DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS - WHITEPAPER - Radiozentrale

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DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS - WHITEPAPER - Radiozentrale
WHITEPAPER

    DAS AUDITIVE
    GEDÄCHTNIS
    Der Gatekeeper im Voice Commerce

Radiozentrale GmbH
www.radiozentrale.de
info@radiozentrale.de
DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS - WHITEPAPER - Radiozentrale
SUMMARY
          Abstract2

          Herausforderungen des Voice Commerce3

          Das auditive Gedächtnis	                                  5

          Psychologische Strategien für erfolgreiches Voice-Marketing8

          Takeaways12

          Autor und Lesetipps13

            DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS      1
DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS - WHITEPAPER - Radiozentrale
Abstract   Gesprochene Sprache gewinnt in der di-
           gitalisieren Welt an Bedeutung: Im Voi-
                                                       muss man sich in das auditive Gedächt-
                                                       nis einpflanzen. Komplexe Prozesse im
           ce-Commerce werden mit der Stimme           Gehirn steuern die Verarbeitung und
           Produkte gesucht und bestellt. Das er-      Speicherung von gesprochener Spra-
           fordert von Marken ein eigenes Voice-       che. Das Erinnern und Reproduzieren
           Marketing, das sich aber nicht auf die      von Markenname und Markenattributen
           Technik oder akustisches Suchmaschi-        kann durch den Einsatz von Reimen,
           nen-Marketing alleine fokussieren sollte.   Rhythmen, Melodien und Wiederholun-
           Denn entscheidend ist es, die Konsumie-     gen verbessert werden. Diese Stilmittel
           renden dazu zu bringen, zur richtigen       waren schon vor 100 Jahren in der Re-
           Zeit die richtigen Worte zu sagen, damit    klame beliebt, sie werden in einer Welt
           sie eine Marke finden und kaufen. Dafür     des Voice-Commerce immer wertvoller.

              DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS        2
S
Einleitung:                                                                 Seit einigen Jahren ge-
                                                                            winnen Audio-Angebote
                                                                                                                      die von bitcom) 44 Prozent der deutschen
                                                                                                                      Online-Nutzer solche Funktionen bei ih-
Herausforderungen                                                           zunehmend an Popula-
                                                                            rität: Musik-Streaming,
                                                                                                                      rem Smartphone oder anderen Geräten.
                                                                                                                      Das beeinflusst vor allem den Umgang
des Voice Commerce                                                          Podcasts,      Webradio,                  mit Suchmaschinen – er erfolgt bei immer
                                                                            Hörbücher, Social-Audio-                  mehr Menschen über gesprochene Spra-
                                                           Apps (wie z. B. Clubhouse) finden immer                    che. Deshalb sprechen viele von einer auf-
                                                           mehr Hörerinnen und Hörer– nicht zu ver-                   ziehenden neuen Ära des Marketings: Der
                                                           gessen das klassische Radio mit stabilen                   Voice-Commerce – Kauf und Kommunika-
                                                           Reichweiten. Wir hören heutzutage viele                    tion in der digitalen Welt vermittelt durch
                                                           Stimmen – aber wir nutzen auch unsere                      die Stimme. Während das Internet bisher
                                                           eigene Stimme öfter. Das Smartphone                        durch Text, Bilder und Videos geprägt war,
                                                           als ständiger Begleiter erlaubt uns nicht                  rücke die Interaktion via Audio und Stim-
                                                           nur, mit anderen zu telefonieren oder                      me mehr und mehr ins Zentrum. Dafür
                                                           Sprachnachrichten zu hinterlassen, son-                    spricht einiges: Für Menschen mit ein-
                                                           dern seine Funktionen lassen sich ebenso                   geschränkten Seh- oder Lesefähigkeiten
                                                           durch gesprochene Befehle steuern. Hin-                    überwindet die Stimmsteuerung Barrie-
                                                           zu gekommen sind die Smart Speaker, mit                    ren, aber auch alle anderen können ohne
                                                           denen wir sprechen, um unseren Alltag                      Aufwand und ganz natürlich die digitale
                                                           einfacher zu machen: die Bedienung von                     Welt nutzen, ohne zu tippen, zu scrollen,
                                                           Geräten, das Abfragen von Informationen                    zu klicken oder zu swipen. Die Hände sind
                                                           (von der Uhrzeit bis zum Wetter), sogar                    frei für andere Verrichtungen und trotz-
                                                           das Bestellen von Waren. Andere Geräte                     dem hat man Kontrolle über die digitalen
                                                           verfügen ebenfalls über Sprachassisten-                    Devices. Dass dies Auswirkungen auf den
                                                           ten – also die Möglichkeit, mit der eige-                  Handel hat, scheint offensichtlich zu sein
                                                           nen Stimme Funktionen abzurufen oder                       – Einkäufe können „en passant“ erledigt
                                                           Transaktionen im Internet durchzuführen.                   werden. Das spart Zeit und Aufwand für
                                                           Immerhin nutzen bereits (laut einer Stu-                   die Konsumierenden.

Quelle: „Die Zukunft der Consumer Technology – 2021“ (Hrsg. bitcom) [https://www.bitkom.org/sites/default/files/2021-09/210817_ct_studie_2021.pdf ]

