Das ist das KULTURMAGAZIN der Festivals, Museen und Schlösser der Metropolregion Rhein-Neckar. In der Ausgabe 03/20 geht es unter anderem um ...
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Das ist das KULTURMAGAZIN der Festivals, Museen und Schlösser der Metropolregion Rhein-Neckar. In der Ausgabe 03/20 geht es unter anderem um Michael Wollny, der beim Abschlusskonzert von Enjoy Jazz zu erleben sein wird …
Inhalt 27 Noch mehr Glanz AUFFÜHRUNGEN 40 Jubiläum – Zum 1000. Geburtstag präsentiert Allein am Klavier sich das Wormser Andreasstift rundum saniert Mehldau, Wollny & Co. – Enjoy Jazz widmet dem Solo-Piano einen Schwerpunkt 28 Game of Thrones am Rhein? 42 Kaiserjahr – Das Landesmuseum Mainz zeigt die Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ Endlich wieder Konzerte Kleiner, aber fein – die Schwetzinger Festspiele präsentieren ein spannendes Nachholprogramm 06 Kulturregion Tipps und Meldungen rund um die Kulturregion 43 Lametta für alle 32 Endspurt – Das Heidelberger Theater bietet rund um die Feiertage ein üppiges Programm AUSSTELLUNGEN „Den Alltag im Gepäck“ Nähe und Distanz – Das Wilhelm-Hack-Museum 14 zeigt Werke von Waldemar Zimbelmann 44 Expedition Neuland Asche und Blei Ort der Entdeckungen – Eine frische Brise Anselm Kiefer – Die Kunsthalle Mannheim weht beim 69. Internationalen Filmfestival w idmet dem weltberühmten Künstler eine Schau ENTDECKUNGEN Mannheim-Heidelberg 33 17 Bis ans Ende der Welt 46 Einfach mal abschalten Küsse aus Berlin Geheime Ecken – Der Schwetzinger Schloss Voller Energie – Klimaschutztipps und ein Quiz garten lädt zu einem magischen Rundgang Hallo, Hauptstadt! Die Festspiele Ludwigshafen zum neuen Themenbereich im TECHNOSEUM zeigen eine Werkschau der Berliner Schaubühne 34 20 Orte und Taten 48 Ein höllisches Vergnügen „Wir graben nach Schätzen der KZ-Gedenkstätte und Dokumentationszentrum – Dürrenmatt – Das Kurpfälzische Museum zeigt Das MARCHIVUM arbeitet NS-Geschichte auf Barockmusik“ Karikaturen des Schweizer Schriftstellers Barockfest – Ulrike Schumann und Thomas Böckstiegel über den Winter in Schwetzingen 50 Letʼs Have a Care Revolution Sauber – Das Künstler*innenhaus zeitraumexit beschäftigt sich mit Körper und Nachhaltigkeit 51 36 Luther – eine Heldengeschichte? Als die Renaissance in den Odenwald „Hier stehe ich.“ – Die Nibelungen-Festspiele kam z eigen zum Lutherjahr 2021 ein Stück des Schweizer Dramatikers Lukas Bärfuss „Uff dem lichten Berge“ – Schloss Lichtenberg gehört zu den markanten Orten im Odenwald 22 KALENDER & TERMINE Bilder von unterwegs 38 30 Jahre zusammen! Fernweh – Die Reiss-Engelhorn-Museen zeigen zwei Fotoausstellungen zum Thema Reisen Festakt und Ausstellung – Das Hambacher 52 Schloss feiert die Wiedervereinigung Auf einen Blick Festivals & Ausstellungen in der Kulturregion 24 Rhein-Neckar von Oktober 2020 bis März 2021 Wenn die Gegenwart Geschichte schreibt Die Medicus-Ausstellung im Historischen Museum 53 der Pfalz wurde um ein Kapitel zu Corona erweitert Immer gut informiert! Abonnieren Sie kostenlos das Kulturmagazin 26 und fordern Sie weitere Infos von den Festivals sowie den Museen und Schlössern an! Kleines Wagner-ABC Einstieg – Das Nibelungen-Museum präsentiert eine Kindertour zu Wagners „Ring des Nibelungen“ 2
Editorial Impressum „Endlich wieder Konzerte“ Herausgeber Metropolregion Rhein-Neckar GmbH Kulturbüro M 1, 4–5, 68161 Mannheim Postfach 10 21 51, 68021 Mannheim Tel.: 0621 10708-418, Fax: 0621 10708-400 E-Mail: kulturbuero@m-r-n.com www.m-r-n.com/kultur www.kultur-rhein-neckar.de Konzeption und Herstellung … lautet in dieser Ausgabe die Überschrift zu den Schwetzinger SWR Festspielen, die im O ktober Raum Mannheim – Büro für visuelle Kommunikation, Augustaanlage 37, 68165 Mannheim, Tel.: 0621 1504187 ein kleineres, aber feines Nachholprogramm prä- www.raum-mannheim.com Projektleitung Alena Butscher (MRN) Daniel Grieshaber (Raum Mannheim) Redaktion sentieren. Und eigentlich könnte fast jeder Bei- Daniel Grieshaber, Astrid Möslinger, Cathrin Siegler trag dieser Ausgabe in Variationen diese Titelzeile haben: „Endlich wieder Ausstellungen!“, „Endlich Mitarbeiter dieser Ausgabe Alexander Graf, Ulrich Rüdenauer Art-Direktion Rhea Häni wieder Theater!“, „Endlich wieder Kino!“ – Endlich Schlusslektorat Dr. Anja Steinhauer Druck wieder Kultur! Sicher, auch im Corona-Lockdown Vogel Druck und Medienservice GmbH, Höchberg war die Kultur nie ganz verschwunden. Virtuelle Führungen, gestreamte Konzerte oder originelle Titelbild Michael Wollny (zu Gast bei Enjoy Jazz), Foto: Jörg Steinmetz Auflage und Erscheinungsweise 120.000 Exemplare Zuhause-Formate halfen über die Zwangspause Drei Ausgaben pro Jahr Erscheinungstermin nächste Ausgabe 12. März 2021 hinweg, konnten aber eine der wesentlichen Auf- Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion gaben von Kultur nie ersetzen: Menschen zusam- nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers und der Redaktion. menzubringen und ihnen gemeinsame Erlebnis- se zu bieten. „Kultur ist kein Luxus“ lautete die Titelzeile der vergangenen Ausgabe. Und auch diese Zeile ist weiterhin relevant. Denn das Kul- turleben ist noch nicht dasselbe wie vor Corona. Festivals, Museen, Theater, Konzerthäuser und Kinos brauchen weiter Unterstützung – auch von uns als Publikum! Lassen Sie sich von dieser Aus- gabe inspirieren und besuchen Sie die spannen- den Ausstellungen, Konzerte, Theateraufführun- gen, Filmscreenings, die Ihnen die Kulturregion Rhein-Neckar in diesem Herbst bietet! Selbstver- ständlich unter Beachtung aller Auflagen und unter der Prämisse, dass die Gesundheit immer Vorrang hat! Ihr KULTURMAGAZIN-Team 3 Kulturmagazin 03/20
Immer eine Reise wert! Die Schlösser in Heidelberg, Schwetzingen und Mannheim, der Dom zu Speyer und zu Worms, das UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Lorsch, romantische Burgen an der Berg straße, im Neckartal und im P fälzerwald, idyllische Weinorte in der Vorderpfalz und Wormser Streuobstwiesen im Odenwald – die Region Dom Rhein-Neckar hat neben ihren vielfältigen Kulturangeboten noch viel mehr zu b ieten. Machen Sie sich auf Entdeckungsreise! Kloster Worms Lorsch Altes Rathaus Michelstadt Pfalzbau Nationaltheater Mannheim Ludwigshafen M annheim Schloss Heidelberg Bad D ürkheim Hambacher H eidelberg Schloss Schwet zingen N eustadt Speyer Schloss Schwetzingen Dom zu Speyer Reichsburg Schloss Trifels Villa Ludwigshöhe Landau Deutsches Weintor 4
