Das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen 2017 - www.lav.nrw.de - Archive NRW
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Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 70 www.lav.nrw.de Herausgegeben vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen
INHALTSVERZEICHNIS VORWORT 4 Ausbildung im Landesarchiv 6 Abteilung Ostwestfalen-Lippe bildet Referendare aus 8 E-Government und Behördenberatung 9 Überlieferungsbildung 12 Archivierung der Strafverfolgungsstatistik 2010 13 Erschließung des Archivguts Allgemeiner Überblick 14 Juden in Westfalen und Lippe (JuWeL) – Tiefenerschließung der 16 Juden- und Dissidentenregister in der Abteilung Ostwestfalen-Lippe „Die archivalische Arbeit ist eine sauerre, mühsahme und mit vielle 17 Umstände verknüpftes Weßens, die Treüe, Fleiß und Accuratesse erfordert“ Aktenbestände des Fürstentums Siegen erschlossen 18 Ein Zugang zum Bestand Oberfinanzdirektion Münster 19 Bestandserhaltung 20 Nutzung im Landesarchiv 22 Digitale Archivierung 24 Archivportal NRW 26 Digitalisierung der Sterbenebenregister der Abteilung Ostwestfalen-Lippe 28 1874 bis 1938 durch FamilySearch Digitalisierung und Online-Stellung von Luftbildern der Abteilung Rheinland 30 Lernort Landesarchiv 32 Der Career Service der Universität Münster zu Gast in der Abteilung Westfalen 35 Kooperation zwischen dem Landesarchiv und dem Ungarischen Nationalarchiv 36 Dach- und Bürosanierung in Detmold 37 2
Veranstaltungen im Jahr 2017 Schüler präsentieren die Ausstellung 38 „schwarz-weiß wird bunt. 70 Jahre NRW“ in Münster Das Projekt „Ein Mädchen aus Lippe“ – 40 Eine szenische Lesung in Kooperation mit einer Partnerschule Sommerhits für Kids – 41 Angebote der Abteilung Westfalen für Ferienkinder Der Geschichtswettbewerb als Erfolgsmodell des Landesarchivs 43 „Gekommen, um zu bleiben?“ – 45 Migration und Integration in Nordrhein-Westfalen von 1946 bis zur Gegenwart „Geschichte(n) in Bewegung – 46 Sport an Rhein und Ruhr damals und heute“ 70 Jahre Landessportbund NRW – 47 Workshop zur Sicherung der Sportüberlieferung im Landesarchiv Detmolder Sommergespräch 48 Von frühen Königs- und Kaiserurkunden 49 Erstes deutschsprachiges Archivcamp in Duisburg 50 Tag des offenen Denkmals 2017 in Duisburg im Zeichen des Sports 51 Macht und Pracht – 52 Der Tag des offenen Denkmals in der Abteilung Westfalen Interner Archivtag zum Thema: Das Landesarchiv im Netz 53 Publikationen im Jahr 2017 Tagungsband „Digitales Edieren im 21. Jahrhundert“ 54 Saisonale Arbeitsmigration in der Geschichte 55 IMPRESSUM 56 LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 3
LIEBE LESERINNEN UND LESER, A us dem Jahr 2016 der drei Archivpädagogen und der Archivarinnen und haben sich Ver- Archivare in Detmold, Duisburg und Münster um den anstaltungen und Lernort Landesarchiv, um Bildungspartnerschaften die Präsentation oder um die Lehrerausbildung wird nicht nur durch der Wanderausstellung zum rege Teilnahme von Schülern, Studenten und ange- 70. Jubiläum des Landes henden Lehrern belohnt, sondern manchmal auch Nordrhein-Westfalen noch durch eine hervorragende Leistung: eine im Landes- bis 2017 mit Stationen in archiv betreute Schülerin des Annette-von-Droste- Siegen, Münster und Gü- Hülshoff-Gymnasiums in Münster hat einen der fünf tersloh fortgesetzt. Im Som- ersten Bundespreise des Geschichtswettbewerbs des mer hat die Ausstellung Bundespräsidenten gewonnen. schließlich einen schönen Abschluss bei unseren belgi- Ebenso wichtig und für die zukünftige Entwicklung der schen Nachbarn gefunden, Aufgaben des Landesarchivs dauerhaft und prägend im Ministerium der deutsch- sind die Anforderungen, die sich im Zuge des 2016 sprachigen Gemeinschaft in verabschiedeten nordrhein-westfälischen E-Govern- Eupen. Der vorliegende Jah- ment-Gesetzes stellen. Mit der Umstellung der Landes- resbericht unterstreicht das verwaltung auf elektronische Services und Verfahren Engagement des Landes- sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes- archivs Nordrhein-Westfalen archivs in dreifacher Form tangiert. Zum einen stellt um die historische Bildungs- das Landesarchiv selbst, wie andere Behörden in Nord- arbeit wie auch um den rhein-Westfalen auch, auf ein elektronisches Records Frank M. Bischoff Foto: Jochen Tack archivfachlichen und ge- Management um und entwickelt neue E-Services für schichtswissenschaftlichen seine Kunden. Ein Schritt auf diesem Weg war die Austausch in besonderem Maße. Die Angebote reichten Schließung der analogen Schriftgutverwaltung zum von Sommerferienveranstaltungen für Kinder und Ju- Jahresende 2017 und ihre Ersetzung durch die elektro- gendliche in Münster bis zu einer Schüleraufführung nische Akte in allen Abteilungen. mit szenischen Lesungen aus Akten über das Leben eines fiktiven jüdischen Mädchens in Detmold. Zu Zugleich berät das Landesarchiv im Rahmen seiner einem Workshop über karolingische Königsurkunden archivgesetzlichen Aufgaben die nordrhein-westfäli- unter Beteiligung wissenschaftlicher Koryphäen in schen Behörden bei der Umstellung ihrer Vorgangsbe- Münster bildete eine den sozialen Medien gewidmete arbeitung und Schriftgutverwaltung auf elektronische Konferenz Offene Archive 2.3 mit dem ersten deutschen Verfahren und Speicherung. Die Expertise des Landes- Archivcamp, das sich an die Organisationsform der Bar- archivs und die Beratungsangebote insbesondere für camps anlehnte, ein Kontrastprogramm in Duisburg. organisatorische Fragen des Records Managements Und neben Veranstaltungen und Ausstellungen zur Ge- und der elektronischen Vorgangsbearbeitung sind im schichte des Sports an Rhein und Ruhr – wofür das Laufe des Jahres 2017 sowohl für die strategischen 70. Jubiläum des Landessportbunds NRW zum Anlass Planungen als auch für die konkreten Umstellungs- genommen werden konnte – fanden sich solche über prozesse häufig von Landesbehörden abgerufen wor- Migration und Integration in Nordrhein-Westfalen, zu den. Gerade wegen der hohen Komplexität der Anfor- denen auch Podiumsdiskussionen mit Vertretern aus derungen an die elektronische Vorgangsbearbeitung Politik und Verwaltung und Oral History-Workshops mit und Aktenführung müssen eine intensive Behörden- Flüchtlingen durchgeführt wurden. Das Engagement beratung und eine kontinuierliche Auseinanderset- 4
