City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung

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City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung
City-Logistik
in Kommunen
Impulse für eine stadtverträgliche
Auslieferung im Ruhrgebiet
City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung
City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung
Die Brost-Stiftung
Die gemeinnützige Brost-Stiftung mit Sitz in Essen fördert wissensbasierte, konzeptionsstarke und
­mutige Projekte, die möglichst durch Kooperation das Miteinander und die anpackende Selbsthilfe im
 Ruhrgebiet stützen. Gegründet wurde die Brost-Stiftung 2011. Mit dem Schwerpunkt Ruhrgebiet, der
 Heimat der Stifterin Anneliese Brost, werden Projekte im Bereich von Kunst und Kultur, Jugend- und
 Altenhilfe, Volks- und Berufsbildung sowie mildtätige Maßnahmen gefördert. Seit 2011 wurden über
 100 Projekte initiiert oder unterstützt. Die Stiftung fördert Ideen mit Strahlkraft, die aufgrund ihrer
 I­nnovationskraft wertvolle Anstöße weit über das Ruhrgebiet hinaus geben. Damit stärkt die Brost-
 Stiftung nicht zuletzt auch die Identität der Region.
City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung
04   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     Grußwort

     Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt und digital –            Mit intelligenten Logistik-Lösungen stellen wir den
     sowohl der Waren- und Güterverkehr als auch die                 Warenverkehr in unseren Städten sicher – und redu-
     Personenbeförderung!                                            zieren gleichzeitig den Schwerverkehr auf unseren
                                                                     Straßen. Verkehr raus aus den Städten, Lebens- und
     Nur so können sich Mobilitätsangebote der Zukunft               Aufenthaltsqualität rein! Dazu nutzen wir die Chan-
     noch stärker als bisher an den Bedürfnissen der Nutzer          cen der Digitalisierung und Vernetzung von Daten-
     orientieren. Unser Ziel ist es, Mobilität in Nordrhein-         und Güterströmen. Warenlager vor der Stadt, Mikro-­
     Westfalen besser, sicherer und sauberer zu machen.              Depots in der City und innovative, emissionsfreie
     Deshalb gilt es, alle Verkehrsträger mit ihren jeweili-         Fahrzeuge für die Auslieferung auf der letzten Meile.
     gen Stärken zu fördern. Die Zukunft der Mobilität ver-          Das spart Ressourcen und Wegstrecken, schafft Platz
     netzt die unterschiedlichen Verkehrsträger auf Straße           und saubere Luft in der Stadt.
     und Schiene.
                                                                     Wenn es um zukunftsweisende Projekte geht, ist die
     On-Demand-Verkehre, die nur dann rollen, wenn                   Brost-Stiftung eine kompetente und verlässliche Part-
     sie gebraucht werden, Sharing-Fahrzeuge, die von                nerin. Die enge Vernetzung von zentralen Akteuren
     vielen genutzt werden und deshalb wenig Parkfläche              in der Metropole Ruhr mit ihrem wertvollen Wissens-
     brauchen, die schlaue Kombination von ganz unter-               schatz und eine interaktive, lebendige Kommunika­
     schiedlichen Verkehrsträgern wie (Leih-)Fahrrädern,             tion ermöglichen eine neue Form der Zusammen-
     E-Scootern, Bus und Bahn sind nur digital vernetzt              arbeit. Im Rahmen ihres Projektes „Mobilität im
     möglich! Das gilt auch für Logistik in den Städten der          Ruhrgebiet“ hat sich die Brost-Stiftung nun mit der
     Metropole Ruhr. So bringen wir das Grundbedürf-                 Zukunft der urbanen Lieferverkehre befasst.
     nis auf verlässliche Versorgung mit den alltäglichen
     ­Dingen des Lebens und dem Wunsch nach einem                    Die Ergebnisse in diesem Handlungsleitfaden sind
      lebenswerten Umfeld in Einklang.                               sehr hilfreich: Er soll dabei unterstützen, aktuelle
                                                                     Chancen für den städtischen Güterverkehr in Kom-
     Mit der Ruhr-Konferenz hat die nordrhein-westfäli-              munen zu entdecken, Impulse für neue Kooperatio-
     sche Landesregierung eine umfassende Initiative ge-             nen zu geben und helfen, die Metropole Ruhr noch
     startet, die Metropole Ruhr als wirtschaftlich prospe-          lebenswerter zu machen.
     rierende und lebenswerte Zukunftsregion zu stärken.

                                                                     HENDRIK WÜST
                                                                     Minister für Verkehr des Landes
                                                                     Nordrhein-Westfalen
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City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   05

Vorwort

„MOBILITÄT IM RUHRGEBIET“                                    Was ist zu tun? Kann eine City Maut mäßigen? Ist
                                                             eine robuste „Parkraumbewirtschaftung“ (sprich:
Ein großer Kastenwagen fährt durch die Innenstadt.           Knöllchen) die Allzweckwaffe? Ist der ÖPNV das
Alle 300 Meter hält er an. Der Fahrer steigt aus und         ­Mittel der Wahl? Brauchen wir nicht auch Parks,
schlägt mit einem Besenstiel an die Außenwand.                Ruhezonen, Kinderspielplätze?
Dann fährt er weiter. Ein Passant beobachtet die
Szene und fragt den Fahrer nach dem Grund seines             Lohnende Fragen für ein Projekt der Brost-Stiftung:
seltsamen Verhaltens. „Was soll ich machen?“, sagt der.      „Mobilität im Ruhrgebiet“. Zwei Jahre lang sondierten
„Der Wagen darf nur eine Tonne transportieren, ich           Fachleute die Verhältnisse, in Kooperation mit dem
habe aber zwei Tonnen Wellensittiche geladen. Da             Ministerium für Verkehr des Landes NRW und im
muss ich mindestens eine immer am Fliegen halten.“           Nahkontakt mit den betroffenen Menschen dieser
                                                             Region. Ein realistisches Bild der Probleme und Ursa-
Ein Witz und zugleich eine Metapher für unsere Ver-          chen, aber auch interessanter Lösungsansätze sollte
kehrspolitik. Von irgendwas gibt es zu viel – in einem       Bürger*innen aufklären und Entscheidungsträger auf-
begrenzten Raum. Wir müssen es irgendwie in Be-              muntern. Dabei kamen auch Modelle und Erfahrun-
wegung halten. Unsere Methoden sind oft noch von             gen vergleichbarer Ballungsräume in Europa auf den
archaischem Charme.                                          Tisch. Welche Chancen bieten z. B. digitale Konzepte
                                                             einer City-Logistik, die nicht mehr nur auf Massen
Menschen wollen von hier nach dort. Freunde                  starrt (Fahrzeuge, Straßen, Menschen), sondern ein
­besuchen. Den Arbeitsplatz erreichen. Waren lie-            dynamisch-flexibles Netzwerk knüpft?
 fern. Kranke transportieren. Das erzeugt Bewegung
 mit wachsender Verdichtung. Fußgänger, Fahrrad-             Der nun vorliegende Leitfaden empfiehlt sich als
 fahrer, Autofahrer kommen sich in die Quere. Der            Leitfaden für Kommunen, die intelligent agieren und
 Erregungspegel steigt. Umgangsformen korrodieren.           nicht mehr nur hektisch reagieren wollen. – Großer
 Sanktionen drohen, aber Regelverstöße werden zum            Dank an alle, die dafür Zeit und Kraft investiert
 Normalfall. Lärm, Abgase, Frustration. Macht Stadt-         ­haben. – Greifen Sie zu!
 luft noch frei?

                                                             PROF. BODO HOMBACH
                                                             Vorstandsvorsitzender
                                                             der Brost-Stiftung
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Inhalt

ÜBER DIESEN LEITFADEN           08

AUSGANGSSITUATION09

HANDLUNGSFELDER UND ANSÄTZE     14

INNOVATIVE ORTE                 15

INNOVATIVE WEGE                 18

INNOVATIVE FAHRZEUGE            20

AKTEURE UND RAHMENBEDINGUNGEN   23

Handlungsempfehlungen26

FÖRDERMÖGLICHKEITEN31

GLOSSAR32

IMPRESSUM UND NACHWEISE         33
08   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     ÜBER DIESEN LEITFADEN

     Steigende Anforderungen an das Verkehrsgeschehen                In der ersten Phase des Projekts wurden zunächst
     in Innenstädten, ausgelöst zum Beispiel durch den               Studien und Veröffentlichungen zur City-Logistik aus
     wachsenden Onlinehandel, stellt Städte europaweit               den vergangenen Jahren analysiert. Im Mittelpunkt
     vor Herausforderungen. An vielen Orten, auch im                 standen dabei folgende Fragen: Vor welchen Heraus-
     Ruhrgebiet, stellt sich die Frage nach alternativen             forderungen stehen Städte bei der Organisation der
     ­Auslieferungssystemen und individuellen Lösungen               städtischen Lieferverkehre? Welche Ansätze gibt es
      zur Verbesserung des Lieferverkehrs entsprechend               bereits, um Logistik stadtverträglicher zu organi­
      den lokalen Gegebenheiten. Von dem Fundus inno-                sieren? Und welche Rahmenbedingungen erleichtern
      vativer Konzepte können auch die Kommunen im                   oder erschweren ihre praktische Umsetzung? Dabei
      Ruhrgebiet und darüber hinaus profitieren: durch               spielte es keine Rolle, in welchem Grad der Umset-
      Erfahrungsaustausch und kreative Adaption.                     zung sich die Ansätze befanden.

