Amt und Gemeinde - Evangelische Kirche in Österreich
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Amt und Gemeinde 68. Jahrgang, Heft 2, 2018 € 6, – Das Jahr 2017 in Österreich „Reformation verbindet“ – das Jubiläum im Burgenland Christa Grabenhofer 75 „Ecclesia semper reformanda“ Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp, Stefan Schweiger 82 Blitzlichter zum Reformationsjubiläum aus zwei niederösterreichischen Gemeinden Birgit Schiller 87 Eine Reflexion des Reformationsgedenkens anhand der Trias „Mission – Bildung – Ökumene“ Gerold Lehner 90 Fröhlich und offen – Reformationsjubiläum in Salzburg und Tirol Olivier Dantine 98 Das Jubiläumsjahr 2017 in der Steiermark Hermann Miklas 102 Die Wiener Superintendenz feiert mit „Heimvorteil“ Martina Schomaker-Engemann 109 Und weitere Beiträge Evangelischer Presseverband Herausgeber: Bischof Michael Bünker
INHALT Editorial ................................................................................................................................ 73 Charlotte Matthias / Karl W. Schwarz *** 2017 in den Superintendenzen Burgenland: „Reformation verbindet“ – das Jubiläum im Burgenland ..................... 75 Christa Grabenhofer Kärnten: „Ecclesia semper reformanda“ ............................................................................. 82 Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp, Stefan Schweiger Niederösterreich: Sternstunde und Stadtgespräch. Blitzlichter zum Reformations- jubiläum aus zwei niederösterreichischen Gemeinden ......................... 87 Birgit Schiller Oberösterreich: Eine Reflexion des Reformationsgedenkens anhand der Trias „Mission – Bildung – Ökumene“ ..................................................... 90 Gerold Lehner Salzburg / Tirol: Fröhlich und offen – Reformationsjubiläum in Salzburg und Tirol ..... 98 Olivier Dantine Steiermark: Gegeneinander – nebeneinander – MITEINANDER. Das Jubiläumsjahr 2017 in der Steiermark ................................................... 102 Hermann Miklas Wien: Die Wiener Superintendenz feiert mit „Heimvorteil“ ............................... 109 Martina Schomaker-Engemann
*** 2017 – „Reformation bewegt. 500 Jahre und ein Fest“ Kurzpredigten im „Preacher’s Corner“ – auf dem Fest am Wiener Rathausplatz am 30.9.2017 .......................................................... 117 Von Thomas Hennefeld, Klaus Lindtner, Herbert Beck, Ingrid Monjencs, Silvia Nittnaus, Manfred Sauer *** Christentum – Judentum Luther und die Juden .................................................................................................. 128 Barbara Rauchwarter Kurt Müller – mutiger Anwalt der Verfolgten ................................................. 136 Predigt von Thomas Hennefeld *** Rezension Ljuba Arnautović: Im Verborgenen (Roman) .......................................................................................... 141 Karl W. Schwarz *** Anhang Autor*innen ........................................................................................................................ 143 Impressum .......................................................................................................................... 144
DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH Editorial IN diesem Heft von Amt und Ge- meinde setzen wir unsere Bilanz des Jubiläumsjahres 2017 mit kurzen Be- 70–80 % auch die evangelische Ausstel- lung besucht haben dürften), in Murau, Fresach, Hermagor, Rutzenmoos, Wie- richten aus den Superintendenzen fort. Es ner Neustadt, Sankt Pölten, Schloss Tirol ist spannend über die vielfältigen Aktivi- bei Meran und in zahlreichen weiteren täten in ganz Österreich zu lesen, die alle Orten. Allein in der Steiermark gab es ein erfreuliches Spektrum reformatori- acht Ausstellungen zum Thema in Lan- scher Gegenwartsdeutung in zahlreichen des-, Bezirks- und Privatmuseen, ähnlich Veranstaltungsformen mit unterschiedli- in Wien (Bezirksmuseen und andere). chen Schwerpunkten geboten haben. Ge- Hervorzuheben ist das Museumsdorf feiert wurde allerorts regional, gesamt- Niedersulz, wo 44.889 Besucher*innen kirchlich und europäisch (u. a. auf dem nicht nur die Geschichte der Evange Stationenweg und in den Städten der Re- lischen, sondern auch die der Täu- formation): zentral und regional. fer wahrgenommen haben. Noch nie Das Jubiläum 500 Jahre Reformation wurde so viel über unsere Kirche, über in Österreich hat eine beeindruckende Geschichte und Gegenwart des Protes- öffentliche Präsenz entfaltet. Generell tantismus in diesem Land geschrieben ist die Neugier an der Geschichte des und geredet, diskutiert und gestritten. Protestantismus und der Evangelischen Noch nie wurde der Protestantismus als in Österreich gewachsen. Es hat sich ge- kultureller Faktor in einem solchen Aus- zeigt, dass die vielen Ausstellungen ein maß registriert. Und es war auch ein au- zentrales Medium im Jahr 2017 waren. ßerordentliches Jahr für die Ökumene, Durch sie konnte das Interesse an der für das Miteinander der Kirchen im – weithin nicht bekannten – Geschichte Horizont der Charta Oecumenica. des Protestantismus in Österreich ganz Durch die vielen Veranstaltungen und besonders geweckt und Identität gestärkt Ausstellungen konnten 2017 zahlreiche werden. Zu nennen sind neben der Wiener Menschen niederschwellig angesprochen Ausstellung jene in Graz, Villach, Steyr, werden. Neue Veranstaltungsformen – Salzburg, Bregenz, Eisenstadt, Feldkirch, auch im öffentlichen Raum – sind auspro- auf der Schallaburg (dort waren gesamt biert worden, das ist ermutigend! 88.620 Besucher*innen, von denen Amt und Gemeinde 73