                                                               DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS                     3
Wie immer bei neuen Entwicklungen,            kennen wir durch Farbe, Typografie und       Der Gatekeeper für diese essenziellen
sind die überoptimistischen Prognosen         Verpackung im Supermarkt wieder. Was         Handlungen ist unser Gedächtnis für ge-
weit entfernt von der Wirklichkeit. Voi-      passiert aber in Situationen, die ohne vi-   sprochene Sprache – Psychologen spre-
ce Commerce steckt in Deutschland im-         suelle Stimuli auskommen müssen? Wie         chen vom auditiven Gedächtnis oder
mer noch in den Kinderschuhen, Smart          wird gesprochene Sprache verarbeitet,        dem auditorischen Speicher. Ein konse-
Speaker sind nicht flächendeckend             erinnert und wieder reproduziert?            quentes Voice-Marketing zielt auf das
verbreitet und auf Handys wird immer                                                       auditive Gedächtnis und macht es uns
noch öfter getippt als das gesproche-         Diese Fragen haben eine hohe Relevanz.       damit leichter, eine Marke nicht nur zu
ne Befehle zum Einsatz kommen. Doch           Stellen wir uns einmal ganz konkrete         erinnern, sondern auch auszusprechen.
sollte man dieses langsame Wachstum           Situationen vor: Eine Verbraucher:in
nicht als Anzeichen der Irrelevanz deu-       merkt beim Backen, dass das Mehl zur          Im Voice-Commerce gibt es
ten. Der technische Fortschritt – etwa        Neige geht. Jetzt ordert sie oder er über     viele Situationen, bei denen
bei der automatischen Verarbeitung            ihren Smart Speaker neues Mehl – da ihr       dies relevant ist:
natürlicher Sprache (Natural Language         kein Markenname einfällt, spricht sie         •D
                                                                                              as Suchen von Produkt- und
Processing) oder der Programmierung           nur von Mehl und bekommt deshalb ein-          Marken über Suchmaschinen
von Skills und Chatbots für Voice-Devi-       fach ein No-Name-Produkt empfohlen.
                                                                                            •D
                                                                                              as direkte Bestellen von Produkten
ces – entwickelt sich rasant. Noch gibt       Oder jemand hat zwar vage eine Marke
es viele Vorbehalte bei den Verbrauche-       im Kopf, kann sich aber nicht genau an        •B
                                                                                              eim Erstellen von digitalen Ein-
rinnen und Verbrauchern gegen das Be-         den Namen erinnern – vielleicht liegt er       kaufslisten (ein häufig eingesetzte
stellen über Smart Speaker – allen voran      „auf der Zunge“, kann aber nicht aus-          Funktion von Smart Speakern)
die Angst, das falsche zu bestellen. Doch     gesprochen werden. Stattdessen fallen         •B
                                                                                              eim Ansteuern von Unter-
zeigt eine Studie des Nürnberg Institut       nur eher allgemeine Assoziationen ein,         nehmens- und Marken-Websites
für Marktentscheidungen, bei dem die          die ebenso auf andere Marken zutref-
derzeitigen Nutzer von Voice Assistants       fen, weshalb generische Suchbegriffe         Natürlich gibt es ähnliche Situationen
und Smart Speakers befragt wurden,            verwendet werden. Da bei einer Voice-        ebenso in der realen Welt: Wenn man in
dass es ein Potenzial für Voice-Com-          Suche nur wenige Ergebnisse präsen-          der Apotheke oder einem Fachgeschäft
merce-Anwendungen gibt. Einfachheit,          tiert werden können, ist die eigentlich      gezielt nach einer Marke fragt, etwas
Bequemlichkeit und sogar Spaß sind            gewünschte Marke nicht dabei, doch der       am Telefon bestellt oder einer Freundin
Treiber für einen verstärkten Einsatz.        Suchende gibt sich mit den ersten Vor-       oder Freund mündlich etwas weiteremp-
                                              schlägen zufrieden. Noch schlimmer:          fiehlt. Supermärkte, Kaufhäuser, Katalo-
Unternehmensberater,        Tech-Anbieter     Man erinnert sich an einen falschen          ge und Online-Shops machten es aber
und Agenturen bemühen sich bereits            Markennamen oder spricht den richti-         Ende des 20. Jahrhunderts immer über-
darum, Firmen für den Voice-Commerce          gen falsch aus – dann ist es eher Glück-     flüssiger, seine Stimme beim Einkauf zu
fit zu machen. Dabei konzentrieren sie        sache, was in dem Warenkorb letztend-        nutzen. Das wird mit wachsendem Vo-
sich auf die Technik und die Infrastruk-      lich landet.                                 cie-Commerce wieder anders werden,
tur – wie müssen Websites gestaltet wer-                                                   ein Revival der gesprochenen Kunden-
den, um in einer Voice-Welt zu punkten?       Voice-Marketing ist mehr als nur eine        kommunikation steht uns bevor.
Wie funktioniert Suchmaschinen-Opti-          Suchmaschinen-Optimierung für ge-
mierung akustisch? Ein Faktor wird da-        sprochene Sprache oder die Gestaltung        Um es nochmal klar zu sagen: Hier hilft
bei meistens übersehen: Das menschli-         der sprachlich vermittelten Kunden-          es wenig, Logos, Schriftzüge oder Bilder
che Gehirn. Marketing – insbesondere in       interaktion. Es beginnt beim Hören und       von Verpackungen im Kopf zu haben,
der digitalisierten Welt – ist oft auf Text   Sprechen. Der Konsument soll eine Mar-       denn es geht nicht darum, etwas im Su-
und Bild ausgerichtet: Image und Infor-       ke nicht nur akustisch erkennen, son-        permarkt-Regal oder auf einer Online-
mationen werden über Logos und Key            dern sich Name und spezifische Asso-         Shopping-Seite wiederzuerkennen. Hier
Visuals vermittelt. Die Marktforschung        ziationen merken, die er zum richtigen       geht es darum, gesprochene Sprache
fragt abstrakte Konzepte ab, Marken er-       Zeitpunkt korrekt wiedergeben kann.          vom Kopf auf die Zunge zu bekommen.