                                                                     Die gesammelten Konzepte stammen aus Deutsch-
                                                                     land und dem europäischen Ausland. Nicht alle lassen
        Dieser Leitfaden fasst Erkenntnisse und
                                                                     sich ohne Weiteres auf das Ruhrgebiet übertragen,
        ­Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen
                                                                     etwa wegen unterschiedlicher logistischer Ausgangs-
         urbanen Logistik zusammen. Er soll kommu-
                                                                     bedingungen. Beteiligte aus den drei Projektkommu-
         nalen Verwaltungen im Ruhrgebiet helfen, viel-
                                                                     nen diskutierten die Liste der identifizierten Konzepte
         versprechende Ansatzpunkte zu identifizieren
                                                                     und arbeiteten schrittweise besonders vielverspre-
         und passende Lösungskonzepte für die logisti-
                                                                     chende Ansätze heraus. Für jede der drei Städte
         schen Herausforderungen vor der Haustür zu
                                                                     ­konnte ein Ansatz – jeweils passend zu den spezi-
         entwickeln.
                                                                      fischen lokalen Gegebenheiten – sowie potenzielle
                                                                      Projektpartner identifiziert werden.

                                                                     In der zweiten Phase erarbeiteten Vertreter der drei
     DAS PROJEKT                                                     Stadtverwaltungen in Workshops Strategien, um auf
                                                                     Basis der ausgewählten Ansätze eigene lokale Projek-
     Der Blick über die eigenen Stadtgrenzen hinaus                  te zu konzipieren. Dabei wurden sie unterstützt von
     lohnt sich – mit dieser Überzeugung rief die Brost-             Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwal-
     Stiftung im Jahr 2018 das Projekt „Mobilität im                 tung. Diese Arbeitstreffen nutzten die Verantwortli-
     Ruhrgebiet“ ins Leben. ifok wurde mit der Durchfüh-             chen in den Stadtverwaltungen, um Fragen zu klären,
     rung beauftragt. Gemeinsam mit den Projektkommu-                erste Entwürfe zu skizzieren bzw. bestehende Kon­
     nen ­Bottrop, Herne und Oberhausen haben sich die               zepte weiterzuentwickeln sowie neue Partnerschaften
     Partner auf den Weg gemacht, neue Wege städtischer              mit Akteuren aus der Wissenschaft und der Logistik-
     Logistik zu identifizieren. Das Ministerium für Ver-            branche zu initiieren und intensivieren.
     kehr des Landes Nordrhein-Westfalen war fachlich
     beteiligt. Dieser Leitfaden ist ein Ergebnis ­des Projekts.     Mehrere öffentliche Dialogveranstaltungen ergänzten
                                                                     das Projekt. Die Projektbeteiligten trugen ihre Ergeb-
     Ziel des Projekts war die Identifikation von innovati-          nisse in die interessierte Öffentlichkeit und tauschten
     ven wegweisenden Konzepten der City-Logistik, die,              sich mit Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und
     adaptiert und auf die hiesigen Verhältnisse angepasst,          Verwaltung aus. Die Verwaltungen der drei Städte
     effiziente Lösungsansätze für die städtische Logis-             greifen die Ansätze in ihrem Ermessen und anhand
     tik und das Verkehrsgeschehen im Ruhrgebiet sein                gegebener Kapazitäten auf und arbeiten nun daran,
     können.                                                         die erstellten Konzepte gemeinsam mit den örtlichen
                                                                     Akteuren fortzuentwickeln.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   09

AUSGANGSSITUATION

UNVERZICHTBARE URBANE                                       2020). Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen des
LOGISTIK                                                    Verkehrssektors laut § 4 Klimaschutzgesetz bundes-
                                                            weit um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 sinken. Im
                                                            Gegensatz zu anderen Sektoren wie Energie, Industrie
Ein effizientes und zuverlässiges Logistiksystem ist
                                                            oder Gebäude wurde im Verkehrssektor jedoch bisher
entscheidender Standortfaktor einer Stadt und bildet
                                                            keine nennenswerte Emissionsreduktion erreicht.
die Grundlage für Wohlstand und wirtschaftliche
                                                            Effizienzsteigerungen wurden durch das Verkehrs-
Leistungsfähigkeit. Städtische Logistik gewährleistet
                                                            wachstum überkompensiert. Gerade die Zahl leichter
die Belieferung des Einzelhandels mit benötigten
                                                            Nutzfahrzeuge, die etwa im Paketlieferverkehr genutzt
Waren. Sie sorgt zum Beispiel für Nachschub in
                                                            werden und einen Führerschein der Klasse B erfor-
Restaurants und stellt den Abtransport des Abfalls der
                                                            dern, steigt überdurchschnittlich (Agora Verkehrs-
städtischen Bevölkerung sicher. Kurz: Unsere Städte
                                                            wende 2019: 5). Urbane Logistik muss also beides
sind fundamental auf eine funktionierende urbane
                                                            leisten: Eine wirtschaftliche, zuverlässige und effi-
Logistik angewiesen.
                                                            ziente, aber auch stadtverträgliche und nachhaltige
                                                            Warenversorgung sicherstellen.
Der essenzielle Beitrag der urbanen Logistik hat
jedoch Nebenwirkungen. Lokale Belastungssituatio-
nen ergeben sich etwa für die Verkehrssicherheit, die
Luftreinhaltung und den Klima- und Lärmschutz und
damit für die Gesundheit der Bevölkerung in Innen-               Was ist City-Logistik?
städten. Auch wenn die Feinstaub- und Stickstoff-
dioxid-Emissionen der Fahrzeuge zum Teil deutlich                Urbane oder städtische Logistik im engeren
gesunken sind, werden die EU-Grenzwerte an Mess-                 Sinne umfasst den Güterverkehr innerhalb
stellen in einigen Städten nach wie vor überschritten.           einer Stadt und über ihre Grenzen hinaus.
Auch Nutzfahrzeuge können örtlich zu den Belastun-               Dazu gehören u.a. die Belieferung des Einzel-
gen beitragen: Von ihnen stammt in Essen mancher-                handels, Bau- und Handwerksverkehr, die
orts knapp ein Viertel der verkehrsbedingten NO2-                Belieferung der Gastronomie, die Abfalllogis-
Emissionen (Bezirksregierung Düsseldorf 2020:  25).              tik sowie Kurier-, Express- und Paketdienste
                                                                 (Agora Verkehrswende 2019: 2).
Der Güterverkehr benötigt in seiner derzeitigen Form
                                                                 Der Begriff City-Logistik bezeichnet eine
verhältnismäßig viel Platz: Wo Park- und Haltemög-
                                                                 Reihe verschiedener Ansätze, urbane Logistik
lichkeiten begrenzt sind, kann es zu Konflikten mit
                                                                 besser mit dem Stadtbild zu vereinbaren. Das
dem fließenden Auto- und Radverkehr, Fußgängern
                                                                 umfasst infrastrukturelle Elemente (wie City-
und Anliegern kommen. Nicht selten müssen Zustell-
                                                                 Hubs, Mikro-Depots oder Pick-up-Points)
fahrzeuge in zweiter oder dritter Reihe halten und
                                                                 genauso wie Flächennutzungskonzepte (z.  B.
verursachen damit Staus und gefährden andere Ver-
                                                                 Ladezonen oder Einfahrtbeschränkungen)
kehrsteilnehmer. Die Konkurrenz um den begrenzten
                                                                 und technologischen Lösungen (alternative
städtischen Straßenraum erhöht nicht nur die Gefahr
                                                                 Antriebe, Lastenräder). Für eine ressourcen-
für Unfälle, sondern behindert auch die zuverlässige
                                                                 effiziente und nachhaltige urbane Logistik
und pünktliche Bereitstellung benötigter Güter.
                                                                 ist stets die Integration der verschiedenen
                                                                 Lösungselemente notwendig. Die Herausfor-
Der Verkehrssektor als Ganzes verursacht mit 22,4  %
                                                                 derung liegt in der passenden Kombination
in Deutschland und 12,3 % im energieintensiven
                                                                 der Maßnahmen im jeweiligen Kontext (vgl.
Nordrhein-Westfalen zudem einen wichtigen Teil
                                                                 Clausen et al. 2016a: 15).
der Treibhausgasemissionen (LANUV 2019, UBA
10   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     KURIER-, EXPRESS- UND                                                              Vor allem durch das Wachstum des Online-Handels
     PAKET-LOGISTIK                                                                     hat der KEP-Verkehr in den vergangenen Jahren stark
                                                                                        zugenommen. Immer mehr Verbraucher bestellen
     Die Kurier-, Express- und Paketlogistik (KEP-­                                     Waren im Internet und lassen sie nach Hause liefern.
     Logistik) nimmt innerhalb der urbanen Logistik eine                                Kostenloser Versand, Same-Day-Delivery und die Re-
     besondere Rolle ein. Auch wenn KEP-Logistik nur                                    tournierung nicht gewünschter Waren sind für viele
     einen Teil des urbanen Logistikverkehrs ausmacht,                                  Verbraucher zur Gewohnheit geworden. Der On-
     sind Paketlieferdienste im Stadtbild besonders sicht-                              line-Handel hat in den vergangenen 20 Jahren einen
     bar. Anders als Belieferungen von Großabnehmern                                    enormen Anstieg verzeichnet (s. Abb. 1). Mittlerweile
     wie Supermärkten entstehen KEP-Verkehre oft in                                     werden zehn Prozent der Umsätze im Einzelhandel
     besonders sensiblen Bereichen wie engen Innen-                                     online erwirtschaftet (HDE 2019). Das wirkt sich auf
     städten, Fußgängerzonen oder Wohngebieten. Dort                                    die Paketlieferungen aus: 2018 lieferten die 236.600
     besteht besonders viel Konfliktpotenzial mit anderen                               Beschäftigten der KEP-Dienstleister über 3,5 Milliar-
     Verkehrsteilnehmern. Durch die häufigen Halte- und                                 den Sendungen aus. Das sind doppelt so viele wie
     Anfahrvorgänge fallen KEP-Fahrzeuge zusätzlich auf.                                noch im Jahr 2000 (s. Abb. 2). Die Branche rechnet
     Zudem fahren vielerorts täglich mehrere Paketliefer-                               für die Zukunft mit weiterem Wachstum.
     dienste durch dieselben Straßenzüge.

