GESUNDBRUNNEN Wir haben uns vermisst! Die Ampel steht auf "Grün" Hallo, Blumenfreu(n)de - Evangelische ...
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Juli 2021 GESUNDBRUNNEN Corona-Rückblick Wir haben uns vermisst! Digitalisierung in der Pflege Die Ampel steht auf „Grün“ Freundes- und Förderkreis Hallo, Blumenfreu(n)de Magazin der Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen GESUNDBRUNNEN 1.21
Inhalt Gesundheit 21 Das „schlaue“ Virus und unsere Abwehr Digitalisierung 22 Die Ampel steht auf „Grün“ 24 Telemedizin im Alter 26 Assistive Robotik für ältere Menschen Social Media 28 Online vorne Ausbildung 30 Wegen Infektionsgefahr: (Pflege-)Prüfung an der Übe-Puppe Stadtgeschichte 32 „Für oder gegen Menschlichkeit“ Nachruf 36 Sütterlin lesbar gemacht 37 Freunde und Förderer 38 Hallo, Blumenfreu(n)de 40 „Was kann ich dafür?“ Besinnung 40 Hilfe, die gut ankommt 4 Du stellst meine Füße auf weiten Raum! 41 ... und dann sind die Enkel an der Decke 41 Rückhalt in der Corona-Krise Corona-Rückblick 41 Neustart mit Shoppen & Schnuddeln 6 Man hat sich vermisst! 41 Ihre Spenden für soziale Aktivitäten 9 Wie die Memory-Station zur Corona-Station wurde Ev. Krankenhaus Gesundbrunnen 13 Rasch getestet, wertvolle Zeit gewonnen 42 Frischer Glanz ab Herbst 14 Breitungen und Kirchhain: Corona-Momente 17 „Wir waren Brückenbauer“ Würdigung 18 Radfahren gemeinsam neu entdecken 43 Den Augenblick gestalten und 19 „Es war teilweise knapp auf Kante!“ Spuren hinterlassen Impressum GESUNDBRUNNEN, Magazin des Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen e. V., Ausgabe Juli 2021 | 38. Jahrgang, gegründet 1982 Herausgeber: Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen e. V. | Brunnenstr. 23 | 34369 Hofgeismar | Tel. 05671 882-0 | Fax 05671 882-211 | E-Mail: info@gesundbrunnen.org | Internet: www.gesundbrunnen.org ViSdP: Dr. Jochen Gerlach, Theologischer Vorstand | Redaktionsteam: Martin Bleckmann, Jochen Gerlach, Brigitte Rathmann, Anne- Kathrin Stöber | Bilder: Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen, Gitta Hoffmann, Olaf Dellit, Bernd Schünemann (HNA) (S. 14), Nadine Weigel/ dpa (S. 18), HILSE:KONZEPT/CAREInvest 2020 (S. 28 Qwiek GmbH (S. 41), Ev. Krankenhaus Gesundbrunnen, Familie Hancken, Familie Rüdiger | Titel: De Visu – stock.adobe.com; S. 2: (unten) iStockphoto.com/shapecharge; S. 16: (oben) Inka – stock.adobe.com; (unten) iStockphoto.com/Leonsbox; S. 22: (oben) iStockphoto.com/FredFroese, (unten) agenturfotografin – stock.adobe.com; S. 23: (oben) iStockphoto.com/fizkes, (unten li.) bilderstoeckchen – stock.adobe.com, (unten re.) romul014 – stock.adobe.com; S. 24: greenbutterfly – stock.adobe.com; S. 27: iStockphoto.com/nadia_bormotova; S. 29: (Tablet) istockphoto.com/tuulijumala; S. 36: (Lupe) iStockphoto. com/olegback | Layout: Brigitte Rathmann | Druck: Meister Print, Kassel
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Wir wollen Ihnen in diesem Magazin Wohl der Bewohnerinnen und Bewoh- neuen Techniken besser unterstützen. erzählen, was uns in den letzten Mo- ner und Mitarbeitenden tun, aber wir „Menschlichkeit pflegen“ – das ist und naten bewegt hat und wo wir in der haben dabei auch Besuche, Kontakte bleibt unser Leitwort und unsere Ori- Pflege und Betreuung zukünftig hin- und Begegnungen und damit die Frei- entierung. In der Corona-Zeit hat es wollen. Damit sind die Themen der heiten eingeschränkt. Die Organisati- uns geholfen, mit den Spannungen Ausgabe klar: Corona und Digitali- on und die Vermittlung dieser vorge- gelassener umzugehen und es leitet sierung. Beides betrifft und berührt schriebenen Maßnahmen waren ein uns dabei, die Digitalisierung gut zu uns alle. Wir hoffen sehr, dass Sie, Kraftakt. Unser großer Dank gilt allen, entwickeln und menschlich zu nutzen. Ihre Familien und Freundinnen und in der Pflege, der Küche, der Haus- Freunde diese besonderen Zeiten gut wirtschaft und der Verwaltung und Ich danke Martin Bleckmann, dem Vor- überstanden haben und da, wo es Technik. Das große Engagement und sitzenden des Freundes- und Förder- beschwerlich und schmerzlich war, die Einsatzbereitschaft vor Ort waren kreises, dass er das Magazin initiiert Menschen und Beistand an Ihrer Sei- außerordentlich. Wir danken auch den und die Erstellung gesteuert hat. Er hat te erfahren konnten. Auch wir trauern Bewohnerinnen und Bewohnern und damit die Aufgaben von Christiane um Menschen, von denen wir in den deren Angehörigen, die viel Verständ- Gahr, Referentin für Öffentlichkeit, letzten Monaten Abschied nehmen nis aufgebracht und dies auch den übernommen, die leider erkrankt ist. mussten und sprechen den Angehöri- Mitarbeitenden gezeigt haben. Diese Wir wünschen ihr an dieser Stelle al- gen unser Mitgefühl aus. Zeichen in schwierigen Zeiten sind les Gute und freuen uns, wenn sie den wichtig und helfen. kommenden Gesundbrunnen wieder Die Pandemie hat Ihnen, uns und allen in bewährtem Stil vorbereiten kann. viel abverlangt. Wir standen in einem Eine der Auswirkungen der Pandemie Ich danke allen für ihre Beiträge und Spannungsfeld. Wir haben die gesetz- war der Schub in Sachen Digitalisie- Interviews und allen im Redaktions- lichen Auflagen, Hygienevorschriften rung. Liebe Leserin, lieber Leser, die team: der Journalistin Anne-Kathrin und Schutzmaßnahmen umgesetzt. meisten von uns nutzen im privaten Stöber für ihre Recherchen, Brigitte Wir wollten und mussten dies zum Bereich digitale Technologien, Smart- Rathmann für die Textbearbeitung phones, Tablets oder digital gesteu- und Grafik, Sabrina Fechtner für die erte Technologien. Auch viele Be- Hilfe bei der Bildauswahl und Alina wohnerinnen und Bewohner haben, Erhardt für die Unterstützung im bisweilen unterstützt durch unsere Sekretariat. Mitarbeiter, mit ihren Angehörigen geskypt oder gezoomt und so eine Herzlichst neue Möglichkeit des Kontakts zu ih- Ihr Pfarrer Dr. Jochen Gerlach ren Angehörigen schätzen gelernt. Theologischer Vorstand der Evange- Das war bei den eingeschränkten Be- lischen Altenhilfe Gesundbrunnen suchen besonders wertvoll. Hofgeismar Diesen Weg der Digitalisierung wol- Pfarrer Dr. Jochen Gerlach, len wir als Evangelische Altenhilfe Theologischer Vorstand der Gesundbrunnen weitergehen und Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen auch die Arbeit der Pflege durch die GESUNDBRUNNEN 1.21 3
