den Athleten für die Vorbereitungen auf die Wettkämpfe Darlehen gewährt,
deren Rückzahlung etwa nur bei Erringen von Siegesprämien erfolgen musste.15

B.    Mittelalter

Im Mittelalter fand eine Verbindung von Sport und Recht hauptsächlich durch
Verbote der sportlichen Betätigung durch die Kirche satt. So wurden etwa im Jahr
747 durch den englischen Erzbischof von Canterbury die Pferderennen für drei
Tage während der Festtage der Christi Himmelfahrt verboten.
Auch für mittelalterliche (Ritter-)Turniere gab es Regelungen. Meistens dienten
diese jedoch nur etwa dem „Königsschutz“ oder dem „freien Geleit“ zu den
Turnieren und sind daher für die Entwicklung des Sportrechts nicht weiter von
Bedeutung.16

C.    Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert

Vor allem in der frühen Neuzeit war die Verbindung von Sport und Recht wiederum
hauptsächlich von Verboten gekennzeichnet. Nach und nach wurden aber stets
weitere Bereiche des Sports geregelt. So ergingen 1607 in Florenz bspw die ersten
Regelungen für die Zuschauer solcher Sportveranstaltungen. Im Laufe des 17.
Jahrhunderts fanden dann auch die ersten Vereinsgründungen auf „nationalen“
Ebenen statt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts ist im Nachbarland Deutschland neben
der Gründung von Sportvereinen auch das Entstehen der ersten Sportverbände
dokumentiert.        Wenige       Jahre      später     wurden       die    ersten      internationalen
Sportverbände gegründet. Als Beispiel sei hier etwa der Internationale Turnverband

15 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   45.
16 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   45ff.

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(FIG) genannt.17

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts ist jedoch spätestens vom Durchbruch der
Internationalisierung des Sportes zu reden. Dies mündete in der Gründung vieler
weiterer internationaler Sportverbände -- exemplarisch anzuführen ist hier vor allem
die Gründung der FIFA im Mai 1904. 18

Einige Historiker sprechen sogar erst ab dem 19. Jahrhundert vom Begriff und der
Erfindung des Sports nach heutigem Bewusstsein. Diese Argumentation gründet
sich darauf, dass der Sport zuvor häufig bloß zu religiösen Ritualen abgehalten
wurde. Nach dieser Auffassung lässt sich erst dann vom Sport sprechen, wenn eine
gewisse Bürokratisierung und Verrechtlichung in diesem Bereich stattgefunden
hat.19

Meines Erachtens ist diese Auffassung mit Vorsicht zu genießen. Wie ich bereits
oben kurz dargelegt habe, gab es ja auch in der Antike wie etwa dem alten Rom
Sportveranstaltungen, die nicht nur zum Wohle der Götter abgehalten wurden,
sondern auch für den Unterhaltungsfaktor bzw als Ablenkung und evtl Propaganda
(„Brot und Spiele“ für das Volk) genutzt wurden.
Feststeht aber, dass es ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem enormen
Wachstum und der Internationalisierung des Sportes gekommen ist. Damit
einhergehend hat sich besonders in den letzten 100 Jahren für viele Juristen ein
umfassender und interessanter Rechtsbereich aufgetan.

17 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   47ff.
18 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   49.
19 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 81.

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III.   Begriff des Sportrechts

Bevor man sich der Frage nach der Definition und den Anwendungsbereich des
Sportrechts stellt, ist es notwendig den Begriff des „Sports“ an sich zu definieren.
Das ist insofern unerlässlich, da es ohne den „Sport“ keine Materie geben würde,
die das „Recht“ zu regeln hätte. Es stellt sich also einleitend die Frage, was Sport
denn nun überhaupt ist.20 Obwohl der Sport - wie unter Punkt I. festgestellt wurde -
von enormer gesellschaftlicher Bedeutung ist, gibt es (in Österreich) keine
allgemein gültige Definition des Sports. Abhilfe schaffen hier aber die in der
Literatur herausgearbeiteten Merkmale, die den Sport an sich zumindest
charakterisieren.

Grundsätzlich ist das Merkmal der Bewegung ein entscheidendes. Die Tatsache,
dass viele Sportarten mit Bewegung verbunden sind, lässt diese als wichtigen
Faktor und auch als Grundelement des Sports festhalten. Freilich fehlt es etwa bei
„Sportarten“ wie dem Schach an der Bewegung als motorische Aktivität. Jedoch
wird von einem nicht unwesentlichen Teil der Lehre ins Treffen geführt, dass es
beim Schach etwa zu einer Art „geistigen Beweglichkeit“ kommt und dieses
Merkmal somit erfüllt sei.21

Ein weiteres Merkmal des Sports ist das Streben nach Leistung und dem damit
(eventuell) eintretenden willentlich provozierten Erfolg. Natürlich ist in der heutigen
Leistungsgesellschaft das Streben nach Leistung nichts Ungewöhnliches und
alltägliches     Stilmittel     im    beruflichen       Alltag.    Nichtsdestotrotz        ist    es       ein
Wesensmerkmal des Sports, auch wenn damit – nicht nur auf Ebene des
Spitzensports – bloß an individuelle Maßstäbe zu messen ist. Der Sport ist eben
auch oft ein Leistungsvergleich.22

20 Vgl Alfs, Sportkonsum in Deutschland: Empirische Analyse zur Allokation von Zeit und Geld für Sport 1
   (2014), 91.
21 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 134.
22 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 134ff.