zung mit Entwicklungen auf dem Gebiet des Records Synergien ausschöpfen. Neben der innerdeutschen Managements integraler Bestandteil der gegenwärti- Mitwirkung an einschlägigen archivischen Gremien und gen und zukünftigen archivischen Praxis bleiben. Und Arbeitsgruppen bemüht sich das Landesarchiv Nord- schließlich entwickelt das Landesarchiv für die durch rhein-Westfalen bereits seit vielen Jahren um einen eu- das E-Government-Gesetz beschleunigte Entwicklung ropäischen Austausch in unterschiedlichen Formaten. einer sich ausweitenden elektronischen Überlieferung Die eingangs schon angedeuteten guten und freund- organisatorische und technische Grundlagen für eine schaftlichen Kontakte zum belgischen Archivwesen nachhaltige Übernahme und Sicherung der digital ent- bestehen gleichermaßen zu den niederländischen und standenen und noch entstehenden Unterlagen. Zur den luxemburgischen Archiven und finden ihren Aus- Übernahme der elektronischen Behördenüberlieferung druck in einem jährlich zu jeweils wechselnden The- müssen Schnittstellen definiert und umgesetzt und men organisierten Internationalen Archivsymposion. Archivierungsverfahren realisiert werden, die Authen- Kontakte bestehen aber auch zu Finnland, so dass das tizität, Integrität und Benutzbarkeit der elektronischen 100. Jubiläum der finnischen Unabhängigkeit, zugleich Überlieferung dauerhaft gewährleisten können. Auch das 65. Jubiläum der Gründung der Deutsch-Finni- hier handelt es sich um langfristige Aufgaben des Lan- schen Gesellschaft und nicht zuletzt das 25. Jubiläum desarchivs, die fortzuschreiben und immer wieder den der Zusammenarbeit der Abteilung Ostwestfalen-Lippe jeweils aktuellen technischen und organisatorischen mit der Deutsch-Finnischen Gesellschaft im November Entwicklungen anzupassen sind. 2017 in Detmold mit einer zweitägigen Festveranstal- tung und Vorträgen unter anderem aus dem finnischen Konkret fassbar werden diese Entwicklungen in der Nationalarchiv und dem Landesarchiv Nordrhein-West- bereits seit einigen Jahren praktizierten Übernahme falen begangen wurde. elektronischer Unterlagen für die Archivierung. In 2017 hat das Landesarchiv die Strafverfolgungsstatistik Ein ganz anderes Kooperationsformat wurde mit dem 2010 archiviert. Außerdem wurden die Digitale Topo- Ungarischen Nationalarchiv in Budapest gewählt. Eine graphische Karte NRW, Fotos des Landespresseamtes am 29. Mai 2017 unterzeichnete Vereinbarung verfolgt und erstmals eine Website – des im Zuge der Regie- das übergreifende Ziel einer Intensivierung der europäi- rungsumbildung 2017 aufgelösten Ministeriums für schen Zusammenarbeit von staatlichen Archiven und Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport – elektro- die Förderung und den Ausbau der archivwissenschaft- nisch archiviert. lichen Weiterbildung. Eine erste Konkretisierung dieser Vereinbarung war die Entsendung einer Archivarin des Natürlich bringt der Wandel hin zu einer wachsenden Landesarchivs an das Ungarische Nationalarchiv für digitalen Verfügbarkeit auch den Benutzern Vorteile. ein vierwöchiges Informatorium im September 2017, in Die Digitalisierung der westfälischen Sterberegister dem sowohl die Organisation als auch die praktische hat zu einer erheblichen Steigerung des Online-Ange- Aufgabenerledigung an verschiedenen Standorten in bots und vor allem der Online-Nutzung von digitalen Ungarn vermittelt wurden. Der Gegenbesuch eines un- Personenstandsregistern der Abteilung Ostwestfalen- garischen Archivars im Landesarchiv ist bereits für das Lippe geführt. Eine hohe Attraktivität besitzen auch die Frühjahr 2018 vereinbart. Als Gedächtnis des Landes 1,2 Mio. Luftbilder der Abteilung Rheinland, von denen Nordrhein-Westfalen sowie seiner Vorgängerterritorien mehr als 30.000 Stück digital vorliegen und online ge- ist und wird das Landesarchiv auch zukünftig für viel- nutzt werden können. Die Benutzung findet bereits fältige Aufgaben im Kontext der Archivierung sowie der seit Jahren auf dreifache Weise statt: im Lesesaal, mit- behördlichen Vorfeldarbeit zuständig sein. Wenn das tels (schriftlicher) Anfragen und online. Letztere wird Landesarchiv diesen Aufgaben auch im Jahr 2017 ge- sich in den nächsten Jahren ungebrochen ausweiten. recht werden konnte, dann ist das in erster Linie der Welche Auswirkungen das auf die beiden anderen Kompetenz, Qualität und Einsatzbereitschaft seiner Nutzungsarten hat, muss beobachtet werden. Ebenso Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verdanken. wird zu prüfen sein, ob die Online-Nutzung zusätzliche Service- und Beratungsangebote erforderlich macht. Ihr Da sich die aktuellen archivischen Herausforderungen und Aufgaben nicht allein dem Landesarchiv stellen, sondern viele Archive betreffen, sind der fachliche Dia- log, der Informationstransfer und mögliche Koopera- Frank M. Bischoff tionen zwischen den Archiven von großer Bedeutung. Präsident des Landesarchivs Archive können voneinander lernen und gemeinsam Nordrhein-Westfalen LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 5
Auszubildende,Anwärter und FSJ des Jahrgangs 2017 AUSBILDUNG IM Foto: Landesarchiv LANDESARCHIV A uch im Jahr 2017 war die Ausbildung von Nachwuchskräften eine wichtige, mit Engagement erfüllte Aufgabe des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen. Schließlich wurden die Voraussetzungen geschaffen, die Einstellungszahlen in den vorhandenen Aus- bildungsgängen noch zu erhöhen, um dem sich bereits abzeichnenden Fachkräftemangel in Archiven entgegenzuwirken. Die Ausstattung der Archive mit hoch qualifiziertem Fachpersonal ist ein wichtiger Beitrag, um weiterhin den Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können. So wurde 2017 die Zahl der Einstellungen zum Vorbereitungsdienst im Archivdienst der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt (ehemals höhe- rer Archivdienst) erhöht und sechs Archivreferendarinnen und -referendare erhielten mit Wirkung vom 1. Mai 2017 ihre Ernennungsurkunde. Sie wurden der Ausbildungsabteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs zugewie- sen. Unmittelbar vorher hatten ihre fünf Vorgängerinnen und Vorgänger vom Einstellungsjahrgang 2015 erfolgreich das Archivreferendariat beendet. Die im Jahr 2016 beim Landesarchiv eingestellten fünf Archivanwärterin- nen und -anwärter haben 2017 ihren Vorbereitungsdienst in der Ausbil- dungsabteilung Rheinland des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen fort- gesetzt. Erstmals absolvieren diese Nachwuchskräfte die fachpraktische Studienzeit (Praktikum I) gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen des ebenfalls als Ausbildungsarchiv in Nordrhein-Westfalen zugelassenen LWL-Archivamtes für Westfalen (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) und des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums (Landschafts- verband Rheinland). Die von allen Beteiligten positiv bewertete Koopera- tion, die zu einer begrüßenswerten Erhöhung der Anzahl der Absolventen des Vorbereitungsdienstes zum Archivdienst Laufbahngruppe 2, erstes Eingangsamt (ehemals gehobener Archivdienst) in Nordrhein-Westfalen geführt hat, hat in der praktischen Umsetzung gut begonnen. In der Abteilung Westfalen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen be- gannen am 1. August 2017 drei Auszubildende zu Fachangestellten für 6