                                                                                                                                                           57,8

                                                                                                                                                    53,3

                                                                                                                                             48,9

                                                                                                                                      44,2

                                                                                                                              39,9

                                                                                                                      35,6

                                                                                                               32,0
                                                                                                       28,0

                                                                                               24,4

                                                                                       20,2

                                                                               15,6
                                                                       12,6
                                                                10,4                                                                                10,1   10,8
                                                                                                                                       9,0   9,5
                                                        8,4                                                            7,8     8,3
                                                                                                       6,3     7,1
                                                 6,4                                           5,6
                                         4,4                                            4,7
                 1,6     2,2                                                    3,7
          1,3            0,5     3,0                            2,4     2,9
          0,3    0,4                     1,0     1,5    1,9
                                 0,7

        2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

                 Onlineumsatz (netto) in Deutschland in Mrd. Euro                     Onlineanteil am Einzelhandel in Prozent

     Abb. 1: Entwicklung des Onlineumsatzes (netto) und sein Anteil am Gesamtvolumen des Einzelhandels in Deutschland seit dem Jahr 2000.
     Quelle: HDE 2019: 6.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet      11

     Mio.
Sendungen

    4.500

    4.000                                                                                                                             4.430
                                                                                                                                 (Prognose)
    3.500
                                                                                                                 3.520
    3.000

    2.500

    2.000

    1.500
              1.690
    1.000

      500

        0
            2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023

 Abb. 2: Sendungsvolumina der Kurier-, Express- und Paketdienste seit dem Jahr 2000.
 Quelle: BIEK 2019: 13.

 Die letzte Meile, also der Weg vom letzten Um-                                        Bisher zeichnet sich keine Trendwende in den be-
 schlagsort zum Empfänger, steht besonders im Fokus                                    schriebenen Entwicklungen ab. Städte wollen sich
 der Debatte über den KEP-Verkehr in Städten. Wäh-                                     zunehmend mit Handlungsbedarfen beschäftigen, ­
 rend Pakettransport und -umschlag auf fast der gan-                                   die mit dem örtlichen Wachstum des steigenden
 zen Strecke fern von Wohnbebauung und oft nachts                                      Lieferverkehrs bei Wahrung der Lebensqualität in
 stattfindet, ist der Verkehr auf der letzten Meile in den                             Innenstädten einhergehen.
 Innenstädten präsent. Außerdem ist die letzte Meile
 für fast die Hälfte der Kosten der einzelnen Liefervor-                               Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht. Jede Stadt,
 gänge verantwortlich (Bogdanski 2015: 31). Sie ist bei                                jede Region hat eigene Strukturen, Besonderheiten
 jedem Paket hochindividuell und mit vergleichsweise                                   und Bedürfnisse. Diese stellen spezifische Anforde-
 hohem Arbeitsaufwand verbunden.                                                       rungen an Lieferketten und Verteilnetze und verlan-
                                                                                       gen maßgeschneiderte Lösungen. Dafür lohnt sich
 Die Haltung der Bevölkerung zum steigenden KEP-                                       ein Blick über die eigenen Stadtgrenzen hinweg: Wo
 Logistikverkehr ist dabei ambivalent. Private und                                     sind bereits innovative Konzepte getestet worden?
 geschäftliche Kunden wissen einerseits zuverlässi-                                    Wer hat für ein vergleichbares Problem bereits eine
 ge und schnelle Auslieferungen von Waren sowie                                        adäquate Antwort gefunden? Es lohnt sich, aus den
 kostenfreie Rücksendemöglichkeiten zu schätzen.                                       Erfahrungen anderer zu lernen und vielversprechende
 Andererseits verursachen die zunehmenden Online-                                      Konzepte zur Lösung der eigenen Herausforderungen
 Bestellungen einen Großteil des Paketlieferverkehrs.                                  zu adaptieren.
 Die öffentlichen Diskussionen der vergangenen Jahre
 haben gezeigt: Menschen reagieren sensibler auf
 Lärm, Luftverschmutzung und Platzbedarf durch
 den motorisierten Verkehr. Ein Teil der Bevölkerung
 stellt diese störenden Einflüsse auf ihr Lebensumfeld
 stärker infrage.
12   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     CITY-LOGISTIK IM RUHRGEBIET                                     Das fachliche Know-How und die bestehenden
                                                                     Netzwerke bilden im Ruhrgebiet eine ideale
     Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste                ­Voraussetzung für innovative Lösungen der
     Bundesland und Deutschlands verkehrlich dichtes-                 City-Logistik.
     ter Ballungsraum. Auch das Ruhrgebiet im Herzen
     des Bundeslandes ist mit seinen mehr als 5,1 Mil-               Nicht erst seit dem starken Wachstum des Online-
     lionen Bewohnerinnen und Bewohnern und seiner                   Handels sehen sich viele Städte des Ruhrgebiets mit
     polyzentrischen Struktur von der Zunahme des                    Leerstand in den Innenstädten konfrontiert. Die
     Logistikverkehrs betroffen. Zu Stoßzeiten wird der              (Re-)Vitalisierung von Fußgängerzonen und ver-
     Handlungsbedarf besonders offensichtlich: Das                   waisten Ladengeschäften ist für manche Städte und
     Ruhrgebiet verzeichnet allgemein zwar einen leichten            Gemeinden eine große Herausforderung. Für die
     Bevölkerungsrückgang, allerdings ist das Pendlerauf-            City-Logistik bietet Leerstand jedoch eine Chance,
     kommen enorm gestiegen. Weit über 40 Prozent der                wenn es gelingt, die freien Flächen in guter Lage
     Arbeitnehmer in den kreisfreien Städten des Ruhrge-             für eine stadtverträgliche Logistikinfrastruktur zu
     biets pendeln mittlerweile täglich vom Umland in die            nutzen. Viel diskutierte Ansätze wie Mikrodepots in
     Städte (Pendleratlas NRW) – und das überwiegend                 den I­ nnenstädten (s. Seite 15) setzen z.  B. Warenum-
     mit dem Auto. Der urbane Logistikverkehr kommt                  schlagsflächen in dicht besiedeltem Umfeld voraus.
     zusätzlich zum Pendelverkehr und bringt das Stra-
     ßennetz in der Metropolregion stellenweise an seine             Beispielhaft für diese typischen Logistik-Heraus-
     Belastungsgrenzen.                                              forderungen in den Städten des Ruhrgebiets stehen
                                                                     Bottrop, Herne und Oberhausen. Die drei Partner-
     Auf der anderen Seite bietet das Ruhrgebiet dank                kommunen des Projekts „Mobilität im Ruhrgebiet“
     potenziell kürzeren Wegen und einer relevanten                  der Brost-Stiftung, auf dessen Basis dieser Leitfaden
     Marktgröße enormes Potenzial für eine nachhaltige               entstanden ist, haben ihre jeweilige Ausgangssituation
     Mobilität und Logistik. Das kommt Logistiklösungen              analysiert und Kontakt zu lokalen Akteuren aufge-
     zu Gute, die auf eine bestimmte Mindestnutzerzahl               nommen, um gemeinsam nach passenden Lösungen
     angewiesen und die in weniger kompakt besiedelten               zu suchen.
     Regionen schwieriger umzusetzen sind. Zudem ist das
     Ruhrgebiet ein wichtiges Drehkreuz für überregionale            Bottrop weist sowohl dicht besiedelte städtische
     und internationale Logistikverkehre und bietet damit            Strukturen als auch ländliche Bereiche auf. Der
     Lage- und Infrastrukturvorteile. In Duisburg liegt              wachsende Online-Handel führt zu merklichen
     zum Beispiel der größte Binnenhafen der Welt. Be-               Umsatzeinbußen des stationären Handels und das
     deutende Logistikunternehmen haben das Ruhrgebiet               Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Mithilfe
     als Standort für Warenverteilzentren gewählt. Akteure           einer digitalen Plattform will die Stadt private Haus-
     in Kommunen arbeiten in schlagkräftigen Netzwer-                halte, ­lokale Wirtschaft und Logistik untereinander
     ken zusammen, um ihre Kompetenzen zu bündeln.                   vernetzen und einen neuen Logistikdienst für Bottrop
     Mit den Universitäten, Hochschulen und Gesell-                  aufbauen. Damit soll das örtliche Gewerbe gestärkt,
     schaften wie dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss          Emissionen und Lieferzeiten reduziert und die Ver-
     und Logistik sind außerdem international führende               sorgungssicherheit besonders der älteren Bevölke-
     Forschungseinrichtungen der Logistikbranche im                  rungsgruppen verbessert werden. In dem „LOUISE“
     Ruhrgebiet angesiedelt.                                         genannten Projekt arbeitet die Stadt unter anderem
                                                                     mit einem ortsansässigen Logistikunternehmen zu-
                                                                     sammen (s. auch Seite 18).
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   13

