Amt und Gemeinde - Evangelische Kirche in Österreich

 
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Amt und Gemeinde - Evangelische Kirche in Österreich
Amt und Gemeinde
68. Jahrgang, Heft 2, 2018                                               € 6, –

                              Das Jahr 2017
                              in Österreich
                              „Reformation verbindet“ –
                              das Jubiläum im Burgenland
                              Christa Grabenhofer                           75
                              „Ecclesia semper reformanda“
                              Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp,
                              Stefan Schweiger                              82
                              Blitzlichter zum Reformationsjubiläum aus
                              zwei niederösterreichischen Gemeinden
                              Birgit Schiller                               87
                              Eine Reflexion des Reformationsgedenkens
                              anhand der Trias „Mission – Bildung – Ökumene“
                              Gerold Lehner                                 90
                              Fröhlich und offen – Reformationsjubiläum
                              in Salzburg und Tirol
                              Olivier Dantine                               98
                              Das Jubiläumsjahr 2017 in der Steiermark
                              Hermann Miklas                               102
                              Die Wiener Superintendenz feiert mit
                              „Heimvorteil“
                              Martina Schomaker-Engemann                   109
                              Und weitere Beiträge

Evangelischer Presseverband   Herausgeber: Bischof Michael Bünker
INHALT

Editorial ................................................................................................................................    73
Charlotte Matthias / Karl W. Schwarz

                                                                            ***

2017 in den Superintendenzen

Burgenland:
„Reformation verbindet“ – das Jubiläum im Burgenland .....................                                                                    75
Christa Grabenhofer

Kärnten:
„Ecclesia semper reformanda“ .............................................................................                                    82
Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp, Stefan Schweiger

Niederösterreich:
Sternstunde und Stadtgespräch. Blitzlichter zum Reformations­-
jubiläum aus zwei niederösterreichischen Gemeinden .........................                                                                  87
Birgit Schiller

Oberösterreich:
Eine Reflexion des Reformationsgedenkens anhand
der Trias „Mission – Bildung – Ökumene“ .....................................................                                                 90
Gerold Lehner

Salzburg / Tirol:
Fröhlich und offen – Reformationsjubiläum in Salzburg und Tirol .....                                                                         98
Olivier Dantine

Steiermark:
Gegeneinander – nebeneinander – MITEINANDER.
Das Jubiläumsjahr 2017 in der Steiermark ...................................................                                                 102
Hermann Miklas

Wien:
Die Wiener Superintendenz feiert mit „Heimvorteil“ ...............................                                                           109
Martina Schomaker-Engemann
***

2017 – „Reformation bewegt. 500 Jahre und ein Fest“

Kurzpredigten im „Preacher’s Corner“ – auf dem Fest
am Wiener Rathausplatz am 30.9.2017 .......................................................... 117
Von Thomas Hennefeld, Klaus Lindtner, Herbert Beck, Ingrid Monjencs,
Silvia Nittnaus, Manfred Sauer

                                                                        ***

Christentum – Judentum

Luther und die Juden ..................................................................................................                128
Barbara Rauchwarter

Kurt Müller – mutiger Anwalt der Verfolgten .................................................                                          136
Predigt von Thomas Hennefeld

                                                                        ***
Rezension

Ljuba Arnautović:
Im Verborgenen (Roman) ..........................................................................................                      141
Karl W. Schwarz

                                                                        ***
Anhang

Autor*innen ........................................................................................................................   143
Impressum ..........................................................................................................................   144
 DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH

Editorial

IN      diesem Heft von Amt und Ge-
        meinde setzen wir unsere Bilanz
des Jubiläumsjahres 2017 mit kurzen Be-
                                              70–80 % auch die evangelische Ausstel-
                                              lung besucht haben dürften), in Mur­au,
                                              Fresach, Hermagor, Rutzenmoos, Wie-
richten aus den Superintendenzen fort. Es     ner Neustadt, Sankt Pölten, Schloss Tirol
ist spannend über die vielfältigen Aktivi-    bei Meran und in zahlreichen weiteren
täten in ganz Österreich zu lesen, die alle   Orten. Allein in der Steiermark gab es
ein erfreuliches Spektrum reformatori-        acht Ausstellungen zum Thema in Lan-
scher Gegenwartsdeutung in zahlreichen        des-, Bezirks- und Privatmuseen, ähnlich
Veranstaltungsformen mit unterschiedli-       in Wien (Bezirksmuseen und andere).
chen Schwerpunkten geboten haben. Ge-         Hervorzuheben ist das Museumsdorf
feiert wurde allerorts regional, gesamt-      Niedersulz, wo 44.889 Besucher*innen
kirchlich und europäisch (u. a. auf dem       nicht nur die Geschichte der Evange­
Stationenweg und in den Städten der Re-       lischen, sondern auch die der Täu-
formation): zentral und regional.             fer wahrgenommen haben. Noch nie
    Das Jubiläum 500 Jahre Reformation        wurde so viel über unsere Kirche, über
in Österreich hat eine beeindruckende         Geschichte und Gegenwart des Protes-
öffentliche Präsenz entfaltet. Generell       tantismus in diesem Land geschrieben
ist die Neugier an der Geschichte des         und geredet, diskutiert und gestritten.
Protestantismus und der Evangelischen         Noch nie wurde der Protestantismus als
in Österreich gewachsen. Es hat sich ge-      kultureller Faktor in einem solchen Aus-
zeigt, dass die vielen Ausstellungen ein      maß registriert. Und es war auch ein au-
zentrales Medium im Jahr 2017 waren.          ßerordentliches Jahr für die Ökumene,
Durch sie konnte das Interesse an der         für das Miteinander der Kirchen im
– weithin nicht bekannten – Geschichte        Horizont der Charta Oecumenica.
des Protestantismus in Österreich ganz        Durch die vielen Veranstaltungen und
besonders geweckt und Identität gestärkt      Ausstellungen konnten 2017 zahlreiche
werden. Zu nennen sind neben der Wiener       Menschen niederschwellig angesprochen
Ausstellung jene in Graz, Villach, Steyr,     werden. Neue Veranstaltungsformen –
Salzburg, Bregenz, Eisenstadt, Feldkirch,     auch im öffentlichen Raum – sind auspro-
auf der Schallaburg (dort waren gesamt        biert worden, das ist ermutigend!
88.620 Besucher*innen, von ­        denen

Amt und Gemeinde                                                                    73
Die Reformation geht weiter …                 zwischen Christentum und Judentum in
                                              ihrer Verschränktheit und ihrer wechsel-
Von der 2017 entstandenen Stimmung            seitigen Wirkungsgeschichte.
können Evangelische heute zehren und             „Das Heil kommt von den Juden, es
sie als Auftakt sehen für die Planung spi-    kommt wirklich von den Juden …“, so pre-
ritueller Angebote in Kirche und Öffent-      digte der reformierte Pfarrer Kurt Müller
lichkeit, mit denen sie ihren Glauben und     in Nazideutschland. Landessuperinten-
ihre Geschichte in bewährten und neuen        dent Thomas Hennefeld erinnerte in sei-
Erlebnisräumen erfahrbar machen.              ner Predigt über Galater 3,6-14, die sie in
   Ein immer wiederkehrendes Thema            diesem Heft nachlesen können, an diesen
des Jubiläumsjahres war auch die kriti-       mutigen Anwalt für die Juden.
sche Rückfrage nach Luthers Haltung              Eine Rezension von Karl W. Schwarz
gegenüber den Juden. Selbst wenn sein         über den kürzlich erschienenen Debüt-
„Antisemitismus“ sich kaum von demje-         Roman „Im Verborgenen“ von Ljuba
nigen seines Zeitgenossen und theologi-       Arnautović lädt zur Lektüre dieses Bu-
schen Kontrahenten Erasmus von Rotter-        ches ein. Auch hier steht eine mutige Frau
dam unterschied, lieferten seine Aussagen     – die stille Heldin Genofeva – im Mittel-
wegen ihrer fatalen Wirkungsgeschichte        punkt. Die Autorin erzählt die Geschichte
im 20. Jahrhundert eine beachtliche           ihrer Großmutter, die 1944 Sekretärin im
Projektionsfläche für antilutherische         Evangelischen Oberkirchenrat A. B. war
Ressentiments. Barbara Rauchwarter            und in der Kanzlei – in der sich auch ihre
erörterte in ihrem Vortrag in Stockerau       Wohnung befand – jüdische Mitbürger
(30. ­April 2017) Luthers Sündenfall –        versteckte. Ein Stück Zeitgeschichte pa-
nicht nur an Hand der bekannten Schrift       ckend und unsentimental erzählt!
„Von den ­Juden und ihren Lügen“ (1543),         Die Redaktion von Amt und Gemeinde
sondern an der noch schrecklicheren           wünscht Ihnen, liebe Leserin, lieber Le-
Hetzschrift „Vom Schem Hamphoras“             ser, nun eine anregende Lektüre und einen
aus demselben Jahr. Mit Wolfgang Stege-       erholsamen Sommer 2018.
mann plädiert sie für ein gründliches theo-
logisches Nachdenken über das Verhältnis        Charlotte Matthias / Karl W. Schwarz