                                                                                                                 11
Ein besonders wichtiges Wesenselement des Sports ist das Erlassen und Einhalten
von „Sportregeln“. Oft macht erst die Einhaltung von Regeln aus einer wilden
Rauferei einen ordentlichen und abgeklärten Wettkampf mit sportlichem Inhalt.23

In Teilen der Literatur wird auch noch die Zweckfreiheit des Sportes ins Treffen
geführt. Dies ist mittlerweile jedoch sehr umstritten. Feststeht, dass die
„Zweckfreiheit“ kein konstitutives Merkmal des Sportes ist und sich diese meist nur
unmittelbar auf die sportliche Handlung selbst bezieht.24

Zusammenfassend bedeutet dies, dass die soeben aufgezählten Merkmale als zu
eng gefasst anzusehen sind und sie daher nicht ausreichen, um den Sport in all
seinen Facetten ausreichend zu definieren.25

Der OGH hat im Jahr 1984 in der Entscheidung OGH 7 Ob 553/84 sogar eine
Schneeballschlacht der sportlich spielerischen Bewegung zugeordnet.26 Die
Merkmale sind daher eher als Anhaltspunkte zu verstehen, die es ermöglichen
sollen, die Grenze zwischen „Sport“ und „Nichtsport“ abzuklären. Keinesfalls
müssen stets alle dieser Wesenselemente vorliegen, jedoch können sie bei
unklaren Gegebenheiten zur Aufklärung helfen. Zum Teil wird diese „Lücke“ vom
Gesetzgeber bewusst offen gelassen, damit für die Zukunft auch ausreichend
Flexibilität gegeben ist.

A.      Der Rechtsbegriff

Eine      kurze     und     prägnante       Abgrenzung         des     Sportrechts      von   anderen
Rechtsbereichen erscheint auf den ersten Blick nicht sinnvoll und ist bei näherer
Betrachtung auch nicht möglich. Grundsätzlich setzt sich das „Sportrecht“ aus zwei
Säulen zusammen.

23   Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 134.
24   Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 135.
25   Vgl Zeilner, Grundlagen des Sportrechts, Organisation des Sports1 (2005), 91.
26   Vgl OGH 19.4.1984, 7 Ob 553/84 = ZVR 1985/127.

                                                                                                        12
Als erste Säule wäre hier der Begriff der sogenannten „lex sportiva“, also das
Regelwerk der Sportverbände zu nennen. Auf diesen Begriff wird unter Punkt IV.
noch näher eingegangen.27

Das Recht der einzelnen Staaten, deren staatliche Normen sich auf den Sport oder
auf einzelne Teilbereiche davon beziehen, bildet die zweite Säule.

Dieses soeben genannte staatliche „Sportrecht“ bildet aber kein eigenes
(geschlossenes) Rechtsgebiet, wie etwa das Zivilrecht.28 Vielmehr handelt es sich
dabei um eine typische Querschnittsmaterie des staatlichen Rechts, welche durch
den gemeinsamen Regelungsbereich des Sports zusammengehalten wird. Die
Überschneidungen des staatlichen Rechts mit dem Sport sind durchaus zahlreich.29

Ein besonders wichtiger Berührungspunkt findet dabei auf Verfassungsebene statt.
Die für den Sport so wichtige Vereinsautonomie ist von besonders hoher Relevanz
und ist im verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Vereins- und
Versammlungsfreiheit gem Art 12 StGG; Art 11 EMRK und Art 12 GRC verankert.30
Grundsätzlich fallen die Kompetenzbereich Gesetzgebung und Vollziehung des
Sports in die Zuständigkeit des Landes. Auch auf einfachgesetzlicher Ebene setzen
sich die zahlreichen Verbindungen von Sport und Recht fort. Hierbei sind zB
zahlreiche Normen des Zivilrechts in Bezug auf Haftungsfragen (etwa bei
Sportunfällen)       oder     auch     Sondergesetze         bedeutsam.         Weiters      sind    viele
Straftatbestände durchaus für den Sport relevant. Als Beispiel sei hier etwa der §
88 StGB (besonders im Schisport31) angeführt.32

27 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 132.
28 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 132.
29 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   58.
30 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 132.
31 Vgl Zeilner, Grundlagen des Sportrechts, Organisation des Sports1 (2005), 95ff.
32 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 132ff.

                                                                                                             13
Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch die sehr wichtigen Überschneidungen in
verwaltungs-, arbeits33-, steuer- und natürlich auch unternehmensrechtlichen
Bereichen. Auf diese wird im Nachfolgenden nur punktuell verwiesen, da dies sonst
den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.34

Zum Abschluss wird natürlich auch noch auf die Bedeutung des Völkerrechts für
den Sport hingewiesen, da Streitigkeiten – überwiegend im Profibereich –
vorwiegend          vor     nationalen,      aber     auch      internationalen        Schiedsgerichten
entschieden werden. Ebenso ist in diesem Zusammenhang die enorme Bedeutung
des Europarechts zu erwähnen, insbesondere im Zusammenhang mit den
Grundfreiheiten des Binnenmarkts der Europäischen Union.35

Zusammengefasst bedeutet dies, dass unter der Definition des Sportrechts zum
einen das (private) Sportverbandsrecht und zum anderen die staatlichen Normen,
die sämtliche (Teil-)Bereiche des Sportes regeln, zu verstehen sind.