                                                 DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         4
Z
Das auditive                        weifellos hat die Erfor-
                                    schung unseres Gehirns
                                                                dem nächsten Speicher überführt, dem
                                                                Kurzzeit-Speicher. Dort bleibt es eini-
Gedächtnis:                         in den vergangenen
                                    Dekaden enorme Fort-
                                                                ge Sekunden oder Minuten, um weiter
                                                                verarbeitet zu werden. Die Kapazität
Der Gatekeeper                      schritte gemacht, doch      ist begrenzt, wir können uns ca. 4 bis
                                    nach wie vor gibt es        7 Informationseinheiten (plus/minus 2)
für Gesprochenes   viele Rätsel und ungeklärte Probleme.        merken – weshalb man uns oft eine Tele-
                   Die biologischen und neuroanatomi-           fonnummer zweimal diktieren muss, be-
                   schen Grundlagen des Hörens sind gut         vor wir sie korrekt aufgeschrieben oder
                   erforscht, doch wie wir Gesprochenes         eingetippt haben, denn sie enthält mehr
                   im Gedächtnis abspeichern, es wieder-        als sieben Ziffern. Erst wenn solche In-
                   erkennen oder selbst wiedererinnern          formationen weiter mental verarbeitet
                   und aussprechen, ist in der Wissenschaft     wurden, landen sie im Langzeitspeicher
                   noch nicht vollständig verstanden. Stu-      und wir können sie bei Bedarf aus unse-
                   dien und Theorien über unser visuelles       rem Gedächtnis holen.
                   Gedächtnis sind dabei deutlich überre-
                   präsentiert im Vergleich zu den anderen      Im Grunde gelten diesen Prinzipien für
                   Sinnen. Auch beim auditorischen Ge-          visuelle und akustische Wahrnehmungen
                   dächtnis gibt es noch viel zu entdecken.     gleichermaßen. Doch ist der sensorische
                                                                für Gehörtes sogar etwas leistungsfähi-
                   Das meiste, was unsere Sinne wahrneh-        ger als für Gesehenes, denn wir können
                   men, wird in unserem Gedächtnis ge-          einen zweiten Blick werfen, aber der au-
                   speichert – aber nur für einen Bruchteil     ditive Input ist nicht wiederholbar. Des-
                   einer Sekunde. Es erfolgt eine automati-     halb bleiben akustische Eindrücke zwei
                   sche Relevanzprüfung – die unwichtigen       bis drei Sekunden im Speicher, bevor sie
                   Informationen werden sofort wieder ge-       gelöscht oder weiter verarbeitet wer-
                   löscht, nur das, was relevant ist, wird in   den. Eine besondere Leistung unserer
                                                                Sinnesphysiologie ist auch die Lokalisie-
                                                                rung der akustischen Quelle: Wenn der
                                                                Schall unsere Hörrezeptoren in beiden
                                                                Ohren erreicht, gibt es minimale Verzö-
                                                                gerungen zwischen linken und rechten
                                                                Ohr. Das Gehirn errechnet daraus die
                                                                Richtung, aus dem die Laute kommen.
                                                                Unser Gehirn ist ebenfalls gut darin,
                                                                die Aufmerksamkeit selektiv zu lenken,
                                                                zwischen Signal und Rauschen zu un-
                                                                terscheiden. Deshalb können wir uns
                                                                auf einer lauten Party mit unserem Ge-
                                                                sprächspartner unterhalten, ohne von
                                                                den Gesprächen der anderen ablenken
                                                                zu lassen. Doch auch das, was in unse-
                                                                rem Umfeld gesagt wird, gelangt in den
                                                                sensorischen Speicher. Wenn wir plötz-
                                                                lich ein relevanter Reiz auftaucht (zum
                                                                Beispiel nennt jemand am Nebentisch
                                                                unseren Namen), werden wir aufmerk-
                                                                sam und schauen in die Richtung, aus
                                                                der wir den Urheber vermuten.

                      DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         5
Bereits im 19. Jahrhundert haben Neu-         Sprachrhythmus und -melodie, Tonhö-
rophysiologen herausgefunden, dass            he, Lautstärke, Geschwindigkeit, Wohl-
Sprache in verschiedenen Hirnregionen         klang oder Dissonanz, Assoziationen mit
parallel verarbeitet wird. Heute wissen       ähnlichen Lauten, die räumliche Ortung
wir mehr darüber, dank moderner bild-         der Geräuschquelle, die Trennung von
gebender Verfahren der Neurowissen-           Signal und Hintergrundrauschen – alles
schaft. Unser Innenohr leitet Schall-         passiert gleichzeitig in Sekundenbruch-
informationen an den sogenannten              teilen und erlaubt es uns sogar unter
auditiven Kortex. Gleichzeitig detektiert     schwierigsten Bedingungen (etwa bei
die Amygdala die emotionale Färbung           lauten Umgebungsgeräuschen) recht
des Gehörten. Im Broca-Areal erfolgt          zuverlässig gesprochene Sprache zu
eine syntaktische Verarbeitung – Satz-        verstehen. Und wenn uns mal ein Wort
bau und grammatikalische Strukturen           fehlt oder falsch ausgesprochen wird
werden analysiert. Das Wernicke-Are-          belastet dies die Kommunikation kaum –
al kümmert sich gemeinsam mit dem             denn wir erschließen im Gespräch blitz-
vorderen Temporallappen um die Be-            schnell aus dem Kontext und der Tonali-
deutung des Gehörten. Mit beteiligt ist       tät, was gemeint ist. Manchmal glauben
dabei ebenfalls der Frontallappen, der        wir das zu hören, was wir erwarten.
Verknüpfungen zu bereits vorhandenem          Von US-Präsident Roosevelt wird die
Wissen herstellt. Dieses Zusammenspiel        Anekdote erzählt, er habe zum Scherz
der verschiedenen Regionen spielt sich        manchmal Gäste mit den Worten „Ich
bei Rechtshändern zu großen Teilen in         habe gerade meine Frau umgebracht!“
der linken Gehirnhälfte ab und erfolgt        begrüßt – und meist die ritualisierte Ant-
bereits 100 bis 200 Millisekunden nach-       wort bekommen „Danke und wie geht es
dem das Wort gehört wurde.                    Ihnen?“. Die Besucher erwarteten ein
                                              „How do you do?“ – und das schienen
Ähnlich komplex sind die Abläufe, wenn        sie „gehört“ zu haben.
wir selbst etwas sprechen. Sie finden
ebenfalls vorwiegend in der linken Hirn-      Das Erinnern von auditiven Informa-
hälfte statt. Im Temporallappen werden        tionen – Lauten, Melodien, Klängen
gespeicherte Vokabeln selektiert. Denen       – erweist sich für die Forscher als ein
müssen konkrete Laute zugeordnet wer-         schwieriges Untersuchungsgebiet. Da
den, was wieder im Wernicke-Areal pas-        die verschiedenen Komponenten mitun-
siert. Das Broca-Areal steuert die Bewe-      ter an ganz unterschiedlichen Orten im
gungen im motorischen Sprachzentrum           Kopf abgespeichert und von verschiede-
– es ist zuständig, dass wir Lippen, Kie-     nen Systemen bearbeitet werden, lässt
fer, Zunge und Stimmbänder bewegen.           sich das auditive Gedächtnis nicht so
Das Kleinhirn ist beim Sprechen ebenso        einfach beschreiben. Beim Erinnern ist
beteiligt und für die zeitliche Koordinati-   da dabei die enge Verschränkung von
on verantwortlich. Alles das passiert un-     Hören, Denken und Sprechen interes-
gefähr eine Viertelsekunden bevor wir         sant. Meist sprechen wir innerlich mit,
etwas tatsächlich hörbar aussprechen.         wenn wir etwas lesen, hören oder uns an
                                              etwas erinnern. Das passiert auch, wenn
Dies ist eine sehr vereinfachte Darstel-      wir Musik hören – unsere „innere Stim-
lung, das Zusammengreifen der ver-            me“ singt quasi mit. Diese Prozesse von
schiedenen Hirnregionen und -hälften          Erinnern, innerem Sprechen (oder Sin-
ist noch weitaus komplizierter. Denn          gen) und mitunter lautem Aussprechen
nicht nur syntaktische und semanti-           können sich gegenseitig verstärken. Wir
sche Informationen werden verarbeitet.        kennen das, wenn wir einen Ohrwurm

