Das Sterben der Bienen - Teil 1: Eine kleine Bienenkunde
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Das Sterben der Bienen Teil 1: Eine kleine Bienenkunde Ein Artikel von Lina Seifert und Michael Kent mit Unterstützung von Imker Udo Pollack Jahr für Jahr erreichen uns schlimmere Meldungen über das mysteriöse Sterben ganzer Bienenvölker. Nun hat die EU die Zulassung einer bestimmte Klasse synthetischer Insektenvertilgungsmittel zwei Jahre lang ausgesetzt (alle Mittel, die sog. Neonicotinoide enthalten), um feststellen zu können, ob dem Bienensterben dadurch Einhalt geboten wird. Wie ich die Sache sehe, dürfte das Ergebnis nach diesen beiden Jahren sein, dass das Bienensterben unvermindert weitergeht und die verbotenen Pflanzengifte dann „als für Bienen unbedenklich“ wieder zugelassen werden – verrückte Welt. Die Neonicotinoid-Pflanzenschutzmittel sind nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Teilaspekt beim Bienensterben. Man sollte daher das gesamte Panorama aus mehreren sich ergänzenden Ursa- chen beleuchten (von denen die Neonicotinoide nur ein einziger sind). Doch bevor wir uns mit dem Sterben der Bienen beschäftigen, wollen wir in der heutigen Ausgabe zuerst einmal ihr Leben be- trachten. Denn nur wenn wir verstehen, wie dieses faszinierende Lebewesen lebt, überlebt und „funk- tioniert“, können wir verstehen, wie gewisse menschliche Denkweisen, Handlungen und Einrichtun- gen eine Gefahr für die Bienen darstellen. Anlass dazu besteht genug, denn bei keinem anderen Tier ist dessen Überleben so eng mit dem Überleben der Menschheit verknüpft, wie bei der Biene. D ie Biene ist ein Insekt, Dritte vertreten die inbrünstige *Chemtrails: Bezeichnung für Flugzeug- das schon jedes Kind Überzeugung, die Bienen kondensstreifen, die länger bestehen blei- ben als herkömmliche Kondensstreifen, kennt; ein Insekt, des- würden vom zunehmenden weil ihnen – nach einer bisher unbewies- sen ältester fossiler Fund auf Elektrosmog getötet, vierte – enen Theorie – giftige Chemikalien beige- mischt worden sein sollen (vor allem Alu- ein Alter von beachtlichen 50 meistens naturnah arbeitende minium- und Bariumverbindungen), um der (vorgeblichen) Erderwärmung entge- Millionen Jahren datiert; ein Berufsimker – sehen den genzuwirken (engl. „chem-“: chemical Insekt, das ca. 80 Prozent aller Grund des rätselhaften Ster- und „contrail“: Kondensstreifen). Eine neutrale und laienverständliche Untersu- Blütenpflanzen bestäubt, was bens in naturwidrigen Halte-, chung des Phänomens länger bestehen- Ernährungs- und Vermeh- der Kondensstreifen, weiß-trüber Himmel 30 Prozent der menschlichen und der Theorie der sog. Chemtrails findet Nahrung ausmacht: Dieses In- rungsmethoden. Fünfte wie- sich im Themenhefter Klima. derum – meist schulwissen- *Varroa-Milbe: Ein aus Asien einge- sekt läuft aktuell Gefahr auszu- schleppter Bienenparasit, der sowohl aus- sterben, sprich auf recht mys- schaftlich Denkende – glau- gewachsene Bienen befällt als auch die Bienenbrut und diese schwächt, verkrüp- teriöse Weise vom Antlitz der ben, die sog. Varroa-Milbe* tref- pelt (die Flügel verstümmelt) und der über- Erde zu verschwinden. Schuld fe die Alleinschuld. dies für die Bienen schädliche Keime ins Bienenvolk einträgt. (Zu Forschungszwe- daran sollen gefährliche Insek- cken wurden 1977 asiatische Bienen nach Deutschland geholt, die von Varroa- tenvertilgungsmittel sein, sa- Wir wollen daher einmal der Milben befallen waren. Vom Bieneninsti- gen die einen, sog. „Chem- Frage nachgehen, was dran ist tut Oberursel/Taunus verbreitete sich der Befall in der Folge rasch über ganz trails“*, meinen die anderen. an all diesen Argumenten und Deutschland und weit darüber hinaus.) 9 besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
untersuchen, welche dieser Die sog. „westliche Honigbiene“ Meinungen vielleicht nur aus geschäftlichem Interesse und Eigennutz vorgebracht wer- den, welche stichhaltig und wohl begründet sind bzw. ob es vielleicht noch ganz andere Ursachen gibt, die bisher aus- geblendet wurden. Vor allem aber wollen wir be- leuchten, was jeder einzelne von uns tun kann, um die Lage zu verbessern, das Bienenster- ben aufzuhalten und dieses wertvolle Insekt zu erhalten. Die Biene ist zu wichtig, als Wenn die Menschen von „der Biene“ sprechen, meinen sie eigentlich nur eine dass ihr mysteriöses Sterben einzelne Bienenart, nämlich die sog. „westliche Honigbiene“ (auch „europäi- einfach ignoriert oder – noch sche Honigbiene“ genannt). Dabei existieren zahllose Arten, die zur Familie schlimmer – falschen Ursa- der Bienen gehören; die westliche Honigbiene ist nur jene Art, die von hiesigen Imkern zur Honigproduktion gehalten wird und daher die größte Bekanntheit chen zugeschrieben werden genießt. Aufgrund ihrer enormen Bestäubungsleistung ist sie heute eines der dürfte, die nur dazu dienen, wichtigsten Nutztiere der Landwirtschaft. Dabei war diese Bienenart ursprüng- lich nur in Südeuropa (südlich der Alpen), Vorderasien und Afrika heimisch. Die das Gewissen der Verursacher Gefilde nördlich der Alpen waren ursprünglich die Heimat der sog. „dunklen Bie- zu beruhigen. ne“ (auch „schwarze Biene“). Da die westliche Honigbiene nicht an die hiesi- gen harten Winterbedingungen angepasst ist, sterben in einem Bienenstaat in- nerhalb eines Winters üblicherweise ca. 60 Prozent aller Bienenindividuen. Bevor wir uns mit dem Sterben der Bienen auseinander set- zen, wenden wir uns zuerst ein- Die Biene ist nach wie vor ein Das Bienenvolk ist ein sog. mal ihrem Leben zu: Wildtier, trotz versuchter bzw. „Superorganismus“* – sprich, teilweise umgesetzter Domes- ein Organismus, der sich aus Kleine Bienenkunde tizierung*. Sie lebt als Teil ei- vielen einzelnen Organismen nes Bienenvolkes, welches in zusammensetzt und durch die- Vorab: Es gibt sehr viele ver- einem Bienenstock wohnt. Ein se Einheit mehr Fähigkeiten ge- schiedene Arten von Bienen. Bienenvolk kann dabei bis zu winnt, als die einzelnen Orga- In diesem Artikel geht es um 60.000 einzelne Bienen- nismen je haben könnten. Bei die sog. „Honigbiene“. Individuen umfassen. den Bienen wird dieser Super- Links: Die sog. „dunkle Biene“ hat einen dunkleren Körper und blassgelbe Streifen. Sie war die ursprünglich Nordeu- ropa vorherrschend heimische Honigbiene. Da sie aber nicht so viel Honig gibt wie die westliche Honigbiene, bevor- zugten Imker die fremde Art. Rechts: Nicht alle Bienen sind Honiglieferanten für den Menschen. So etwa die in meh- reren Arten vorkommende dunkle (blauschwarze) Holzbiene, die ihr Nest in (Tot-)Holz anlegt (daher ihr Name). besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 10