Medien- und Informationsdienste Fachrichtung Archiv die Ausbildung, nachdem kurz zuvor ihre Vorgängerin- nen den Ausbildungsabschluss erfolgreich erworben hatten. Damit beschäftigte das Landesarchiv NRW im Berichtsjahr in diesem Ausbildungsberuf insgesamt sieben Auszubildende; vier Auszubildende gehören der Abteilung Rheinland des Landesarchivs Nord- rhein-Westfalen an. Im Technischen Zentrum Münster-Coerde hat das Landesarchiv NRW 2017 eine Vorpraktikantin in Vor- bereitung auf das Studium zur Diplomrestauratorin (FH) eingestellt. Bedauerlicherweise blieb die zweite Vorpraktikantenstelle in Ermangelung geeigneter Inter- essierter unbesetzt. Des Weiteren setzte das Landesarchiv NRW die Ko- operation mit den Internationalen Jugendgemein- schaftsdiensten e. V. (IJGD) – Jugendbauhütte NRW Rheinland und Jugendbauhütte NRW Westfalen fort. Insgesamt bietet das Landesarchiv Nordrhein-West- falen seit 2017 fünf Einsatzstellen für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in der Denkmalpflege an, je eine in den drei Fachabteilungen Rheinland, Westfalen und Ostwestfalen-Lippe, dem Technischen Zentrum in Münster-Coerde sowie dem Dezernat für Öffentlich- keitsarbeit in Duisburg. Ausbildung im Landesarchiv: Leseübung Foto: Jochen Tack Start der gemeinsamen Ausbildung von LAV, LWL und LVR im Jahr 2017 Foto: Landesarchiv LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 7
ABTEILUNG OSTWESTFALEN-LIPPE BILDET REFERENDARE AUS A m 2. Mai 2017 traten sechs Referendarinnen Alle Referendarinnen und Referendare haben während und Referendare ihren Dienst in der Abteilung der Detmolder Zeit die zuständigen Archivarinnen und OWL an. Die Bologna-Reformen haben längst Archivare auf mehreren Behördenterminen zur Aus- auch das Archiv-Referendariat erreicht. Den sonderung unterstützt und eigene Erfahrungen bei der Vorgaben entsprechend erfolgte der praktische Aus- digitalen Archivierung (Vorbereitung und Übernahme bildungsteil in vier Modulen („Archivorganisation und unstrukturierter Daten) gesammelt. Archivmanagement“, „Überlieferungsbildung“, „Er- schließung und Vermittlung von Archivgut“, „Archiva- Exkursionen führten sie nicht nur an die verschiedenen lische Quellen und ihre Erhaltung“), die jeweils mit einer Standorte des Landesarchivs, sondern auch in das Prüfung abgeschlossen werden müssen. Historische Archiv Krupp, in das Montanhistorische Dokumentationszentrum in Bochum, in das Landes- Der Ausbildungsplan zielte darauf ab, die im Modul- kirchliche Archiv Bielefeld, in das Restaurierungs- und handbuch genannten Inhalte abzudecken, gleichzeitig Digitalisierungszentrum (RDZ) in Köln/Porz, zur Firma aber die Unterrichtszeiten möglichst gering zu halten, GSK in Brauweiler und in das LWL Archivamt. Anders um hinreichend Raum für eigenständiges Arbeiten zu als in den Jahren zuvor absolvierte der „Nachwuchs“ in lassen. Die Prüfungen wurden auf die Zeit der prakti- diesem Jahr neben dem Archivpraktikum auch wieder schen Ausbildung verteilt, um die letzten Wochen des ein Behördenpraktikum. Jahres zu entlasten. Besonders in den ersten zwei Monaten war viel Zeit durch den Unterricht gebunden, Zum Beginn des Jahres 2018 haben die sechs Refe- so dass die mündliche Prüfung zu Modul 1 bereits An- rendarinnen und Referendare den theoretischen Teil fang Juli durchgeführt werden konnte. Die weiteren der Ausbildung an der Archivschule Marburg begon- Prüfungen folgten Ende September, Anfang Oktober nen. Nach der abschließenden Prüfung werden Sie das und im Dezember 2017. Die Besprechung der Noten Referendariat im April 2019 beenden. am 19. Dezember 2017 schloss den praktischen Aus- bildungsteil formal ab. V. l. n. r.: Carla Ellen Lessing, Mathias Schafmeister, Tamara Frey, V. l. n. r.: Marcus Stumpf, Peter Worm, Matthias Herm, Manuel Hagemann, Matthias Herm, Sarah Rudolf und Manuel Hagemann, Volker Hirsch, Sarah Rudolf, Ausbildungsleiter Volker Hirsch Foto: Matthias Schultes Katharina Tiemann, Tamara Frey, Carla Ellen Lessing, Mathias Schafmeister Foto: LWL-Archivamt 8
Ein Mitarbeiter des Landesarchivs erläutert die Einführung der E-Akte Foto: Jochen Tack E-GOVERNMENT UND BEHÖRDENBERATUNG D as Jahr 2017 war das Jahr 1 nach der Verabschiedung des E-Go- vernment-Gesetzes NRW. In der Landesverwaltung setzten erhebli- che Aktivitäten ein, um die digitale Transformation in vielen einzelnen Bereichen einzuleiten oder fortzusetzen; beispielhaft genannt seien so unterschiedliche Themen wie elektronische Kommunikation, elektroni- sche Identifikation, elektronische Bezahlverfahren, elektronische Vorgangs- bearbeitung oder elektronische Aktenführung. Das Landesarchiv reagierte auf diese Entwicklung ebenfalls mit einem verstärkten Engagement, und zwar in allen Bereichen, die sich mit digitaler Schriftgutverwaltung befass- ten. Als Ziel stand immer die archivfachliche Begleitung des Umstiegs von einer analogen auf eine elektronische Aktenführung im Mittelpunkt: In der Gegenwart sollen und müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, um zukünftig eine problemlose Übernahme von E-Akten (und ähnlichen struk- turierten Daten) in das Archiv gewährleisten zu können. Allerdings erschien es von Anfang an als zu kurz gedacht, lediglich auf technische Kompatibili- täten hinzuwirken, so dass auch die Qualität der Aktenführung in den Fo- kus rückte (welche bekanntermaßen keinen besonders hohen Stellenwert im ausgehenden Papierzeitalter genießt). Dem Landesarchiv war also daran gelegen, am Ende des Umstiegsprozesses nicht nur E-Akten übernehmen zu können, sondern auch gut geführte E-Akten zu archivieren. LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 9