Herne ist einerseits als eine der am dichtesten besie-
delten Städte Deutschlands besonders vom steigenden
                                                                          Innovative City-Logistik im Ruhr­
Logistikverkehr betroffen. Andererseits eignet sich die
                                                                          gebiet: An diesem Logo erkennen ­
kompakte Stadtstruktur besonders für die Erprobung
                                                                          Sie im Leitfaden spannende Kon-
und Umsetzung innovativer Konzepte der City-Lo-
                                                                          zepte urbaner Logistik, die in den
gistik. Emissionsarme städtische Logistik ist bereits
                                                                          ­K ommunen des Ruhrgebiets umge-
wichtiger Bestandteil der städtischen „Integrierten
                                                                           setzt wurden.
Gesamtstrategie für klimafreundliche Mobilität“. Die
Stadt hat das Projekt „HeLM’19 – Herne letzte Meile
2019” entwickelt und dabei u. a. mit einem Hersteller
für elektrobetriebene Lieferfahrzeuge kooperiert, der
in Herne ansässig ist.

Auch in Oberhausen stellt der Logistikverkehr die
dichte Siedlungsstruktur vor Herausforderungen. Der
polyzentrische Aufbau mit Osterfeld, Sterkrade und
Alt-Oberhausen als Siedlungsschwerpunkte eignet
sich dabei für Mikrodepot-Konzepte zur nachhaltigen
Warenverteilung auf der letzten Meile. In Zusammen-
arbeit mit lokalen Akteuren und mehreren KEP-
Dienstleistern versuchen die städtischen Behörden
deshalb, die städtische Logistik schadstoffärmer und
stadtverträglicher zu organisieren.
14   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     HANDLUNGSFELDER
     UND ANSÄTZE

     Für eine nachhaltige städtische Logistik auf der „letzten Meile“ gibt es bereits zahlreiche Ideen, Ansätze und
     umgesetzte Maßnahmen. Von Mikro-Depots über Lastenräder zu Routing-Werkzeugen: Die Bandbreite ist groß.
     Zudem sind die Ansätze örtlich unterschiedlich weit ausgereift und setzen an verschiedenen Punkten und auf
     unterschiedlichen Ebenen an. Es lassen sich drei zentrale Handlungsfelder identifizieren. Klar ist: Innovative
     Lösungen in allen drei Bereichen sind notwendig, um die bestehenden Strukturen der City-Logistik nachhaltiger
     und effizienter zu gestalten. Dazu werden in den einzelnen Handlungsfeldern ausgewählte Praxisbeispiele auf-
     gezeigt, die Impulse und Ansätze für die Weiterentwicklung der City-Logistik geben können.­

                                    Innovative Orte
                                    An innovativen Orten werden Lieferungen stadtverträglich umgeladen bzw. nutzer-
                                    gerecht zugestellt. Dazu zählen beispielsweise urbane Distributionspunkte wie
                                    Paketboxen (Smart Lockers) und Mikro-Depots. Diese sollen umständliche Lade-
                                    vorgänge und Mehrfachzustellungen vermeiden und so urbane Warenströme über
                                    zentrale Umschlagpunkte bündeln. So können konfliktäre Zustell- und Entlade­
                                    situationen mit anderen Verkehrsteilnehmenden in der Stadt reduziert werden.

                                    Innovative Wege
                                    Unter innovativen Wegen ist die übergreifende Optimierung der Transportwege in
                                    der Stadt zu verstehen, z. B. durch Kooperationen mit weiteren Unternehmen oder
                                    IT-Lösungen. Dazu gehören auch Maßnahmen zur optimierten Routenplanung
                                    oder zeitlichen Steuerung, die Leerfahrten reduzieren oder die Zufahrt zu sen­
                                    siblen Gebieten regulieren. Ziel ist, durch die kooperative Belieferung von Handel,
                                    Gewerbe und Endkunden in Ballungsgebieten, also die gemeinsame Nutzung von
                                    Ressourcen auf der letzten Meile, die Anlieferfahrten zu reduzieren und gleichzeitig
                                    die Transportauslastung zu steigern.

                                    Innovative Fahrzeuge
                                    Innovative Zustellfahrzeuge zeichnen sich durch veränderte Fahrzeugbeschaffen-
                                    heiten aus (hinsichtlich Größe, Ladevolumen und Fahrzeugantrieb). Dazu zählt
                                    der Einsatz von anderen Fahrzeugtypen wie Kleinfahrzeuge und Lastenräder sowie
                                    die Verwendung alternativer Antriebe (zum Beispiel Elektromobilität). Ziel ist, den
                                    öffentlichen Verkehrsraum effizienter zu nutzen, Lärm- und Schadstoffemissionen
                                    zu senken und den besonders sichtbaren Teil des Lieferverkehrs stadtverträglicher
                                    zu gestalten.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet                        15