                                                DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS          6
haben – eine Melodie oder ein Lied, das       dächtnis erleichtern. Gleichzeitig wird     ren. Der beobachtete Erfolg verstärkt
uns nicht mehr aus dem Kopf geht. Wie         dadurch ein typische Gedächtnisfehler       die Tendenz, dieses Verhalten zu zeigen.
in einer Dauerschleife singen wir uns         unwahrscheinlicher, den die Psycholo-       Das gilt natürlich nicht nur für motori-
das Lied innerlich vor, was wiederum          gen als Blockierung oder TOT-Phäno-         sche oder komplexe Handlungen, son-
das Erinnern stimuliert.                      men („Tip-of-the-tongue“) bezeichnen.       dern auch für sprachliche. Phrasen, mit
                                              Wir kennen dieses Problem alle aus          denen wir oder andere Erfolg haben,
Manchmal wird ein solcher Ohrwurm als         eigener Erfahrung: Ein Wort – meist ein     werden leichter erinnert und wiederholt
negativ angesehen, doch oft empfinden         Name - „liegt uns auf der Zunge“, aber      eingesetzt.
wir dabei Lust und Spaß, etwa wenn wir        es fällt uns partout nicht ein. Der Abruf
einen Song vor uns her singen, der uns        im Gedächtnis scheint irgendwie blo-        Ein anderer Aspekt beim Reproduzie-
in eine gute Stimmung bringt. Emotiona-       ckiert, obwohl wir genau wissen, DAS wir    ren von gesprochener Sprache ist so
le Prozesse scheinen beim Erinnern von        den Namen kennen. Meist passiert das        selbstverständlich, dass er oft aus dem
Melodien wichtig zu sein. Das gilt nicht      mit Eigennamen, die keinen beschrei-        Blick gerät: Die Wiederholung. Worte
nur für Musik im engeren Sinne, sondern       benden Charakter haben und mit wenig        oder Sätze, die wir oft gehört haben,
auch für andere Formen von Wohlklang:         anderen Hinweisreizen verknüpft sind.       können wir uns besser merken. Wenn
Rhythmus, Reime, Alliterationen. Das          Neue Markennamen sind besonders ge-         wir sie aber zusätzlich oft selbst aus-
Erinnern von Gedichten, Sprüchen oder         fährdet, durch das TOT-Phänomen blo-        gesprochen haben, fördert das die Er-
einfachen Silbenfolgen (z. B. „Tarra!“)       ckiert zu werden. Passende Reimworte,       innerung noch mehr. Manche sprach-
fällt uns leicht und bringt uns nicht sel-    eine Sprachmelodie oder die Einbettung      lichen Äußerungen bilden die unteren
ten Vergnügen. Die Neuropsychologie           in eine kurze Sentenz mit anschaulichen     Sedimente unseres Gedächtnisses – so
dieser Phänomene ist noch lange nicht         und relevanten Worten – das alles rei-      sind uns Sprichwörter bewusst, die wir
vollständig erforscht, spezielle Teildiszi-   chert den Namen mit zusätzlichen Ver-       als Kind oft gehört haben und seitdem
plinen (wie etwa die „empirische Ästhe-       knüpfungen an, die den Abruf aus dem        selbst nutzten. Besonders in Stresssitu-
tik“) tasten sich hier langsam vor. Unse-     Gedächtnis erleichtern.                     ationen, greifen wir unbewusst auf sol-
re Alltagserfahrung zeigt uns aber, dass                                                  che gut eingeübten und tief veranker-
wir bestimmte sprachliche Äußerungen          Solche sprachlichen Elemente laden          ten Sätze und Allgemeinplätze zurück.
besonders gut erinnern: Eselsbrücken,         durch ihren spielerischen Charakter         Das sie uns so präsent sind, hat mit den
Merksätze, gereimte Sprichwörter, Phra-       außerdem zur Imitation auf – nicht nur      häufigen Wiederholungen zu tun – sei es
sen mit einem bestimmten Rhythmus             kleine Kinder sprechen sie gerne nach.      durch Hören, inneres Sprechen oder tat-
oder einer Sprachmelodie, Song- oder          Dieser Imitationsdrang fördert noch zu-     sächliches lautes Aussprechen.
Gedichtzeilen, Aphorismen, literarische       sätzlich die Speicherung im Gedächtnis.
Zitate, Kinderlieder, lustige Namen,          Anthropologen haben die Bedeutung
Phantasie- und Nonsens-Wörter, Wort-          der Imitation für die Evolution unserer
spiele und Kalauer und vieles mehr. Was       Spezies herausgearbeitet. Wenn wir
genau in unserem Gehirn passiert, wenn        vom „Nachäffen“ sprechen, irrt unsere
wir solche Dinge erinnern oder ausspre-       Alltagssprache: Affen als unsere nächs-
chen, mag noch unaufgeklärt sein, doch        ten Verwandten sind gar nicht so gut
wir sehen, dass sie beim Erinnern und         im Imitieren und Lernen von Verhalten.
Abrufen privilegiert sind. Wahrschein-        Wir Menschen sind hingegen Imitations-
lich ist es, dass sie von verschiedenen       maschinen – so können kleine Kinder in
Systemen in unterschiedlichen Arealen         rasanter Geschwindigkeit Neues lernen,
im Hirn verarbeitet werden: Die Spra-         in dem sie einfach das nachmachen,
che in den oben erwähnten Bereichen,          was sie sehen. Die Lernpsychologie be-
Melodie, Klang und Rhythmus in ande-          schreibt den Mechanismus des sozialen
ren. Diese asymmetrische Verarbeitung         Lernens: Wenn wir ein Verhalten bei
liefert mehr Assoziationen mit Hinweis-       anderen sehen, das von Erfolg gekrönt
reizen, die das Abrufen aus dem Ge-           wird, neigen wir eher dazu, es zu imitie-