Bildnachweise Die Metropolregion Rhein-Neckar ver- bindet die Großräume Frankfurt und Stuttgart und erstreckt sich über die Titelbild: siehe Impressum; S. 04–05: Bundesländer Baden-Württemberg, Rhea Häni (Illustrationen); S. 06–07: Rheinland-Pfalz und Hessen. Jörg Brüggemann, „Baggersee an der A71 bei Erfurt-Stotternheim“, © Jörg Brüggemann; S. 08: Metropolink 2020, Wandgemälde von PichiAvo, Hauptbahnhof Heidelberg; S. 09: Art- hur Bauer, „Girl In Shooting Gallery“; © Foundation for Visual Arts (Sik- king); S. 10: Cinema Quadrat, Foto: Yasin Schroeder; S. 11: Philippe Rap- peneau; S. 12: Milan Chlumsky/Kul- turTandem International e. V.; S. 13: Startup Mannheim; S. 14–17: Anselm Kiefer, „Palmsonntag“, 2007, Samm- lung Grothe in der Kunsthalle Mann- heim, Foto: Charles Duprat © An- selm Kiefer; Georges Poncet (Porträt Kiefer); Anselm Kiefer, „Die große Fracht“, 1981–1996, Foto: Charles Du- prat © Anselm Kiefer; Anselm Kiefer, „Frauen der Antike“, 2006, Sammlung Grothe in der Kunsthalle Mannheim, Foto: Wienand-Verlag © Anselm Kie- fer; S. 17–19: TECHNOSEUM, Fotos: Klaus Luginsland; S. 20–21: CDN, Schweizerische Eidgenossenschaft; Schloss S. 22–23: Jörg Brüggemann, aus der Erbach Serie Autobahn, 2014–2019; „Osaka, Dotonbori- S traße“, anonym, um 1885, Quelle: rem, Forum Internati- onale Photographie; „Blick über Nea- Neckar-Odenwald-Limes pel mit dem Vesuv im Hintergrund“, Photochrom Zürich, um 1895, Quel- le: rem, Forum Internationale Pho- Burg tographie; S. 24–25: Fotos Auf bau, © Historisches Museum der Pfalz/ Schwalbennest Foto: Carolin Breckle, Corona-Ta- feln & Key Visual „Medicus“ © His- torisches Museum der Pfalz; S. 26–27: M osbach Stefan Blume (Maske); Claudia Weis- sert (Andreasstift); S. 28–31: Meister Heinrich Frauenlob, Codex Manes- se, Universitätsbibliothek Heidelberg © Universitätsbibliothek Heidelberg; GDKE – Landesmuseum Mainz, Fo- tow: Ursula Rudischer (Reichskrone, Elfenbeinmadonna, Adler-/Pfauen- fibel); Cappenberger Barbarossakopf, 1156–1160, Kath. Kirchengemeinde St. Johannes, Schloss Cappenberg, © Andreas Lechtape/Kath. Kirchen- gemeinde; Radek Brunecky (Aus- stellungsräume); S. 32: Waldemar Zimbelmann, ohne Titel, 2020, Öl auf Leinwand, © Waldemar Zimbel- Bereits seit 2007 kooperieren die Festivals der Metropolregion Rhein-Neckar. Im mann; S. 33: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Foto: Jahr 2013 folgte das Netzwerk der Museen & Schlösser. Die Akteure im Überblick. Ursual Wetzel; S. 34–35: Mieczysław Wiśniewski, „Eine Gruppe Sandhofer Häftlinge mit Tadeusz Wiśniewski“, Ölgemälde; Friedrichschule Sandho- DAS NETZWERK DER MUSEEN UND SCHLÖSSER – Generaldirektion Kulturelles fen um 1909; Foto: unbekannt; S. 36– Erbe Rheinland-Pfalz / Historisches Museum der Pfalz / Kunsthalle Mannheim / 37: Espelohra (Außenansicht), Anja Dötsch (Schlosskappelle); S. 38–39: Kurpfälzisches Museum Heidelberg / MARCHIVUM / Museen Worms / Pfalzmuseum Ann-Christine Jansson/Bundesstif- tung Aufarbeitung; S. 40–41: Micha- für Naturkunde / Reiss-Engelhorn-Museen / Staatliche Schlösser & Gärten Baden- el Wilson (Mehldau); Jörg Steinmetz Württemberg / Staatliche Schlösser & G ärten Hessen / Stiftung Hamb acher Schloss / (Wollny); Gregor Hohenberg, © ACT (Summer); S. 42: Julien Mignot; S. 43: TECHNOSEUM / W ilhelm-Hack-Museum Susanne Reichardt; S. 44–45: „Sing- le Cycle“, © Flash Forward Enter- tainment; „Spaccapietre“, © Shellac; „Tschao Pantin“, © The Festival Agen- DAS NETZWERK DER FESTIVALS – Biennale für aktuelle Fotografie / Deutsche Staats- cy; S. 46–47: Ira Polyarnaya (Outside); philharmonie Rheinland-Pfalz / Enjoy Jazz / Festival des deutschen Films Ludwigshafen Stephen Cummiskey (Fräulein Julie); S. 48–49: Susanne Reichardt; Ste- am Rhein / Festspiele Ludwigshafen / Heidelberger Frühling / Heidelberger Literaturtage inhagen (Flick); S. 50: Melissa Hol- stein; S. 51: Lea Meienberg; S. 53: / Heidelberger Schlossfestspiele / Heidelberger Stückemarkt / Internationale Schillertage Kim von Coels (Bohren); Der Grüf- / Internationales Filmfestival Mannheim-Heidelberg / Internationales Straßentheaterfes felo © ist als Wortmarke und Logo ein registriertes Warenzeichen von tival Ludwigshafen / Ludwigshafener Kultursommer / Mannheimer Sommer / Metropolink Julia Donaldson und Axel Scheff ler und lizensiert von Magic Light Pictu- Festival / Nibelungen-Festspiele / Schwetzinger SWR Festspiele / Wunder der Prärie res Ltd. 5 Kulturmagazin 03/20
Jenseits der Autobahn „Baggersee an der A71 bei Erfurt-Stotternheim“ lautet der lakonische Titel dieser Aufnahme. Jörg Brüggemann, Mit- glied der renommierten Berliner Fotografenagentur Ost- kreuz, ist fünf Jahre lang auf und entlang der Autobahn kreuz und quer durch die Republik gereist. Unter dem Titel „wie lange noch“ ist dabei eine fotografische Meditation über dieses monumentale Bauwerk der Deutschen ent- standen, das mit einer Gesamtausdehnung von 13.100 Kilometern bis heute ein wichtiger Teil unserer Identität ist. Er dokumentiert dabei nicht nur die Autobahn selbst – von fast grafischen Aufnahmen von Markierungen bis hin zu Stauszenen –, sondern auch Orte neben der Au- tobahn, wie jenen Baggersee, die all diejenigen, die auf der Autobahn unterwegs sind, Tag für Tag passieren und doch nie wahrnehmen. Jörg Brüggemann: wie lange noch, bis 06. Januar 2021, ZEPHYR zu Gast im Museum Weltkulturen D5, www.zephyr-mannheim.com, mehr Infos auf Seite 22 ff. 7 Kulturmagazin 03/20
Willkommen in Heidelberg! Metropolink-Festival. Zeus als Adler und der junge Recke Ganymed, Arm in Arm und eingebettet in einen knallbunten Hintergrund aus Graf- fiti-Tags, begrüßen seit Ende Juli die Reisenden im Heidelberger Haupt- bahnhof. Erschaffen wurde das großflächige Kunstwerk, das die Nord- seite im Innern der Eingangshalle schmückt, von dem Street-Art-Duo PichiAvo aus dem spanischen Valencia. Die Enthüllung des Kunstwerks war gleichzeitig der Auftakt des Metropolink-Festivals, das im August am ehemaligen US-Army-Standort Patrick-Henry-Village großformatige Kunst sowie Live-Musik und Performances bot – selbstverständlich unter den üblichen Corona-Auflagen. www.metropolink-festival.de Ein Code für alle Fälle. Zum Aktionstag EU Code Week lädt das TECHNOSEUM alle Programmier-Fans, Computer-Freaks und sol- che, die es werden wollen. Der Aktionstag ist der Höhepunkt der EU Code Week in der Kulturregion Rhein-Neckar und bietet viele spannende Aktionen – von Roboter-Fußball und Robo-Cup bis zu VR-Brillen-Kostproben. Zudem kann man per App herausfinden, wie das eigene Gesicht in 25 Jahren aussieht, wie ein digital gezeichneter Comic-Charakter entsteht und wie man seine eigene Figur am Rechner erschaffen kann. Und wer zu Hause bleibt, kann online an Coding-Workshops teilnehmen. Aktionstag EU Code Week, 25.10.2020, 9–17 Uhr, TECHNOSEUM und www.technoseum.de, Eintritt frei 8