Die Reformation geht weiter … zwischen Christentum und Judentum in ihrer Verschränktheit und ihrer wechsel- Von der 2017 entstandenen Stimmung seitigen Wirkungsgeschichte. können Evangelische heute zehren und „Das Heil kommt von den Juden, es sie als Auftakt sehen für die Planung spi- kommt wirklich von den Juden …“, so pre- ritueller Angebote in Kirche und Öffent- digte der reformierte Pfarrer Kurt Müller lichkeit, mit denen sie ihren Glauben und in Nazideutschland. Landessuperinten- ihre Geschichte in bewährten und neuen dent Thomas Hennefeld erinnerte in sei- Erlebnisräumen erfahrbar machen. ner Predigt über Galater 3,6-14, die sie in Ein immer wiederkehrendes Thema diesem Heft nachlesen können, an diesen des Jubiläumsjahres war auch die kriti- mutigen Anwalt für die Juden. sche Rückfrage nach Luthers Haltung Eine Rezension von Karl W. Schwarz gegenüber den Juden. Selbst wenn sein über den kürzlich erschienenen Debüt- „Antisemitismus“ sich kaum von demje- Roman „Im Verborgenen“ von Ljuba nigen seines Zeitgenossen und theologi- Arnautović lädt zur Lektüre dieses Bu- schen Kontrahenten Erasmus von Rotter- ches ein. Auch hier steht eine mutige Frau dam unterschied, lieferten seine Aussagen – die stille Heldin Genofeva – im Mittel- wegen ihrer fatalen Wirkungsgeschichte punkt. Die Autorin erzählt die Geschichte im 20. Jahrhundert eine beachtliche ihrer Großmutter, die 1944 Sekretärin im Projektionsfläche für antilutherische Evangelischen Oberkirchenrat A. B. war Ressentiments. Barbara Rauchwarter und in der Kanzlei – in der sich auch ihre erörterte in ihrem Vortrag in Stockerau Wohnung befand – jüdische Mitbürger (30. April 2017) Luthers Sündenfall – versteckte. Ein Stück Zeitgeschichte pa- nicht nur an Hand der bekannten Schrift ckend und unsentimental erzählt! „Von den Juden und ihren Lügen“ (1543), Die Redaktion von Amt und Gemeinde sondern an der noch schrecklicheren wünscht Ihnen, liebe Leserin, lieber Le- Hetzschrift „Vom Schem Hamphoras“ ser, nun eine anregende Lektüre und einen aus demselben Jahr. Mit Wolfgang Stege- erholsamen Sommer 2018. mann plädiert sie für ein gründliches theo- logisches Nachdenken über das Verhältnis Charlotte Matthias / Karl W. Schwarz 74 Amt und Gemeinde
DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH „Reformation verbindet“ – das Jubiläum im Burgenland 500 Jahre Reformation – die vielfältigen Überlegungen, wie denn so ein überwältigendes Jubiläum gebührend gefeiert werden könnte, waren noch gar nicht abgeschlossen, da begannen kreative Köpfe bereits konkret zu denken und zu planen. Von Christa Grabenhofer N ach und nach entstanden Ideen, deren Umsetzung man sich zunächst gar nicht vorstellen konnte. Auf verschiede- I. Gesamte Superintendenz Das größte Fest der Evangelischen im nen Ebenen entstanden Projekte, von der Burgenland ist das jährliche Gustav- einzelnen Pfarrgemeinde bis zur gesam- Adolf-Fest, das 2017 in einer Pfarrge- ten Diözese. meinde mit besonderer evangelischer Tra- dition gefeiert wurde: in Oberschützen. I. Gesamte Superintendenz Nicht nur ist Oberschützen eine Toleranz- II. Ökumene gemeinde, sondern es hat auch seit der III. Grenzüberschreitende Mitte des 19. Jahrhunderts ein evangeli- Veranstaltungen sches Schulwerk, das von Gottlieb August IV. Regionale Veranstaltungen Wimmer, dem damaligen langjährigen V. Veranstaltungen in den Pfarrer der Gemeinde, begründet wurde. Pfarrgemeinden Als Schulzentrum mit dem evangelischen Amt und Gemeinde 75
Schulwerk (dem heutigen Wimmer-Gym- Die Superintendentialversammlung nasium), dem Bundesgymnasium, den fand wie das Gustav Adolf-Fest in einer Pflichtschulen und dem Musikinstitut Toleranzgemeinde statt: in Stadtschlaining. Oberschützen der Musikuniversität Graz Auch dabei wollte man mit der Wahl des ist die Pfarrgemeinde ein Beispiel für Ortes die historische Bedeutung betonen. einen pulsierenden Ort, der sich seiner Ein besonderer Höhepunkt wurde mit reichhaltigen Geschichte bewusst ist. Ge- einer Sonderausstellung im Burgenlän- rade deshalb war das Gustav Adolf-Fest dischen Landesmuseum in Eisenstadt im Jubiläumsjahr dort am richtigen Platz. gesetzt: „Ein Christenherz auf Rosen Hervorragende musikalische Darbietun- geht … 500 Jahre Reformation im gen beim Festgottesdienst konnten die Burgenland“. Ein sehr ambitioniertes ca. 1500 BesucherInnen von den Chören Projekt, das der Direktor des Landes- und dem Bläserensemble des Wimmer- museums, Mag. Gert Polster, initiierte, gymnasiums sowie der Kantorei hören. kuratierte und umsetzte. Die Idee dahinter Bischof Michael Bünker predigte über war, dass einerseits jede Pfarrgemeinde den Beginn des Römerbriefes: „Denn ich des heutigen Burgenlandes mit einem Ex- schäme mich des Evangeliums nicht …“. ponat vertreten ist, dass aber andererseits Die Öffentlichkeit war vertreten durch den auch die historischen Entwicklungen der Landeshauptmann mit Landesräten und Diözese abgebildet werden sollten. Bis weiteren Persönlichkeiten. Am Nachmit- 1921 Teil der ungarischen lutherischen tag konnte Superintendent Manfred Koch Kirche hatte das damalige Westungarn auch den katholischen Diözesanbischof andere Voraussetzungen und eine andere Ägidius Zsifkovics begrüßen. Entwicklung als der Protestantismus im Eine weitere gesamtburgenländische übrigen Österreich genommen. In einem Veranstaltung war der Frauentag, der an- historischen Überblick zeigte em. Univ.- lässlich des Jubiläums in Raiding stattfand Prof. Dr. Gustav Reingrabner diese Ent- und bei dem der Konzertsaal im Lisztzen- wicklungen auf. trum vollbesetzt war. „In Freiheit und Ver- Die Gestaltung der Ausstellung und antwortung leben“ – ein typisch reforma- des informativen und schönen Kataloges torisches Motto, das von einigen Frauen in folgte einem stimmigen Farb- und Licht- einer Podiumsdiskussion ins Heute geholt konzept, das aufbauend auf dem Gedan- wurde, als sie darüber diskutierten, wie ken des Abendmahlstisches, wie er auf Freiheit und Verantwortung zum Gelin- Reformationsbildern zu sehen ist, die Ex- gen guter Beziehungen beitragen können. ponate in Szene setzte. Der Bezug zum Reformationsfest war Das große Interesse an der Ausstel- auch durch eine Lesung über Katharina lung, für die als Leitsymbol die Luther- von Bora nach einem Text von Fabian Vogt rose gewählt wurde, zeigte sich bereits bei („Wenn Engel lachen“) gegeben. der Eröffnung: Bischof Michael Bünker, Synodenpräsident Peter Krömer, Minis- 76 Amt und Gemeinde
terialrat Karl Schwarz waren angereist, den Predigten zu Themen, die in Gottes- Superintendent Manfred Koch mit den diensten vergangener Zeiten aktuell wa- Vertretern der Diözese und den Gemein- ren, prägten diese Reihe. den, Gäste aus dem ganzen Burgenland Acht Epochen wurden über das Jahr und aus Ungarn. Kulturlandesrat Helmut verteilt alle zwei Monate an Samstagen Bieler nahm die Eröffnung vor. und Sonntagen vorgestellt, sodass an ei- Das Begleitprogramm bildeten drei nem Wochenende abwechselnd in einer Vorträge: Gemeinde im Norden und einer im Süden • „500 Jahre Reformation im Burgen- des Landes der gleiche Gottesdienst ge- land“ (Gert Polster) feiert wurde, am Samstagabend und am • „Was blieb von der Reformation in Sonntagvormittag. Westungarn?