Besinnung Du stellst meine Füße auf weiten Raum! (Psalm 31,9) Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde des Gesundbrunnens! Genießen Sie auch, dass wieder so viel möglich ist? Freuen Sie sich an den Lo- ckerungen? Wir kommen wieder zu Familienfesten und Nachbarschaftstreffen zusammen. Viele gehen wieder in Restaurants oder ins Kino. Auch im Gesund- brunnen sind wir raus aus dem Krisenmodus und rein in die neue Normalität ge- kommen. Die Besuche sind zum Glück wieder fast wie gewohnt möglich. Die Tref- fen der Bewohnerinnen und Bewohner untereinander können wieder ungehindert gelebt werden. Erste Feierlichkeiten, kleinere Sommerfeste finden wieder statt. Wir atmen auf. Die Masken fallen immer öfter, wenn nur geimpfte oder genese- ne Bewohnerinnen und Bewohner zusammen sind. Mitarbeitende können wieder standortübergreifenden Treffen, Fortbildungen und Konferenzen besuchen. Zur neuen Normalität gehört leider auch, dass wir weiter mit den Gefahren des Corona-Virus leben. Wir sind beunruhigt, weil sich auch Geimpfte wieder anste- cken und dann auch das Virus – wenn auch reduziert – weitergeben können. Die Variante D trägt die Gefahr in sich, dass die neue Normalität nur ein Zwischenhoch bildet. Also braucht es weiter die eingeübten Schutzmaßnahmen. Besucher und Besucherinnen, die noch nicht oder erst einmal geimpft sind, müssen eine Beschei- nigung über ein Negativ-Ergebnis eines Antigentests vorlegen oder sich vor Ort testen lassen. Die meisten unserer Einrichtungen bieten eine Testmöglichkeit an. Trotzdem: Wir erfreuen uns an den Lockerungen. Wir spüren, wie gut uns und an- deren die vermehrten Begegnungen tun. Was haben wir darauf gewartet! 4 GESUNDBRUNNEN 1.21
Besinnung „Du stellst meine Füße auf weiten Raum!“ Mit den Worten des Psalms 31 können wir unser Erleben ausdrücken. Wir danken Gott, dass wir uns freier bewegen können. Wir betreten wieder neue Räume, besuchen Menschen, machen Ausflüge, fahren in Urlaub. – Was geschieht aber, wenn sich durch Unvorsichtigkeit die Variante D vermehrt ausbreitet, wenn wieder mehr Beschränkungen und Auflagen kommen sollten? Ein Blick in den Psalm 31 macht deutlich, dass es kein Schön-Wetter-Gebet ist. Der Mensch, der das Gebet erstmals aufgeschrieben hat, hat schwerste Nöte durchlebt und er beschreibt sie eindrücklich. Alles spricht er aus vor Gott und das führt ihn zu der Erfahrung: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum!“ Wie auch immer die Corona-Krise weiter verläuft, ob wir sie schon überwunden haben oder ob wir uns in einem Zwischenhoch befinden, ich wünsche Ihnen diese Erfahrung des weiten Raumes: aus der Enge und Ängstlichkeit des Herzens in Zu- versicht und Hoffnung! Dazu können wir Orte, Zeiten und Menschen aufsuchen, die uns gut tun, die Gott für uns bereit hält. Er stellt unsere Füße auf weiten Raum. Nehmen wir uns beherzt diesen Raum. Ihr Jochen Gerlach Leitender Pfarrer der Evangelischen Altenhilfe Gesundbrunnen Pfarrer Dr. Jochen Gerlach vor dem Verwaltungs- gebäude der Ev. Altenhilfe in Hofgeismar 5 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick Man hat sich vermisst! Rückblick auf die Corona-Monate im Kasseler Altenhilfezentrum Stiftsheim anne-kathrin stöber Ein schwüler Vormittag im Juni, die Wiesen dampfen, aus und dort keinerlei Besuch bekommen dürften, höchst er- dem Café Lottermoser im Stiftsheim hört man Vorberei- greifend, wenn sich die Senioren und deren Angehörige tungen zum Mittagessen. Wer spazieren war, freut sich auf dann nach manchmal wochenlanger Trennung endlich wie- kühlen Schatten im Haus. Charlotte Bellin, Einrichtungslei- dersehen dürften. Man hat sich vermisst! terin, und Eva-Maria Wehmeyer, zuständig für die soziale Betreuung im Altenhilfezentrum, haben eingeladen zum So ging es auch während der Lockdown-Corona-Zeit: Besu- Rückschau-Halten. Wie ist es den Bewohnern, den Mitar- che fielen während des Ausbruchs flach und waren ansons- beitern und Angehörigen ergangen in der Corona-Zeit? Im ten eingeschränkt, wie so vieles andere an Begegnung. Fast Andachtsraum, mit zum Garten geöffneten Flügeltüren, muss Eva-Maria Wehmeyer lachen, wenn sie berichtet, mit kann man inzwischen die Masken abnehmen, sitzt aber auf wie viel Improvisationstalent man versucht hat, die kom- Abstand: Noch ist nicht alles vorbei. „Aber wir sind zweimal munikativen Angebote trotzdem am Leben zu erhalten: geimpft“, erklären Bellin und Wehmeyer, das erleichtere Es wurde ein akustischer Adventskalender erfunden, für schon mal vieles. den jeden Vormittag um elf Uhr etwas vorgelesen wurde – die Bewohner konnten am Lautsprecher in den Zimmern Der schwierigste Zeitpunkt sei im Oktober/November 2020 zuhören. Auch der Gottesdienst, jeden Freitag, fand zwar erreicht gewesen, erinnern sich beide. Damals gab es eine live im Andachtsraum statt mit Pfarrerin und Organist, kleine Ansteckung in einem Bereich des Hauses, und da- aber eben ohne Besucher, ebenso die Zeitungsrunde oder mit absolutes Besuchsverbot. „Aber die Bewohner waren auch die Gymnastik mit just einer Vorturnerin; die anderen sehr, sehr wacker!“ Dennoch – bis heute sei es, zum Beispiel lauschten vom Zimmer aus. Neue Formate entstanden, auf wenn Bewohner eine Zeit lang ins Krankenhaus müssten die man im Stiftsheim beinahe stolz ist und die vielleicht weiter existieren sollen: Balkonkonzerte, Hofkonzerte, und Ausflüge „eins zu eins“, heißt: ein Bewohner, ein Fahrer. Klingt verrückt, kam aber sehr gut an! Auch die – zum Glück – vielen Ehrenamtlichen galt es, auf neue Art einzusetzen. Manche fuhren nun Wäsche nach Hofgeismar, andere sprangen ein, wenn dienstags und frei- tags Schnelltests gemacht wurden. Aber trotz aller Ideen – die Bewohner vermissten das Miteinander sehr. Und auch die Mitarbeitenden mussten umdenken, so zum Beispiel, als die Tagespflege ihren Betrieb zeitweise komplett einstellen oder reduzieren musste. Um Kurzarbeit zu vermeiden, wur- den sie an anderen Stellen im Haus eingesetzt. Auch die Mitarbeitenden des Café Lottermoser, das eine Zeit lang schließen musste, halfen anderswo aus – zum Beispiel im Charlotte Bellin, Einrichtungsleiterin, und Eva-Maria Wehmeyer, soziale Betreuung, sprechen über die Corona- Pfortendienst. „Das alles haben sie mitgemacht, wie toll!“, Zeit in ihrer Einrichtung und was Mitarbeitern, Bewohnern lobt Charlotte Bellin. So kann die Leiterin (die auf Nachfrage und Angehörigen während der Pandemie geholfen hat offen bekennt, dass sie zeitweise „komplett geschlaucht“ 6 GESUNDBRUNNEN 1.21
Aufmunterung im Corona-Jahr: Die Saxophonistin Kerstin Röhn spielte beim Hofkonzert im Garten des Stiftsheims Kassel GESUNDBRUNNEN 1.21 7