auch zur elektronischen Aktenführung vertreten. Alle E-Lauf- Ersetzendes archivischen Anliegen zur elektronischen Aktenführung mappe Scannen können somit an unterschiedlichen Stellen mit unter- schiedlichen Gesprächspartnern eingebracht werden. E- Auch über die ressortübergreifende Zusammenarbeit Government- Verwaltungs- E-Akte im Rahmen des Programms Digitale Verwaltung NRW Gesetz NRW abläufe hinaus zeigte sich, wie wichtig die Vernetzung für die erfolgreiche Arbeit des Landesarchivs mit Blick auf die E-Akte ist: Früh suchte das Landesarchiv den Kontakt zum frisch geschaffenen Competence Center Digitali- Digitalisierung Daten- der Landes- austausch sierung (CCD), einer Einrichtung des Landesbetriebs verwaltung Information und Technik (IT.NRW), die für die Ausge- NRW staltung und flächendeckende Einführung der E-Ak- te in Nordrhein-Westfalen zuständig ist. Nach einem Erstkontakt auf präsidialer Ebene konnte schnell ein Aspekte des E-Governments mit Bezug intensives Miteinander auf der Arbeitsebene etabliert zum Landesarchiv werden. Über grundsätzliche Fragen tauschen sich mittlerweile beide Seiten regelmäßig aus und haben sich insbesondere über eine Arbeitsteilung beim an- laufenden Roll-Out der E-Akte verständigt: Ein Roll-Out Der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung die- kann nur für Behörden stattfinden, deren Schriftgutver- ses Ziels war die Partizipation an den Arbeits- und waltung eine bestimmte Reife aufweist, und um diesen Entscheidungsstrukturen, die zur Umsetzung des E- Reifegrad möglichst problemlos zu erreichen, ist das Government-Gesetzes NRW geschaffen wurden. An- Landesarchiv mit einer Reihe von Beratungsangebo- gesichts der thematischen Komplexität der digitalen ten im offiziellen Vorgehensmodell fest verankert. Jede Transformation setzte der Beauftragte der Landesre- Behörde, die die E-Akte einführt, ist also mit dem The- gierung für Informationstechnik (CIO) ein elaboriertes ma Schriftgutverwaltung befasst und kann sich an den Programm- und Projektmanagement namens Digitale unterstützenden Dienstleister Landesarchiv wenden. Verwaltung NRW auf, mit dem der Gesamtprozess ressortübergreifend gesteuert wird. Innerhalb dieses Eingebunden war das Landesarchiv schließlich auch in Programm- und Projektmanagements übernahm das die Ausgestaltung der Aussonderungsfunktionalitäten Landesarchiv im Bereich der E-Verwaltungsarbeit (mit für die kommende E-Akten-Lösung. Mitte 2017 stand den drei Grundlagenprojekten E-Akte, E-Laufmappe, nach einer umfangreichen Ausschreibung fest, dass Ersetzendes Scannen) eine wichtige Rolle bei der die flächendeckende E-Akte in der nordrhein-westfäli- Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für die zu- schen Landesverwaltung nscale von den Firmen Ceyo- künftige elektronische Aktenführung. Als sogenann- niq, DXC und Materna sein wird. Nicht zuletzt aufgrund ter Teammanager leitete das Landesarchiv federfüh- der Kontakte zu CCD und CIO konnte das Landesar- rend die ressortübergreifend besetzten Arbeitspakete chiv in einer folgenden intensiven Nachentwicklungs- „Verwaltungsvorschrift zur elektronischen Aktenfüh- phase die technischen Abläufe von Aufbewahrung und rung“ (gemeinsam mit der Staatskanzlei), „(Muster-) Aussonderung in nscale mitgestalten. Diese Nähe zum Aktenordnung“, „(Rahmen-)Aktenplan“, „Bestands- landesweiten E-Akten-System wird das Landesarchiv akten(-scan)“ und „Handreichungen zur Aktenfüh- durch eine enge Beratung der Pilotbehörden in 2018 rung“ (mit den Handreichungen „Aktenrelevanz“, beibehalten. „Aufbewahrungsfristen“, „Hybridakten/-vorgänge“, „Lebenszyklus“, „Objekthierarchie Akte – Vorgang – Die sogenannte Vorfeldarbeit beschränkte sich aber Dokument“). An den Arbeitspaketen „Landesstandard keineswegs nur auf zentrale Akteure im E-Govern- 1.0“ und „Landestandard 2.0“, die die organisato- ment-Prozess – ganz im Gegenteil: Die 2016 begon- risch-technischen Vorgaben für die E-Akte definieren, nenen individuellen Beratungsleistungen im Bereich war (und ist) das Landesarchiv unterstützend beteiligt. der digitalen Schriftgutverwaltung für einzelne Behör- den konnten 2017 deutlich ausgebaut werden. Ins- Durch dieses Engagement war (und ist) das Landes- gesamt wurden neun Ministerien, ein Landesbetrieb archiv auch im Lenkungsausschuss zur E-Verwal- sowie eine Bezirksregierung beraten. Schwerpunkt- tungsarbeit als Entscheidungsgremium für alle Fragen thema war weiterhin der anstehende Umstieg auf die 10
E-Akte. Entsprechend nachgefragt waren Angebote zur Überarbeitung bzw. Neuerstellung des Aktenplans sowie die Vermittlung von Grundlagen der digitalen Aktenführung. Der ganztägige Workshop „Aktenplan“ wurde mit verschiedenen Ministerien durchgeführt und hat durchweg sehr positive Resonanz erhalten. Ebenfalls stark nachgefragt war das Vortrags-Format „Grundlagen der digitalen Aktenführung“, das sich im Rahmen des Change-Managements der Behörden an alle zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer der E-Akte richtet. Die Veranstaltung sensibilisiert für das Thema „ordnungsgemäße Aktenführung“ und soll Vorbehalte gegenüber einer Aktenführung mit der E-Akte abbauen. Durchschnittlich nehmen etwa 70 bis 100 Beschäftigte an einer Veranstaltung teil. In manchen Behörden gab es aufgrund der hohen Nachfrage gleich mehrere Ver- anstaltungen in Folge. Das Format erhält sehr positive Rückmeldung. Für 2018 sind weitere Angebote ge- plant, die sich speziell an Führungskräfte richten sollen. Um noch mehr Beschäftigte zu erreichen und zum Thema „elektronische Aktenführung“ zu sensibilisie- ren sind Erklärvideos in Arbeit. Gemeinsam mit dem Competence Center Digitalisierung (CCD) bei IT.NRW entsteht zunächst ein Video mit dem Titel „Mehr als digitales Papier! Oder: Wie die E-Akte unseren Arbeitsalltag vereinfacht“. Geplant sind zudem Videos zu einzelnen Grundlagenthemen der elektronischen Aktenführung. Alle Videos sind als Animationsfilme konzipiert und werden mit Unterstützung eines exter- nen Dienstleisters erstellt. Das erste Video soll Anfang 2018 fertiggestellt sein, die anderen werden in kurzen Zeitabständen folgen. Das Landesarchiv betrachtet die E-Akte als zentrales Element des archivischen Interesses, also nicht los- gelöst von den Rahmenbedingungen der behördlichen Schriftgutverwaltung, sondern versucht durch zahlrei- che Aktivitäten und Angebote eine Aufwertung der Ak- tenführung und somit eine perspektivische Qualitäts- steigerung bei der Überlieferungsbildung zu erreichen. Eine Fortsetzung und ein Ausbau dieses Engagements ist für 2018 vorgesehen. LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 11
ÜBERLIEFERUNGSBILDUNG D as Landesarchiv betreute im Jahr 2017 1.380 Dennoch blieben die Übernahmen, nicht zuletzt durch anbietungspflichtige Stellen (Stand: 31. Juli den konsequenten Einsatz der Archivierungsmodel- 2017), vor allem Behörden und Gerichte des le, auf einem insgesamt niedrigen Niveau. Die um die Landes Nordrhein-Westfalen sowie einzelne Jahrtausendwende begonnene Arbeit an den Modellen Bundesbehörden mit regionalen Zuständigkeiten. Hin- wird fortgesetzt, um im Landesarchiv NRW auch in Zu- zu kam eine begrenzte Anzahl juristischer Personen des kunft eine rationelle, transparente und prospektiv ge- öffentlichen Rechts. Die in diesem Zeitraum überliefer- steuerte Überlieferungsbildung sicherzustellen. ten Unterlagen dokumentieren somit die Arbeit auf allen Ebenen der staatlichen Verwaltung in Nordrhein-West- Das neue Archivierungsmodell „Natur, Umwelt und Ver- falen. Ebenso wie in den vergangenen Jahren schwank- braucher“ konnte 2017 inhaltlich weitgehend fertigge- te die Zahl der betreuten Behörden nur leicht. stellt