MAGAZIN VCS - VCS Verkehrs-Club der Schweiz
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
VCS mAGAZIN 5/ November 2020 F Ü R M O B I L I TÄT M I T Z U K U N F T Platz nehmen Der Platz ist knapp, wie nutzen wir ihn? Seite 20
Passion für hochwertige Bioweine Spitzenbioweine 6er-Probierpaket Valcaliente, Rioja Reserva 2014 Grosse Rioja-Reserva, Wein des Jahres 2020 CHF 24.00 pro Flasche Château Peyrou, Bordeaux 2015 Vollmundig, samtiger Bordeaux aus einem Spitzenjahr! LOB 93+/100 CHF 25.00 pro Flasche Plantamura, Primitivo Contrada 2018 Wunderbare Frucht und Eleganz kombiniert mit Kraft. Slow Wine: «Grande Vino» CHF 17.80 pro Flasche 6er-Probierpaket nur CHF 98.00 (statt 133.60) inkl. Porto Das Plus für VCS-Mitglieder: Ob im Rioja, in Bordeaux oder Apulien - unsere Winzer verbindet der Respekt Sie sparen CHF 35.60 und profitieren von einer portofreien Lieferung. vor einer gesunden Natur. Bestellmöglichkeiten amiata Hochwertige Bioweine von kleinen bis mittelgrossen Familienbetrieben Online www.amiata.ch/vcs Langgasse 16, CH-9008 St. Gallen sind die Passion von amiata. Seit vielen Jahren pflegen wir partnerschaftliche Coupon unfrankiert einsenden Tel 071 250 10 15, Fax 071 250 10 18 Kontakte zu Winzern, die ihre Reben mit besonderer Sorgfalt nach biologi- Telefon 071 250 10 15 info@amiata.ch, www.amiata.ch schen Richtlinien anbauen und im Keller auf sanften Ausbau setzen. Sichern Sie sich jetzt das neue Kursbuch! Fahrplanwechsel am 13.12.2020 Zahnradbahn Kleine Scheidegg - Jungfraujoch. © Adobe Stock – janoka82 r im Wiede hen ic handl mat! r A5-Fo .80 F r. 1V9e rsa n d - plus nanteil ko s t e .9 0 F r. 6 Bequeme Heimlieferung vor dem Fahrplanwechsel Der Reiseplaner in gedruckter Form, ideal für die So bestellen Sie das Kursbuch: Planung von Freizeitreisen mit Zug, Schiff oder – im Webshop: www.verkehrsclub.ch/kursbuch Seilbahn. Jetzt wieder im beliebten A5-Format. – per Telefon: 031 328 58 58 – per E-Mail: kursbuch@verkehrsclub.ch Ein Projekt von
4 Kurz & bündig EDITORIAL 6 Europa mit dem Zug: Bitte noch mehr davon Liebe Leserin, lieber Leser 7 Der «goldene Verkehrsknoten»: Fiesch gewinnt den Flux 2020 Schliessen Sie die Augen © Camille Marion 8 Mobilität im Alter: Attraktiver öffentlicher Raum und stellen Sie sich den kommt allen zugute Vierwaldstättersee vor. 9 Konzernverantwortungsinitiative: Und nun stellen Sie sich Das hat sie mit Verkehr zu tun vor, da wäre statt Wasser Asphalt: Zehn Millionen 11 Helmtragen auf dem E-Bike: Empfehlung ja, Pflicht nein Parkplätze nehmen in der Schweiz ebendiese Flä- 12 «Kindern eine Stimme geben»: Patrick Naef zum che in Anspruch. Platz, der anders genutzt werden Mobilitätskonzept Schule kann – für Velofahrerinnen oder Fussgänger, für 15 Fussverkehr: Verbesserungspotenzial in den Städten Strassenkaffees oder Blumenbeete. Mehr dazu le- 16 Synhelion: Porträt einer innovativen Firma sen Sie in unserem Dossier ab Seite 20. 17 JungVCS: frisches Engagement für Am 25. September hat das Parlament das neue CO2- die Verkehrspolitik Gesetz deutlich angenommen. Es bildet eine gute Ausgangslage für eine effektivere Klimapolitik, ge- © Ruedi Eichenberger rade beim Verkehr schliesst es grosse Lücken und beinhaltet wichtige Massnahmen. Es geht um alles oder nichts – ein Nein würde die Schweizer Klima- politik um Jahre zurückwerfen. Deshalb werden wir 46 Zugreisen: eine Fahrt vom VCS uns mit aller Kraft für ein Ja einsetzen. entlang dem Hochrhein Mehr dazu lesen Sie auf den Seiten 5 und 57. 49 Schneetourenbus: praktisch und umweltfreundlich Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen. auf die Skitour Nelly Jaggi 50 Velofahren: Marokko im Rausch der Sinne Leiterin Redaktion 55 Schneeschuhlaufen: Toggenburg entdecken P. S.: Wir haben Ihnen in der letzten Ausgabe ein Dossier zum Thema Klima und Verkehr verspro- chen. Das holen wir 2021 nach, versprochen. 30 Mitgliederangebote 33 Berichte aus den Regionen © VCS Freiburg 56 Wettbewerb 57 Bitte mitdenken! mit Anders Gautschi 58 Cartoon Titelbild: © Fabian Lütolf/setrunners.ch DOSSIER Platz nehmen Ein Auto steht 23 Stunden am Tag. Dieser Platz kann sinnvoller genutzt werden – ein Dossier mit Vergleichen und Vorschlägen. 20
KURZ & BÜNDIG Einen klimaschonenden Lieferwagen © Gletscher-Initiative auswählen Die Ausgabe 2021 der Lieferwagen-Umweltliste ist erschienen. Sie bietet eine detaillierte Auswertung des Umwelteinflusses von über 400 Modellen – darunter 19 Elektro-Lie- ferwagen und drei Hybride – sowie span- November 2020 nende Artikel zu aktuellen Themen. Die LIEFERWAGEN Lieferwagen-Umweltliste 2021 erscheint UMWELTLISTE Der Ratgeber für den Kauf von Lieferwagen und Minibussen zum letzten Mal in gedruckter Form. Die Rangliste und die Artikel werden in Zu- kunft online zugänglich sein, eine neue 2021 Version der Plattform ist ab Herbst 2021 verfügbar. 06 Gas- und Elektro-Lieferwagen: bald attraktiver dank höherer Nutzlast? 40 Elektro-Kipplader im Einsatz: die Erfahrungen einer Zürcher Gärtnerei Weitere Infos: Gletscher-Initiative: Partner : www.autoumweltliste.ch/de.html ein ungenügender Gegenvorschlag Im September hat sich der Bundesrat für einen direkten Gegen- © Hemis/Alamy Stock Photo vorschlag zur Gletscher-Initiative ausgesprochen. Obwohl dieser das Anliegen der Initiative – eine Reduktion der Treibhausgas- emissionen auf netto null bis 2050 – aufnimmt, halten ihn die Initiantinnen und Initianten für ungenügend und unverantwortlich angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise. Das Initiativkomitee hat in einer Antwort an den Bundesrat seine Forderungen unterstrichen. Es widersetzt sich einer Reduktion der fossilen Brenn- und Treibstoffe ab 2050 nur «so weit als möglich» und unterstreicht erneut das Bedürfnis nach einem totalen Verbot fossiler Brenn- und Treibstoffe ab 2050. In zweiter Linie fordern die Initiantinnen und Initianten ein klares Gesetz, um Ausnahmen und Unklarheiten bei den Einschränkungen zu vermeiden. Und schliesslich verlangt das Komitee, dass auch die Verantwortung der Schweiz im internationalen Verhältnis in der Verfassung festge- schrieben und nicht gestrichen wird, wie das der Gegenvorschlag vorsieht. Batterien: VCS, «Brot für alle» und «Fastenopfer» fordern mehr Unterschreiben Sie die Stellungnahme der Gletscher-Initiative: www.antworte-dem-bundesrat.ch Transparenz Die Elektromobilität ist seit einigen Jahren konstant auf dem Vor- marsch und zeichnet sich immer mehr als eine der Alternativen zum VCS-Velotagung 2021 Einsatz von brennstoffbetriebenen Autos ab. Sie soll dazu beitra- gen, eine Reduktion der Emissionen bei Neuwagen zu erreichen. Doch die Herstellung der Batterien birgt auch Herausforderungen. SAVE Die Schweiz soll ein Veloparadies werden. Das neue Veloweggesetz bringt uns einen grossen Der VCS und die beiden Hilfsorganisationen «Brot für alle» und «Fastenopfer» publizieren eine Studie, die zum ersten Mal über- THE Schritt vorwärts. Im Entwurf, der im Frühling prüft, wie die wichtigsten Batterieproduzenten mit Umwelt- und DATE 2020 in die Vernehmlassung ging, sind viele Menschenrechtsfragen umgehen. Die Probleme betreffen vor allem Forderungen des VCS berücksichtigt worden. die Transparenz der Versorgungsketten, den Rohstoffabbau und die Aber nicht alle. Deshalb setzt sich der VCS Wiederverwertung der Batterien. In der Atacamawüste in Chile weiterhin für seine Forderungen ein und nimmt beispielsweise gefährdet die Gewinnung von Lithium das empfind- das Velo auch 2021 auf die Liste der thematischen liche Ökosystem und die Lebensgrundlage lokaler Gemeinschaften Schwerpunkte. (im Bild). Das Datum dazu zum Vormerken: Am 31. August 2021 findet die VCS-Velotagung statt. Weitere Infos: www.verkehrsclub.ch/batterie 4 VCS MAGAZIN 5/20