Zahllose verschiedene Bienenarten leben in Europa. Die „westliche Honigbiene“ ist nur eine einzige von ihnen. Im Bild links beispielsweise die rote Mauerbiene, in der Mitte die Spiralhornbiene und rechts die große Wollbiene. organismus in der Fachsprache ten auch den Hauptteil aller Die männlichen Individuen der Imker „Bien“ genannt – der Arbeit, fliegen von Blüte zu des Bien werden „Drohnen“ ge- Bien (die Bienengemeinschaft Blüte, um Pollen (Blütenstaub) nannt (Einzahl: der Drohn). Ihr wird teils auch als „Staat“, und Nektar zu sammeln, wobei einziger Daseinszweck ist es, „Volk“ oder „Familie“ bezeich- sie die Blüten bestäuben (siehe die Bienenkönigin zu begatten. net). Der Bien ist ein pulsieren- Titelfoto sowie Foto Seite 10). Nachdem sie das getan haben, der Organismus, der sich stän- Die Arbeiterbienen bringen Pol- sterben sie. Alle Drohnen, die dig an seine Umgebung an- len und Nektar als Nahrung in nach der geschlechtsreifen passt und der in früheren Zei- den Bienenstock, sie produzie- Zeit der Königin noch im Bie- ten bestens ohne den Men- ren Honig und Wachs. nenstock sind, werden von den schen überleben konnte. In un- seren Breitengraden lebt ein — Natürlicher Bienenstock in einem Baum — Bien in der Natur beispielswei- se in Bäumen, hohlen Bäumen, geschützten Felsnischen oder Mauern bzw. in Höhlen. Ein Bien besteht aus einer Köni- gin, aus weiblichen sowie aus männlichen Bienenindividu- en. Den Hauptteil des Bien stel- len die weiblichen Bienen, die sog. „Arbeiterbienen“. Sie leis- *Domestizierung (auch Domestikati- on): allmähliche Umwandlung von Wild- tieren in Haustiere (oder auch von wild wachsenden Pflanzen in Kulturpflan- zen) durch den Menschen (lat. domesti- care: zähmen, bzw. lat. domesticus: zum Haus gehörend). *Super- (hier): übergeordnet. Als ein *Superorganismus wird eine Gemein- schaft von sehr vielen eigenständigen In- dividuen derselben Organismenart be- zeichnet, die gemeinsam Fähigkeiten entwickeln, die über die Fähigkeiten der Individuen der Gemeinschaft hinausge- hen. Der Begriff wurde von dem US- amerikanischen Biologen William M. Wheeler geprägt auf der Grundlage sei- ner Arbeiten an Ameisen (zu lat. supera- re: übertreffen, lat. supra: über / über et- was hinaus gehend) [wiki]. 11 besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Links: Die männliche Biene, der Drohne, hat einen größeren und kräftigeren Körper als die Arbeiterbiene. Mitte: Größenvergleich Bienenkönigin, weibliche Arbeiterbiene, männlicher Drohn. Rechts: Nachdem die Königin begat- tet wurde, vertreiben die Arbeiterbienen die Drohnen aus dem Bienenstock – sie sind nutzlos geworden. Arbeiterinnen vertrieben. Sie einem Alter von 6 Tagen und Die befruchtete Königin hat bei wären ja nur unnütze Mitesser bei sonnigem Wetter fliegt die diesem einen Hochzeitsflug so über den Winter. Königin los) und trifft dabei viel Sperma in sich aufgenom- auf die männlichen Drohnen, men, dass sie damit volle vier Jeder Bien schließlich hat eine von denen sie 10 bis 20 hoch in Jahre befruchtete Eier legen eigene Bienenkönigin. Die Bie- der Luft begatten dürfen. kann. Aus diesen befruchteten nenkönigin wird auch Weisel Eiern schlüpfen dann allesamt oder Stockmutter genannt. Sie Ein Drohn kann seinen Ge- weibliche Arbeiterbienen. Aus ist dazu da, die gesamten Eier schlechtsapparat nur ein einzi- den unbefruchteten Eiern, wel- für das Volk zu legen. Zuvor ges Mal in seinem Leben aus- che die alte Königin legt (wenn wird sie von mehreren Droh- fahren, dann nämlich, wenn er ihr der Samenvorrat ausgegan- nen verschiedener Völker be- eine Königin begattet. Direkt gen ist), schlüpfen sodann die gattet (so bleibt das Erbgut viel- danach wird der Drohn ohn- männlichen Bienen/Drohen. fältig). Sie macht dazu ihren so mächtig und fällt aus der Höhe Faszinierende Natur! genannten „Hochzeitsflug“ (ab zu Boden – und stirbt. Eine neue Königin wächst he- ran, bevor die alte stirbt oder Die Königin umgeben von einem Hofstaat weiblicher Arbeiterbienen. Sie ist deutlich größer als die Arbeiterbienen (weiße Abmessung). wenn der Schwarm so groß ge- worden ist, dass er sich bald tei- len will. Ihre Larve wird wäh- rend ihres gesamten Larvens- tadiums (9 Tagen) mit Gelée Royale* im Überfluss gefüttert. *Gelée Royale (der oder das, auch Wei- selfuttersaft oder Bienenköniginnenfut- tersaft genannt): Futtersaft, mit dem die Honigbienen ihre Königinnen aufziehen. Mit diesem Gemisch aus den Drüsen spe- zieller Arbeiterbienen, den sog. Ammen- bienen, werden alle Bienenlarven wäh- rend der ersten Tage gefüttert. Während die Arbeiterbienen danach aber Pollen und Honig erhalten, bekommt die Larve, die zur Königin werden soll, während des gesamten Larvenstadiums den Gelée Royale (Gelée wegen der Konsistenz und franz „royale“: königlich). besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 12
Blütennarbe Sog. „Pollenhöschen“ Während eine Biene eine Blüte anfliegt, um Nektar (süße Pflanzenflüssigkeit) aus ihr zu saugen, sammelt sich an ihren Hinterbeinen Pollen an. Es bilden sich sog. „Pollenhöschen“ (Imkersprache). Das Bild rechts zeigt eine Arbeiterbiene bei der Rückkehr in den Stock mit einem gefüllten „Pollenhöschen“). Indem die Biene von Blüte zu Blüte fliegt, bringt sie den Pollen (Blütensamen) mit den weiblichen Blütenteilen in Kontakt (der sog. Blütennarbe, linkes Foto). 90 Prozent aller Pflanzenarten werden durch Insekten bestäubt – die meisten davon durch Bienen (knapp 10 Prozent durch den Wind). So entwickelt sich eine Bie- Die Verständigung im Bienen- tragung des Pollens (des Blü- nenkönigin, die ein Stück stock erfolgt über Duftstoffe, tenstaubs) mit den darin be- größer ist als die gewöhnliche Schwingungen und vor allem findlichen Spermazellen auf Arbeiterin (welche den Gelée über das Tanzen/Schwänzeln. die empfänglichen weiblichen Royale nur drei Tage lang be- Damit tauschen sich die Bie- Blütenteile. Die Biene erledigt kommt). Wird ein Volk zu groß, nen über gute Futterplätze aus diese Bestäubung ganz neben- beginnt, wie erwähnt, das und geben Anweisungen, wo- bei, indem sie eine Blüte an- Schwärmen, wobei eine Hälfte hin geschwärmt werden soll. fliegt und auf ihr herumläuft, des Volks als Schwarm mit der um an Blütennektar zu kom- Königin aus dem Stock aus- Eine gewöhnliche Arbeiterbie- men. Ein Bien kann dabei pro zieht und sich einen neuen ne bestäubt bis zu 1000 Blüten Tag die ungeheure Zahl von Platz sucht. Die zurück blei- pro Tag (oder mehr, die Zahlen- gut 10 Millionen Blüten be- bende Hälfte bekommt eine angaben schwanken hier). Be- stäuben! In Deutschland sind neue Königin. stäubung nennt man die Über- rund zwei Drittel aller Blüten- pflanzen auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Das Zwei Bienenköniginnen-Larven im Bienenköniginnen-Futtersaft (Gelée Royale). Warum die Bienenkönigin in der Imkersprache auch „Weisel“ macht die Biene zum dritt- genannt wird, hat nichts mit der Farbe zu tun, sondern mit ihrer Aufgabe. Der wichtigsten Nutztier für den große Duden (in 6 Bänden) sagt dazu: „Weisel, der, mittelhochdeutsch wisel, eigentlich (An)führer, zu wisen, weisen).