“ (Gustav Reingrabner) Die mitwirkenden PfarrerInnen und • „Frauen der Reformation – Frauen Chöre waren aus den burgenländischen in der evangelischen Kirche heute“ Gemeinden, die MusikerInnen, Sänge- (Christa Grabenhofer) rInnen und Instrumentalisten teilweise auch von außerhalb. Der Start war im Sep- Die Pfarrgemeinde Eisenstadt lud Kir- tember 2016 in Rust und Goberling: Am chenchöre ein, den Sonntagsgottesdienst Vorabend der Reformation. Es folgten in mitzugestalten und nach einer Einladung Neuhaus und Mörbisch: Gottesdienst zur zum Kirchenkaffee das Landesmuseum Zeit Luthers. In Deutsch-Kaltenbrunn und zu besuchen. Weppersdorf: Gottesdienst in unsicherer Als Abschluss der Ausstellung, die von Zeit. In Rechnitz und Kobersdorf: Gottes- Februar bis November geöffnet war, war dienst in barocker Form. In Oberschützen ein Chorkonzert der Family Singers aus und Nickelsdorf: Gottesdienst zur Aufklä- Rust zu hören. rung. In Zurndorf und Pinkafeld: Gottes- dienst in der Romantik. In Pinkafeld und „Gottesdienste quer Gols: Gottesdienst mit Band. In Oberwart durch die Jahrhunderte“ und Loipersbach: Mehrsprachiger Gottes- dienst mit anderen Kulturen. Die Evangelische Kirchenmusik Burgen- Diese Reihe hat den Blick auf die land, die von Diözesankantorin Mareen Entwicklung des Gottesdienstes seit der Osterloh geleitet wird, hatte anlässlich Reformation gelenkt und gezeigt, wie des Reformationsjubiläums besondere vielfältig die Gestaltung über die Jahr- Gottesdienste veranstaltet, die die Ver- hunderte bis in die Gegenwart war und ist. änderungen in Musik, Text und Liturgie Ein stimmiges Gesamtkonzept und eine im Laufe der Jahrhunderte zeigten. Wie Herausforderung für die Mitwirkenden, haben sich Gottesdienste seit Luther ent- aber ein besonderes musikalisches und wickelt? Originale Texte und Musik aus spirituelles Erlebnis abseits der gewohn- den jeweiligen Epochen, auch Bezüge in ten Gottesdienste! Amt und Gemeinde 77
Die beiden Großveranstaltungen in Wien, wurden symbolische Mauern errichtet der Reformationsball und das Fest auf und gemeinsam von Superintendent und dem Rathausplatz, wurden in allen Pfarr- Diözesanbischof als ein Zeichen von Ver- gemeinden beworben und von Gästen aus söhnung umgestoßen. Der Gottesdienst der gesamten Diözese besucht. begann in der katholischen Kirche und endete nach einer Prozession, bei der Glaubenskurse von beiden ein großes Kreuz mitgetra- gen wurde, in der benachbarten evange- Das Reformationsjubiläum sollte sich lischen Kirche. nicht im Feiern erschöpfen, sondern auch Superintendent Manfred Koch und Bi- die Bedeutung des Glaubens und der Bi- schof Ägidius Zsifkovics verfassten einen bel, die beide für Luther unabdingbar wa- gemeinsamen ökumenischen Osterbrief, ren, hervorheben. In allen Pfarrgemeinden in dem ebenfalls das Erbe der Reforma- wurden dazu Glaubenskurse angeboten, tion angesprochen wurde:„Viele Christin- eine Möglichkeit, in der Gruppe Glauben nen und Christen erwarten heute zu Recht, und Spiritualität – neu – zu entdecken. dass uns das Reformationsjubiläum dem Ziel der Einheit als Christen näher bringen werde. Wir dürfen diese Erwartung nicht II. Ökumene enttäuschen! Es kann im Miteinander un- serer Konfessionen nicht länger darum ge- Die Geschichte der reformatorischen Kir- hen, wer ‚Recht hat’. Nur so gelangen wir chen ist stark vom politischen und kirchli- […] zum Füreinander in jener Liebe, die chen Gegeneinander geprägt. Das wollte Christus uns aufgetragen hat […]“. man mit der 500-Jahr-Feier durchbrechen Ein gemeinsamer Besuch der Aus- und bewusst auch den Dialog mit der ka- stellung im Landesmuseum, zu dem tholischen Kirche suchen. Im Burgenland auch Mitarbeiter und Mitglieder des Su- gab es dazu einige Begegnungen, die diese perintendentialausschusses geladen wa- Haltung unterstrichen. ren, fand ebenfalls statt und mündete in Bereits im November 2016 fand in Ei- einem gemeinsamen Mittagessen. senstadt und Rust ein Treffen der Öster- Als Zeichen der Ökumene gab es im reichischen Bischofskonferenz und der katholischen Diözesanmuseum in Eisen- Evangelischen Kirchenleitung statt, das stadt eine Ausstellung über die evangeli- erste dieser Art in Österreich. Ein histo- schen Pfarrgemeinden und ihre Kirchen risches Ereignis! im Burgenland, die über das Jahr verteilt In der Gebetswoche für die Einheit der in der r.-k. Diözesanzeitung vorgestellt Christen im Jänner stand der Ökumeni- wurden: „Das Wort unseres Gottes bleibt sche Gottesdienst in Bad Tatzmannsdorf ewiglich“. Hervorgehoben waren dabei ganz im Zeichen des Reformationsjubilä- frühe Druckwerke aus der Region wie ums. In Zeiten des politischen Mauerbaus auch eine Lutherbibel aus 1575 von Hans 78 Amt und Gemeinde
Lufft. Wie bei allen Veranstaltungen war dorf wurde am Pfingstmontag direkt an auch hier der Besuch und das Medienin- der Grenze gefeiert, eine Begegnung auf teresse groß, ein Zeichen dafür, dass die Augenhöhe, mitgetragen von Superinten- Öffentlichkeit regen Anteil am Reforma- dent Manfred Koch, r.-k. Domkapitular tionsjubiläum im Burgenland nahm. Michael Wüger und dem ungarischen Bi- Im Juli fand eine diözesane Bildungs- schof Janos Szemerei. Eine Besonderheit, reise „Auf den Spuren Luthers“ nach die diese Begegnung bereicherte, war die Wittenberg und Umgebung statt. Mitgestaltung durch den Friedenschor, der Mitarbeitende und VertreterInnen der sich aus Sängern aller drei Gemeinden Öffentlichkeit lud der Superintendential- zusammensetzte. auschuss am 28. Oktober 2017 zu einem Für die Konfirmanden der Region gab Empfang in das Kulturzentrum Eisenstadt. es einen ungarisch-burgenländischen Unter dem Schlagwort „Reformation ver- Konfi-Event in Pöttelsdorf, der in Spiel- bindet“ wurde ein vielfältiges Programm stationen auch Wissen zur Reformation geboten, in dessen Zentrum ein Festvortrag vermittelte und in einem zweisprachigen von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner stand: Gottesdienst mündete. „Das Evangelium der Freiheit. Potentiale Im Sommer wurde zu einem Fest- der Reformation“. Ehrungen durch den Sy- gottesdienst im Eggenberger Haus in nodenpräsidenten, Gruß- und Dankesworte Sopron eingeladen. Zur Zeit der Gegen- des Landeshauptmannes, Klassische Mu- reformation war das Haus der verwitweten sik, Jazz, gemeinsames Singen und Essen Fürstin Eggenberg der einzige Platz, an rundeten diesen Empfang ab. dem Gottesdienste gefeiert werden durf- ten. Die Kanzel in den Arkaden im Hof ist nach wie vor erhalten. III. Grenzüberschreitende Delegierte aus Deutsch-Jahrndorf, Veranstaltungen Zurndorf, Nickelsdorf nahmen an einem Reformationsempfang sowie an einem Im Feber machte der Reformationstruck Fernsehgottesdienst im benachbarten der GEKE in Sopron / Ödenburg Station, Petrzalka-Bratislava / Pressburg teil. da Sopron eine der ungarischen Reforma- tionshauptstädte ist. Aufgrund der histo- rischen und geografischen Nähe fanden IV. Regionale sich viele Evangelische aus dem Raum Veranstaltungen Mattersburg und Eisenstadt ein, um dort dabei zu sein. Die Gemeinden Deutsch-Kaltenbrunn, Ein ökumenischer Friedensgottes- Eltendorf, Kukmirn und Neuhaus / Klb. dienst der beiden ehemals zusammen- feierten gemeinsam ein Fest auf der Burg gehörenden Pfarrgemeinden Loipersbach Güssing: „Ein feste Burg“! Vor allem und Agfalva / Agendorf sowie Schatten- konnten Interessierte dabei der Kloster- Amt und Gemeinde 79