Verkehr: einige Neuerungen Attraktive Reiseplanung im praktischen Format © zVg Am 1. Januar 2021 treten nach der Verabschiedung der revidierten Verkehrsregeln- und Signalisationsverordnungen durch den Bun- desrat neue Verkehrsregeln in Kraft. Zu den Neuerungen gehört die Der vergangene Sommer hat einmal mehr ge- Erlaubnis für Velofahrende, bei Rotlichtern nach rechts abzubiegen zeigt, welch atemberaubend schöne Ausflugs- (vgl. Illustration). Kinder unter zwölf Jahren dürfen auf dem Trottoir ziele die Schweiz zu bieten hat. Das Kursbuch ist ideal, um Reisen fahren, wenn kein Radweg oder Radstreifen vorhanden ist. Für Au- in der Schweiz zu planen: Kein anderes Medium erlaubt eine derart tomobilistinnen und Automobilisten wird es obligatorisch, auf der flexible und individuelle Reiseplanung wie der gedruckte Fahrplan. Autobahn bei Staus Rettungsgassen zu bilden. Und in Sachen Elektro- Ganz abgesehen davon, dass es einfach doppelt Spass macht, schö- fahrzeuge: Mit dem neuen Symbol «Ladestation» können Abstellflä- ne Reiserouten mit dem Kursbuch herauszusuchen. chen beschildert werden, die in diesem Sinne ausgerüstet sind. Die Seit 2018 ist der Druck des Kursbuchs nur dank der Initiative von neuen Regeln vereinfachen den Strassenverkehr und verbessern VCS, IGöV und Pro Bahn möglich. Die nötigen Fahrplandaten stellen teilweise dessen Sicherheit. die SBB zur Verfügung. Darauf ist die Trägerschaft angewiesen, eben- so wie auf treue Kundinnen und Kunden. Letzteren allein ist es zu ver- Weitere Infos: danken, dass das Kursbuch weiterhin in Papierform erscheinen kann. www.verkehrsclub.ch/verkehrsregeln Letztes Jahr haben die SBB die Fahrplanfelder neu gestaltet. Des- halb musste das Kursbuch 2020 im A4-Format gedruckt werden, was viele Kundinnen und Kunden als unhandlich empfanden. Umso erfreulicher ist, dass das Kursbuch 2021 wieder im beliebten For- mat A5 erscheinen wird – praktisch und logisch unterteilt in zwei Bände: Band 1 West, Band 2 Ost – mit einer verbesserten Gestal- tung der Fahrplanfelder. Bestellen: Per E-Mail (kursbuch@verkehrsclub.ch) oder mit der Karte im Umschlag dieses Magazins – für VCS-Mitglieder zum unveränderten Preis von Fr. 19.80. CO2-Gesetz: der Beitrag des Verkehrs Grafik: muellerluetolf.ch Das CO2-Gesetz schliesst Lücken beim Verkehr und nimmt dank des festgeleg- ten Inlandziels das Verursacherprinzip ernst. Es setzt Anreize, klimafreundlicher zu entscheiden, gewährleistet den sozialen Ausgleich und bringt uns einen Schritt weiter in Richtung Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Zwar haben Bundesrat und Parlament das CO2-Gesetz deutlich angenommen, weil aber inzwischen verschiedene Organisationen Unterschriften für ein Referendum sammeln, kommt es nächstes Jahr vors Volk. Wichtigste Klimaschutzmassnahme im et Abgabe: 120.− s t ick Fr. 30.− bi ng Verkehr: verschärfte Neu- Flug an Bevölke ru wagenziele – für Pkws, in Klimafon ds Liefer- und Lastwagen Längst fällige Massnahme: Flugticketabgabe Bessere Rahmen- bedingung für die Elektrifizierung Geld aus dem Klimafonds zur des öffentlichen Förderung der Nachtzüge Verkehrs VCS MAGAZIN 5/20 5
Bitte noch mehr davon Europa mit dem Zug Damit die Verschiebung des Modalsplits vom Flugzeug auf den Zug funktioniert, braucht es einen modernen europä- ischen Bahnverkehr: mehr Nachtzüge, einfache Buchungsprozesse und bessere Kundenfreundlichkeit, mehr Unterstützung für die Bahn und Von Laura Schmid keine Privilegien für den Flugverkehr. frontiert, oft ist der Gang an den Schalter © VCS nötig. Im Bahnverkehr muss möglich sein, was im Flugverkehr Standard ist: Mit weni- gen Klicks Zugverbindungen durch ganz Eu- ropa finden, buchen – und mit einem einzi- gen (E-)Ticket reisen. Die entsprechende Petition «1 Reise − 1 Ticket für ganz Europa» des VCS haben rund 6400 Personen unterschrieben. Sie verlan- gen, dass sich der Bundesrat gegenüber der EU dafür einsetzt, dass die Verkaufssysteme der verschiedenen Bahngesellschaften in Eu- ropa möglichst rasch harmonisiert werden. … und weitere Forderungen Schluss mit den Privilegien für den Flugver- kehr! Trotz zentraler Lage in Europa werden 81 Prozent aller Reisen aus der Schweiz mit dem Flugzeug unternommen – was knapp 20 Prozent des hier verursachten Klimaef- fekts ausmacht. Die Billigfliegerei ist nur möglich wegen Subventionen und Steuerer- leichterungen für den Flugverkehr. Die Bahn muss kundenfreundlicher wer- den. Es braucht Dienstleistungen wie einen internationalen Gepäcktransport oder die «1 Reise − 1 Ticket für ganz Europa»: Anfang September hat der VCS seine Petition Garantie auf Weiterreise im nächsten Zug, bei der Bundeskanzlei eingereicht. falls der Anschluss verpasst wird. Die Bahn muss schleunigst kreativ werden, um auch international einen guten Service anzubieten. A nfang September wurde der Ceneri- Basistunnel offiziell eröffnet. Mit dem Fahrplanwechsel vom 13. Dezember halbie- wechsel 2021 in Zusammenarbeit mit den ÖBB den Nachtzug nach Amsterdam wieder ins Programm aufnehmen. Geplant sind Die Bahn braucht mehr Unterstützung. Wenn die Schweiz ihre Klimaziele errei- chen will, muss sie dazu beitragen, dass im ren sich die Fahrzeiten zwischen den drei zudem durch eine Veränderung der Linien- internationalen Verkehr vom Flugzeug auf Städten Lugano, Locarno und Bellinzona. führung eine Verbindung nach Dresden und den Zug verlagert wird. Dafür müssen auch Davon profitieren nebst dem regionalen Per- Leipzig sowie neue Verbindungen nach Rom Bahnangebote ermöglicht werden, die heute sonenverkehr auch der Güterverkehr und und Barcelona. Alle diese Städte liegen in nicht vollständig kostendeckend sind. der internationale Personenverkehr. Doch Nachtzugdistanz und eine VCS-Studie zeigt, damit gerade Letzterer wirklich voran- dass sie einem Bedürfnis entsprechen: Zwei kommt, braucht es rasch mehr Engagement Drittel der Bevölkerung möchten gerne mehr und dringende Verbesserungen. mit dem Nachtzug reisen. Gute Nachrichten gab es in Bezug auf die Nachtzüge – ebenfalls Bestandteil des VCS- Bessere Buchungsprozesse … Laura Schmid ist ÖV-Spezialistin beim VCS Schweiz Forderungskatalogs. Am 15. September ga- Wer heute mit der Bahn durch Europa reist, und träumt davon, ebenso einfach ein Zugticket nach ben die SBB bekannt, dass sie per Fahrplan- ist mit komplexen Buchungsabläufen kon- Palermo zu kaufen wie nach Brig. 6 VCS MAGAZIN 5/20