B.      Rechtsausblick nach Deutschland

Ein kurzer vergleichender Ausblick nach Deutschland zeigt, dass sich auch dort der
Bereich des „Sportrechts“ aus zwei Normenkomplexen zusammensetzt. Hier findet
sich ebenfalls das „Zweisäulenmodell“, das sich erstens aus dem Verbandsrecht
der      Sportorganisationen          und     zweitens      aus     den        allgemeinen     staatlichen
Rechtsnormen              zusammensetzt.36          Ebenso        wie     in     Österreich       ist    der
Regelungsbereich             des     Sportrechts        der     staatlichen        Rechtsnormen          als
Querschnittsmaterie angelegt. Es ist also nicht nur von speziell auf den Sport
ausgerichteten Vorschriften auszugehen, sondern es ist viel mehr eine allgemeine
Sichtweise auf die staatlichen Normen anzuwenden, die den Lebensbereich des

33   Vgl Mayr, Sport als Nebentätigkeit – Zur rechtlichen Stellung von Amateuren, DRdA 2012, 93.
34   Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 133.
35   Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 133.
36   Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
     64.

                                                                                                               14
Sports regulieren.

Das Sportrecht stellt auch hier keine in sich geschlossene Rechtsmaterie dar,
sondern verteilt sich weitgehend in die Bereiche des Öffentlichen Rechts, des
Strafrechts und des Privatrechts. Nicht zu vergessen sind hier weiters die
Einwirkungen des Europa- und Völkerrechts. Grundsätzlich wäre also von einem
„Recht des Sports“ zu sprechen. Nichtsdestotrotz hat sich im Deutschen aber
allgemein der Terminus „Sportrecht“ durchgesetzt.37

C.    Definition des internationalen Sportrechts

Bisher ist unter den oben genannten Punkten lediglich vom „nationalen“ Sportrecht
die Rede gewesen. Es wurde bereits dargelegt, dass das nationale Sportrecht kein
in sich geschlossenes Rechtsgebiet, sondern einen „Querschnittsbereich“ darstellt.
Daher mag es nicht verwundern und erscheint auch nur konsequent, dass sich das
internationale Sportrecht aus einem Querschnitt aus internationalem Sportrecht im
engeren Sinn (i. e. S), dem Europäischen Sportrecht sowie dem Sportvölkerrecht
zusammensetzt.38

1.    Das internationale Sportrecht (i. e. S.)

Das internationale Sportrecht im engeren Sinn (i. e. S.) besteht aus den
Regelungen und Satzungen nationaler Sportorganisationen, sofern diese auf den
internationalen Sport Anwendung finden.39
Hingegen sind die „Normen“ von internationalen Sportorganisationen jedenfalls
immer dem internationalen Sportrecht i. e. S. zuzurechnen.40

37 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   58ff.
38 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   75.
39 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   70.

                                                                                                            15
2.    Das internationale Sportrecht (i. w. S.)

Das internationale Sportrecht im weiteren Sinn (i. w. S.) lässt sich dabei grob in drei
Bereiche einteilen.

Als    Erstes      wird     hierzu      das     innerstaatliche        und     supranationale         und
zwischenstaatliche Recht gezählt, das auf den internationalen Sport Anwendung
finden soll.41

Zum Zweiten ist vom internationalen Sportrecht i. w. S. auch stets dann zu
sprechen, wenn Recht internationalen Charakters, also Völkerrecht, rein nationale
Sachverhalte im Sportbereich zum Gegenstand hat.

Internationales Sportrecht liegt also dann vor, wenn entweder der Sport und/oder
das ihn betreffende Recht internationalen Charakter haben.42

Als dritter Bereich zählen die Satzungen und Regelwerke der internationalen und
auch der nationalen Sportorganisationen dazu, soweit diese Sachverhalte den
internationalen Sport regeln. Falls es sich also etwa um nationalen Sport handelt,
ist von internationalem Sportrecht zu sprechen, sobald Regelungen einer
internationalen       Sportorganisation         hierauf     zur    Anwendung          kommen         (also
internationales Sportrecht i. e. S.).43

40 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   71.
41 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   71.
42 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   71.
43 Vgl Wax, Internationales Sportrecht: Unter besonderer Berücksichtigung des Sportvölkerrechts 1 (2009),
   71.

                                                                                                             16
IV.   „lex sportiva“: Die private Rechtsetzung als Regelfall im Sportrecht

Grundsätzlich ist die private Normsetzung und die damit verbundene gewisse
„Entstaatlichung“ als eine Art Sonderfall gegenüber der eigentlichen staatlichen
Rechtsetzung zu sehen.44 Wie bereits unter Punkt III. erwähnt, setzt sich das
Sportrecht aus zwei „Säulen“ zusammen. Im nachfolgendem Punkt wird nun näher
auf die erste der beiden Säulen, die sogenannten lex sportiva, eingegangen. Es
wird dabei geklärt, was unter dem Begriff der lex sportiva allgemein verstanden wird
und wie dieser zustande kommt.

