City-Logistik in Kommunen - Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet - Brost-Stiftung
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Die Brost-Stiftung Die gemeinnützige Brost-Stiftung mit Sitz in Essen fördert wissensbasierte, konzeptionsstarke und mutige Projekte, die möglichst durch Kooperation das Miteinander und die anpackende Selbsthilfe im Ruhrgebiet stützen. Gegründet wurde die Brost-Stiftung 2011. Mit dem Schwerpunkt Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterin Anneliese Brost, werden Projekte im Bereich von Kunst und Kultur, Jugend- und Altenhilfe, Volks- und Berufsbildung sowie mildtätige Maßnahmen gefördert. Seit 2011 wurden über 100 Projekte initiiert oder unterstützt. Die Stiftung fördert Ideen mit Strahlkraft, die aufgrund ihrer Innovationskraft wertvolle Anstöße weit über das Ruhrgebiet hinaus geben. Damit stärkt die Brost- Stiftung nicht zuletzt auch die Identität der Region.
04 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet Grußwort Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt und digital – Mit intelligenten Logistik-Lösungen stellen wir den sowohl der Waren- und Güterverkehr als auch die Warenverkehr in unseren Städten sicher – und redu- Personenbeförderung! zieren gleichzeitig den Schwerverkehr auf unseren Straßen. Verkehr raus aus den Städten, Lebens- und Nur so können sich Mobilitätsangebote der Zukunft Aufenthaltsqualität rein! Dazu nutzen wir die Chan- noch stärker als bisher an den Bedürfnissen der Nutzer cen der Digitalisierung und Vernetzung von Daten- orientieren. Unser Ziel ist es, Mobilität in Nordrhein- und Güterströmen. Warenlager vor der Stadt, Mikro- Westfalen besser, sicherer und sauberer zu machen. Depots in der City und innovative, emissionsfreie Deshalb gilt es, alle Verkehrsträger mit ihren jeweili- Fahrzeuge für die Auslieferung auf der letzten Meile. gen Stärken zu fördern. Die Zukunft der Mobilität ver- Das spart Ressourcen und Wegstrecken, schafft Platz netzt die unterschiedlichen Verkehrsträger auf Straße und saubere Luft in der Stadt. und Schiene. Wenn es um zukunftsweisende Projekte geht, ist die On-Demand-Verkehre, die nur dann rollen, wenn Brost-Stiftung eine kompetente und verlässliche Part- sie gebraucht werden, Sharing-Fahrzeuge, die von nerin. Die enge Vernetzung von zentralen Akteuren vielen genutzt werden und deshalb wenig Parkfläche in der Metropole Ruhr mit ihrem wertvollen Wissens- brauchen, die schlaue Kombination von ganz unter- schatz und eine interaktive, lebendige Kommunika schiedlichen Verkehrsträgern wie (Leih-)Fahrrädern, tion ermöglichen eine neue Form der Zusammen- E-Scootern, Bus und Bahn sind nur digital vernetzt arbeit. Im Rahmen ihres Projektes „Mobilität im möglich! Das gilt auch für Logistik in den Städten der Ruhrgebiet“ hat sich die Brost-Stiftung nun mit der Metropole Ruhr. So bringen wir das Grundbedürf- Zukunft der urbanen Lieferverkehre befasst. nis auf verlässliche Versorgung mit den alltäglichen Dingen des Lebens und dem Wunsch nach einem Die Ergebnisse in diesem Handlungsleitfaden sind lebenswerten Umfeld in Einklang. sehr hilfreich: Er soll dabei unterstützen, aktuelle Chancen für den städtischen Güterverkehr in Kom- Mit der Ruhr-Konferenz hat die nordrhein-westfäli- munen zu entdecken, Impulse für neue Kooperatio- sche Landesregierung eine umfassende Initiative ge- nen zu geben und helfen, die Metropole Ruhr noch startet, die Metropole Ruhr als wirtschaftlich prospe- lebenswerter zu machen. rierende und lebenswerte Zukunftsregion zu stärken. HENDRIK WÜST Minister für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 05 Vorwort „MOBILITÄT IM RUHRGEBIET“ Was ist zu tun? Kann eine City Maut mäßigen? Ist eine robuste „Parkraumbewirtschaftung“ (sprich: Ein großer Kastenwagen fährt durch die Innenstadt. Knöllchen) die Allzweckwaffe? Ist der ÖPNV das Alle 300 Meter hält er an. Der Fahrer steigt aus und Mittel der Wahl? Brauchen wir nicht auch Parks, schlägt mit einem Besenstiel an die Außenwand. Ruhezonen, Kinderspielplätze? Dann fährt er weiter. Ein Passant beobachtet die Szene und fragt den Fahrer nach dem Grund seines Lohnende Fragen für ein Projekt der Brost-Stiftung: seltsamen Verhaltens. „Was soll ich machen?“, sagt der. „Mobilität im Ruhrgebiet“. Zwei Jahre lang sondierten „Der Wagen darf nur eine Tonne transportieren, ich Fachleute die Verhältnisse, in Kooperation mit dem habe aber zwei Tonnen Wellensittiche geladen. Da Ministerium für Verkehr des Landes NRW und im muss ich mindestens eine immer am Fliegen halten.“ Nahkontakt mit den betroffenen Menschen dieser Region. Ein realistisches Bild der Probleme und Ursa- Ein Witz und zugleich eine Metapher für unsere Ver- chen, aber auch interessanter Lösungsansätze sollte kehrspolitik. Von irgendwas gibt es zu viel – in einem Bürger*innen aufklären und Entscheidungsträger auf- begrenzten Raum. Wir müssen es irgendwie in Be- muntern. Dabei kamen auch Modelle und Erfahrun- wegung halten. Unsere Methoden sind oft noch von gen vergleichbarer Ballungsräume in Europa auf den archaischem Charme. Tisch. Welche Chancen bieten z. B. digitale Konzepte einer City-Logistik, die nicht mehr nur auf Massen Menschen wollen von hier nach dort. Freunde starrt (Fahrzeuge, Straßen, Menschen), sondern ein besuchen. Den Arbeitsplatz erreichen. Waren lie- dynamisch-flexibles Netzwerk knüpft? fern. Kranke transportieren. Das erzeugt Bewegung mit wachsender Verdichtung. Fußgänger, Fahrrad- Der nun vorliegende Leitfaden empfiehlt sich als fahrer, Autofahrer kommen sich in die Quere. Der Leitfaden für Kommunen, die intelligent agieren und Erregungspegel steigt. Umgangsformen korrodieren. nicht mehr nur hektisch reagieren wollen. – Großer Sanktionen drohen, aber Regelverstöße werden zum Dank an alle, die dafür Zeit und Kraft investiert Normalfall. Lärm, Abgase, Frustration. Macht Stadt- haben. – Greifen Sie zu! luft noch frei? PROF. BODO HOMBACH Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung
Inhalt ÜBER DIESEN LEITFADEN 08 AUSGANGSSITUATION09 HANDLUNGSFELDER UND ANSÄTZE 14 INNOVATIVE ORTE 15 INNOVATIVE WEGE 18 INNOVATIVE FAHRZEUGE 20 AKTEURE UND RAHMENBEDINGUNGEN 23 Handlungsempfehlungen26 FÖRDERMÖGLICHKEITEN31 GLOSSAR32 IMPRESSUM UND NACHWEISE 33
08 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet ÜBER DIESEN LEITFADEN Steigende Anforderungen an das Verkehrsgeschehen In der ersten Phase des Projekts wurden zunächst in Innenstädten, ausgelöst zum Beispiel durch den Studien und Veröffentlichungen zur City-Logistik aus wachsenden Onlinehandel, stellt Städte europaweit den vergangenen Jahren analysiert. Im Mittelpunkt vor Herausforderungen. An vielen Orten, auch im standen dabei folgende Fragen: Vor welchen Heraus- Ruhrgebiet, stellt sich die Frage nach alternativen forderungen stehen Städte bei der Organisation der Auslieferungssystemen und individuellen Lösungen städtischen Lieferverkehre? Welche Ansätze gibt es zur Verbesserung des Lieferverkehrs entsprechend bereits, um Logistik stadtverträglicher zu organi den lokalen Gegebenheiten. Von dem Fundus inno- sieren? Und welche Rahmenbedingungen erleichtern vativer Konzepte können auch die Kommunen im oder erschweren ihre praktische Umsetzung? Dabei Ruhrgebiet und darüber hinaus profitieren: durch spielte es keine Rolle, in welchem Grad der Umset- Erfahrungsaustausch und kreative Adaption. zung sich