Der beste Regionalverkehrsknoten Öffentlicher Verkehr Fiesch gewinnt den Flux 2020. Der neue Bahnhof hat die Jury überzeugt und wird mit dem «goldenen Verkehrsknoten» ausgezeichnet. Damit hat sich die Walliser Von Mauro Schmid Gemeinde gegen Châtel-St-Denis und Gland durchgesetzt. D er Flux-Preis zeichnet jährlich eine Schweizer Gemeinde für die beson- ders gelungene Gestaltung eines Verkehrs- Jahr ein anderer Schwerpunkt gesetzt. 2020 lag er auf neuen S-Bahn- und Regional-Ver- kehrsknoten. Die Bahnhöfe wurden nach hung findet am 11. März 2021 im Rahmen ei- ner VöV-Tagung statt. knotens aus. Der mit 5ooo Franken dotier- Kriterien wie Umsteigequalität, Barriere- Weitere Infos: flux.swiss te Preis wird seit 2007 vom VCS zusammen freiheit, Kundeninformation und Gesamt- mit Postauto und dem Verband öffentlicher konzept bewertet. Nominiert waren Fiesch, Mauro Schmid ist Praktikant beim VCS Schweiz und Verkehr (VöV) verliehen. Dabei wird jedes Châtel-St-Denis und Gland. Die Preisverlei- steigt am liebsten im Bahnhof Bern um. Fiesch: der Gewinner Für den 2019 eröffneten Verkehrsknotenpunkt Fiesch wurde der Bahnhof rund 400 Meter nach Norden verschoben. Nebst dem Bahnhof mit halbstündlichen Verbindungen nach Brig vereint der neue Standort auch die Postautohaltestelle und eine neue Gondelbahn auf die Fiescheralp. «Der neue Verkehrsknoten ist klar und übersichtlich strukturiert und verbindet die verschiedenen Verkehrsträger in optimaler Weise», sagt Anders Gautschi, Jurymitglied und Geschäftsführer des VCS Schweiz. Zudem sind im Bahnhof ein Café und ein Sportgeschäft untergebracht. Auch das äussere Erscheinungsbild des Gebäudes aus Holz und Beton hat die Jury überzeugt, da es sich gut in das Dorf einfügt. Gland: der Belebte Die Neugestaltung des Bahnhofs von Gland hat seine Bedeutung als Verkehrs- knotenpunkt gestärkt: Nebst neu halbstündlichen Verbindungen nach Genf und Lausanne ist auch die Erreichbarkeit mit Bus, Velo und Auto gewährleistet. Mit der Schaffung einer grosszügigen Unterführung für Fuss- und Veloverkehr ist der Bahnhof zu einer Verbindung zwischen dem Norden und dem Süden der Ortschaft geworden. Und dank Sitzgelegenheiten aus Holz und dem beliebten Wochen- markt ist der Bahnhofplatz ein lebendi- ger Treff- Châtel-St-Denis: der Auffällige Mit dem Neubau punkt. des Bahnhofs von Châtel-St-Denis 2019 an einem neuen Standort war es möglich, dass die Züge nicht mehr in einem Kopfbahnhof wenden müssen. Deshalb konnten halbstündliche Verbindungen nach Bulle und Palézieux realisiert werden. Die Züge halten auf ei- nem Viadukt und darunter befinden sich die Haltekanten für Busse und eine Zu- und Durchfahrtsachse für Velofahrerinnen und Fuss- gänger. Alleinstellungsmerkmal des Bahnhofs ist die kantige Archi- tektur der Perrondächer. Alle Fotos : Philippe Gasser, Citec Ingénieurs-Conseils VCS MAGAZIN 5/20 7
Ein Angebot für mehr Sicherheit Mobilität im Alter Ist der öffentliche Raum für ältere Menschen geeignet, dann profitieren alle davon. Mit diesem Hintergrund entwickelt der VCS für Gemeinden Mobilitätskonzepte für Von Camille Marion Seniorinnen und Senioren. dem gleichen Modell wie die Mobilitätskon- © Lundi 13/Nicolas Righetti zepte Schule. Eine Besonderheit davon ist der partizipative Ansatz: Die Mobilitätskon- zepte werden in enger Zusammenarbeit mit älteren Menschen und lokalen Vereinigun- gen erarbeitet. Konkrete Lösungen Bereits vor über 20 Jahren erstellte der VCS Analysen zur Mobilität im Alter, um die Hindernisse aufzuzeigen, mit denen diese Bevölkerungsgruppe zu kämpfen hat. Das aktuelle Angebot geht noch weiter: Die Ana- lysen – erstellt aufgrund von Besuchen vor Ort und Informationen der Seniorinnen und Der öffentliche Raum soll attraktiv sein und allen Menschen Platz bieten – auch älteren Personen. Senioren zu ihren Gewohnheiten, Empfin- dungen und Bedürfnissen – werden mit kon- kreten Empfehlungen ergänzt, um die fest- gestellten Probleme zu bekämpfen. Ü berfüllte Trottoirs, zu hohe Absät- ze, Ampeln, die zu schnell von Grün auf Rot wechseln, fehlende Sitzgelegenhei- wird bis 2045 ein Viertel aller Bewohnerin- nen und Bewohner der Schweiz mindestens 65-jährig sein. Ihr Platz im öffentlichen Die Gemeinden, die das Angebot nutzen, verfügen damit über eine Reihe verschiede- ner Handlungsmöglichkeiten, um Einrich- ten oder Toiletten, gefährliche Kreuzungen, Raum muss überdacht werden. tungs-, Signalisations- oder Begleitmass- keine Überführungen für Fussgängerinnen nahmen umzusetzen. Ziel ist eine qualitative und Fussgänger … Neben altersbedingten Herausforderung für Gemeinden Verbesserung des öffe tlichen Raums. Das Gesundheitsproblemen haben Seniorinnen Für Nagel Petrucci «muss der Impuls von betrifft sowohl die Sicherheit als auch den und Senioren auch mit einem ungeeigneten den Gemeinden kommen»: Sie müssen ge- Komfort der Infrastrukturen. Davon profi- öffe tlichen Raum zu kämpfen. währleisten, dass ihre Strassen und Infra- tieren letztlich alle. Langfristige Arbeit «Wenn es für ältere Personen zu kompliziert wird, zu Fuss oder Gefördert wird auch die wichtige Sensibili- sierungsarbeit – vor allem bei älteren Perso- mit dem öffentlichen Verkehr unterwegs zu sein, dann verzichten nen, aber nicht nur. «Wir bieten Kurse an, um die Seniorinnen und Senioren in der Be- sie nach und nach darauf. So verlieren sie ihre Selbständigkeit.» nutzung des öffe tlichen Verkehrs zu beglei- Paola Nagel Petrucci ten, dazu passende Dokumentationen sowie generationsübergreifende Aktivitäten», sagt Nagel Petrucci. «Wenn es für ältere Personen zu kompli- strukturen die Bedürfnisse aller Personen Die Mobilitätskonzepte sollen ein lang- ziert wird, zu Fuss oder mit dem öffentlichen abdecken, auch die der verletzlichsten Nut- fristiges Ziel erreichen: eine Mobilität für Verkehr unterwegs zu sein, dann verzichten zerinnen und Nutzer. Dank seines Fachwis- ältere Menschen, die zu ihrer Gesundheit, sie nach und nach darauf. So verlieren sie sens und seiner Erfahrung unterstützt der sozialen Integration und Lebensqualität bei- ihre Selbständigkeit», sagt Paola Nagel Pet- VCS die Gemeinden dabei mit dem Erstel- trägt. rucci, Projektbeauftragte für Seniorenfragen len von massgeschneiderten Mobilitätskon- im Genfer Bureau romand des VCS. Senio- zepten. rinnen und Senioren sind die am stärksten Diese Mobilitätskonzepte für Seniorin- Weitere Infos (auf Französisch) unter wachsende Altersklasse; Schätzungen zufolge nen und Senioren realisiert der VCS nach www.mobilitesenior.ch 8 VCS MAGAZIN 5/20