Unter der sog lex sportiva versteht man dabei das von den (Sport-)Verbänden
selbst geschaffene Regelwerk für den Sport bzw die einzelnen Sportarten. Ennöckl
schreibt in diesem Zusammenhang etwa, dass man in diesem Rechtsbereich vor
dem Phänomen steht, dass die private Rechtsetzung hier weder eine Ausnahme
darstelle, noch eine neue Erscheinung sei, sondern gegenteilig seit jeher den
Regelfall bilde.45

Das staatliche Recht hat also im Vergleich zur lex sportiva in diesem Rechtsbereich
nur eine geringere Bedeutung. Es stellt sich also nicht nur die Frage, welche private
Organisationen und Verbände Vorschriften und Normen erlassen können, sondern
oft vielmehr, wo der Staat im Bereich des Sportes überhaupt Normen erlassen kann
bzw darf.46

Die lex sportiva hat jedoch keinen Rechtsnormcharakter, sondern ist vielmehr als
Satzung bzw Ordnung zu verstehen. Durch eine (rechtsgeschäftliche) Anerkennung
gilt dieses besagte Regelwerk für alle Beteiligten der jeweiligen Sportart weltweit

44 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 81.
45 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 80.
46 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 80.

                                                                                                                17
weitgehend einheitlich.47

A.      Rechtsetzungsorgane

Die (private) „lex sportiva“ wird grundsätzlich als das von den Sportverbänden
selbst geschaffene Regelwerk des Sports definiert. Die Rechtsetzung - genauer
gesagt das Aufstellen der Satzung bzw Ordnungen als Regelwerke der jeweiligen
Sportarten - findet somit durch die Sportvereine und -verbände selbst statt. 48 Diese
Sportverbände können damit quasi als „Gesetzgeber“ oder besser gesagt als
„Rechtsetzungsorgane“ betitelt werden. Dabei ist zu beachten, dass die
Sportvereine und -verbände einer bestimmten Sportart jeweils nur die für ihre
eigene Sportart zugehörigen Regelwerke erschaffen können.49

B.      Begrenzung durch staatliches Recht

In Österreich ist man stets bemüht, Streitigkeiten im Bereich des Sports intern, also
im Rahmen der Verbandsgewalt, beizulegen und zu lösen. Gleichzeitig wird folglich
der Zugang zur ordentlichen Gerichtsbarkeit eingeschränkt bzw sogar ganz
ausgeschlossen.           Der     österreichische        Gesetzgeber         räumt      mitunter   den
außergerichtlichen Streitbeilegungsvarianten den Vorrang ein, um die staatlichen
Gerichte zu entlasten – so auch im Bereich des Sports maßgeblichen Vereinsrechts
(vgl dazu etwa § 3 Abs 2 Z10 iVm § 8 VerG).50

Natürlich       zieht   diese     Zurückdrängung          der    Staatsgewalt       unweigerlich   ein
Spannungsverhältnis nach sich. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Vereine und
Verbände müssen jedenfalls dann beschränkt werden, wenn die Grundrechte
anderer Personen betroffen sind, zumal ein gänzlicher Ausschluss der staatlichen
Gerichtsbarkeit in Österreich nicht zulässig ist. Die Frage, ob die ordentlichen

47   Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 132.
48   Vgl Reith, Rechtsschutz im Berufssport, Zak 2015, 247.
49   Vgl Reith, Rechtsschutz im Berufssport, Zak 2015, 247.
50   Vgl Reith, Rechtsschutz im Berufssport, Zak 2015, 247.

                                                                                                         18
Gerichte oder ein Schiedsgericht für die Streitschlichtung zuständig sind, wird unter
Punkt VI. Schiedsgerichtsbarkeit noch zu klären sein.51

Dieses Spannungsverhältnis findet sich etwa auch in den von Sportlern
vorausgesetzten Verhaltens- und Denkweisen. Als Beispiel hierfür ist die Einnahme
von bestimmten Substanzen und Medikamenten anzuführen. Während die
Einnahme von (bestimmten) Medikamenten grundsätzlich rechtlich unbedenklich
ist, ist die Einnahme solcher gerade im Bereich des Leitungssports verboten, da
diese leistungssteigernde Wirkung mit sich bringen können.52

Zu beachten gilt jedoch, dass die Sportvereine und -verbände in ihrer (privaten)
Rechtsetzung auch zu weit gehen können, schließlich liegt auch im Sportbereich
kein rechtsfreier Raum vor. Schutz kann hier nur die Erlassung von staatlichen
Normen bieten. Allerdings hat der Eingriff von staatlichen Normen in diesem
Bereich einen erheblichen Nachteil. Das staatliche Recht hat -- wenig
überraschend         –    nur    einen      auf    das     jeweilige      Staatsgebiet        begrenzten
Anwendungsbereich, während hingegen die Sportverbände ihre Tätigkeiten oft (für
die jeweilige Sportart) nach dem sogenannten „Ein-Platz-Prinzip“ weltweit
einheitlich regeln.53 Hierbei entsteht natürlich die Gefahr, dass das staatliche Recht
uneinheitlich in das von den Verbänden geschaffene Regelwerk eingreift und
dadurch      die    Einheitlichkeit      des      Sportverbandsrechts,          mit    dem      Ziel      der
Chancengleichheit mit weltweitem Leistungsvergleich, verloren geht. Mit dem
Sportrecht soll laut Literatur eine möglichst harmonische Anpassung des privaten
Sportverbandsrechts und des staatlichen Rechts möglich sein.54