“ Menschen – neben Schwein und Rind (ganz abgesehen von der Honig- und Wachsproduk- tion). Gäbe es keine Bienen mehr, würde die Obsternte et- wa auf 15 - 20 Prozent sinken. Das, obwohl es auch andere Be- stäuber gibt, wie z.B. die Hum- mel. Im Vergleich zur Biene ist die Hummel aber schon men- genmäßig unterlegen: je nach Hummelstaat leben darin 50 bis 600 Tiere – kein Vergleich zu den 60.000 Tieren im Bien. 13 besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Typische Form der heutigen Bienenhaltung in rechteckigen Bienenbeuten* aus Holz. In diese Holzkästen können Waben- rahmen eingehängt werden (siehe Foto unten). Der Imker kann dabei einzelne Rahmen herausnehmen und so jederzeit kontrollieren, was im Stock vor sich geht (z.B. die Größe des Volks kontrollieren, um dem Schwärmen vorzubeugen). Imkerei heute niger artgerecht. Bestimmte Andere Impulse hingegen wer- Impulse der Bienen werden oft den nicht unterdrückt, son- Die moderne Bienenhaltung er- unterdrückt, z.B. das Schwär- dern unnatürlich gefördert. So folgt durch den Imker, welcher men (kein Imker mag es, wenn gibt es beispielsweise Imker, meist Holzkästen hat, soge- die Hälfte seines Volkes plötz- die lediglich Königinnenzucht nannte Bienenbeuten*, in de- lich weg ist). Dem greift der Im- betreiben. Dafür werden Wa- nen Holzrähmchen mit Waben ker heutzutage vor, indem er ben mit Arbeiterbienen zu- hängen. Diese Holzrähmchen das jeweilige Bienenvolk auf sammen in eine Beute ohne (Mittelwände) kann er leicht zwei Kästen aufteilt, bevor es Königin gehängt. Die Tiere mer- herausnehmen und aus den zu groß wird und aus- ken gleich, dass ihnen die Köni- Waben den Honig schleudern, schwärmt. Zudem achtet jeder gin fehlt und gestalten aus meh- die Tätigkeit des Bienenvolkes Imker nach Königinnenzellen reren Arbeiterinnenzellen in beobachten, usw. Je nach der im Stock und bricht sie heraus der Wabe kurzerhand Königin- „Philosophie“ des Imkers le- (denn ohne neue Königin nenzellen. Da diese Königin- ben seine Bienen mehr oder we- schwärmt das Volk nicht). nen aber aus einer Stresssitua- tion entstehen (o Schreck, es In den Rahmen dieser Magazin-Beuten* können die Bienen ihre Waben gut fehlt plötzlich die Königin!), anbringen. Die Rahmen in rechteckigen Beuten lassen sich naturgemäß wirkt sich das auf die Qualität leichter handhaben (und schleudern zur Honiggewinnung) als dies bei der Bienenhaltung in abgerundeten Bienenkörben der Fall ist. der Arbeit der Bienen aus. Sol- che Notköniginnen bekommen naturgemäß nie so viel Gelée Royale wie normal entstande- ne Königinnen, was sie kleiner und anfälliger werden lässt. Dem so entstandenen Bienen- volk fehlt oft auch der Zusam- menhalt der einzelnen Tiere, weil die vereinigenden, beru- higenden Duftstoffe der Köni- gin anfangs fehlen. *Bienen-Beute: künstliche Behausung für ein Bienenvolk, künstl. Bienenstock, meist in Form von rechteckigen Holzkästen, aber auch aus Kunststoff, Styropor, Ton oder Stroh (Bienenkorb) (Herkunft vom mittel- hochdeutschen Wort „biuta": Bienenstock). besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 14
Andere Königinnenzüchter hängen mehrere Königinnen- waben mit Larven (mit z.B. 50 Larven) in einen Bienenstock ohne Königin, woraufhin die Arbeiterinnen anfangen, sich um alle Waben zu kümmern – fehlt doch die Königin. Der Züchter muss hier aber aufpas- sen, wann die Königinnen schlüpfen wollen, denn sobald eine geschlüpft ist, würde sie die anderen Larven töten. Globalisierung sei Dank, gibt es Königinnenzüchter, die ihre Die Arbeiterbienen erzeugen im Stock sowohl Wachs als auch Waben selbst. Die Königinnen um die ganze Welt Waben dienen zuerst zur Aufzucht der Brut (in den sechseckigen Zellen wachsen die Larven heran). Danach dienen die Waben zur Lagerung von Pollen und Honig. verschicken. Die lebendigen Bienen werden dafür in spe- zielle Boxen verpackt und mit Bienensterben Den möglichen bzw. wahr- der Post verschickt. Allerdings scheinlichsten (tatsächlichen) wird durch den globalen Han- Ein wesentliches Problem, Ursachen für dieses ominöse del der Genpool verkleinert dem viele heutige Imker gegen- Bienensterben werden wir im und eine Bienenart, die im überstehen, ist das allgemeine zweiten Teil dieses Artikels Süden der USA beispielsweise Bienensterben. Die Imker nachgehen und dabei alle denk- wunderbar angepasst sein schauen in ihre Beuten – und baren Möglichkeiten von allen mag, wird in Norwegen voll- alle Bienen sind weg, nicht Seiten beleuchten. Am Ende kommen fehl am Platz sein. mehr aufzufinden oder kehren wird mit ziemlicher Gewiss- nicht wieder in ihre Beuten zu- heit hervortreten, wo die ei- Im Allgemeinen werden bei rück. Oder alle Bienen des Vol- gentliche Ursache dieses Mas- der Bienenzucht vorwiegend kes liegen plötzlich tot in oder sensterbens liegt. Und sobald zwei Eigenschaften angezüch- vor der Beute. Stellen Sie sich diese bekannt ist, lässt sich da- tet und dabei oft einheimische vergleichsweise einmal vor, raus ableiten, was jeder einzel- Arten (und Eigenschaften) ein Bauer ginge auf die Weide ne zur Verbesserung der Lage ignoriert: (1) Sanftmut und (2) und alle seine Kühe würden beitragen kann. hohe Honig-Produktion. dort tot auf der Wiese liegen. Lina Seifert & Michael Kent Links: Baukastenbeuten an einem Rapsfeld. Rechts: Bienenkörbe aus Stroh. Diese Form kam den Bedürfnissen der Bienen zwar entgegen (sie bauten darin ungleichmäßige Waben, wie es ihrer Natur entsprach), war allerdings weniger optimal für den Imker und die Honigausbeute, weshalb man heute zu rechteckigen Holzkästen übergegangen ist. 15 besser leben 15/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Das Sterben der Bienen Teil 2: Phänomene, Ursachen und Lösungen Ein Artikel von Lina Seifert und Michael Kent mit Unterstützung von Imker Udo Pollack Seit einem guten Jahrzehnt beobachten Imker ein seltsames Sterben der Bienen. Im Grunde jedoch handelt es sich nicht um eine einzige Sache, sondern um zwei verschiedene Phänomene. Einmal nämlich wird ein erhöhtes Sterben innerhalb der Völker beobachtet, d.h. die Individuen des Volkes sind kränklich, irritiert, geben weniger Honig, sterben oder gehen verloren – bzw. weniger Individuen als sonst überstehen den Winter. Das Volk an sich bleibt erhalten, dezimiert sich aber, ist geschwächt, von Parasiten befallen usw. Das ist das eine Phänomen. Das andere