bibliothek im Franziskanerkloster einen schrieben: Die ganze Bibel von einzelnen Besuch abstatten. Dort werden höchst Gemeindegliedern in Handschrift abge- wertvolle reformatorische Schriften und schrieben und in Leder gebunden. Ein Drucke aufbewahrt, denn Güssing war besonderes Buch, das zur evangelischen einst ein reformatorisches Zentrum. Identität beitragen wird! Fortbildungen für ReligionslehrerIn Zusätzlich gab es ein Reformations- nen und LektorInnen, zum Teil mit fest mit einem Umzug, für den die Wart- Besuch der Sonderausstellung im Lan- burg auf einen Wagen gebaut wurde – mit desmuseum, waren ebenfalls regional dem „großen“ Playmobil-Luther! Und organisiert. auf einem zweiten Wagen prangte eine Projekte im Religionsunterricht wur- riesige Lutherrose, von Frauen in unzäh- den auch regional und schulübergreifend ligen Stunden aus einzelnen Krepppapier verwirklicht. rosen angefertigt. Auch das erfolgreiche Reformations- In Loipersbach eröffnete man einen kabarett von Oliver Hochkofler und Imo Stationenweg, der die Geschichte und Ge- Trojan in Markt Allhau, Eisenstadt und genwart der Pfarrgemeinde zeigt. „Was Nickelsdorf hatte ein regionales Einzugs- die Seele braucht“ hatte der „Loipers gebiet. bacher Thesenanschlag“ zum Inhalt. Vorträge über die Reformationsge- Die Festveranstaltung in Weppers- schichte in Gemeinden des Nordburgen- dorf am 31. Oktober mit verschiedenen landes hielt Gustav Reingrabner. Christa Schwerpunkten bezeichnete den Zeitraum Grabenhofer referierte bereits im Jahr 15.17 – 20.17 und genau das war auch der 2016 in einigen Pfarrgemeinden über die Zeitrahmen: von 15 Uhr 17 bis 20 Uhr 17! „Frauen der Reformation und die Frauen In Stadtschlaining thematisierte der in der evangelischen Kirche heute“. Bildende Künstler Herbert Schügerl in einer Ausstellung in der Kirche „Köpfe der Reformation“, und am Reformations- V. Veranstaltungen in tag fand eine Gedenktafelenthüllung zum den Pfarrgemeinden 500. Jahrestag statt. Ein Lutherfest gab es in Markt Allhau, Eine Kreativität, die man vielleicht nicht einen Lutherschmaus mit Speisen aus der für möglich gehalten hätte, rief das Refor- Zeit in Deutsch-Jahrndorf. mationsjubiläum in den Pfarrgemeinden In Oberwart wurde am 31. Oktober hervor! Das hatte eine Fülle von außer- mit einem großen Reformationsfest das ordentlichen Ideen und Umsetzungen Wohnprojekt „Demenz im Zentrum“ er- zur Folge, von denen hier nur einzelne öffnet. hervorgehoben werden können. In Gols fand im Mai der Golser In der Pfarrgemeinde Pöttelsdorf Lutherlauf statt: Die Strecke nach Witten wurde das „Pöttelsdorfer Evangeliar“ ge- berg und zurück, ca. 1600 Kilometer, 80 Amt und Gemeinde
wurde als Stationenlauf zurückgelegt. unterhielten sie sich auch in einem kleinen Gemeinsam mit dem Golser Lauftreff dafür verfassten Anspiel über ihr Leben und der Politischen Gemeinde, die 800 und Luthers Bedeutung. Jahre Gols feierte, war das ein besonde- Erwin Schranz sprach im November rer Event, der sehr viele begeisterte Läu- in einem Vortrag über Luther als Refor- ferInnen und SpaziergängerInnen anzog. mator der Sprache und Kuratorin Christa Eine Modenschau mit Kleidern, die Grabenhofer schlüpfte noch einmal in die über die Jahrzehnte in der Kirche zu al- Rolle der Katharina von Bora und hielt len Anlässen getragen wurden, hatte auch in einer szenischen Lesung (Text: Chr. beim Reformationsfest auf dem Wiener Brückner) mit Musik die „Ungehaltenen Rathausplatz große Resonanz hervorge- Reden der Katharina von Bora“. rufen. Das Reformationsjubiläum im Burgen- In Eisenstadt traten Luther und Katha land war geprägt von Festen und Feiern, rina von Bora in Originalkostümen aus von ernsten und heiteren Impulsen. Eine Wittenberg beim Tauferinnerungsgottes- Bilanz, die sich durchaus sehen lassen dienst auf (Pfarrer Herbert Rampler und kann und die eine Strahlkraft – so ist zu Kuratorin Christa Grabenhofer). Dabei hoffen – auch weiterhin haben wird! ■ Amt und Gemeinde 81
DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH „Ecclesia semper reformanda“ Kunstwerk von Nadja Brugger-Isopp anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums für die Evangelische Kirche im Stadtpark Villach Von Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp, Stefan Schweiger D ie aus Annenheim stammende Kärnt- ner Künstlerin und Gewinnerin des von der Stadt Villach ausgeschriebenen nen schweren Weg weitergehen, um dann an das verheißene gute Ende zu gelangen. Im Kontext des Reformationsjubiläums Wettbewerbs anlässlich des 500-jährigen signalisieren die Stäbe in ihrer Bewegung Reformationsjubiläums hat eine raum- die dynamische Kraft des Glaubens und greifende Installation von 22 Stäben aus die frei werdende Kreativität in den Edelstahl geschaffen, die in s-förmigem Augenblicken, in denen sich Gott und Schwung auf die Kirche zulaufen und Mensch begegnen. imaginär durch sie hindurchgehen. Gott ermutigt zum aufrechten Gang, Die Stäbe symbolisieren die Verbin- zum Stehen und Widerstehen sowie zu dung von Himmel und Erde, von Gott und einem Leben in Freiheit und Verantwor- Mensch. Sie nehmen Bezug auf Jakobs tung. Die unterschiedlichen Schrägen der Traum von der Himmelsleiter aus Gen. 28, Stäbe stehen für die unterschiedlichen wo Engel als Boten auf- und niederstei- Herausforderungen des Lebens. gen und es zu einer Begegnung zwischen Besonderer Dank gilt der Stadt Villach Jakob und Gott kommt. Jakob erkennt, und Bürgermeister Günther Albel für die dass er trotz seiner Schuld Gottes Segen Realisierung dieses faszinierenden Kunst- gewiss sein kann. So gestärkt kann er sei- werks. 82 Amt und Gemeinde