                                                DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS          7
W
Psychologische                             ir haben nun eini-
                                           ge Aspekte rund
                                                                wenige Silben. Es sollte so ausgespro-
                                                                chen werden, wie es geschrieben wird
Strategien                                 um das auditive
                                           Gedächtnis    ge-
                                                                („Guhgell“ ist die berühmte Ausnahme
                                                                von der Regel). Härter wird es für Ab-
für erfolgreiches                          sammelt.      Wie    kürzungen. Natürlich wissen wir alle,
                                           können uns diese     was ein BMW ist. Doch bei KFC wird es
Voice-Marketing     Überlegungen helfen, in einem durch         schon schwieriger (zumal unklar ist, ob
                    Voice-Commerce dominierten Wettbe-          man es auf Englisch oder auf Deutsch
                    werb die eigene Marke zu positionieren?     aussprechen soll).
                    Voice-Marketing muss die Gatekeeper-
                    Funktion des auditiven Gedächtnisses        Reime
                    nutzen, um sich in den Gehirnen der         Lesen Sie bitte einmal die
                    Menschen zu positionieren und wie ein       folgenden Zeilen:
                    Souffleur im Theater ihnen die richtigen
                    Worte zur rechten Zeit in den Mund le-      „Willst Du viel, spül‘ mit …!“
                    gen. Bevor die digitalen Maßnahmen          „… macht Kinder froh!“
                    von voice-optimierten Websites und          „… – einmal hin, alles drin!“
                    Alexa-Skills greifen können, müssen wir
                    die Zungen der Kaufenden in Bewegung        Ich wette, es fiel Ihnen leicht, die feh-
                    bringen. Dabei feiern alte Reklame-Tu-      lenden Markennamen zu ergänzen.
                    genden eine Wiederauferstehung.             Vielleicht mussten Sie gar nicht nach-
                                                                denken, sie kamen automatisch in Ihr
                    Die Marke steht für das Produkt             Gedächtnis. Wahrscheinlich haben Sie
                    Den höchsten Status im Marketing ha-        die Zeilen innerlich ausgesprochen,
                    ben jene Marken erreicht, deren Name        wenn nicht sogar gesungen oder halb
                    als Synonym für eine ganze Produkt-         gesummt. Das ist die Stärke des Reims.
                    kategorie gelten oder deren Nutzung         Wie schon erwähnt, werden Reime auf
                    mit einem Verb beschrieben wird, das        mehrfache Weise im Gedächtnis gespei-
                    dem Markennamen nachempfunden ist.          chert – als semantische Information,
                    Meist waren diese Marken die ersten         aber auch Sprachrhythmus und -melo-
                    ihrer Art und beruhen auf tatsächlichen     die werden verarbeitet. Reime haben et-
                    Innovationen. Deshalb fragen wir nach       was Überraschendes, sie machen Spaß
                    einem Tempo, wenn wir ein Papierta-         – und dieses Gefühl wird ebenfalls mit
                    schentuch wollen. Und wenn wir nicht        den Zeilen erinnert. Da sie zum inner-
                    mehr weiter wissen, googeln wir selbst-     lichen oder sogar lauten Mitsprechen
                    verständlich. Eine solche Elite-Stellung    animieren, sind die Chancen auf eine
                    ist extrem schwer zu erreichen und          multimodale, intensivere Verarbeitung
                    kaum zu planen. Die gescheiterten Ver-      höher als bei blanken Worten oder Sät-
                    suche, durch Werbung unseren Sprach-        zen. Eine Markenaussage in einen Reim
                    gebrauch zu ändern, sind längst verges-     zu packen, zündet einen Gedächtnis-Tur-
                    sen. Die wenigen erfolgreichen fallen       bo. Das wussten die Reklame-Experten
                    uns gar nicht mehr auf, sie sind so klar    vor 100 Jahren schon und haben ausgie-
                    wie ein Tesafilm, wir brauchen kein Post-   big dieses Stilmittel verwendet. Warum?
                    it, um uns daran zu erinnern und finden     Es lohnt sich, die Gründe genauer anzu-
                    Sie sogar im Duden. Sie illustrieren aber   schauen. Der Blick in die Vergangenheit
                    ein Grundprinzip eines erfolgreichen        lehrt uns einiges für die Marketing-Kom-
                    Voice-Marketings: Markennamen müs-          munikation heutzutage.
                    sen ausgesprochen werden, um in das
                    kollektive Gedächtnis zu kommen. Der        Ende des 19. und Anfang des 20. Jahr-
                    Gebrauch im Alltag verstärkt sich selbst.   hunderts entwickelte sich die Werbung
                    Doch funktioniert das nicht mit jedem       rasant. Neue Produkte und neue Medien
                    Namen: Bevorzugt sind einfache Worte,       führen zu einer Professionalisierung
                    mit meist mit eindeutiger Aussprache,       der Marketing-Kommunikation, die da-