Kulturregion Fest der Forschung Geist Heidelberg. Als europä- ische Antwort auf das New Yor- ker „World Science Festival“ versteht sich Geist Heidelberg. Bereits zum zehnten Mal bringt das „International Science Festival“ renommierte Wissen schaftler nach Heidelberg, um über aktuelle Erkenntnisse und Themen zu referieren und zu diskutieren. Coronabedingt werden in diesem Jahr vor allem Expert*innen aus dem Inland zugegen sein, der Viel- Kunst von nebenan falt der Themen tut das keinen Abbruch: Vom neuen Psycho therapeuten-Gesetz über nach- haltige Produktion bis hin zum Deltabeben. „Girl in Shooting Gallery“ heißt das Bild von Arthur digitalen Humanismus reicht Bauer. Der in Mannheim lebende Fotograf ist in Russland auf- das Spektrum. „Empathie unter gewachsen und vor zwei Jahren in seine Heimat, genauer in Druck?“ lautet zudem die Leit- frage der 10. Empathie-Konfe- die Stadt Kasan, gereist und hat das Alltagsleben dokumen- renz, die ebenfalls im Rahmen tiert. Zu sehen ist das Werk, zusammen mit anderen Motiven von Geist Heidelberg statt- der Serie, bei der sechsten Ausgabe von „Deltabeben“. Als findet. Zu den Expert*innen, „Regionale“ bietet die Schau alle zwei Jahre einen Überblick die sich angekündigt haben, über die Kunstszene der Region. Die Werke von insgesamt gehören unter anderem Karl fast 50 Künstler*innen sind in den drei beteiligten Häusern zu Lauterbach, Marina Weisband sehen. Dabei reicht das Spektrum von Fotografie und Malerei und Julian Nida-Rümelin. über Skulpturen und Installationen bis zur Video- und Perfor- Geist Heidelberg – Inter- mancekunst. national Science Festival, Oktober bis Dezember 2020, Deltabeben. Regionale 2020, 29.11.2020–24.01.2021, DAI Heidelberg, Infos unter: Kunsthalle Mannheim, Kunstverein Mannheim, Port25 – www.geist-heidelberg.de Raum für Gegenwartskunst, www.port25-mannheim.de oder www.dai-heidelberg.de Das Beste aus drei Welten Biennale Autorin und Mentorin interessiert sie von Menschen über das Erzählen von für aktuelle sich besonders für Positionen an der Geschichten bis hin zum Gestalten Fotografie. Schnittstelle von Kunst, Fotojournalis- von ganzen Räumen und Herstellen Iris Sikking wird mus und dokumentarischer Fotografie. von Verbindungen zwischen Kunst die 3. Biennale Seit mehr als 15 Jahren setzt Sikking werken: Für die Biennale möchte ich für aktuelle internationale Projekte um, entwickelt das Beste aus diesen drei Welten Fotografie in Mannheim, Ludwigs thematische Ausstellungen und veröf- zusammenbringen.“ hafen und Heidelberg kuratieren. Die fentlicht Fotobücher sowie Online- 1968 geborene Fotohistorikerin und Projekte. Entsprechend vielfältig wird 3. Biennale für aktuelle Fotografie, Filmeditorin lebt in ihrer Geburtsstadt ihr Ansatz bei der Biennale sein: „Vom 19.03.–22.05.2022, Mannheim, Amsterdam und hat in ihrer Jugend DJing über Filmediting bis hin zum Ludwigshafen, Heidelberg, als DJane aufgelegt. Als Kuratorin, Kuratieren – vom In-Bewegung-Setzen www.biennalefotografie.de 9 Kulturmagazin 03/20
Jenseits von Netflix Cinema Quadrat. Es wäre leicht, Mitglieder hat das Cinema Quadrat. „Mannheimer Filmseminare“. Im No- in diesen Zeiten einen Abgesang Jede und jeder davon kann theo vember wird das Cinema Quadrat auf das Kino anzustimmen. Vor retisch im monatlich tagenden zudem nach längerer Pause wieder malige Leinwandenthusiasten Programmausschuss Filmwünsche Spielstätte des Internationalen Film- binge-watchen heute ausschließlich einbringen, danach wird demo- festivals Mannheim-Heidelberg. Serien auf dem heimischen Sofa, kratisch abgestimmt. „Das ist oft Veränderung hat in der langen heißt es immer wieder. Und spätes- erfrischend und ruft einem tolle Geschichte des Cinema Quadrat tens seit „Netflix and Chill“ schei- Filme ins Gedächtnis, die man gar schon immer eine Rolle gespielt. nen schummrige Kinosäle auch als nicht mehr auf dem Schirm hatte“, Die letzte große Zäsur gab es Ende Ort der romantischen Zweisamkeit sagt Harald Mühlbeyer, der zusam- vergangenen Jahres mit dem Um- ihre Daseinsberechtigung verloren men mit Geschäftsführerin Sabine zug vom Collini Center ins Quadrat zu haben. Fischer das Kernteam des Kinos K1. Vor allem technisch war das Wer Beweise für die Gegenthese bildet. In Konkurrenz zu den priva- ein Fortschritt. Aber trotz größerer sucht, wird im Mannheimer Cinema ten Mannheimer Arthouse-Kinos Leinwand und besserer Ausstattung Quadrat fündig. Vor fast 50 Jahren möchte man dabei ganz bewusst ist der wunderbar nostalgische aus dem Geist der 68er geboren, nicht treten. „Wir zeigen etwa keine Charme des Kinosaals geblieben. ist das kommunale Kino bis heute aktuellen Filme, die dort gerade Allerdings hat die Innenstadtlage ein Ort, an dem sich die nostal laufen“, sagt Mühlbeyer. das kleine Kino offenbar stärker ins gische Liebe für surrende Filmrollen Einen ausgezeichneten Ruf weit Bewusstsein der M annheimer*innen mit dem Gespür für avantgardis- über Mannheim hinaus haben auch gerückt. Die Mitgliedszahlen sind tische Kunst vereint. Hier werden das Mannheimer Filmsymposium, seit dem Umzug gestiegen, z udem Schätze der Filmgeschichte neu das jährlich im Cinema Quadrat kamen laut Mühlbeyer auch ver- entdeckt und zukunftsweisende über die Bühne geht, sowie die mehrt Menschen, denen das Cine- Streifen oft unbekann- ma Quadrat zuvor noch ter Künstler*innen erst- gar kein Begriff war. mals gezeigt. Zu klein, Inhaltlich wird es aber zu abseitig oder zu an- auch weiterhin keine spruchsvoll sind bei der Anbiederung an den Programmplanung kei- kommerziellen Zeitgeist ne gültigen Argumente. geben, wie Harald Hauptsache, die Quali- Mühlbeyer versichert: tät stimmt. „Wir sind immer noch die Möglich macht diese Gleichen, nur an einem Freiheit die städtische anderen Ort.“ Förderung als kommu- nales Kino – und die Cinema Quadrat, K1/2, Organisationsstruktur 68159 Mannheim, als V erein. Rund 500 www.cinema-quadrat.de Denkste! LU*ludens. „Wie geht Freiheit wirklich?“ Mit tige Akteure eingeladen, die Ludwigshafen drei dem „performativen Denkspiel“ LU*ludens Tage lang zum performativen (Denk-)Spielfeld geht die Hochschule für Wirtschaft und G e- werden lassen. LU*ludens wurde als eines von sellschaft Ludwigshafen (HWG) dieser Frage 14 Projekten ausgewählt, die vom Kunstförder- nach und lotet die Bedingungen des freien programm Tor 4 der BASF unterstützt werden. Denkens aus. Mit den Künstler*innengruppen LIGNA und Rimini Protokoll sowie Steve Valk, LU*ludens, 09.10.–11.10.2020, Hochschule dem Gründer des Frankfurter „Instituts für für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigs- Soziale Choreographie“ haben sie hochkarä- hafen, www.hwg-lu.de/kunst-kultur 10