                   INNOVATIVE ORTE                                                       schutz, Zugangsberechtigung, Anfahrbarkeit sowie
                                                                                         ausreichend Umschlags- und Rangierplatz.
Besonders Transportdienstleister der KEP-Branche
beliefern viele einzelne Empfänger in einem bestimm-                                     Gerade die mobile Variante kann aus kommunaler
ten Gebiet. Für die zahlreichen kurzen Stopps in eng                                     Sicht problematisch sein – die Depots im öffentlichen
besiedelten Stadtbereichen sind elektrisch betriebene                                    Raum werden aufgrund des Organisationsaufwandes
Kleinfahrzeuge (electric Compact Utility Vehicles,                                       und Verkehrssicherheitsaspekten unterschiedlich be-
eCUVs) oder Lastenräder gut geeignet. Ihre Lade-                                         urteilt. Die stationäre Variante kann wegen des relativ
kapazität und ihre Reichweite sind jedoch oftmals                                        geringen Nutzflächenbedarfs zu einer städtebaulich
kleiner als bei herkömmlichen dieselbetriebenen                                          nachhaltigen Umnutzung von leerstehenden gewerb-
Zustellfahrzeugen. Damit sie ihre Vorteile ausspielen                                    lichen Bestandsimmobilien, bestehenden Paketshops,
können, sind zusätzliche Umschlagsorte, sogenannte
Mikro-Depots notwendig. In diesen direkt im Zu-
stellgebiet befindlichen Zwischenlagern werden Sen-
                                                                                                            Praxisbeispiel:
dungen vor der Zustellung deponiert. Die Vorteile der
geänderten Distribution liegen darin, dass die Beliefe-                                                     Mikro-Depot in der
rung der Innenstädte gebündelt über größere Zustell-                                                        Herner Innenstadt
fahrzeuge mit weniger Einfahrten erfolgt. Die Zustel-
                                                                                               Schon seit 2016 nutzt ein großer KEP-Dienst-
lung auf der letzten Meile erfolgt stadtverträglich und
                                                                                               leister in der Herner Innenstadt ein Mikro-­
der motorisierte Zustellverkehr wird reduziert.
                                                                                               Depot und liefert Pakete in der Fußgänger-
                                                                                               zone per Lastenrad aus. Die entsprechende
Bei den Mikro-Depots kann es sich entweder um
                                                                                               Rahmen­vereinbarung zwischen Stadt und
mobile (z. B. Lkw-Wechselbrücken) oder stationäre
                                                                                               Unternehmen beinhaltet nicht nur die not-
Zwischenlager handeln (Paketshops, Gewerbeimmo-
                                                                                               wendigen Genehmigungen zur Einfahrt in die
bilien, Parkhäuser, etc.). Damit sich der Umschlag für
                                                                                               Fußgängerzone und zum Be- und Entladen,
KEP-Dienstleister lohnt, müssen Mikro-Depots in
                                                                                               sondern legt auch die Zusammenarbeit in
der Nähe möglichst vieler Empfänger liegen. Weitere
                                                                                               ­Evaluation und Öffentlichkeitsarbeit fest.
­Anforderungen sind z. B. Stromanschluss, Witterungs-

       Lager                                                         MIKRO-DEPOT                                                 Anlieferung
         Außerhalb der Wohngebiete                                    In Wohngebieten oder Innenstadt                            Emissionsfreie Anlieferung
         oder am Stadtrand                                             (Parkhäuser, Leerimmobilien,                                gegebenenfalls zum
          Kommissionierung der Lieferungen                            Freiflächen, Wasserflächen,…)                               Wunschtermin
          Transport ins Mikrodepot                                      Umladung auf emissionsfreie
                                                                        Transportfahrzeuge

Abb. 3: Funktionsprinzip von Mikro-Depots. Der letzte Teil der Lieferkette wird in eine vorletzte und eine letzte Meile unterteilt.
Quelle: Eigene Darstellung.
16   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     geeigneten Parkhäusern und Tiefgaragen führen. ­                An Pick-up-Points werden Sendungen deponiert, bis
     Das hat das Potenzial, ein neues Marktsegment im                der Empfänger sie abholt. Sie sollen erfolglose Zustell-
     Bereich der Logistikimmobilien zu definieren. Eine              versuche und damit unnötigen Verkehr vermeiden.
     kooperative Nutzung von Mikro-Depots erfordert                  Die Lieferung an Paketkästen oder Packstationen
     ­verlässliche Absprachen sowie kompatible Logis-                sowie Paketshops ist bei vielen Transportdienstleis-
      tikkonzepte und Geschäftsmodelle zwischen den                  tern und in vielen Städten bereits etabliert. Transport-
      nutzenden Unternehmen.                                         dienstleister können dort mit einem einzelnen Stopp
                                                                     gleich mehrere Lieferungen abwickeln. Packstationen
     City-Hubs sind große Distributions- und Bünde-                  und Paketkästen genießen bei vielen Kunden und
     lungszentren, die außerhalb dicht besiedelter Gebiete           Transportunternehmen eine hohe Akzeptanz, passen
     errichtet werden, etwa in der Nähe von Autobahnab-              sie doch zu etablierten Betriebsabläufen. Sie stehen
     fahrten. Alle Sendungen mit Ziel eines festgelegten             Empfängern zudem rund um die Uhr zur Verfügung.
     Bereichs (z. B. Postleitzahlgebiet oder großes Ein-             Öffentlich zugängliche Packstationen gibt es sowohl
     kaufszentrum) werden dort angeliefert, umsortiert               von einzelnen Transportdienstleistern als auch von
     und gebündelt in die Zustellung übergeben. So kann              Drittanbietern, die dann theoretisch von allen Trans-
     die Anzahl der Fahrzeuge, die in das Liefergebiet ein-          portdienstleistern genutzt werden können (Smart
     fahren, deutlich reduziert und eine höhere Auslastung           Lockers). Bei der Stationierung ist darauf zu achten,
     erreicht werden. Sollen in solchen City-Hubs die Lie-           dass die Stationen für die Empfänger bequem fuß-
     ferungen mehrerer Transportdienstleister gebündelt              läufig oder auf sowieso zurückgelegten Wegen zu
     werden, braucht es eine unabhängige Moderation und              erreichen sind, sonst wird für die letzte Meile der
     ein eigenständiges Betreibermodell. Eine solche Mo-             Privat-Pkw genutzt. Geeignet sind etwa Bahnhöfe mit
     derationsrolle könnte von der Kommunalverwaltung                starkem Pendlerverkehr oder Einkaufszentren.
     eingenommen werden. Für den Erfolg ist eine zuver-
     lässige Kooperation möglichst großer Empfänger not-             Werden Empfängerinnen und Empfänger nicht da-
     wendig, wie das Projekt „Urban Retail Logistics“ des            heim angetroffen, entsteht durch weitere Zustellversu-
     EffizienzClusters LogistikRuhr gezeigt hat.                     che zusätzlicher Lieferverkehr. Eine Alternative bietet
                                                                     die Lieferung zum Arbeitsplatz, wo die Sendung mit
                                                                     höherer Wahrscheinlichkeit angenommen werden
                                                                     kann. Für Arbeitgeber kann diese Praxis mit Kosten
                                                                     verbunden sein, da sie den Platz zur Zwischenlage-
        Externes Praxisbeispiel:
                                                                     rung privater Sendungen vorhalten oder die Zustel-
        Digital gesteuerte                                           lung in den betrieblichen Ablauf integrieren müssen
        Abholstationen in Hamburg                                    (BIEK 2017: 93). Kommunen können hier als Ver-
                                                                     mittler auftreten und Unternehmen für die Vorteile
        Wer in Hamburg online bestellt, kann sich sein
                                                                     erfolgreicher Zustellversuche sensibilisieren.
        Paket einfach zur nächstgelegenen „Hamburg
        Box“ liefern lassen. Die gewerblich betrie-
                                                                     Ladezonen gehören zu den wichtigsten infrastruktu-
        benen Abholstationen stehen an zahlreichen
                                                                     rellen Maßnahmen von Kommunen zur Steuerung
        Haltestellen und Bahnhöfen der Hansestadt
                                                                     des innerstädtischen Lieferverkehrs. Die für den
        und eignen sich insbesondere für Pendlerin-
                                                                     Lieferverkehr reservierten Flächen erlauben die Ab-
        nen und Pendler. Die Abholung erfolgt per
                                                                     wicklung der Be- und Entladung im Straßenraum und
        ­Abholcode und ist zu jeder Tages- und Nacht-
                                                                     können die Beeinträchtigung anderer Verkehrsteil-
         zeit möglich. Drei große KEP-Dienstleister
                                                                     nehmer reduzieren. Sie reichen von einer einfachen
         bieten den Service an.
                                                                     Beschilderung bis hin zu deutlich aufwändigeren
                                                                     technischen Einrichtungen, etwa durch versenkbare
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   17