die Ansätze befanden. Die gesammelten Konzepte stammen aus Deutsch- land und dem europäischen Ausland. Nicht alle lassen Dieser Leitfaden fasst Erkenntnisse und sich ohne Weiteres auf das Ruhrgebiet übertragen, Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen etwa wegen unterschiedlicher logistischer Ausgangs- urbanen Logistik zusammen. Er soll kommu- bedingungen. Beteiligte aus den drei Projektkommu- nalen Verwaltungen im Ruhrgebiet helfen, viel- nen diskutierten die Liste der identifizierten Konzepte versprechende Ansatzpunkte zu identifizieren und arbeiteten schrittweise besonders vielverspre- und passende Lösungskonzepte für die logisti- chende Ansätze heraus. Für jede der drei Städte schen Herausforderungen vor der Haustür zu konnte ein Ansatz – jeweils passend zu den spezi- entwickeln. fischen lokalen Gegebenheiten – sowie potenzielle Projektpartner identifiziert werden. In der zweiten Phase erarbeiteten Vertreter der drei DAS PROJEKT Stadtverwaltungen in Workshops Strategien, um auf Basis der ausgewählten Ansätze eigene lokale Projek- Der Blick über die eigenen Stadtgrenzen hinaus te zu konzipieren. Dabei wurden sie unterstützt von lohnt sich – mit dieser Überzeugung rief die Brost- Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwal- Stiftung im Jahr 2018 das Projekt „Mobilität im tung. Diese Arbeitstreffen nutzten die Verantwortli- Ruhrgebiet“ ins Leben. ifok wurde mit der Durchfüh- chen in den Stadtverwaltungen, um Fragen zu klären, rung beauftragt. Gemeinsam mit den Projektkommu- erste Entwürfe zu skizzieren bzw. bestehende Kon nen Bottrop, Herne und Oberhausen haben sich die zepte weiterzuentwickeln sowie neue Partnerschaften Partner auf den Weg gemacht, neue Wege städtischer mit Akteuren aus der Wissenschaft und der Logistik- Logistik zu identifizieren. Das Ministerium für Ver- branche zu initiieren und intensivieren. kehr des Landes Nordrhein-Westfalen war fachlich beteiligt. Dieser Leitfaden ist ein Ergebnis des Projekts. Mehrere öffentliche Dialogveranstaltungen ergänzten das Projekt. Die Projektbeteiligten trugen ihre Ergeb- Ziel des Projekts war die Identifikation von innovati- nisse in die interessierte Öffentlichkeit und tauschten ven wegweisenden Konzepten der City-Logistik, die, sich mit Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und adaptiert und auf die hiesigen Verhältnisse angepasst, Verwaltung aus. Die Verwaltungen der drei Städte effiziente Lösungsansätze für die städtische Logis- greifen die Ansätze in ihrem Ermessen und anhand tik und das Verkehrsgeschehen im Ruhrgebiet sein gegebener Kapazitäten auf und arbeiten nun daran, können. die erstellten Konzepte gemeinsam mit den örtlichen Akteuren fortzuentwickeln.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 09 AUSGANGSSITUATION UNVERZICHTBARE URBANE 2020). Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen des LOGISTIK Verkehrssektors laut § 4 Klimaschutzgesetz bundes- weit um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 sinken. Im Gegensatz zu anderen Sektoren wie Energie, Industrie Ein effizientes und zuverlässiges Logistiksystem ist oder Gebäude wurde im Verkehrssektor jedoch bisher entscheidender Standortfaktor einer Stadt und bildet keine nennenswerte Emissionsreduktion erreicht. die Grundlage für Wohlstand und wirtschaftliche Effizienzsteigerungen wurden durch das Verkehrs- Leistungsfähigkeit. Städtische Logistik gewährleistet wachstum überkompensiert. Gerade die Zahl leichter die Belieferung des Einzelhandels mit benötigten Nutzfahrzeuge, die etwa im Paketlieferverkehr genutzt Waren. Sie sorgt zum Beispiel für Nachschub in werden und einen Führerschein der Klasse B erfor- Restaurants und stellt den Abtransport des Abfalls der dern, steigt überdurchschnittlich (Agora Verkehrs- städtischen Bevölkerung sicher. Kurz: Unsere Städte wende 2019: 5). Urbane Logistik muss also beides sind fundamental auf eine funktionierende urbane leisten: Eine wirtschaftliche, zuverlässige und effi- Logistik angewiesen. ziente, aber auch stadtverträgliche und nachhaltige Warenversorgung sicherstellen. Der essenzielle Beitrag der urbanen Logistik hat jedoch Nebenwirkungen. Lokale Belastungssituatio- nen ergeben sich etwa für die Verkehrssicherheit, die Luftreinhaltung und den Klima- und Lärmschutz und damit für die Gesundheit der Bevölkerung in Innen- Was ist City-Logistik? städten. Auch wenn die Feinstaub- und Stickstoff- dioxid-Emissionen der Fahrzeuge zum Teil deutlich Urbane oder städtische Logistik im engeren gesunken sind, werden die EU-Grenzwerte an Mess- Sinne umfasst den Güterverkehr innerhalb stellen in einigen Städten nach wie vor überschritten. einer Stadt und über ihre Grenzen hinaus. Auch Nutzfahrzeuge können örtlich zu den Belastun- Dazu gehören u.a. die Belieferung des Einzel- gen beitragen: Von ihnen stammt in Essen mancher- handels, Bau- und Handwerksverkehr, die orts knapp ein Viertel der verkehrsbedingten NO2- Belieferung der Gastronomie, die Abfalllogis- Emissionen (Bezirksregierung Düsseldorf 2020: 25). tik sowie Kurier-, Express- und Paketdienste (Agora Verkehrswende 2019: 2). Der Güterverkehr benötigt in seiner derzeitigen Form Der Begriff City-Logistik bezeichnet eine verhältnismäßig viel Platz: Wo Park- und Haltemög- Reihe verschiedener Ansätze, urbane Logistik lichkeiten begrenzt sind, kann es zu Konflikten mit besser mit dem Stadtbild zu vereinbaren. Das dem fließenden Auto- und Radverkehr, Fußgängern umfasst infrastrukturelle Elemente (wie City- und Anliegern kommen. Nicht selten müssen Zustell- Hubs, Mikro-Depots oder Pick-up-Points) fahrzeuge in zweiter oder dritter Reihe halten und genauso wie Flächennutzungskonzepte (z. B. verursachen damit Staus und gefährden andere Ver- Ladezonen oder Einfahrtbeschränkungen) kehrsteilnehmer. Die Konkurrenz um den begrenzten und technologischen Lösungen (alternative städtischen Straßenraum erhöht nicht nur die Gefahr Antriebe, Lastenräder). Für eine ressourcen- für Unfälle, sondern behindert auch die zuverlässige effiziente und nachhaltige urbane Logistik und pünktliche Bereitstellung benötigter Güter. ist stets die Integration der verschiedenen Lösungselemente notwendig. Die Herausfor- Der Verkehrssektor als Ganzes verursacht mit 22,4 % derung liegt in der passenden Kombination in Deutschland und 12,3 % im energieintensiven der Maßnahmen im jeweiligen Kontext (vgl. Nordrhein-Westfalen zudem einen wichtigen Teil Clausen et al. 2016a: 15). der Treibhausgasemissionen (LANUV 2019, UBA