51 Vgl Reith, Rechtsschutz im Berufssport, Zak 2015, 247ff.
52 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 133.
53 Vgl Druml, Sportgerichtsbarkeit: Vereinsstrafe, Vereinsgerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit im
   organisierten Sport1 (2017), 10.
54 Vgl Mayr/Druml, Sportrecht – eine aufstrebende Rechtsdisziplin, JAP 2012/2013/14, 133.

                                                                                                                19
V.    Die Auswirkungen der Autonomie der Sportverbände bezüglich der
      Einheitlichkeit im Sportrecht

Im Bereich des Rechtsrahmens des Sports steht man vor dem Phänomen, dass
beinahe alle Sportarten weltweit einheitlich geregelt sind und dabei diese
Normenwerke – fast ausschließlich – von den (internationalen) Sportverbänden
autonom erlassen werden.55

Dies ist selbstverständlich auch notwendig, da bei Wettkämpfen von global
ausgeübten Sportarten Athlet*innen, Teams oder gar Nationen verschiedenster
Kontinente gegeneinander antreten. Um einen fairen Wettbewerb garantieren zu
können, sind daher weltweit einheitliche Regelungen erforderlich. 56 Darunter fallen
nicht nur einheitliche Spielregeln, die den Kern des Sports betreffen, sondern auch
Vorschriften rund um den Wettkampf selbst. Hier ist zuallererst natürlich auch an
die Bekämpfung von Doping oder Wettbetrug zu denken, aber etwa auch an das
sogenannte „financial fair play“ oder weiters auch an den Schutz von
Minderjährigen vor Ausbeutung. Da ein global ausgeführter Wettkampf somit also
gleiche Bedingungen und die „Einheitlichkeit der Sportführung“ für eine faire
Ausführung voraussetzt, ist die Autonomie, die den Sportverbänden zur Regelung
ihrer Sportarten zukommt, grundsätzlich notwendig und legitim. Allerdings darf nicht
darauf vergessen werden, dass die Grenzen der Autonomie der Sportverbände
dabei nicht endlos sind.57

A.    Spielregeln als „Rechtsetzung“?

Den Kern und damit den „innersten Kreis“ der Autonomie der Sportverbände stellen
zunächst einmal die Sportausübungsregeln im engeren Sinn (i. e. S.) dar. Als
55 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 82.
56 Vgl Reuter, Das selbstgeschaffene Recht des internationalen Sports im Konflikt mit dem
   Geltungsanspruch des nationalen Rechts, DZWir 1996, 1ff.
57 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 82ff.

                                                                                                                20
Sportausübungsregeln i. e. S. werden die Spielregeln der jeweiligen Sportart
bezeichnet.58
Die Sportverbände bestimmen selbstständig und ohne staatliche Einwirkung wie
eine bestimmte Sportart ausgeübt werden soll. Der Staat hat hierbei keine
Möglichkeit, Einfluss auf die Gestaltung der Spielregeln zu nehmen. Es kann also
nicht von staatlicher Seite aus vorgeschrieben werden, wie Sportarten – etwa
Tennis oder Volleyball -- ausgeübt werden und wie dabei die Sieger zu ermitteln
sind. Die Sportverbände sind als privatrechtliche Verbände organisiert und dadurch
sind sie auch grundsätzlich nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden. 59
Folglich stellt zB die Regelung, dass eine Faustballmannschaft aus nur fünf
Feldspielern bestehen darf, keinen Eingriff in das Recht auf Freiheit der
Erwerbstätigkeit dar.

Die Autonomie des Sportrechts ist aber selbst in diesem „innersten Kreis“ keine
absolute. Mangels staatlichen Charakters sind die Grundrechte nicht direkt auf die
Sportausübungsregeln i. e. S. anzuwenden. Zu beachten ist jedoch, dass die
Regelwerke,        welche       von     den     (privaten)      Verbänden         erschaffen       werden,
Komponenten enthalten könnten, die etwa eine unmittelbare Diskriminierung nach
sich ziehen oder gar gegen die Grundfreiheiten der EU verstoßen.60

1.    Verstoß gegen die Grundfreiheiten der EU

Im Nachfolgenden werden zwei Beispiele genannt, die in jüngster Vergangenheit
diese Problematik der Rechtsetzung durch Private aufzeigen sollen.
Das erste Beispiel ist das Verbot der Austragung von Frauenfußball. 1921 wurde
dieser erstmals in England von der Football Association verboten, und das obwohl
sich der Frauenfußball die Jahre zuvor zu einer echten Publikumsattraktion
58 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 83.
59 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 83.
60 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 83ff.