werden. Somit liegen auch für diesen Verwaltungs- zweig einheitliche Bewertungsgrundsätze vor. Aktuell Das Landesarchiv NRW hat das langfristige Ziel, die werden etwa 50 Prozent der anbietungspflichtigen Stel- gesamte Überlieferungsbildung mit Archivierungsmo- len von Archivierungsmodellen erfasst. Die Inkraftset- dellen zu steuern. Dadurch soll u. a. die Qualität der zung und Veröffentlichung des Modells „Natur, Umwelt Überlieferung gesteigert und gleichzeitig die Übernah- und Verbraucher“ kann in Kürze erfolgen. Für das Früh- memenge reduziert werden. Im Vergleich zu den letz- jahr 2018 bereitet die zuständige Projektgruppe Work- ten Jahren wurden 2017 wieder mehr Unterlagen aus shops für Vertreterinnen und Vertreter der staatlichen staatlichen Behörden übernommen, insgesamt 1.004,7 Umweltverwaltung und des kommunalen Archivwesens lfd. m (2016: 753,4 lfd. m; 2015: 823 lfd. m). Diese Spit- in der Zentrale des Landesarchivs in Duisburg vor, um ze ist Folge der Umstrukturierungen nach der Land- die Arbeitsergebnisse gemeinsam zu diskutieren. Darü- tagswahl in NRW. Der Regierungswechsel veranlasste ber hinaus wurden 2017 die Planungen sowohl für die viele Ministerien, umfangreiche Altaktenbestände an Erstellung neuer als auch die Evaluation bestehender das Landesarchiv abzugeben. Archivierungsmodelle abgeschlossen. Neben analogen hat das Landesarchiv 2017 wieder in Neu übernommenes Archivgut im Landesarchiv NRW großem Umfang digitale Daten übernommen. Ein Bei- 2015 bis 2017 in lfd. m, Quartals- und Jahreszahlen spiel ist die Digitale Topographische Karte NRW im Maßstab 1:25000 von Geobasis NRW. Zu den weiteren Übernahmen gehörten das Biotopkataster NRW des 242,40 2015 Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz 144,60 (LANUV), Namensverzeichnisse zu Personenstandsre- 195,90 gistern und ein Bildbestand des Landespresseamts. 240,10 Im Herbst 2017 führte das Landesarchiv außerdem ein 823,00 Pilotprojekt zur Webarchivierung durch. Die Website des ehemaligen Ministeriums für Familie, Kinder, Ju- gend, Kultur und Sport (MFKJKS) konnte mit dem Pro- 183,70 2016 gramm Heritrix erfolgreich in das Digitale Archiv NRW 250,80 übernommen werden. Dieser neue Bereich der Über- 122,40 lieferungsbildung wird angesichts der politischen und 196,50 gesellschaftlichen Entwicklungen auch im staatlichen 753,40 Archivwesen künftig an Bedeutung gewinnen. 295,40 2017 301,10 205,90 274,30 1.076,70 12
ARCHIVIERUNG DER STRAFVERFOLGUNGS- STATISTIK 2010 S tatistische Daten gelten als empirische Basis für politische Entschei- dungen und sind ein bedeutender Faktor im Meinungsbildungspro- zess der Öffentlichkeit. Sie sind darüber hinaus von besonderem Interesse für die sozialhistorische Forschung wegen der Menge der dabei verarbeiteten empirischen Daten und dem in der Regel seriellen Cha- rakter der Erhebungsergebnisse. Die beträchtlichen Umfänge des Materials sowie die langfristige Sicherung und Nutzbarkeit der Daten stellen dabei eine der zentralen Herausforderungen für Archive dar. Wie bei anderen elek- tronischen Unterlagen auch müssen die Archive bei statistischen Daten in einer möglichst frühen Lebensphase beteiligt werden. Für die laufenden Statistiken ist dies geregelt. Über das Archivmanagement-System (AMS) existiert seit 2014 deutschlandweit eine gemeinsame Datenbank des Statis- tischen Verbunds. Aus den darin vorgehaltenen Metadaten werden seitdem Anbietungspläne für die Archive generiert. Das Datenmaterial selbst ist noch nicht enthalten und wird erst nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist über- geben. Aus diesem Grund war das archivische Interesse an einer Übernahme von sog. Altdaten groß, um in einem Testlauf die zwischen den Dienststellen nötigen Modalitäten und die archivinternen Anforderungen für eine Archivie- rung von Statistiken zu bestimmen. Bereits Ende 2011 stellte daher IT.NRW zwei Datensätze auf einer CD zur Verfügung: „Strafverfolgung 2010“ und „Natürliche Bevölkerungsbewegung 1977-2000“. Die Strafverfolgungsstatistik 2010 ist nun jüngst in DIPS archiviert worden. Der Gesamtumfang (Primär- und Metadaten) beträgt 39,1 MB. Die Primär- informationen liegen in einer CSV-Datei vor, die durch ergänzende Daten- satzbeschreibungen und Schlüsselverzeichnisse vollständig dokumentiert ist. Jedes Feld kann entschlüsselt werden. Die Dokumentation besteht aus: Datensatzbeschreibung (DOC) Zählkarte (= Erhebungsbogen) Allgemeines Strafrecht (XLS) Zählkarte (= Erhebungsbogen) Jugendstrafrecht (PDF) Schlüsselverzeichnis Straftaten (PDF) Schlüsselverzeichnis Staatsangehörigkeit (PDF) Als Hürde erwies sich die Recherche nach den dazugehörigen Metadaten. Datensatzbeschreibungen und Schlüsselverzeichnisse lagen zunächst nicht vollständig vor und wurden wie bspw. das Schlüsselverzeichnis zu den Landgerichtsbezirken erst später geliefert. Hinzu kam, dass die Daten- sätze aus datenschutzrechtlichen Gründen nachträglich teilanonymisiert wurden, indem man den Schlüssel für die Amtsgerichte ohne erkennbares System vor der Übergabe der Daten entfernte. Mithin ist künftig darauf zu achten, dass lediglich die Plausibilisierung von Daten, also die Ausblen- dung von Hilfsmerkmalen, eine archivisch zulässige Anonymisierung dar- stellt und dass mit der Übergabe der Daten alle erforderlichen Schlüssel- verzeichnisse und Codes mitübergeben werden. LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 13
ERSCHLIESSUNG DES ARCHIVGUTS Allgemeiner Überblick Z u den zentralen Aufgaben des Landesarchivs gehört die Erschlie- ßung des Archivguts. Nur erschlossenes Archivgut kann für die Benutzung bereitgestellt und ausgewertet werden. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 234.380 neue Erschließungsdatensätze in der archivischen Fachdatenbank V.E.R.A hinterlegt. Das bedeutet auf den ersten Blick einen Rückgang im Ver- gleich zu 2016 mit 393.714 Verzeichnungseinheiten, doch stammten in dem betreffenden Jahr 65 % der Erschließungs- datensätze aus der Retrokon- version, d. h. aus der Digita- lisierung analoger Findmittel. 2017 stammten hingegen nur noch 11 % der gesamten ver- zeichneten Datensätze aus der Retrokonversion. Daher ist sogar eine signifikante Stei- gerung der Verzeichnungs- leistung im Bereich der erst- mals oder neu verzeichne- Mitarbeiterin des Landesarchivs ten Einheiten festzustellen, und zwar von 135.339 (2015), über 136.646 bei Erschließungsarbeiten (2016) bis hin zu 207.222 (2017). 2017 ist zugleich das Jahr, in dem die Foto: Jochen Tack Retrokonversion analoger Findmittel abgeschlossen wurde. Das bedeu- tet, dass nahezu alle Findmittel, die keinen Zugangsbeschränkungen unterliegen, im Internet für die Recherche zugänglich gemacht wurden. 14