Poller. Der grundsätzliche Vorteil für die Transport-
unternehmen: Sie finden zuverlässig und planbar
                                                                           Praxisbeispiel:
optimale Haltemöglichkeiten vor. Im gemeinsamen
Dialog mit den Transportdienstleistern kann regel-                         Paket-Abholstationen
mäßig der Bedarf für Ladezonen in der Stadt ermittelt                      in Bestandsimmobilien
werden. Unabdingbar für die Sicherung der Funktio-
                                                                 Wie lassen sich innenstadtnahe Immobilien
nalität bleibt Branchenakteuren zufolge eine Über­
                                                                 für die Citylogistik umnutzen oder ergänzen?
wachung und ggf. Sanktionierung von Falschparkern,
                                                                 Die IHK Mittleres Ruhrgebiet und die TU
die die Ladezonen blockieren (BIEK 2019: 45/46).
                                                                 Dortmund entwickeln Lösungen für Paket-
                                                                 Abholstationen und Mikrodepots im vor-
Für Ladezonen werden meist öffentliche Parkflächen
                                                                 handenen Gebäudebestand, vom Ladenlokal
genutzt und temporär oder dauerhaft als exklusiv
                                                                 bis zum Parkhaus. Das Projekt „Bundle Up“
für den Lieferverkehr ausgewiesen. Die Einrichtung
                                                                 kooperiert dazu mit zahlreichen regionalen
von Lieferinfrastruktur liegt jedoch nicht nur in der
                                                                 Partnern im ganzen Ruhrgebiet. Entwickelt
Verantwortung der Kommunen. Auch Unternehmen,
                                                                 werden Prototypen für anbieterneutrale Lö-
die durch ihre geschäftlichen Aktivitäten Transport-
                                                                 sungskonzepte sowohl für KEP-Dienstleister
verkehr verursachen, sollten in die Errichtung von
                                                                 als auch für Onlinehändler und stationäre
Be- und Entladezonen einbezogen werden. Um dafür
                                                                 Händler.
Bewusstsein zu schaffen und gezielte Koordination zu
ermöglichen, wird diskutiert, den Bedarf an Liefer­
infrastruktur Bestandteil (oder sogar Voraussetzung)
von privaten Bauanträgen werden zu lassen (IHK
Stuttgart 2012: 17).

Liefer- und Zugangsbeschränkungen sind ebenfalls             Weiter in die Zukunft gedacht …
ein geeignetes Mittel zur Steuerung von Lieferverkehr
in Innenstädten. Sie stehen für eine räumliche und           Urbane Logistik benötigt innerstädtische Flächen, um
zeitliche Regulierung von Lieferverkehren. Voraus-           alternative Infrastrukturen einzurichten und bestimm-
setzung für die erfolgreiche Etablierung ist, dass die       te Warenauslieferungen stadtverträglicher zu organi-
Lieferzeiten zu den tatsächlichen Bedürfnissen von           sieren. Dazu sind geeignete Finanzinstrumente und
Handel und Transportgewerbe passen. Kommu-                   Organisationsformen notwendig. Kommunen können
nen sollten deshalb in den stetigen Dialog mit allen         sich hier einbringen und auch die Beteiligung von
­Beteiligten treten, um geltende Regelungen bei Bedarf       Unternehmen organisieren. Beispiele sind die Einrich-
 anzupassen.                                                 tung weiterer Mikro-Depots, Paketstationen sowie die
                                                             bedarfsgerechte und temporäre Nutzung von Flächen
Ausnahmen von Zufahrtsbeschränkungen, etwa für               in Parkhäusern. Digitale Kooperationsplattformen,
kleine Elektrofahrzeuge oder besonders geräuscharme          Sensoren und Algorithmen könnten dabei helfen, zeit-
Ladehilfsmittel, können Anreize für eine stadtverträg-       weise ungenutzte Flächen rasch zu identifizieren und
lichere Be- und Entladung schaffen. Generell sollte          sie städtischen Logistikprozessen zur Verfügung zu
darauf geachtet werden, dass die Regeln leicht ver-          stellen (Bienzeisler 2019). Neue Kooperationsformen
ständlich bleiben, damit die geltende Rechtslage jeder-      sind auch in Form einer systematischen Zusammen-
zeit für Verkehrsteilnehmer sowie die Verwaltung klar        arbeit mit dem lokalen Einzelhandel bei der Verknüp-
ersichtlich ist. Nur so können Zufahrtsbeschränkun-          fung von Vertriebswegen denkbar, damit Aktivitäten
gen nach Ansicht mancher Autoren wirksam durch­­             gebündelt, Verkehr reduziert und Innenstädte attrak­
gesetzt werden (IHK Stuttgart 2012: 24).                     tiver gemacht werden können.
18   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

                  INNOVATIVE WEGE
                                                                         Externes Praxisbeispiel:
     Tourenplanungs- und Routingwerkzeuge unter-                         Konsolidierung durch
     stützen Transportunternehmen bei der Planung                        Drittanbieter
     und Optimierung von Transportaufträgen und beim
     Personal- sowie Fahrzeugeinsatz. Sie bieten zudem die               In mehreren Städten bieten Drittanbieter die
     Möglichkeit, äußere Rahmenbedingungen wie Liefer-                   Bündelung von Paketlieferungen für Privat-
     zeitfenster oder temporäre Zufahrtsbeschränkungen                   personen, Unternehmen und Geschäfte an. So
     zu berücksichtigen und dabei möglichst effiziente                   z.  B. das Düsseldorfer Unternehmen incharge.
     Touren zu planen und durchzuführen.                                 Anstatt mehrfach pro Tag beliefert zu werden,
                                                                         bietet incharge eine gesammelte Lieferung on-
     Für die effiziente Planung und bedarfsgerechte Anpas-               demand oder zur Wunschuhrzeit außerhalb
     sung ihrer Touren benötigen Transportunternehmen                    der Hauptverkehrszeiten. Waren sämtlicher
     zum einen aktuelle und zuverlässige Verkehrsdaten,                  KEP-Dienstleister werden an die Adresse von
     etwa über Verkehrsfluss und Baustellen. Mithilfe inter-             incharge adressiert, im Düsseldorfer Hafen
     aktiver Plattformen kann zum anderen die Kommuni-                   zentral entgegengenommen und danach
     kation zwischen Transportdienstleister und Empfän-                  gebündelt ausgeliefert. So können Anliefe-
     ger verbessert werden. Transportunternehmen wissen                  rungsfahrten und Entladevorgänge reduziert
     dann, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort der                   werden.
     Empfänger mit hoher Wahrscheinlichkeit anzutreffen

                                                                     ist. Das verbessert die Tourenplanung und vermeidet
                                                                     fehlgeschlagene Zustellversuche. Die digitale Sen-
                  Praxisbeispiel:
                                                                     dungsverfolgung (Tracking) ist bei vielen Kunden
                  Logistik und innovati­ve                           sehr beliebt und ein wichtiges Kriterium beim Online-
                  Services für urbane                                Kauf (Prümm et al. 2017: 20)
                  ­Regionen (LOUISE)
                                                                     Konsolidierung bezeichnet in der Logistik die Bün-
        Ein regionales Internet der Dienste und Dinge,
                                                                     delung von Transportströmen. In der Logistik wird
        das die Kaufkraft regional bindet – mit diesem
                                                                     zwischen zeitlicher und räumlicher Konsolidierung
        Ziel entwickelt die Stadt Bottrop mit mehreren
                                                                     unterschieden. Bei der zeitlichen oder Bestandskon-
        Partnern das Logistikkonzept LOUISE. Regis-
                                                                     solidierung wird die Lieferung hinausgezögert, um
        trierte Händler können ihre Kunden schnell
                                                                     Güter zur besseren Auslastung von Transportkapazi-
        und umweltfreundlich beliefern lassen – an die
                                                                     täten zu bündeln. Bei der räumlichen Konsolidierung
        Wohnungstür, zur Ablage in Paketschränken
                                                                     werden Verkehrsströme zusammengeführt und so auf
        oder an LOUISE-Points wie Cafés, Tankstellen
                                                                     einer Tour mehrere Abhol- und Abladestationen ange-
        oder Kioske. Die Zustellvorgänge werden dabei
                                                                     fahren. Besonders in Verbindung mit City-Hub- und
        sinnvoll gebündelt, um den innerstädtischen
                                                                     Mikro-Depot-Konzepten spielt Konsolidierung eine
        Verkehr zu reduzieren. Für Kunden ist die
                                                                     zentrale Rolle.
        Lieferung kostenlos. Eine gemeinsame nutzer-
        freundliche IT-Plattform bündelt die Daten
        und ermöglicht die Vernetzung der ­beteiligten
        Akteure.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   19

Grundsätzlich gibt es verschiedene Wege, wie Trans-
portströme gebündelt werden können. In der ein-                           Praxisbeispiel:
fachsten Form bündelt ein einzelnes Transportunter-                       Digitale Infrastruktur
nehmen seine Lieferungen in ein bestimmtes Gebiet.                        für Logistikabläufe
Das ist bei den meisten Unternehmen bereits Stan-
dard. In einem zweiten Modell kooperieren mehrere                LogisticsMall, die Entwicklung aus dem Fraun-
Unternehmen und bündeln ihre Transporte unter                    hofer-Innovationscluster Cloud Computing für
dem Dach eines gemeinsamen Dienstleisters, der die               Logistik ermöglicht Design und Ausführung
Auslieferung übernimmt. Im dritten Modell, einer                 von anbieterübergreifenden logistischen Diens-
White-Label-Lösung, werden die Sendungen aller re-               ten. Auf der Web-Plattform stellen IT-Unter-
levanten Transportdienstleister in ein anbieteroffenes           nehmen Apps für einzelne logistische Abläufe
städtisches Sammel- und Verteilzentrum (City-Hub)                zur Verfügung. Per Baukastenprinzip lassen
gebracht. Ein neutraler urbaner Dienstleister über-              sich aus den einzelnen Anwendungen bedarfs-
nimmt dann die Kommissionierung und liefert die                  gerecht und rasch komplexe Logistikprozesse
Sendungen aus.                                                   zusammenstellen.