                                                                                                                21
entwickelt hatte. Zum Zeitpunkt dieses Verbots waren in England bereits mehr als
150 Frauenfußballteams aktiv. In Deutschland wurde der Frauenfußball vom
Deutschen Fußballbund 1955 verboten. Zwei Jahre später folgte auch die
Untersagung durch den Österreichischen Fußballbund in Österreich. Der
Fußballverband hat hier also offensichtlich massiv in die Privatautonomie der ihm
unterstellten Vereine eingegriffen.61 Die damalige Begründung des Deutschen
Fußballbundes, weshalb der Fußballsport für Frauenteams untersagt wurde, lautete
wie folgt: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und
Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers
verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ 62

Erst in den 1970ern wurden diese Verbote nach und nach – aber auch nur unter
Auflagen – wieder aufgehoben. Die Fußbälle waren dabei kleiner und leichter als
jene im Männerfußball. Erst seit 1993 gilt auch die übliche Spielzeit von zweimal 45
Minuten.63
Diese Verbote sind aus heutiger Sicht zweifellos unionsrechtswidrig. Die
Rechtsprechung des EuGH umfasst dabei auch den Amateursport.64 Derartige
Regelwerke/Verbote würden offensichtlich gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit
verstoßen und wären somit in weiterer Folge auch unwirksam. Würde man in
Österreich diese Problematik auf nationaler Ebene betrachten, wären diese Verbote
jedenfalls sittenwidrig iSd § 879 ABGB.65

Als zweites Beispiel sei hier eine Regelung aus erst jüngster Vergangenheit
anzuführen. Grundsätzlich liegt es in der Autonomie der Sportverbände, die für die

61 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 84.
62 Vgl Hoffmann/Nendza, DFB verbietet seinen Vereinen Damenfußball, in: bpb.de, 04.09.2007, URL:
   https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/graue-spielzeit/65063/das-dfb-verbot?p=0, Abruf am 16.04.2020.
63 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 84.
64 Vgl EuGH 11.4.2000 Rs C-51/96 und C-191/97, Christelle Deliège gegen Ligue francophone de judo et
   disciplines associées ASBL, Ligue belge de judo ASBL, Union européenne de judo (C-51/96) und
   François Pacquée (C-191/97), ECLI:EU:C:2000:199 (Rz 46, 56, 57).
65 Vgl Graf in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.05 (2019), § 879 Rz 16.

                                                                                                                22
jeweilige Sportart notwendige Ausrüstung bzw Bekleidung festzulegen. Dies
erscheint auch sinnvoll, da bspw gerade in Kontaktsportarten oder auch in
tendenziell gefährlicheren Sportarten wie Klettern Schutzvorschriften zum Wohle
der Athlet*innen gegeben sein müssen, um (schwere) Verletzungen oder gar
Todesfälle zu verhindern. Als problematischer Vorfall erwies sich aber eine
Regelung des Internationalen Volleyballverbandes (FIVB) anlässlich der 1996
stattfindenden Olympischen Spiele. Dort wurde den Beachvolleyballspielerinnen
vorgeschrieben, dass deren Bekleidung eine gewisse Länge nicht überschreiten
durfte. An der Seite durften die Bikinihosen der Athletinnen maximal sieben
Zentimeter breit sein, während bei den männlichen Sportlern die Sporthosen sogar
bis zu 15 Zentimeter über die Knie reichen konnten. Diese Vorschrift wurde erst
2012 aufgehoben. Dies geschah allerdings nicht, weil die Regelung für
diskriminierend erachtet wurde, sondern: „aus Rücksicht auf religiöse Gefühle“.66
Eine sachliche Rechtfertigung, warum die Sporthosen der weiblichen Athletinnen
kürzer sein mussten, als bei jenen der männlichen Sportlern, ist nicht ersichtlich.
Diese Vorschrift stellt eine Verletzung der Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/54/EG 67
dar,     weil      diese      unterschiedliche         Behandlung          als     diskriminierende
Arbeitsbedingungen anzusehen sind.68

2.     Begrenzungen des Strafrechts bei Sportausübungsregeln

Wie unter Punkt III. A. bereits kurz erwähnt, gibt es auch im Bereich des Strafrechts
Berührungspunkte mit den privaten Regelwerken der Sportverbände. Das
Strafrecht wird in seinem Anwendungsbereich durch die „private Normsetzung“
eingeschränkt.         Mangels         objektiver       Sorgfaltswidrigkeit         sind      nämlich
Körperverletzungen, die im Rahmen einer Sportausübung zugefügt werden, nicht

66 Vgl Pressestellungsnahme des FIVB vom 18.03.2012, Uniform change for all beach volleyball events,
   URL: http://www.fivb.org/EN/Media/viewPressRelease.asp?No=33699&Language=en, Abruf am
   16.04.2020.
67 Vgl Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur
   Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen
   in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, ABl 2006 L 204,23.
68 Vgl Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG1 (2009), § 3 Rz 133.