Um auch in Zukunft eine zeitnahe Verzeichnung der neu Erschließung von Archivgut an das Landesarchiv NRW abgegebenen Unterlagen im Landesarchiv NRW 2015 bis 2017 sicherzustellen, werden verstärkt Verzeichnungsstan- Quartals- und Jahreszahlen dards angewendet und elektronische Hilfsmittel einge- setzt. Die Erschließungsrichtlinien sollen sicherstellen, 36.637,00 2015 dass bei sinkendem Personaleinsatz unter Gewährleis- 78.602,00 tung fachlicher Mindeststandards eine schnelle Bereit- 140.680,00 stellung für die Nutzung ermöglicht wird. Mittlerweile 36.215,00 liegen Erschließungsrichtlinien für die Bereiche Justiz, 292.134,00 Personalverwaltung, Finanzen, Schule und Weiter- bildung sowie nichtstaatliches und nichtschriftliches Archivgut vor. 228.590,00 2016 71.275,00 Die 2014 im Landesarchiv NRW entwickelte neue Soft- 35.697,00 ware V.E.R.A Toolkit, mit deren Hilfe die von den Be- 58.152,00 hörden zu erstellenden Abgabelisten im strukturierten 393.714,00 Tabellenformat (Excel) in die Verzeichnungsdatenbank überspielt werden können, hat sich auch im vergan- genen Jahr in der täglichen Archivarbeit bewährt. Auf 58.312,00 2017 diese Weise ließen sich die Verzeichnungsaufwände er- 47.423,00 heblich reduzieren. 88.219,00 40.426,00 234.380,00 davon aus Retrokonversion davon neu verzeichnet 2015 bis 2017 2015 bis 2017 Quartals- und Jahreszahlen Quartals- und Jahreszahlen 6.368,00 2015 30.269,00 2015 27.664,00 50.938,00 115.552,00 25.128,00 7.211,00 29.004,00 156.795,00 135.339,00 194.919,00 2016 33.671,00 2016 41.763,00 28.512,00 7.139,00 28.558,00 12.247,00 45.905,00 256.068,00 136.646,00 6.851,00 2017 51.461,00 2017 5.819,00 41.604,00 5.729,00 82.490,00 8.759,00 31.667,00 27.158,00 207.222,00 LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 15
ERSCHLIESSUNG Juden in Westfalen und Lippe (JuWeL) – Tiefenerschließung der Juden- und Dissidentenregister in der Abteilung Ostwestfalen-Lippe D as Landesarchiv NRW, Abteilung OWL, verfügt über einen in Deutschland wohl einmaligen Quellenfundus: die Juden- und Dissidenten- register aus den Regierungsbezirken Detmold, Arnsberg und Münster, in welchen die Geburten, Hei- raten und Sterbefälle der Juden und der außerhalb der Amtskirchen stehenden Personen wie z. B. Quäker und Freikirchler (Dissidenten) von ca. 1809 bis 1875 dokumentiert sind. JuWeL ist ein Crowdsourcingpro- jekt zur Tiefenerschließung dieser Register. Ziel ist es, die genannten Personen in einer online verfügbaren Datenbank namentlich zu erfassen. Das Projekt ist somit angewiesen auf die Mitarbeit von vielen, der Bearbeitungsmaske des DES „Crowd“, also der an der jüdischen Genealogie oder Heimatgeschichte interessierten und engagierten Menschen. Mit dem vom Verein für Computergenealogie ent- wickelten Datenerfassungssystem (DES) wird die Tie- Am 7. Februar 2017 besiegelten die drei Projektpart- fenerschließung durchgeführt, die eine Recherche ner, das Landesarchivs NRW, die Westfälische Ge- nach Personen erlaubt. Die Suche ist sofort nach sellschaft für Genealogie und Familienforschung und der Eingabe der Daten über die Projektseite möglich: der Verein für Computergenealogie ihre Kooperation. juwel.genealogy.net. Nach der Unterzeichnung des Vertrages folgten wei- tere Vorbereitungen, bis im März 2017 das Projekt Nach drei Monaten hatten die freiwilligen Helferinnen anlässlich des 7. Westfälischen Genealogentags in und Helfer bereits die Erfassung der Geburten, Heira- Altenberge bei Münster freigeschaltet werden konnte. ten und Todesfälle der Register aus dem Regierungs- bezirk Münster abgeschlossen und insgesamt 18.808 Personendatensätze angelegt. Freigeschaltet sind seit Juni 2017 auch die Regis- ter aus dem Regierungsbezirk Arnsberg, die nächs- te Etappe ist somit gestartet. Unterstützt werden die Erfasserinnen und Erfasser von den ehrenamtlichen Administratoren Thomas Dickel und David Merschjo- hann. Die letzte Etappe wird mit der Freischaltung der Register aus dem Regierungsbezirk Detmold starten. Bis 2020, wenn die WGGF ihren hundertsten Geburts- tag feiern wird, soll das Projekt abgeschlossen sein. Der Import der so gewonnenen Daten in die Fachan- wendung V.E.R.A. ist vorgesehen. Dann wird ein Re- Unterzeichnung des Kooperationsvertrags am 7.2.2017 chercheinstrument zur Verfügung stehen, dass allein in Detmold, v. l.: Wolfgang Bockhorst (WGGF), mit den Ressourcen des Landesarchivs nicht hätte er- Marie-Luise Carl (CompGen) und Frank M. Bischoff arbeitet werden können. (Landesarchiv NRW) Foto: Matthias Schultes 16
„Die archivalische Arbeit ist eine sauerre, mühsahme und mit vielle Umstände verknüpftes Weßens, die Treüe, Fleiß und Accuratesse erfordert“ A ls der erfahrene Jurist und Archivar Johann che Repertorien digitalisiert. Parallel dazu wurde mit der Ludwig Knoch (1712-1808), von dem obiges, elektronischen Neuverzeichnung ausgewählter Bestände treffendes Diktum stammt, im Jahr 1762 sei- begonnen. Dabei behielt man die Knochsche Bestände- nen Dienst im gräflich-lippischen Archiv im tektonik sowie die Untergliederung (Klassifikation) der Detmolder Schloss antrat, konnte er nicht erahnen, auf Einzelbestände bei. Die Erschließung nach benutzer- was für ein berufliches Abenteuer er sich eingelassen freundlichen, modernen Kriterien (Bestellsignatur, Altsi- hatte. In der Rückschau auf seine mehr als vier Jahr- gnatur, Aktentitel, Enthältvermerke, Laufzeit etc.) konnte zehnte dauernde Tätigkeit in der kleinen Residenzstadt, dabei selbstredend nicht so tief wie bei Knoch selbst die ihn zum Nestor des modernen lippischen Haus- und erfolgen; dafür wurden die Repertorien komplett digitali- Landesarchivs werden ließ, vermerkte er im biblischen siert, damit wertvolle Informationen auf diesem Wege er- Alter von über 90 Jahren 1803 mit Schaudern: „…und halten und elektronisch nutzbar bleiben. Die Digitalisate fandt mit der grösten Verwunderung das Archiv in einem der Repertorien werden dazu an das Ende der jeweiligen, solchen desolabeln Ruin, … daß ich …., diese Vocation neuverzeichneten Bestände in V.E.R.A. eingepflegt und angenommen fast zu beräuen angefangen.“ Knoch war mit diesen ins Netz gestellt. So kann der Forscher on- es bis 1803 in mühevoller Arbeit gelungen („… habe line recherchieren und bei Bedarf zusätzlich zur neuen meistens von morgends 5 bis 6 Uhren an biß abends elektronischen Erschließung auch in den angehängten Schlaffenszeit an dieser Arbeit, …zugebracht.