Corona-Rückblick Froh sind Bellin und Wehmeyer auch darüber, dass „nie- mand bei uns alleine sterben“ musste, Begleitung wurde immer ermöglicht. Dass man sich sehr früh für das Imp- fen meldete und bereits am 1. Januar damit begann, war klug – „so waren wir früh durchgeimpft“. Noch immer, sagt Wehmeyer, gebe es ja keine Entwarnung, aber erste Locke- rungen, die nun zögernd genutzt würden. Zum Beispiel das gemeinsame Singen – auf Abstand. Da ist manche Stimme arg eingerostet, manches Lied in Vergessenheit geraten nach der langen Pause. Quasi ein Neubeginn! So gibt es eine Art Aufatmen – aber auch das Verzeichnen von Verlusten. Manche Bewohner hätten in der Corona-Zeit wegen des eingeschränkten Lebens doch ein wenig „abge- Eine reiche Johannisbeerernte wird in der Kochgruppe baut“ – das Aufatmen wird dauern, so scheint es, und noch verarbeitet lange wird sich auch bei den Mitarbeitern die Erinnerung an den riesigen öffentlichen Druck erhalten, der anfangs der Pandemie auf den Altersheimen lag – immer im Fokus, je- war und angespannt wegen ständig neuer Verordnungen, den Tag Schlagzeilen; ständig neue „Hotspots“ und Krank- Umorganisation, Nachfragen und der ja stets lauernden heitsausbrüche erzeugten eine Art Daueralarmzustand. Corona-Gefahr) auch ein großes Plus verzeichnen: das funktionierende Team. „Es ging alles nur mit einem guten Ein letzter Tipp – wie managt man das große Ganze und Miteinander, Hand in Hand“, sagt sie, und dafür sei sie un- kommuniziert dies auch noch an die Angehörigen? Charlot- glaublich dankbar. te Bellin hat da beste Erfahrungen gemacht mit E-Mails; die hat sie nicht nur regelmäßig an alle Angehörigen verschickt Eva-Maria Wehmeyer ergänzt: „Zum Glück gab es auch kei- und darin über die jeweilige Situation im Haus berichtet. ne Querelen bei uns, keine großen Diskussionen über die Sondern sie hat auch deren „tolle Rückmeldungen“ ins Maßnahmen. Wir haben eine klare Linie gefahren, das war Team weitergemeldet. Auf diese Weise blieben „drinnen“ anstrengend, und wir haben so viel aufrechterhalten wie und „draußen“ im Gespräch und miteinander verbunden – möglich. frei nach der Devise: „Wir leben trotzdem!“ Zuhörer beim sommerlichen Hofkonzert im Stiftsheim-Garten 8 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick Wie die Memory-Station zur Corona-Station wurde Fragen an Dr. Manfred Wappler, Chefarzt der Geriatrie am Ev. Krankenhaus Gesundbrunnen das gespräch führte anne-kathrin stöber im mai 2021 ben auch hier im Krankenhaus be- die Mitarbeiter in ihren Pausen beim Wie haben Sie, wie gonnen, Schutzmasken zu nähen. Mittagessen noch zu zweit am Tisch. haben Ihre Mitarbeiter Um Ostern 2020 war das Maximum Ein Ausbruchsteam bestehend aus der Erkrankungen in der ersten Wel- Leitung, Chefärzten, Hygienebeauf- in der Geriatrie den le zu erwarten, wir befürchteten ei- tragten, Ärztinnen und Ärzten und der Beginn der Corona- nen Engpass der Intensivkapazitäten Pflegedirektion wurde einberufen und Epidemie erlebt? und der Versorgungsmöglichkeiten traf sich in kurzen Abständen, um alle für die erkrankten Patienten auf den relevanten Festlegungen zu treffen. Covid-Stationen. Diese Zeit war für alle Mitarbeiter mit einer starken Ver- unsicherung verbunden, die erst dann Kam es zu Ausbrüchen Ich weiß noch gut, wie die ersten Fäl- nachließ, als alle wussten, was auf je- auf den Stationen? le in der chinesischen Provinz Wuhan den Einzelnen zukommt. aufgetreten sind. Die Verbreitung ver- lief immer einen Schritt schneller, als wir es dachten. Als das Virus in unse- Welche Veränderun- rer unmittelbaren Nähe angekommen gen haben sich für den war, hatten wir alle große Angst: zu Anfang April 2020 erkrankte eine Pa- wenig Schutzausrüstung, vor allem Betrieb des Kranken- tientin und wurde positiv getestet. Masken und Schutzkleidung. Wir ha- hauses ergeben? Auch Mitarbeiter waren infiziert. Na- hezu eine komplette Station wurde in Quarantäne genommen, alle Pati- enten und Mitarbeiter getestet und auch die Kontakte der Mitarbeiter Es wurde so viel Schutzmaterial wie umfassend nachverfolgt. Die Mit- möglich organisiert. Gruppenthera- arbeiter wurden in Quarantäne ge- pien konnten nicht mehr stattfinden, schickt und die Patienten mit Schutz- die Tagesklinik geschlossen. Die Lan- kleidung, Schutzhaube, doppeltem desregierung erließ Besuchsverbote Mundschutz, Schutzbrille und dop- für die Krankenhäuser. Alle Bespre- pelten Handschuhen isoliert. Keiner chungen mit mehr als fünf bis sechs kann erahnen, was für eine Aufgabe Personen mussten wegen der Ab- es bedeutete, alle Kontakte betroffe- Dr. Manfred Wappler, Chefarzt der Geria- standsregelungen abgesagt werden, ner Personen rückwirkend bis zwei trie am Ev. Krankenhaus Gesundbrunnen: auch die Gottesdienste fanden nicht Tage vor Beginn der Symptome nach- „Ich habe die Pflegekräfte bewundert.“ mehr statt. Im Andachtsraum saßen zuverfolgen. GESUNDBRUNNEN 1.21 9
Corona-Rückblick men oder eindeutig palliativer Aus- kenhäusern die Kapazitäten für Ope- Was bedeuteten gangssituation haben wir auf unse- rationen heruntergefahren wurden. Ausbrüche für die rer eigenen Covid-Station betreut. Auch nahmen wir in dieser Zeit keine Hierfür haben wir unsere Memory- Patienten von zu Hause auf, die Tages- Pflegekräfte, wie Station, in der bisher – etwa immer klinik war ebenfalls geschlossen. Wir konnten sie geschult elf – Menschen mit Demenz oder konnten die Patienten mit schweren und gestützt werden? Delir behandelt wurden, kurzerhand Symptomen ohne Probleme in andere Wie konnten sie umfunktioniert. Diese Station konnte Krankenhäuser verlegen, auch in die separat betreten werden, die Mitar- hiesige Kreisklinik. Gemeinhin bleiben ermutigt werden – beiter der Covid-Station legten dort die Patienten drei bis vier Wochen oder inwiefern waren frische Wäsche und die komplette oder länger in unserem Haus. sie auch entmutigt? Schutzkleidung an. Die wurde wäh- rend der gesamten Schicht getragen und in genauestens vorgegebener Wie ging es den Ange- Reihenfolge abgelegt. Die Covid-Sta- hörigen? Wer hat sie tion wurde so bei Bedarf für mehrere informiert, wie waren Wichtig war für die Pflegekräfte und Monate in Betrieb genommen. Be- auch die Ärzte sowie Therapeuten, handelt wurden dort je nach Bedarf die Reaktionen? das korrekte An- und Ablegen der zwei bis elf Patienten. Die Patienten Schutzkleidung zu üben. Wir hatten waren dort anfangs nur durch Arzt/ ein Video, das dies in aller Ausführ- Ärztin und Pflegekräfte versorgt und lichkeit zeigte. Dann wurde in Schu- später auch durch den Einsatz von lungen durch das angegliederte ex- Physiotherapeuten. Die Mitarbeiter Für die Angehörigen waren die Situ- terne Hygieneinstitut geübt. Ich habe – alle freiwillig in der Covid-Station – ationen sehr schwer. Aber es gab so es immer bewundert, wie die Pflege- arbeiteten in dieser Zeit ausschließ- gut wie keine Vorwürfe. Alle wuss- kräfte mit dieser