                       DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         8
mals noch Reklame oder (völlig wert-        Die richtige Aussprache                    zen. Damit ist nicht gemeint, einen be-
frei) Propaganda genannt wurde. Der         Jeder kennt die Beispiele aus Anekdo-      kannten oder neuen Hit in den Werbe-
Kauf von Produkten erfolgte damals          ten oder Internet-Posts: Jemand hört       spots zu spielen. Es geht nicht um einen
überwiegend in einer oralen Welt – man      ein Wort, versteht es aber falsch, wozu    Sound oder ein Audio-Logo – alles sinn-
ging zum Kaufmann und sagte ihm, was        es zu meist lustigen Situationen kommt.    volle und effektive Techniken des Audio-
man haben möchte. Neue Produkte oder        Der Freund soll zum Abendessen „Ober-      Brandings, um Einheitlichkeit, Marken-
Marken mussten also oft explizit nach-      schienen“ mitbringen, findet sie aber      image und Emotionen zu schaffen. Es
gefragt werden, das erforderte das Er-      nicht im Baumarkt und wendet sich ver-     geht um kurze Refrains, in denen der
innern. Die Werbung sollte die richtigen    zweifelt an seine Facebook-Freunde, ob     Markennamen gesungen wird.
Worte in den Mund legen, doch hatte sie     sie bei der Suche helfen könnten. Na-
damals noch keine Medien, die auditiv       türlich findet er sie nicht im Baumarkt,   „Waschmaschinen leben länger mit …!“
Informationen vermittelten – Radio und      seine Freundin meinte Auberginen. Mar-     „… repariert, … tauscht aus!“
Fernsehen waren noch nicht erfunden,        kennamen kommen mitunter aus ande-         „… putzt so sauber, dass man sich
der Film hatte noch keinen Ton. Plaka-      ren Sprachen, meist dem Englischen und     drin spiegeln kann.“
te und Anzeigen mussten das Fehlende        Französischen. Hier sind Missverständ-
ersetzen. Kein Wunder, dass die Werber      nisse und falsche Aussprachen vorpro-      Viele dieser Liedfetzen sind tief in unser
oft auf Reime und Wortspiele setzten,       grammiert. Den großen Sportschuh-          Gedächtnis eingebrannt und wir kennen
manchmal nahmen sie Anleihen bei be-        Hersteller scheint es wenig zu stören,     sie noch ohne Mühe vorsingen, obwohl
kannten Volksliedern oder Schlagern.        dass immer noch viele Deutsche seinen      einige seit Jahren oder Jahrzehnten
                                            Markennamen falsch aussprechen: Sie        nicht mehr im Einsatz sind. Prosodie
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts än-       reden von „Neik“ oder „Nei-Kei“ anstatt    nennt man die Aspekte der Sprache,
derte sich die Lage. Bilder wurden omni-    von „Nei-kie“. Die Kommunikation von       die Akzente setzen: Intonation, Satz-
präsent – nicht nur auf Plakaten, auch in   Nike ist auf visuelle Reize ausgerich-     melodie, Tempo, Rhythmus, Pausen. Oft
Zeitungen, Illustrierten, im Kino und im    tet – jeder in der Welt erkennt den Nike   wird mit dem gleichen Wort die Lehre
Fernsehen. Einkaufen ging man zuneh-        Swoosh sofort, ohne den Markennamen        vom richtigen Versmaß beschrieben.
mend in Supermärkten und Kaufhäu-           lesen zu müssen. Anders eine deutsche      Die Werbewirkungsforschung hat lei-
sern. Marketing war jetzt eine dominant     Müsli-Marke. Deren Namen wird so aus-      der nur selten damit beschäftigt. Dafür
visuelle Aufgabe: Es war entscheidend,      gesprochen, wie man ihn schreibt. Aber     wächst seit einigen Jahren das Interes-
dass die Verbraucherinnen und Ver-          wir alle haben eine ganz spezielle Art     se in der psychologischen Grundlagen-
braucher die beworbenen Produkte im         der Aussprache und Silbenbetonung im       forschung zu prosodischen Elementen
Regal wiedererkannten. Mehr und mehr        Kopf: „Sey-Ten-Baaach-Er“. Das Unter-      der Sprache. Hier ist vor allem das Max-
galten die gereimten Werbesprüche als       nehmen wird für seine Werbung oft kri-     Planck-Institut für empirische Ästhetik
altmodisch – doch waren sie nie völlig      tisiert und ausgelacht – doch jeder hat    in Frankfurt am Main zu nennen. Diese
verschwunden.                               den Namen auf der Zunge. Seitenbacher      Forschungen sind – trotz der Popularität
                                            setzt sehr stark auf Radiowerbung und      des sogenannten Neuromarketings – für
Eine Voice-Commerce-Umwelt ähnelt           nutzt die Kraft des auditiven Gedächt-     die Werbepraxis bisher kaum erschlos-
der oralen Situation im alten Kauf-         nisses in vorbildlicher Weise.             sen. Allerdings verfügen gute Werbe-
mannsladen. Doch haben wir heute Au-                                                   texterinnen und Werbetexter meist
dio-Medien, mit denen wir den Konsu-        Falsche Aussprache wird genauso wie        über ein intuitives Gefühl für Prosodie.
mierenden beibringen können, welche         eine falsche Schreibweise im Suchma-       Vielleicht wird dieses Erfahrungswissen
Worte zur rechten Zeit eingesetzt wer-      schinen-Marketing oft schon antizipiert    künftig mit empirischen Arbeiten und
den können. Audio-Branding hilft dabei,     und in die Optimierung miteinbezogen.      interdisziplinären Erkenntnissen fun-
eine Marke akustisch zu präsentieren,       Ein konsequentes Voice-Marketing soll-     diert und angereichert werden.
sie wiedererkennbar zu machen und           te aber schon vorher ansetzen – im au-
mit emotionalen Assoziationen aufzula-      ditiven Gedächtnis der Kundinnen und       Phrasen für den Alltag
den. Doch das Nadelöhr, das jede Marke      Kunden.                                    Wenn wir heute von Phrasen sprechen,
passieren muss, ist das Gedächtnis der                                                 ist das meist wertend gemeint. Ein
Verbraucher. Die alte, aber bewährte        Melodie und Rhythmus                       „Phrasendrescher“ sagt nichts Originel-
Werbetechnik des Reimens leistet hier       Noch einen Schritt weiter gehen die        les oder Intelligentes, sondern wieder-
immer noch gute Dienste.                    Marken, die eigene Werbelieder einset-     holt nur eingeübte Sätze. Eigentlich ist