“), das Images zu den einzelnen Verzeichnungseinheiten nach über mehr als ein Jahrhundert in jeglicher Hinsicht her- seinen Fragestellungen ergänzend und tiefer suchen. untergekommene Archiv weitgehend neu zu ordnen und den Inhalt der Urkunden und Akten in ledergebundenen, 2017 machte dann die Neuverzeichnung der Knoch- voluminösen Einbänden, den sogenannten Knochschen schen Repertorien entscheidende Fortschritte: Die letz- Repertorien nach dem damaligen, gültigen archivischen ten Jahr (1645 ff.) des Dreißigjährigen Kriegs (Bestand Pertinenzprinzip (=nach Betreffen) neu und überaus tief L 60) und die so genannte Bedienstetenregistratur (L zu erschließen. Über Generationen hinweg dienten seit- 16) wurden neu archivisch erfasst und mit den dazu- dem diese fast 80, schwer lesbaren Repertorien, mit gehörigen Repertorienscans im Portal Archive NRW ihren teils unübersichtlichen Bestellsignaturen und zahl- online gestellt. In Kürze wird das Knochsche Adelsre- reichen Nachträgen und Verweisen aus Knochscher und pertorium (L 52) folgen; bis Ende 2022 soll das gesamte späterer archivischer Hand als Findmittel für die Archi- Projekt weitgehend abgeschlossen sein. vare und die historische Forschung. Im Jahre 2009 wurde ein Neuverzeichnungs- und Digita- lisierungsprojekt der Knochschen Bestände angestoßen, um diese ältere, lippische Rückgratüberlieferung der Ab- teilung OWL einer breiten Öffentlichkeit weltweit zugäng- lich zu machen. In einem ersten Schritt wurden sämtli- Büste J. L. Knochs, einem zeitgenössischen Scherenschnitt nachempfunden, vor seinen Repertorien im Detmolder Findmittelraum Foto: Jochen Tack Konstruktionszeichnung der von Knoch entworfenen und genutzten Archivtrageschränke. LAV NRW Abt. OWL L 77A Nr. 3017 fol. 290 LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 17
ERSCHLIESSUNG Aktenbestände des Fürstentums Siegen erschlossen D ie frühneuzeitliche Grafschaft Nassau-Siegen sche Reichsritterschaft“ (88 VZE) neu verzeichnet. Da- entstand infolge einer Erbteilung nach dem mit sind jetzt alle frühneuzeitlichen Aktenbestände aus Tod des Grafen Johann VI. von Nassau-Dillen- der Siegener Region, mit Ausnahme der Aktenüberlie- burg im Jahr 1606. Ihr Territorium umfasste im ferung des Stifts Keppel, neu erschlossen. Wesentlichen das Gebiet des ehemaligen nassau-dillen- burgischen Amtes Siegen. Die sowohl katholischen als Anlass für die Neubearbeitung der genannten Siegener auch reformierten Grafen zu Nassau-Siegen wurden Bestände waren nicht nur deren mangelhafte und ober- 1652 in den Reichsfürstenstand erhoben. Nach dem flächliche, meist aus dem 19. Jahrhundert stammende Aussterben der konfessionell gespaltenen Linien Nas- Erschließung, sondern es bestand auch die Absicht, sau-Siegens fiel das Fürstentum 1734 an Oranien-Nas- den historisch interessierten Bürgern einer entfernt sau. Es wurde bis 1806 von einer Landesregierung mit liegenden Region des Archivsprengels inhaltlich aus- Sitz in Dillenburg verwaltet. Von 1806 bis 1813 gehörte sagekräftige, online zugängliche Findmittel zur Verfü- das Fürstentum als Kerngebiet des Siegerlandes zum gung zu stellen. Aus Gründen der Bestandserhaltung Departement Sieg des Großherzogtums Berg. Nach und um Forschenden die Anreise nach Münster zu er- einer kurzlebigen nassau-oranischen Verwaltung ab sparen, waren bereits einige Bestände digitalisiert und 1814 fielen die Gebietsteile des ehemaligen Fürsten- online gestellt worden. Die Digitalisierung des größten tums Nassau-Siegen zusammen mit dem Freien Grund Siegener Bestands „Fürstentum Siegen, Landesarchiv Selbach und Burbach, einem alten Kondominat zwi- – Akten“ läuft augenblicklich, so dass in naher Zukunft schen Sayn und Nassau, sowie dem Hickengrund 1816 damit zu rechnen ist, dass auch diese Überlieferung in den neu geschaffenen preußischen Kreis Siegen. der Forschung online zur Verfügung stehen wird. Alle Aktentitel wurden modernisiert und dem tatsächlichen Inhalt der Akten angepasst. Dabei wurden wichtige In- halte und besondere Einzeldokumente hervorgehoben. Im Hinblick auf verwaltungs-, herrschafts-, diplomatie-, orts- und familiengeschichtliche Fragestellungen wur- den auch die Namen der wichtigsten Korrespondenten aus den jeweiligen Akten erfasst, meist in Zusammen- hang mit ihrer Funktion/Profession und dem Ort, von dem ihre Korrespondenz ausging. Der Bestand „Fürs- tentum Siegen, Landesarchiv – Akten“ wurde darüber hinaus mit fortlaufenden Signaturen versehen, welche die alten, mehrgliederigen Signaturen ersetzten. Die Neuerschließung der Siegener Bestände und deren Online-Zugang dürfte in vielerlei Hinsicht die künftige Zeichnung einer Turmspitze mit Initialen des Fürsten Forschung beflügeln. Nicht nur der Orts-,Heimat- und Johann Moritz von Nassau-Siegen, LAV NRW W 051 Familiengeschichte werden neue Informationen gebo- Kartensammlung A Nr. 28011 ten, sondern auch der Politik-, Wirtschafts-, Religions-, Militär-, Verwaltungs- und Sozialgeschichte sowie der Historie einzelner Landesfürsten. Zu den thematischen In den Jahren 2014 bis 2017 wurden in der Abtei- Highlights gehören die zahlreichen Konfessionsstreitig- lung Westfalen des Landesarchivs NRW die Bestän- keiten unter den katholischen und reformierten Fürsten de „Fürstentum Siegen, Landesarchiv – Akten“ (2.647 Nassau-Siegens, das militärische Engagement beson- VZE), „Fürstentum-Siegen, Oranien-Nassauische Be- ders der protestantischen Linie des Fürstenhauses in hörden, Zentralbehörden Dillenburg“ (587 VZE), „Fürs- den Niederlanden sowie die Konflikte zwischen Lan- tentum Siegen, Siegener Behörden“ (768 VZE), „Freier desfürsten und landsässigem Adel. Grund Sel- und Burbach“ (640 VZE) und „Mittelrheini- 18
Ein Zugang zum Bestand Oberfinanzdirektion Münster A ls das imposante, 150 Meter lange Gebäude Eine Akte wäre, heute noch erkennbar, beinahe selbst der Oberfinanzdirektion Münster im Stadtteil Kriegsopfer geworden. Sie ist am Rand etwas ange- St. Mauritz aus dem Jahr 1966 fünfzig Jahre brannt und bot für einen Mitarbeiter der OFD Anlass nach seiner Entstehung 2016 wegen Asbest- zu einem Eintrag auf dem Deckblatt: „durch Brand- und PCB-Belastung abgerissen und durch einen funkti- bomben (Terrorangriff anglo-amerikanischer Bomber) onalen Neubau im Süden der Stadt ersetzt wurde, brach beschädigte Akte, 10. Oktober 1943“. Ein Plakat der eine Zeit verstärkter und intensiver Zusammenarbeit Stadtverwaltung, das 1946 alle in Münster beschäftig- zwischen Behörde und Archiv an: Im Vorfeld wurden ten gesunden Männer zwischen 16 und 60 Jahren zu große Mengen Akten bei der OFD ausgesondert, vom einer Woche Großräumdienst aufrief, fand sich eben- Archiv bewertet und übernommen. Die für die Überlie- falls. Dieser einzigartige Bestand wird nicht zuletzt für ferung der OFD (für Westfalen mit Sitz in) Münster – bis Ausstellungsprojekte gut nutzbar sein. zu ihrer Zusammenlegung mit der OFD Rheinland 2013 – zuständige Abteilung Westfalen des Landesarchivs NRW verstand die anstehenden Abgaben auch als Mahnung, neben den Neuzugängen die Verzeichnungs- rückstände aus früheren Jahren in Angriff zu nehmen. Viel ist seitdem passiert. Bereits 2015 und 2016 wurden gut 1.500 Akten verzeichnet. 