schweren Aufgabe lich dort. ten, wie schwer auch die Situation im umgegangen sind. Neben der Gefähr- Krankenhaus ist. Sie wurden in der dung der eigenen Person und der ei- Regel durch die behandelnden Ärzte genen Familie muss man auch damit Wie viele Patienten informiert. Es waren die bestehenden klarkommen, dass Menschen an der sind im Jahr 2020 in Patientenverfügungen, Vollmachten Krankheit sterben oder man vielleicht und amtlichen Betreuungen zu be- Ihrer Abteilung selbst andere infiziert hat. Ich habe rücksichtigen. Ferner war es gerade bei uns ausschließlich erlebt, dass gewesen – lief der am Anfang der Pandemie schwer, sich die Pflegepersonen und die wei- Betrieb weitgehend festzulegen, ob Intensivmaßnahmen teren Mitarbeiter dieser Aufgabe mit gleich, was die angewandt werden sollten. Keiner großem Engagement gestellt haben. Kapazität angeht? wusste damals, was eine Beatmung bei einem hochbetagten Patienten bedeutet, nicht nur in Bezug auf die Was passierte mit Überlebenschancen, sondern in erster positiv getesteten Linie auch im Hinblick auf die resultie- Patienten? rende Lebensqualität, wenn man die Wir hatten im Jahr 2020 zwei Aus- Infektion überstehen sollte. bruchssituationen im Krankenhaus, im Frühjahr und im Herbst. Über das komplette Jahr war unsere Auslastung Wie gehen Sie aktuell Patienten mit akuter Atemnot, hohem wie in allen hessischen Krankenhäu- mit dem Thema Fieber oder kritischen Symptomen sern reduziert. Dies lag zum einen am Besuchsverbot um? haben wir auf die Covid-Stationen notwendigen Schutzkonzept – eine der umliegenden Akutkrankenhäu- Gefährdung von neuen Patienten soll- ser verlegt. Patienten mit leichten te vermieden werden – und aber auch oder gar fehlenden Covid-Sympto- daran, dass in den umliegenden Kran- 10 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick Aktuell gilt weiter das Besuchsverbot der Hessischen Landesregierung. Die Patienten nehmen die notwendigen Isolierungsmaßnahmen meistens gut an, wenn sie den Sinn der Maßnahmen begreifen können. Viele Patienten ha- ben ihre Angehörigen seit Wochen und Monaten nicht mehr gesehen. Das ist schlimm, weshalb wir aktuell in diesen Fällen einen Besuch eines Angehörigen in der Woche erlauben. Bedauerlich ist, dass während der Be- handlung die Therapie nur im Zimmer stattfinden kann und Therapieeinrich- tungen des Krankenhauses noch nicht ausreichend genutzt werden können. Wie sah die Situation für Schwerkranke oder Sterbende aus? Besuche bei Sterbenden oder tod- kranken Patienten sind immer durch Ausnahmeregelungen erlaubt gewe- sen. Bei Patienten mit Covid-Infektion war die Sterbebegleitung besonders Das Abstrich-Team: Nina Schildknecht (links) und Dr. Jutta Schweer-Herzig schwer. Auch die Angehörigen waren in diesen Situationen belastet. Durch die Einführung der Schnelltests haben wir mehr Sicherheit, dass Besucher, den des Krankenhauses impfen, deren täne gestellt, bis das Testergebnis da externe Dienstleister oder ambulan- zweite Impfung erfolgte Anfang Feb- ist. Meine Hoffnung geht auch dahin, te Patienten den Keim nicht mit ins ruar. Im März wurden dann nochmals dass wir durch Öffnungsstrategien Krankenhaus bringen. Aktuell werden 160 Mitarbeitende geimpft, aktuell wieder zu unseren Behandlungsstan- Besucher bei uns getestet oder brin- wird die zweite Impfung organisiert dards zurückkehren können. Und: gen einen aktuellen Schnelltest mit. und steht uns unmittelbar bevor. Die Ein Angehörigengespräch, das am Einführung der Schnelltests hat uns Nachmittag durch ein eher zufälli- viel mehr Sicherheit gebracht. Derzeit ges Zusammentreffen auf der Station Was lässt Sie für die ist unser hauseigenes Testzentrum an stattfindet, kann mehr helfen als eine Zukunft hoffen? drei Tagen in der Woche für die Mit- große Anzahl an Telefonaten. Grup- arbeitenden geöffnet, die Patienten penaktivitäten, Einsatz der ehrenamt- werden regelmäßig wöchentlich auf lichen Mitarbeiter, Wiederherstellung den Stationen abgestrichen. Patien- von adäquaten Bedingungen für die ten, die neu in unser Haus aufgenom- Seelsorge, das alles hilft, die Behand- Die Impfung! Wir konnten glückli- men werden, erhalten unabhängig lung im Krankenhaus wieder vielfälti- cherweise bereits Anfang Januar die- von den Voruntersuchungen einen ger und interessanter für die Patien- sen Jahres die ersten 50 Mitarbeiten- PCR-Test und werden unter Quaran- ten zu gestalten. GESUNDBRUNNEN 1.21 11
Pfarrerin Kirsten Bingel mit ihrem Akkordeon und Organisation aller notwendigen beitenden und die Angehörigen. Sie Wer sind Ihre persön- Hygienefragen. Bis Ende April dieses überrascht uns mit spontanen Einfäl- lichen Helden in Jahrs erfolgten 735 PCR-Abstriche bei len, die uns pandemiebedingt etwas den Mitarbeitern des Hauses und abhandengekommen sind. dieser Pandemie? 1652 PCR-Abstriche bei Patienten des Hauses. Eine Heldin ist auch unsere Pfarrerin Wie ist die Stimmung Kirsten Bingel. Sie nahm die Verände- im Moment? rungen von Anfang an so an, wie sie Meine Oberärztin Frau Dr. Jutta sind. Es ist schwierig, unter der ge- Schweer-Herzig und unsere Mitarbei- genwärtigen Situation Seelsorge zu terin Nina Schildknecht. Die beiden leisten. Dies ist bei allem Wechsel im haben ein riesiges Arbeitspensum zur Krankenhaus flächendeckend nicht Bewältigung der Herausforderungen möglich. Frau Bingel besucht die Sta- Sehr heterogen. Wir geben uns größ- geleistet: angefangen von der Durch- tionen, sie hält den Kontakt mit den te Mühe, unser vorheriges Level zu führung von Tests an Mitarbeitern Patienten und Angehörigen und sie erreichen. Auch ohne Corona haben und Patienten, Schulungen, Doku- spielt jeden Donnerstag auf unseren wir den Fachkräftemangel ja in allen mentation des Infektionsgeschehens, Stationen mit Ihrem Akkordeon. Sie Bereichen, die Patienten kommen Kontakt mit den Gesundheitsämtern hat ein offenes Ohr für die Mitar- kränker zu uns, es soll alles optimiert werden – das ist relativ anstrengend. Ich würde sagen, es geht jetzt darum, noch eine Weile durchzuhalten. Eins Abhängig vom Infektionsgeschehen Bitte informieren Sie sich unter entspannt uns aber: Dass geimpft können sich tagesaktuell Änderungen www.ekh-gesundbrunnen.de wird. Das dramatische Ausbruchsge- für Mitarbeitende, Besucherinnen oder wenden Sie sich an den schehen wie zu Anfang – das kommt und Besucher sowie Patienten des Empfang: 05671 5072-0 nicht mehr! Ev. Krankenhauses Gesundbrunnen ergeben. 12 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick Rasch getestet, sprung. Mitte Oktober schließlich waren 26 Bewohner positiv getestet, viele ohne Symptome. Borgmann: „Ein wertvolle Alptraum.