Das Wirtschaftsmagazin Nr. 4/2021 - Wandel gestalten statt erleiden Lieferengpässe wirken dämpfend Beziehungen Schweiz - EU: Zuwarten ist keine ...

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SC HWER PU N K T I N N OVAT I ON :

Wandel gestalten statt
erleiden

KONJ U NK T U R:
                                     Das Wirtschaftsmagazin   Nr. 4/2021
Lieferengpässe wirken
dämpfend

W I R T SC HAF T & P OL I T I K :

Beziehungen Schweiz –
EU: Zuwarten ist keine
Option
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 4/2021 - Wandel gestalten statt erleiden Lieferengpässe wirken dämpfend Beziehungen Schweiz - EU: Zuwarten ist keine ...
TRAU, SCHAU WEM                                      «UNSERE MITGLIEDER
                                                      SIND ZERTIFIZIERTE
                                                      KMU-EXPERTEN.»

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EDITORIAL

Die Schweizer Wirtschaft ist Exportweltmeisterin. Viele Länder benei-
den uns um die Exportkraft, die sich unter anderem in einem hohen
Wohlstandsniveau manifestiert. Dahinter stecken Wertschöpfung und
Innovationskraft der Menschen in den Unternehmen.

Das lateinische Wort «innovare» steht für «erneuern»: erneuern im
Sinne eines gesteuerten, geplanten Veränderungsprozesses, damit
Neues entstehen soll und kann. Die Veränderung ist Teil des mensch-
lichen Dranges nach Fortschritt. Die Kernregion Ostschweiz ist als Re-
gion mit überdurchschnittlich hoher Industriedichte, Exportquote und
KMU-Anteil in besonderem Masse auf diesen Veränderungswillen und
letztlich auf eine hohe Innovationskraft angewiesen: Erfolgreich ex-
portieren aus einem Hochpreis- und damit Hochlohnland bedingt,
ständig bei den Besten auf den Weltmärkten zu sein.

1885 haben unsere Vorgänger im Kaufm. Directorium die «Controll-
stelle für Baumwollgarne» in den eigenen Räumen gegründet – die          Markus Bänziger
                                                                         Direktor IHK St. Gallen-Appenzell
heutige Empa. Die Empa – heute unter der Leitung des St.Gallers
Prof. Dr. Gian-Luca Bona (Titelbild) – hat sich von einer nachvollzie-
henden Kontrollstelle zu einer vorausschreitenden, den Wandel gestal-
tenden Forschungsanstalt unter dem Dach der ETH gewandelt.

Wir vertiefen in der vorliegenden Ausgabe von «IHKfacts» die Bedeu-
tung und Notwendigkeit der Innovation für unsere Region sowie für
Ihr Unternehmen, geben Einblick in den neu gegründeten Switzerland
Innovation Park Ost, und zeigen verschiedene Ostschweizer Innovati-
onsprojekte und -plattformen. Die Kernregion Ostschweiz muss und
kann die Innovationskraft als KMU-Region noch besser organisieren,
koordinieren und selbst steuern und so die Wirtschaftskraft und damit
unseren Wohlstand für die Zukunft sichern. Gestalten wir den Wan-
del – und erleiden ihn nicht.
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Jacqueline Ramel
                     Studierende Executive MBA

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INHALT

                                                                        BLITZLICHT06

Innovationsperspektiven                                                 SCHWERPUNKT08
Wandel gestalten statt erleiden

Innovation durch Wissenstransfer
Wissenspotenzial sicht- und nutzbar machen

 Innovationspark
 «Die Ostschweiz ist auf der nationalen Innovationslandkarte
­angekommen»

Entwicklungsschwerpunkt Wil West
Auf in die Realisierungsphase!

Im Austausch mit der Wissenschaft
Wie Innovationen entstehen und neue Märkte erschlossen werden

 Konjunktur Kernregion Ostschweiz                                       IHK RESEARCH             24
 Die wirtschaftliche Erholung setzt sich fort, Lieferengpässe
­wirken dämpfend

Beziehungen Schweiz–EU                                                  WIRTSCHAFT UND POLITIK 28
Zuwarten ist keine Option

IHK-Business Outlook
Schweiz–EU: die Aussensicht

Eröffnung SQUARE
In St.Gallen manifestiert sich die Zukunft des Lernens

Vereinbarkeit Familie und Beruf
Ostschweizer Wirtschaft engagiert sich für eine bessere Vereinbarkeit

SSIB – Ein Unternehmen der Industrie- und Handelskammern                KNOW-HOW38
Die Zukunft vor Augen, den Kunden im Fokus

Ursprungsregeln im Aussenhandel
Revidiertes PEM-Übereinkommen

Konjunkturforum «Zukunft Ostschweiz»                                    IHK41
Wille zur Innovation verleiht Ostschweizer Wirtschaft Schwung

Vertrauen im Generationendialog
«Agilität braucht Stabilität»

Vorstandsmitglied Nick Huber
«Nur innovative Unternehmen sind nachhaltig erfolgreich»

Im Gespräch mit Hubert Britschgi
Der Arbeitgeberverband See und Gaster

IHK-Neumitglied
Bartholet Maschinenbau AG
                                                                        AKTUELLE FIRMENNEWS      52