betrifft den urplötzlichen Gesamt- Tod, wo also ganze Völker unvermittelt tot im Stock liegen – oder ausschwärmen und nicht wieder zu- rückkehren (sich verfliegen und dabei verhungern). Bei diesem zweiten Phänomen stirbt also ein gan- zes Volk – plötzlich und überraschend. Wir sind angetreten, diesen Phänomenen auf den Grund zu ge- hen. Dazu haben wir im letzten Heft das Leben der Bienen beleuchtet sowie Probleme bei der heute üb- lichen Form der Imkerei: (1) die Züchtung fremder Bienenrassen, die an die hiesigen Gegebenheiten nicht gut angepasst sind, (2) artfremde Haltebedingungen, (3) Nahrungsverknappung für die Bienen durch landwirtschaftliche Monokulturen sowie (4) zusätzliche Stressfaktoren wie z.B. das Wegneh- men der Königin u.a. Mit dem heutigen Artikel vervollständigen wir das Gesamtbild, so dass am Ende recht klar auf der Hand liegt, was diese beiden Phänomene des Bienensterbens verursacht. Das rätselhafte Sterben zwischen quer über den Glo- gestalteten, da größtenteils die bekommt einen Namen bus. So war im Frühjahr 2007 Referenzwerte fehlten. D.h. es die Hälfte aller amerikani- war kaum bekannt, welche Nachdem das rätselhafte Mas- schen Bundesstaaten davon be- Zahlen vor dem großen Bie- sensterben ganzer Bienenvöl- troffen, 2012 starben in der nensterben als Normalwerte ge- ker mehrere Jahre hintereinan- Schweiz die Hälfte aller dorti- sunder Bienenvölker zu gelten der aufgetreten war, bekam es gen Bienen – 100.000 Bienen- hatten – also beispielsweise, schließlich sogar einen eige- völker. Ähnliche Meldungen wie viele Bienenindividuen in nen Namen – wie das heute bei kamen aus Deutschland, aus gesunden Völker sowieso, sog. „Störungen“ gang und gä- weiteren europäischen Län- ganz natürlich – in einem kal- be ist – mit drei Buchstaben, dern, noch schlimmere aus ten Winter sterben u.ä. nämlich „CCD”. Das steht für China und Indien. Die drama- Colony Collapse Disorder und tischsten Meldungen kamen Was ergab die Forschung – kon- bedeutet wörtlich übersetzt aus dem Nahen Osten und Ja- ventionell wie alternativ? Wel- Volkzusammenbruchstörung – pan (Grafik folgende Seite). che Gegebenheiten, Umstän- also eine „Störung“, die das Kol- de, Handlungen, Verhaltens- labieren eines Bienenvolkes Das Massensterben war derart weisen des Menschen usw. (=Völkersterben) ausdrückt. schockierend, dass erschreckt sind für das Massensterben der Forschungsprojekte ins Leben Bienen verantwortlich? Be- Diese massive „Störung” bei gerufen wurden, die sich an- leuchten wir die einzelnen Fak- Bienenvölkern zieht sich in- fangs allerdings sehr schwierig toren der Reihe nach: 5 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Die Bienen benutzen die sechseckigen Waben zuerst als Brutstätten für ihre Larven und später als Aufbewahrungs- ort für Pollen und Honig – das ist ihr (in ihren Augen überlebenswichtiger) Nahrungsvorrat für den Winter. Sobald ein Sechseck gefüllt ist, wird es mit Wachs verschlossen. Eine vollständig verschlossene Wabe wird dann vom Imker ent- nommen, entdeckelt (= er schabt das Deckwachs ab, wie im Bild gezeigt) und schleudert die Wabe anschließend. In der modernen Imkerei geschieht all dies oft schon maschinell! Den Bienen wird sämtlicher Honig weggenommen, was ein großer Schock für sie ist. Ersatzweise wird der Bien im Winter dann mit simplem Zuckerwasser gefüttert. Enzyme und Hunderte weite- 1. Sie befinden sich plötzlich 3. Sie werden phänomenalen rer Inhaltsstoffe**) – was die in einem ganz anderen Klima. Mengen von Spritzgiften aus- Tiere im Endeffekt schwächt. 2. Sie bestäuben eine riesige gesetzt. 4. Sie befinden sich in- Monokultur, wo sie nur sehr mitten zahlloser fremder Bie- Eine der stressigsten Lebens- wenige Nährstoffe finden (kei- nenvölker, die Träger von bedingungen haben Bienen, de- ne Vielfalt). Bienen brauchen Krankheiten sein können. ren Imker sie (vorwiegend in eine große Blumenvielfalt, um den USA) auf großen Lastwa- über das ganze Jahr hinweg gut Fassen wir an dieser Stelle ein- gen quer durchs Land fahren, ernährt zu sein. Diese Vielfalt mal kurz zusammen, welche um Blüten von riesigen Planta- aber finden sie nicht, wo ihre Faktoren bisher vorliegen, wel- gen zu bestäuben, wie z.B. zu Beuten neben riesigen Rapsfel- che die Gesundheit der Bienen den Mandelbäumen in Kalifor- dern o.ä. abgestellt werden. schwächen. Als da wären: nien. Dort werden für 77 Mil- lionen Mandelbäume rund 1,5 Raps soweit das Auge reicht. Keine Blumen dazwischen, keine blühenden Millionen Bienenvölker benö- Beikräuter – nichts! Dies führt zu einem radikal einseitigen Nahrungsange- tigt, damit die Mandelblüte zur bot für die Bienen und folglich zu einer eklatanten Mangelernährung. Mandel werden kann. Für den „fahrenden Imker“ be- deutet das vor allem eines: Geld! 600.000 Dollar nimmt der Imker-Unternehmer an der Bestäubung der Mandeln ein. Für die Bienen jedoch bedeutet ihr Verbringen samt Beute per LKW an einen fremden Ort – manchmal über Tausende Mei- len hinweg – in erster Linie mehrfachen Stress: 7 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
1. Zucht von an die heimi- 4. Die Bienen werden zusätzli- sorbieren, sind all den Giften schen Bedingungen nicht ange- chen Stressfaktoren ausge- ausgesetzt, die draußen ver- passten Bienenrassen, also setzt. Dazu gehört der Trans- sprüht werden und die Pflan- von Rassen, die zwar sanft port mit dem LKW. Der Raub ih- zen vor Insekten schützen sol- sind, viel Honig geben, dafür rer gesamten Nahrungsvorräte len. Dass die Pflanze sogar so aber in deutlich geringerem für den Winter (Honig). Das sehr beschützt wird, dass ihr Ausmaß widerstandsfähig Wegnehmen der Königin. Das Bestäuber ebenfalls daran sind z.B. gegenüber harter Wit- Zusammenbringen mit frem- stirbt, dürfte kaum ein gewoll- terung oder sog. Schädlingen. den Völkern und dadurch Ver- ter Nebeneffekt gewesen sein. breitung von fremden Keimen. 