Kulturregion Weiße A bientôt! Französische Woche Heidelberg. Während die Heidelberger Altstadt – zumindest in Coro- na-freien Zeiten – von Touristen aus den USA, Wände Japan, China, Russland und anderen mehr oder weniger fernen Ländern bevölkert wird, stehen im Herbst eine Woche lang Frankreich in der und andere frankophone Regionen im Zent- rum der Neckarmetropole. Seit 2006 bringt die Französische Woche französische Kultur nach Heidelberg – und feiert damit auch die deutsch-französische Freundschaft. Aus den Oper Nationaltheater Mannheim (NTM). „White-Wall-Oper“ heißt das neues Format, das Opern-Intendant Albrecht Puhlmann und sein Team in diesem Herbst präsentieren. Im Zentrum steht eine bewegliche weiße Wand, auf der Overhead- Projektionen, Filme, Videokunst, Zeichnungen, Animationen und collagierte Bilder zu sehen sind, die verschiedene visuelle Künst- ler*innen eigens für die insgesamt vier Inszenierungen entwickelt haben. Die Wand ist Leinwand, Bühnenbild und Spielpartnerin zugleich und verwandelt sich in Räume, Orte, Fantasien – kurz: sie wird zu einer wichtigen Pro- bescheidenen Anfängen ist inzwischen ein Festival mit tagonistin des Abends. Auf dem jährlich rund 50 Veranstaltungen geworden – von Spielplan stehen „Zauberflöte“, Lesungen, Vorträgen und Workshops über Konzerte, „Madame Butterfly“, „Barbier von Sevilla“ sowie „Hänsel und Theater und Performances bis hin zu Kinoabenden, Gretel“, jeweils quasi als Urauf- Ausstellungen und Stadtführungen. Zur Eröffnung führungen, die durch eine ver kommt dieses Jahr die Compagnie Les Hommes pen- änderte Besetzung und in einer chés, also der verrenkten Männer, mit ihrer Akrobatik- neuen, gekürzten Fassung Performance „Instable“ in die Hebelhalle. Zu den ungewöhnliche Perspektiven eröffnen und neue Klangfarben weiteren Höhepunkten gehören die Filmreihe „Michel hörbar machen. Alle White- Piccoli: Hommage an Monsieur Cinéma“, eine szeni- Wall-Opern dauern rund 90 sche Lesung mit jungen Stücken aus der Theaterszene Minuten und finden ohne Pause Québec sowie das Figurentheaterstück „21 x 29,7“ statt. von und mit Gingolph Gateau (Foto). White-Wall-Oper, diverse Ter- mine von Oktober bis Dezem- Französische Woche Heidelberg, ber 2020, Nationaltheater 09.–18.10.2020, verschiedene Orte in Heidelberg, Mannheim, Opernhaus, www. https://französische-woche.de nationaltheater-mannheim.de 11 Kulturmagazin 03/20
Ein Motor für PR-Expertin Cristina Nan (Foto Mitte), die gemeinsam mit der Galeristin Ella Kehrer (links) und Beate Hump die freie Kunst recht (rechts) das Art-Space-Programm kuratiert. Gemeinsam statt alleine – wie ein F ahrradtandem funktioniert auch dieser Kulturverein, der vor sechs Jah- ren von Künstler*innen und Kunstinteressierten ge- gründet wurde, um mehr bewirken zu können. „Unsere LOCAL HEROES – TEIL 3 Idee ist es, Generationen, Sparten und Kulturen zu ver- binden“, erklärt Nan. Enge Kontakte gibt es nach Ost- Serie: Macher*innen der Kulturregion europa, da Nan selbst vor 20 Jahren aus Rumänien nach Heidelberg übersiedelte. Tandem Art Space. Kleine Geschäfte und Kneipen Mit dem Tandem Art Space verfügen die Künstler*- rundum, ein plätschernder Brunnen in der Mitte – auf innen des Kultur Tandems, zu denen unter anderem der dem Heumarkt fühlt sich die Heidelberger Altstadt sehr Fotograf Milan Chlumsky, die Malerin Cholud Kassem ursprünglich an. Vorübergehend ist der Platz um eine sowie die Fotograf*nnen Gabi Kaiser und Markus Kaesler Attraktion reicher, denn in einen leerstehenden Laden zählen, nun über einen 100 Quadratmeter großen Show- ist der Tandem Art Space eingezogen. Bis Ende Dezem- room. „Für mich ist es eine großartige Gelegenheit, ber präsentiert der Verein Kultur Tandem dort Ausstel- meine Arbeiten mitten in der Stadt zu präsentieren, vor lungen, aber auch Lesungen und Konzerte. Möglich allem weil sich viele kulturelle Angebote inzwischen in wurde dies durch eine n oble Geste des Besitzers, der andere Stadtteile verlagern“, berichtet die Modedesigne- während der Corona-Krise die Kulturszene unterstüt- rin Leila Hujeirat. Und auch die Altstädter empfinden die zen wollte. „Er hat uns den Raum zu günstigen Kondi- kulturellen Aktivitäten hinter den großen Schaufenstern tionen überlassen“, berichtet Vereinsvorsitzende und als einen Gewinn. „Wir sind von den Nachbarn sehr freundlich aufgenommen worden“, erzählt Nan stolz. Auf das inter- nationale Kunstprojekt „Inter activEVE“, das Frauen in den Fokus gerückt hat, folgen eine Gemeinschaftsausstellung zwei- er Künstler sowie eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit Enjoy Jazz. Tandem Art Space, Heidelberg, www.kulturtandem.de, Termine: Calin Beloescu und Jean-Luc Cornec (Malerei und Installa tionen), bis 15.10.2020 Henning Bolte „Draw Notes“, in Kooperation mit Enjoy Jazz, 16.10–31.10.2020 La.Meko. Nachdem La.Meko im April als On- mal in Landau zugegen war, weiß, Kurz und knackig! line-Mini-Ausgabe über die Bühne ging, soll dass dort Filme wirklich gefeiert wer- im November nun das Internationale Kurz- den und der rote Teppich höchstens filmfestival Landau in seiner regulären Form als ironisches Zitat ausgerollt wird. steigen. Das heißt, dass Filmemacher*innen Insgesamt sechs Preise, mit 250 aus aller Welt die Möglichkeit bekommen, bis 500 Euro dotiert, gibt es für die ihre Kurzfilmwerke in der südpfälzischen Filmemacher*innen zu gewinnen. Stadt zu zeigen. Acht Tage lang präsentiert das La.Meko-Team im Kinocenter Universum La.Meko – Internationales Kurzfilm einen „sorgfältig arrangierten Mix aus Un- festival Landau, 01.–07.11.2020, terhaltung und kultureller Herausforderung Kinocenter Universum, Landau, quer durch alle Filmgenres“. Und wer schon www.lameko.filmfestival-landau.de 12