                                                                        AGENDA54
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BLITZLICHT

                                               Wirtschaftsgruppe bei Vifor Pharma
WTT Young Leader Award                         Die Wirtschaftsgruppe des Kantonsrats be-        Senn betonte, wie wichtig dafür stabile und
der FH OST                                     suchte anlässlich ihres diesjährigen Gesamt-     berechenbare Rahmenbedingungen seien. Er
Wirtschaftsstudierende an der Ostschwei-       anlasses die Vifor Pharma AG. Rund 300 Mit-      dankte den anwesenden Kantonsratsmitglie-
zer Fachhochschule OST bleiben nicht in der    arbeitende bedienen vom Standort St.Gallen       dern und Vertretern der IHK St.Gallen-Ap-
Theorie verhaftet. Sie erhalten die Gelegen-   aus beinahe den gesamten Weltmarkt mit           penzell sowie des Kantonalen Gewerbever-
heit, ihr Können als Team in Praxisprojekten   Wirkstoff für Eisenmangeltherapien. For-         bands für deren Einsatz für eine Ostschweiz,
unter Beweis zu stellen. Die sechs überzeu-    schung, Entwicklung, Produktion und somit        in der sich Unternehmen entfalten können –
gendsten Arbeiten wurden in zwei Katego-       letztlich Wertschöpfung auf höchstem Niveau      und appellierte gleichzeitig, diesem Umfeld
rien für den WTT Young Leader Award            erfolgen im Sittertobel. Standortleiter Manuel   weiterhin Sorge zu tragen.
2021 nominiert. Am 4. Oktober wurden in
der Tonhalle St.Gallen die Siegerteams ge-
kürt. Erstmals übertrugen Medienpartner
den Livestream öffentlich. Ausserdem wa-
ren die Off- und Online-Gäste in einer So-
cial Interactive Community miteinander ver-
bunden und konnten sich in Chats austau-
schen sowie auch für den Publikums-Award
voten. Dieser ging mit 27,7 Prozent der
Stimmen ans Team «Jansen» – übergeben
von Marco Letta, Unternehmensleiter der
St.Galler Stadtwerke. Die Teams «Gebäu-
deversicherung St.Gallen» und «Zur Rose
Suisse» holten sich am Montag die WTT
Young Leader Awards für Marktforschung
und Managementkonzeption. Mit dem hy-
briden Veranstaltungsformat konnte ein         On & Sportradar mit Börsengang
neuer Zuschauerrekord erreicht werden,         Im September sind gleich zwei Unternehmen mit Ostschweiz-Bezug in New York an die Börse
mit 400 Offline- und 300 Online-Gästen.        gegangen: die Sportmarke On Running und der Sportdatenanbieter Sportradar. Die Marke
Als Patronatspartnerin freut sich die IHK      On hat sich als führende Laufsportmarke weltweit etabliert und erschliesst aktuell einen Sport-
St.Gallen-Appenzell mit den glücklichen        bekleidungsmarkt von etwa 300 Milliarden US-Dollar. Am 15. September schloss die Aktie
Gewinnerinnen und Gewinnern. Traditions­       46 Prozent über dem bereits sehr ambitionierten Ausgabepreis von 24 US-Dollar zum Han-
gemäss empfing IHK-Direktor Markus Bän-        delsende. Mit dem Geld aus dem Börsengang will On in ihr Wachstum und besonders in das
ziger die Siegerteams in den Räumlichkei-      Marketing investieren.
ten der IHK St.Gallen-Appenzell an der Gal-    Am 14. September ging Sportradar an die New Yorker Technologiebörse Nasdaq. Bei CEO
lusstrasse und gratulierte den Studierenden    Karsten Coerl geht damit ein kleiner Kindheitstraum in Erfüllung. Die USA sind ein wichtiger
zum Erfolg.                                    Markt für Sportwetten und Unterhaltung im Sportbereich, die Entwicklungsarbeiten am Un-
                                               ternehmenshauptsitz in St.Gallen sollen aber weiter verstärkt werden. Sportradar hat weltweit
                                               2300 Mitarbeitende an 30 Standorten. Nun soll mit dem gewonnenen Kapital weiter expan-
                                               diert werden. Neu ist Sportradar exklusiver Datensammler und -verteiler der UEFA.

6            Nr. 4/2021
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BLITZLICHT

                                                                                Michèle Mégroz über den Erfolg der geführten
                                                                                Selbstorganisation bei CSP
                                                                                Wie gelingt die Unternehmensführung nach der Abschaffung
                                                                                nahezu aller Hierarchistufen? IHK-Vorstandsmitglied Michèle
                                                                                Mégroz liess am 27. Oktober im Rahmen von Women Only in
                                                                                ihre Arbeit als CEO bei der CSP AG, einem Beratungsunterneh-
                                                                                men für Organisation und IT, blicken. Das Unternehmen ist als
                                                                                geführte Selbstorganisation aufgebaut, die sich durch eine na-
                                                                                hezu hierarchiefreie Dynamik auszeichnet, mit viel Selbstverant-
                                                                                wortung der Mitarbeitenden. Dies macht das Unternehmen
                                                                                agiler und innovativer. Statt in traditionelle Hierarchien ist die
                                                                                Organisation in thematische Circles aufgeteilt. Die Umstellung
                                                                                dieser Strukturen war ein Prozess über mehrere Jahre. Vor allem
                                                                                die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden brauche Zeit und Ver-
                                                                                trauen. Wichtig ist laut Mégroz die Definition klarer Rahmen-
                                                                                bedingungen. Das System könne in allen möglichen Branchen
                                                                                und sogar in staatlichen Institutionen implementiert werden.

Vorstandsmitglied Roger Dudler von der Bilanz                            Leica Geosystems feiert 100 Jahre
zum Digital Shaper gekürt                                                Vermessungstechnik-Erfolgsgeschichte
Seit sechs Jahren verleiht die «Bilanz» in Zusammenarbeit mit der        Vor genau 100 Jahren wurde in Heerbrugg SG die «Heinrich Wild,
«Handelszeitung», mit PME und Digitalswitzerland den Digital-Sha-        Werkstätte für Feinmechanik und Optik» gegründet. Dieser innova-
pers-Preis, wobei die 100 wichtigsten Köpfe hinter den Digitalisierun-   tive seinerzeitige Kleinbetrieb hat sich zum weltweit führenden Ver-
gen in der Schweiz geehrt werden. Roger Dudler ist auf der Liste der     messungstechnikunternehmen Leica Geosystems AG entwickelt,
«Scalers» zu finden, die Unternehmerinnen und Unternehmer aus-           welches zum schwedischen Technologiekonzern Hexagon gehört.
zeichnet, deren Unternehmen ein rasantes Wachstum verzeichnet. Der       Dies wurde Anfang November 2021 am Firmensitz in Heerbrugg im
Gründer und CEO der Frontify AG gründete das Unternehmen im Jahr         Beisein von Prominenz aus Politik und Wirtschaft gebührend ge­feiert.
2013. Frontify-Kunden erhalten ein cloudbasiertes Markenhandbuch         Den Erfolg verdankte «Wild Heerbrugg» den innovativen und präzi-
nach eigener Definition und pflegen so ihren einheitlichen Marken-       sen Vermessungsinstrumenten, die die Rheintaler Firma in regel­
auftritt und ihre Branding-Strategie. Zu den internationalen Kunden      mässigen Abständen entwickelt hatte und die sich dank ihrer Qualität
gehören die Lufthansa, IBM, Lego, die Nasdaq und Adobe. Frontify         auf dem Weltmarkt etablierten. Heute ist das Unternehmen interna-
entwickelt sich zum Marktführer der Branche. Die IHK St.Gallen-Ap-       tional erfolgreich mit bahnbrechenden Softwarelösungen und Gerä-
penzell gratuliert ihrem Vorstandsmitglied zu dieser wohlverdienten      ten für digitale Vermessung und mit 3D-Darstellungsmodellen, die
Anerkennung.                                                             von der Kartografie bis hin zur Verbrechensaufklärung eingesetzt
                                                                         werden. Die IHK St.Gallen-Appenzell gratuliert Leica zu dieser beein-
                                                                         druckenden Erfolgsgeschichte.

                                                                                                                                    Nr. 4/2021  7
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 4/2021 - Wandel gestalten statt erleiden Lieferengpässe wirken dämpfend Beziehungen Schweiz - EU: Zuwarten ist keine ...
SCHWERPUNKT

Innovationsperspektiven

Wandel gestalten
statt erleiden
                          Starke Megatrends wie die Globalisierung, die Digitalisierung oder der gesellschaftliche
                          Wandel verstärken den Wettbewerb um die besten Ideen und Köpfe. Die Stärkung eines
                          innovationsfreundlichen Umfelds muss für die Kernregion Ostschweiz deshalb Priorität
                          haben. Nur so gelingt es, die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand der Region lang-
                          fristig zu sichern.