Verkehr und Konzernverantwortung? Konzernverantwortungsinitiative Rohöl, Kobalt und Kautschuk: Wer genau hinschaut, findet zahlreiche Zusammenhänge zwischen den Forderungen der Konzerninitiative und dem Verkehr. Am Text und Bild: Anita Weber 29. November kommt die Initiative vors Volk. K inderarbeit, Luft- und Trinkwasserver- schmutzung oder Vergiftung der Böden: Verstossen Konzerne mit Sitz in der Schweiz im Ausland gegen Menschenrechte, sol- len sie dafür geradestehen. Das verlangt die Konzernverantwortungsinitiative. Weil die Justiz in den betroffenen Ländern oftmals schwach und häufig auch bestechlich ist, sol- len Geschädigte vor einem Schweizer Ge- richt auf Schadenersatz klagen können. Das hat mehr mit dem Verkehr zu tun, als man im ersten Moment denkt. Bei genauem Hinsehen wird deutlich, dass der Handels- nation Schweiz auch im Zusammenhang mit dem Verkehr weltweit eine Schlüsselrolle zukommt. Das Rohöl und die Umwelt Benzin und Diesel sind nicht nur massive Treiber des Klimawandels, sondern häufig schon für Umweltschäden verantwortlich, Ergänzen die zahlreichen Flaggen an Balkonen und Fenstern: Velodreiecke. bevor sie überhaupt in die Tanks der Autos gelangen. Einigen sitzt der Schrecken über die Explosion der Ölbohrplattform «Deep- nötigt. Beim Abbau sind Menschenrechts- Beitrag im VCS-Magazin 1/2020 auf Seite 6). water Horizon» vor zehn Jahren noch in den verletzungen und gravierende Umweltschä- Auch hier sind Schweizer Firmen an Anbau Knochen. Die darauffolgende Ölpest im Golf den an der Tagesordnung – das hat auch eine und Handel beteiligt. von Mexiko war die bisher schwerste Um- kürzlich veröffentlichte Studie des VCS und All diese Beispiele zeigen: Während kor- weltkatastrophe dieser Art. der Entwicklungsorganisationen «Brot für rupte Eliten vom Rohstoffabbau profitieren In vorliegenden Fall wurden sowohl das alle» und «Fastenopfer» gezeigt (siehe auch und Grosskonzerne wie Glencore Jahr für Mineralölunternehmen BP als auch der Seite 4). Jahr Milliardengewinne verzeichnen, zahlen Plattformbetreiber Transocean, ein Gross- Die Verstösse reichen vom Einsatz von die lokale Bevölkerung und die Natur den konzern mit Hauptsitz in der Schweiz, auf- Kinderarbeit und hochgefährlichen Arbeits- wahren Preis für die Rohstoffe, die unab- grund schwerer Versäumnisse in den USA bedingungen über Umsiedlungen oder gar dingbar sind für unsere Mobilität. zur Rechenschaft gezogen. Hätte sich die Ka- Vertreibungen bis hin zu Wasserverschmut- Es gibt aber auch eine gute Nachricht: tastrophe aber nicht vor der Küste Nordame- zungen oder grossflächiger Zerstörung land- Als weltweit bedeutendster Handelsplatz für rikas, sondern beispielsweise im Indischen wirtschaftlicher Anbauflächen. Schweizer Rohstoffe kann die Schweiz viel bewirken! Ozean zugetragen, ist es sehr gut möglich, Grosskonzerne wie Glencore oder Trafigura Für den VCS ist klar, dass Mobilität nicht dass es zu keiner Schadenersatzzahlung ge- spielen beim Abbau und Handel von Batterie- nur klimafreundlich, sondern auch sozial- kommen wäre. rohstoffen eine zentrale Rolle. und umweltverträglich sein muss. Deshalb braucht es am 29. November ein Ja zur Kon- Die Batterie und die Menschenrechte Und natürlich der Kautschuk zernverantwortungsinitiative. Einen kritischen Blick braucht es auch auf Ohne Kautschuk für die Reifen kommen die Elektromobilität. So sehr diese zum Kli- Auto, Bus oder Velo nicht aus. Die Umwelt- Anita Weber ist Projektleiterin Marketing beim maschutz beitragen kann, so hat sie doch belastung ist in den Anbauländern allerdings VCS Schweiz und engagiert sich freiwillig für die Konzernverantwortungsinitiative. auch eine Schattenseite: Für die Herstellung enorm, denn der Monokulturanbau geht fast der Batterien werden Rohstoff wie Lithium, immer mit grossflächiger Waldrodung und Kobalt oder Nickel in grossen Mengen be- Pestizidbelastung einher (lesen Sie dazu den VCS MAGAZIN 5/20 9
Velohelm: Empfehlung ja, Pflicht nein Velofahren Der Bundesrat fordert eine Helmpflicht für Fahrerinnen und Fahrer langsamer E-Bikes. Ob das den gewünschten Nutzen bringt oder der Entwicklung hin zur vermehrten Verwendung des (E-)Drahtesels das Genick bricht, wird kontrovers diskutiert – eine Von Nelly Jaggi Auslegeordnung. einem Drittel Fahrten mit dem öffe tlichen © Sam Buchli Verkehr ersetzen. Hält die Helmpflicht Men- schen vom Velofahren ab, ist das in mehrfa- cher Hinsicht nicht zielführend. Wer E-Bike fährt, profitiert von einem positiven Nutzen auf die eigene Gesundheit. Autos stellen eine höhere Gefahr für andere Verkehrsteilneh- mende dar als E-Bikes – ein Umstieg vom E-Bike aufs Auto ist demnach kontraproduk- tiv. Velofahrende sind sicherer unterwegs, je höher die Velodichte ist. Und nicht zuletzt wären beliebte Veloverleihsysteme für lang- same E-Bikes durch eine Helmpflicht direkt gefährdet. Licht, helle Kleidung, klares Handzeichen und ein Helm: Vier Faktoren, die dazu beitragen, Heikel ist in Zusammenhang mit einer dass der E-Bike-Fahrer sicherer unterwegs ist. Helmpflicht auch die Versicherungsfrage. Schwere E-Bike-Unfälle sind in 40 Prozent der Fälle die Folge von Kollisionen mit an- W er ein schnelles E-Bike fährt, muss ei- nen Helm tragen. Nun fordert der Bun- desrat auch für die Fahrerinnen und Fahrer Einhaltung der Verkehrsregeln und Verbesse- rung der Infrastruktur für Velofahrende so- wie Prävention. Das Tragen eines Helmes ist deren Verkehrsteilnehmern, die wiederum in 58 Prozent der Fälle auf das alleinige Fehl- verhalten Autofahrender zurückzuführen von langsamen E-Bikes eine Helmtrage- eine sekundäre Massnahme und kann Unfäl- sind. Was nun, wenn eine verunfallte Per- pflicht. Er schreibt dazu in einer Medien- le nicht verhindern. Eine Helmpflicht greift son trotz Pflicht keinen Helm getragen hat – mitteilung, dass er dadurch schwere E-Bike- demnach das Problem nicht an der Wurzel vielleicht weil dieser am Vortag gestohlen Unfälle reduzieren will. Diese Absicht ist und verschiebt zudem die Verantwortung wurde? Es darf nicht sein, dass Verunfallte lobenswert. einseitig auf die schwächeren Verkehrsteil- Versicherungskürzungen wegen Nichttragen Trotzdem gibt die reine Betrachtung der nehmenden. eines Helms riskieren oder Versicherungen Unfallzahlen in diesem Zusammenhang Das Tragen eines passenden und richtig gar Regress auf das Unfallopfer nehmen. Die ein falsches Bild: Zwar haben Unfälle zuge- eingestellten Helms kann Kopfverletzungen Verantwortung muss bei der Verursacherin nommen, allerdings sind parallel dazu die reduzieren. Deshalb ist es immer sinnvoll oder beim Verursacher des Unfalls bleiben. E-Bike-Verkäufe und damit die gefahrenen und empfohlen, einen Helm zu tragen. 