                                                                                                        23
rechtswidrig und daher auch nicht strafbar.69 Zum einen gilt dies hauptsächlich für
Verletzungen, die nach dem Regelwerk der betreffenden Sportart explizit
vorgesehen sind (bspw bei einem Boxkampf). Zum anderen betrifft dies aber auch
Verletzungen, die zwar infolge eines Regelverstoßes erfolgen, aber für die
bestimmte Sportart typisch sind. Auch diese Körperverletzungen sind grundsätzlich
nicht strafbar.70 Eine strafrechtliche Verantwortung ziehen daher erst solche
Verletzungen        nach      sich,    die     bei    krassen       und     besonders        gefährlichen
Regelverletzungen eintreten.71 Die Strafgerichte haben in diesem Bereich in der
Vergangenheit schon öfters gezeigt, dass sie sehr zurückhaltend agieren, wenn es
um die Strafbarkeit von Sportlern geht, die ihre Gegenspieler verletzt haben.

B.    Organisation der Wettkämpfe

Wenn die Sportausübungsregeln i. e. S. quasi den Kern und somit „innerster Kreis“
der Autonomie der Sportverbände darstellen, so können als eine Art „zweiter Kreis“
an Sportregeln jene Regelwerke verstanden werden, die die Wettkämpfe
organisieren und festlegen. Diese Vorschriften beziehen sich hauptsächlich darauf,
wie der Zugang zu den Wettkämpfen geregelt wird – wer also im Speziellen an den
Wettkämpfen teilnehmen darf und welche Bedingungen im Voraus erfüllt sein
müssen.72

Die Sportverbände gingen jahrelang davon aus, dass ihnen auch in diesem
Regelungsbereich die gleiche Autonomie zukomme wie bei der Erlassung von
Sportausübungsregeln i. e. S.. Zwar wurde anerkannt, dass die Athlet*innen in den
sozial-     und      arbeitsrechtlichen         Thematiken         nationalen        Rechtsvorschriften
unterlagen, aber im Hinblick auf den Anwendungsbereich des EG-Rechts wurde die

69 Vgl Schütz in Höpfel/Ratz (Hrsg), WK2 StGB (2016), § 90 Rz 183.
70 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 85ff.
71 Vgl Burgstaller/Schütz in Höpfel/Ratz (Hrsg), WK2 StGB (2017), § 80 Rz 46.
72 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 86.

                                                                                                                24
Annahme getätigt, dass der Sport hier eine Bereichsausnahme darstellte.73

Zur Begründung wurde das EuGH-Urteil Walrave und Koch74 herangezogen.
Gerade im Bereich der Transferbestimmungen im Leistungssport wurde von den
Sportverbänden angenommen, dass sie jene Regelwerke ohne staatliche oder
europäische Eingriffe erlassen durften.75

Dabei wurden aber von den Sportverbänden die wesentlichen Punkte dieser
EuGH-Entscheidung übersehen oder möglicherweise sogar bewusst ignoriert. Im
Urteil    heißt     es    nämlich,       dass     sportliche      Betätigung        sehr     wohl      unter
Gemeinschaftsrecht falle, wenn diese Teil des Wirtschaftslebens ist – also
Athlet*innen ein Entgelt für ihre Leistungen erhalten.76 Zusätzlich sprach der EuGH
im Zusammenhang mit diesem Urteil aus, dass Diskriminierungsverbote und die
Grundfreiheiten eben nicht nur für die von staatlichem Recht gesetzten
Maßnahmen zutreffen, sondern sehr wohl auch für Maßnahmen gelten, die
kollektive Regelungen im Arbeitsbereich enthalten.77 Durch dieses Urteil des EuGH
wurde also eindeutig festgestellt, dass die Wettkampfregelwerke dem (damaligen)
Gemeinschaftsrecht entsprechen mussten. Darüber hinaus bejahte der EuGH eine
unmittelbare         Drittwirkung          der       Arbeitnehmerfreizügigkeit              sowie        der
Dienstleistungsfreiheit          gegenüber         kollektiven       Regelungen            von     privaten
„Vereinigungen oder Einrichtungen.“ 78

73 Vgl Grodde, Der Einfluss des Europarechts auf die Vertragsfreiheit autonomer Sportverbände in
   Deutschland: Ausgleich zwischen nationalem Verfassungsrecht und europäischem Freizügigkeitsrecht 1
   (2007), 409.
74 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs C-36/74, B.N.O. Walrave, L.J.N. Koch gegen Association Union cycliste
   internationale, Koninklijke Nederlandsche Wielren Unie und Federación Española Ciclismo,
   ECLI:EU:C:1974:140.
75 Vgl Ennöckl, Sportrecht, in: WiR – Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht (Hrsg), Privatisierung der
   Rechtsetzung (2018), 86ff.
76 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs C-36/74, B.N.O. Walrave, L.J.N. Koch gegen Association Union cycliste
   internationale, Koninklijke Nederlandsche Wielren Unie und Federación Española Ciclismo,
   ECLI:EU:C:1974:140 (Rz 10).
77 Vgl EuGH 12.12.1974 Rs C-36/74, B.N.O. Walrave, L.J.N. Koch gegen Association Union cycliste
   internationale, Koninklijke Nederlandsche Wielren Unie und Federación Española Ciclismo,
   ECLI:EU:C:1974:140 (Rz 16).
78 Vgl Frenz, Handbuch Europarecht: Band 1: Europäische Grundfreiheiten² (2012), Rz 347.