                          Bereits zum elften Mal in Folge kürte die World Intellectual    und Digitalisierung von uns allen ein grosses Mass an
                          Property Organization – eine Suborganisation der UNO – in       Veränderungsbereitschaft. Jobs und Produkte ändern
Markus Bänziger           ihrem Global Innovation Index die Schweiz zum innovativs-       sich, ganze Unternehmen müssen sich in einem dynami-
Direktor IHK
                          ten Land der Welt. Insbesondere in den Bereichen Infrastruk-    schen Umfeld immer wieder neu erfinden. Erachten wir
                          tur, Forschung und Entwicklung sowie Innova­tionsoutputs        diese Entwicklung als die Chance, die sie ist. Lassen Sie
                          überflügelt sie die weiteren Länder. Auch die Kernregion        uns den Wandel gemeinsam gestalten statt erleiden.
                          Ostschweiz trägt dazu bei. Ihr wird eine sehr hohe Innova-      Zweitens ist die Produktion im Hochlohnland Schweiz
                          tionsfähigkeit attestiert – zum Beispiel durch das Regional     vergleichsweise teuer. Hiesige Unternehmen können sich
                          Innovation Scoreboard der Europäischen Kommission.              gegenüber der Konkurrenz nur über die Einzigartigkeit
                                                                                          oder die Qualität eines Produktes differenzieren, nicht
                          Wettbewerb der Ideen                                            aber über den Preis. Die für die Schweiz entscheidende
                          Wir sind also eine innovationstreibende Region im inno-         Exportindustrie ist gefordert. Drittens steigt ebendieser
                          vationsstärksten Land der Welt. Dies ist einerseits Anlass      Druck zur Differenzierung. Die Konkurrenz im In- und
                          zur Freude. Wir dürfen stolz sein auf unsere Unterneh-          Ausland schläft nicht. Dichte und Vielfalt an innovations-
                          men, Forschungs- und Bildungsinstitutionen. Sie befinden        starken Unternehmen nehmen zu. Und viertens schliess-
                          sich tagtäglich in einem intensiven, international geführ-      lich ist aufgrund der demografischen Entwicklung abseh-
                          ten Wettbewerb um die besten Ideen. Und sie meistern            bar, dass der Schweiz bis Ende dieses Jahrzehnts rund
                          diesen Wettbewerb nachweislich hervorragend. Anderer-           300 000 Arbeitskräfte fehlen werden. Der Wettbewerb
                          seits wäre es töricht, sich nun zufrieden zurückzulehnen        um die besten Köpfe intensiviert sich weiter.
                          und der Selbstgefälligkeit hinzugeben. Es muss uns An-
                          sporn sein, weiterhin konsequent für ein innovations-           Potenzial im Wissenstransfer
                          freundliches Umfeld einzustehen. Nur so können wir un-          Umso wichtiger ist es für uns als Gesellschaft, die zentra-
                          sere Wettbewerbsfähigkeit und unseren Wohlstand lang-           len Innovationstreiber für die Region zu identifizieren und
                          fristig halten. Die Literatur spricht gar von einem sich        zu forcieren. Die IHK St.Gallen-Appenzell führte hierzu
                          selbst verstärkenden Effekt: Je mehr innoviert wird inner-      Workshops mit Innovationsverantwortlichen von Ost-
                          halb einer Volkswirtschaft, desto besser ist die langfristige   schweizer Unternehmen sowie Expertinnen und Experten
                          wirtschaftliche Entwicklung – und umgekehrt.                    von Forschungsinstitutionen durch und vertiefte die Dis-
                                                                                          kussionen gemeinsam mit Studierenden der Fachhoch-
                          Innovationsspirale herausgefordert                              schule OST in einem WTT-Praxisprojekt. Die wesentliche
                          Diese positive «Innovationsspirale» ist auf vier Ebenen         Erkenntnis: Innovationen entstehen nicht in Daniel-Düsen-
                          herausgefordert. Erstens erfordern die Globalisierung           trieb-Manier im stillen Kämmerchen, sondern im Aus-

8            Nr. 4/2021
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 4/2021 - Wandel gestalten statt erleiden Lieferengpässe wirken dämpfend Beziehungen Schweiz - EU: Zuwarten ist keine ...
SCHWERPUNKT

                          tausch mit Kunden und Lieferanten sowie in interdiszipli-         ten Partnern zusammenarbeiten. Kosten und die örtliche
                          nären Netzwerken zusammen mit Forschungsinstitutio-               Nähe spielen eine untergeordnete Rolle. Andererseits wird
                          nen, so die Einschätzung von 80 Prozent der befragten             ersichtlich, wie wichtig die Einbettung der Schweiz in die
                          Unternehmen. Gleichwohl findet nur in der Hälfte der              internationale Forschungskooperation ist. Das Ausschei-
                          Ostschweizer Unternehmen ein Austausch mit externen               den der Schweiz aus dem europäischen Forschungspro-
                          Wissenstransferpartnern statt. Die Offenheit wird in der          gramm «Horizon Europe» nach dem Abbruch der Ver-
                          Realität also nur bedingt gelebt. Mehr zu den Gründen             handlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU ist
                          und weitere Kernresultate des WTT-Praxisprojekts finden           sodann als alarmierender Fingerzeig zu verstehen. Wollen
                          Sie auf Seite 12 –13.                                             wir weiterhin Innovationsweltmeister sein, dürfen wir uns
                                                                                            nicht weiter isolieren.
                          Vernetzung statt Isolation
                          Heute ist es mithilfe neuer technologischer Kommunika-            Innovationsprojekte der Ostschweiz
                          tionsmittel relativ einfach, gemeinsam mit Forschungsein-         Auf der nationalen Bühne ist die Kernregion Ostschweiz
                          richtungen rund um den Globus Projekte zu verfolgen.              mit der Aufnahme des Switzerland Innovation Park Ost
                          Diese Erkenntnis soll auch die Politik leiten. Einerseits zeigt   als sechster Standortträger in das Gesamtnetzwerk
                          sie die Bedeutung unserer qualitativ hochstehenden Bil-           Schweizerischer Innovationspark dort angekommen, wo
                          dungs- und Forschungsinstitutionen auf. Wir dürfen uns            sie hingehört: auf die nationale Innovationslandkarte. Die
                          nicht mit Mittelmass begnügen. Unser Anspruch muss die            Gründung und Inbetriebnahme des Switzerland Innova-
                          Exzellenz sein. Denn innovative Unternehmen, die einen            tion Park Ost ist ein wichtiger Meilenstein zur Stärkung
                          aktiven Wissenstransfer betreiben, wählen sich ihre Ko-           eines innovationsfreundlichen Umfelds. Er wird die Lücke
                          operationen sorgfältig aus. Sie wollen im Innovationspro-         schliessen zwischen der vorhandenen, exzellenten Grund-
                          zess mit den fähigsten, erfahrensten und vertrauensvolls-         lagenforschung von Empa, Kantonsspital und HSG und

Ostschweizer Unterneh-
men beurteilen den Wis-
senstransfer mit
Forschungsinstitutionen
als wichtig. Dennoch
nutzen ihn vergleichs-
weise wenige.
(Bild: Empa-Standort in
St.Gallen.)