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 DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH

„Reformation verbindet“ –
das Jubiläum im Burgenland

500 Jahre Reformation – die vielfältigen Überlegungen, wie denn so ein

überwältigendes Jubiläum gebührend gefeiert werden könnte, waren noch

gar nicht abgeschlossen, da begannen kreative Köpfe bereits konkret zu

denken und zu planen.

                                                     Von Christa Grabenhofer

N    ach und nach entstanden Ideen, deren
     Umsetzung man sich zunächst gar
nicht vorstellen konnte. Auf verschiede-
                                            I. Gesamte Superintendenz

                                            Das größte Fest der Evangelischen im
nen Ebenen entstanden Projekte, von der     Burgenland ist das jährliche Gustav-
einzelnen Pfarrgemeinde bis zur gesam-      Adolf-Fest, das 2017 in einer Pfarrge-
ten Diözese.                                meinde mit besonderer evangelischer Tra-
                                            dition gefeiert wurde: in Oberschützen.
I.   Gesamte Superintendenz                 Nicht nur ist Oberschützen eine Toleranz-
II. Ökumene                                 gemeinde, sondern es hat auch seit der
III. Grenzüberschreitende                   Mitte des 19. Jahrhunderts ein evangeli-
     Veranstaltungen                        sches Schulwerk, das von Gottlieb August
IV. Regionale Veranstaltungen               Wimmer, dem damaligen langjährigen
V. Veranstaltungen in den                   Pfarrer der Gemeinde, begründet wurde.
     Pfarrgemeinden                         Als Schulzentrum mit dem evangelischen

Amt und Gemeinde                                                                  75
Schulwerk (dem heutigen Wimmer-Gym-              Die Superintendentialversammlung
nasium), dem Bundesgymnasium, den             fand wie das Gustav Adolf-Fest in einer
Pflichtschulen und dem Musikinstitut          Toleranzgemeinde statt: in Stadtschlaining.
Oberschützen der Musikuniversität Graz        Auch dabei wollte man mit der Wahl des
ist die Pfarrgemeinde ein Beispiel für        Ortes die historische Bedeutung betonen.
einen pulsierenden Ort, der sich seiner          Ein besonderer Höhepunkt wurde mit
reichhaltigen Geschichte bewusst ist. Ge-     einer Sonderausstellung im Burgenlän-
rade deshalb war das Gustav Adolf-Fest        dischen Landesmuseum in Eisenstadt
im Jubiläumsjahr dort am richtigen Platz.     gesetzt: „Ein Christenherz auf Rosen
Hervorragende musikalische Darbietun-         geht  … 500 Jahre Reformation im
gen beim Festgottesdienst konnten die         Burgenland“. Ein sehr ambitioniertes
ca. 1500 BesucherInnen von den Chören         Projekt, das der Direktor des Landes-
und dem Bläserensemble des Wimmer-            museums, Mag. Gert Polster, initiierte,
gymnasiums sowie der Kantorei hören.          kuratierte und umsetzte. Die Idee dahinter
Bischof Michael Bünker predigte über          war, dass einerseits jede Pfarrgemeinde
den Beginn des Römerbriefes: „Denn ich        des heutigen Burgenlandes mit einem Ex-
schäme mich des Evangeliums nicht …“.         ponat vertreten ist, dass aber andererseits
Die Öffentlichkeit war vertreten durch den    auch die historischen Entwicklungen der
Landeshauptmann mit Landesräten und           Diözese abgebildet werden sollten. Bis
weiteren Persönlichkeiten. Am Nachmit-        1921 Teil der ungarischen lutherischen
tag konnte Superintendent Manfred Koch        Kirche hatte das damalige Westungarn
auch den katholischen Diözesanbischof         andere Voraussetzungen und eine andere
Ägidius Zsifkovics begrüßen.                  Entwicklung als der Protestantismus im
   Eine weitere gesamtburgenländische         übrigen Österreich genommen. In einem
Veranstaltung war der Frauentag, der an-      historischen Überblick zeigte em. Univ.-
lässlich des Jubiläums in Raiding stattfand   Prof. Dr. Gustav Reingrabner diese Ent-
und bei dem der Konzertsaal im Lisztzen-      wicklungen auf.
trum vollbesetzt war. „In Freiheit und Ver-      Die Gestaltung der Ausstellung und
antwortung leben“ – ein typisch reforma-      des informativen und schönen Kataloges
torisches Motto, das von einigen Frauen in    folgte einem stimmigen Farb- und Licht-
einer Podiumsdiskussion ins Heute geholt      konzept, das aufbauend auf dem Gedan-
wurde, als sie darüber diskutierten, wie      ken des Abendmahlstisches, wie er auf
Freiheit und Verantwortung zum Gelin-         Reformationsbildern zu sehen ist, die Ex-
gen guter Beziehungen beitragen können.       ponate in Szene setzte.
   Der Bezug zum Reformationsfest war            Das große Interesse an der Ausstel-
auch durch eine Lesung über Katharina         lung, für die als Leitsymbol die Luther-
von Bora nach einem Text von Fabian Vogt      rose gewählt wurde, zeigte sich bereits bei
(„Wenn Engel lachen“) gegeben.                der Eröffnung: Bischof Michael Bünker,
                                              Synodenpräsident Peter Krömer, Minis-

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terialrat Karl Schwarz waren angereist,     den Predigten zu Themen, die in Gottes-
Superintendent Manfred Koch mit den         diensten vergangener Zeiten aktuell wa-
Vertretern der Diözese und den Gemein-      ren, prägten diese Reihe.
den, Gäste aus dem ganzen Burgenland           Acht Epochen wurden über das Jahr
und aus Ungarn. Kulturlandesrat Helmut      verteilt alle zwei Monate an Samstagen
Bieler nahm die Eröffnung vor.              und Sonntagen vorgestellt, sodass an ei-
   Das Begleitprogramm bildeten drei        nem Wochenende abwechselnd in einer
Vorträge:                                   Gemeinde im Norden und einer im Süden
• „500 Jahre Reformation im Burgen-         des Landes der gleiche Gottesdienst ge-
   land“ (Gert Polster)                     feiert wurde, am Samstagabend und am
• „Was blieb von der Reformation in         Sonntagvormittag.
   Westungarn?“ (Gustav Reingrabner)           Die mitwirkenden PfarrerInnen und
• „Frauen der Reformation – Frauen          Chöre waren aus den burgenländischen
   in der evangelischen Kirche heute“       Gemeinden, die MusikerInnen, Sänge-
   (Christa Grabenhofer)                    rInnen und Instrumentalisten teilweise
                                            auch von außerhalb. Der Start war im Sep-
Die Pfarrgemeinde Eisenstadt lud Kir-       tember 2016 in Rust und Goberling: Am
chenchöre ein, den Sonntagsgottesdienst     Vorabend der Reformation. Es folgten in
mitzugestalten und nach einer Einladung     Neuhaus und Mörbisch: Gottesdienst zur
zum Kirchenkaffee das Landesmuseum          Zeit Luthers. In Deutsch-Kaltenbrunn und
zu besuchen.                                Weppersdorf: Gottesdienst in unsicherer
   Als Abschluss der Ausstellung, die von   Zeit. In Rechnitz und Kobersdorf: Gottes-
Februar bis November geöffnet war, war      dienst in barocker Form. In Oberschützen
ein Chorkonzert der Family Singers aus      und Nickelsdorf: Gottesdienst zur Aufklä-
Rust zu hören.                              rung. In Zurndorf und Pinkafeld: Gottes-
                                            dienst in der Romantik. In Pinkafeld und
„Gottesdienste quer                         Gols: Gottesdienst mit Band. In Oberwart
durch die Jahrhunderte“                     und Loipersbach: Mehrsprachiger Gottes-
                                            dienst mit anderen Kulturen.
Die Evangelische Kirchenmusik Burgen-          Diese Reihe hat den Blick auf die
land, die von Diözesankantorin Mareen       Entwicklung des Gottesdienstes seit der
Osterloh geleitet wird, hatte anlässlich    Reformation gelenkt und gezeigt, wie
des Reformationsjubiläums besondere         vielfältig die Gestaltung über die Jahr-
Gottesdienste veranstaltet, die die Ver-    hunderte bis in die Gegenwart war und ist.
änderungen in Musik, Text und Liturgie      Ein stimmiges Gesamtkonzept und eine
im Laufe der Jahrhunderte zeigten. Wie      Herausforderung für die Mitwirkenden,
haben sich Gottesdienste seit Luther ent-   aber ein besonderes musikalisches und
wickelt? Originale Texte und Musik aus      spirituelles Erlebnis abseits der gewohn-
den jeweiligen Epochen, auch Bezüge in      ten Gottesdienste!