“ Rasch wurde Isolation organisiert, Tage höchs- ter Anspannung folgten. Immerhin gelang es, die Krank- heit auf einen einzigen Wohnbereich zu begrenzen. Als Zeit gewonnen dann auch noch Mitarbeiter erkrankten und von 28 nur noch vier im Dienst waren, kam das System extrem an die Grenzen – und funktionierte nur, weil von den restlichen Anwesenden alle überall aushalfen. „Jede und jeder haben Corona-Rückblick: sich aufopferungsvoll gekümmert“, sagt Borgmann. Nach dem Dienst eilig nach Hause, kurz ausgeruht, wieder auf- Haus Elisabeth getaucht. Kirchhain Jammern bringt nichts, so motivierte er sich selbst, und sah eher auf die Ressourcen als auf den Mangel. Gut, dass anne-kathrin stöber das Heim ausreichend bevorratet war, was Schutzkleidung angeht. Gefühlt drehte sich im vergangenen Jahr alles um Corona, aber, sagt der 32-Jährige, man dürfe sich nicht da- hinein vergraben. Das Haus, sein Team, der Zusammenhalt – das hat prima funktioniert. Aber auch von außen kam „geistiger Beistand“, Kindergärten und Grundschulklassen sandten „bergeweise“ Briefe und Zeichnungen, um den isolierten Bewohnern zu signalisieren: Ihr seid nicht allein. „Wir denken an dich!“ Das steht auf einer Genesungskar- Jugendbands haben Musik gespielt, und Nachbarn haben te der Mitarbeitenden im Haus Elisabeth an ihre Kollegin. Süßigkeiten an der Pforte abgegeben. „Das klingt wie eine Sie ist an Covid-19 erkrankt und auch jetzt nach langen, Kleinigkeit“, sagt Björn Borgmann. Aber in diesen anstren- schweren Wochen noch nicht wieder arbeitsfähig. Ein be- genden, kritischen Tagen und Wochen sei es ein „schönes sonders bewegender Fall von vielen. „Jeder kennt jeman- Gefühl“ gewesen, dass Anteil genommen wurde, ein „Dan- den, der krank war, jeder kennt Menschen, die es hart ge- ke, dass Ihr Euch kümmert.“. troffen hat,“ sagt Björn Borgmann, Pflegedienstleiter im Kirchhainer Altenhilfezentrum. Wie geht es weiter? Ja, das Jahr stecke allen schon in den Knochen, gibt Borgmann zu. Aber er freut sich schon auf Schlimme Erinnerungen hat man auch an jenen Moment neue Projekte, nimmt mit seiner als einer von bundesweit damals, ganz zu Beginn der Pandemie, als Altersheime 20 Einrichtungen an einem Modellprojekt zur Bewegungs- noch nicht als Hotspots galten und keine besonderen förderung für Bewohnerinnen und Bewohner teil und sagt, Vorsichtsregeln, sondern nur allgemeine Empfehlungen „ich blicke links und rechts, aber schaue trotzdem nach galten. Da gab es den ersten kranken Bewohner, der aller- vorn.“ dings untypische Symptome hatte; zunächst befand man, er huste wohl, weil er bei geöffnetem Fenster geschlafen hatte. Der Hartnäckigkeit der Mitarbeitenden war es zu verdan- Björn Borgmann, ken, dass dennoch sofort ein PCR-Test gemacht wurde – Pflegedienstleiter am und sich schnell herausstellte: Es ist Covid-19. Das war an Haus Elisabeth in Kirch- einem Samstagmorgen, erinnert sich Borgmann, und so- hain, erinnert sich an fort traf man sich für weitere Entscheidungen in der Ein- den Corona-Ausbruch: richtung: Es musste getestet werden! „Ein Alptraum.“ Das aufopferungsvoll arbeitende Team und Kurzerhand strichen er und seine Kollegin selbst mit ab viel Zuspruch von – „ich habe bestimmt 700 Abstriche im letzten Jahr ge- außen halfen durch die macht!“ – und erreichten so einen wertvollen Zeitvor- Krise. GESUNDBRUNNEN 1.21 13
Corona-Rückblick Corona- Momente Schlechte Laune vertreiben Bäume, Blumen, Schmetterlinge und Worte, von Kinder- hand geschrieben: Man musste auf Distanz bleiben – Pandemie-Notizen aus und rückte doch ein wenig zusammen, sozusagen „von den Gesundbrunnen- Herzen“ und per Post. Im April 2020 malten Schüler aus der Grundschule Wernshausen Briefe für die Bewohner Einrichtungen im Haus Werragarten in Breitungen. Warum? Sie woll- ten uns Gutes tun, schilderte es die Einrichtungsleiterin, Meike Pieske. „Ohne dass wir uns kennen, möchte ich anne-kathrin stöber dir ganz liebe Grüße schicken. Ich hoffe, dir geht es gut. Zusammen werden wir diese Zeit überstehen. Ich hoffe, sie geht schnell vorbei und alles wird wieder normal. Gerne möchte ich wieder mit allen Kindern zusammen Aufmunterungspost von Schülern, lernen und spielen dürfen. So wie du sicherlich auch“, Lachen beim Impfen, kleine Auszeiten lautete der Gruß der Kinder. Im Haus wurden die Briefe für die Mitarbeiter – bei allem Leid, das verlesen und eine liebe Antwort verfasst. Angestoßen hatte die Post-Aktion die Hortkoordinatorin der Schule, Corona brachte, gilt es doch, die kraft- die von der Kontaktsperre in Altenheimen gelesen hat- spendenden Impulse nicht zu übersehen. te und die mit ihrem Projekt dazu beitragen wollte, die Und die waren durchaus vorhanden, wie „schlechte Laune zu vertreiben“. Eine Einladung an die die kleine Rückschau auf ausgewählte Schüler ins Haus Werragarten für die Nach-Corona-Zeit wurde ausgesprochen! Beispiele zeigt. Freiwilliger Empfangsdienst, nette Begegnungen Zur Tür gehen, Besucher begrüßen, Corona-Testergebnis kontrollieren, Besucher einlassen – all‘ das kostete wert- volle Zeit der Mitarbeiter, als die Besuchsverbote im April 2021 aufgehoben waren. Eine unterstützende Lösung orga- nisierte Rudolf Schmidt, der ehemalige Leitende Pfarrer der Evangelischen Altenhilfe Gesundbrunnen. 29 ehrenamtli- che Helfer übernahmen diese Aufgabe in vier Häusern der Altenhilfe in Hofgeismar und haben beispielsweise in einer Woche über 560 Besucher kontrolliert. Dankbar nah- men die Mitarbeiter dieses Empfangsangebot an, konnten sie sich doch nun wieder ausschließlich auf ihre Arbeit mit den Bewohnern konzentrieren. Besonders erstaunlich: Etliche – nämlich zwei Drittel – der Freiwilligen waren üb- rigens älter als 65 Jahre, einige sogar über 80 Jahre. Für sie ergaben sich beim Türdienst nebenbei nette Begegnungen Im Bild von links Horst Lux, der im Else-Steinbrecher-Haus mit Besuchern, Bewohnern und Personal – ein Gewinn für empfängt, Annegret Schmidt (Albert-Klingender-Haus) und alle. Angela Rudolff (Neues Brunnenhaus) 14 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick Bunte Schülergrüße aus Wernshausen an die Bewohner im Haus Werragarten in Breitungen GESUNDBRUNNEN 1.21 15