Kulturregion Join the „Etwas Neues aus- probieren“ conversation! Building Conversation Rhein-Neckar. Satte 4.400 Sätze sagen wir im Schnitt täglich. Rund acht Milliarden Wörter nutzen wir während unseres Lebens, fünfmal mehr lesen und hören wir. Unsere Kultur basiert auf Konversation und Sprache. Aber wie sprechen wir? Wie gehen wir mit Wörtern um? Wie schlau, aggressiv oder liebevoll sind wir, wenn wir im Gespräch sind? Genau darum geht es bei dem vom gleich- namigen internationalen Künstlerkollektiv entwickelten Format „Building Conversation“, Robert Gaa ist der neue Nachtbürger- das aus einem Repertoire von angeleiteten „Gesprächen“ besteht und einen geschützten meister Mannheims. Ein Gespräch Raum für Kommunikation schafft. Ein Setting über Kneipen, Clubs und Nachtkultur mit wenigen Regeln, inspiriert von Kommunika in Zeiten von Corona. tionstechniken aus aller Welt – von den Inuit Robert, du trittst dein Amt in einer Zeit an, in der das und Maori bis hin zu Theorien aus der Quan- Nachtleben ziemlich brachliegt. Hat ein Night Mayor tenphysik –, lädt dazu ein, miteinander in Kon- dann überhaupt etwas zu tun? takt zu kommen. So basiert etwa „Gemeinsam Ganz brach liegt es ja nicht, die Bars haben immerhin wieder denken – ein Experiment“ auf einer These von geöffnet. Aber natürlich betrifft es mich als Ansprechpartner, David Bohm. Der amerikanische Quantenphysi- wenn Clubs nicht öffnen dürfen. Denn die Betreiber*innen rufen gerade laut um Hilfe – und da liegt es auch am Nacht- ker ist überzeugt davon, dass unser Denken bürgermeister, gemeinsam mit den anderen zuständigen immer mit dem Denken anderer verbunden ist. Stellen nach Lösungen zu suchen. Das „Unmögliche Gespräch“ wiederum lehnt sich an eine Praxis der Jesuiten an, bei der Mit welchen Sorgen und Erwartungen treten die Betrei- ber*innen an dich heran? die am Gespräch Teilnehmenden zunächst Die Existenzängste in der Szene sind schon groß. Viele sagen ihre Gedanken aufschreiben und dann laut mir, dass sie das nächste Jahr nicht überleben, wenn sich vorlesen. nicht etwas Grundlegendes ändert. Aber ihnen ist natürlich Nachdem Building Conversation bereits auch bewusst, dass ich in dieser komplexen Situation kein beim Demokratiefestival HAMBACH! 2018 zu Heilsbringer sein kann – da müssen sich alle Akteure aus Poli- tik und Wirtschaft gemeinsam an einen Tisch setzen. Denn die Gast war, wird das Format nun als Teil von schönsten Konzepte bringen nichts, wenn sie am Ende doch Matchbox, dem wandernden Kunst- und Kul- nicht mit den Corona-Auflagen in Einklang zu bringen sind. turprojekt, in verschiedenen Kommunen der Kulturregion Rhein-Neckar Station machen. Be- Nachtkultur lebt von Nähe, Lockerheit und kollektiven Erlebnissen. Kann so etwas in Zeiten einer Pandemie gleitet werden die einzelnen Building-Conver- überhaupt funktionieren? sation-Performances durch geschulte Guides. Natürlich wollen die Besucher*innen bei Punkkonzerten zum Wegen Corona hat das Künstlerkollektiv auch Beispiel nicht mit zwei Metern Abstand auf dem Boden sitzen. digitale Varianten erarbeitet. Der Grundge Aber vielleicht ist es auch Zeit, etwas Neues auszuprobieren. Wir haben in Mannheim viele ungenutzte Industrieflächen, danke bleibt aber die unmittelbare Begegnung, auf denen sich Abstandsregeln für Veranstaltungen viel das Gespräch von Angesicht zu Angesicht. leichter umsetzen lassen als in kleinen Clubs. Es wäre sicher schon ein Fortschritt, wenn wir solche Freiflächen unbüro- Building Conversation – Performances, kratisch für Nachtkultur erschließen könnten. Oft scheitern 24. & 25.10.2020, Neustadt/Weinstraße. Genehmigungen aber schon an den logistischen Auflagen. Meine Hoffnung wäre, dass man die Genehmigungspraxis da Anmeldung unter matchbox@m-r-n.com etwas vereinfachen könnte. Solche Projekte wären auch über (die Teilnahme ist kostenlos), Corona hinaus spannend, um aufstrebenden Künstler*innen www.matchbox-rhein-neckar.de und Veranstalter*innen noch mehr Möglichkeiten zu bieten. 13 Kulturmagazin 03/20
Ausstellungen Asche und Im Ausland gefeiert, hierzulande lange missverstanden, hat Anselm K iefer mittlerweile auf der ganzen Welt eine glühende Anhängerschaft. Wuchtig, sperrig und nicht so leicht zu vergessen sind Kiefers Werke. Ab November wid- met ihm die Kunsthalle Mannheim eine Sonderausstellung. Palmen im Museum – Kiefers Werke bieten ein Arsenal an Bezügen zu Literatur, Mythologie und Religion. Wie hier in der Installation „Palmsonntag“, die zum ersten Mal in Deutschland zu sehen sein wird. 14
Kunsthalle Mannheim Blei Dass Kiefer zu so großem Ruhm gelangen w ürde, Momentaufnahme – war zu Beginn seiner Karriere keineswegs abzusehen. Anselm Kiefer in einem seiner Er wird im März 1945, kurz vor Ende des Zweiten französischen Weltkriegs, in der südbadischen Provinz in Donau Ateliers. eschingen als Sohn des Kunstpädagogen und Wehr- machtsoffiziers Albert Kiefer in einem Luftschutz- keller geboren. Diese Herkunft prägt ihn – die tabulose Beschäftigung mit Weltkrieg und Holo caust zieht sich durch sein Werk. Und damit wird er zunächst grundlegend missverstanden: Als Kiefer nach seinem Kunststudium in Karlsruhe 1969 seine Abschlussarbeit „Besetzungen“ präsentierte, löste er einen Skandal aus: Die Fotografien zeigen den Künstler in der Uniform seines Vaters an bedeu- tungsgeladenen Stätten in Europa, wo er mit Hitler- gruß posiert. Was als persönliche kritische Ausein- andersetzung mit der NS-Vergangenheit gemeint ist, bringt ihm den Vorwurf des Neo-Faschismus ein. Verteidigt wird Kiefer unter anderem von Joseph Beuys, den er als Mentor sieht, mit dem er sich über seine Kunst austauscht und mit dem Kiefer die Lei- denschaft für einfache und archaische Materialien teilt. In den 1980er-Jahren gelingt Kiefer der inter- nationale Durchbruch, er stellt auf der Biennale di Venezia aus und bei einer Ausstellungsreihe in den USA. Im Jahr 2015 widmet das Centre Pompidou › Neuneinhalb Meter hoch, mehr als fünf Meter breit Anselm Kiefer eine der größten Retrospektiven in und 2,75 Tonnen schwer dominiert das monumentale der Geschichte des Hauses. Der Künstler selbst lebt Werk „Sefiroth“ das Atrium der Kunsthalle Mann- heute in Frankreich. heim. Seit der Eröffnung des Neubaus ist es eines der zentralen und prägenden Werke des Hauses. Eine zer- Die Mannheimer Schau zeigt – inklusive „Sefiroth“ – klüftete Landschaft – bestehend aus dick aufgetrage 19 großformatige, mehrdimensionale Bilder und nen Farbschichten, aus Erde, Blei und Steinen, die Skulpturen aus drei wichtigen Schaffensphasen an Metalldrähten über der Fläche schweben – bildet Kiefers. Aus den f rühen, den internationalen Erfolg einen dunklen Kontrast zu dem lichtdurchfluteten, prägenden Jahren im Odenwald zwischen 1971 bis weißen Raum. Der Mann hinter diesem kolossalen 1993 ist das Monumentalwerk „Die große Fracht“ Meisterwerk ist Anselm Kiefer, einer der berühmtes- (1981/1996) zu sehen. Titelgebend dafür ist das ten deutschen Künstler der Nachkriegszeit. gleichnamige Gedicht der Schriftstellerin Ingeborg 15 Kulturmagazin 03/20