Foto: epd/uschmann Die von Nadja Brugger- Isopp geschaffene raum- greifende Installation von 22 Edelstahlstäben läuft in S-Form auf die evange- lische Kirche in Villach zu. a) Grundidee allgemein Rogi gestalteten Spiegelfenstern der Kir- che in Beziehung treten, andererseits auf Es handelt sich um eine raumgreifende den für evangelische Kirchen typischen, Installation aus 22 stabförmigen, gede- eine gewisse Nüchternheit vermittelnden ckelten Edelstahlröhren mit einer Ma- inneren Kirchenraum verweisen. Eine sehr ximallänge von sechs Metern, die sich wesentliche Grundintention dieser Arbeit in dynamischer Ausrichtung von NNO war es, mittels einer bewusst zurückge- nach SSW erstreckt. Die Stäbe orientieren nommenen, reduzierten Formensprache sich am Verlauf des bekiesten Gehweges sichtbar zu machen, dass die evangelische und führen in s-förmigem Schwung ima- Kirche nicht nur „himmelwärts“ orientiert, ginär durch das Innere der Kirche. Der sondern zugleich „erdverbunden“ und da- Eindruck des scheinbaren Durchlaufens mit gerade in Zeiten wie diesen offen ist der Stäbe durch den Kirchenraum ist von für den Dialog mit der Welt, mit anderen allen Außenansichten gegeben. Die Stäbe Religionen, Kulturen und Weltanschauun- sind sockellos und direkt im Boden ver- gen. Sie lebt irdische Verantwortung und ankert, variieren in ihren Neigungen und lässt Menschen einen Ort des Angenom- zeigen pfeilgerichtet ähnlich eines Vek- menseins und der Hoffnung finden. tors in unterschiedliche Richtungen zum Der formale Minimalismus der Instal- Himmel. Die Abstände zueinander sind lation will eine Konkurrenz zum histo- rhythmisch angelegt und beziehen den rischen Kirchenbau absichtlich vermei- Fußgänger beim Durchschreiten der An- den, aber Anregung bieten zu kritischer lage direkt mit ein. Das Material Edelstahl Reflexion. Darüber hinaus lässt sie auch soll einerseits in seiner kühlen, nüchternen geistigen Spielraum für Menschen ohne Erscheinung optisch mit den von Viktor christliche Konfession und möchte die be- Amt und Gemeinde 83
stehende Parkanlage durch ein modernes, Fehlerhaftigkeit. Er hatte den Mut, unter zeitgemäßes Erscheinungsbild bereichern. diesem Versprechen Gottes seinen schwe- Das Modell ist proportionsbezogen ren Weg weiterzugehen, um dann an das zu verstehen und dient der Veranschauli- verheißene, gute Ende zu gelangen. chung der Installation. Ursprünglich war Der Weg des Menschen ist offen, dif- die Ausrichtung der Installation von NNO ferenziert, bewegt, verläuft nicht immer in Richtung SSW geplant, dann wäre der geradlinig und wird durch die Kurve sym- mögliche Aufstellungsbereich laut Plan bolisiert, die weder einen Anfang noch ein eingehalten. Die reale Situation, mit der Ende hat, sozusagen einen Ausschnitt vie- sehr hohen Zypresse im vorderen Bereich ler darstellt; die unterschiedlichen Schrä- des Platzes und der Sicht auf die Ein- gen der Stäbe stehen für die unterschied- zäunung des Kinderspielplatzes, ergab lichen Herausforderungen des Lebens an jedoch eine äußerst unruhige Wirkung. den Menschen, denen er sich stellen muss Daher wurde der Aufbau spiegelverkehrt und die auch über den Glauben bewäl- ausgerichtet, bespielt jedoch im hinteren tigbar sind. Die Geschichte vom Traum Teil (SSW) einen kleinen Bereich, der Jakobs von der Himmelsleiter kann dafür außerhalb des vorgesehenen liegt. Sollte ein Mut machendes Beispiel sein. dennoch der Lageplan eingehalten werden „Der Weg ist offen. Wer hat denn aus müssen, ist es jederzeit möglich, die Aus- der Welt je zu sich selbst gefunden? Nur richtung dem wieder anzupassen. der ward frei, der sich ans Ewige Wort gebunden.“ (Edgar Dacqué) Margot Käßmann, die Botschafterin b) Grundidee inhaltlich des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat für das Reformationsju- Der Sinngehalt der einzelnen Stäbe liegt biläum 2017 auch Folgendes zum Thema in der Verbindung des Irdischen mit dem Freiheit formuliert: „Die Zusage der Frei- Himmlischen und nimmt in ihrer symbo- heit setzt Menschen in Bewegung und soll lischen Auslegung Bezug auf den Traum sie davor bewahren, in egoistischer Ver- Jakobs aus dem 28. Kapitel des Buches krümmung zu verharren. Reformatorischer Genesis, in dem ihm eine Himmelsleiter Glaube zielt auf den rechten Gebrauch der erscheint, auf der Engel als Boten Gottes Freiheit und auf das Wissen um die Ver- auf- und niedersteigen und so gesehen bundenheit aller, also auf Verantwortung. ihre Arbeit verrichten. Sie bauen an der In jedem Gottesdienst wird zur Begeg- Brücke zwischen Himmel und Erde und nung mit Gott eingeladen und im besten stellen die Verbindung zwischen Jakob Fall kommt es dabei zur Berührung zwi- und Gott her. Jakob hat erkannt, dass ihm, schen Himmel und Erde. Sie findet im obwohl er schuldhaft war, Gottes Segen Kirchenraum statt, dort, wo die Gemeinde gewiss war. Er hat daran geglaubt, trotz sich sammelt und das Wort verkündet all seiner Zweifel und all seiner eigenen wird. In diesem christlichen Versamm- 84 Amt und Gemeinde
lungsraum, der in seiner Querhausanlage Von Stefan Schweiger, dem Leiter der eine Horizontale beschreibt, findet der Trigonale, dem renommierten Festival für Querbalken des Kreuzes seine Entspre- Alte Musik in Kärnten, kamen der Impuls chung und steht als Sinnbild für die Ver- und die Idee, für das Jubiläumsjahr 2017 bundenheit der Menschen untereinander. ein gemeinsames musikalisches Projekt Der Kirchturm in seiner Vertikalen bzw. ins Leben zu rufen, das die traditionell die vielen einzelnen, nahezu vertikal aus- enge Verbindung zwischen Protestantis- gerichteten Stäbe, die imaginär durch den mus und der Alten Musik zum Ausdruck Raum führen, ergeben in ihrer geistigen bringen sollte; war es doch Martin Luther, Zusammenführung das Kreuz als christ- der es wie kein anderer verstand, die Mu- liches Grundsymbol. Seine symbolische sik zur vielleicht wirksamsten Waffe der Ausdeutung steht für die Einheit von Ex Reformation zu machen. Ganz nebenbei tremen, etwa Himmel und Erde, aber auch legte er mit seinem energischen Eintreten der Synthese und des Maßes. für den Volksgesang einen wesentlichen Grundstein zur weiteren Entwicklung der abendländischen Musikkultur. c) Technische Beschreibung Selbst die Frage, ob ohne Luthers Zu- tun Komponisten von der Größe und Be- Jede Edelstahlröhre wird in einem Punkt- deutung eines H. Schütz oder J. S. Bach fundament verankert. In diesem Funda- überhaupt denkbar wären, kann getrost ment werden jeweils zwei ineinander pas- mit nein beantwortet werden sende Hülsen einbetoniert, die versenkt Vor diesem Hintergrund entstand die unter dem Erdniveau liegen. Mittels Ver- Idee, eine „musikalische Andacht“ mit ei- schraubung wird das Edelstahlrohr darin gens für diesen Zweck geschriebenen Lie- befestigt und kann somit bei Bedarf de- dern auszustatten, die nach ihrer Premiere montiert werden. nicht in der Schublade verschwinden, son- dern in der Liturgie und im musikalischen Leben der Pfarren weitere Verwendung „Alles, was Odem hat, finden sollten. Ganz bewusst entschieden lobe den Herrn!“ wir uns dazu, die Auftragswerke für die intime Besetzung Laute und Stimme kom- Ein Kompositionsprojekt ponieren zu lassen. Einerseits, weil die zum 500-jährigen Laute zur Zeit des Thesenanschlags neben Reformationsjubiläum 2017 der Orgel zu den beliebtesten Instrumen- ten zählte und unzählige Komponisten der Bei den ersten Vorüberlegungen für das Renaissance sich ihrer bedienten. Ande- 500-jährige Reformationsjubiläum spielte rerseits sollte – wohl auch ganz im Sinne die Musik naturgemäß eine ganz zent- des Reformators – das Wort im Zentrum rale Rolle. stehen und von der Musik (nur) getragen Amt und Gemeinde 85