                                                                                                                                         Nr. 4/2021  9
Das Wirtschaftsmagazin Nr. 4/2021 - Wandel gestalten statt erleiden Lieferengpässe wirken dämpfend Beziehungen Schweiz - EU: Zuwarten ist keine ...
der Produkt- und Prozessentwicklung bei den Ostschwei-        geplante Entwicklungsschwerpunkt wird ein bestens und
                        zer Unternehmen (siehe Interview auf Seite 14 – 16).          neuzeitlich erschlossenes Areal. Es bietet der Ostschweiz
                        Denn die Vernetzung der Unternehmen mit der Wissen-           und der Region Wil die einmalige Chance, wertschöp-
                        schaft wird entscheidend sein und letztlich der gesamten      fungsstarke und innovative Unternehmen anzusiedeln
                        Kernregion Ostschweiz dienen. Doch am Schluss liegt es        und entwickeln zu lassen (siehe Seite 18 – 19).
                        an jedem einzelnen Unternehmen selbst, den durch              Insgesamt gilt es also das brachliegende Innovations­
                        starke Mega­trends getriebenen dynamischen Wandel ak-         potenzial der gesamten Kernregion effektiv zu nutzen.
                        tiv zu gestalten und diesen nicht zu erleiden. Die Voraus-    Dabei lohnt es sich, auch einmal aus bestehenden Struk-
                        setzungen in der Kernregion Ostschweiz für die weitere        turen auszubrechen, einmal etwas zu wagen, was an-
                        Stärkung der Innovationsfähigkeit sind sehr gut. Das Wis-     dere nicht tun. Nur so entstehen wirkungsvolle Innova-
                        senspotenzial und auch Entwicklungsgebiete sind vor-          tionen, welche die gesamte Wirtschaftsregion und deren
                        handen, die für zukunfts- und wertschöpfungsträchtige         Wettbewerbsfähigkeit stärken werden.
                        Branchen Raum bieten. Hierzu gehört u.a. Wil West: Der

Innovation: Ausbrechen aus gewohnten Strukturen
Im Rahmen von Innovationsworkshops mit innovativen Ostschweizer Unternehmen und Forschungsinstitutionen wurden Kernelemente er-
mittelt, die entscheidend sind zur Stärkung der Innovationskraft. Es sind dies:
1 ein hervorragendes, zukunftsfähiges Geschäftsmodell
2 der Austausch und Wissenstransfer im Netzwerk sowie die Vernetzung innerhalb eines Innovations-Ökosystems
3 Veränderungsbereitschaft und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien
4 eine ausgeprägte Innovationskultur in den Unternehmen
5 attraktive staatliche Rahmenbedingungen

Entlang dieser Kernelemente lohnt es sich immer wieder, relevante Fragen zu stellen – auch dies ein Extrakt aus den Innovationsworkshops.
Was?            Kreativität ist die Fähigkeit, neue Ideen zu entwickeln. Innovation ist die Fähigkeit, neue Ideen in neue Produkte zu transfor-
                mieren – also die Kommerzialisierung einer Idee. Innovationen sollen vor allem zu Lösungen und Vorteilen führen. Sie sind
                meist das Ergebnis eines veränderten Zusammenspiels von bereits vorhandenen Gedanken, Technologien und Konzepten.

Wieso?          Innovation betrifft Sie nicht? Sicher?
                Die Zahl der Arbeitsplätze mit reproduktiven Tätigkeiten sinkt jährlich um rund ein Prozent. Die wichtigste Ressource ist und
                bleibt Wissen.
                Megatrends verändern die Nachfrage, transformieren Branchen und erfordern neue Geschäftsmodelle. Innovation ist am
                wirksamsten, wenn sie eine Lösung für einen anhaltenden Megatrend bietet.

Wie?            Eine innovative Idee fällt nicht vom Himmel. Und zwei davon schon gar nicht. Zum Fähigkeitsausweis nachhaltig innovativer
                Unternehmen gehören deshalb Lernfähigkeit und der Wille, Produkte, Dienstleistungen, Abläufe, die Unternehmenskultur und
                das Geschäftsmodell konstruktiv zu hinterfragen und allenfalls neu zu denken.

Wer?            Wer sich zugehörig und selbstbestimmt fühlt, ist motivierter – und Motivation ist ein wichtiger Treiber von Kreativität. Diese
                wird stark vom sozialen Kontext beeinflusst, und weniger von einzelnen Charakterzügen. Denn ein positives Arbeitsumfeld
                führt zu besseren Leistungen und beeinflusst die Qualität der Arbeit massgeblich.

Mit wem?        Wenn Kreativität gefragt ist, wird Vorwissen zu einem zweischneidigen Schwert: Bei zu viel davon wird an altbekannten Lösun-
                gen festgehalten. Bei zu wenig wird das Problem nicht erkannt. Neue Lösungen kommen deshalb oft erst dann zustande, wenn
                Expertinnen bzw. Experten auf Personen mit konkreten Bedürfnissen, Unternehmergeist und Lösungswille treffen.

Wo?             Ideen entstehen im Labor? Falsch. Laut Forscherinnen und Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ent-
                springen mehr als 80 Prozent aller Ideen der spontanen Kommunikation unter Mitarbeitenden. Ein Arbeitsplatz, der ein
                gutes Gefühl vermittelt, beeinflusst diesen Prozess positiv. Umgekehrt gilt dies genauso.
                Und übrigens: Wer läuft, kann laut einer Studie seine Kreativität um bis zu 60 Prozent erhöhen.

Und dann?       Wie viel wert ist eine Idee, deren Umsetzung nach einer anfänglichen Euphorie und grossen Erwartungen irgendwo versan-
                det? Nach wilden Phasen von Brainstorming, Design Thinking und Scrum sind Projektmanagement und eine möglichst ehr-
                liche Beurteilung des Projekts und der eigenen Innova­tionskraft unentbehrlich.

10             Nr. 4/2021
PUBLIREPORTAGE

SAK Venture

Investition in Zukunftsmärkte
Der Strukturwandel im Energiesektor ist in vollem Gange. Nebst der Digitalisierung, Dezentralisierung
und der Dekarbonisierung der Energieversorgung im Rahmen der Energiestrategie ist auch die nahende
Strommarktöffnung Herausforderung und Chance für Energiedienstleister. Innovation ist ein zentraler
Schlüsselfaktor, bestehende Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und neue zu schaffen. Die SAK hat im
Rahmen ihrer Vision, innovativster Energiedienstleister für die Menschen in der Ostschweiz zu sein, 2018
eine Innovationsabteilung geschaffen.