2019 Aus all diesen Gründen propagiert der Kilometer in die Höhe geschnellt. trugen gemäss Zahlen der Beratungsstelle VCS das freiwillige Helmtragen und setzt sich Egal, ob sich ein Verkehrsverband für für Unfallverhütung BFU 65 Prozent der vehement für primäre Massnahmen ein. oder gegen eine Helmpflicht ausspricht, es Fahrerinnen und Fahrer von langsamen regt sich Widerstand: Der einen ist es eine E-Bikes einen Helm. Es gibt aber auch Grün- VCS-Redaktorin Nelly Jaggi trägt beim Velofahren zu grosse Einschränkung in die persönli- de, die Menschen davon abhalten, einen immer einen Helm und hat diesen Text in enger che Freiheit, der andere versteht nicht, wes- Helm zu tragen. Wer beispielsweise das Velo Zusammenarbeit mit den Veloexpertinnen und Velo- experten des VCS geschrieben. halb dieser mutmassliche Sicherheitsgewinn abstellt, muss den Helm entweder mittragen nicht lückenlos unterstützt wird. Ausser Fra- oder am Velo befestigen. Wer sich für Letzte- ge steht, dass Velounfälle bestmöglich ver- res entscheidet, riskiert, nach einem Regen- hindert werden müssen. guss einen durchnässten Helm anzuziehen. Darum geht es Primärer statt sekundärer Schutz Keine Verantwortung abschieben Der Bundesrat hat ein Revisionspaket in die Dafür braucht es aber in erster Linie primä- Eine Umfrage der Klimaschutzorganisati- Vernehmlassung gegeben, in dem er unter ande- re Massnahmen gegen die Ursachen: tiefere on «myclimate» zeigt auf, dass E-Bike-Fahr- rem eine Helmpflicht für alle E-Bike-Fahrenden Tempolimiten, konsequente Kontrollen der ten zur Hälfte Fahrten mit dem Auto und zu fordert. Die Frist läuft bis am 12. Dezember. VCS MAGAZIN 5/20 11
«Den Kindern eine Stimme geben» Schulweg Auf der Grundlage von Kinderzeichnungen hat der VCS diesen Herbst den Blick der Kinder auf ihren Schulweg untersuchen lassen. Patrick Naef, beteiligter Forscher und wissenschaftlicher Interview: Brendan Drezen Bilder: zVg Mitarbeiter der Universität Genf, im Gespräch. DAS GEFÄLLT NICHT Patrick Naef, Sie haben für den VCS Und auf persönlicher Ebene? bereits an einer Studie über den Sie sind eben erst Vater geworden … Pedibus mitgewirkt. Was ist bei der Ziel dieser Forschung ist es, rasch und neuen Untersuchung anders? konkret handeln zu können. Die Studie wird Dank der Zusammenarbeit mit dem VCS direkt an Entscheidungsträgerinnen und lässt sich ein Bogen zwischen der Praxis, den -träger kommuniziert, die auf ihrer Grund- Verbänden und der Forschung schlagen. Die lage bauliche Entwicklungen oder Verhal- Studie basiert auf vorhandenem Material. tensweisen in relativ kurzer Frist beein- Interessant daran ist, dass die Wissenschaft flussen können. Die Pandemiesituation hat die Gelegenheit wahrnimmt, ihren «Elfen- gezeigt, dass sich ganz kurzfristig Lösungen beinturm» zu verlassen. Die Arbeit des VCS finden und umsetzen lassen. Diese Studie erlaubt es, Feldforschung zu betreiben und kommt deshalb genau im richtigen Moment. eine reichhaltige Datengrundlage zu erhe- Was meine Tochter, aber auch andere Kin- ben. Im Vergleich zur Pedibusstudie konzen- der angeht, ist es ermutigend, zu wissen, dass triert sich die aktuelle Arbeit stärker auf den unsere Erkenntnisse einen Einfluss auf die Austausch zwischen Forschung und Praxis. Umgebung haben können, in der sie sich in ein paar Jahren bewegen werden. Können Sie uns die Studie kurz vorstellen? Der VCS interessiert sich generell, aber Unsere Studie zielt ganz einfach darauf ab, gerade im Zusammenhang mit dieser den Kindern eine Stimme zu geben. Oft wer- Studie für den öffentlichen Raum aus den Kinder indirekt angesprochen. Ihren Kindersicht. Liegt das gegenwärtig im Standpunkt zu erfassen, ist immer heikel, Trend? vor allem aus ethischen Gründen, weil sie Es war alles andere als einfach, Forscherin- den Status «verletzlicher Subjekte» haben. nen und Forscher zu finden, die auf diesen In dieser Studie drücken sich die Kinder in Bereich spezialisiert sind. Ich habe den Ein- Zeichnungen aus, was einen direkteren Zu- druck, dass es bis jetzt nur wenige Arbeiten gang ermöglicht. Die Forscherinnen und zu diesem Th ma gibt. Die vorliegende Stu- Forscher unterschiedlicher Fachrichtungen die ist insofern innovativ, als dass sie sich auf haben diese Zeichnungen interpretiert; dies die Sicht der Kinder konzentriert. Sie fragt mündete in eine umfassende Analyse. sie direkt nach ihrer Meinung, statt stell- vertretend für sie zu sagen, was gut für sie Was interessiert Sie als Forscher daran? sei. Dieser Ansatz dürfte noch einige Entde- Über die Mobilität der Kinder als Th ma hi- ckungen zutage fördern. naus interessiert mich hier die Gelegenheit, aus der akademischen Welt auszubrechen Die Ergebnisse beruhen auf Kinder- und Handlungsforschung zu betreiben, wie zeichnungen. Ist das eine übliche sich das nennt. Die Zusammenarbeit mit dem Vorgehensweise? VCS ermöglicht mir eine Arbeit vor Ort mit Die Verwertung von Bildern ist in den Sozial- einem zeitnahen Horizont. Bei dieser Dyna- wissenschaften gang und gäbe, besonders in mik erhält man Resultate innert weniger Mo- der Anthropologie und in der Bildwissen- nate, während sich «klassische» Forschung schaft. Es geht darum, Bilder – Werbung, Il- über Jahre hinziehen kann. Der Ansatz ist an- lustrationen, Pressebilder, Zeichnungen – als ders, und man muss sich daran anpassen. Als Diskurse aufzufassen. Diese Methodik wur- Forscher schätze ich, dass sich die beiden Ar- de im Lauf mehrerer Jahrzehnte entwickelt ten, Forschung zu betreiben, ergänzen. und eignet sich gerade für eine Studie über 12 VCS MAGAZIN 5/20
Patrick Naef ist Haben alle Forscherinnen und Forscher DAS GEFÄLLT Anthropologe dieselben Schlüsse gezogen? und Geograf und Studienbereiche, Methoden und der Blick arbeitet als wis- auf den Forschungsgegenstand unterschei- senschaftlicher Mitarbeiter an der den sich – die Empfehlungen hingegen stim- Uni Genf. men überein. Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus? Als zentral herausgestellt hat sich, dass der Kinder. Ergänzt mit individuellen Gesprä- Schulweg als Erfahrung an sich zu betrach- chen ergäbe sich ein repräsentativeres Resul- ten ist, nicht bloss als Mittel zum Zweck, um tat, aber dafür bräuchten wir mehr Zeit. von A nach B zu gelangen. Entscheidend aus der Perspektive aller Spezialisten ist es des- Die Forscherinnen und Forscher, die die halb, diesen Weg so erfahrungsreich wie Zeichnungen analysiert haben, kommen möglich zu gestalten. aus verschiedenen Fachgebieten. Wie An der Zusammenarbeit mit dem VCS in- gestaltete sich die Zusammenarbeit? teressiert mich besonders, dass unser Enga- Für diese Studie haben wir uns stärker auf gement so rasch wie möglich Früchte trägt. ein Thema, die Mobilität der Kinder, als auf Zu wissen, dass sich unsere Ergebnisse von den wissenschaftlichen Ansatz einer be- Politikerinnen und Politikern für konkrete stimmten Disziplin konzentriert. Die Th - Projekte unmittelbar verwerten lassen, ist matik ist überaus breit gefasst und eignet sehr motivierend. sich deshalb für eine interdisziplinäre Stu- die. Der Austausch zwischen den Fachleuten und dem VCS hat die Zusammenarbeit inte- Brendan Drezen ist Projektmitarbeiter im Bureau ressant gemacht. romand des VCS Schweiz. Zur Studie Die Perspektive der Kinder wird von der Politik und von Zuständigen für die Raumentwicklung noch wenig beachtet. Als hauptsächliche Nutzerinnen und Nutzer des Schulwegs sind die Kinder aber Experten dafür. Der VCS erstellt seit fast zehn Jahren Mobilitätskonzepte für Schulen: ein partizipativer Ansatz, bei dem Kinder, Eltern und Lehrpersonen zu ihrer Wahrnehmung des Schulwegs, seiner Stärken und Gefahren befragt werden, um konkrete, massgeschneiderte Lösungen vorzuschlagen. In diesem Rahmen wird die Perspektive der Kinder anhand ihrer Zeichnungen ermittelt. Der VCS hat in diesen Jahren eine breit gefächerte Sammlung von Aussagen in Form von Zeichnun- gen zusammengetragen. Darauf basiert die vorliegende Studie. Die Zeichnungen wurden Fachleu- ten unterschiedlicher Forschungsrichtungen (Geografie, Geschichte, Raumentwicklung, Psycholo- gie, Recht und Ingenieurwesen) vorgelegt, die daraus die Mobilität der Kinder analysieren konnten. Entscheidungswerkzeuge Grundsätzlich soll es die Umgebung, insbesondere der Schulweg, den Kindern erlauben, sich si- cher zu bewegen und sich nach und nach die Strassenverkehrsregeln anzueignen. Es ist deshalb wesentlich, den Schulweg als einen wertvollen (Zeit-)Raum zwischen Elternhaus und Schule zu verstehen, in dem die Kinder Gelegenheit haben, ihre Umwelt zu erkunden. Ist der Schulweg für die Kinder und aufgrund ihrer Bedürfnisse gestaltet, wird er zu einem ergänzenden Lernraum, der ihre Unterwegssein mit Freunden, Natur, Autos, Um- Entwicklung fördert. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Studie sind konkrete Arbeits- weltverschmutzung, Gefahren: Im Rahmen der instrumente für Fachleute und Behörden. Mobilitätskonzepte Schule des VCS zeichnen die Kinder, was ihnen an ihrem Schulweg gefällt und Weitere Infos zu den Mobilitätskonzepten Schule: mobilitaetskonzept-schule.ch was nicht. VCS MAGAZIN 5/20 13
Solarspar, Oliv Zeitschrift + VCS Magazin, ¼ Seite hoch, 4f, 96 × 132 mm Wir machen terra habitare schweiz schweiz Klimaschutz Unser Land für zahlbares Wohnen Seit mehr als einem Die Terra Schweiz AG will Wollen Sie Ihre Liegen- zusammen mit der Habitare Vierteljahrhundert schaft zu einem fairen Schweiz AG Liegenschaften der Spekulation entziehen Preis verkaufen? schaffen Solarspar- und nachhaltig bezahlbares Wir suchen Mehrfamilienhäuser Mitglieder Fakten: Über Wohnen fördern. ab acht Wohnungen in der gesamten Deutschschweiz. 90 PV-Anlagen sparen in der Schweiz gegen Wir freuen uns über Ihre Kontaktaufnahme: T 052 202 80 80, info@terra-wohnen.ch, www.terra-wohnen.ch 2000 Tonnen CO2 ein. Mit Ihrer Unterstützung bauen wir weiter. inserat_95x63_def.indd 1 15.01.18 09:49 www.solarspar.ch / mitmachen Bild: Tomas Wüthrich IHRE VELOSPENDE BEWEGT MENSCHEN Solarspar T +41 61 205 19 19 www.solarspar.ch Alle Sammelstellen: velafrica.ch Solarspar_Inserate_2020_Sujet.indd 9 24.09.19 11:30 Geschenk an die nächste Generation Mit einem testamentarischen Vermächtnis an den VCS lebt weiter, was Ihnen wichtig ist. VCS Verkehrs-Club der Schweiz Aarbergergasse 61, 3001 Bern Für weiterführende Informationen: – per Telefon 031 328 58 58 oder – via Internet www.verkehrsclub.ch © Adobe Stock – Gajus
Verbesserungspotenzial vorhanden Fussverkehr Im Rahmen des Projekts «GEHsund – Städtevergleich Fussverkehr» wurde erstmals die Fussgängerfreundlichkeit von 16 Schweizer Städten untersucht. Die Bewertung in drei Teilprojekten zeigt die unterschiedlichen Qualitäten und die Defizite im Fuss- Von Veronika Killer verkehr deutlich. «F örderung des Fussverkehrs» – diese Konkrete Handlungsempfehlungen © zVg Zielformulierung liest man mittler- Die Fussgängerfreundlichkeit wurde in drei weile öfter in Strategiepapieren und Konzep- Teilprojekten erhoben. Damit werden ver- ten auf den verschiedenen Planungsebenen. schiedene Blickwinkel beleuchtet. Der Fuss- Wer aber in den Städten und Dörfern zu verkehrstest als erster Teil fokussiert auf die Fuss unterwegs ist, spürt noch wenig da- Infrastruktur, die für den Fussverkehr be- von, dass solche Ziele auch umgesetzt wer- reitgestellt wird. Dabei handelt es sich um den. Trottoirs sind mit Werbetafeln, Anlie- eine Qualitätsbewertung vor Ort mit festge- ferfahrzeugen oder parkierten Velos und legten Kriterien. Das zweite Paket im Städte- Trottinetten verstellt. Aufenthaltsflächen vergleich umfasst unter dem Titel «Pla- und Sitzmöglichkeiten sind oft Mangelware. nungspraxis» eine Auswertung darüber, Trottoirs werden häufig als Mischverkehrs- wie in der jeweiligen Stadtverwaltung und flächen zweckentfremdet, die sich der Fuss- in der Stadtpolitik mit dem Th ma Fussver- verkehr mit dem zunehmend schneller wer- kehr umgegangen wird. Im dritten Projekt- denden Veloverkehr teilen muss. All dies teil wird in Form einer Onlineumfrage die bietet wenig Anreiz zum Zufussgehen in un- Zufriedenheit der Bevölkerung im Bereich seren Städten. Fussverkehr erhoben. Im Gegensatz zu anderen Verkehrsmit- Diese drei Teile zusammen ermögli- teln gab es zum Fussverkehr bisher keine chen Aussagen zur allgemeinen Qualität des Umfragen oder Erhebungen, mit denen Fussverkehrs. Über das Gesamtergebnis des sich die Qualität der Fussverkehrsinfra- «GEHsund – Städtevergleich Fussverkehr» Autos, Motorräder, Velos, Tische, Stühle, Werbe- struktur bewerten liesse. Hier setzt der gesehen, wurden im Durchschnitt erst 61 Pro- tafeln, …: für Fussgängerinnen und Fussgänger Städtevergleich Fussverkehr an: Das Pro- zent der Qualitätsanforderungen erfüllt oder, lauter Hindernisse. jekt «GEHsund – Städtevergleich Fuss- umgekehrt formuliert, rund 40 Prozent eben verkehr» hat die Fussgängersituation der nicht. Das heisst, alle Städte sind gefordert, Städte Aarau, Basel, Bellinzona, Bern, Biel, ihre Fussverkehrssituation noch zu verbes- Chur, Genf, Lausanne, Locarno, Lugano, sern. Der Städtevergleich mit dem Ranking Insgesamt erreicht Basel mit 68 Prozent al- Luzern, Neuenburg, St. Gallen, Winter- spornt die Städte zudem an, Massnahmen ler erfüllten Anforderungen den höchsten thur, Zug und Zürich detailliert unter- umzusetzen: mehr Platz für den Fussver- Wert aller untersuchten Städte und zeichnet sucht. kehr, mehr Fussgänger- und Begegnungs- sich insbesondere durch die Kommunikati- zonen, kürzere Wartezeiten an den Ampeln, on und Beobachtung des Fussverkehrs aus. getrennte Infrastrukturen für den Fuss- und Die «Goldene Schuhbürste» symbolisiert, Städtevergleich Fussverkehr: den Veloverkehr und besser