Weniger Fahrten, optimale Routen – durch die
Konsolidierung von Transportströmen lassen sich
nach allgemeiner Auffassung die möglichen negativen          g­ emeinsame Transport- und Routenplanung. Auf-
Auswirkungen des Logistikverkehrs in städtischen              grund des intensiven Wettbewerbs sowie unterschied-
Regionen bedeutend reduzieren. Konsolidierung                 licher und inkompatibler IT-Systeme stehen viele
über Unternehmensgrenzen hinweg findet heute                  betreffende Unternehmen dem Konsolidierungsge-
jedoch noch kaum statt. Voraussetzung wären der               danken skeptisch gegenüber. Mit Beteiligung an einer
konsequente Austausch von Sendungsdaten und eine              konsolidierten Auslieferung verlieren viele Unter-
                                                              nehmen den direkten Kontakt zum Empfänger und
                                                              offenbaren der Konkurrenz bisher verborgene interne
                                                              Abläufe.
            Praxisbeispiel:
                                                             Die White-Label-Lösung könnte aber zumindest das
            Nachbarschaftlicher                              Problem des komplizierten anbieterübergreifenden
            Lieferdienst                                     Routings vermeiden: Empfänger geben dann das städ-
                                                             tische City-Hub als Empfangsadresse an und werden
   Das Startup „Mister Postman“ aus Mülheim
                                                             von einem einheitlichen, für die ganze Stadt verant-
   (Ruhr) versteht sich als Anschlusslösung
                                                             wortlichen Logistiker beliefert.
   für KEP-Dienstleister auf der letzten Meile.
   Über die App können Privatpersonen sich
   Pakete zu einem beliebigen Zeitpunkt liefern
   und Retouren direkt an der Haustür abholen
   lassen. Wer sowieso unterwegs ist, kann selbst
   als „Postman“ für seine Nachbarschaft Pakete
   von Paketshops oder Packstationen mitbringen
   und sich dadurch etwas dazuverdienen. So ­soll
   die Paketzustellung in den Alltag integriert
   werden.
20   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     Weiter in die Zukunft gedacht …                                                 INNOVATIVE FAHRZEUGE
     Künftig könnte auch die Transportlogistik weiter
                                                                     Ein mögliches Mittel für eine nachhaltige und intelli-
     digital unterstützt und stärker vernetzt mit lokalen
                                                                     gente Zustellung in Innenstädten gegen die Stickoxid-
     Dienstleistungen ablaufen. Mithilfe stetig steigender
                                                                     und Feinstaubproblematik in Städten bei ansonsten
     Rechenkapazitäten und verbesserter Sensoren können
                                                                     unveränderten logistischen Konzepten auf der letzten
     Rahmenbedingungen wie Verkehrsfluss, Lieferschritte
                                                                     Meile bietet der Einsatz alternativer Antriebstechno-
     oder Engpässe immer genauer nachverfolgt werden
                                                                     logien in den bislang eingesetzten Fahrzeugklassen
     – überall und in Echtzeit. Zunehmend ist es auch
                                                                     der Zustellfahrzeuge. Elektrofahrzeuge zum Beispiel
     möglich, diese Informationen quasi zeitgleich zur Er-
                                                                     sind lokal emissionsfrei und ermöglichen geräusch-
     hebung mit Hilfe von Algorithmen auszuwerten und
                                                                     ärmere und damit stadtverträglichere Lieferungen.
     wo benötigt bereitzustellen. Akteure in der Logistik,
                                                                     Sinkende Batteriepreise, ein Ausbau der öffentlichen
     aber auch staatliche Institutionen werden so in die
                                                                     und privaten Ladeinfrastruktur sowie entsprechende
     Lage versetzt, die Effizienz im Verkehr von Gütern
                                                                     Förderprogramme können den Einsatz von (batterie-)
     weiter zu verbessern und steuernd einzugreifen, z. B.
                                                                     elektrischen Nutzfahrzeugen im städtischen Liefer-
     durch optimierte Routenführung oder intelligente
                                                                     verkehr attraktiver machen. Für weitere Strecken,
     Verkehrsleitsysteme. Voraussetzung sind u.a. gemein-
                                                                     etwa zwischen Paketzentren oder Depots, eignen sich
     same Standards und Datenschnittstellen.
                                                                     saubere Fahrzeuge mit alternativen Antrieben wie
                                                                     Brennstoffzellen- oder Hybridfahrzeuge.
     Die Digitalisierung ermöglicht darüber hinaus neue
     Geschäfts- und Kooperationsmodelle in der Logistik
     und erlaubt neue Formen der Kooperation zwischen
     Sendern, Transportdienstleistern und Empfängern.
     Digitale Dienstleistungsplattformen können mit dem
     lokalen Einzelhandel vernetzt werden und flexible                   Externes Praxisbeispiel:
     Zustellkonzepte ermöglichen. Der Kunde wird dann                    Kleine E-Nutzfahrzeuge im
     selbst entscheiden können, ob er örtliche Bestellungen              Lieferverkehr
     an einem der Paketboxen zu einer beliebigen Uhr-
     zeit abholt oder sie noch am selben Tag nach Haus                   Während herkömmliche Transportfahr­zeuge
     ­geliefert werden sollen.                                           oftmals einen großen Wendekreis aufwei-
                                                                         sen, eignen sich kleine E-Nutzfahrzeuge
                                                                         (eCUVs) durch ihren kurzen Radstand und
                                                                         kleinen Wendekreis optimal für die Beladung
                                                                         an dezentralen Umschlagsplätzen wie zum
                                                                         Beispiel Mikro-Depots im innerstädtischen
                                                                         Bereich. Als Elektrofahrzeuge fahren sie lokal
                                                                         emissions­frei. Unternehmen der City-Logistik
                                                                         setzen daher für bestimmte Lieferungen auf
                                                                         diese alternativen Fahrzeuge im Lieferverkehr.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   21

Vor allem auf kurzen und mittleren Strecken mit
vielen Stopps, auf denen keine großen Geschwindig-              Externes Praxisbeispiel:
keiten notwendig sind, kann der Elektroantrieb seine            SULEICA – Ducktrains in Aachen
Vorteile ausspielen. Zudem sind Elektromotoren
weniger wartungsintensiv als Verbrennungsmotoren.               Das Forschungsprojekt „Smart Urban Logis-
Innerhalb größerer Städte oder Metropolregionen wie             tics through Electrification Collaboration and
dem Ruhrgebiet ist ihre Nutzung schon heute eine in-            Automation“ (SULEICA) verfolgt das Ziel
teressante Option. Einige große Paketzusteller setzen           der Erforschung automatisierter, vernetzter,
inzwischen vermehrt auf den Einsatz batterieelektri-            elektrischer Leichtfahrzeuge. Die quasi im
scher Fahrzeuge und betreiben eigene Flotten.                   Gänsemarsch hintereinanderfahrenden Trans-
                                                                portfahrzeuge sollen 2021 erstmals in den
Die Nutzung von alternativen Antriebstechnologien               Pilotbetrieb gehen und eine neuartige Innen-
bietet aber auch das Potenzial für eine Veränderung             stadtlogistik in Aachen erproben.
der Geschäftsabläufe. In Kombination mit geräusch-
armen Ladehilfsmitteln wie angepassten Ladebord-
wänden oder Leiselaufrollen ermöglichen Fahrzeuge
mit Elektromotor die Belieferung von gewerblichen
Großkunden in den späten Abend- oder Nacht-                 LEVs und Lastenfahrräder agieren aufgrund ihrer
stunden. Nachtlieferungen könnten für eine weitere          geringeren Ladekapazität meist im Umkreis eines
­Verlagerung bzw. Entzerrung des Lieferverkehrs sor-        Mikro-Depots, zu dem sie immer wieder zurückkeh-
 gen und können Staus in Stoßzeiten verringern.             ren, um neue Sendungen aufzunehmen. Deshalb ist
                                                            bei ihrem Einsatz der Zustellweg unterteilt. Um den
Doch auch elektrisch angetriebene Zustellfahrzeuge          zusätzlichen Sendungsumschlag so schnell wie mög-
stehen im Stau oder behindern den Verkehr durch             lich zu gestalten, können die Sendungen im Mikro-
Halten in zweiter Reihe. In Verbindung mit neuen            Depot in bereits kommissionierten Wechselbehältern
­Logistik-Konzepten versprechen daher neue Fahr-            gelagert werden.
 zeugtypen größeres Potenzial, neben Emissionen
 auch Verkehr zu reduzieren: Leichte Elektrofahr-           Die Erfahrung aus Praxistests zeigt, dass Lastenräder
 zeuge (Light Electric Vehicles, LEVs) und Lasten-          und kleinere elektromobile Nutzfahrzeuge in der
 räder (Cargobikes) haben mit einer Nutzlast von bis        Bevölkerung eine hohe Akzeptanz besitzen. Sie rufen
 zu 200  kg und einem Ladevolumen von bis zu 2 m³           Interesse hervor und gelten als innovativ. Aus Sicht
 zwar geringere Kapazitäten als konventionelle Trans-       der Transportunternehmen bieten sie trotz des zusätz-
 porter, können mancherorts aber neben der positiven        lichen Warenumschlags eine willkommene Gelegen-
 Umweltbilanz auch Zeitvorteile bieten. Mit entspre-        heit, die Wahrnehmung des Unternehmens positiv zu
 chend geringen Maßen dürfen sie für den Radverkehr         beeinflussen.
 freigegebene Wege nutzen (etwa durch Fußgänger-
 zonen) und so direktere Routen fahren. Wegzeiten
 können durch das Wegfallen von unsicheren Faktoren
 wie Staus und Parkplatzsuche präziser kalkulierbar
 werden.
22   City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet

     Weiter in die Zukunft gedacht…

     Für die Zukunft ist es denkbar, dass für einen Teil                          Praxisbeispiel:
     der innerstädtischen Lieferungen weiterhin vermehrt                          Kostenloser Lasten­
     kleine und kompakte Lieferfahrzeuge eingesetzt                               radverleih in Essen
     werden und sich das Fahrzeugangebot in diesem Seg-
     ment – insbesondere mit Blick auf alternative Antriebe              Wer kein eigenes Lastenrad besitzt und trotz-
     und Assistenzsysteme – weiter ausdifferenziert. Diese               dem sperrige oder schwere Ladung umwelt-
     Fahrzeuge können dann dafür sorgen, dass Verkehrs-                  freundlich transportieren will, dem stehen in
     hindernisse durch Halten in zweiter Reihe minimiert,                Essen die kostenlosen Essener Lastenräder zur
     das Verkehrsgeschehen sicherer wird und Lärm- und                   Verfügung. Nach einer Registrierung kön-
     Schadstoffaufkommen reduziert werden können.                        nen an max. drei aufeinanderfolgende Tagen
                                                                         Lastenräder oder Anhänger in verschiedenen
     Während innerhalb geschlossener Produktions-                        Größen ausgeliehen werden. Abholstationen
     umfelder oder Lagereinrichtungen in bestimmten                      sind über das ganze Stadtgebiet von Essen ver-
     Bereichen bereits automatisiert gefahren wird, steht                teilt. Das Projekt trägt sich durch Fördergelder
     der Einsatz von automatisierten Lieferfahrzeugen                    und Spenden.
     im Straßenverkehr noch am Anfang. Auf diesem
     Bereich wird jedoch einige Forschung betrieben, die
     laufend Fortschritte erzielt. Die Hoffnungen sind
     groß: Automatisierte Fahrzeuge können den Verkehrs-
     fluss zumindest in Modellversuchen verbessern und
     zur Verkehrssicherheit beitragen. Es ist bisher nicht
     abzusehen, wann der Einsatz automatisierter Fahr-
     zeuge wirtschaftlich werden könnte. Auch Drohnen
     scheinen aus heutiger Sicht für die City-Logistik
     vorerst weniger relevant zu sein (vgl. Clausen et al.
     2016b:  39-43).
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet   23

AKTEURE UND
RAHMENBEDINGUNGEN

Im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung regeln            Logistikunternehmen kommt daher eine zentrale
Kommunen ihre Angelegenheiten grundsätzlich                ­R olle bei der praktischen Umsetzung der City-Lo-
selbst. Dazu gehören auch Maßnahmen im Bereich              gistik zu. Ihr vorrangiges Interesse gilt dem zuverläs-
der Infrastruktur, der Verkehrslenkung sowie der            sigen, preisgünstigen und effizienten Transport von
Ausweisung von Flächen. Auf diese Weise können              Waren. In der Branche herrschen große Konkurrenz
logistische Strukturen und Abläufe sowie die Zusam-         und starker Preisdruck, insbesondere im Bereich
menarbeit lokaler Akteure entscheidend mitgestaltet         der Kurier-, Express- und Paketdienste. Anbieter
werden.                                                     müssen sich in diesem Wettbewerb zunehmend be-
                                                            haupten, z.  B. durch den Einsatz zukunftsweisender
Logistikprozesse machen jedoch an der Stadtgrenze           Technologien oder die eigene Positionierung als
nicht Halt. Je nach konkretem Transportvorgang              verantwortungsbewusstes Unternehmen. Kommunen
haben sie eine überregionale bis internationale             kommt dies entgegen, wenn Logistikunternehmen
Dimension. Geografische Grenzen, finanzielle Spiel-         dadurch empfänglicher für innovative nachhaltige
räume und übergeordnetes Recht setzen den Rahmen            Konzepte werden.
für den tatsächlichen Einfluss von Kommunen. Die
effektive Planung und Steuerung logistischer Vorgänge      Im Vordergrund stehen für Logistikunternehmen ein
in der Stadt gelingt am besten in Zusammenarbeit mit       wirtschaftlicher Vorteil und die kundengerechte Aus-
Partnern in Wirtschaft und Verwaltung auf lokaler          lieferung. Unrentable und ineffiziente Praktiken wer-
und regionsübergreifender Ebene.                           den meist zügig optimiert oder beseitigt. Daher ver-
                                                           folgen viele Akteure der Logistikbranche eine flexible
Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unter-                Geschäftsstrategie, um auf mögliche Anpassungsbe-
nehmen fragen Waren nach. Durch ihr Einkaufs-              darfe reagieren zu können. Langfristige Projekte, die
verhalten lösen sie logistische Prozesse aus und           eine Änderung ihrer Betriebsabläufe zur Folge haben,
verursachen damit Transportverkehr. Konsum­                müssen Erfolg und Akzeptanz beim Kunden ver-
entscheidungen haben somit großen Einfluss auf das         sprechen. Überregionale Logistikdienstleister haben
Transportaufkommen in Städten. Einerseits gibt es in       im Allgemeinen Interesse an skalierbaren Lösungen.
Teilen urbaner Bevölkerungsschichten einen Trend in        Diese sollten möglichst in die gewohnten Abläufe
Richtung eines nachhaltigeren Konsumverhaltens mit         integrierbar sein. Um erfolgsversprechende Konzepte
regionalem Bezug, oft „LOHAS“ (Lifestyles of Health        in die Breite zu tragen, bieten sich Kooperationen
and Sustainability) genannt. City-Logistik-Projekte        zwischen Unternehmen und Kommunen an.
könnten diese Zielgruppe bewusst adressieren, um
den lokalen Einzelhandel zu stärken. Andererseits          Der kommunale Handlungsspielraum gegenüber
basieren viele Konsumentscheidungen auf lange              großen, international tätigen Logistikunternehmen ist
praktizierten Einkaufsmustern und wandeln sich nur         in der Regel beschränkt. Zum einen sind Kommunen,
langsam. Wenn regionale Erzeuger- und Einkaufs-            ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie ansässige
strukturen bequemer oder wirtschaftlicher werden           Unternehmen auf die Zustellung von Waren ange-
oder die städtische Lebensqualität entscheidend ver-       wiesen. Zum anderen haben entsprechende Logistik-
bessern, könnten Konsumenten und Unternehmen               dienstleister wenig Interesse an jeweils unterschiedli-
dafür gewonnen werden.                                     chen Logistiksystemen pro Kommune, die womöglich
                                                           Organisationsformen enthalten, die mit dem eigenen
Logistikunternehmen sorgen für den Transport von           System nicht kompatibel sind. Der direkte Dialog
Gütern innerhalb sowie in und aus der Stadt heraus.        erfolgt meist über entsprechende Regionalbereichs-
Dabei bedienen sie die Konsumwünsche der Bevölke-          leiterinnen oder Regionalbereichsleiter, die mit den
rung sowie die Nachfrage aus der Wirtschaft.               Gegebenheiten vor Ort vertraut sind.
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