10 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet KURIER-, EXPRESS- UND Vor allem durch das Wachstum des Online-Handels PAKET-LOGISTIK hat der KEP-Verkehr in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Immer mehr Verbraucher bestellen Die Kurier-, Express- und Paketlogistik (KEP- Waren im Internet und lassen sie nach Hause liefern. Logistik) nimmt innerhalb der urbanen Logistik eine Kostenloser Versand, Same-Day-Delivery und die Re- besondere Rolle ein. Auch wenn KEP-Logistik nur tournierung nicht gewünschter Waren sind für viele einen Teil des urbanen Logistikverkehrs ausmacht, Verbraucher zur Gewohnheit geworden. Der On- sind Paketlieferdienste im Stadtbild besonders sicht- line-Handel hat in den vergangenen 20 Jahren einen bar. Anders als Belieferungen von Großabnehmern enormen Anstieg verzeichnet (s. Abb. 1). Mittlerweile wie Supermärkten entstehen KEP-Verkehre oft in werden zehn Prozent der Umsätze im Einzelhandel besonders sensiblen Bereichen wie engen Innen- online erwirtschaftet (HDE 2019). Das wirkt sich auf städten, Fußgängerzonen oder Wohngebieten. Dort die Paketlieferungen aus: 2018 lieferten die 236.600 besteht besonders viel Konfliktpotenzial mit anderen Beschäftigten der KEP-Dienstleister über 3,5 Milliar- Verkehrsteilnehmern. Durch die häufigen Halte- und den Sendungen aus. Das sind doppelt so viele wie Anfahrvorgänge fallen KEP-Fahrzeuge zusätzlich auf. noch im Jahr 2000 (s. Abb. 2). Die Branche rechnet Zudem fahren vielerorts täglich mehrere Paketliefer- für die Zukunft mit weiterem Wachstum. dienste durch dieselben Straßenzüge. 57,8 53,3 48,9 44,2 39,9 35,6 32,0 28,0 24,4 20,2 15,6 12,6 10,4 10,1 10,8 9,0 9,5 8,4 7,8 8,3 6,3 7,1 6,4 5,6 4,4 4,7 1,6 2,2 3,7 1,3 0,5 3,0 2,4 2,9 0,3 0,4 1,0 1,5 1,9 0,7 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Onlineumsatz (netto) in Deutschland in Mrd. Euro Onlineanteil am Einzelhandel in Prozent Abb. 1: Entwicklung des Onlineumsatzes (netto) und sein Anteil am Gesamtvolumen des Einzelhandels in Deutschland seit dem Jahr 2000. Quelle: HDE 2019: 6.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 11 Mio. Sendungen 4.500 4.000 4.430 (Prognose) 3.500 3.520 3.000 2.500 2.000 1.500 1.690 1.000 500 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 Abb. 2: Sendungsvolumina der Kurier-, Express- und Paketdienste seit dem Jahr 2000. Quelle: BIEK 2019: 13. Die letzte Meile, also der Weg vom letzten Um- Bisher zeichnet sich keine Trendwende in den be- schlagsort zum Empfänger, steht besonders im Fokus schriebenen Entwicklungen ab. Städte wollen sich der Debatte über den KEP-Verkehr in Städten. Wäh- zunehmend mit Handlungsbedarfen beschäftigen, rend Pakettransport und -umschlag auf fast der gan- die mit dem örtlichen Wachstum des steigenden zen Strecke fern von Wohnbebauung und oft nachts Lieferverkehrs bei Wahrung der Lebensqualität in stattfindet, ist der Verkehr auf der letzten Meile in den Innenstädten einhergehen. Innenstädten präsent. Außerdem ist die letzte Meile für fast die Hälfte der Kosten der einzelnen Liefervor- Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht. Jede Stadt, gänge verantwortlich (Bogdanski 2015: 31). Sie ist bei jede Region hat eigene Strukturen, Besonderheiten jedem Paket hochindividuell und mit vergleichsweise und Bedürfnisse. Diese stellen spezifische Anforde- hohem Arbeitsaufwand verbunden. rungen an Lieferketten und Verteilnetze und verlan- gen maßgeschneiderte Lösungen. Dafür lohnt sich Die Haltung der Bevölkerung zum steigenden KEP- ein Blick über die eigenen Stadtgrenzen hinweg: Wo Logistikverkehr ist dabei ambivalent. Private und sind bereits innovative Konzepte getestet worden? geschäftliche Kunden wissen einerseits zuverlässi- Wer hat für ein vergleichbares Problem bereits eine ge und schnelle Auslieferungen von Waren sowie adäquate Antwort gefunden? Es lohnt sich, aus den kostenfreie Rücksendemöglichkeiten zu schätzen. Erfahrungen anderer zu lernen und vielversprechende Andererseits verursachen die zunehmenden Online- Konzepte zur Lösung der eigenen Herausforderungen Bestellungen einen Großteil des Paketlieferverkehrs. zu adaptieren. Die öffentlichen Diskussionen der vergangenen Jahre haben gezeigt: Menschen reagieren sensibler auf Lärm, Luftverschmutzung und Platzbedarf durch den motorisierten Verkehr. Ein Teil der Bevölkerung stellt diese störenden Einflüsse auf ihr Lebensumfeld stärker infrage.
12 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet CITY-LOGISTIK IM RUHRGEBIET Das fachliche Know-How und die bestehenden Netzwerke bilden im Ruhrgebiet eine ideale Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Voraussetzung für innovative Lösungen der Bundesland und Deutschlands verkehrlich dichtes- City-Logistik. ter Ballungsraum. Auch das Ruhrgebiet im Herzen des Bundeslandes ist mit seinen mehr als 5,1 Mil- Nicht erst seit dem starken Wachstum des Online- lionen Bewohnerinnen und Bewohnern und seiner Handels sehen sich viele Städte des Ruhrgebiets mit polyzentrischen Struktur von der Zunahme des Leerstand in den Innenstädten konfrontiert. Die Logistikverkehrs betroffen. Zu Stoßzeiten wird der (Re-)Vitalisierung von Fußgängerzonen und ver- Handlungsbedarf besonders offensichtlich: Das waisten Ladengeschäften ist für manche Städte und Ruhrgebiet verzeichnet allgemein zwar einen leichten Gemeinden eine große Herausforderung. Für die Bevölkerungsrückgang, allerdings ist das Pendlerauf- City-Logistik bietet Leerstand jedoch eine Chance, kommen enorm gestiegen. Weit über 40 Prozent der wenn es gelingt, die freien Flächen in guter Lage Arbeitnehmer in den kreisfreien Städten des Ruhrge- für eine stadtverträgliche Logistikinfrastruktur zu biets pendeln mittlerweile täglich vom Umland in die nutzen. Viel diskutierte Ansätze wie Mikrodepots in Städte (Pendleratlas NRW) – und das überwiegend den I nnenstädten (s. Seite 15) setzen z. B. Warenum- mit dem Auto. Der urbane Logistikverkehr kommt schlagsflächen in dicht besiedeltem Umfeld voraus. zusätzlich zum Pendelverkehr und bringt das Stra- ßennetz in der Metropolregion stellenweise an seine Beispielhaft für diese typischen Logistik-Heraus- Belastungsgrenzen. forderungen in den Städten des Ruhrgebiets stehen Bottrop, Herne und Oberhausen. Die drei Partner- Auf der anderen Seite bietet das Ruhrgebiet dank kommunen des Projekts „Mobilität im Ruhrgebiet“ potenziell kürzeren Wegen und einer relevanten der Brost-Stiftung, auf dessen Basis dieser Leitfaden Marktgröße enormes Potenzial für eine nachhaltige entstanden ist, haben ihre jeweilige Ausgangssituation Mobilität und Logistik. Das kommt Logistiklösungen analysiert und Kontakt zu lokalen Akteuren aufge- zu Gute, die auf eine bestimmte Mindestnutzerzahl nommen, um gemeinsam nach passenden Lösungen angewiesen und die in weniger kompakt besiedelten zu suchen. Regionen schwieriger umzusetzen sind. Zudem ist das Ruhrgebiet ein wichtiges Drehkreuz für überregionale Bottrop weist sowohl dicht besiedelte städtische und internationale Logistikverkehre und bietet damit Strukturen als auch ländliche Bereiche auf. Der Lage- und Infrastrukturvorteile. In Duisburg liegt wachsende Online-Handel führt zu merklichen zum Beispiel der größte Binnenhafen der Welt. Be- Umsatzeinbußen des stationären Handels und das deutende Logistikunternehmen haben das Ruhrgebiet Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt. Mithilfe als Standort für Warenverteilzentren gewählt. Akteure einer digitalen Plattform will die Stadt private Haus- in Kommunen arbeiten in schlagkräftigen Netzwer- halte, lokale Wirtschaft und Logistik untereinander ken zusammen, um ihre Kompetenzen zu bündeln. vernetzen und einen neuen Logistikdienst für Bottrop Mit den Universitäten, Hochschulen und Gesell- aufbauen. Damit soll das örtliche Gewerbe gestärkt, schaften wie dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss Emissionen und Lieferzeiten reduziert und die Ver- und Logistik sind außerdem international führende sorgungssicherheit besonders der älteren Bevölke- Forschungseinrichtungen der Logistikbranche im rungsgruppen verbessert werden. In dem „LOUISE“ Ruhrgebiet angesiedelt. genannten Projekt arbeitet die Stadt unter anderem mit einem ortsansässigen Logistikunternehmen zu- sammen (s. auch Seite 18).