Foto: Augstein/G. Steinacher und unterstützt werden. Überdies galt es, die entstandenen Lieder in möglichst vie- len Pfarrgemeinden und mit vertretbarem Aufwand im Laufe des Jubiläumsjahres zur Aufführung bringen zu können. Diese Idee haben wir begeistert aufge- griffen und in weiterer Folge mit den Ver- antwortlichen unserer Pfarrgemeinden lei- denschaftlich diskutiert. Die Begeisterung und Zustimmung war sehr groß und nach- dem die Privatstiftung der Kärntner Spar- kasse zugesagt hatte, dieses faszinierende Projekt als Hauptsponsor zu unterstützen, konnten wir mit der Umsetzung beginnen. Mit Wolfgang Muthspiel und Tristan Das Geschichtenmobil sammelte auf Schulze konnten zwei bedeutende, exzel- seinem „Europäischen Stationenweg“ lente und erfahrene Musiker und Kompo- regionale Geschichten zur Reformation nisten gefunden werden, die mit großem und machte dafür am 15.11.2016 auch Einfühlungsvermögen und enorm krea- in Villach Halt. tivem Elan begannen, die übermittelten Texte zu vertonen. Helga Duffek, Ivana Kampus, Claudia „Alles, was Odem hat, lobe den Rosenwirth-Fendre und Manfred Sauer Herrn!“ Dieser letzte Vers des 150. Psalms haben Texte zur Verfügung gestellt. Dazu wurde titelgebend für unser zeitgenössi- kamen Gedichte und literarische Texte, sches Kompositionsprojekt. Mögen die die von den Komponisten selbst ausge- Lieder, die Worte und die Musik, die dazu wählt wurden. entstanden sind, für alle zu einem ermuti- Aus den übermittelten und ausgesuch- genden Lobgesang werden, das Leben zu ten Texten ist ein ca. 40-minütiges kom- feiern und für ein Leben in Frieden und positorisches Gesamtkunstwerk entstan- Gerechtigkeit einzutreten mit nachhalti- den, das in mehreren Pfarrgemeinden zur ger Wirkung über das Reformationsjubi- Aufführung gebracht wurde. läum hinaus. Wir verstehen dieses Kompositions- Die Sängerinnen Johanna von der werk durchaus auch in Anlehnung an die Deken, Elisabeth Breuer, Marie-Sophie biblische Tradition der Psalmen, die ja Pollak und Lia Serafini sowie die Lau- großteils gesungene Gebete sind und als tenisten Fabio Accurso, Stefano Rocco Klage- und Loblieder einen wichtigen und Hans Brüderl standen uns als Inter Platz im gottesdienstlichen Geschehen pretInnen für dieses Projekt zur Verfügung hatten und haben. und kamen abwechselnd zum Einsatz. ■ 86 Amt und Gemeinde
DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH Sternstunde und Stadtgespräch Blitzlichter zum Reformationsjubiläum aus zwei niederösterreichischen Gemeinden Von Birgit Schiller G egensätzlicher können Pfarrgemein- den kaum sein. Gmünd-Waidhofen / Thaya liegt im nördlichen Waldviertel, merksamkeit, vor allem aber war es Gele- genheit für die Evangelischen, sich selbst neu wahrzunehmen, die Freude am Evan- hat rund 620 Mitglieder, seit bald drei gelisch sein (wieder) zu entdecken, die Jahren keinen eigenen Pfarrer und ist von eigene Geschichte kennenzulernen oder extremer Diaspora geprägt. Zu Mödling, zu erinnern, Glaubensschwerpunkte zu im südlichen Speckgürtel Wiens, gehö- reflektieren, ihre Umsetzung heute zu ver- ren circa 4680 Gemeindeglieder. An die suchen und das Evangelium zu feiern über 30 sogenannte Dienstgruppen, mit viel alte Abgrenzungen hinweg. Entscheidungsfreiheit ausgestattet, meist von Ehrenamtlichen geleitet und von den beiden PfarrerInnen begleitet, gestalten Sechzehn römisch- das Gemeindeleben. katholische Pfarrer im Was beide Gemeinden verbindet, ist Reformationstaggottesdienst ein ambitioniertes Programm im Refor- mationsjubiläumjahr 2017. Unter ihren „Es war eine Sternstunde in meinem Pfar- ganz eigenen Bedingungen haben die rersein“ fasst Pfarrerin Anne Tikkanen- Gemeinden über dreißig Veranstaltun- Lippl den Reformationstag in Mödling gen, sieben davon in Gmünd-Waidhofen, zusammen. Ab dem späten Vormittag prä- umgesetzt. Das brachte öffentliche Auf- sentierte sich die Gemeinde mit Aktio- Amt und Gemeinde 87
nen und Informationen in der Mödlinger wollten“. Spannend, wie Evangelische Fußgängerzone. Junge Menschen ließen und Römisch-Katholische im gemeinsa- sich durch das Musikprogramm anziehen. men Gespräch sich ihrer jeweils eigenen Um 15 Uhr 17 wurde der Geburtstags- Kirche bewusster wurden. Dieser Aspekt, kuchen angeschnitten. Höhepunkt war sich der eigenen Identität und Geschichte der ökumenische Festgottesdienst in der klarer zu werden, spielte auch bei den an- römisch-katholischen St. Othmarkirche, deren Veranstaltungen der Gemeinde eine der, so Anne Tikkanen-Lippl, von tiefer große Rolle. So wurde zur „Lutherischen Wertschätzung und Verbundenheit erfüllt Kirche“ gewandert. Diesen Namen trug war. Alle sechzehn römisch-katholischen ein mächtiger Granitstein der Blockheide, Pfarrer, die im Gebiet der evangelischen der später abgebaut wurde. Dort gab es Pfarrgemeinde Mödling arbeiten, feierten bis 1690 geheime evangelische Gottes- mit. Von Anfang an war die Ökumene dienste. Die Berichterstattung über diese bei der Planung des Festjahres im Blick. Wanderung im Jubiläumsjahr in den lo- „Gedenken oder Feiern“ wurde gemein- kalen Medien machte auch die evangeli- sam überlegt. sche Geschichte der Stadt wieder bekannt. Mit den Lokalpolitikern aller Parteien sprach die evangelische Gemeinde vor- bereitend schon 2016 über die Bedeutung Acht Gottesdienste zu des Protestantismus in der Stadt, über die Freiheit und Verantwortung Möglichkeiten mit der ganzen Stadt zu feiern und wie die Zusammenarbeit in Selbst für eine große Gemeinde wie Möd- Zukunft aussehen kann. ling ist die öffentliche Wahrnehmung wichtig. Manche Veranstaltungen wa- ren nach innen gerichtet, an die eigenen Ein Granitstein als geheimer Gruppen und Arbeitskreise. Andere hatten Gottesdienstort große Außenwirkung. Dazu gehörte die Gottesdienstreihe In Gmünd-Waidhofen begann das Jubilä- zum Jubiläumsmotto „Freiheit und Ver- umsjahr mit einer ökumenischen Andacht. antwortung“, für die namhafte Persönlich- Nicht einmal 1 % der Bevölkerung der keiten wie die ehemalige Grünenchefin beiden Bezirke ist evangelisch. Die Wert- Eva Glawischnig oder der Kunstsammler schätzung der Evangelischen ist durch- und Baumax-Gründer Karlheinz Essl ge- aus da – wenn man ihnen einmal begeg- wonnen werden konnten. Die Themengot- net –, das Wissen über sie weniger. Die tesdienste „ Freiheit und Verantwortung Gemeinde lud darum die römisch-katho- in Kirche und Religion, in Umwelt und lischen Gemeinden in die Friedenskirche Nachhaltigkeit, in Wissenschaft und For- nach Gmünd unter dem Motto „Was wir schung, in Presse und Medien, in Kunst immer über die Evangelischen wissen und Kultur, in der Zivilgesellschaft, in 88 Amt und Gemeinde