                                              DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         9
der Begriff Phrase aber neutral und wird     Eine frühe Nennung des Markennamens
so etwa im Englischen und in der Sprach-     unter Zuhilfenahme von prägnanten
wissenschaft eingesetzt. Phrasen sind        Audio Assets führt zu einer deutlich
häufig verwendete Redewendungen.             verbesserten Werbewirkung. Diese Er-
Viele stammen aus Literatur, Volkslie-       kenntnis wird allerdings nicht immer
dern, der Luther-Bibel oder den Massen-      umgesetzt: Oft haben die Kreativen die
medien. Auch die Werbung schafft Rede-       Idee eines Storytellings, bei dem der
wendungen, einige von ihnen sind so tief     Clou – nämlich der Markenname – erst
im Sprachgebrauch eingegraben, dass          am Ende kommt, so wie bei einem Witz
sie ihre Urheber manchmal überleben.         die Pointe am Schluss präsentiert wird.
                                             Manche möchten einfach nicht mit der
„Alle reden vom Wetter, wir nicht.“          Tür ins Haus fallen, sondern erst eine
„Wohnst Du noch oder lebst du schon?“        Stimmung via Musik und Klang etablie-
„Damit Sie auch noch morgen kraft-           ren, bevor das eigentliche Produkt er-
voll zubeißen können.“                       wähnt wird. Die Studie von ARD MEDIA
„Da werden Sie geholfen!“                    und andere Forschungen zeigen aber
                                             klar, dass dadurch die Wirkung abge-
Interessant sind Werbephrasen, die als       schwächt wird.
Skript für eine Bestellung dienen kön-
nen – sei es im digitalen Voice-Commer-
ce oder tatsächlich im Geschäft oder
Lokal. „Bitte ein Bit!“ ist so ein Klassi-
ker, der bis heute verwendet wird. Er ist
nicht nur eine prägnante Erinnerung an
die Marke (vier Silben mit einer schönen
Alliteration), sondern kann gleich ver-
wendet werden, um das nächste Bier
zu bestellen – aber eben nicht irgend-
ein Bier, sondern das richtige. Sicherlich
halten viele Art Directors und Marketer
so etwas für unelegant, deshalb wird
es seltener eingesetzt, als es vielleicht
sinnvoll wäre. Eine eingängige Phrase
könnte bei der Suche und Kommunika-
tion über Sprachassistenten und Smart
Speaker helfen.                                                                           Quelle: Audio Assets & Brand Building (2020)
                                                                                         [https://www.ard-media.de/akademie/studien/
Frühe Nennung des Markennamens               Wiederholung                                                audio-assets-brand-building/]
ARD MEDIA veröffentlichte eine Studie        Manche Werbeslogans sind so auf den
über sogenannte „Audio Assets“. Das          Punkt, dass sie sich in das Gedächtnis
sind auditive Elemente, die das Wieder-      der Menschen nach kürzester Zeit boh-
erkennen und korrekte Zuordnen einer         ren. Doch meist müssen Phrasen und
Marke fördern. Die oben erörterten As-       neue Markennamen gelernt werden. Das
pekte gehören zu solchen Audio Assets:       benötigt häufige Wiederholungen. Die
Ein verständlicher Markenname, eine          psychologische Lerntheorie zeigt, ge-
eingängiger Slogan, Sprachmelodie und        nauso wie die Werbewirkungsforschung,
vielleicht sogar ein Reim. Das kann alles    dass mehr Kontakte besser sind als we-
aber nur die richtige Wirkung entfalten,     nige. Das trifft vor allem für die aktive
wenn sie in der Dramaturgie eines Au-        Werbeerinnerung zu – also alles, was ein
dio-Spots richtig platziert werden.          Konsument spontan nennen kann, wenn

                                               DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         10
man ihn nach einer Produktkategorie         Carglass wieder ein Musterbeispiel: Die      Screens), sondern sorgen Sie dafür,
fragt – ohne dabei irgendeinen weiteren     Spots in Radio und TV haben sich in den      dass ihre Marke im auditiven Gedächt-
Hinweis zu bekommen. Jeder Marktfor-        Jahren immer wieder verändert, doch          nis verankert wird.
scher weiß, dass die passive oder ge-       der Spruch „Carglass repariert, Car-
stützt Erinnerung einfacher zu messen       glass tauscht aus“ wurde niemals aus-       •
                                                                                         Achten Sie bei der Kreation darauf,
ist – hier wird eine Marke oder Werbung     getauscht.                                   dass sie den Hörerinnen und Hörern
auf einer Liste wiedererkennt. Was für                                                   die richtigen Worte beibringen. Dazu
die Marktforschung gilt, ist im wirkli-     Audio Branding                               gehören die richtige Aussprache, es-
chen Leben noch wichtiger, besonders        Zum Thema Audio Branding gibt es vie-        senzielle Assoziationen zum Produkt
wenn es um Produkte geht, die wir nur       le Publikationen, die Radiozentrale hat      und idealweise Slogans und Phrasen,
selten verwenden.                           ein eigenes Whitepaper dazu heraus-          welche die Bestellung und Suche er-
                                            gebracht. Auf den ersten Blick scheinen      leichtern.
Das Problem kann man mustergültig am        einige der hier präsentierten Überle-
Beispiel Carglass erläutern. Ein Stein-     gungen der Idee eines Audio Brandings       • Besinnen Sie sich auf einige alte Re-
schlag ist ein eher seltenes Ereignis.      zuwider zu laufen. Soll die Werbung            klametugenden und nutzen Sie Reime,
Wenn er nicht gerade passiert ist, denkt    wirklich zurück zur alten Reklame des          Rhythmus, Sprachmelodie und eingän-
niemand darüber nach. Doch wenn der         19. Jahrhundert? Natürlich nicht. Eine         gige Redewendungen. Damit schalten
Fall eintritt, möchte man schnell han-      Marke durch konsistente Verwendung             Sie den Turbo für das Erinnern ein.
deln. Vielen Menschen fällt beim Stich-     von Musik, Klang, Jingles, Soundlogos
wort Steinschlag automatisch Carglass       und markanten Sprecherstimmen auf-          • Verwenden Sie diese Elemente mög-
ein, selbst wenn sie noch nie einen sol-    zuwerten und somit positive emotionale         lichst frühzeitig und häufig in ihren Au-
chen Vorfall selbst erlebt hatten. Das      Gedankenverknüpfungen zu schaffen,             dio-Spots. Understatement beschränkt
Unternehmen investiert seit Jahren in       widerspricht nicht dem Einsatz von Rei-        den Wirkungsgrat dieser akustischen
diese enge kognitive Verknüpfung in         men, eingängigen Slogans oder Wie-             Mittel.
den Gehirnen der Autofahrer. Das Mit-       derholungen. Vielmehr müssen diese
tel ist das ständige Wiederholen der        in eine umfassende Audio-Marke integ-       •
                                                                                         Setzen Sie auf eine hohe Frequenz
Phrase „Carglass repariert, Carglass        riert werden. Doch kommt es auf eine         – mehr Kontakte sind besser als we-
tauscht aus.“ Wir alle haben es in Ra-      gute Balance an: Musik und Storytelling      nige, wenn es darum geht, die richti-
dio und Fernsehen tausendfach gehört.       dürfen das „Auswendiglernen“ des Mar-        gen Assoziationen im Gedächtnis zu
Jeder Kontakt, und sei er noch so bei-      kennamens nicht behindern. Schönheit,        verankern. Das gilt im Zeitalter der
läufig, verstärkt diese gedankliche Ver-    Eleganz und Understatement reichen al-       Smart Speaker in besonderem Maße:
bindung. Damit hat sich die Marke einen     leine nicht aus, eine Marke im Gedächt-      Die meisten Smart-Speaker-Besitzen-
Spitzenplatz in unserem Gedächtnis er-      nis zu verankern.                            den hören mit dem Gerät Radiosender.
obert. Sie hat einen Vorsprung vor dem                                                   Platzieren Sie ihre Werbung häufig auf
Wettbewerb, denn die Marke ist bereits      Mediaplanung                                 den Sendern, die ihre Zielgruppe hört.
im Bewusstsein, bevor eine Google-Su-       Wie lassen sich diese Überlegungen nun       Diese Reichweite und Frequenz liefert
che startet.                                konkret in eine Mediastrategie überfüh-      für die meisten Zielgruppen das Radio.
                                            ren? Natürlich müssen Mediaplanung           Werbeerwähnungen im Rahmen von
Wiederholungen mögen manche Radio-          und kreative Gestaltung Hand in Hand         gelegentlich genutzten Podcasts kön-
hörer nerven, doch sie pflanzen einen       gehen. Hier sind einige Tipps dazu:          nen den Radioeinsatz zwar ergänzen,
Markennamen und die richtigen Wor-                                                       aber kaum ersetzen.
te dazu tief in unser Gedächtnis. Das       • Wenn Ihre Marke im Voice-Commerce
gilt sowohl für Wiederholungen inner-          bestehen soll, nutzen Sie Audio-Wer-     •
                                                                                         Kreieren Sie stimmiges Audio-Bran-
halb eines Werbe-Spots wie für häufige         bung! Verlassen Sie sich nicht nur auf    ding, doch achten Sie darauf, eine rich-
Schaltungen. Am besten ist ein langfris-       bewegte Bilder (die heutzutage durch-     tige Balance zu schaffen. Musik, Klang
tiger Einsatz: Die grundlegenden Audio-        aus ohne Ton gesehen werden, etwa         und Stories alleine reichen nicht aus,
Assets sollten kontinuierlich und konsis-      im Feed von Social Media-Plattfor-        die richtigen Worte im auditiven Ge-
tent angewendet werden. Auch hier ist          men oder auf digitalen Out-of-Home-       dächtnis einzupflanzen.