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 13 Herne ist einerseits als eine der am dichtesten besie- delten Städte Deutschlands besonders vom steigenden Innovative City-Logistik im Ruhr Logistikverkehr betroffen. Andererseits eignet sich die gebiet: An diesem Logo erkennen kompakte Stadtstruktur besonders für die Erprobung Sie im Leitfaden spannende Kon- und Umsetzung innovativer Konzepte der City-Lo- zepte urbaner Logistik, die in den gistik. Emissionsarme städtische Logistik ist bereits K ommunen des Ruhrgebiets umge- wichtiger Bestandteil der städtischen „Integrierten setzt wurden. Gesamtstrategie für klimafreundliche Mobilität“. Die Stadt hat das Projekt „HeLM’19 – Herne letzte Meile 2019” entwickelt und dabei u. a. mit einem Hersteller für elektrobetriebene Lieferfahrzeuge kooperiert, der in Herne ansässig ist. Auch in Oberhausen stellt der Logistikverkehr die dichte Siedlungsstruktur vor Herausforderungen. Der polyzentrische Aufbau mit Osterfeld, Sterkrade und Alt-Oberhausen als Siedlungsschwerpunkte eignet sich dabei für Mikrodepot-Konzepte zur nachhaltigen Warenverteilung auf der letzten Meile. In Zusammen- arbeit mit lokalen Akteuren und mehreren KEP- Dienstleistern versuchen die städtischen Behörden deshalb, die städtische Logistik schadstoffärmer und stadtverträglicher zu organisieren.
14 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet HANDLUNGSFELDER UND ANSÄTZE Für eine nachhaltige städtische Logistik auf der „letzten Meile“ gibt es bereits zahlreiche Ideen, Ansätze und umgesetzte Maßnahmen. Von Mikro-Depots über Lastenräder zu Routing-Werkzeugen: Die Bandbreite ist groß. Zudem sind die Ansätze örtlich unterschiedlich weit ausgereift und setzen an verschiedenen Punkten und auf unterschiedlichen Ebenen an. Es lassen sich drei zentrale Handlungsfelder identifizieren. Klar ist: Innovative Lösungen in allen drei Bereichen sind notwendig, um die bestehenden Strukturen der City-Logistik nachhaltiger und effizienter zu gestalten. Dazu werden in den einzelnen Handlungsfeldern ausgewählte Praxisbeispiele auf- gezeigt, die Impulse und Ansätze für die Weiterentwicklung der City-Logistik geben können. Innovative Orte An innovativen Orten werden Lieferungen stadtverträglich umgeladen bzw. nutzer- gerecht zugestellt. Dazu zählen beispielsweise urbane Distributionspunkte wie Paketboxen (Smart Lockers) und Mikro-Depots. Diese sollen umständliche Lade- vorgänge und Mehrfachzustellungen vermeiden und so urbane Warenströme über zentrale Umschlagpunkte bündeln. So können konfliktäre Zustell- und Entlade situationen mit anderen Verkehrsteilnehmenden in der Stadt reduziert werden. Innovative Wege Unter innovativen Wegen ist die übergreifende Optimierung der Transportwege in der Stadt zu verstehen, z. B. durch Kooperationen mit weiteren Unternehmen oder IT-Lösungen. Dazu gehören auch Maßnahmen zur optimierten Routenplanung oder zeitlichen Steuerung, die Leerfahrten reduzieren oder die Zufahrt zu sen siblen Gebieten regulieren. Ziel ist, durch die kooperative Belieferung von Handel, Gewerbe und Endkunden in Ballungsgebieten, also die gemeinsame Nutzung von Ressourcen auf der letzten Meile, die Anlieferfahrten zu reduzieren und gleichzeitig die Transportauslastung zu steigern. Innovative Fahrzeuge Innovative Zustellfahrzeuge zeichnen sich durch veränderte Fahrzeugbeschaffen- heiten aus (hinsichtlich Größe, Ladevolumen und Fahrzeugantrieb). Dazu zählt der Einsatz von anderen Fahrzeugtypen wie Kleinfahrzeuge und Lastenräder sowie die Verwendung alternativer Antriebe (zum Beispiel Elektromobilität). Ziel ist, den öffentlichen Verkehrsraum effizienter zu nutzen, Lärm- und Schadstoffemissionen zu senken und den besonders sichtbaren Teil des Lieferverkehrs stadtverträglicher zu gestalten.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 15 INNOVATIVE ORTE schutz, Zugangsberechtigung, Anfahrbarkeit sowie ausreichend Umschlags- und Rangierplatz. Besonders Transportdienstleister der KEP-Branche beliefern viele einzelne Empfänger in einem bestimm- Gerade die mobile Variante kann aus kommunaler ten Gebiet. Für die zahlreichen kurzen Stopps in eng Sicht problematisch sein – die Depots im öffentlichen besiedelten Stadtbereichen sind elektrisch betriebene Raum werden aufgrund des Organisationsaufwandes Kleinfahrzeuge (electric Compact Utility Vehicles, und Verkehrssicherheitsaspekten unterschiedlich be- eCUVs) oder Lastenräder gut geeignet. Ihre Lade- urteilt. Die stationäre Variante kann wegen des relativ kapazität und ihre Reichweite sind jedoch oftmals geringen Nutzflächenbedarfs zu einer städtebaulich kleiner als bei herkömmlichen dieselbetriebenen nachhaltigen Umnutzung von leerstehenden gewerb- Zustellfahrzeugen. Damit sie ihre Vorteile ausspielen lichen Bestandsimmobilien, bestehenden Paketshops, können, sind zusätzliche Umschlagsorte, sogenannte Mikro-Depots notwendig. In diesen direkt im Zu- stellgebiet befindlichen Zwischenlagern werden Sen- Praxisbeispiel: dungen vor der Zustellung deponiert. Die Vorteile der geänderten Distribution liegen darin, dass die Beliefe- Mikro-Depot in der rung der Innenstädte gebündelt über größere Zustell- Herner Innenstadt fahrzeuge mit weniger Einfahrten erfolgt. Die Zustel- Schon seit 2016 nutzt ein großer KEP-Dienst- lung auf der letzten Meile erfolgt stadtverträglich und leister in der Herner Innenstadt ein Mikro- der motorisierte Zustellverkehr wird reduziert. Depot und liefert Pakete in der Fußgänger- zone per Lastenrad aus. Die entsprechende Bei den Mikro-Depots kann es sich entweder um Rahmenvereinbarung zwischen Stadt und mobile (z. B. Lkw-Wechselbrücken) oder stationäre Unternehmen beinhaltet nicht nur die not- Zwischenlager handeln (Paketshops, Gewerbeimmo- wendigen Genehmigungen zur Einfahrt in die bilien, Parkhäuser, etc.). Damit sich der Umschlag für Fußgängerzone und zum Be- und Entladen, KEP-Dienstleister lohnt, müssen Mikro-Depots in sondern legt auch die Zusammenarbeit in der Nähe möglichst vieler Empfänger liegen. Weitere Evaluation und Öffentlichkeitsarbeit fest. Anforderungen sind z. B. Stromanschluss, Witterungs- Lager MIKRO-DEPOT Anlieferung Außerhalb der Wohngebiete In Wohngebieten oder Innenstadt Emissionsfreie Anlieferung oder am Stadtrand (Parkhäuser, Leerimmobilien, gegebenenfalls zum Kommissionierung der Lieferungen Freiflächen, Wasserflächen,…) Wunschtermin Transport ins Mikrodepot Umladung auf emissionsfreie Transportfahrzeuge Abb. 3: Funktionsprinzip von Mikro-Depots. Der letzte Teil der Lieferkette wird in eine vorletzte und eine letzte Meile unterteilt. Quelle: Eigene Darstellung.