Corona-Rückblick „Ein unverwüstlicher Sinn für Humor“ In Breitungen gab es drei Gruppengespräche als ers- ten Schritt der Aufarbeitung von Corona-Erfahrungen. „Zusätzlich zu allen besonderen Betreuungsangeboten und angepassten Möglichkeiten der Kontaktgestal- tung zu Angehörigen wollten wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bewältigung der enormen Be- lastungen während der Pandemie und besonders durch das akute Ausbruchsgeschehen in unserer Einrichtung Kein Stein ist allein unterstützen“, so berichten Einrichtungsleiterin Meike Pieske und Birgit Vering, Leiterin des Fortbildungszent- Viele weitere kreative Ideen wurden in diesen Wochen rums für Pflegeberufe (DAFZ). geboren. So malte man im Haus Werragarten bunte Steine an und legte sie in Parks aus; „kein Stein ist allein“ hieß die „Bei einem durch das DAFZ moderierten Gesprächs- Aktion. Wer einen neuen Stein gemalt hatte, sollte ihn dazu- angebot konnten wir den Mitarbeiterinnen und Mit- legen ... Auch ein Regenbogen wurde gemalt, dazu gab es arbeitern einen Raum bieten, in dem unterschiedliche ein Fotoshooting mit den Bewohnern, jeder hatte einen Perspektiven, Erfahrungen und die damit verbundenen großen Buchstaben vor sich. All das sollte sich dann wie- Gefühle geäußert werden konnten. Im Gespräch flos- derfinden auf einer bunten Wand im Haus; und dann – sen viele Tränen … Wichtig war für uns aber auch der waren die Buchstaben einmal in die richtige Reihe gesetzt Blick auf die Ressourcen, die uns die Kraft zum Durch- – konnte man folgendes Motto für Geduld in Corona- halten gegeben haben: ein Team, das fest zusammen- Zeiten lesen: „WIR BLEIBEN ZU HAUS UND MACHEN DAS hält und sich gegenseitig unterstützt, Verständnis für- BESTE DARAUS.“ einander hat, ein ‚offenes Ohr‘ der Leitungskräfte, kleine Kraftquellen und Auszeiten im Alltag und vor allem ein unverwüstlicher Sinn für Humor und die unschlagba- re Freude an unserer Arbeit. Das Angebot wurde von Geimpft „wie am Schnürchen“ vielen Mitarbeitenden gern angenommen, und die Ver- anstaltung war ein echter Erfolg. Viele äußerten im An- Die Oberhessische Presse berichtete im Januar 2021 über schluss: ‚Es hat gut getan, sich mal alles von der Seele zu Impfungen im Altenhilfezentrum Kirchhain. 104 Bewoh- reden‘ oder ‚Das war wirklich eine Entlastung!‘“ ner sowie Beschäftigte des Haus Elisabeth bekamen von einem mobilen Impfteam des Landkreises Marburg-Bie- denkopf ihren zweiten Piks. „Es läuft wie am Schnürchen. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die nicht mehr mobil sind, werden mit dem Rollstuhl gebracht. Niemand muss vor der Tür lange warten. Die Stimmung ist heiter, es wird viel gelacht an diesem Morgen. Viele sind offensichtlich erleichtert, nun die zweite Impfung zu erhalten“, heißt es in der Presse. Eine 94-jährige Bewohnerin erinnert sich an den Herbst, sechs Bewohner waren an Corona verstorben. Weinend berichtete Elisabeth Fröhlich der Zeitung von der Zeit des Corona-Ausbruchs im Evangelischen Altenhil- fezentrum, das ihr seit drei Jahren ein neues Zuhause ist. „Aber diese Zeit war schlimm. Zu erleben, wie Menschen, die man kannte, sterben, das war sehr, sehr traurig. Da kann ich wirklich nicht verstehen, wieso sich Menschen nicht impfen lassen wollen.“ 16 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick „Wir waren Gottesdienst feiern konnten. Und wir Brückenbauer“ waren selbst dankbar, dass wir die Ar- beit machen durften. Longwe Wie Dankbarkeit, spontane Einfälle Die alten Menschen haben das Ganze oft besser verkraftet als ihre Angehö- und regelmäßiges Telefonieren rigen. Die haben sich Sorgen gemacht, berechtigte Sorgen, aber die Bewoh- den Seelsorgern durch die Corona- ner haben sich an andere schwere Monate halfen Zeiten erinnert. Und das war eine Bewältigungsmethode, dies Erzählen und Erinnern. anne-kathrin stöber Longwe Welchen Bibeltext wir besonders ge- braucht haben? Psalm 23, der Herr ist mein Hirte. Bingel Wichtig war wohl auch, dass wir die Möglichkeit gaben, vieles auszuspre- chen. Warum lässt Gott das zu? Da ist man als Pfarrer eine Reibungsfläche. Man ist da, um es auszuhalten, um es mit auszuhalten. Wiederum haben uns die Menschen viel Kraft gegeben, auch für das Persönliche. Longwe Wie wir persönlich durchgehalten ha- ben? Na, wir haben eine nette Kolle- gin, einen netten Kollegen! Und wir haben uns regelmäßig getroffen, uns Kirsten Bingel (44) und Enwood Longwe (60) sind Pfarrer in den vier Häusern am informiert: Wie sieht es bei dir aus, in Standort Hofgeismar. Bingel im Herbst 2019 nach Hofgeismar gekommen, Longwe deinen Häusern? Und ja, unser Glaube arbeitet bereits seit neun Jahren dort. spielte eine große Rolle in dieser Zeit. Bingel Longwe hatte noch niemand erlebt, auch die Ja, und dann haben wir spontan Ide- Wir waren eine Art Brückenbauer zwi- alten Leute nicht, das war ein Schock- en umgesetzt, nach dem Motto: Wir schen Bewohnern und Angehörigen, zustand. Was wird kommen, wie probieren das jetzt einfach mal aus. wir hatten die gesamte Zeit über zu schlimm wird das, fragte man sich je- Manchmal haben wir auch mitbe- allen Kontakt und waren einbezogen. den Tag, und wie geht es weiter? kommen wie Angehörige gestaunt Das hat die Arbeit erleichtert. haben, was bei uns in den Häusern Bingel trotz all der Einschränkungen an Ak- Longwe Es war wichtig, in dieser Zeit Seelsor- tivitäten möglich war – die Pandemie Das Schlimmste war die Unsicher- ger sein zu können – wir spürten die hat uns alle ein Stück zusammenge- heit – was ist das für ein Virus? Das Dankbarkeit der Menschen, dass sie schweißt. 17 GESUNDBRUNNEN 1.21 17
Corona-Rückblick Im Frühjahr 2021 nahm das Haus Elisabeth in Kirchhain an der Aktion „Radfahren gemeinsam neu entdecken“ des Landes Hessen teil. Bewohnerinnen und Bewohner konnten kostenfrei eine Spazierfahrt mit einer Rikscha unternehmen und die Gegend vom Rad aus entdecken. Unterstützt wurde die Aktion vom Verein Radeln ohne Alter Deutschland e. V. Ehrenamtliche Fahrerinnen und Fahrer traten für die Senioren in die Pedale, nachdem sie ein Fahrtraining absolviert hatten. Nebenbei wurden dann Lebensgeschichten ausgetauscht und gemeinsame Erinnerungen geschaffen. Weiterführende Informationen zu dem Projekt „Radfahren gemeinsam neu entdecken“ stellt das Land Hessen unter www.nahmobil-hessen.de/gemeinsam bereit. 18 GESUNDBRUNNEN 1.21