Ausstellungen Kunsthalle Mannheim Die im Rahmen der Ausstellung zu sehenden Werke stammen aus der Sammlung des im Mai 2019 ver- storbenen Duisburger Bauunternehmers Hans Gro- the, der eine der weltweit größten Sammlungen mit Bachmann. Solche Einflüsse sind häufig im Werk Werken von Anselm Kiefer zusammengetragen hat. Kiefers. In den ersten Jahren seiner Karriere arbeitet Als Teil der Sonderausstellung, die ansonsten in den er in einem alten Schulhaus im Ort Hornbach im weitläufigen Galerien im Erdgeschoss zu sehen ist, Odenwald. Der Dachboden dieses Hauses hält in wird im zweiten Stock der Kubus 6 neu inszeniert. v iele Arbeiten Einzug und wird zum symbolischen Hier zeigt die Kunsthalle permanent Werke der Kiefer- Ort der Auseinandersetzung mit deutscher Kultur Sammlung Grothe, die seit 2017 in der Kunsthalle und ihren Geistesgrößen in all ihrer Zwiespältigkeit. Mannheim als Dauerleihgabe beheimatet sind: Ab November 2020 wird dann die raumgreifende Skulp- Die Kunsthalle zeigt einen Querschnitt durch das im tur „Der Verlorene Buchstabe“ (2011–2017) im Zent- wahrsten Sinne des Wortes schwergewichtige Werk rum des Raumes stehen. ‹ des Künstlers – von seiner Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte über die Beschäftigung mit dem Judentum bis zu den Medien der Erinnerungs- kultur. Nicht nur durch ihre reine Größe, auch durch ihre Materialität – zu Kiefers Lieblingswerkstoffen gehören Asche und Blei – üben die Werke eine beson- dere Faszination aus. Ein besonderes Highlight bildet dabei das 14 Meter große Werk „Palmsonntag“, das zum ersten Mal in Deutschland zu sehen sein wird. Die großen, offenen Räume des Mannheimer Neubaus sind ideal für die monumentalen Arbeiten, die hier ihre volle Kraft entfalten können. Mit dem gigantischen Werk greift Kiefer, wie häufig in seiner Arbeit, biblische T hemen auf und spannt den Bogen vom Alten zum N euen Testament. Er rückt die kulturhistorische Macht je- nes Moments, als Jesus in Jerusalem einreitet, in den Ausstellungsraum. Die Palme liegt als Ganzes quer im Raum und ist umgeben von einem Bilderfries aus getrockneten und mit Gips überarbeiteten Pflanzen- teilen. Die Monumentalität der Installation des Bau- mes erinnert zugleich an das liegende Kreuz und da- mit an die Idee der Auferstehung. Anselm Kiefer Termin – 13. November 2020 bis 06. Juni 2021 Ort – Kunsthalle Mannheim Internet – kuma.art Spiel mit Materialien – Kiefer verwendet archa- ische Materialien, wie Blei, Gips und getrocknete Pflanzen, bei „Die große Fracht“ (links) und der Installation „Frauen der Antike“ – beides Dauer- leihgaben der Sammlung Grothe. 16
TECHNOSEUM Einfach mal ab- schalten Strom kommt aus der Steckdose – oder? In der Ener- gie-Ausstellung im TECHNOSEUM erfährt man nicht nur, wie Elektrizität und Wärme aus den unterschiedlichsten Energiequellen gewonnen werden, sondern auch, wie groß der Aufwand ist, damit Energie bei uns heute immer und überall verfügbar ist. Und da hält die Ausstellung einige Überraschungen parat. Wussten Sie zum Beispiel, dass man für eine Tasse heißen Kaffee in etwa so viel Energie wie für gut drei Stunden Beleuchtung mit einer 10-Watt-Lampe verbraucht? Oder dass knapp 98 Prozent der Ener- gie, die ein Smartphone benötigt, bei seiner Herstellung und Ent- sorgung anfallen? Wer sich also nicht alle zwei Jahre ein n eues Mobiltelefon zulegt, sondern sein Gerät länger nutzt und auch mal reparieren lässt, trägt dazu bei, dass weniger CO 2 in die Atmosphäre geblasen wird – und schont damit Umwelt und Klima. Wenn wir unsere Gewohnheiten nur ein wenig ändern, kann man auch anderen Klimakillern ordentlich zu Leibe rücken. Blättern Sie um und erfahren Sie vier erstaunliche Fakten zur Klimarettung! Energie erleben Ort – TECHNOSEUM Öffnungszeiten – täglich 9–17 Uhr, am 24. und 31.12. geschlossen Internet – www.technoseum.de 17 Kulturmagazin 03/20
Ausstellungen Eine heiße Tasse Tee gefällig? Wasserkocher füllen Ein Föhn gehört heute wie selbstverständlich in und anschalten. Doch halt, der Tee schmeckt auch jeden Haushalt, selbst wenn die Mitglieder der Umwelt besser, wenn wirklich nur die 250 Milli unkomplizierte Frisuren und moderate Haar liter Wasser für einen Becher erhitzt werden und längen tragen. Dabei ginge es auch anders. nicht ein ganzer Liter. Die Haare an der Luft trocknen statt föhnen: Nur so viel Wasser erhitzen, wie wirklich nötig: –11 Kilogramm CO2 pro Jahr –13 Kilogramm CO2 pro Jahr T-Shirt statt Pulli? Wer sich zu Hause auch im tiefsten „Wie kann ich dir helfen?“ Siri, Alexa und Co. sind Winter nur bei lauschigen Sommertemperaturen wirklich unermüdlich, wenn es darum geht, uns das wohlfühlt, wird zum Klimasünder. Denn jedes zusätz Leben noch leichter zu machen. Der Haken dabei: Die liche Grad Celsius sorgt für bis zu sechs Prozent mehr Sprach-Assistenten sind wahre Energiefresser! Ver- CO2 -Ausstoß. Heizen ist der mit Abstand größte Energie- netzte Geräte sind nämlich immer im Stand-by-Modus fresser im Haushalt. Im Hinblick auf die Klimaziele liegen und verbrauchen deshalb auch ständig Energie. in diesem Bereich mit die größten Einsparpotenziale. Auf Siri, Alexa & Co. verzichten: Zimmertemperatur um ein Grad senken: –123 Kilogramm CO2 pro Jahr. –6 Prozent CO2 pro Jahr 18