16 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet geeigneten Parkhäusern und Tiefgaragen führen. An Pick-up-Points werden Sendungen deponiert, bis Das hat das Potenzial, ein neues Marktsegment im der Empfänger sie abholt. Sie sollen erfolglose Zustell- Bereich der Logistikimmobilien zu definieren. Eine versuche und damit unnötigen Verkehr vermeiden. kooperative Nutzung von Mikro-Depots erfordert Die Lieferung an Paketkästen oder Packstationen verlässliche Absprachen sowie kompatible Logis- sowie Paketshops ist bei vielen Transportdienstleis- tikkonzepte und Geschäftsmodelle zwischen den tern und in vielen Städten bereits etabliert. Transport- nutzenden Unternehmen. dienstleister können dort mit einem einzelnen Stopp gleich mehrere Lieferungen abwickeln. Packstationen City-Hubs sind große Distributions- und Bünde- und Paketkästen genießen bei vielen Kunden und lungszentren, die außerhalb dicht besiedelter Gebiete Transportunternehmen eine hohe Akzeptanz, passen errichtet werden, etwa in der Nähe von Autobahnab- sie doch zu etablierten Betriebsabläufen. Sie stehen fahrten. Alle Sendungen mit Ziel eines festgelegten Empfängern zudem rund um die Uhr zur Verfügung. Bereichs (z. B. Postleitzahlgebiet oder großes Ein- Öffentlich zugängliche Packstationen gibt es sowohl kaufszentrum) werden dort angeliefert, umsortiert von einzelnen Transportdienstleistern als auch von und gebündelt in die Zustellung übergeben. So kann Drittanbietern, die dann theoretisch von allen Trans- die Anzahl der Fahrzeuge, die in das Liefergebiet ein- portdienstleistern genutzt werden können (Smart fahren, deutlich reduziert und eine höhere Auslastung Lockers). Bei der Stationierung ist darauf zu achten, erreicht werden. Sollen in solchen City-Hubs die Lie- dass die Stationen für die Empfänger bequem fuß- ferungen mehrerer Transportdienstleister gebündelt läufig oder auf sowieso zurückgelegten Wegen zu werden, braucht es eine unabhängige Moderation und erreichen sind, sonst wird für die letzte Meile der ein eigenständiges Betreibermodell. Eine solche Mo- Privat-Pkw genutzt. Geeignet sind etwa Bahnhöfe mit derationsrolle könnte von der Kommunalverwaltung starkem Pendlerverkehr oder Einkaufszentren. eingenommen werden. Für den Erfolg ist eine zuver- lässige Kooperation möglichst großer Empfänger not- Werden Empfängerinnen und Empfänger nicht da- wendig, wie das Projekt „Urban Retail Logistics“ des heim angetroffen, entsteht durch weitere Zustellversu- EffizienzClusters LogistikRuhr gezeigt hat. che zusätzlicher Lieferverkehr. Eine Alternative bietet die Lieferung zum Arbeitsplatz, wo die Sendung mit höherer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Für Arbeitgeber kann diese Praxis mit Kosten verbunden sein, da sie den Platz zur Zwischenlage- Externes Praxisbeispiel: rung privater Sendungen vorhalten oder die Zustel- Digital gesteuerte lung in den betrieblichen Ablauf integrieren müssen Abholstationen in Hamburg (BIEK 2017: 93). Kommunen können hier als Ver- mittler auftreten und Unternehmen für die Vorteile Wer in Hamburg online bestellt, kann sich sein erfolgreicher Zustellversuche sensibilisieren. Paket einfach zur nächstgelegenen „Hamburg Box“ liefern lassen. Die gewerblich betrie- Ladezonen gehören zu den wichtigsten infrastruktu- benen Abholstationen stehen an zahlreichen rellen Maßnahmen von Kommunen zur Steuerung Haltestellen und Bahnhöfen der Hansestadt des innerstädtischen Lieferverkehrs. Die für den und eignen sich insbesondere für Pendlerin- Lieferverkehr reservierten Flächen erlauben die Ab- nen und Pendler. Die Abholung erfolgt per wicklung der Be- und Entladung im Straßenraum und Abholcode und ist zu jeder Tages- und Nacht- können die Beeinträchtigung anderer Verkehrsteil- zeit möglich. Drei große KEP-Dienstleister nehmer reduzieren. Sie reichen von einer einfachen bieten den Service an. Beschilderung bis hin zu deutlich aufwändigeren technischen Einrichtungen, etwa durch versenkbare
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 17 Poller. Der grundsätzliche Vorteil für die Transport- unternehmen: Sie finden zuverlässig und planbar Praxisbeispiel: optimale Haltemöglichkeiten vor. Im gemeinsamen Dialog mit den Transportdienstleistern kann regel- Paket-Abholstationen mäßig der Bedarf für Ladezonen in der Stadt ermittelt in Bestandsimmobilien werden. Unabdingbar für die Sicherung der Funktio- Wie lassen sich innenstadtnahe Immobilien nalität bleibt Branchenakteuren zufolge eine Über für die Citylogistik umnutzen oder ergänzen? wachung und ggf. Sanktionierung von Falschparkern, Die IHK Mittleres Ruhrgebiet und die TU die die Ladezonen blockieren (BIEK 2019: 45/46). Dortmund entwickeln Lösungen für Paket- Abholstationen und Mikrodepots im vor- Für Ladezonen werden meist öffentliche Parkflächen handenen Gebäudebestand, vom Ladenlokal genutzt und temporär oder dauerhaft als exklusiv bis zum Parkhaus. Das Projekt „Bundle Up“ für den Lieferverkehr ausgewiesen. Die Einrichtung kooperiert dazu mit zahlreichen regionalen von Lieferinfrastruktur liegt jedoch nicht nur in der Partnern im ganzen Ruhrgebiet. Entwickelt Verantwortung der Kommunen. Auch Unternehmen, werden Prototypen für anbieterneutrale Lö- die durch ihre geschäftlichen Aktivitäten Transport- sungskonzepte sowohl für KEP-Dienstleister verkehr verursachen, sollten in die Errichtung von als auch für Onlinehändler und stationäre Be- und Entladezonen einbezogen werden. Um dafür Händler. Bewusstsein zu schaffen und gezielte Koordination zu ermöglichen, wird diskutiert, den Bedarf an Liefer infrastruktur Bestandteil (oder sogar Voraussetzung) von privaten Bauanträgen werden zu lassen (IHK Stuttgart 2012: 17). Liefer- und Zugangsbeschränkungen sind ebenfalls Weiter in die Zukunft gedacht … ein geeignetes Mittel zur Steuerung von Lieferverkehr in Innenstädten. Sie stehen für eine räumliche und Urbane Logistik benötigt innerstädtische Flächen, um zeitliche Regulierung von Lieferverkehren. Voraus- alternative Infrastrukturen einzurichten und bestimm- setzung für die erfolgreiche Etablierung ist, dass die te Warenauslieferungen stadtverträglicher zu organi- Lieferzeiten zu den tatsächlichen Bedürfnissen von sieren. Dazu sind geeignete Finanzinstrumente und Handel und Transportgewerbe passen. Kommu- Organisationsformen notwendig. Kommunen können nen sollten deshalb in den stetigen Dialog mit allen sich hier einbringen und auch die Beteiligung von Beteiligten treten, um geltende Regelungen bei Bedarf Unternehmen organisieren. Beispiele sind die Einrich- anzupassen. tung weiterer Mikro-Depots, Paketstationen sowie die bedarfsgerechte und temporäre Nutzung von Flächen Ausnahmen von Zufahrtsbeschränkungen, etwa für in Parkhäusern. Digitale Kooperationsplattformen, kleine Elektrofahrzeuge oder besonders geräuscharme Sensoren und Algorithmen könnten dabei helfen, zeit- Ladehilfsmittel, können Anreize für eine stadtverträg- weise ungenutzte Flächen rasch zu identifizieren und lichere Be- und Entladung schaffen. Generell sollte sie städtischen Logistikprozessen zur Verfügung zu darauf geachtet werden, dass die Regeln leicht ver- stellen (Bienzeisler 2019). Neue Kooperationsformen ständlich bleiben, damit die geltende Rechtslage jeder- sind auch in Form einer systematischen Zusammen- zeit für Verkehrsteilnehmer sowie die Verwaltung klar arbeit mit dem lokalen Einzelhandel bei der Verknüp- ersichtlich ist. Nur so können Zufahrtsbeschränkun- fung von Vertriebswegen denkbar, damit Aktivitäten gen nach Ansicht mancher Autoren wirksam durch gebündelt, Verkehr reduziert und Innenstädte attrak gesetzt werden (IHK Stuttgart 2012: 24). tiver gemacht werden können.