2. Artfremde Haltebedingun- Selbst wenn eine einzelne Che- gen. Dazu gehören rechteckige Tatsächlich sind wir jedoch mikalie an sich tatsächlich un- Beuten, Mittelwände, Kunst- mit dieser Bilanz nicht etwa bedenklich sein könnte, macht wachs, Ernährung mit Zucker- am Ende der Aufzählung ange- es das Gemisch vieler Gifte wasser, das Verhindern des langt, sondern kommen damit aus, welches die Biene tötet. Schwärmens, künstliche Tei- leider erst richtig zum Thema: Auf jedem Feld wird ein ande- lung der Völker, Wegnahme res Mittel verwendet, es befin- der Königin, künstliche Köni- Schwächung und Anfälligkeit den sich Rückstände im Boden ginnenzucht, künstliche Be- durch Chemikalien sowie auch an den Pollen, die fruchtung der Königin, Eingrif- in den Bienenstock eingetra- fe in die natürliche Entwick- Egal wie sehr Chemiekonzerne gen werden und Generation lung der Bienenvölker, Eingrif- ihre Pestizide*, Insektizide*, für Generation den Nach- fe in ihre Genetik usw. Herbizide* und Fungizide* als wuchs weiter schädigen. unbedenklich anpreisen, die 3. Wo Bienen in der Nähe land- Bienen zeigen uns, dass diese Mittlerweile ist die Technik so wirtschaftlicher Monokultu- Lobpreisungen der Wahrheit weit fortgeschritten, dass nicht ren*, z.B. riesigen Rapsfeldern kaum nahe kommen. mehr unbedingt ein Traktor gehalten werden (dazu zählen mit einer Ladung Pestizid he- u.U. sogar Fichtenmonokultu- Die Bienen, deren Körper keine rumfahren muss, um die Sup- ren in den Bergen), leiden sie gute Entgiftungsfähigkeit be- pe auf dem Feld zu verteilen an einem einseitigen Nah- sitzt und welche die Gifte (zum (siehe Foto). Pestizide werden rungsangebot und in der Folge Schutz des Nachwuchses) in heutzutage aus Flugzeugen ver- an Nährstoffmangel. ihren Körpern regelrecht ab- sprüht, als Granulat ausge- Die reinste Hölle für die Bienen: Ein erstens völlig einseitiges Nahrungsan- gebot, das zu Nährstoffmangel führt, das zweitens auch noch mit giftigen *Monokultur: Anbau einer einzigen Pflan- zenart auf Großflächen (und Jahre hin- Insektenvertilgungsmitteln vollgesprüht wurde. weg), in der Landwirtschaft (Baumwolle, Kaffee, Mais, Soja usw.), in der Tierwirt- schaft (Rinder, Schweine, Hühner), in Aqua- kulturen (z.B. Shrimpfarmen) sowie in der Forstwirtschaft (Fichtenwälder) (von griech. monos: allein, ein-/allein-). *Pestizide: Oberbegriff für patentierte che- mische Gifte, die als schädlich empfunde- ne Lebewesen abtöten, um das Wachstum der angebauten Kulturpflanzen zu begüns- tigen. Pestizide gibt es u.a. als Spritzmittel, Granulat, als sog. „Beizmittel“ (das direkt aufs Saatgut aufgebracht wird) oder als von genmanipulierten Kulturpflanzen selbst erzeugte Gifte (lat. pestis: Geißel, Seuche und caedere: töten). *Insektizid: Insektenvertilgungsmittel (En- dung -zid von lat. caedere: töten). *Herbizid: Unkrautvertilgungsmittel (lat. herba: Kraut, Gras). *Fungizid: Pflanzenschutzmittel zur Be- kämpfung von (Schimmel-)Pilzen, Mehltau etc. (lat. fungus: Pilz). besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 8
mit besprüht werden, sterben stanzklasse der Neonicotinoi- sie innerhalb weniger Sekun- de gehört) auf Bienen. Es den. Sie laufen noch kurze Zeit wurden Bienen verschieden auf dem Boden herum und se- großen Mengen Imidacloprid hen dabei aus, als ob sie zu viel gefüttert. Die Forscher fanden Alkohol erwischt hätten. heraus, dass Bienen daraufhin in ihrem Flug- und Sammel- Eine Insektizid-Gruppe, die verhalten gestört waren, teil- Gebeiztes Saatgut: Saat-„gut“ (wie sich als besonders schädlich weise nicht mal mehr zu ihrem hier von Winterraps), das in unna- türlichem Pink oder anderen Farben hervorgetan hat, sind die sog. Stock zurückfanden. Sie be- leuchtet, wurde gebeizt, d.h. in ei- Neonicotinoide*. Das sind In- nahmen sich tatsächlich mehr nem hochkonzentrierten Insekten- sektizide auf der Basis synthe- oder minder dumm. vertilgungsmittel gebadet. Der Baye- rische Rundfunk bezeichnete sol- tischer nikotinartiger Nerven- che Saaten in einer Reportage vom gifte. Sie sollen Pflanzen Auch eine von Biologen der 1 15.04.2013 als „für Bienen tödlich“ . schützen vor beißenden und Harvard Universität (Massa- saugenden Insekten und wer- chusetts) 2012 veröffentlichte den auch als Saatgutbeizmittel Studie stellte einen direkten bracht, so dass das Gift über verwendet. Die Neonicotinoi- Zusammenhang zwischen die Wurzeln in die Blätter ge- de werden von der Pflanze gut dem Mittel und dem Sterben langt, Samenkörner werden da- aufgenommen und behalten der Bienen fest. 15 von 16 der mit gebeizt (die Samen werden lange Zeit ihre Wirkung. beobachteten Bienenvölker in giftigen Chemikalien geba- starben innerhalb von 23 Wo- det, auf den Saatgutsäcken be- Neonicotinoide haben auf Bie- chen – und das obwohl sie ei- findet sich dann paradoxer- nen einen subletalen Effekt, al- ner teils deutlich geringeren weise die Aufschrift: „Nicht so einen fast oder beinahe töd- Dosis Imidacloprid ausgesetzt zum Verzehr geeignet!“) Oder lichen (lat. sub: unter, darun- waren, als sie auf damit behan- 14 Kulturpflanzen wie der Mais terliegend, niedrig; lat. letalis: delten Feldern vorkommen . werden mittels Genmanipula- tödlich). Eine im Dezember tion dazu gebracht, selbst die 2008 veröffentlichte Studie im Die Biologen fanden auch he- entsprechenden Gifte gegen Journal of Economic Entomolo- raus, dass sich das Insektizid Maisschädlinge herzustellen. gy* beschreibt die Auswirkung auf die Lern- und Gedächtnis- Beim Beizen ist das Gift weit- von Imidacloprid (das zur Sub- leistung der Bienen auswirkt. aus konzentrierter als beim Ver- sprühen, passt es doch auf das Samenkorn der Pflanze. Fliegt Imidocloprid ist ein Wirkstoff aus der Substanzklasse der Neonicotinoide, das 1985 aus den Laboren der Bayer AG entsprang und seither unter später eine Biene die so behan- Dutzenden Handelsnamen zum meistverkauften Pestizid der Welt avan- delte Pflanze an, nimmt sie das cierte. Es wird nicht nur als Spritzmittel, Beizmittel und Granulat in der Land- Gift über den Nektar auf. wirtschaft verwendet (Handelsname „Gaucho“), sondern auch in Produkten für Hobbygärtner. Der Absatz allein in Deutschland beträgt bis zu 100 Ton- nen jährlich. 1000 Tonnen werden jährlich in alle Welt exportiert. Kommen Bienen mit chemi- schen Bekämpfungsmitteln nicht nur auf indirektem Wege, sondern direkt in Berührung, indem sie beispielsweise da- *Neonicotinoide: Eine Wirkstoffgruppe synthetischer nikotinartiger Nervengifte, die in zahlreichen Insektenvertilgungsmit- teln enthalten sind – auch in Kombinatio- nen oder Mischungen (lat. Vorsilbe neo: neu-, und griech. Endung -oides: „ähnlich wie“ bzw. „in der Art von“). *Entomology (engl.), deutsch Entomolo- gie: Insektenkunde (gr. entomon: Insekt). 9 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Die beobachteten Bienen sam- Dadurch kommt es zur Man- unter seinem Markennamen ® melten nur noch Nektar mit ho- gelversorgung des Volkes auf- „Poncho“ . Entwickelt wurde hem Zuckergehalt und kom- grund der geschädigten Arbei- es von Takeda Chemical Indu- munizierten weit weniger terinnen, welches in der Folge stries und der Bayer AG ge- durch Schwänzeltanz ihren anfälliger für Krankheiten meinsam im Jahr 2000. Seit Bienenkollegen, wo Nahrungs- wird. Solche chronischen und 2004 ist es in Deutschland als quellen zu finden sind. kumulativen Wirkungen wer- Insektizid zugelassen. Es wird den jedoch von den gängigen sowohl als Spritzgift wie auch Auch bei Hummeln ist eine ne- Zulassungstests nicht erfasst. als Saatgutbeizmittel einge- gative Wirkung des Insekten- Diese beurteilen lediglich die setzt und ist doppelt so stark gifts im Jahr 2012 bewiesen akute toxische Wirkung auf ein- wirksam wie Imidacloprid. 