der Politik und in den Sozialen Medien“ Jahr hatte man sich Superintendent Lars zeigten die Breite, in die reformatorisches Müller-Marienburg als Prediger gesichert. Denken heute wirken kann. Mitfeiernde waren die beiden römisch-ka- Kritische Stimmen zum Programm tholischen Pfarrer von Gmünd, unter den des Jubiläumsjahres in Mödling sind zu- Teilnehmern gleich zwei Bezirkshaupt- mindest nicht an die Ohren der Pfarrerin männer. Übervoll war die Friedenkirche, gedrungen. Vereinzelte Stimmen klag- stolz die Bürgermeisterin von Gmünd, ten über die Fülle des Angebotes, aber „dass die Abschlussveranstaltung in ihrer Anne Tikkanen-Lippl ist überzeugt, dass Stadt“ gehalten wird. Der anschließende es einiges an evangelischem Bewusstsein Empfang im Palmenhaus dauerte lange. gebracht hat. „Tagelang bin ich darauf angesprochen worden“, sagt Kuratorin Solveig Gschai- der. „Das hat uns viel gegeben.“ Die Kraft der Ehrenamtlichen Veranstaltungen in allen Bereichen der 2018 hat andere Themen flächenmäßig großen Gemeinde anzubie- ten: In Gmünd-Waidhofen gelang es. Das Den Schwung mitzunehmen, der im Jubi- Programm wurde weitgehend von Ehren- läumsjahr die Gemeinde erfüllt hat, darauf amtlichen organisiert und getragen. Das hofft auch Mödling. Aber es bleibt kaum gab dem evangelischen Selbstbewusst- Zeit, zu reflektieren, nachzuarbeiten. 2018 sein im Oberen Waldviertel, das ob der hat andere Themen. Die Gemeindever- kleinen Zahl oft gering ist, Auftrieb und tretungswahlen waren vor- und nachzu- zeigt, welche Kraft in kleinen Randge- bereiten, Mödling wird im Herbst einen meinden steckt. Fernsehgottesdienst gestalten, Gmünd- Höhepunkt des Jubiläumsjahres war Waidhofen die Pfarrstelle wieder aus- auch in Gmünd-Waidhofen der Festgottes- schreiben. Was von den Erfahrungen von dienst am 31. Oktober. Schon vor einem 2017 bleibt, wird sich zeigen. ■ Amt und Gemeinde 89
DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH Eine Reflexion des Reformations- gedenkens anhand der Trias „Mission – Bildung – Ökumene“ Ein Arbeitsbericht über das Jahr 2017 aus Oberösterreich Von Gerold Lehner 1. Zielsetzungen als Resonanz geblieben ist: An den rund Kriterien der Reflexion 157 Veranstaltungen in OÖ haben ca. 30.000 Personen teilgenommen. In die- Eine Reflexion des Gedenkjahres der Re- ser Aufstellung sind die „Glaubenskurse“ formation muss über einen simplen Tä- (auf die ich gesondert eingehen werde) tigkeitsbericht, eine Auflistung der Ver- nicht inkludiert. anstaltungen, hinausgehen. Damit aber stellt sich die Frage nach den Eine solche quantitative Auflistung sei Kriterien, auf die hin eine kritische Refle- hier immerhin gegeben, weil sie zu zeigen xion des Jahres 2017 erfolgen kann und vermag, wieviel Energie in die Durch- soll. Wir haben drei Leitlinien für unser führung dieses Jahres investiert wurde – Handeln festgelegt, die zur Orientierung und dass diese Anstrengung nicht ohne und Strukturierung unseres Tuns dienen 90 Amt und Gemeinde
sollten und sie in drei Begriffen konzen- dass wir nicht alte Konfliktmuster der Ju- triert: „Mission – Bildung – Ökumene“. biläumsfeiern aktivieren, sondern den An- „Wir wollen in Freude von der Güte lass 2017 nutzen wollten, um öffentlich Gottes reden. Wir wollen die Wurzeln un- zu zeigen, wie weit das Miteinander mit seres Glaubens vertiefen, dass er Nahrung der katholischen Schwesterkirche bereits findet, wächst und Früchte trägt. Und wir gediehen ist, und versuchen wollten, die- wollen nicht für uns bleiben, sondern fei- ses Verhältnis weiter voranzubringen. Ich ern in der Gemeinschaft der Ökumene.“1 möchte deshalb anhand dieser Leitlinien Von vorneherein war uns klar, dass wir unser Handeln im Jahr 2017 reflektieren. kein eindimensionales Jubelfest der Evan- gelischen Kirche feiern wollten, analog dem, was frühere Jahrhundertfeiern in 2. Die missionarische Szene gesetzt hatten. Wir wollten ver- Dimension von 2017 suchen grundsätzlich von dem zu reden, wofür Kirche steht, was sie leben lässt, Auf Initiative des damaligen Landes- und woraus sie ihre Freude bezieht. Es hauptmannes von Oberösterreich, Josef sollte also darum gehen, die missionari- Pühringer, kam es im Oktober 2016 zur sche Dimension von Kirche zur Geltung Vorstellung des Buchprojektes „Mission zu bringen. Mit der zweiten Dimension, und kirchliche Entwicklungszusammen- jener der Bildung, war intendiert, einer- arbeit aus Oberösterreich“2. Dieses Buch seits die Basiskenntnisse in Bezug auf stellt zum ersten Mal das missionarische die Reformation, die Grundlagen evan- Wirken der Katholischen und Evange- gelischen Glaubens und evangelischer lischen Kirche in OÖ dar. Es enthält Kirche zu vermitteln, und andererseits nicht nur die Biogramme und Berichte die Lust daran, tiefer in die Sache einzu- der Missionarinnen und Missionare, son- dringen (das diesbezüglich qualitativ und dern, neben Aufsätzen zur Geschichte und quantitativ aufwendigste Projekt waren Theologie der Mission, auch die beiden die sogenannten „Glaubenskurse“). Und Erklärungen zum Selbstverständnis der schließlich war uns von vorneherein klar, Evangelischen Kirche als „missionari- scher Kirche“ aus dem Jahr 20093. Beide 1 So waren diese Ziele auf Seite 2 unseres Veranstal- Erklärungen betonen, dass Mission in der tungsführers für 2017 (VF 2017) zu lesen. Dieser (mit 132 Seiten recht umfangreiche) Veranstaltungs- führer sollte diese Zielsetzungen bereits verkörpern. Deshalb beinhaltete er neben den Veranstaltungshin- 2 Monika Würthinger, Andreas Reumayr, Gerold Leh- weisen auch u. a. Vorworte des katholischen Bischofs ner (Hrsg.), Mission und kirchliche Entwicklungs- Manfred Scheuer und des Landeshauptmanns von zusammenarbeit aus Oberösterreich. Aus der Freude OÖ Josef Pühringer, aber auch kurze inhaltliche am Evangelium – im Dienst an den Menschen, Linz: Beiträge zur Geschichte der Reformation, der Evan- Land Oberösterreich 2016. gelischen in Oberösterreich, über Ökumene, Glaube 3 Nämlich die Leitlinien zum Thema „Missionarische und Schule, die Herausforderungen der Zukunft Kirche“ der Diözese OÖ vom November 2009 und sowie Statements von Schülerinnen und Schülern die Resolution der Generalsynode vom November über den Glauben. 2009, a. a. O., 51–57. Amt und Gemeinde 91