18 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet INNOVATIVE WEGE Externes Praxisbeispiel: Tourenplanungs- und Routingwerkzeuge unter- Konsolidierung durch stützen Transportunternehmen bei der Planung Drittanbieter und Optimierung von Transportaufträgen und beim Personal- sowie Fahrzeugeinsatz. Sie bieten zudem die In mehreren Städten bieten Drittanbieter die Möglichkeit, äußere Rahmenbedingungen wie Liefer- Bündelung von Paketlieferungen für Privat- zeitfenster oder temporäre Zufahrtsbeschränkungen personen, Unternehmen und Geschäfte an. So zu berücksichtigen und dabei möglichst effiziente z. B. das Düsseldorfer Unternehmen incharge. Touren zu planen und durchzuführen. Anstatt mehrfach pro Tag beliefert zu werden, bietet incharge eine gesammelte Lieferung on- Für die effiziente Planung und bedarfsgerechte Anpas- demand oder zur Wunschuhrzeit außerhalb sung ihrer Touren benötigen Transportunternehmen der Hauptverkehrszeiten. Waren sämtlicher zum einen aktuelle und zuverlässige Verkehrsdaten, KEP-Dienstleister werden an die Adresse von etwa über Verkehrsfluss und Baustellen. Mithilfe inter- incharge adressiert, im Düsseldorfer Hafen aktiver Plattformen kann zum anderen die Kommuni- zentral entgegengenommen und danach kation zwischen Transportdienstleister und Empfän- gebündelt ausgeliefert. So können Anliefe- ger verbessert werden. Transportunternehmen wissen rungsfahrten und Entladevorgänge reduziert dann, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort der werden. Empfänger mit hoher Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist. Das verbessert die Tourenplanung und vermeidet fehlgeschlagene Zustellversuche. Die digitale Sen- Praxisbeispiel: dungsverfolgung (Tracking) ist bei vielen Kunden Logistik und innovative sehr beliebt und ein wichtiges Kriterium beim Online- Services für urbane Kauf (Prümm et al. 2017: 20) Regionen (LOUISE) Konsolidierung bezeichnet in der Logistik die Bün- Ein regionales Internet der Dienste und Dinge, delung von Transportströmen. In der Logistik wird das die Kaufkraft regional bindet – mit diesem zwischen zeitlicher und räumlicher Konsolidierung Ziel entwickelt die Stadt Bottrop mit mehreren unterschieden. Bei der zeitlichen oder Bestandskon- Partnern das Logistikkonzept LOUISE. Regis- solidierung wird die Lieferung hinausgezögert, um trierte Händler können ihre Kunden schnell Güter zur besseren Auslastung von Transportkapazi- und umweltfreundlich beliefern lassen – an die täten zu bündeln. Bei der räumlichen Konsolidierung Wohnungstür, zur Ablage in Paketschränken werden Verkehrsströme zusammengeführt und so auf oder an LOUISE-Points wie Cafés, Tankstellen einer Tour mehrere Abhol- und Abladestationen ange- oder Kioske. Die Zustellvorgänge werden dabei fahren. Besonders in Verbindung mit City-Hub- und sinnvoll gebündelt, um den innerstädtischen Mikro-Depot-Konzepten spielt Konsolidierung eine Verkehr zu reduzieren. Für Kunden ist die zentrale Rolle. Lieferung kostenlos. Eine gemeinsame nutzer- freundliche IT-Plattform bündelt die Daten und ermöglicht die Vernetzung der beteiligten Akteure.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 19 Grundsätzlich gibt es verschiedene Wege, wie Trans- portströme gebündelt werden können. In der ein- Praxisbeispiel: fachsten Form bündelt ein einzelnes Transportunter- Digitale Infrastruktur nehmen seine Lieferungen in ein bestimmtes Gebiet. für Logistikabläufe Das ist bei den meisten Unternehmen bereits Stan- dard. In einem zweiten Modell kooperieren mehrere LogisticsMall, die Entwicklung aus dem Fraun- Unternehmen und bündeln ihre Transporte unter hofer-Innovationscluster Cloud Computing für dem Dach eines gemeinsamen Dienstleisters, der die Logistik ermöglicht Design und Ausführung Auslieferung übernimmt. Im dritten Modell, einer von anbieterübergreifenden logistischen Diens- White-Label-Lösung, werden die Sendungen aller re- ten. Auf der Web-Plattform stellen IT-Unter- levanten Transportdienstleister in ein anbieteroffenes nehmen Apps für einzelne logistische Abläufe städtisches Sammel- und Verteilzentrum (City-Hub) zur Verfügung. Per Baukastenprinzip lassen gebracht. Ein neutraler urbaner Dienstleister über- sich aus den einzelnen Anwendungen bedarfs- nimmt dann die Kommissionierung und liefert die gerecht und rasch komplexe Logistikprozesse Sendungen aus. zusammenstellen. Weniger Fahrten, optimale Routen – durch die Konsolidierung von Transportströmen lassen sich nach allgemeiner Auffassung die möglichen negativen g emeinsame Transport- und Routenplanung. Auf- Auswirkungen des Logistikverkehrs in städtischen grund des intensiven Wettbewerbs sowie unterschied- Regionen bedeutend reduzieren. Konsolidierung licher und inkompatibler IT-Systeme stehen viele über Unternehmensgrenzen hinweg findet heute betreffende Unternehmen dem Konsolidierungsge- jedoch noch kaum statt. Voraussetzung wären der danken skeptisch gegenüber. Mit Beteiligung an einer konsequente Austausch von Sendungsdaten und eine konsolidierten Auslieferung verlieren viele Unter- nehmen den direkten Kontakt zum Empfänger und offenbaren der Konkurrenz bisher verborgene interne Abläufe. Praxisbeispiel: Die White-Label-Lösung könnte aber zumindest das Nachbarschaftlicher Problem des komplizierten anbieterübergreifenden Lieferdienst Routings vermeiden: Empfänger geben dann das städ- tische City-Hub als Empfangsadresse an und werden Das Startup „Mister Postman“ aus Mülheim von einem einheitlichen, für die ganze Stadt verant- (Ruhr) versteht sich als Anschlusslösung wortlichen Logistiker beliefert. für KEP-Dienstleister auf der letzten Meile. Über die App können Privatpersonen sich Pakete zu einem beliebigen Zeitpunkt liefern und Retouren direkt an der Haustür abholen lassen. Wer sowieso unterwegs ist, kann selbst als „Postman“ für seine Nachbarschaft Pakete von Paketshops oder Packstationen mitbringen und sich dadurch etwas dazuverdienen. So soll die Paketzustellung in den Alltag integriert werden.