dotierte Fussver- dass die Stadt zwar gut abgeschnitten hat, kehr-Fachstellen. Diese Handlungsempfeh- aber weiter an der Fussgängerfreundlichkeit Projektträger von «GEHsund – Städte lungen gelten für alle teilnehmenden Städte. polieren muss, um zu brillieren. vergleich Fussverkehr» waren umverkehR, Fussverkehr Schweiz und die Hochschule Fünf «Goldene Schuhbürsten» Rapperswil. Das Projekt wurde finanziell Fünf Städte erhalten je eine «Goldene Schuh- Veronika Killer ist Projektleiterin Fussverkehr von Energie Schweiz (KOMO), der Stiftung bürste»: Aarau schneidet bei der Bewertung bei umverkehR und oft zu Fuss in der Stadt Zürich Corymbo, der Loterie Romande, vom unterwegs. der Infrastruktur am besten ab, Chur bei der Lotteriefonds Kanton Bern und vom Kanton Zufriedenheit der Bevölkerung und Basel bei Tessin sowie von den 16 beteiligten Städten der Planungspraxis. Neuenburg ist die fuss- unterstützt. gängerfreundlichste Stadt in der Romandie Weitere Informationen: und Bellinzona erreicht im Quervergleich www.umverkehr.ch/fussverkehr der Tessiner Städte die höchste Punktzahl. VCS MAGAZIN 5/20 15
Treibstoff der Zukunft? Flugverkehr Für den Flugverkehr ist der Ausstieg aus den fossilen Treibstoffen schwierig. Es gibt jedoch einen vielversprechenden Ansatz: synthetische Treibstoffe, wie sie die Schweizer Firma Von Camille Lepetit Synhelion herstellt. rer Gianluca Ambrosetti. «Hingegen können © ETH Zürich/Alessandro Della Bella wir versuchen, ein Werkzeug zu liefern, um den Luftverkehr nachhaltiger zu machen.» In einer ersten Phase will Synhelion an der Anreicherung von Erdgas mit Solar- energie arbeiten, dem zu diesem Zweck CO2 aus der Atmosphäre zugefügt wird. Damit kann das Unternehmen ziemlich rasch Ge- winne erzielen, um dann in einer zweiten Phase einen CO2-neutralen Treibstoff zu produzieren. «Wir planen bis 2024 eine erste grosse Fabrik mit einer Kapazität von unge- fähr 5000 Tonnen Treibstoff pro Jahr», sagt Ambrosetti. «Bis 2030 streben wir eine Mil- lion Tonnen pro Jahr an, die Hälfte dessen, was die Schweizer Luftfahrt gegenwärtig benötigt.» Wegen der Sonnenlichtbedingungen und des benötigten Platzes kann der Treibstoff nicht in der Schweiz produziert werden – es bräuchte ungefähr 50 000 km2, um die ak- tuelle weltweite Luftfahrt zu versorgen. Po- tenzial für erste Fabriken sieht Synhelion in Der Prototyp auf einem Dach der ETH Zürich. Süditalien oder Südspanien. Notwendige Investitionen D ie Flugbranche, heute bereits für 20 Pro- zent der Klimafolgen in der Schweiz ver- antwortlich, könnte in wenigen Jahren zur gesamten Weltbedarf an Kerosin zu decken», sagt Philipp Good, bei Synhelion zuständig für Forschung und Entwicklung. Bis dahin ist der Weg allerdings noch lang: Im Moment muss die neue Technologie zu- erst einmal die nötige Reife erreichen und Hauptverursacherin der Klimaerwärmung Ein solcher Treibstoff ist vor allem dort die Produktionskosten müssen sinken, da- werden. Sie wird kurz- und mittelfristig interessant, wo die Elektrifizierung eines nach braucht es Bewilligungen für die riesi- nicht ohne fossile Treibstoffe auskommen. Fahrzeugs schwierig ist. «Die Luftfahrt- gen Investitionen. Doch Ambrosetti ist zu- Technologien, die gegenwärtig entwickelt industrie ist die wichtigste Verbraucherin un- versichtlich: «Es sind mehrere Jahre nötig, werden, lassen jedoch auf eine bessere oder serer solaren Brennstoff , denn deren Ener- um eine echte Wirkung zu erzielen, aber es gar neutrale CO2-Bilanz hoffe . giedichte ist sehr hoch», sagt Good. Doch ist möglich und finanziell machbar; wir kön- Synhelion ist ein Spin-off der ETH Zü- auch die Schifffahrtsbranche könnte davon nen einen Preis erreichen, den die Leute zu rich. Das Team hat ein komplexes Verfahren profitieren, ebenso wie schwere Lastwagen. zahlen bereit sind. Wir bieten schliesslich entwickelt, um einen Treibstoff auf der Basis eine Lösung an, die eine sinnvollere Nutzung von CO2 und Wasser, das mittels Sonnen- Alternative für die Luftfahrt der Energie anstrebt, eine nachhaltigere energie in Gas umgewandelt wird, herzu- Um die Auswirkungen des Luftverkehrs Art, die Ressourcen zu nutzen, über die wir stellen. Dieses «Syngas» mit neutraler CO2- auf die Umwelt deutlich zu reduzieren, ste- verfügen.» Bilanz wird anschliessend verflüssigt. hen zwei Optionen offen: Das Reisevolumen Die wichtigsten Vorteile dieser Techno- verkleinern oder die Emissionen mit neuen logie im Vergleich zu anderen Alternativen, Technologien senken. «Wir sind nicht in der die zurzeit entwickelt werden, sind die Effizi- Lage – und es ist auch nicht unsere Aufga- enz und das Potenzial: «Unsere Technologie be –, das Reiseverhalten der Leute zu beein- Camille Lepetit ist ehemaliger Praktikant beim VCS könnte skaliert werden, um theoretisch den fl ssen», erläutert Synhelion-Geschäftsfüh- Schweiz. 16 VCS MAGAZIN 5/20
Verkehrswende, jetzt! Engagement Um auch jüngere Menschen für die Verkehrspolitik und eine nachhaltige Mobilität zu begeistern, gründet der VCS den JungVCS. Mitgründerin Jelena Filipovic über ihre Beweggründe, Von Jelena Filipovic sich für eine visionäre Verkehrspolitik einzusetzen. D en grössten Teil meiner Kindheit und © zVg/Judith Schönenberger Studienzeit habe ich in den Städten Basel, Zürich und Bern verbracht. An Autos habe ich selten einen Gedanken verloren, ich war ja mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) und dem Velo gut vernetzt. Ein Auto war und ist für mich eher ein Statussymbol als ein Fort- bewegungsmittel – wieso sonst kommen wir in der Schweiz auf 0,5 Autos pro Einwohne- rin und Einwohner, inklusive Oma und En- kel! Dennoch bin ich mir bewusst, dass ich aus einer privilegierten Perspektive spreche: Ein gut ausgebautes ÖV-Netz nutzen zu kön- nen, ist ein Luxus, über den in der Schweiz bei Weitem nicht alle verfügen. Verkehrspolitik ist kein Begriff, der auf Enthusiasmus stösst. Auch meine Begeis- terung hielt sich in Grenzen, bevor ich vor einem guten Jahr ein Praktikum beim VCS Jelena Filipovic ist Gründungsmitglied des JungVCS und fordert eine gemacht habe. Im gleichen Zeitraum habe Verkehrspolitik mit verbindlichen Klimazielen. ich mich auch der Klimastreikbewegung angeschlossen und musste feststellen, dass das Th ma innerhalb dieser Bewegung kaum Weshalb also etwas besitzen, das ich ebenso und nachhaltigen Mobilität – damit wir auch Platz findet. gut bei Bedarf nutzen und mit anderen teilen einen Wandel innerhalb der Verkehrspolitik Dabei liegt es auf der Hand, dass es eine kann? schaffe . Verkehrswende braucht: Ohne den Ver- kehrssektor, den grössten Klimasünder der Feministische Perspektive Jelena Filipovic war Praktikantin beim VCS Schweiz. Sie ist Teil der Klimastreikbewegung und hat Passa- Schweiz, zu revolutionieren, werden wir die Selbstverständlich hört das Problem nicht gen des Textes während