Liebe wurzelt und der Freude an den gro- fähig war, ferner Stehende anzuziehen, ßen Taten Gottes entspringt. Insofern war ist schwer einzuschätzen. 2017 auch ein Prüfstein dafür, wie sehr es Wichtig in diesem Zusammenhang wa- gelingen würde, aus dieser Freude heraus ren auch die diversen Ausstellungen. Die zu feiern und Menschen (und zwar nicht Ausstellung im Evangelischen Museum in nur solche aus dem inneren Kreis der Kir- Rutzenmoos hat Interessierte aus nah und che) in diese Freude mithineinzunehmen. fern angezogen. Die Ausstellung in Steyr Man kann grundsätzlich festhalten, dürfte von vielen StadtbewohnerInnen dass dieses Jahr mit seinen Veranstaltun- auch zum „Hineinschnuppern“ genutzt gen von der Öffentlichkeit in hohem Maße worden sein. Die Kunstausstellung „Flie- wahrgenommen wurde. Besonders in den gende Blätter“4 in Linz war von vornehe- Tageszeitungen gab es immer wieder nicht rein grenzüberschreitend konzipiert und nur Berichte über die Bedeutung und den zielte auf die kunstinteressierte Öffent Inhalt von 2017, sondern auch umfangrei- lichkeit. che Interviews, die abgedruckt wurden. Insgesamt dürfte 2017 unter dem (in Einzelne Pfarrgemeinden haben kon- weitem Sinne verstandenen) „missiona- zeptuelle Einladungs- und Werbeaktio- rischen“ Aspekt viel an Aufmerksamkeit nen für Veranstaltungen durchgeführt. und Sympathie bewirkt haben, aber eher Was sehr positiv vermerkt wurde, war wenig in Bezug auf Kontaktaufnahme und die persönliche Einladung. Öffentlich Beziehung zu Kirche und/oder Pfarrge- wahrnehmbare Werbung (etwa auf Pla- meinde5. Dennoch hat dieses Jahr gute katwänden) erregte Aufmerksamkeit, er- Grundlagen geschaffen, auf denen man zeugte in einigen wenigen Fällen Abwehr aufbauen und weiterarbeiten kann. (wurde als „aggressiv“ empfunden), be- wirkte aber vor allem „Rückenwind“ für 4 Die Ausstellung ist dokumentiert in dem von der Superintendentur herausgegebenen Ausstellungs- die Mitarbeitenden („das ist unsere Ver- katalog: Fliegende Blätter. Ein Gespräch zwischen anstaltung, dafür laden wir ein“). Bewährt Reformation, Kunst und Moderne, Linz 2017 5 Auf jeden Fall ist festzustellen, dass sich das Jahr hat sich das (in Attersee angewandte) 2017 in der Statistik nicht signifikant ausgewirkt Konzept, zu Glaubensgesprächen an ex- hat. Die Zahl der Austritte ist in OÖ gegenüber dem Vorjahr gleich geblieben (in Bezug auf Österreich hat ternen Orten einzuladen. Im Gasthaus, im sie um 1,48 % zugenommen). Die Zahl der Eintritte ist Autohaus, im Café der Bäckerei. in OÖ gegenüber dem Vorjahr um 13 % zurückgegan- gen (!), – ein Phänomen, das auch insgesamt, wenn Die größte Veranstaltung, die auch öf- auch in abgeschwächtem Maße (– 4,64 %) zu beobach- fentlich (im ORF) angekündigt wurde, ten ist. Die grundsätzlich positiven Auswirkungen des Reformationsjubiläums sind also in diesem Bereich stellte der oberösterreichische Kirchentag (noch?) nicht wahrnehmbar. Allerdings sollte man in dar. Gefeiert wurde im öffentlichen Raum der Analyse bedenken, dass sowohl Austritte als auch Eintritte das Ergebnis längerer Entwicklungen sind. (am Domplatz sowie um und im Land- Die Auswirkungen des Jahres 2017 werden also (so vorhanden), erst im Zeitraum der nächsten drei haus), und das war eine große Stärke der bis fünf Jahre sichtbar werden – und können jederzeit Veranstaltung. Wie weit sie damit auch von anderen Themen überlagert werden. 92 Amt und Gemeinde
3. Die Dimension der aber anonym, zu dokumentieren. Ähnliche Bildung im Jahr 2017 Anknüpfungspunkte gab es bei den The- men Schule, Gottesdienst, Friedhof und „Bildung“ war wohl der formale und in- Bibel. Durch das Begleitheft zur Ausstel- haltliche Schwerpunkt des Jahres 2017. lung wurde eine gewisse Nachhaltigkeit Betrachtet man die durchgeführten Ver- der Ausstellung gesichert. Eine in Kürze anstaltungen, dann fällt der Großteil unter erscheinende Publikation wird das „Evan- die Kategorie „Bildung“. Und umgekehrt gelische Jahrhundert“ in Steyr in seinen gab es wohl kaum eine Veranstaltung, in verschiedenen Aspekten darstellen7. Bil- welcher das Element „Bildung“ nicht dung, so, wie sie im Konzept der Ausstel- enthalten war. Freilich, die Bandbreite lung verstanden wurde, gründet in Wissen, dessen, was sich mit diesem Begriff be- in der Wahrnehmung des Anderen, auch schreiben lässt, ist groß. Sie reicht von des Vergangenen. Die Grade der Aneig- reiner Informationsvermittlung bis hin nung (von rein sachlich und informativ bis zur persönlichen Auseinandersetzung mit hin zum sich emotional und intellektuell – und Aneignung von – Glaubensinhalten. Bewegenlassen) bestimmt dabei derjenige, Ich möchte an dieser Stelle exempla- der die Ausstellung besucht. risch auf die Ausstellung in Steyr und die „Glaubenskurse“ eingehen. Das Projekt „Erwachsen Glauben“ Die Ausstellung in Steyr Ein zweites Konzept von Bildung wurde Die Ausstellung in Steyr (mit dem Titel versucht mit dem Angebot von „Glau- „1517! Und Heute?“) war von vorneherein benskursen“ umzusetzen. Das Projekt, das so konzipiert, dass sie die geschichtlichen wir „Erwachsen Glauben“ genannt haben, Fragen immer wieder zu Fragen der Ge- wurde im November 2015 auf der Super- genwart werden ließ. Dadurch wurde es intendentialversammlung vorgestellt. Im möglich geschichtliche Ereignisse nicht Februar 2016 fand ein Schulungswochen- einfach in der Vergangenheit zu belassen, ende mit ca. 40 Teilnehmenden statt, die in getreu dem Motto der Ausstellung: „The ihren Pfarrgemeinden solche „Glaubens- past is never dead, it is not even past“6. So kurse“ anbieten wollten. Von Herbst 2016 wurde bei der Errichtung des „Gemeinen bis Herbst 2017 wurden diese flächende- Kastens“ in Steyr die Frage gestellt, welche ckend in sehr vielen oberösterreichischen Institutionen oder Personen wir heute mit Gemeinden angeboten, und in den meis- unserer Spende unterstützen, und mithilfe ten auch durchgeführt. Inzwischen haben einer einfachen Vorrichtung die Möglich- wir auch eine Evaluierung des Projekts keit gegeben, diese Entscheidung sichtbar, 7 Gerold Lehner, Raimund Locicnik (Hrsg.), Steyr: Das evangelische Jahrhundert 1520–1624, 6 William Faulkner (1887–1962), Requiem for a Nun. Linz: Peter Wagner 2018. Amt und Gemeinde 93
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