                                                                                                           denken, experimentierfreudig sein und Risi­
                                                                                                           kobereitschaft zeigen. Dieses Jahr starteten
                                                                                                           wir einen Ideenfindungs-Sprint mit einem in­
                                                                                                           terdisziplinären, internationalen Team. Wir
                                                                                                           fragten uns, wie der Energiemarkt in zehn
                                                                                                           Jahren aussehen wird und welche Technolo­
                                                                                                           gien, Märkte und Geschäftsmodelle relevant
                                                                                                           sein werden. Daraus leiteten wir Disruptionen
                                                                                                           ab – Entwicklungen, die unsere jetzigen Ge­
                                                                           Die Gründer von SAK
                                                                           Venture: Philipp Inderbitzin,   schäftsfelder obsolet machen könnten – und
                                                                           Stefano Garbin (CEO SAK)
                                                                                                           suchten so gezielt nach neuen Geschäftsfel­
                                                                           und Stefan Hamm (Bild:
                                                                           SAK).                           dern. Das Resultat war ein Fundus aus 400
                                                                                                           Ideen, von welchen wir aktuell drei erfolgver­
Der Strukturwandel im Energiesektor ist in          der Stadt St.Gallen. Und nicht zuletzt auch die        sprechende weiterentwickeln.»
vollem Gange. Nebst der Digitalisierung, De­        zahlreichen Glasfasernetzausbauten in den
zentralisierung und der Dekarbonisierung der        Kantonen St.Gallen und beider Appenzell so­            Gründung SAK Venture AG
Energieversorgung im Rahmen der Energie­            wie das Rechenzentrum Ostschweiz (RZO) in              Nach dem erfolgreichen Sprint in einer Netz­
strategie ist auch die nahende Strommarkt­          Gais, welches dank innovativster Technolo­             werkorganisation hat die SAK im Oktober
öffnung Herausforderung und Chance für              gien zu den grünsten Rechenzentren der                 2021 zusammen mit zwei tragenden Projekt­
Energiedienstleister. Innovation ist ein zen­       Schweiz zählt.                                         involvierten das Tochterunternehmen SAK
traler Schlüsselfaktor, bestehende Geschäfts­                                                              Venture AG – einen operativen Thinktank –
modelle weiterzuentwickeln und neue zu              Innovatives Denken im Unternehmen                      gegründet. Gemeinsam mit internen Mit­
schaffen. Die SAK hat im Rahmen ihrer Vi­           weiter fördern                                         arbeitenden und Drittfirmen sollen Ideen
sion, innovativster Energiedienstleister für die    Die Innovationsabteilung beobachtet neue               nicht nur gefunden, sondern auch weiterent­
Menschen in der Ostschweiz zu sein, 2018            Märkte, aktuelle Trends und fördert das be­            wickelt und umgesetzt werden. SAK Venture
eine Innovationsabteilung geschaffen.               reits vorhandene innovative Denken im Un­              prüft Produkte und Dienstleistungen im Rah­
In den letzten zehn Jahren hat sich die SAK         ternehmen. In einem dreistufigen Prozess,              men von Pilotprojekten auf ihre Markttaug­
vom Energieversorgungsunternehmen zum di­           der die Phasen Ideenfindung, Ideenbewer­               lichkeit und skaliert diese im Erfolgsfall.
gitalen Energiedienstleister entwickelt. Mit In­    tung und Ideenumsetzung umfasst, werden
vestitionen in Zukunftsmärkte hat sie neue Ge­      neue Geschäftsmodelle entwickelt. Der Inno­
schäftsfelder entwickelt und Wertschöpfungs­        vationsprozess endet dabei nicht an der Fir­
ketten verlängert und ihr Angebot diversifiziert.   mengrenze, sondern bezieht – ganz nach
Zahlreiche Projekte machen ihre Innovations­        dem Open-Innovation-Ansatz – proaktiv auch
kraft sichtbar, darunter das Solarfaltdach Kron­    Drittfirmen mit ein.                                   St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG
berg, das Multi-Energie-System «Schlatt-Park»       Beim Innovationsprozess ist eine spezielle             Vadianstrasse 50 | Postfach 2041
in Schmerikon oder die aktuelle Realisation der     Denkweise zentral, wie Sandro Gubser, Leiter           CH-9001 St.Gallen
schweizweit zweiten Wasserstoffproduktions­         Innovationsmanagement SAK, erklärt: «Wer               +41 71 229 51 51
anlage beim Wasserkraftwerk Kubel im Herzen         innovativ sein will, muss langfristig und global       info@sak.ch | sak.ch

                                                                                                                                          Nr. 4/2021  11
SCHWERPUNKT

Innovation durch Wissenstransfer

Wissenspotenzial sicht- und
nutzbar machen
                                                   Innovationen entstehen im Austausch mit Kunden und Lieferanten,
                                                   aber auch mit Kooperationspartnern wie Hochschulen. Knapp die
                                                   Hälfte der Ostschweizer Unternehmen nutzen letztere Form des
                                                   Wissenstransfers allerdings nicht. Das zeigt eine quantitative Unter-
                                                   nehmensbefragung. Dabei ist das Wissenspotenzial in der Kernregion
                         Alessandro Sgro           Ostschweiz hervorragend. Die stärkere Vernetzung von Wissenschaft
                         Chefökonom IHK
                                                   und Wirtschaft ist ein wichtiger Faktor für eine langfristig positive
                                                   wirtschaftliche Entwicklung der Kernregion Ostschweiz.

Die Ostschweizer Wirtschaft ist sich der Bedeu-    sich selbst auch als innovativ ein. Generell be-               dem an, während der Pandemie Innovationen
tung der eigenen Innovationsfähigkeit sehr be-     werten sieben von zehn befragten Ostschwei-                    realisiert zu haben. Die Pandemie hat der Ost-
wusst. Das zeigen die Resultate einer quanti-      zer Unternehmen ihre Innovationsfähigkeit als                  schweizer Wirtschaft auch einen Innovations-
tativen Unternehmensbefragung. Sie wurde           gut bis sehr gut. Dasselbe Bild zeigt sich auch                schub verliehen. Doch wie stark nutzen die
im Rahmen eines im Auftrag der IHK St.Gallen-      bezogen auf die Selbsteinschätzung der Inno-                   Ostschweizer Unternehmen im Innovieren das
Appenzell abgeschlossenen WTT-Praxisprojek-        vationsfähigkeit während der Corona-Pande-                     Netzwerkpotenzial?
tes durchgeführt. Rund drei Viertel der befrag-    mie. Auffallend ist, dass sich die Unternehmen
ten Ostschweizer Unternehmen erachten In-          während der Pandemie noch ein bisschen in-                     Wissenstransfer als wichtiger
novationen in ihrem Unternehmen als wichtig        novativer einschätzen als zuvor. Rund drei                     Treiber von Innovationen – Exzel-
bis sehr wichtig. Die Unternehmen schätzen         Viertel der befragten Unternehmen gaben zu-                    lenz kommt vor örtlicher Nähe
                                                                                                                  Gerade einmal bei knapp der Hälfte der be-
Innovationen entstehen hauptsächlich in interdisziplinären Netzwerken                                             fragten Unternehmen findet ein Austausch mit
Frage: Wie entsteht Ihrer Meinung nach Innovation? n = 114                                                        externen Forschungspartnern statt. Im We-
                                                                                                                  sentlichen werden drei Gründe genannt, wes-
 In einem branchenübergreifenden Netzwerk
              (interdisziplinär) zusammen mit                                                                     halb die Unternehmen den Wissensaustausch
             Forschungsinstitutionen (n = 55)                                                                     nur bedingt leben:
    In einem Netzwerk innerhalb der eigenen                                                                       – Die betriebene Forschung sei uninteressant,
                     Branche zusammen mit                                                                           entspreche nicht den eigenen Bedürfnissen.
              Forschungsinsitutionen (n = 24)                                                                     – Die möglichen Partner seien zu wenig be-
                                                                                                                    kannt und es fehlten persönliche Bezie-
                   In Kooperation mit einem
Forschungsinstitut, einer Hochschule (n = 12)                                                                       hungen.
                                                                                                                  – Die finanziellen Risiken würden als zu hoch
        Nur im eigenen Betrieben dank einem                                                                         eingeschätzt.
  institutionalisierten Innovationsprozess und
entsprechenden Verantwortlichkeiten (n = 11)
                                                                                                                  Obwohl die Ostschweizer Unternehmen das
              Kann ich nicht beurteilen (n = 6)                                                                   Potenzial des Wissenstransfers nur zum Teil
                                                                                                                  ausschöpfen, sind sie klar der Meinung, dass
                                                                                                                  Innovationen zunehmend in interdisziplinären,
  Nur im eigenen Betrieb durch kluge Köpfe,
                                                                                                                  branchenübergreifenden Netzwerken entste-
              also personenabhängig (n = 6)
                                                                                                                  hen. Kooperationspartner wie Hochschulen
                                                  0%     10%       20%       30%       40%      50%      60%      und spezifische Forschungseinrichtungen spie-
                                             Quelle: Innovation durch Wissenstransfer, WTT-Praxisprojekt (2020)   len dabei eine zentrale Rolle. Bloss 15 % der