                                              DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         11
D
Takeaways:                         ie gesprochene Spra-
                                   che erobert zuneh-
                                                               gige Slogans, Wiederholungen. Ein Ziel
                                                               im Voice-Marketing sollte es sein, solche
Keine Angst vor                    mend die digitale Welt.
                                   Nicht zu Unrecht spre-
                                                               Techniken einzusetzen, um dafür zu
                                                               sorgen, dass den Konsumierenden die
Ohrwürmern!                        chen viele Experten         richtigen Worte im richtigen Augenblick
                                   von dem Aufstieg des        einfallen.
                  Voice-Commerce. Wenn wir mit unse-           Ein Voice-Marketing erfordert sicher-
                  rer Stimme Produkte suchen und be-           lich eine Optimierung digitaler Mecha-
                  stellen, wird es für Marken wesentlich,      nismen der sprachbasierten Suche und
                  die richtigen Worte zu vermitteln. Der       des Kundenkontakts. Ebenfalls ist ein
                  Gatekeeper dafür ist unser auditives         auf Emotion und Image ausgerichtetes
                  Gedächtnis. Die Art und Weise, wie wir       Audio Branding notwendig. Doch das al-
                  Sprache verarbeiten und abspeichern,         les funktioniert nur, wenn man mit dem
                  ist komplex, viele Hirnareale sind da-       Markennamen ins auditive Gedächtnis
                  bei involviert. Das kann ein Vorteil sein,   gelangt. Einfach ausgedrückt: Marken
                  wenn man bestimmte Elemente der ge-          müssen Ohrwürmer platzieren. Und wel-
                  sprochenen Sprache kreativ nutzt – Rei-      ches Medium wäre ein besserer Experte
                  me, Rhythmen, Sprachmelodie, eingän-         für Ohrwürmer als das Radio?

                     DAS AUDITIVE GEDÄCHTNIS         12
Lektüre-Tipps   1.	ARD MEDIA (2020): Audio Assets & Brand Building. Wie Audio-Strategien
                    Marken stärken. Download auf https://www.ard-media.de/akademie/studien/
                    audio-assets-brand-building/

                2.	bitcom (2021) Die Zukunft der Consumer Technology 2021 - Marktentwicklung
                    & Mediennutzung, Trends & Technologien. Download auf www.bitkom.org

                3.	Gaspar, Claudia / Dieckmann, Anja (2019): Wie smart sind Smart Speaker
                    wirklich? Wie die digitalen Mitbewohner unseren Alltag verändern.
                    NIM Nürnberg Institut für Marktentscheidungen. Nürnberg.

                4.	Sammler, Daniela (2020): Splitting speech and music - Brain asymmetries
                    for words and melodies of songs depend on opposite acoustic cues.
                    In: Science / Jhg. 367, Ausgabe 6481, S. 974 bis 976

                5.	Schrott, Raoul / Jacobs, Arthur (2011): Gehirn und Gedicht – Wie wir unsere
                    Wirklichkeiten konstruieren. Carl Hanser Verlag. München.

                6.	Tomasello, Michael (2002): Die kulturelle Entwicklung des menschlichen
                    Denkens: Zur Evolution der Kognition. Suhrkamp. Frankfurt am Main.

                7.	von Hopffgarten, Anna (2014): Neurobiologie des Gesprächs.
                    In: Gehirn & Geist, Ausgabe 5 / 2014, S. 56 - 57

                                                                 Autor: Dirk Engel

                                                                 Dirk Engel ist unabhängiger Medienfor-
                                                                 scher und Unternehmensberater. Er un-
                                                                 terstützt Medien und Werbungtreibende
                                                                 dabei, ihre Kundinnen und Kunden besser
                                                                 zu verstehen. Engel studierte Kommuni-
                                                                 kationswissenschaft, Psychologie und So-
                                                                 ziologie in Mainz und Marketing in Basel.
                                                                 Bevor er sich selbständig machte, arbei-
                                                                 tete er als Mediaforscher bei der interna-
                                                                 tionalen Mediaagentur Universal McCann.
                                                                 Als Fachautor und Hochschuldozent be-
                                                                 schäftigt er sich mit den Themen Werbe-
                                                                 wirkung, Konsumentenpsychologie und
                                 Foto: Natalie Färber / LIQUID
                                                                 Mediennutzung. Mehr Infos: www.kunden-
                                                                 wissen.de

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