Amt und Gemeinde                                                                   77
Die beiden Großveranstaltungen in Wien,       wurden symbolische Mauern errichtet
der Reformationsball und das Fest auf         und gemeinsam von Superintendent und
dem Rathausplatz, wurden in allen Pfarr-      Diözesanbischof als ein Zeichen von Ver-
gemeinden beworben und von Gästen aus         söhnung umgestoßen. Der Gottesdienst
der gesamten Diözese besucht.                 begann in der katholischen Kirche und
                                              endete nach einer Prozession, bei der
Glaubenskurse                                 von beiden ein großes Kreuz mitgetra-
                                              gen wurde, in der benachbarten evange-
Das Reformationsjubiläum sollte sich          lischen Kirche.
nicht im Feiern erschöpfen, sondern auch         Superintendent Manfred Koch und Bi-
die Bedeutung des Glaubens und der Bi-        schof Ägidius Zsifkovics verfassten einen
bel, die beide für Luther unabdingbar wa-     gemeinsamen ökumenischen Osterbrief,
ren, hervorheben. In allen Pfarrgemeinden     in dem ebenfalls das Erbe der Reforma-
wurden dazu Glaubenskurse angeboten,          tion angesprochen wurde:„Viele Christin-
eine Möglichkeit, in der Gruppe Glauben       nen und Christen erwarten heute zu Recht,
und Spiritualität – neu – zu entdecken.       dass uns das Reformationsjubiläum dem
                                              Ziel der Einheit als Christen näher bringen
                                              werde. Wir dürfen diese Erwartung nicht
II. Ökumene                                   enttäuschen! Es kann im Miteinander un-
                                              serer Konfessionen nicht länger darum ge-
Die Geschichte der reformatorischen Kir-      hen, wer ‚Recht hat’. Nur so gelangen wir
chen ist stark vom politischen und kirchli-   […] zum Füreinander in jener Liebe, die
chen Gegeneinander geprägt. Das wollte        Christus uns aufgetragen hat […]“.
man mit der 500-Jahr-Feier durchbrechen          Ein gemeinsamer Besuch der Aus-
und bewusst auch den Dialog mit der ka-       stellung im Landesmuseum, zu dem
tholischen Kirche suchen. Im Burgenland       auch Mitarbeiter und Mitglieder des Su-
gab es dazu einige Begegnungen, die diese     perintendentialausschusses geladen wa-
Haltung unterstrichen.                        ren, fand ebenfalls statt und mündete in
   Bereits im November 2016 fand in Ei-       einem gemeinsamen Mittagessen.
senstadt und Rust ein Treffen der Öster-         Als Zeichen der Ökumene gab es im
reichischen Bischofskonferenz und der         katholischen Diözesanmuseum in Eisen-
Evangelischen Kirchenleitung statt, das       stadt eine Ausstellung über die evangeli-
erste dieser Art in Österreich. Ein histo-    schen Pfarrgemeinden und ihre Kirchen
risches Ereignis!                             im Burgenland, die über das Jahr verteilt
   In der Gebetswoche für die Einheit der     in der r.-k. Diözesanzeitung vorgestellt
Christen im Jänner stand der Ökumeni-         wurden: „Das Wort unseres Gottes bleibt
sche Gottesdienst in Bad Tatzmannsdorf        ewiglich“. Hervorgehoben waren dabei
ganz im Zeichen des Reformationsjubilä-       frühe Druckwerke aus der Region wie
ums. In Zeiten des politischen Mauerbaus      auch eine Lutherbibel aus 1575 von Hans

78                                                                   Amt und Gemeinde
Lufft. Wie bei allen Veranstaltungen war     dorf wurde am Pfingstmontag direkt an
auch hier der Besuch und das Medienin-       der Grenze gefeiert, eine Begegnung auf
teresse groß, ein Zeichen dafür, dass die    Augenhöhe, mitgetragen von Superinten-
Öffentlichkeit regen Anteil am Reforma-      dent Manfred Koch, r.-k. Domkapitular
tionsjubiläum im Burgenland nahm.            Michael Wüger und dem ungarischen Bi-
   Im Juli fand eine diözesane Bildungs-     schof Janos Szemerei. Eine Besonderheit,
reise „Auf den Spuren Luthers“ nach          die diese Begegnung bereicherte, war die
Wittenberg und Umgebung statt.               Mitgestaltung durch den Friedenschor, der
   Mitarbeitende und VertreterInnen der      sich aus Sängern aller drei Gemeinden
Öffentlichkeit lud der Superintendential-    zusammensetzte.
auschuss am 28. Oktober 2017 zu einem             Für die Konfirmanden der Region gab
Empfang in das Kulturzentrum Eisenstadt.     es einen ungarisch-burgenländischen
Unter dem Schlagwort „Reformation ver-       Konfi-Event in Pöttelsdorf, der in Spiel-
bindet“ wurde ein vielfältiges Programm      stationen auch Wissen zur Reformation
geboten, in dessen Zentrum ein Festvortrag   vermittelte und in einem zweisprachigen
von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Körtner stand:    Gottesdienst mündete.
„Das Evangelium der Freiheit. Potentiale          Im Sommer wurde zu einem Fest-
der Reformation“. Ehrungen durch den Sy-     gottesdienst im Eggenberger Haus in
nodenpräsidenten, Gruß- und Dankesworte      ­Sopron eingeladen. Zur Zeit der Gegen-
des Landeshauptmannes, Klassische Mu-         reformation war das Haus der verwitweten
sik, Jazz, gemeinsames Singen und Essen       Fürstin Eggenberg der einzige Platz, an
rundeten diesen Empfang ab.                   dem Gottesdienste gefeiert werden durf-
                                              ten. Die Kanzel in den Arkaden im Hof
                                              ist nach wie vor erhalten.
III. Grenzüberschreitende                         Delegierte aus Deutsch-Jahrndorf,
     Veranstaltungen                          Zurndorf, Nickelsdorf nahmen an einem
                                              Reformationsempfang sowie an einem
Im Feber machte der Reformationstruck         Fernsehgottesdienst im benachbarten
der GEKE in Sopron / Ödenburg Station,        ­Petrzalka-Bratislava / Pressburg teil.
da Sopron eine der ungarischen Reforma-
tionshauptstädte ist. Aufgrund der histo-
rischen und geografischen Nähe fanden        IV. Regionale
sich viele Evangelische aus dem Raum             Veranstaltungen
Mattersburg und Eisenstadt ein, um dort
dabei zu sein.                               Die Gemeinden Deutsch-Kaltenbrunn,
   Ein ökumenischer Friedensgottes-          Eltendorf, Kukmirn und Neuhaus / Klb.
dienst der beiden ehemals zusammen-          feierten gemeinsam ein Fest auf der Burg
gehörenden Pfarrgemeinden Loipersbach        Güssing: „Ein feste Burg“! Vor allem
und Agfalva / Agendorf sowie Schatten-       konnten Interessierte dabei der Kloster-