12             Nr. 4/2021
SCHWERPUNKT

Know-how im Wissenstransfer und Forschungsexzellenz wichtiger als Kosten und örtliche Nähe
Frage: Wie wichtig sind folgende Kriterien bei der Auswahl eines externen Kooperationspartners? n = 86

                   Forschungsexzellenz

Know-how im Bereich Wissenstransfer

                            Örtliche Nähe

                                   Kosten

                                            0%        10%          20%       30%        40%       50%        60%          70%          80%          90%         100%
  wichtig    eher wichtig      neutral      eher unwichtig      unwichtig                               Quelle: Innovation durch Wissenstransfer, WTT-Praxisprojekt (2020)

befragten Unternehmen sind der Meinung,                 – Die HSG zählt zu den besten Wirtschaftsuni­         sich durch eine starke Exporttätigkeit aus­
dass Innovationen hauptsächlich nur im eige­                 versitäten in Europa und rangiert in einzel­     zeichnet und im internationalen Wettbewerb
nen Betrieb entstehen. Dem Grossteil der Un­                 nen Fachbereichen weltweit in den Top 10.        besonders exponiert ist. Eine hohe Innova­
ternehmen ist die Bedeutung des Wissens­                – Mit über 1000 aktuellen Forschungsprojek­           tionsfähigkeit ist die Voraussetzung für die
austauschs in Netzwerken klar.                               ten ist die Fachhochschule OST ein wichti­       Sicherung der betrieblichen Wettbewerbs­
Bei den Anforderungen, die Unternehmen                       ges Drehkreuz im Wissenstransfer zwischen        fähigkeit.
an einen möglichen Kooperationspartner                       Wirtschaft und angewandter Wissenschaft.
stellen, zeigt sich auch ein klares Bild: Zen­          – Rhysearch begleitet im Bereich der Präzi­
tral ist die fachliche Kompetenz im jeweili­                 sions­fertigung sowie der optischen Beschich­
gen Forschungsbereich, dicht gefolgt von                     tung jährlich zahlreiche Hightech-KMU im
der Fähigkeit, das Wissen kunden- und emp­                   Innovationsprozess und vernetzt diese mit
fängerorientiert in die Praxis zu transferieren.             bestehenden Forschungseinrichtungen.
Umgekehrt spielen die örtliche Nähe sowie               Beispiele erfolgreicher Zusammenarbeit zwi­              WTT-Praxisprojekt «Innovation
die Kosten eine untergeordnete Rolle. Die               schen Wissenschaft und Wirtschaft finden                 durch Wissenstransfer»
fortschreitende Globalisierung und Digitali­            sich auf Seite 20 – 23.                                  Wie gelingt der Wissenstransfer zwischen
sierung verstärken diesen Trend zur Enträum­                                                                     der Wissenschaft und der Wirtschaft? Wel­
lichung des Wissensaustauschs. Ostschwei­               Für die wirtschaftliche Entwicklung einer Re­            che Rolle spielen Forschungspartner in Inno­
zer Unternehmen kooperieren bereits heute               gion ist heute unbestritten, dass funktionie­            vationsprojekten? Im Auftrag der IHK unter­
schweiz-, europa- und weltweit mit den für              rende Innovationsnetzwerke zentral sind. Das             suchten Wirtschaftsinformatikstudierende
ihre Fragestellungen führenden Institutionen.           gilt auch für die Kernregion Ostschweiz. Die             der Fachhochschule OST im Rahmen eines
                                                        vorgestellten Umfrageresultate zeigen, dass              WTT-Praxisprojekts, wie durch Wissenstrans­
Hohes ungenutztes Wissens­                              bei Unternehmen ein hohes, ungenutztes Ko­               fer Innovationen entstehen können. Haupt­
potenzial in der Kernregion                             operationspotenzial mit Hochschulen und For­             bestandteil des Projekts war eine quantita­
Die Erwartungen der Ostschweizer Unterneh­              schungseinrichtungen besteht. In einer globa­            tive Unternehmensumfrage mit insgesamt
men an die Exzellenz in der Forschung und die           lisierten und digitalisierten Welt wird es aber          209 Teilnehmenden in den Kantonen St.Gal­
Exzellenz im Wissenstransfer sind hoch. Und             entscheidend sein, die eigenen Kompetenzen               len und beiden Appenzell. Diese umfassende
hier haben die in der Kernregion Ostschweiz             mit komplementärem Wissen anderer Organi­                Umfrage wurde durch weitere qualitative
ansässigen Forschungs- und Bildungsinstitutio­          sationen zu verbinden, gerade auch für KMU.              Interviews mit Ostschweizer Unternehmen
nen einiges zu bieten:                                  Das bietet die Chance, die Qualität und Markt­           und Vertretenden von Wissenstransferstel­
– Bei der Empa arbeiten und forschen rund               fähigkeit von Produkten und Dienstleistungen             len ergänzt. Eine ausführliche Zusammen­
  40 habilitierte Professoren und über 600              zu steigern sowie die Entwicklungszeiten und             fassung der wichtigsten Ergebnisse ist im
  wissenschaftliche Mitarbeitende. Die Zahl             -kosten zu reduzieren, indem kostengünstig               IHK-Research ZOOM verfügbar.
  der laufenden Doktorate liegt bei 200.                und schnell technologisches Know-how ge­
– Das Kantonsspital St.Gallen zählt über                nutzt werden kann. Die dadurch erzielte Er­
  80 Professoren. Es werden jedes Jahr rund             höhung der Innovationskraft ist für die Ost­
  500 wissenschaftliche Beiträge publiziert.            schweizer Wirtschaft umso wichtiger, weil sie

                                                                                                                                                       Nr. 4/2021  13
SCHWERPUNKT

Innovationspark

«Die Ostschweiz ist auf der
nationalen Innovationslandkarte
angekommen»
                                                      Roland Ledergerber, IHK-Präsident und Verwaltungsratspräsident
                                                      der Switzerland Innovation Park Ost AG, im Gespräch über die Ost­
                                                      schweizer Innovationslandschaft und darüber, welche Rolle der
                                                      Ostschweizer Innovationspark darin einnehmen soll.