2 3 worden . Betroffene Staaten zelne Bienen . produzierten 83 Prozent weni- Clothianidin gelangte zu zwei- ger Königinnen, insgesamt blie- Imidacloprid, das auch unter felhaftem Ruf, als sich 2008 ent- ben die Staaten kleiner. dem Handelsnamen „Gau- lang der Rheinlinie 7.000 Im- ® cho“ vertrieben wird, wurde ker über ein massives Bienen- Die unterschiedliche Beurtei- 1985 von der Bayer AG herge- sterben beklagten, welches di- lung von Zulassungsbehörden stellt und seit Anfang der rekt mit der Maissaat begann. und Forschungseinrichtungen 1990er Jahre in großem Stil ver- Die verendeten Bienen wurden erklärt sich über den giftigen breitet. Es findet derzeit Ein- untersucht, in ihren Körpern Wirkmechanismus von Imida- satz in 120 Ländern und Exper- wurde Clothianidin gefunden cloprid auf das Nervensystem ten schätzen, dass es aktuell – der Stoff, mit dem die Mais- der Bienen. Denn die betroffe- wohl das meistverwendete In- körner gebeizt worden waren. ne Bienen sterben nicht sofort, sektizid der Welt ist. Ein Imker gab seine toten Bie- sondern verlieren „lediglich“ nen in ein Labor zur Untersu- die Orientierung und finden Ein weiteres Nervengift aus der chung. Eindeutiges Ergebnis: immer schwieriger den Weg zu- Klasse der Neonicotinoide ist 80 Prozent der Bienen waren 4 rück zum Bienenstock. Clothianidin, besser bekannt an der Chemikalie gestorben . Dokumentarfilm zum globalen Bienensterben Der Dokumentarfilm MORE THAN HONEY beschäftigt sich mit dem weltweiten Bienensterben, für das Pestizide der Firma BAYER mitverantwortlich sind. Der Regisseur Markus Imhoof ver- folgt das Schicksal der Bienen von der eigenen Familienimkerei bis hin zu riesigen industrialisierten Honigfarmen und Bienenzüchtern in den USA. Mit spektakulären Aufnahmen, wie man sie nie zuvor gesehen hat, öffnet er den Blick auf eine Welt jenseits von Blüte und Honig, die man nicht so schnell vergessen wird. Bei seinen Recherchen für den Film und das parallel erschienene Buch wurde Markus Imhoof von der Coordination gegen BAYER- Gefahren (CBG) unterstützt. Die CBG weist seit den 90er Jahren auf die Risiken von Agrochemikalien für Insekten hin und fordert ein weltweites Verbot von Wirkstoffen wie Imidacloprid, Clothiani- din und Thiametoxam. Hintergrund: Das Sterben von Bienen und Wildinsekten führt zu ei- ner verringerten Bestäubungsleistung, wodurch die Ernährungssi- cherheit in Gefahr gerät. Die UN-Umweltbehörde UNEP bezeich- net Imidacloprid und Clothianidin in einem Bericht zu globalen Bie- nensterben explizit als Bedrohung zahlreicher Tierarten. Im Früh- jahr 2008 löste der Einsatz von Clothianidin im Mais-Anbau das größte Bienensterben der vergangenen Jahrzehnte aus. Zeit- gleich verschwanden wildlebende Insekten, die ihrerseits als Nah- rung für Vögel dienen. In Deutschland, Italien und Frankreich wur- den die Wirkstoffe für die wichtigste Anwendung, die Behandlung von Mais, verboten. Dies hindert den BAYER-Konzern nicht, die Präparate in mehr als 100 Länder zu exportieren. Die CBG-Kampagne zum weltweiten Bienensterben: http://www.cbgnetwork.org/2556.html Die Webseite zum Film (mit Trailer): www.morethanhoney.de besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 10
Kommen Bienen in Kontakt ihrer Gründung eine kleine Umsatz mit Imidacloprid be- mit Clothianidin, zeigt das Ner- deutsche Bürgerinitiative war, läuft sich auf etwa 500 bis 600 vengift bereits nach wenigen ist heute zu einem internatio- Millionen Euro jährlich! Es Minuten seine Wirkung: Der nalen Selbsthilfenetzwerk ge- kann nicht angehen, dass die Unterleib der Bienen krümmt worden, das sich für Umwelt- Konzerne die Gewinne ein- sich, sie erbrechen sich, leiden schutz und zahlreiche soziale streichen, die Allgemeinheit unter Koordinationsverlust Anliegen einsetzt. hingegen für die entstandenen und Flügellähmung. Kurz da- Schäden aufkommen muss. rauf tritt ihr Tod ein. Die CBG weist seit den 1990er Jahren darauf hin, dass Pestizi- Seit Ende April 2013 ist nun Es wurde vermutet, dass von de eine große Gefahr für Bie- in der EU beschlossen worden, den Aussaatmaschinen aufge- nen darstellen. So heißt es auf was Frankreich schon 1999 be- wirbelte Stäube auf blühende ihrer Website: »Seit 1998 for- schließen konnte: in einer ent- Rapsfelder und Blumenwiesen dern wir ein Verbot von Pestizi- scheidenden Sitzung des EU- geweht wurden und die Bie- den aus der Substanzklasse der Berufungsausschusses haben nen dort das Gift aufgenom- Neonicotinoide wegen ihrer 15 der 27 Mitgliedsländer für men haben dürften. Auf diese Schädlichkeit für Bienen.« ein Teilverbot von drei Neo- Weise war die Wirkung des nicotinoide enthaltende Pesti- Stoffes weit konzentrierter. Die CBG hat deswegen eine ei- zide gestimmt. Zwei der drei Doch selbst dann, wenn keine gene Webseite zum Thema Bie- Pestizide sind Clothianidin solchen Stäube aufgewirbelt nensterben eingerichtet mit und Imidacloprid. werden, nehmen die Bienen Pressemitteilungen, Flugblät- das Gift über Wassertropfen tern zum Herunterladen, Un- Die drei Stoffe, die nachweis- auf, die sich an Blättern bilden. terschriftenaktionen, Medien- lich zum Sterben von Bienen meldungen, Protestaktionen geführt haben, werden für die Aufgrund der enormen Aus- usw. Der Link dorthin lautet: nächsten zwei Jahre nicht er- wirkungen wurde der Verkauf www.cbgnetwork.org/2556.html laubt sein für Mais, Raps und von Clothianidin und sieben Sonnenblumen. Danach sehe weiteren Saatgutbehandlungs- Die Unternehmen BAYER und man weiter. Erlaubt sind sie mitteln vom Gesetzgeber ge- Syngenta* haben mit ihren Prä- nach wie vor für Wintergetrei- stoppt, einige Wochen später je- paraten mehrere Milliarden ver- de und Pflanzen, die keine Bie- doch teilweise wieder zugelas- dient. Allein der BAYER- nen anziehen. sen. In Italien, Frankreich und Norwegen aber blieb Clothia- Eine Protestaktion der CBG, der Coordination gegen BAYER-Gefahren, an- nidin gänzlich verboten. lässlich der BAYER-Aktionärshauptversammlung 2013, bei der die CBG lautstark auf die Giftigkeit der BAYER-Pestizide für Bienen hinwies. Eine der Initiativen, die den Chemiekonzern BAYER kri- tisch beobachtet und seine Schandtaten ins grelle Schein- werferlicht rückt, ist die CBG, die Coordination gegen Bayer- G e f a h r e n ( w w w. c b g n e t- work.org). Die Gruppe, die bei *Syngenta: einer der größten Agrarkon- zerne weltweit mit Stammsitz in Basel. Das Unternehmen ist in der Sparte „Pflan- zenschutz“ Marktführer und in der Sparte „kommerzielles Saatgut“ auf Platz drei. Der größte Konkurrent ist Monsanto. Der Umsatz 2011 betrug 13,3 Milliarden US- Dollar. Syngenta beschäftigt derzeit über 26.000 Mitarbeiter in über 90 Ländern. 