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1.    Die Auswirkungen durch das Bosman-Urteil

Das Bosman-Urteil79 vom Jahre 1995 brachte schlussendlich den endgültigen
Einbruch der Autonomie der Sportverbände. Der EuGH wiederholte in dieser
Entscheidung zwar grundsätzlich nur, was dieser im Urteil Walrave und Koch
bereits judiziert hatte. In erster Linie sprach er die Feststellung aus, dass die
Ausübung von Sport sehr wohl dem Wirtschaftsleben zuzuordnen sei, sobald ein
entsprechendes Entgelt als Gegenleistung angeboten wird. Auch die Beurteilung
der Transferregelungen der FIFA als kollektive Regelungen des Arbeitsrechts
anhand der Arbeitnehmerfreizügigkeit wurde ausgesprochen.80
Die wichtigste Kernaussage dieser Entscheidung war aber, dass „die Autonomie,
über die die privaten Verbände beim Erlass von Sportregelungen verfügen, die
Ausübung der dem einzelnen durch den Vertrag verliehenen Rechte nicht
einschränk[en]“ dürfe.81
Die Monopolstellung der Sportverbände zur Kodifizierung eines einheitlich
geltenden Verbandsrechts war damit in weiten Teilen eingeschränkt worden.

2.    Transferbestimmungen

Es stellt sich infolge des Bosman-Urteils nun die Frage, wie sich die lex sportiva
und das staatliche Recht besonders im heute geltenden Transfersystem des
Leistungssportes zueinander verhalten.

79 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Union royale belge des sociétés de football association ASBL gegen
   Jean-Marc Bosman, Royal club liégeois SA gegen Jean-Marc Bosman und andere und Union des
   associations européennes de football (UEFA) gegen Jean-Marc Bosman, ECLI:EU:C:1995:463.
80 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Union royale belge des sociétés de football association ASBL gegen
   Jean-Marc Bosman, Royal club liégeois SA gegen Jean-Marc Bosman und andere und Union des
   associations européennes de football (UEFA) gegen Jean-Marc Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 73,
   82).
81 Vgl EuGH 15.12.1995 Rs C-415/93, Union royale belge des sociétés de football association ASBL gegen
   Jean-Marc Bosman, Royal club liégeois SA gegen Jean-Marc Bosman und andere und Union des
   associations européennes de football (UEFA) gegen Jean-Marc Bosman, ECLI:EU:C:1995:463 (Rz 81).

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Für das aktuelle Transfersystem gibt es für einen „Arbeitsplatzwechsel“ von
Mannschaftssportler*innen zwei Sonderbestimmungen. Erstens darf ein Verein eine
bestimmte Ablösesumme verlangen, wenn Athlet*innen vertraglich noch an ihre
bisherigen Arbeitgeber gebunden sind. Zweitens dürfen Arbeitsplatzwechsel nur
innerhalb bestimmter Zeiträume erfolgen. Diese zeitliche Beschränkung stellt einen
Eingriff in die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. Der EUGH stellt in dem Urteil Jyri
Lehtonen82 aber klar, dass derartige Beschränkungen im Transfer gerechtfertigt
sein können, da sie notwendig sind, um einen geordneten und in weiterer Folge
auch fairen Wettkampf zu garantieren. Ohne eine solche Beschränkung besteht die
Möglichkeit, den gesamten Meisterschaftsverlauf durch kurzfristige Verschiebungen
(allen voran in der Endphase) enorm zu beeinträchtigen bzw gar bewusst zu
manipulieren. Diese Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit wird vom EuGH
zum gesicherten Ablauf von Wettkämpfen also akzeptiert, allerdings nur unter der
Voraussetzung, dass keine diskriminierenden Bestimmungen enthalten sind.83

3.    Das „Sonderproblem“ der Individualsportarten

Betrachtet man nun die Situation, die die Einzelsportler*innen betrifft, so zeigt sich,
dass in diesem Bereich die Autonomie der Sportverbände noch viel weiter reicht.
Dies ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass die Teilnahme von Athlet*innen
an Wettbewerben regelmäßig eine Nominierung durch einen nationalen Verband
voraussetzt. Eine direkte Startmöglichkeit ohne vorige Meldung durch einen
Verband ist so gut wie nirgendwo möglich. Dieser Umstand verkompliziert die
Ausgangslage für viele Individualsportler*innen ungemein. Der EuGH sah in
solchen Regelungen aber keine unzulässige Beeinträchtigung des Zugangs zum
Arbeitsmarkt, wie er in seinem Urteil Deliège84 erkannte.

82 Vgl EuGH 13.4.2000 Rs C-176/96, Jyri Lehtonen und Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL gegen
   Fédération royale belge des sociétés de basket-ball ASBL (FRBSB), ECLI:EU:C:2000:201.
83 Vgl Ennöckl, Bosman im Abseits? - Neue Rsp des EuGH zum Berufs- und Amateursport, ecolex 2000,
   694ff.
84 Vgl EuGH 11.4.2000 Rs C-51/96 und C.191/97, Christelle Deliège gegen Ligue francophone de judo et
   disciplines associées ASBL, Ligue belge de judo ASBL, Union européenne de judo (C-51/96) und
   François Pacquée (C-191/97), ECLI:EU:C:2000:199.

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