                             Adrian Rossi             zentrales Schlüsselprojekt auf der IHK-Zukunfts­   Roland Ledergerber, bis Mai 2021 waren
                             Projektmitarbeiter IHK
                                                      agenda die entscheidende Hürde genommen            Sie CEO der St.Galler Kantonalbank, nun
                                                      und Wirtschaft, Forschung und Bildungsinsti-       stehen Sie an der Spitze eines «momen-
                                                      tutionen werden künftig besser vernetzt.           tan winzigen Start-ups», wie Sie gegen-
Im dritten Anlauf hat der Bundesrat grünes            Im September wurde nun die Switzerland Inno-       über dem «Tagblatt» ausführten. Wie
Licht gegeben: In der Ostschweiz entsteht ein         vation Park Ost AG gegründet. Verwaltungs-         nehmen Sie Ihre neue Aufgabe wahr?
Innovationspark. Als insgesamt sechster Stand-        ratspräsident dieser rechtlichen Trägerschaft      Es ist hochspannend, intensiv und vielseitig
ortträger wird der Switzerland Innovation Park        ist IHK-Präsident Roland Ledergerber. Er wird      und ich erlebe die Innovationsförderung als
Ost in das Gesamtnetzwerk Schweizerischer             die anstehenden strategischen und operativen       komplexes und vielschichtiges Thema. Ich ver-
Innovationspark aufgenommen. Damit hat ein            Aufbauarbeiten massgeblich vorantreiben.           gleiche es mit einem weissen Blatt Papier und

         Auf dem Campus
   L­ erchenfeld nimmt in
den nächsten Jahren der
 Innovationspark Gestalt
          an. (Bild: Empa-
       Standort St.Gallen)

14                Nr. 4/2021
SCHWERPUNKT

es liegt jetzt an uns, ein «wunderschönes und
einzigartiges Kunstwerk» darauf zu gestalten.
Der Verwaltungsrat bildet diese Komplexität
ab: Wir konnten unternehmerische Persönlich­
keiten aus den Bereichen Forschung, Unter­
nehmensführung, Digitalisierung, Recht, Steu­
ern und Finanzen gewinnen. Ich bin überzeugt,
dass damit ein schlagkräftiges Team die Eta­
blierung des Innovationsparks verantwortet.

Wie geht es nun nach der Gründung
mit dem Innovationspark weiter?
Bis Ende 2022 wollen wir die volle Funktions­
fähigkeit erlangen. Dies bedeutet zunächst
den Aufbau der Geschäftsstelle unter der Lei­
tung von Dr. Hans Ebinger. Ich freue mich,
dass wir mit Hans Ebinger einen äusserst fä­
higen Geschäftsführer gefunden haben, der
Forschung und Unternehmertum kombiniert
und der über eine langjährige Erfahrung als        Roland Ledergerber: «Wissenschaftliche Exzellenz und Unternehmertum rücken mit dem Innovationspark näher
                                                   zusammen.»
CEO mit einem breiten Leistungsausweis in
für den Innovationspark Ost relevanten Bran­
chen verfügt. Die operative Führung und Ge­        sonders stark ausgesetzt. Um in diesem Um­             ken. Innovation setzt Wissen voraus und wird
staltung des Innovationsparks werden für           feld bestehen zu können, ist die Sicherung             durch Impulse von aussen angeregt. Im Wis­
dessen Erfolg absolut zentral sein. Bis 2025       der Innovationsfähigkeit absolut zentral. Das          senstransfer zwischen Unternehmen und der
soll der Innovationspark dann seine volle Leis­    ist die Basis für eine positive wirtschaftliche        Spitzenforschung verorte ich aber noch viel Po­
tungsfähigkeit erlangen und auf breiter Front      Entwicklung unserer Region.                            tenzial, wie auch eine jüngst publizierte IHK-
Forschung und Wirtschaft miteinander ver­                                                                 Unternehmensumfrage aufzeigt. Oftmals sind
binden. So soll bis 2031 die Switzerland Inno­     Was zeichnet denn die Ostschweizer                     die Forschungsaktivitäten möglicher Partner
vation Park Ost AG auch die Gewinnschwelle         Innovationslandschaft heute aus?                       den Unternehmen schlicht zu wenig bekannt,
erreichen und damit finanziell selbsttragend       Zum einen verfügt die Ostschweiz über viel             oder die Hürden für eine Zusammenarbeit sind
werden. Langfristiges Ziel ist es schliesslich,    Spitzenforschung auf engem Raum, promi­                zu hoch. Hier setzt der Innovationspark an: Als
dass der Innovationspark zu einem unver­           nent etwa die Universität St.Gallen, die Empa          Plattform vereinfachen und intensivieren wir
zichtbaren, wirkungsvollen Ökosystem her­          oder das Kantonsspital St.Gallen. Diese Insti­         den Austausch zwischen Unternehmen und
anwächst.                                          tutionen betreiben primär Grundlagenfor­               der Spitzenforschung. Damit fördern wir die
                                                   schung. Zum anderen haben wir gerade in                Zusammenarbeit, was einerseits eine schnel­
Sie sprechen es an: Der Innovations-               der Industrie zahlreiche Technologieführer,            lere Entwicklung und andererseits einen bes­
park will die Innovationsfähigkeit der             zum Beispiel in der Gesundheits- und Medi­             seren Marktzugang für innovative Produkte
Region verbessern. Ist die Ostschweiz              zintechnik sowie der MEM-Branche. Diese                und Geschäftsmodelle ermöglicht.
zu wenig innovativ?                                Unternehmen sind Experten der Produkt- und
Ganz im Gegenteil: Die Ostschweiz gehört zu        Prozessentwicklung, oftmals unterstützt von            Der Innovationspark ist also eine Netz-
den innovativsten Regionen Europas – dies          und in Zusammenarbeit mit der FH OST oder              werkinitiative.
zeigt zum Beispiel das Regional Innovation         RhySearch. Diese beiden Institutionen spielen          Diese Darstellung greift zu kurz. Vielmehr soll
Scoreboard der EU. Auch in der Corona-Pan­         im Bereich der angewandten Forschung und               der Innovationspark den teilnehmenden Or­
demie bewiesen Ostschweizer Unternehmen            im Wissenstransfer eine wichtige Rolle.                ganisationen eine umfassende und professio­
eine hohe Widerstands- und Anpassungs­                                                                    nelle Begleitung über den gesamten Ent­
fähigkeit, was auf eine hohe Innovations­          Grundlagenforschung auf der einen,                     wicklungsprozess bieten, von der Idee bis zur
fähigkeit schliessen lässt. Doch noch schwie­      Produkt- und Prozessentwicklung auf                    Marktreife. Das beginnt mit der Vermittlung
riger, als an die Spitze zu gelangen, ist es, an   der anderen Seite also. Wo kommt der                   von Forschungskollaborationen zwischen Un­
der Spitze zu bleiben. Durch die ausgeprägte       Innovationspark ins Spiel?                             ternehmen und Forschungspartnern und der
Exportorientierung ist die Ostschweizer Wirt­      Innovationen entstehen vermehrt in interdis­           Förderung des Wissenstransfers untereinan­
schaft dem internationalen Wettbewerb be­          ziplinären, branchenübergreifenden Netzwer­            der. Wenn sich solche Kooperationen ergeben,