TECHNOSEUM Miträtseln und Das hellste Licht am gewinnen! Baum – das Energie-Quiz Schreiben Sie die Buchstaben neben denjeweils richtigen Antworten in die Kästchen des Lösungs- worts und schicken Sie die Lösung bis 30. Ok- tober 2020 per E-Mail an info@technoseum. de mit dem Betreff: Energie-Quiz. Unter allen Einsendungen verlosen wir 3 x 2 Eintrittskarten für das TECHNOSEUM. Wie lang ist die durchschnittliche 1. Lebensdauer eines Leih-E-Scooters? Energie- T S 4 Wochen 3 Monate U P 1 Jahr unbegrenzt geladen In der Ausstellung sind nicht nur historische Staub- sauger, Bügeleisen und Kochherde zu sehen, sondern Welche Pflanze wird in Städten gezielt 2. auch ein sechs Meter hoher Strommast und die 112 Jahre gepflanzt, um Feinstaub zu reduzieren? alte und noch funktionstüchtige Dampfmaschine des R Efeu L Basilikum Museums, die regelmäßig vorgeführt wird. Mit ihren A Eukalyptus T Moos 13 Metern Länge und 80 Tonnen Gewicht kam sie auf eine Leistung von ca. 550 Kilowatt – das entspricht in etwa zwei Oberklasse-Automotoren. Nicht fehlen dür- Wann wurde der erste Wasserkocher 3. fen kuriose Objekte wie das von Konrad Adenauer er- der Öffentlichkeit vorgestellt? fundene, von innen beleuchtete Stopf-Ei oder wertvol- le Archivalien wie ein Original-Manuskript von Albert R 1893 auf der Weltausstellung in Chicago Einstein. Ein zentrales Thema ist der gesellschaftliche E 1923 auf der Manchester Expo Wandel: So werden ab den 1950er-Jahren Haushalts- D 1952 auf der IFA Berlin geräte zunehmend elektrisch und die Hausarbeit be- M 1965 auf dem Salon de la Maison in Paris ansprucht weniger Zeit. So manche Hausfrau kann noch zusätzlich einem Beruf nachgehen, was indirekt zur Emanzipation beiträgt. Die A usstellung zeigt aber An welchem Naturphänomen orientiert sich 4. auch, wie sich die sich stetig ausweitende Energie das Funktionsprinzip von Staubsaugern? erzeugung aus fossilen Energiequellen auf Klima und X Strudel A Orkan Umwelt auswirkt. Sinnbild dafür ist als Exponat ein B Tsunami O Wirbelsturm vom sauren Regen zerfressenes Ziertürmchen des Ul- mer Münsters. Wie weit wird im Schnitt pro Tag auf 5. In Betrieb – Auf satte 550 Kilowatt Leistung kommt die einem Smartphone gescrollt? historische Dampfmaschine des TECHNOSEUM. K 7 Meter M 173 Meter U 73 Meter D 371 Meter Das Lösungswort, eine Form der Energie, lautet: 1 2 3 4 5 Dieses Quiz können Sie auch im TECHNOSEUM spielen – mit noch mehr Fragen und auch ge- gen andere Besucher*innen. 19 Kulturmagazin 03/20
Ausstellungen Ein höllisches Vergnügen „Die Karikatur ist eine Waffe des menschlichen Geistes“ – Mit wenigen Strichen kommentiert Dürrenmatt die Diskussion, ob die Schweiz über Atomwaffen verfügen sollte. Friedrich Dürrenmatt hat nicht nur Weltliteratur Fast tausend dieser Arbeiten hat das ges chrieben. Der Schweizer Centre Dürrenmatt, das vor 20 Jahren im Schriftsteller war auch ein früheren Wohnhaus des S chriftstellers begabter und humorvoller in Neuchâtel eröffnete, für die Nachwelt Zeichner. Zu seinem auf bewahrt. Zu Dürrenmatts 100. Ge- 100. Geburtstag stellt burtstag gewährt das Kurpfälzische Mu- das Kurpfälzische Museum seum einen Einblick in diese Sammlung seine Karikaturen aus. – mit rund 100 Exponaten aus dem Be- stand des Centre Dürrenmatt und aus Privatbesitz. Kuratiert wurde die Schau von Régine Bonnefoit von der Universität › Er zeichnete auf Bierdeckel, Speisekar- Neuchâtel. „Für Heidelberg als U NESCO ten und Wein-Etiketten. Mit schnellem, City of Literature bietet sich diese Aus- sicherem Strich skizzierte er seine Figu- stellung geradezu an“, freut sichJ osua ren und Motive: Literaturkritiker mit Walbrodt, Kurator der Graphischen Eierköpfen und akkuratem Seitenschei- Sammlung des Kurpfälzischen M useums. tel zum Beispiel, die ihre Füllfederhalter wie Speere führen. Friedrich Dürren- Dürrenmatts Karikaturen sind ein höl- matt war ein Meister der Groteske und lisches Vergnügen. Sie werden von dick- hatte die Gabe, Paradoxes mit beißender felligen Göttern, Teufeln, Päpsten und Ironie ins Lächerliche zu ziehen – nicht Nonnen mit Engelsflügeln bevölkert und nur in seinen Romanen und Theaterstü- geißeln auch konkrete Missstände, wie cken, sondern auch in seinem bildne- den österreichischen Glykolwein-Skan- rischen Werk. Jenes ist, anders als sein dal in den 80er-Jahren oder die Mirage- literarisches Schaffen, jedoch kaum be- Affäre in den 60er-Jahren, als die Schweiz kannt, obwohl Dürrenmatt bis zu seinem Jagdbomber zu überteuerten Preisen be- 25. Lebensjahr zwischen der Malerei und stellte. Immer wieder gerieten seine eid- der Schriftstellerei hin- und hergerissen genössischen Landsleute ins Visier von war. Und auch nachdem er sich für die Dürrenmatts Spott. Kritisch hinterfragte Literatur entschieden hatte, blieben seine er Themen wie Freiheit, Neutralität und Zeichnungen, Gemälde und Karikaturen Patriotismus. Dennoch mochte er seine für sein kreatives Schaffen elementar. Sie Landsleute. „Ich bin gerne Schweizer“, seien keine Nebenarbeiten, so Dürren- beteuerte der in einem Dorf im Emmen- matt, sondern Schlachtfelder, auf denen tal geborene Dürrenmatt. Die Diskus- sich seine schriftstellerischen Kämpfe sion, ob die Schweiz Atombomben her- abspielten. stellen soll, kommentierte der streitbare Intellektuelle mit der bildnerischen Bot- schaft „Zorniger Schweizer Atombomben werfend“: ein kantiges Männchen, mit den Armen eine Bombe über dem Kopf haltend, bereit sie loszuschleudern. 20
Kurpfälzisches Museum Heidelberg Friedrich Dürrenmatt – Karikaturen Termin – 18. Oktober 2020 bis 07. Februar 2021 Ort – Kurpfälzisches Museum Heidelberg Internet – www.museum-heidelberg.de Die in deutscher und französischer Spra- che gestaltete Ausstellung gliedert sich in mehrere Werkgruppen. Ausgangspunkt sind frühe Zeichnungen, die D ürrenmatt als Student während seiner Philosophie- Vorlesungen in Bern anfertigte. Auf in- zwischen vergilbten Ringbuchblättern mit eingerissenen Löchern skizzierte er Philosophen wie Gadamer oder Nietzsche, nicht, wie sie wirklich aussahen, sondern nenstücken Skizzen, Zeichnungen und wie er sie sich vorstellte. „Sein Professor Karikaturen angefertigt. „Es ist konge- hielt ihn für seinen fleißigsten Schüler, nial, wie er die Figuren comichaft und weil er immer mitschrieb. Doch tatsäch- karikaturesk darstellt und verschiedene lich produzierte er solche Karikaturen“, Perspektiven einnimmt“, schwärmt Wal- verrät Walbrodt. T eilweise notierte Dür- brodt. Diesen Arbeiten widmet die Aus- renmatt neben den Porträts allerdings stellung ein ganzes Kapitel. Einen regi- komplexe philosophische Inhalte, was onalen Bezug stellt sie mit Dürrenmatts zeigt, dass er trotz der Zeichnerei den letztem Theaterstück „Achterloo“ her. Es Ausführungen folgte. wurde 1988 bei den Schwetzinger Fest- spielen aufgeführt und ist in einer Video- Scharfzüngig kommentierte der Sohn präsentation zu sehen. Ebenso spekta- eines Pastors sowohl in seinem bildne- kulär ist