Amt und Gemeinde                                                                   79
bibliothek im Franziskanerkloster einen       schrieben: Die ganze Bibel von einzelnen
Besuch abstatten. Dort werden höchst          Gemeindegliedern in Handschrift abge-
wertvolle reformatorische Schriften und       schrieben und in Leder gebunden. Ein
Drucke aufbewahrt, denn Güssing war           besonderes Buch, das zur evangelischen
einst ein reformatorisches Zentrum.           Identität beitragen wird!
   Fortbildungen für ReligionslehrerIn­          Zusätzlich gab es ein Reformations-
nen und LektorInnen, zum Teil mit             fest mit einem Umzug, für den die Wart-
Besuch der Sonderausstellung im Lan-          burg auf einen Wagen gebaut wurde – mit
desmuseum, waren ebenfalls regional           dem „großen“ Playmobil-Luther! Und
organisiert.                                  auf einem zweiten Wagen prangte eine
   Projekte im Religionsunterricht wur-       riesige Lutherrose, von Frauen in unzäh-
den auch regional und schulübergreifend       ligen Stunden aus einzelnen Krepppapier­
verwirklicht.                                 rosen angefertigt.
   Auch das erfolgreiche Reformations-           In Loipersbach eröffnete man einen
kabarett von Oliver Hochkofler und Imo        Stationenweg, der die Geschichte und Ge-
Trojan in Markt Allhau, Eisenstadt und        genwart der Pfarrgemeinde zeigt. „Was
Nickelsdorf hatte ein regionales Einzugs-     die Seele braucht“ hatte der „Loipers­
gebiet.                                       bacher Thesenanschlag“ zum Inhalt.
   Vorträge über die Reformationsge-             Die Festveranstaltung in Weppers-
schichte in Gemeinden des Nordburgen-         dorf am 31. Oktober mit verschiedenen
landes hielt Gustav Reingrabner. Christa      Schwerpunkten bezeichnete den Zeitraum
Grabenhofer referierte bereits im Jahr        15.17 – 20.17 und genau das war auch der
2016 in einigen Pfarrgemeinden über die       Zeitrahmen: von 15 Uhr 17 bis 20 Uhr 17!
„Frauen der Reformation und die Frauen           In Stadtschlaining thematisierte der
in der evangelischen Kirche heute“.           Bildende Künstler Herbert Schügerl in
                                              einer Ausstellung in der Kirche „Köpfe
                                              der Reformation“, und am Reformations-
V.    Veranstaltungen in                      tag fand eine Gedenktafelenthüllung zum
      den Pfarrgemeinden                      500. Jahrestag statt.
                                                 Ein Lutherfest gab es in Markt Allhau,
Eine Kreativität, die man vielleicht nicht    einen Lutherschmaus mit Speisen aus der
für möglich gehalten hätte, rief das Refor-   Zeit in Deutsch-Jahrndorf.
mationsjubiläum in den Pfarrgemeinden            In Oberwart wurde am 31. Oktober
hervor! Das hatte eine Fülle von außer-       mit einem großen Reformationsfest das
ordentlichen Ideen und Umsetzungen            Wohnprojekt „Demenz im Zentrum“ er-
zur Folge, von denen hier nur einzelne        öffnet.
hervorgehoben werden können.                     In Gols fand im Mai der Golser
   In der Pfarrgemeinde Pöttelsdorf           ­Lutherlauf statt: Die Strecke nach Witten­
wurde das „Pöttelsdorfer Evangeliar“ ge-       berg und zurück, ca. 1600 Kilometer,

80                                                                   Amt und Gemeinde
wurde als Stationenlauf zurückgelegt.        unterhielten sie sich auch in einem kleinen
Gemeinsam mit dem Golser Lauftreff           dafür verfassten Anspiel über ihr Leben
und der Politischen Gemeinde, die 800        und Luthers Bedeutung.
Jahre Gols feierte, war das ein besonde-        Erwin Schranz sprach im November
rer Event, der sehr viele begeisterte Läu-   in einem Vortrag über Luther als Refor-
ferInnen und SpaziergängerInnen anzog.       mator der Sprache und Kuratorin Christa
   Eine Modenschau mit Kleidern, die         Grabenhofer schlüpfte noch einmal in die
über die Jahrzehnte in der Kirche zu al-     Rolle der Katharina von Bora und hielt
len Anlässen getragen wurden, hatte auch     in einer szenischen Lesung (Text: Chr.
beim Reformationsfest auf dem Wiener         Brückner) mit Musik die „Ungehaltenen
Rathausplatz große Resonanz hervorge-        Reden der Katharina von Bora“.
rufen.                                          Das Reformationsjubiläum im Burgen-
   In Eisenstadt traten Luther und Katha­­   land war geprägt von Festen und Feiern,
rina von Bora in Originalkostümen aus        von ernsten und heiteren Impulsen. Eine
Wittenberg beim Tauferinnerungsgottes-       Bilanz, die sich durchaus sehen lassen
dienst auf (Pfarrer Herbert Rampler und      kann und die eine Strahlkraft – so ist zu
Kuratorin Christa Grabenhofer). Dabei        hoffen – auch weiterhin haben wird! ■

Amt und Gemeinde                                                                     81
 DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH

„Ecclesia semper reformanda“
Kunstwerk von Nadja Brugger-Isopp anlässlich des
500-jährigen Reformationsjubiläums für die Evangelische
Kirche im Stadtpark Villach

        Von Manfred Sauer, Nadja Brugger-Isopp, Stefan Schweiger

D    ie aus Annenheim stammende Kärnt-
     ner Künstlerin und Gewinnerin des
von der Stadt Villach ausgeschriebenen
                                             nen schweren Weg weitergehen, um dann
                                             an das verheißene gute Ende zu gelangen.
                                                Im Kontext des Reformationsjubi­läums
Wettbewerbs anlässlich des 500-jährigen      signalisieren die Stäbe in ihrer Bewegung
Reformationsjubiläums hat eine raum-         die dynamische Kraft des Glaubens und
greifende Installation von 22 Stäben aus     die frei werdende Kreativität in den
Edelstahl geschaffen, die in s-förmigem      Au­gen­blicken, in denen sich Gott und
Schwung auf die Kirche zulaufen und          Mensch begegnen.
imaginär durch sie hindurchgehen.               Gott ermutigt zum aufrechten Gang,
   Die Stäbe symbolisieren die Verbin-       zum Stehen und Widerstehen sowie zu
dung von Himmel und Erde, von Gott und       einem Leben in Freiheit und Verantwor-
Mensch. Sie nehmen Bezug auf Jakobs          tung. Die unterschiedlichen Schrägen der
Traum von der Himmelsleiter aus Gen. 28,     Stäbe stehen für die unterschiedlichen
wo Engel als Boten auf- und niederstei-      Herausforderungen des Lebens.
gen und es zu einer Begegnung zwischen          Besonderer Dank gilt der Stadt ­Villach
Jakob und Gott kommt. Jakob erkennt,         und Bürgermeister Günther Albel für die
dass er trotz seiner Schuld Gottes Segen     Realisierung dieses faszinierenden Kunst-
gewiss sein kann. So gestärkt kann er sei-   werks.