Corona-Rückblick „Es war teilweise knapp auf Kante!“ Qualitätsmanagerin Stefanie Schneider berichtet vom Corona-Krisenstab, von Masken-Mangel und dem Neustart mit Handbremse anne-kathrin stöber Wie alles anfing? Stefanie Schneider Länder Hessen und Thüringen umzu- Fragen: Was darf im ambulanten Pfle- erinnert sich exakt. Bereits im Februar setzen. Die Corona-Pandemie wurde gedienst gemacht werden? Wie ist 2020, nach ersten breiteren Informa- von Tag zu Tag mehr zur allgemeinen der Müll zu entsorgen? Wann gibt es tionen über Covid-19, ging eine Mail Wirklichkeit. Was ist das für ein Virus? Kinder-Krankengeld, was geschieht, des Trägers hinaus an die Einrichtun- Man machte sich schlau. Organisierte wenn jemand aus dem Urlaub zu- gen: „Guckt mal, ob ihr alles habt!“ Schutzausrüstung für die Einrichtun- rückkommt – die Pflegedienstleiter So umschreibt die Qualitätsmanage- gen – normalerweise deren eigene mussten schließlich den Mitarbei- rin der Evangelischen Altenhilfe die Zuständigkeit –, denn bald herrschte tenden Auskunft geben können. „Wir Bitte zu kontrollieren, ob ausreichend haben ja letztlich nur Verordnungen Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, gelesen, aber die Pflegedienst- und Masken zur Verfügung stehen wür- Einrichtungsleitungen vor Ort, die den. Kurz darauf wurde beim Träger in hatten die Mammutarbeit“, sagt Ste- Hofgeismar ein Krisenteam berufen, „Wichtig war vor allem, fanie Schneider anerkennend. Mitar- das sich fortan je nach Bedarf täglich beiter zu motivieren, trotz der Sorgen überall den gleichen oder wöchentlich traf und sich im per- um eigenes Leben und Gesundheit manenten Informationsgewinnungs- Informationsstand weiterzuarbeiten ... und Entscheidungszustand befand: Welche neuen Verordnungen gibt es, herzustellen und sich Mit leiser Selbstironie bekennt die was bedeuten die für uns, für die Pfle- 42-Jährige, „für uns kam dann die vir- ge, was muss wirtschaftlich gesche- auszutauschen.“ tuelle Phase – wir sind ja wegen der hen, was müssen wir wem mitteilen, Ansteckung nicht mehr hingefahren. wer übernimmt den Kontakt zu den stefanie schneider Von uns kamen Vorschläge, aber die Angehörigen? Jeden Moment konnte Realität fand in den Häusern statt.“ Unerwartetes geschehen, dem man Schöne Idee, habe es da manches Mal sich zu stellen hatte. Zehn Personen geheißen, aber: geht leider nicht. aus Geschäftsleitung, Referat Ge- Mangel. Stefanie Schneider sagt: schäftsleitung, Öffentlichkeitsarbeit, „Es war teilweise knapp auf Kante!“ Was half, war dennoch oft das Digi- Referat Pflege und Qualitätsmanage- Wichtig war, überall den gleichen In- tale. Sich rasch zusammenschließen ment, Personal und Zentraleinkauf formationsstand herzustellen und per Videokonferenz, das ging von jetzt waren „quasi rund um die Uhr“ mitein- sich auszutauschen. Täglich, später auf sofort. Oft galt es, noch eben ein ander im Austausch und ansprechbar wöchentlich gab es Rundmails an die Handy für Kontakte mit Angehörigen für andere, um die immer wieder Leiterinnen und Leiter der Einrichtun- zu besorgen, einen Laptop für die so- neuen Pandemie-Masterpläne der gen mit Antworten auf immer neue zialen Kontakte nach draußen. Gute GESUNDBRUNNEN 1.21 19
Corona-Rückblick Stefanie Schneider vom Corona-Krisenstab zieht Bilanz: Vieles lief erstaunlich gut. Zeit, den Sommer zu genießen. Aber trotzdem wachsam bleiben … Ideen weitergeben – auch das klappte Nach dem ersten halben Jahr 21, wagt Arbeit zu widmen“, die teilweise lan- per Zoom oder Mail. Schließlich ging man Rückblicke. Zwar, so Krisenstab- ge in den Schubladen warten musste. es nicht immer nur um Finanzen und Mitarbeiterin Stefanie Schneider, Und für Zwischenfazits: „Was haben Inzidenz „hoch oder runter“, wenn der sei allen klar: „Die Delta-Variante wir gut gemacht, was lief nicht so Krisenstab sich traf oder nach drau- kommt!“ Aber dennoch könne man gut?“ Eigentlich, sagt sie, wäre es an- ßen meldete. Wie kommt ihr durch ein wenig den Sommer genießen, be- gebracht, sich gegenseitig ein wenig den Arbeitstag?, fragte man nach – vor im Herbst das große Thema „Auf- auf die Schulter zu klopfen … besonders natürlich dort, wo Einrich- frischungsimpfung“ anstehe. tungen direkt von Corona betroffen waren. „Wir sind gespannt, was die Landes- regierung anordnen wird“, sagt sie. Anfangs standen auch viele Absa- Man atme also derzeit auf – „mit an- gen auf dem Plan: Ostermarkt – fällt gezogener Handbremse“, drücke die aus. Sommerfest – nein. „Damals“, so Daumen, dass die Massenversamm- darf man es anderthalb Jahre später lungen in den EM-Stadien und Ur- nennen, traf man sich als Pandemie- laubsreisen keine schlimmen Folgen Gruppe zunächst im großen Saal des hätten. Und wie vielerorts habe man Cafés, später liefen die Treffen virtuell auch in Hofgeismar die Erfahrung ge- – eine Erfahrung, die auch die Evan- macht, dass früher Gewohntes nun gelische Altenhilfe positiv bewertet: zur Kostbarkeit wurde – wie das erste So rasch wie jetzt waren sonst Treffen Einrichtungsleitertreffen, an dem sich der Leitungskräfte nicht zustande ge- alle wieder persönlich begegneten. Es kommen. sei Zeit, sich wieder der „eigentlichen 20 GESUNDBRUNNEN 1.21
Gesundheit Prof. Dr. Werner Vogel war ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Gesund- brunnen in Hofgeismar Ein Kommentar zur Debatte um die Folgen von potenziert sich diese Kraft. Teams sind stärker als Einzel- Corona – in vielerlei Hinsicht kämpfer. Hier finden Forscher Wege zu neuen Impfstof- fen, Unternehmer sorgen für deren Massenproduktion und weltweiten Einsatz, Politiker sorgen in nationalen und Ein „schlaues“ internationalen Verbünden für gerechte Verteilung der Güter und der Versorgungsketten. Die Herausforderung ist neu, komplex und nicht problemlos zu bewältigen. Virus und unsere Bald hunderttausend Todesopfer allein in unserem Land sind eine traurige Bilanz. An der Basis, ob im Gesundheits-, Abwehr Sozial- oder Bildungswesen wird Beachtliches geleistet: Digitale Medien werden bei Alt und Jung selbstverständ- lich genutzt und Online-Konferenzen sind in Politik, Orga- nisationen und Schule wie für Privatkontakte unverzicht- Liebe Leserinnen, bar geworden. liebe Leser, Das Virus ist an unserem Unglück nicht „schuld“. Es ist vieltausend mal älter als wir Menschen und will auch „Corona hat uns arg zurückgeworfen!“, klagen manche nur leben und sich vermehren. Dazu braucht es Fortbewe- Zeitgenossen. Andere halten dagegen: „Nein, die Pande- gung (über Aerosole) und Nährböden (unsere Atemwege). mie hat uns gewaltig vorangebracht.