das Fresko mit bunten Fratzen. rischen als auch in seinem literarischen Damit malte der Multikünstler seine Absurd, literarisch und (selbst-) Œuvre alles Religiöse. „Bedeutsam war ironisch – „Nobelpreisträger mit Toilette aus und bezeichnete sie als Six- das – bei aller geistigen Weite – auch Trauerkränzen“ (oben), „Faust im tinische Kapelle. Was zeigt: Dürrenmatts Studierzimmer“ (links unten) oder Ironie machte auch vor seinen eigenen ein Selbstporträt mit „Midas-Oh- intimsten Bereichen nicht halt. ‹ ren“ (rechts unten). sehr beengende Elternhaus mit der über- mächtigen Figur des Vaters, dem Glauben, den strengen moralischen und sexuellen Tabus“, beleuchtete der Schweizer Psy- chiater und Begründer der Affektlogik Luc Ciompi den familiären Hintergrund Dürrenmatts. Schon dessen erstes Thea- terstück „Es steht geschrieben“ von 1947 brandmarkt mit grotesken und komödi- antischen Mitteln die religiöse Sekte der Wiedertäufer. Die Züricher Uraufführung entwickelte sich wegen des als blasphe- misch angesehenen Inhalts zum Theater- skandal. Dürrenmatt hat das deutschsprachige Theater in der Nachkriegszeit maßgeb- lich geprägt und zu allen seinen Büh- Xxx – Xxx Genienemquae pra sequae volore ventiberae natium que proruptis as ab i 21 Kulturmagazin 03/20
Ausstellungen von unterwegs Bilder Fotos mit PS – Der Fotograf Jörg Brüggemann nimmt mit auf die deutsche Autobahn. Fotografie und Urlaub gehören untrennbar zusammen. Fast noch schöner als die Urlaubsstunden selbst sind aber die Fotos, mit denen es sich in Erinnerungen an unbeschwerte Stunden und exotische Ziele schwelgen lässt. Für alle, die im Corona- Jahr das Fernweh packt, präsentieren die Reiss-Engelhorn-Museen gleich zwei neue Foto-Ausstellungen, die aus der Stadt entführen. 22
Reiss-Engelhorn-Museen › „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn / Die Fahrbahn ist wohlhabenden Europäern, die sich in der zweiten Hälfte des ein graues Band / weiße Streifen, grüner Rand“, sang die Band 19. Jahrhunderts auf den Weg machten, um die Welt zu erkun- Kraftwerk in ihrer musikalischen Ode an die deutsche Straßen- den. Die Ausstellung folgt ihnen unter anderem nach Rom, an kultur im Jahr 1974. Auf den ersten Blick ist die Autobahn tat- den Golf von Neapel, zu den Pyramiden in Ägypten, ins Heilige sächlich nicht viel mehr als Asphalt, Markierung und Grünstrei- Land und zum Fuji in Japan. Dank der Erfindung der Fotografie fen, doch wer das graue Band unter die Lupe nimmt, erhält einen wenige Jahre zuvor konnten die neuen Reiseziele dauerhaft und tiefen Einblick in die deutsche Kultur. Ein Symbol für Freiheit wirklichkeitsgetreu festgehalten werden. und Fortschritt für die einen, für die anderen Monumente einer untergehenden Mobilitätsepoche. Dieser Symbolgehalt faszinier- Die ersten Touristen fotografierten jedoch noch nicht selbst, te auch den Berliner Fotografen Jörg Brüggemann; „wie lange sondern nahmen vor Ort die Dienste von Ateliers in Anspruch, noch?“ lautet der lakonische Titel seiner Ausstellung über das die meistens von europäischen Fotografen betrieben wurden. 13.100 Kilometer umfassende deutsche Autobahnnetz, die der- „Im Zeitalter des Massentourismus und der Digitalfotografie zeit im Museum Weltkulturen zu sehen ist. „Für sein Fotoprojekt geht von diesen frühen Aufnahmen ein besonderer Zauber aus. ist Brüggemann von 2015 bis 2019 auf den und längs der deut- Sie bestechen durch ihre Detailschärfe und sind teils kunstvoll schen Autobahnen gefahren. Durch die Jahreszeiten ist er neben handkoloriert“, erklärt Sui. Diesen frühen Aufnahmen stehen in und auf ihnen gereist und hat sie fotografiert“, erklärt Thomas der Ausstellung die Arbeiten bedeutender Fotograf*innen des Schirmböck, Leiter von ZEPHYR – Raum für Fotografie und 20. Jahrhunderts gegenüber. In ihrem jeweils ganz eigenen Stil Kurator der Schau. Entstanden ist ein halten sie nahe und exoti- bildnerisches Zeitdokument über die- sche Orte in Schwarz-Weiß sen besonderen Mikrokosmos mit End- und Farbe fest. Darunter los-Staus, Lkw-Schlangen und Straßen- befinden sich Werke be- rand-Romantik. ‹ rühmter STERN-Foto grafen, die im Auftrag des Magazins um die ganze Welt jetteten und den Bild- Jörg Brüggemann – journalimus prägten. ‹ wie lange noch? Termin – bis 06. Januar 2021 Ort – ZEPHYR zu Gast im Museum Weltkulturen D5 Internet – zephyr-mannheim.com › In Zeiten, in denen Staus und Massentourismus noch unbekannt und ferne Destinationen gutbetuchten Bürger*innen vorbehalten waren, nimmt die Schau „In 80 Bildern um die Welt“ mit. Dort sind Reisefotografien zu sehen, die die Besucher*innen quer durch die Jahrhunderte und rund um den Erdball führen. „Seit ihrer Erfindung bewahren Reisefotografien E rinnerungen und laden zum Träumen ein. Das zeigen wir mit Bildern aus dem 19. und 20. Jahrhundert – von frühen Fotopionieren über Bild Tourismus in der Kaiserzeit – Die Reiß-Geschwister ikonen der legendären STERN-Reporter bis zu Vertretern der brachten ihre Eindrücke aus aller Welt nach Mann- heim. Hier zu sehen sind eine Straßenszene in Osaka klassischen Moderne wie Henri Cartier-Bresson und Robert sowie der Golf von Neapel. Häusser“, sagt Prof. Dr. Claude W. Sui, Kurator der Ausstellung. Zu Land, zu Wasser und in der Luft steuert die Ausstellung Sehnsuchtsorte an. „Sie zeigt, wie sich das Reisen, aber auch die Fototechnik im Laufe der Zeit verändert haben.“ Die Bilder In 80 Bildern um die Welt stammen aus den umfangreichen Beständen des Forums Inter- nationale Photographie. Viele davon sind erstmals zu Termin – bis 10. Januar 2021 bewundern. Neben dem Robert-Häusser-Archiv und Ort – Museum Zeughaus C5 der zeitgenössischen Sammlung des renommierten Internet – www.rem-mannheim.de Fotohistorikers Helmut Gernsheim birgt das Forum Tipp! Mit dem „Foto-Spezial“-Ticket können Sie beide Ausstel- einen besonderen Schatz: rund 4.000 einzigartige lungen zum Sonderpreis besuchen. Das Begleitprogramm bietet Albuminpapierabzüge, die Wilhelm, Carl und Anna zudem Führungen, Lesungen, Vorträge und Künstlergespräche. Reiß von ihren zahlreichen Reisen mit nach Mann- Und unter www.blog.rem-mannheim.de finden Sie spannende heim gebracht haben. Die Geschwister der Mann- Beiträge zu den Ägypten-Reisen von Anna und Carl Reiß sowie heimer Unternehmerfamilie gehörten zu jenen zu einer Bildungsreise des Forschungsreisenden Wilhelm. 23 Kulturmagazin 03/20
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