11 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Die Varroa-Milbe tel kleiner sind als ihre gesun- zu Forschungszwecken nach 5 den Artgenossen. Diese kleine- Deutschland gebracht . Von Während die Untersuchungen ren Tiere haben eine deutlich dort verbreitete sich der Parasit zu den Auswirkungen von Neo- kürzere Lebensspanne, sind innerhalb weniger Jahre über nicotinoiden auf die Bienen lie- weniger lernfähig und kehren ganz Deutschland. fen, wurde von Seiten der Che- häufig nach einem Ausflug miekonzerne versucht, das grel- nicht in den Stock zurück. Durch Versand von Bienenvöl- le Scheinwerferlicht von ihren kern und Königinnen über die Pestiziden wegzulenken und Die erwachsenen Varroa- ganze Welt, breitete sich die es statt dessen auf einen bösen Milben beißen sich an den Bie- Milbe inzwischen weltweit Schädling zu richten: auf die nen fest (siehe Foto), ernähren aus – mit Ausnahme von Aus- weit verbreitete Varroa-Milbe sich dort von der Biene und las- tralien, der als einziger Konti- nämlich, botanisch „Varroa de- sen sich herumtragen. Durch nent als Varroa-frei gilt. structor“* genannt, die als der ihren festen Rückenschild sind bedeutsamste Bienenschäd- sie geschützt vor dem Putztrieb Auch die Tatsache, dass man- ling weltweit gilt. der Bienen. Würde man das che Großimker für die Bestäu- Verhältnis der Varroa zur Biene bung von Monokulturen mit ih- Die deutschen Imker haben mit dem Mensch vergleichen, ren Bienenvölkern von Stell- durch diese Milbe im Frühjahr wäre es so, als hätte man einen platz zu Stellplatz weiterzie- 2012 tatsächlich ca. 25 Prozent Parasiten in der Größe eines hen, fördert natürlich die Ver- ihrer Bienen verloren. Kaninchens auf sich sitzen. breitung der Milbe. Die Varroa ist ein Parasit und Der ursprüngliche Wirt der Mil- Varroa-Befall ist in der ca. 1,1 Millimeter lang und 1,6 be ist die Apis cerana, die Öst- Schweiz und Österreich als Millimeter breit. Sie entwi- liche bzw. Asiatische Honig- meldepflichtige Seuche einge- ckelt und vermehrt sich in der biene. Bei dieser auf das tropi- stuft. Ist ein Bienenvolk befal- Brut des Bienenstocks und er- sche Ostasien beschränkten len, geht man bei unseren ge- nährt sich zunächst vom Nah- Bienenart werden aber aus- mäßigten Klimabedingungen rungsvorrat in der Wabe. Ist die- schließlich die Larven von davon aus, dass das Volk inner- ser aufgebraucht, beginnt sie Drohnen befallen, die Arbeite- halb von drei bis vier Jahren an der Larve zu saugen. Das Er- rinnen nicht. Durch das Bie- kollabieren wird. Der Grund gebnis sind verkrüppelte Bie- neninstitut Oberursel im Tau- hierfür ist nicht nur, dass die nen ohne Beine, Flügel etc. nus wurden Östliche Bienen Varroa die Larven befällt, son- und Bienen, die um ein Zehn- samt Milben im Jahre 1977 dern auch, dass sie Überträger Links: Eine von einer Varroa-Milbe befallene Honigbiene. Rechts eine Vergrößerung im Raster-Elektronen- Mikroskop. Die Milbe befällt zuerst die Brutstätte der Bienen, raubt dort alle Nährstoffe, befällt dann die Brut selbst, saugt sie aus und hinterlässt dabei Keime, welche die Jungbienen mit verkrüppelten Flügeln zurücklassen. Varroa Varroa besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 12
einer Vielzahl von für die aus Italien (die sehr gute Ho- Bienen ungünstigen Keimen nigergebnisse brachten, was in ist. Nachdem die Bienen und die afrikanische Art einge- deren Immunsystem durch die züchtet werden sollte, da sich Milben geschwächt sind, ha- die europäische Biene als nicht ben die von den Milben über- leistungsfähig erwies in tropi- tragenen Viren und Bakterien schen Klimazonen). ein leichteres Spiel. Die sog. „Killerbiene“ entstand aus Durch einen ungeschickten Zu- einer Kreuzung der Afrikanischen Biene und einer italienischen Honig- Zur Behandlung des Milben- fall entkamen im Jahr 1957 in biene. Die Bienenrasse gibt viel Ho- befalls werden oft aggressive Brasilien 26 dieser gezüchte- nig, ist resistent gegen die Varroa- Chemikalien verwendet, die ei- ten Schwärme aus einem La- milbe, allerdings auch stechfreudig, greift bei Bedrohung im Schwarm ne ähnliche Wirkung haben bor und verbreiteten sich ra- an und verfolgt den Angreifer. wie eine Chemotherapie auf send schnell im Land. krebskranke Menschen haben kann: Das Immunsystem des Durch die Aggressivität der afri- Honigproduzent bewährt. Ein Wirts wird so sehr geschwächt, kanischen, ursprünglichen Bie- Schwarm produziert das Vier- dass er daran zugrunde geht. ne, ist die Art der Afrikanisier- fache der alten Art. Ganz da- Die Varroa hingegen ist gegen ten Honigbiene als sehr stech- von abgesehen, hat sie sich als viele chemische Behandlungs- freudig bekannt und hat daher weit resistenter bewiesen ge- mittel bereits resistent. den wenig schmeichelhaften gen die Varroa als ihre europäi- Beinamen „Killerbiene“ be- schen Kollegen – und zwar oh- Es gibt auch biologischere Be- kommen. Der Name rührt vor ne spezielle, chemische Be- handlungsmethoden mit Amei- allem daher, dass die Bienen handlung durch den Imker. sensäure oder Milchsäure und bei einer Bedrohung fast alle Methoden, bei denen Waben gleichzeitig angreifen und ihr Generell gilt jedoch hier (wie speziell in den Stock gehängt Opfer hartnäckig verfolgen. überall sonst), dass jeder Para- werden, welche die Varroa Hierbei kann dann schnell die sit nur so stark ist, wie das Mi- gern befällt und die dann aus Schwelle von ca. 500 Stichen lieu seines Wirts geschädigt ist. dem Stock entfernt werden (sie- erreicht werden, die bereits ein Wer also die Varroamilbe effek- he auch Seite 24). Um die Var- Kind töten kann. Bei Erwach- tiv „bekämpfen“ will, tut dies roamilbe aber vollständig in senen wird es ab ca. 1000 Sti- am besten, indem er die Bie- den Griff zu bekommen, muss chen kritisch. In Brasilien wer- nen stärkt. Würden Imker also das Augenmerk (a) auf die den jährlich ca. 200 Fälle be- verstärkt einheimische Land- Züchtung von Bienen gelegt richtet, bei denen Menschen rassen züchten, die an die hie- werden, die resistenter gegen durch diese Bienen sterben. sigen Bedingungen angepasst den Befall sind bzw. müssen sind, würden Bienen abseits (b) die Haltebedingungen all- Abgesehen von der Aggressivi- von Monokulturen gehalten, gemein verbessert werden, tät, hat sich die Afrikanisierte wo sie ein reichhaltiges Nah- denn gesunde Bienen werden Honigbiene allerdings als guter rungsangebot finden, würde nicht von Parasiten befallen. Neue Studie zu globalen Bienensterben Eine solche, gegenüber der Var- E roa deutlich resistentere ine neue Studie amerikanischer Bienenforschungsinstitute kommt zu dem Ergebnis, dass der Befall mit Milben (den BAYER Bienenart ist die Afrikanische so gerne für das weltweite Bienensterben verantwortlich macht), Biene bzw. die Afrikanisierte bei Imidacloprid-belasteten Bienen stark zunimmt. Die Erkrankungen Honigbiene. Letztere entstand sind also eine Folge der Pestizidbelastung. Die Studie endet mit dem aus einer Kreuzung zwischen Satz “We believe that subtle interactions between pesticides and patho- gens could be a major contributor to increased mortality of honey bee co- Bienen aus Afrika und Bienen lonies worldwide6.” Zu deutsch: „Wir glauben, dass feine Wechselwir- kungen zwischen Pestiziden und Krankheitserregern maßgeblich zur *destructor (lat.): der Zerstörer bzw. zer- Sterblichkeit von Honigbienenvölkern beitragen könnten.