“ Kann man solche Es ist in mancher Hinsicht schneller und „schlauer“ als wir, gegensätzliche Sichtweisen verstehen und irgendwie un- indem es aggressivere Mutanten erfindet. Das Gute dabei: ter einen Hut bringen? Ohne Zweifel hat das Virus uns zu- Wir können uns wehren. Mit Abstand, Masken und Imp- rückgeworfen: Die Wirtschaft verzeichnet Einkommens- fungen. Die Inzidenzentwicklung beweist das. So ist die verluste, Liefer- und Produktionsengpässe, zunehmende „Katastrophe“ (gr. = das gewendete Hinab) schlimm und Insolvenzen. Menschen beklagen mangelnde Kontakte zu chancenreich zugleich. Die oben genannten gegensätzli- Angehörigen im Krankenhaus oder Pflegeheim, zu Gleich- chen Meinungen widersprechen sich nur auf den ersten altrigen und Gleichgesinnten in Schule, Sport und Kultur. Blick. Besonders hart ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit Grundlage für all dies ist das Zusammenspiel der ältes- im „Lockdown“, ein Wort, welches das dabei empfundene ten Hirnteile (das Limbische System, das Antriebe und Ge- Gefühl gut beschreibt: eingeschlossen und abwärtsge- fühle regelt) mit den neuesten (Stirnhirn, welches Planen, richtet, aussichtslos bis hin zur Apathie und Depression. logisches Denken und vernünftiges Handeln steuert und Endlich, am Tiefpunkt der Krise angelangt, regen sich die bei Stress sinnvolle Auswege sucht, um wieder ins Gleich- Lebensgeister: „Nein, so nicht, jetzt wird ums Überleben gewicht – Kohärenz – zu kommen). Nach der Krise ist dann gekämpft. Und die Rückkehr zur Normalität. Es soll alles so vor der (nächsten) Krise, aber mit dem Vorteil, dass wir werden wie früher! Wir lassen uns nicht hängen, schon gar aus der ersteren einiges gelernt haben, bald hoffentlich nicht Vorschriften machen.“ Aus der Resignation wird Ag- auch den erfolgreichen Umgang mit Pandemien. Corona- gression, vor allem wenn’s räumlich eng wird, alltägliche Leugner wollen übrigens auch nur Kohärenz, aber ohne die Pflichten einem über den Kopf wachsen und keine Hilfe in Mühe um neue Erkenntnisse. Aussicht ist. Die Energie, die jetzt bei vielen frei wird, ist der Grund Bleiben Sie gesund, wünscht herzlich für „das Rettende“, das zu wachsen beginnt. „Not macht Ihr erfinderisch“, lehrt das Sprichwort. Mit Gleichgesinnten Prof. Dr. Werner Vogel GESUNDBRUNNEN 1.21 21
Digitalisierung Die Ampel steht auf „Grün“ Privat, aber auch in der Pflege läuft immer mehr digital: Auf dem Weg zum Unternehmen 4.0 denis oswald Kennen Sie Pepper? Der menschen- welche Rolle der kleine Pepper und Co. ähnliche Roboter sorgt seit rund fünf dabei spielen dürfen? Jahren für Aufmerksamkeit. Zeit- gleich schreitet der demografische Der Trend kommt aus der industriel- Wandel voran und es bleibt schwierig, len Entwicklung, dort verändert der Menschen für die Arbeit in der Pflege technische Fortschritt die gesamte zu gewinnen. Um dem entgegenzu- Arbeitswelt. Wir finden, eine Übertra- wirken setzen Politik und Forschung gung auf die Pflege ist möglich, denn Technik ist hier kein neues Phänomen. Sie ist ein Weg, den die Ev. Altenhil- fe Gesundbrunnen mit kleinen und sorgfältig vorbereiteten Schritten ein- Digitalisierung kann/ geschlagen hat. wird/soll gerade älteren, Wenn Sie jedoch jetzt vor Ihrem in- neren Auge einen 1,20 Meter großen gebrechlichen Menschen Plastikgefährten im Kasack sehen, die Teilhabe am sind Sie doch eher in den Bereich von Science-Fiction und Fantasie ab- gesellschaftlichen Leben gedriftet ... Technik kann und darf menschliche Nähe niemals ersetzen! ermöglichen und Aber sie kann dem Wohl der in Pfle- geeinrichtungen lebenden und arbei- Lebensqualität sichern. tenden Menschen dienen, indem sie vernetzt, unterstützt, erleichtert und mit der richtigen Software gefüttert gestaltungsauftrag – wenn alles gelingt – sogar Ressour- und verbunden, Arbeitsaufgaben und aus dem achten altersbericht cen für mehr Zeit und Zuwendung Prozesse digital verändern und intelli- der bundesregierung schafft. Mit dieser Vision im Gepäck gente Systeme einbinden. setzt die Ev. Altenhilfe Gesundbrun- nen zunächst auf eher gewöhnlich Es wurde eine interdisziplinäre Ar- erscheinende Technologien, die aber beitsgruppe auf den Weg geschickt, verstärkt auf neue technische Mög- nicht unterschätzt werden sollten. um auf dem unübersichtlichen Markt lichkeiten, Robotik-Projekte und Di- Computer und mobile Eingabegeräte einen leistungsfähigen Anbieter mit gitalisierung. Da stellt sich die Frage, wie Tablets und Smartphones können, passender Softwarelösung zu finden 22 GESUNDBRUNNEN 1.21
Digitalisierung und deren Einführung vorzuberei- nach und nach mit flächendeckenden ten. Ein passender Partner ist bereits WLAN-Netzen für Internet ausgestat- gefunden, mit dem wir die Schwelle tet, wovon alle profitieren. Mit Blick „Tablets und Smartphones in ein neues Zeitalter überschreiten auf die Kosten kümmert sich die Ab- wollen. teilung Fundraising darum, möglichst können [...] intelligente viele Fördermittel zu bekommen. Da Systeme einbinden.“ Nach gründlicher Klärung technischer, die Bundesregierung Digitalisierung wirtschaftlicher und formeller Bedin- ausdrücklich unterstützt, fördert ev. altenhilfe gesundbrunnen gungen steht die Digitalisierungsam- die Pflegeversicherung digitale und pel auf „Grün“. Die Gebäude werden technische Ausrüstung mit einem GESUNDBRUNNEN 1.21 23
Digitalisierung qwxzgfh tenhilfe Gesundbrunnen angestoßen und nächste Schritte eingeleitet wur- „Pflege wird den. Bestenfalls kann die konkrete jlz Planung des Projektes noch in diesem nicht DURCH, sondern Jahr und erste Einrichtungen bereits 2022 mit der Umsetzung beginnen. MIT Technologie Neun von zehn Menschen in Deutsch- fit für die Zukunft.“ Ach und da war ja noch Pepper und land würden im Alter digitale Techno- die Frage, welche Rolle er spielen wird. logien nutzen, z. B. Sensoren, die das Bei uns zunächst jedenfalls erstmal morgendliche Aufstehen oder Stürze ev. altenhilfe registrieren. gesundbrunnen keine tragende. Ehrlich gestanden ist er im aktuellen Entwicklungsstand nicht mal halb so intelligent wie er qwxzgfh aussieht und seine funktionalen Fä- ordentlichen Zuschuss. Die Einfüh- higkeiten eher gering. Allerdings ist rung eines so weitreichenden Werk- auch zu beobachten, dass er Jung und jlz zeugs unterliegt der vollen Mitbe- Alt gleichermaßen freudige Momente stimmung durch die Mitarbeiter- bereiten kann, überall dort, wo er mit vertretung, die das Vorhaben aktiv seinen menschlichen Begleitern auf- unterstützt. taucht. Daraus kann etwas Wesentli- Acht von zehn Menschen in Deutschland ches abgeleitet werden: Pflege wird rechnen damit, dass smarte Technik Den Beginn der Umsetzungsphase nicht DURCH, sondern MIT Technolo- in zehn Jahren für Seniorenhaushalte selbstverständlich sein wird. markierte Anfang Juli bereits ein gie fit für die Zukunft. von der Geschäftsführung initiierter Workshop, mit dem die Entwicklung Quelle: TK-Meinungsplus Pflege, eines digitalen Zielbildes der Ev. Al- Techniker-Krankenkasse 2018 Telemedizin im Alter Da geht was! martin bleckmann Auf dem 5. Nordhessischen Fachtag „Altersgerechte Assistenzsysteme“ im November 2020 war das der Titel eines Vortrags, der in das Thema Telemedizin in der Stadt und auf dem Land einführte. Die Ev. Altenhilfe Gesundbrun- nen, Vorstandsmitglied im Arbeitskreis „Altersgerechte Assistenzsysteme“, hatte auch diesen 5. Fachtag mit vorbereitet. 24 GESUNDBRUNNEN 1.21
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