2017 konnte ein Zugang aus dem Jahr 2004 mit 550 Akten erschlossen werden, der Aufschluss über die Vorkriegszeit, Kriegsereignis- se und den Wiederaufbau in der ersten Nachkriegszeit gibt. Zur Oberfinanzdirektion gehörte von 1931 bis zu ihrer Auflösung 1945 die Devisenstelle, die zunächst mit dem Ziel gegründet worden war, angesichts der Welt- wirtschaftskrise und hoher Rückzahlungsforderungen Akte der OFD Münster, die durch den Abwurf von Brandbomben internationaler Kreditgeber durch Kontrolle und Be- am 10.10.1943 beschädigt wurde, LAV NRW W L 001 Nr. 8617 schränkung des freien Kapitalverkehrs einen Verlust in- ländischer Zahlungsmittel an das Ausland zu verhindern. Während des Dritten Reichs spielten die Devisenstellen Mit inzwischen 7.700 erschlossenen Akten von 1815 reichsweit eine maßgebliche Rolle bei der Überwachung bis in die 1970er Jahre bietet der Bestand OFD Müns- und fiskalischen Ausplünderung der deutschen Juden. ter Informationen zu den in dieser Mittelbehörde zu er- wartenden Aufgaben: zu Grenzaufsicht und Zöllen, Ver- Ca. 11.000 Einzelfallakten sind in Münster erhalten brauchssteuern, Besitz- und Verkehrssteuern – etwa und werden seit ihrer Verzeichnung vor gut zehn Jah- Akten zu Chaussee- und Wegegeldern im 19. Jahr- ren stark genutzt. In dem jetzt erschlossenen Zugang hundert –, Betriebsprüfungen, Steuerfahndung und der OFD von 2004 sind Akten zum Aufbau des Per- Devisenüberwachung, Bauten der britischen Streitkräf- sonalbestands der Devisenstelle enthalten, die ihren te und damit reichhaltiges Material für die Forschung, anfänglich niedrigen Personalstand nach der Auswei- die durch die Erschließung dieses Zugangs von 2004 tung der Aufgabengebiete immer weiter erhöht und bis durchaus bereichert wird. 1939 auf 62 Mitarbeiter gesteigert hatte. Einzelne Akten zum jüdischen Vermögen ergänzen die Überlieferung. Aber auch Unterlagen zu Fliegerschäden in Münster während des Krieges, zu Schäden an Behördenbau- ten und – nach dem Krieg – zur Entnazifizierung und zu NATO-Flugplätzen sind in diesem spannenden Zugang enthalten. LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 19
In der Restaurierungswerkstatt des Technischen Zentrums des Landesarchivs NRW in Münster-Coerde Foto: Jochen Tack BESTANDSERHALTUNG Restaurierung und Konservierung Das Technische Zentrum in Münster-Coerde ist die zentrale Restaurie- rungswerkstatt des Landesarchivs NRW. Zusätzlich verfügt das Tech- nische Zentrum über Werkstätten-Außenstellen an den Standorten des Landesarchivs in Duisburg und Detmold. Zu den zentralen Aufgaben des Technischen Zentrums als Einrichtung eines der größten bundesdeutschen Konservierung und Restaurierung Landesarchive gehört die Organisation und Durchführung von Restaurie- im Landesarchiv NRW rungsarbeiten an umfangreichen Mengen von Archivgut (sog. Mengenbe- 2015 bis 2017 in lfd. m handlung). Im Jahr 2017 wurden im Technischen Zentrum insgesamt ca. 139 lfd. m. Archivgut, d. h. mehr als 5.500 Archivalien des Landesarchivs 139 NRW restauriert oder konservatorisch behandelt. Zusätzlich wurden ca. 157 lfd. m. Archivgut im Rahmen des Großprojektes „Entnazifizierungsak- 97 83 ten“ entsäuert und digitalisiert. Dabei sind über 1,2 Mio. Digitalisate der Entnazifizierungsakten erstellt worden. Die sogenannten Kahnakten, Archivbestände, die 1945 kurz vor Kriegs- ende beim Versuch der Auslagerung mit einem Transportschiff nahe Han- nover gesunken sind, stellen in restauratorischer Hinsicht hohe Ansprüche 2015 2016 2017 an die Fähigkeiten der Restauratoren. Dabei handelt es sich um zumeist schwer geschädigtes Archivgut, das durch häufig komplizierte Schadens- bilder gekennzeichnet ist. Insgesamt konnten im vergangenen Jahr weitere 74 Kahnakten erfolgreich restauriert werden. Zusammen mit einem nam- haften Restaurator aus der Schweiz hat das Landesarchiv NRW ein Projekt angestoßen, von dem neue Impulse für den zukünftigen restauratorischen Umgang mit den Kahnakten zu erwarten sind. Das Ziel besteht insbeson- dere darin, die zum Teil schwer geschädigten Schriftbilder der Kahnakten durch die Entwicklung besonderer Digitalisierungsverfahren wieder sicht- bar und langfristig zugänglich zu machen. 20
Die Mengenbehandlung von Urkunden der Bestände „Fürstbistum Paderborn“ und „Fürstabtei Herford“ aus der Abteilung Westfalen wurde, wie in den Vorjahren, auch 2017 im Technischen Zentrum des Landesarchivs NRW in Münster-Coerde fortgesetzt. Daneben lief auch die Urkundenumbettung am Standort Duisburg weiter. Digitalisierung Im Jahr 2017 setzte das Landesarchiv NRW wie in den Vorjahren die Digitalisierung von Archivalien mit zahl- reichen Projekten erfolgreich fort. Im Rahmen der Schutzdigitalisierung wurden mehr als 2,5 Mio. Digitali- sate erstellt. Daneben wurde auch in der Abteilung Ost- westfalen-Lippe in Zusammenarbeit mit FamilySearch (eine Organisation der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage) die Digitalisierung der Sterbeneben- register aus den Jahren 1874 bis 1938 sowie der Zivil- standsregister und Kirchenbuchduplikate aus dem Re- gierungsbezirk Arnsberg für den Zeitraum 1779 bis 1874 fortgeführt. Insgesamt handelt es sich um 44.062 Ster- benebenregister, 2.947 Kirchenbuchduplikate und Zivil- standsregister. Im Jahr 2017 wurden im Rahmen dieses Projektes weitere ca. 670.000 Digitalisate erstellt. Bundessicherungsverfilmung In der Sicherungsverfilmung entstanden im Berichts- jahr über 689.000 Aufnahmen. Das Technische Zent- rum führt die Sicherungsverfilmung nicht nur für eigene Bestände, sondern auch für Archivalien aus kommuna- len Archiven des Landes NRW durch. Zu diesem Zweck kooperiert es eng mit dem LWL-Archivamt für Westfa- len sowie mit dem Archiv- und Fortbildungszentrum des Landschaftsverbands Rheinland. Beide Einrich- tungen koordinieren die Verfilmungsprojekte aus dem kommunalen Bereich. Notfallvorsorge Ein Arbeitsschwerpunkt an allen Standorten war die Notfallvorsorge. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Ostwestfalen-Lippe des Landesarchivs NRW in Detmold nahmen 2017 an einer vom Notfallverbund Detmold organisierten Fortbildung zur Bergung von Museumsgut teil. Tag der Bestandserhaltung Am 29. November 2017 veranstaltete das Technische Zentrum in Münster-Coerde den mittlerweile dritten „Tag der Bestandserhaltung“. Im Rahmen dieser Ver- anstaltung wurden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesarchivs für Fragen der Bestandserhaltung wie den Einsatz von Klebstoffen bei der Etikettierung und Signierung, der Verpackung gerollter Großformate sowie Arbeitsschritte bei der Umbettung sensibilisiert. LANDESARCHIV NORDRHEIN-WESTFALEN 2017 21
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