82                                                                  Amt und Gemeinde
Foto: epd/uschmann                                                                     Die von Nadja Brugger-
                                                                                       Isopp geschaffene raum-
                                                                                       greifende Installation von
                                                                                       22 Edelstahlstäben läuft
                                                                                       in S-Form auf die evange-
                                                                                       lische Kirche in Villach zu.

                     a) Grundidee allgemein                         Rogi gestalteten Spiegelfenstern der Kir-
                                                                    che in Beziehung treten, andererseits auf
                     Es handelt sich um eine raumgreifende          den für evangelische Kirchen typischen,
                     Installation aus 22 stabförmigen, gede-        eine gewisse Nüchternheit vermittelnden
                     ckelten Edelstahlröhren mit einer Ma-          inneren Kirchenraum verweisen. Eine sehr
                     ximallänge von sechs Metern, die sich          wesentliche Grundintention dieser Arbeit
                     in dynamischer Ausrichtung von NNO             war es, mittels einer bewusst zurückge-
                     nach SSW erstreckt. Die Stäbe orientieren      nommenen, reduzierten Formensprache
                     sich am Verlauf des bekiesten Gehweges         sichtbar zu machen, dass die evangelische
                     und führen in s-förmigem Schwung ima-          Kirche nicht nur „himmelwärts“ orientiert,
                     ginär durch das Innere der Kirche. Der         sondern zugleich „erdverbunden“ und da-
                     Eindruck des scheinbaren Durchlaufens          mit gerade in Zeiten wie diesen offen ist
                     der Stäbe durch den Kirchenraum ist von        für den Dialog mit der Welt, mit anderen
                     allen Außenansichten gegeben. Die Stäbe        Religionen, Kulturen und Weltanschauun-
                     sind sockellos und direkt im Boden ver-        gen. Sie lebt irdische Verantwortung und
                     ankert, variieren in ihren Neigungen und       lässt Menschen einen Ort des Angenom-
                     zeigen pfeilgerichtet ähnlich eines Vek-       menseins und der Hoffnung finden.
                     tors in unterschiedliche Richtungen zum           Der formale Minimalismus der Instal-
                     Himmel. Die Abstände zueinander sind           lation will eine Konkurrenz zum histo-
                     rhythmisch angelegt und beziehen den           rischen Kirchenbau absichtlich vermei-
                     Fußgänger beim Durchschreiten der An-          den, aber Anregung bieten zu kritischer
                     lage direkt mit ein. Das Material Edelstahl    Reflexion. Darüber hinaus lässt sie auch
                     soll einerseits in seiner kühlen, nüchternen   geistigen Spielraum für Menschen ohne
                     Erscheinung optisch mit den von Viktor         christliche Konfession und möchte die be-

                     Amt und Gemeinde                                                                           83
stehende Parkanlage durch ein modernes,      Fehlerhaftigkeit. Er hatte den Mut, unter
zeitgemäßes Erscheinungsbild bereichern.     diesem Versprechen Gottes seinen schwe-
   Das Modell ist proportionsbezogen         ren Weg weiterzugehen, um dann an das
zu verstehen und dient der Veranschauli-     verheißene, gute Ende zu gelangen.
chung der Installation. Ursprünglich war        Der Weg des Menschen ist offen, dif-
die Ausrichtung der Installation von NNO     ferenziert, bewegt, verläuft nicht immer
in Richtung SSW geplant, dann wäre der       geradlinig und wird durch die Kurve sym-
mögliche Aufstellungsbereich laut Plan       bolisiert, die weder einen Anfang noch ein
eingehalten. Die ­reale Situation, mit der   Ende hat, sozusagen einen Ausschnitt vie-
sehr hohen Zypresse im vorderen Bereich      ler darstellt; die unterschiedlichen Schrä-
des Platzes und der Sicht auf die Ein-       gen der Stäbe stehen für die unterschied-
zäunung des Kinderspielplatzes, ergab        lichen Herausforderungen des Lebens an
jedoch eine äußerst unruhige Wirkung.        den Menschen, denen er sich stellen muss
Daher wurde der Aufbau spiegelverkehrt       und die auch über den Glauben bewäl-
ausgerichtet, bespielt jedoch im hinteren    tigbar sind. Die Geschichte vom Traum
Teil (SSW) einen kleinen Bereich, der        Jakobs von der Himmelsleiter kann dafür
außerhalb des vorgesehenen liegt. Sollte     ein Mut machendes Beispiel sein.
dennoch der Lageplan eingehalten werden         „Der Weg ist offen. Wer hat denn aus
müssen, ist es jederzeit möglich, die Aus-   der Welt je zu sich selbst gefunden? Nur
richtung dem wieder anzupassen.              der ward frei, der sich ans Ewige Wort
                                             gebunden.“ (Edgar Dacqué)
                                                Margot Käßmann, die Botschafterin
b) Grundidee inhaltlich                      des Rates der Evangelischen Kirche in
                                             Deutschland, hat für das Reformationsju-
Der Sinngehalt der einzelnen Stäbe liegt     biläum 2017 auch Folgendes zum Thema
in der Verbindung des Irdischen mit dem      Freiheit formuliert: „Die Zusage der Frei-
Himmlischen und nimmt in ihrer symbo-        heit setzt Menschen in Bewegung und soll
lischen Auslegung Bezug auf den Traum        sie davor bewahren, in egoistischer Ver-
Jakobs aus dem 28. Kapitel des Buches        krümmung zu verharren. Reformatorischer
Genesis, in dem ihm eine Himmelsleiter       Glaube zielt auf den rechten Gebrauch der
erscheint, auf der Engel als Boten Gottes    Freiheit und auf das Wissen um die Ver-
auf- und niedersteigen und so gesehen        bundenheit aller, also auf Verantwortung.
ihre Arbeit verrichten. Sie bauen an der        In jedem Gottesdienst wird zur Begeg-
Brücke zwischen Himmel und Erde und          nung mit Gott eingeladen und im besten
stellen die Verbindung zwischen Jakob        Fall kommt es dabei zur Berührung zwi-
und Gott her. Jakob hat erkannt, dass ihm,   schen Himmel und Erde. Sie findet im
obwohl er schuldhaft war, Gottes Segen       Kirchenraum statt, dort, wo die Gemeinde
gewiss war. Er hat daran geglaubt, trotz     sich sammelt und das Wort verkündet
all seiner Zweifel und all seiner eigenen    wird. In diesem christlichen Versamm-

84                                                                  Amt und Gemeinde
lungsraum, der in seiner Querhausanlage         Von Stefan Schweiger, dem Leiter der
eine Horizontale beschreibt, findet der      Trigonale, dem renommierten Festival für
Querbalken des Kreuzes seine Entspre-        Alte Musik in Kärnten, kamen der Impuls
chung und steht als Sinnbild für die Ver-    und die Idee, für das Jubiläumsjahr 2017
bundenheit der Menschen untereinander.       ein gemeinsames musikalisches Projekt
Der Kirchturm in seiner Vertikalen bzw.      ins Leben zu rufen, das die traditionell
die vielen einzelnen, nahezu vertikal aus-   enge Verbindung zwischen Protestantis-
gerichteten Stäbe, die imaginär durch den    mus und der Alten Musik zum Ausdruck
Raum führen, ergeben in ihrer geistigen      bringen sollte; war es doch Martin Luther,
Zusammenführung das Kreuz als christ-        der es wie kein anderer verstand, die Mu-
liches Grundsymbol. Seine symbolische        sik zur vielleicht wirksamsten Waffe der
Ausdeutung steht für die Einheit von Ex­     Reformation zu machen. Ganz nebenbei
tremen, etwa Himmel und Erde, aber auch      legte er mit seinem energischen Eintreten
der Synthese und des Maßes.                  für den Volksgesang einen wesentlichen
                                             Grundstein zur weiteren Entwicklung der
                                             abendländischen Musikkultur.
c) Technische Beschreibung                      Selbst die Frage, ob ohne Luthers Zu-
                                             tun Komponisten von der Größe und Be-
Jede Edelstahlröhre wird in einem Punkt-     deutung eines H. Schütz oder J. S. Bach
fundament verankert. In diesem Funda-        überhaupt denkbar wären, kann getrost
ment werden jeweils zwei ineinander pas-     mit nein beantwortet werden
sende Hülsen einbetoniert, die versenkt         Vor diesem Hintergrund entstand die
unter dem Erdniveau liegen. Mittels Ver-     Idee, eine „musikalische Andacht“ mit ei-
schraubung wird das Edelstahlrohr darin      gens für diesen Zweck geschriebenen Lie-
befestigt und kann somit bei Bedarf de-      dern auszustatten, die nach ihrer Premiere
montiert werden.                             nicht in der Schublade verschwinden, son-
                                             dern in der Liturgie und im musikalischen
                                             Leben der Pfarren weitere Verwendung
„Alles, was Odem hat,                        finden sollten. Ganz bewusst entschieden
lobe den Herrn!“                             wir uns dazu, die Auftragswerke für die
                                             intime Besetzung Laute und Stimme kom-
Ein Kompositionsprojekt                      ponieren zu lassen. Einerseits, weil die
zum 500-jährigen                             Laute zur Zeit des Thesenanschlags neben
Reforma­tionsjubiläum 2017                   der Orgel zu den beliebtesten Instrumen-
                                             ten zählte und unzählige Komponisten der
Bei den ersten Vorüberlegungen für das       Renaissance sich ihrer bedienten. Ande-
500-jährige Reformationsjubiläum spielte     rerseits sollte – wohl auch ganz im Sinne
die Musik naturgemäß eine ganz zent-         des Reformators – das Wort im Zentrum
rale Rolle.                                  stehen und von der Musik (nur) getragen