20 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet Weiter in die Zukunft gedacht … INNOVATIVE FAHRZEUGE Künftig könnte auch die Transportlogistik weiter Ein mögliches Mittel für eine nachhaltige und intelli- digital unterstützt und stärker vernetzt mit lokalen gente Zustellung in Innenstädten gegen die Stickoxid- Dienstleistungen ablaufen. Mithilfe stetig steigender und Feinstaubproblematik in Städten bei ansonsten Rechenkapazitäten und verbesserter Sensoren können unveränderten logistischen Konzepten auf der letzten Rahmenbedingungen wie Verkehrsfluss, Lieferschritte Meile bietet der Einsatz alternativer Antriebstechno- oder Engpässe immer genauer nachverfolgt werden logien in den bislang eingesetzten Fahrzeugklassen – überall und in Echtzeit. Zunehmend ist es auch der Zustellfahrzeuge. Elektrofahrzeuge zum Beispiel möglich, diese Informationen quasi zeitgleich zur Er- sind lokal emissionsfrei und ermöglichen geräusch- hebung mit Hilfe von Algorithmen auszuwerten und ärmere und damit stadtverträglichere Lieferungen. wo benötigt bereitzustellen. Akteure in der Logistik, Sinkende Batteriepreise, ein Ausbau der öffentlichen aber auch staatliche Institutionen werden so in die und privaten Ladeinfrastruktur sowie entsprechende Lage versetzt, die Effizienz im Verkehr von Gütern Förderprogramme können den Einsatz von (batterie-) weiter zu verbessern und steuernd einzugreifen, z. B. elektrischen Nutzfahrzeugen im städtischen Liefer- durch optimierte Routenführung oder intelligente verkehr attraktiver machen. Für weitere Strecken, Verkehrsleitsysteme. Voraussetzung sind u.a. gemein- etwa zwischen Paketzentren oder Depots, eignen sich same Standards und Datenschnittstellen. saubere Fahrzeuge mit alternativen Antrieben wie Brennstoffzellen- oder Hybridfahrzeuge. Die Digitalisierung ermöglicht darüber hinaus neue Geschäfts- und Kooperationsmodelle in der Logistik und erlaubt neue Formen der Kooperation zwischen Sendern, Transportdienstleistern und Empfängern. Digitale Dienstleistungsplattformen können mit dem lokalen Einzelhandel vernetzt werden und flexible Externes Praxisbeispiel: Zustellkonzepte ermöglichen. Der Kunde wird dann Kleine E-Nutzfahrzeuge im selbst entscheiden können, ob er örtliche Bestellungen Lieferverkehr an einem der Paketboxen zu einer beliebigen Uhr- zeit abholt oder sie noch am selben Tag nach Haus Während herkömmliche Transportfahrzeuge geliefert werden sollen. oftmals einen großen Wendekreis aufwei- sen, eignen sich kleine E-Nutzfahrzeuge (eCUVs) durch ihren kurzen Radstand und kleinen Wendekreis optimal für die Beladung an dezentralen Umschlagsplätzen wie zum Beispiel Mikro-Depots im innerstädtischen Bereich. Als Elektrofahrzeuge fahren sie lokal emissionsfrei. Unternehmen der City-Logistik setzen daher für bestimmte Lieferungen auf diese alternativen Fahrzeuge im Lieferverkehr.
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 21 Vor allem auf kurzen und mittleren Strecken mit vielen Stopps, auf denen keine großen Geschwindig- Externes Praxisbeispiel: keiten notwendig sind, kann der Elektroantrieb seine SULEICA – Ducktrains in Aachen Vorteile ausspielen. Zudem sind Elektromotoren weniger wartungsintensiv als Verbrennungsmotoren. Das Forschungsprojekt „Smart Urban Logis- Innerhalb größerer Städte oder Metropolregionen wie tics through Electrification Collaboration and dem Ruhrgebiet ist ihre Nutzung schon heute eine in- Automation“ (SULEICA) verfolgt das Ziel teressante Option. Einige große Paketzusteller setzen der Erforschung automatisierter, vernetzter, inzwischen vermehrt auf den Einsatz batterieelektri- elektrischer Leichtfahrzeuge. Die quasi im scher Fahrzeuge und betreiben eigene Flotten. Gänsemarsch hintereinanderfahrenden Trans- portfahrzeuge sollen 2021 erstmals in den Die Nutzung von alternativen Antriebstechnologien Pilotbetrieb gehen und eine neuartige Innen- bietet aber auch das Potenzial für eine Veränderung stadtlogistik in Aachen erproben. der Geschäftsabläufe. In Kombination mit geräusch- armen Ladehilfsmitteln wie angepassten Ladebord- wänden oder Leiselaufrollen ermöglichen Fahrzeuge mit Elektromotor die Belieferung von gewerblichen Großkunden in den späten Abend- oder Nacht- LEVs und Lastenfahrräder agieren aufgrund ihrer stunden. Nachtlieferungen könnten für eine weitere geringeren Ladekapazität meist im Umkreis eines Verlagerung bzw. Entzerrung des Lieferverkehrs sor- Mikro-Depots, zu dem sie immer wieder zurückkeh- gen und können Staus in Stoßzeiten verringern. ren, um neue Sendungen aufzunehmen. Deshalb ist bei ihrem Einsatz der Zustellweg unterteilt. Um den Doch auch elektrisch angetriebene Zustellfahrzeuge zusätzlichen Sendungsumschlag so schnell wie mög- stehen im Stau oder behindern den Verkehr durch lich zu gestalten, können die Sendungen im Mikro- Halten in zweiter Reihe. In Verbindung mit neuen Depot in bereits kommissionierten Wechselbehältern Logistik-Konzepten versprechen daher neue Fahr- gelagert werden. zeugtypen größeres Potenzial, neben Emissionen auch Verkehr zu reduzieren: Leichte Elektrofahr- Die Erfahrung aus Praxistests zeigt, dass Lastenräder zeuge (Light Electric Vehicles, LEVs) und Lasten- und kleinere elektromobile Nutzfahrzeuge in der räder (Cargobikes) haben mit einer Nutzlast von bis Bevölkerung eine hohe Akzeptanz besitzen. Sie rufen zu 200 kg und einem Ladevolumen von bis zu 2 m³ Interesse hervor und gelten als innovativ. Aus Sicht zwar geringere Kapazitäten als konventionelle Trans- der Transportunternehmen bieten sie trotz des zusätz- porter, können mancherorts aber neben der positiven lichen Warenumschlags eine willkommene Gelegen- Umweltbilanz auch Zeitvorteile bieten. Mit entspre- heit, die Wahrnehmung des Unternehmens positiv zu chend geringen Maßen dürfen sie für den Radverkehr beeinflussen. freigegebene Wege nutzen (etwa durch Fußgänger- zonen) und so direktere Routen fahren. Wegzeiten können durch das Wegfallen von unsicheren Faktoren wie Staus und Parkplatzsuche präziser kalkulierbar werden.