“ störend, vernichtend, zersetzend. 13 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Mobilfunkmasten auf Hausdächern und Satellitenschüsseln auf der Alm. Kaum eine Region mehr in Deutschland ohne Funk-, UMTS (neuester Mobilfunkstandard) und Satellitenempfang. Studien haben dabei zweifelsfrei belegt, dass Mobilfunk den Orientierungssinn der Bienen stört. So fanden Völker, deren Beuten in der Nähe von Mobilfunk- masten und Sendeanlagen aufgebaut waren, proportional deutlich häufiger nicht in ihren Stock zurück. man ihnen nicht allen Honig Mobilfunk und Elektrosmog nen den Navigationssinn Ho- rauben, sie artgerechter halten nig produzierender Insekten und sie weniger Stressfaktoren Aktuelle Studien indischer 7 empfindlich stört . aussetzen, Pestizide in der Wissenschaftler der Panjab Uni- Landwirtschaft generell ver- versity in Chandigarh ergaben In der Fachzeit Current Science ringern, dann würde bald nie- ein weiteres Puzzleteil beim erklärten die Autoren Ved Pra- mand mehr über ein Varroa- Auffinden der Ursachen für kash Sharma und Neelima Ku- Problem sprechen. das Bienensterben. Die Wis- mar: »Die immense Zunahme senschaftler gehen sogar da- von elektronischen Geräten Doch damit ist die Palette aller von aus, die Hauptursache für hat zu einer erheblichen Zu- neuzeitlichen Bedrohungen das Sterben gefunden zu ha- nahme des Elektrosmogs in der für die Bienen leider noch ben. Ihre Theorie besagt, dass Umwelt geführt. Das Verhalten längst nicht erschöpft: die Strahlung von Mobiltelefo- der Honigbienen und deren Nicht nur Handystrahlung, Mobilfunkmasten und Satellitenschüsseln, sondern auch Starkstrommasten sondern Elektrosmog ab, der das Ortungssystem der Honigbienen empfindlich stört. besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de 14
9 Biologie reagieren sehr emp- Telefonieren wir unsere Bie- zurückfanden . Bei den unbe- findlich auf Elektrosmog, da nen also zu Tode? „Definiv“, strahlten Vergleichsbienen fan- der Orientierungssinn der Ho- meinen vier Imker aus dem Ber- den hingegen alle zurück. nigbiene auf elektromagneti- ner Oberland, die in Eigenregie 8 scher Strahlung beruht.« Um einen ähnlichen Versuch star- In Laborversuchen, die der Wis- ihre Theorie zu untermauern, teten. Sie nahmen 12 kernge- senschaftler Ulrich Warnke in machten die Wissenschaftler sunde Bienenvölker aus ver- seiner unten abgebildeten Bro- einen Test mit vier Bienenstö- schiedenen Zuchten und stell- schüre beschreibt, wurde das cken, die sie über drei Monate ten die Kästen in der Nähe von Verhalten von Bienen in künst- hinweg beobachteten. Zwei Mobilfunkantennen auf. lich aufgebauten elektrischen Bienenstöcke wurden jeweils Feldern verschiedener Stärken links und rechts mit einem Mo- Anstatt im Frühsommer einen und Frequenzen untersucht. biltelefon versehen, die zwei- Bestand von insgesamt über Die Ergebnisse in Kurzform: mal täglich für 15 Minuten mit- 350.000 Bienen aufzuweisen, Die Bienen wurden extrem un- einander verbunden wurden, wurden die 12 Versuchsstöcke ruhig, steigerten die Verteidi- ansonsten waren sie auf Stand- dezimiert. Über die Hälfte der gung ihres Territoriums un- by. Ein Vergleichsbienenstock zum Zweck der Nahrungs- kontrolliert, stachen sich ge- bekam Handy-Attrapen ange- suche ausschwärmenden Sam- genseitig ab. Nach einigen Ta- bracht und der vierte Stock melbienen seien nicht zurück- gen rissen die Bienen ihre Brut blieb unverändert. gekehrt. Die Bienen verflogen aus den Wabenzellen, Vorräte sich und starben. Damit fehlte von Honig und Pollen wurden Nach drei Monaten zeigten den Bienen in den Stöcken die verbraucht, ohne dass Nach- sich deutliche Ergebnisse: Die Nahrung. Honig produzierten schub produziert wurde. Bie- beiden Bienenstöcke, die mit die Versuchsbienen keinen. nen, die frisch in eine Beute Handys versehen waren, liefer- Ein Jahr nach Versuchsbeginn eingezogen sind, zogen aus ten keinerlei Honigprodukti- war für die Berner Imker klar: und verflogen sich dann. on. Statt dessen irrten die Ar- Elektrosmog raubt den Bienen beiterbienen desorientiert im den Orientierungssinn und ist Die hervorragende wissenschaftli- Stock umher und fanden nach deshalb mit verantwortlich für che Arbeit „Bienen, Vögel und Ausflügen immer seltener dort- das Bienensterben. Menschen – die Zerstörung der hin zurück. Die Königin legte Natur durch Elektrosmog“ von Ulrich Warnke über die Auswirkun- mit durchschnittlich 145 Eiern Das unterstreichen auch Stu- gen des Mobilfunks ist Heft 1 einer pro Tag weit weniger als die dien der Universität Koblenz- Schriftenreihe der Kompetenz- 376 Eier in Stöcken, die keiner Landau, wo das Rückfindever- initiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie. Die hoch Strahlung ausgesetzt waren. halten der Bienen sowie die Flä- empfehlenswerte Arbeit kann im Am Ende des Experiments gab chen- und Gewichtsentwick- PDF-Format kostenlos aus dem 9 es in diesen beiden Stöcken we- lung der Waben im Einfluss Netz heruntergeladen werden . der Honig noch Pollen. elektromagnetischer Felder un- tersucht wurden. Die Wissen- schaftler stellten im Einfluss- *DECT: Abkürzung für schnurlose Heimte- bereich von Mobil- bzw. sog. lefone (engl. “Digital Enhanced Cordless, Telephone”, zu deutsch: Digital verbesser- DECT*-Telefonen vermehrte tes, schnurloses Telefon“. Hektik im Schwarm fest, er- *Propolis (Bienenharz): eine von Bienen hergestellte harzartige Masse (gr. pro: vor, höhten Schwarmtrieb sowie ei- polis: Stadt, wegen des Vorkommens an nen verlangsamten Wabenbau den Fluglöchern vor den Bienenstöcken). (geringere Fläche und weniger Propolis Gewicht). Fünf Tage nach Ein- bringen von DECT-Strahlung wurde festgestellt, dass die DECT-bestrahlten Bienen nur noch vereinzelt in ihren Stock 15 besser leben 16+17/2013 · Sabine Hinz Verlag · Alleenstr. 85 · 73230 Kirchheim · Tel.: (0 70 21) 7379-0, Fax: -10 · info@sabinehinz.de · www.sabinehinz.de
Sie können auch lesen