Amt und Gemeinde                                                                    85
Foto: Augstein/G. Steinacher
und unterstützt werden. Überdies galt es,
die entstandenen Lieder in möglichst vie-
len Pfarrgemeinden und mit vertretbarem
Aufwand im Laufe des Jubiläumsjahres
zur Aufführung bringen zu können.
   Diese Idee haben wir begeistert aufge-
griffen und in weiterer Folge mit den Ver-
antwortlichen unserer Pfarrgemeinden lei-
denschaftlich diskutiert. Die Begeisterung
und Zustimmung war sehr groß und nach-
dem die Privatstiftung der Kärntner Spar-
kasse zugesagt hatte, dieses faszinierende
Projekt als Hauptsponsor zu unterstützen,
konnten wir mit der Umsetzung beginnen.
   Mit Wolfgang Muthspiel und Tristan        Das Geschichtenmobil sammelte auf
Schulze konnten zwei bedeutende, exzel-      seinem „Europäischen Stationenweg“
lente und erfahrene Musiker und Kompo-       regionale Geschichten zur Reformation
nisten gefunden werden, die mit großem       und machte dafür am 15.11.2016 auch
Einfühlungsvermögen und enorm krea-          in Villach Halt.
tivem Elan begannen, die übermittelten
Texte zu vertonen.
   Helga Duffek, Ivana Kampus, Claudia          „Alles, was Odem hat, lobe den
Rosenwirth-Fendre und Manfred Sauer          Herrn!“ Dieser letzte Vers des 150. Psalms
haben Texte zur Verfügung gestellt. Dazu     wurde titelgebend für unser zeitgenössi-
kamen Gedichte und literarische Texte,       sches Kompositionsprojekt. Mögen die
die von den Komponisten selbst ausge-        Lieder, die Worte und die Musik, die dazu
wählt wurden.                                entstanden sind, für alle zu einem ermuti-
   Aus den übermittelten und ausgesuch-      genden Lobgesang werden, das Leben zu
ten Texten ist ein ca. 40-minütiges kom-     feiern und für ein Leben in Frieden und
positorisches Gesamtkunstwerk entstan-       Gerechtigkeit einzutreten mit nachhalti-
den, das in mehreren Pfarrgemeinden zur      ger Wirkung über das Reformationsjubi-
Aufführung gebracht wurde.                   läum hinaus.
   Wir verstehen dieses Kompositions-           Die Sängerinnen Johanna von der
werk durchaus auch in Anlehnung an die       Deken, Elisabeth Breuer, Marie-Sophie
biblische Tradition der Psalmen, die ja      Pollak und Lia Serafini sowie die Lau-
großteils gesungene Gebete sind und als      tenisten Fabio Accurso, Stefano Rocco
Klage- und Loblieder einen wichtigen         und Hans Brüderl standen uns als Inter­
Platz im gottesdienstlichen Geschehen        pretInnen für dieses Projekt zur Verfügung
hatten und haben.                            und kamen abwechselnd zum Einsatz. ■

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 DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH

Sternstunde und Stadtgespräch
Blitzlichter zum Reformationsjubiläum aus zwei
niederösterreichischen Gemeinden

                                                              Von Birgit Schiller

G     egensätzlicher können Pfarrgemein-
      den kaum sein. Gmünd-Waidhofen /
Thaya liegt im nördlichen Waldviertel,
                                            merksamkeit, vor allem aber war es Gele-
                                            genheit für die Evangelischen, sich selbst
                                            neu wahrzunehmen, die Freude am Evan-
hat rund 620 Mitglieder, seit bald drei     gelisch sein (wieder) zu entdecken, die
Jahren keinen eigenen Pfarrer und ist von   eigene Geschichte kennenzulernen oder
extremer Diaspora geprägt. Zu Mödling,      zu erinnern, Glaubensschwerpunkte zu
im südlichen Speckgürtel Wiens, gehö-       reflektieren, ihre Umsetzung heute zu ver-
ren circa 4680 Gemeindeglieder. An die      suchen und das Evangelium zu feiern über
30 sogenannte Dienstgruppen, mit viel       alte Abgrenzungen hinweg.
Entscheidungsfreiheit ausgestattet, meist
von Ehrenamtlichen geleitet und von den
beiden PfarrerInnen begleitet, gestalten    Sechzehn römisch-
das Gemeindeleben.                          katholische Pfarrer im
   Was beide Gemeinden verbindet, ist       Reformationstaggottesdienst
ein ambitioniertes Programm im Refor-
mationsjubiläumjahr 2017. Unter ihren       „Es war eine Sternstunde in meinem Pfar-
ganz eigenen Bedingungen haben die          rersein“ fasst Pfarrerin Anne Tikkanen-
Gemeinden über dreißig Veranstaltun-        Lippl den Reformationstag in Mödling
gen, sieben davon in Gmünd-Waidhofen,       zusammen. Ab dem späten Vormittag prä-
umgesetzt. Das brachte öffentliche Auf-     sentierte sich die Gemeinde mit Aktio-

Amt und Gemeinde                                                                   87
nen und Informationen in der Mödlinger       wollten“. Spannend, wie Evangelische
Fußgängerzone. Junge Menschen ließen         und Römisch-Katholische im gemeinsa-
sich durch das Musikprogramm anziehen.       men Gespräch sich ihrer jeweils eigenen
Um 15 Uhr 17 wurde der Geburtstags-          Kirche bewusster wurden. Dieser Aspekt,
kuchen angeschnitten. Höhepunkt war          sich der eigenen Identität und Geschichte
der ökumenische Festgottesdienst in der      klarer zu werden, spielte auch bei den an-
römisch-katholischen St. Othmarkirche,       deren Veranstaltungen der Gemeinde eine
der, so Anne Tikkanen-Lippl, von tiefer      große Rolle. So wurde zur „Lutherischen
Wertschätzung und Verbundenheit erfüllt      Kirche“ gewandert. Diesen Namen trug
war. Alle sechzehn römisch-katholischen      ein mächtiger Granitstein der Blockheide,
Pfarrer, die im Gebiet der evangelischen     der später abgebaut wurde. Dort gab es
Pfarrgemeinde Mödling arbeiten, feierten     bis 1690 geheime evangelische Gottes-
mit. Von Anfang an war die Ökumene           dienste. Die Berichterstattung über diese
bei der Planung des Festjahres im Blick.     Wanderung im Jubiläumsjahr in den lo-
„Gedenken oder Feiern“ wurde gemein-         kalen Medien machte auch die evangeli-
sam überlegt.                                sche Geschichte der Stadt wieder bekannt.
Mit den Lokalpolitikern aller Parteien
sprach die evangelische Gemeinde vor-
bereitend schon 2016 über die Bedeutung      Acht Gottesdienste zu
des Protestantismus in der Stadt, über die   Freiheit und Verantwortung
Möglichkeiten mit der ganzen Stadt zu
feiern und wie die Zusammenarbeit in         Selbst für eine große Gemeinde wie Möd-
Zukunft aussehen kann.                       ling ist die öffentliche Wahrnehmung
                                             wichtig. Manche Veranstaltungen wa-
                                             ren nach innen gerichtet, an die eigenen
Ein Granitstein als geheimer                 Gruppen und Arbeitskreise. Andere hatten
Gottesdienstort                              große Außenwirkung.
                                                Dazu gehörte die Gottesdienstreihe
In Gmünd-Waidhofen begann das Jubilä-        zum Jubiläumsmotto „Freiheit und Ver-
umsjahr mit einer ökumenischen Andacht.      antwortung“, für die namhafte Persönlich-
Nicht einmal 1 % der Bevölkerung der         keiten wie die ehemalige Grünenchefin
beiden Bezirke ist evangelisch. Die Wert-    Eva Glawischnig oder der Kunstsammler
schätzung der Evangelischen ist durch-       und Baumax-Gründer Karlheinz Essl ge-
aus da – wenn man ihnen einmal begeg-        wonnen werden konnten. Die Themengot-
net  –, das Wissen über sie weniger. Die     tesdienste „ Freiheit und Verantwortung
Gemeinde lud darum die römisch-katho-        in Kirche und Religion, in Umwelt und
lischen Gemeinden in die Friedenskirche      Nachhaltigkeit, in Wissenschaft und For-
nach Gmünd unter dem Motto „Was wir          schung, in Presse und Medien, in Kunst
immer über die Evangelischen wissen          und Kultur, in der Zivilgesellschaft, in