22 City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet Weiter in die Zukunft gedacht… Für die Zukunft ist es denkbar, dass für einen Teil Praxisbeispiel: der innerstädtischen Lieferungen weiterhin vermehrt Kostenloser Lasten kleine und kompakte Lieferfahrzeuge eingesetzt radverleih in Essen werden und sich das Fahrzeugangebot in diesem Seg- ment – insbesondere mit Blick auf alternative Antriebe Wer kein eigenes Lastenrad besitzt und trotz- und Assistenzsysteme – weiter ausdifferenziert. Diese dem sperrige oder schwere Ladung umwelt- Fahrzeuge können dann dafür sorgen, dass Verkehrs- freundlich transportieren will, dem stehen in hindernisse durch Halten in zweiter Reihe minimiert, Essen die kostenlosen Essener Lastenräder zur das Verkehrsgeschehen sicherer wird und Lärm- und Verfügung. Nach einer Registrierung kön- Schadstoffaufkommen reduziert werden können. nen an max. drei aufeinanderfolgende Tagen Lastenräder oder Anhänger in verschiedenen Während innerhalb geschlossener Produktions- Größen ausgeliehen werden. Abholstationen umfelder oder Lagereinrichtungen in bestimmten sind über das ganze Stadtgebiet von Essen ver- Bereichen bereits automatisiert gefahren wird, steht teilt. Das Projekt trägt sich durch Fördergelder der Einsatz von automatisierten Lieferfahrzeugen und Spenden. im Straßenverkehr noch am Anfang. Auf diesem Bereich wird jedoch einige Forschung betrieben, die laufend Fortschritte erzielt. Die Hoffnungen sind groß: Automatisierte Fahrzeuge können den Verkehrs- fluss zumindest in Modellversuchen verbessern und zur Verkehrssicherheit beitragen. Es ist bisher nicht abzusehen, wann der Einsatz automatisierter Fahr- zeuge wirtschaftlich werden könnte. Auch Drohnen scheinen aus heutiger Sicht für die City-Logistik vorerst weniger relevant zu sein (vgl. Clausen et al. 2016b: 39-43).
City-Logistik in Kommunen – Impulse für eine stadtverträgliche Auslieferung im Ruhrgebiet 23 AKTEURE UND RAHMENBEDINGUNGEN Im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung regeln Logistikunternehmen kommt daher eine zentrale Kommunen ihre Angelegenheiten grundsätzlich R olle bei der praktischen Umsetzung der City-Lo- selbst. Dazu gehören auch Maßnahmen im Bereich gistik zu. Ihr vorrangiges Interesse gilt dem zuverläs- der Infrastruktur, der Verkehrslenkung sowie der sigen, preisgünstigen und effizienten Transport von Ausweisung von Flächen. Auf diese Weise können Waren. In der Branche herrschen große Konkurrenz logistische Strukturen und Abläufe sowie die Zusam- und starker Preisdruck, insbesondere im Bereich menarbeit lokaler Akteure entscheidend mitgestaltet der Kurier-, Express- und Paketdienste. Anbieter werden. müssen sich in diesem Wettbewerb zunehmend be- haupten, z. B. durch den Einsatz zukunftsweisender Logistikprozesse machen jedoch an der Stadtgrenze Technologien oder die eigene Positionierung als nicht Halt. Je nach konkretem Transportvorgang verantwortungsbewusstes Unternehmen. Kommunen haben sie eine überregionale bis internationale kommt dies entgegen, wenn Logistikunternehmen Dimension. Geografische Grenzen, finanzielle Spiel- dadurch empfänglicher für innovative nachhaltige räume und übergeordnetes Recht setzen den Rahmen Konzepte werden. für den tatsächlichen Einfluss von Kommunen. Die effektive Planung und Steuerung logistischer Vorgänge Im Vordergrund stehen für Logistikunternehmen ein in der Stadt gelingt am besten in Zusammenarbeit mit wirtschaftlicher Vorteil und die kundengerechte Aus- Partnern in Wirtschaft und Verwaltung auf lokaler lieferung. Unrentable und ineffiziente Praktiken wer- und regionsübergreifender Ebene. den meist zügig optimiert oder beseitigt. Daher ver- folgen viele Akteure der Logistikbranche eine flexible Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unter- Geschäftsstrategie, um auf mögliche Anpassungsbe- nehmen fragen Waren nach. Durch ihr Einkaufs- darfe reagieren zu können. Langfristige Projekte, die verhalten lösen sie logistische Prozesse aus und eine Änderung ihrer Betriebsabläufe zur Folge haben, verursachen damit Transportverkehr. Konsum müssen Erfolg und Akzeptanz beim Kunden ver- entscheidungen haben somit großen Einfluss auf das sprechen. Überregionale Logistikdienstleister haben Transportaufkommen in Städten. Einerseits gibt es in im Allgemeinen Interesse an skalierbaren Lösungen. Teilen urbaner Bevölkerungsschichten einen Trend in Diese sollten möglichst in die gewohnten Abläufe Richtung eines nachhaltigeren Konsumverhaltens mit integrierbar sein. Um erfolgsversprechende Konzepte regionalem Bezug, oft „LOHAS“ (Lifestyles of Health in die Breite zu tragen, bieten sich Kooperationen and Sustainability) genannt. City-Logistik-Projekte zwischen Unternehmen und Kommunen an. könnten diese Zielgruppe bewusst adressieren, um den lokalen Einzelhandel zu stärken. Andererseits Der kommunale Handlungsspielraum gegenüber basieren viele Konsumentscheidungen auf lange großen, international tätigen Logistikunternehmen ist praktizierten Einkaufsmustern und wandeln sich nur in der Regel beschränkt. Zum einen sind Kommunen, langsam. Wenn regionale Erzeuger- und Einkaufs- ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie ansässige strukturen bequemer oder wirtschaftlicher werden Unternehmen auf die Zustellung von Waren ange- oder die städtische Lebensqualität entscheidend ver- wiesen. Zum anderen haben entsprechende Logistik- bessern, könnten Konsumenten und Unternehmen dienstleister wenig Interesse an jeweils unterschiedli- dafür gewonnen werden. chen Logistiksystemen pro Kommune, die womöglich Organisationsformen enthalten, die mit dem eigenen Logistikunternehmen sorgen für den Transport von System nicht kompatibel sind. Der direkte Dialog Gütern innerhalb sowie in und aus der Stadt heraus. erfolgt meist über entsprechende Regionalbereichs- Dabei bedienen sie die Konsumwünsche der Bevölke- leiterinnen oder Regionalbereichsleiter, die mit den rung sowie die Nachfrage aus der Wirtschaft. Gegebenheiten vor Ort vertraut sind.
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