der Besetzung auf dem Bun- geforderten netto null Treibhausgas-Emissi- beim (motorisierten) Individualverkehr auf. desplatz geschrieben. onen bis 2030 nie erreichen. Auch beim ÖV gibt es Verbesserungspoten- zial. Die Frage ist weder, ob es ein besser aus- Es braucht einen Systemwandel gebautes Netz ausserhalb der Städte braucht Ja, auch im Verkehrssektor braucht es einen noch ob es sich alle leisten können sollten – Systemwandel! Es reicht nicht, sich auf kli- darauf lautet die Antwort ja! Es geht auch mafreundliche Technologien zu verlassen. darum, wie es weiter ausgebaut wird und Eine Revolutionierung des Verkehrssystems wem es zugute kommt. bedarf einer öffentlichen Debatte über eine nachhaltige Mobilität. Das bedeutet auch, Werden vor allem klassische Pendle- rinnen und Pendler angesprochen? Oder VCS Mach mit! dass wir uns als Gesellschaft und als Bewe- gung komplexe Fragen stellen müssen: Wie wird eine feministische Perspektive einge- nommen, die auch Teile der Bevölkerung aktiv! Der VCS sucht junge Köpfe, die sich den kritischen viel Mobilität benötigen wir überhaupt und inkludiert, deren Fokus nicht auf schnel- Fragen stellen und kreative wie sollte diese Mobilität aussehen? len Verbindungen zwischen Grossstädten Lösungen ausarbeiten. Aus diesem Grund Weniger kreativ, dafür heute bereits um- liegt: Menschen, die Care-Arbeit leisten, haben engagierte junge Menschen den gesetzt, sind zahlreiche Sharing-Angebote, Kinder von A nach B transportieren oder JungVCS gegründet. Hast du Lust, mitzu- die eine effizientere Nutzung der Fahrzeuge als Schichtarbeiterinnen und Schichtarbei- machen? Dann melde dich bei Anina sicherstellen – ein Auto steht im Privatge- ter tätig sind. Aus diesem Grund braucht es Schweighauser: brauch während 95 Prozent der Zeit herum! kreative Köpfe mit Visionen einer inklusiven anina.schweighauser@verkehrsclub.ch VCS MAGAZIN 5/20 17
Klimaschutz Die Familienbäckerei Schüpbach in Rapperswil BE steht seit 130 Jahren für Tradition. Dort werden die edlen Pralinen von Hand mit erneuerbarer Energie hergestellt. Die Nachhaltig- keit und Sozialverträglichkeit der Kakaoproduktion wird durch faire Preise und langjährige Abnahme- verträge mit den Produzenten sichergestellt. © Fotomontage: Fotolia – Vaceslav Romanov, 1xpert
zum Verschenken Verschenken Sie mit der VCS-Mitgliedschaft ein Stück Klimaschutz – wir legen die Pralinen dazu! Das Geschenkpaket enthält: – VCS-Mitgliedschaft bis Ende 2021 im Wert von Fr. 85.– – Handgeschöpfte Pralinen aus nach- haltiger Produktion (24 Stück, 270g) – Festliche, personalisierte Geschenkkarte Der VCS setzt sich seit 40 Jahren für eine ökologische Mobilität ein. VCS-Mitglieder unterstützen unser Engagement für Umwelt und Klima und profitieren zudem von zahl- reichen Mitgliedervorteilen. Ganz nach unserem Motto: Für Mensch und Umwelt. Jetzt bestellen: 031 328 58 58 vcs@verkehrsclub.ch www.verkehrsclub.ch/xmas
Wie nutzen wir den Platz? 20 VCS MAGAZIN 5/20
Platz ist knapp und begehrt – gerade im städtischen Raum. Zu fragen, wem dieser Platz gehört, liegt auf der Hand. Ist der Platz gerecht verteilt? Braucht es wirklich zu jeder Wohnung einen Parkplatz? Und wie viel Platz braucht ein Velo? Der VCS Schweiz und seine Sektionen setzen sich dafür ein, dass der Platz (wieder) den Menschen und nicht den Autos gehört. © Läbigi Stadt/ © Stauffenegger + Partner AG Montage: muellerluetolf.ch VCS MAGAZIN 5/20 21
DOSSIER Umverteilung nützt dem Klima Von Stéphanie Penher Velofahren und Zufussgehen ist platzsparend und umweltfreund- lich: Gerade in Städten muss der Fokus in Zukunft vermehrt auf diesen Fortbewegungsformen liegen. Das nützt auch dem Klima. F ortbewegung braucht Platz. Spit- zenreiter punkto Platzbedarf ist pro transportierter Person das Auto. Platz- Mobilitätsformen zusammen mit jener des öffentlichen Verkehrs (ÖV) weiter zu. Apropos Velo: Gelb aufgemalte Li- nien schützen die Velofahrerinnen und Velofahrer nicht und enden oft dort, wo sparender – und umweltfreundlicher – Gute Ideen, harzige Umsetzung die Platzverhältnisse knapp sind und sind der Fuss- und der Veloverkehr, Fort- In Städten und Agglomerationen ist die es gefährlich wird. Auch deshalb muss bewegungsformen, denen auch ange- Hitzebelastung besonders gross, denn die Aufwertung der Veloinfrastruktur sichts der drohenden Klimakatastrophe die vielen versiegelten Flächen absor- mehrheitlich auf Kosten von Parkplätzen zentrale Rollen zukommen. Die beeng- bieren die Sonnenstrahlung und heizen und Fahrspuren geschehen. ten Verhältnisse in den Städten und das die Umgebung auf. Eine Umnutzung wachsende Bewusstsein, dass der Ver- des Platzes darf also keinesfalls wertvol- Prioritäten neu setzen kehr ökologischer werden muss, füh- le Grünflächen gefährden, sondern muss Um die Umsetzung voranzutreiben, ren mancherorts zu einer erfreulichen auf Kosten des platzintensiven Autover- muss der Veloverkehr bei der Planung Umnutzung des Strassenraums. Das in- kehrs passieren. gleich viel Gewicht erhalten wie der ÖV zwischen schweizweite Bekenntnis zum Leider erschweren die schweizerische und der Fussverkehr oder – auf gewissen flächen- und energieeffizienten Stadtver- Kompromisskultur und die nationale Strecken – sogar die höchste Priorität ge- kehr wird aber nicht so rasch umgesetzt, Gesetzgebung eine neue Prioritäten- niessen. Je lieber die Menschen auf die- wie es zum Aufhalten der Klimaerhit- setzung zugunsten der platzsparenden sen Strecken unterwegs sind, desto bes- zung nötig wäre. Fortbewegungsmöglichkeiten. Innovati- ser. In Deutschland beispielsweise ist das Der Fuss- und der Veloverkehr tra- ve Ideen in den Städten, die mittels Pilot- Nebeneinanderfahren auf Velostrassen gen aber auch zu einer Aufwertung des projekten ausgetestet werden, scheitern erlaubt. öffe tlichen Raums, zu mehr Lebens- an den hohen Hürden der nationalen Hohe Aufmerksamkeit braucht auch qualität und zu einer guten Gesundheit Gesetzgebung oder brauchen – wie das die Aufenthaltsqualität auf gewissen bei. Aufgrund des Wachstums, das ins- Beispiel des Rechtsabbiegens bei Rot für Fussverbindungen: Manche Wege die- besondere in und um Städte prognosti- Velofahrende zeigt – gute sechs Jahre für nen nicht der Fortbewegung, sondern ziert wird, nimmt die Bedeutung dieser die offizielle Zulassung. laden zum Verweilen oder zur Begeg- nung ein. Velofahren und Zufussgehen müssen so attraktiv sein, dass Klimaschutz und Lebensquali- ©Tiefbauamt Stadt Zürich/Hannes Merz tät Hand in Hand gehen. ZÜRICH MÜNSTERHOF Stéphanie Penher ist Bereichsleite- rin Verkehrspolitik und Kampagnen und fährt in ihren Träumen bereits über die Berner Velobrücke. 2003 sagte das Zürcher Stimm- volk Ja zur Umgestaltung des Münsterhofs. Seit 2016 ist der Münsterhof komplett autofrei – und inzwischen auch begrünt. 22 VCS MAGAZIN 5/20
Sie können auch lesen