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der Politik und in den Sozialen Medien“       Jahr hatte man sich Superintendent Lars
zeigten die Breite, in die reformatorisches   Müller-Marienburg als Prediger gesichert.
Denken heute wirken kann.                     Mitfeiernde waren die beiden römisch-ka-
   Kritische Stimmen zum Programm             tholischen Pfarrer von Gmünd, unter den
des Jubiläumsjahres in Mödling sind zu-       Teilnehmern gleich zwei Bezirkshaupt-
mindest nicht an die Ohren der Pfarrerin      männer. Übervoll war die Friedenkirche,
gedrungen. Vereinzelte Stimmen klag-          stolz die Bürgermeisterin von Gmünd,
ten über die Fülle des Angebotes, aber        „dass die Abschlussveranstaltung in ihrer
Anne Tikkanen-Lippl ist überzeugt, dass       Stadt“ gehalten wird. Der anschließende
es einiges an evangelischem Bewusstsein       Empfang im Palmenhaus dauerte lange.
gebracht hat.                                 „Tagelang bin ich darauf angesprochen
                                              worden“, sagt Kuratorin Solveig Gschai-
                                              der. „Das hat uns viel gegeben.“
Die Kraft der Ehrenamtlichen

Veranstaltungen in allen Bereichen der        2018 hat andere Themen
flächenmäßig großen Gemeinde anzubie-
ten: In Gmünd-Waidhofen gelang es. Das        Den Schwung mitzunehmen, der im Jubi-
Programm wurde weitgehend von Ehren-          läumsjahr die Gemeinde erfüllt hat, darauf
amtlichen organisiert und getragen. Das       hofft auch Mödling. Aber es bleibt kaum
gab dem evangelischen Selbstbewusst-          Zeit, zu reflektieren, nachzuarbeiten. 2018
sein im Oberen Waldviertel, das ob der        hat andere Themen. Die Gemeindever-
kleinen Zahl oft gering ist, Auftrieb und     tretungswahlen waren vor- und nachzu-
zeigt, welche Kraft in kleinen Randge-        bereiten, Mödling wird im Herbst einen
meinden steckt.                               Fernsehgottesdienst gestalten, Gmünd-
   Höhepunkt des Jubiläumsjahres war          Waidhofen die Pfarrstelle wieder aus-
auch in Gmünd-Waidhofen der Festgottes-       schreiben. Was von den Erfahrungen von
dienst am 31. Oktober. Schon vor einem        2017 bleibt, wird sich zeigen.           ■

Amt und Gemeinde                                                                      89
 DAS JAHR 2017 IN ÖSTERREICH

Eine Reflexion des Reformations-
gedenkens anhand der Trias
„Mission – Bildung – Ökumene“
Ein Arbeitsbericht über das Jahr 2017
aus Oberösterreich

                                                               Von Gerold Lehner

1.   Zielsetzungen als                       Resonanz geblieben ist: An den rund
     Kriterien der Reflexion                 157 Veranstaltungen in OÖ haben ca.
                                             30.000 Personen teilgenommen. In die-
Eine Reflexion des Gedenkjahres der Re-      ser Aufstellung sind die „Glaubenskurse“
formation muss über einen simplen Tä-        (auf die ich gesondert eingehen werde)
tigkeitsbericht, eine Auflistung der Ver-    nicht inkludiert.
anstaltungen, hinausgehen.                      Damit aber stellt sich die Frage nach den
   Eine solche quantitative Auflistung sei   Kriterien, auf die hin eine kritische Refle-
hier immerhin gegeben, weil sie zu zeigen    xion des Jahres 2017 erfolgen kann und
vermag, wieviel Energie in die Durch-        soll. Wir haben drei Leitlinien für unser
führung dieses Jahres investiert wurde –     Handeln festgelegt, die zur Orientierung
und dass diese Anstrengung nicht ohne        und Strukturierung unseres Tuns dienen

90                                                                   Amt und Gemeinde
sollten und sie in drei Begriffen konzen-                   dass wir nicht alte Konfliktmuster der Ju-
triert: „Mission – Bildung – Ökumene“.                      biläumsfeiern aktivieren, sondern den An-
    „Wir wollen in Freude von der Güte                      lass 2017 nutzen wollten, um öffentlich
Gottes reden. Wir wollen die Wurzeln un-                    zu zeigen, wie weit das Miteinander mit
seres Glaubens vertiefen, dass er Nahrung                   der katholischen Schwesterkirche bereits
findet, wächst und Früchte trägt. Und wir                   gediehen ist, und versuchen wollten, die-
wollen nicht für uns bleiben, sondern fei-                  ses Verhältnis weiter voranzubringen. Ich
ern in der Gemeinschaft der Ökumene.“1                      möchte deshalb anhand dieser Leitlinien
Von vorneherein war uns klar, dass wir                      unser Handeln im Jahr 2017 reflektieren.
kein eindimensionales Jubelfest der Evan-
gelischen Kirche feiern wollten, analog
dem, was frühere Jahrhundertfeiern in                       2.      Die missionarische
Szene gesetzt hatten. Wir wollten ver-                              Dimension von 2017
suchen grundsätzlich von dem zu reden,
wofür Kirche steht, was sie leben lässt,                    Auf Initiative des damaligen Landes-
und woraus sie ihre Freude bezieht. Es                      hauptmannes von Oberösterreich, Josef
sollte also darum gehen, die missionari-                    Pühringer, kam es im Oktober 2016 zur
sche Dimension von Kirche zur Geltung                       Vorstellung des Buchprojektes „Mission
zu bringen. Mit der zweiten Dimension,                      und kirchliche Entwicklungszusammen-
jener der Bildung, war intendiert, einer-                   arbeit aus Oberösterreich“2. Dieses Buch
seits die Basiskenntnisse in Bezug auf                      stellt zum ersten Mal das missionarische
die Reformation, die Grundlagen evan-                       Wirken der Katholischen und Evange-
gelischen Glaubens und evangelischer                        lischen Kirche in OÖ dar. Es enthält
Kirche zu vermitteln, und andererseits                      nicht nur die Biogramme und Berichte
die Lust daran, tiefer in die Sache einzu-                  der Missionarinnen und Missionare, son-
dringen (das diesbezüglich qualitativ und                   dern, neben Aufsätzen zur Geschichte und
quantitativ aufwendigste Projekt waren                      Theologie der Mission, auch die beiden
die sogenannten „Glaubenskurse“). Und                       Erklärungen zum Selbstverständnis der
schließlich war uns von vorneherein klar,                   Evangelischen Kirche als „missionari-
                                                            scher Kirche“ aus dem Jahr 20093. Beide
1   So waren diese Ziele auf Seite 2 unseres Veranstal-     Erklärungen betonen, dass Mission in der
    tungsführers für 2017 (VF 2017) zu lesen. Dieser
    (mit 132 Seiten recht umfangreiche) Veranstaltungs-
    führer sollte diese Zielsetzungen bereits verkörpern.
    Deshalb beinhaltete er neben den Veranstaltungshin-     2    Monika Würthinger, Andreas Reumayr, Gerold Leh-
    weisen auch u. a. Vorworte des katholischen Bischofs         ner (Hrsg.), Mission und kirchliche Entwicklungs-
    Manfred Scheuer und des Landeshauptmanns von                 zusammenarbeit aus Oberösterreich. Aus der Freude
    OÖ Josef Pühringer, aber auch kurze inhaltliche              am Evangelium – im Dienst an den Menschen, Linz:
    Beiträge zur Geschichte der Reformation, der Evan-           Land Oberösterreich 2016.
    gelischen in Oberösterreich, über Ökumene, Glaube       3    Nämlich die Leitlinien zum Thema „Missionarische
    und Schule, die Herausforderungen der Zukunft                Kirche“ der Diözese OÖ vom November 2009 und
    sowie Statements von Schülerinnen und Schülern               die Resolution der Generalsynode vom November
    über den Glauben.                                            2009, a. a. O., 51–57.

Amt und Gemeinde                                                                                               91
Liebe wurzelt und der Freude an den gro-     fähig war, ferner Stehende anzuziehen,
ßen Taten Gottes entspringt. Insofern war    ist schwer einzuschätzen.
2017 auch ein Prüfstein dafür, wie sehr es       Wichtig in diesem Zusammenhang wa-
gelingen würde, aus dieser Freude heraus     ren auch die diversen Ausstellungen. Die
zu feiern und Menschen (und zwar nicht       Ausstellung im Evangelischen Museum in
nur solche aus dem inneren Kreis der Kir-    Rutzenmoos hat Interessierte aus nah und
che) in diese Freude mithineinzunehmen.      fern angezogen. Die Ausstellung in Steyr
   Man kann grundsätzlich festhalten,        dürfte von vielen StadtbewohnerIn­nen
dass dieses Jahr mit seinen Veranstaltun-    auch zum „Hineinschnuppern“ genutzt
gen von der Öffentlichkeit in hohem Maße     worden sein. Die Kunstausstellung „Flie-
wahrgenommen wurde. Besonders in den         gende Blätter“4 in Linz war von vornehe-
Tageszeitungen gab es immer wieder nicht     rein grenzüberschreitend konzipiert und
nur Berichte über die Bedeutung und den      zielte auf die kunstinteressierte Öffent­
Inhalt von 2017, sondern auch umfangrei-     lichkeit.
che Interviews, die abgedruckt wurden.           Insgesamt dürfte 2017 unter dem (in
   Einzelne Pfarrgemeinden haben kon-        weitem Sinne verstandenen) „missiona-
zeptuelle Einladungs- und Werbeaktio-        rischen“ Aspekt viel an Aufmerksamkeit
nen für Veranstaltungen durchgeführt.        und Sympathie bewirkt haben, aber eher
Was sehr positiv vermerkt wurde, war         wenig in Bezug auf Kontaktaufnahme und
die persönliche Einladung. Öffentlich        Beziehung zu Kirche und/oder Pfarrge-
wahrnehmbare Werbung (etwa auf Pla-          meinde5. Dennoch hat dieses Jahr gute
katwänden) erregte Aufmerksamkeit, er-       Grundlagen geschaffen, auf denen man
zeugte in einigen wenigen Fällen Abwehr      aufbauen und weiterarbeiten kann.
(wurde als „aggressiv“ empfunden), be-
wirkte aber vor allem „Rückenwind“ für       4   Die Ausstellung ist dokumentiert in dem von der
                                                 Superintendentur herausgegebenen Ausstellungs-
die Mitarbeitenden („das ist unsere Ver-         katalog: Fliegende Blätter. Ein Gespräch zwischen
anstaltung, dafür laden wir ein“). Bewährt       Reformation, Kunst und Moderne, Linz 2017
                                             5   Auf jeden Fall ist festzustellen, dass sich das Jahr
hat sich das (in Attersee angewandte)            2017 in der Statistik nicht signifikant ausgewirkt
Konzept, zu Glaubensgesprächen an ex-            hat. Die Zahl der Austritte ist in OÖ gegenüber dem
                                                 Vorjahr gleich geblieben (in Bezug auf Österreich hat
ternen Orten einzuladen. Im Gasthaus, im         sie um 1,48 % zugenommen). Die Zahl der Eintritte ist
Autohaus, im Café der Bäckerei.                  in OÖ gegenüber dem Vorjahr um 13 % zurückgegan-
                                                 gen  (!), – ein Phänomen, das auch insgesamt, wenn
   Die größte Veranstaltung, die auch öf-        auch in abgeschwächtem Maße (– 4,64 %) zu beobach-
fentlich (im ORF) angekündigt wurde,             ten ist. Die grundsätzlich positiven Auswirkungen des
                                                 Reformationsjubiläums sind also in diesem Bereich
stellte der oberösterreichische Kirchentag       (noch?) nicht wahrnehmbar. Allerdings sollte man in
dar. Gefeiert wurde im öffentlichen Raum         der Analyse bedenken, dass sowohl Austritte als auch
                                                 Eintritte das Ergebnis längerer Entwicklungen sind.
(am Domplatz sowie um und im Land-               Die Auswirkungen des Jahres 2017 werden also
                                                 (so vorhanden), erst im Zeitraum der nächsten drei
haus), und das war eine große Stärke der         bis fünf Jahre sichtbar werden – und können jederzeit
Veranstaltung. Wie weit sie damit auch           von anderen Themen überlagert werden.

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3.      Die Dimension der                               aber anonym, zu dokumentieren. Ähnliche
        Bildung im Jahr 2017                            Anknüpfungspunkte gab es bei den The-
                                                        men Schule, Gottesdienst, Friedhof und
„Bildung“ war wohl der formale und in-                  Bibel. Durch das Begleitheft zur Ausstel-
haltliche Schwerpunkt des Jahres 2017.                  lung wurde eine gewisse Nachhaltigkeit
Betrachtet man die durchgeführten Ver-                  der Ausstellung gesichert. Eine in Kürze
anstaltungen, dann fällt der Großteil unter             erscheinende Publikation wird das „Evan-
die Kategorie „Bildung“. Und umgekehrt                  gelische Jahrhundert“ in Steyr in seinen
gab es wohl kaum eine Veranstaltung, in                 verschiedenen Aspekten darstellen7. Bil-
welcher das Element „Bildung“ nicht                     dung, so, wie sie im Konzept der Ausstel-
enthalten war. Freilich, die Bandbreite                 lung verstanden wurde, gründet in Wissen,
dessen, was sich mit diesem Begriff be-                 in der Wahrnehmung des Anderen, auch
schreiben lässt, ist groß. Sie reicht von               des Vergangenen. Die Grade der Aneig-
reiner Informationsvermittlung bis hin                  nung (von rein sachlich und informativ bis
zur persönlichen Auseinandersetzung mit                 hin zum sich emotional und intellek­tuell
– und Aneignung von – Glaubensinhalten.                 Bewegenlassen) bestimmt dabei derjenige,
   Ich möchte an dieser Stelle exempla-                 der die Ausstellung besucht.
risch auf die Ausstellung in Steyr und die
„Glaubenskurse“ eingehen.                               Das Projekt
                                                        „Erwachsen Glauben“
Die Ausstellung in Steyr
                                                        Ein zweites Konzept von Bildung wurde
Die Ausstellung in Steyr (mit dem Titel                 versucht mit dem Angebot von „Glau-
„1517! Und Heute?“) war von vorneherein                 benskursen“ umzusetzen. Das Projekt, das
so konzipiert, dass sie die geschichtlichen             wir „Erwachsen Glauben“ genannt haben,
Fragen immer wieder zu Fragen der Ge-                   wurde im November 2015 auf der Super-
genwart werden ließ. Dadurch wurde es                   intendentialversammlung vorgestellt. Im
möglich geschichtliche Ereignisse nicht                 Februar 2016 fand ein Schulungswochen-
einfach in der Vergangenheit zu belassen,               ende mit ca. 40 Teilnehmenden statt, die in
getreu dem Motto der Ausstellung: „The                  ihren Pfarrgemeinden solche „Glaubens-
past is never dead, it is not even past“6. So           kurse“ anbieten wollten. Von Herbst 2016
wurde bei der Errichtung des „Gemeinen                  bis Herbst 2017 wurden diese flächende-
Kastens“ in Steyr die Frage gestellt, welche            ckend in sehr vielen oberösterreichischen
Institutionen oder Personen wir heute mit               Gemeinden angeboten, und in den meis-
unserer Spende unterstützen, und mithilfe               ten auch durchgeführt. Inzwischen haben
einer einfachen Vorrichtung die Möglich-                wir auch eine Evaluierung des Projekts
keit gegeben, diese Entscheidung sichtbar,
                                                        7   Gerold Lehner, Raimund Locicnik (Hrsg.), Steyr:
                                                            Das evangelische Jahrhundert 1520–1624,
6    William Faulkner (1887–1962), Requiem for a Nun.       Linz: Peter Wagner 2018.

Amt und Gemeinde                                                                                              93
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