                                                                                                                                             Nr. 4/2021  15
bietet der Innovationspark mit dem Campus       Hürden einer umfassenden Kooperation mit          internationalen Standortwettbewerb von Be-
Lerchenfeld ein attraktives, dynamisches Um-    einer Forschungseinrichtung typischerweise        deutung. Des Weiteren verkürzt die Digitalisie-
feld für Forschungsprojekte – zentral gelegen   höher liegen.                                     rung Innovationszyklen erheblich, was ein ef-
und in unmittelbarer Nähe zur Empa und dem                                                        fektives Innovationsmanagement umso wich-
Start-up-Inkubator Startfeld. Es werden auch    Sie erwähnen die Digitalisierung in               tiger macht. Zusammenfassend kann man also
Räumlichkeiten wie Labors oder Coworking        der Wirtschaft als Schwerpunkt. Dies              sagen: Das Ziel des Innovationsparks, Innova-
Spaces, Talent- und Scouting-Programme, Ver-    gilt als besonders wichtiger Innova­              tion systematisch zu fördern, erhält gerade
anstaltungen und Workshops usw. angeboten.      tionstreiber. In einer digitalen und              angesichts von Megatrends wie der Globali-
Das konkrete Leistungsangebot werden wir        globalen Wirtschaft entstehen Innova­             sierung und der Digitalisierung umso mehr
über die kommenden Monate entwickeln.           tionen aber auch immer mehr orts­                 Relevanz.
                                                ungebunden: Unternehmen wollen
Steht der Innovationspark damit allen           mit den Besten kooperieren, nicht                 Abschliessend noch in einem Satz:
offen?                                          zwingend mit den Nächsten.                        Wieso soll sich ein Unternehmen am
Grundsätzlich ja. Wir fokussieren aber zu Be-   Dem ist tatsächlich so. Exzellenz schlägt Nähe.   Innovationspark beteiligen?
ginn ganz bewusst auf die drei Themenfelder     Man darf aber nicht vergessen, dass For-          Weil die Innovationskraft der Schlüssel für die
Digitalisierung in der Wirtschaft, MEM-Indus­   schende der Universität St.Gallen oder der        Wettbewerbsfähigkeit und damit den Wohl-
trie sowie Gesundheitstechnik. Ganz nach        Empa, die im ETH-Bereich angesiedelt ist, Kon-    stand des Werkplatzes Schweiz ist, weil jedes
dem Credo «Die Stärken stärken sich gegen-      takte in aller Welt pflegen. Durch die Einbin-    Unternehmen von Innovation direkt profitiert
seitig» bauen wir damit auf vorhandenem         dung in das gesamtschweizerische Netzwerk         und weil es mit einer Beteiligung am Innova-
Wissen und Kernkompetenzen in der Ost-          Switzerland Innovation kommt die Ostschweiz       tionspark eigenverantwortlich einen Beitrag
schweiz auf. Unser Angebot richtet sich zu-     zudem dort an, wo sie hingehört: auf die na-      für eine zukunftsfähige und attraktive Ost-
dem explizit auch an KMU, für welche die        tionale Innovationslandkarte. Dies ist auch im    schweiz leisten kann.

                                                                                           Der individuelle
                                                                                           Stil für Ihr Bad

                                                                                           Lassen Sie sich in unseren Ausstel-
                                                                                           lungen in Ihrer Nähe inspirieren.

                                                                                           Sanitas Troesch AG
                                                                                           Simonstrasse 5, 9016 St. Gallen
                                                                                           St. Gallerstrasse 74, 9500 Wil
                                                                                           Bafflesstrasse 15B, 9450 Altstätten

                                                                                           sanitastroesch.ch

                                                                                Bad. Küche. Leben.
PUBLIREPORTAGE

Entsorgen ohne Sorgen – und das
ganz innovativ
Der Schweizer Wohlstandsabfallberg wächst jährlich. Auf dem Weg zu einer modernen Kreislaufwirt-
schaft unter den Gesichtspunkten von Circular Economy leistet das Recycling einen wichtigen Beitrag. Un-
abhängig davon, ob das Recycling bei der Konstruktion von Elektrogeräten eingeplant wurde oder nicht,
müssen alle Geräte sicher und effizient entsorgt werden. Da sich die Schweiz gerne Recyclingweltmeister
nennt, sollten wir in der Schweiz auch einen Beitrag leisten, um das Recycling neu zu denken
und Entwicklungen voranzutreiben. Genau damit beschäftigt sich eco3, die Forschungsabteilung der
Solenthaler Recycling AG (soRec).

Aktuellstes Beispiel ist die 2020 von soRec ent-    den Batterien (Brandereignis) führt dies dazu,
wickelte BlackBox® zum Recycling von Toner-         dass die wertvollen Ressourcen der Batterien
modulen aus Druckern. Diese Anlage hat in der       nicht mehr zurückgewonnen werden können.
Fachwelt grosse Beachtung gefunden, ist sie         In der neu entwickelten Anlage werden die in
doch die einzige Tonerrecyclinganlage, welche       Zukunft noch wichtigeren Rohstoffe wie Ko-
in der Schweiz läuft. Tonerstaub ist in Verbin-     balt und Nickel, aber auch Edelmetalle zurück-
dung mit Sauerstoff extrem explosiv und neigt       gewonnen. Weiter werden auch traditionelle
zu Verpuffungen. Aus diesem Grund hat soRec         Industriemetalle wie Kupfer oder Aluminium
ein nasschemisches Verfahren entwickelt, wel-       zurückgewonnen. Die soRec leistet damit ei-
ches die Tonermodule aufschliesst, das Toner-       nen wesentlichen Beitrag zur modernen Kreis-
pulver evakuiert und stabilisiert sowie die rest-   laufwirtschaft. Ganz nach dem Motto «Ent-        Die von soRec entwickelte BlackBox® für das Recycling
                                                                                                     von Tonermodulen
lichen Rohstoffe (Kunststoffe, Eisen und Nicht-     sorgen ohne Sorgen».
eisenmetalle) zurückgewinnt. Das stabilisierte
Tonerpulver kann anschliessend problemlos in        Bereits vor einigen Jahren hat die soRec mit
einem Kehrichtheizkraftwerk verbrannt wer-          einem Studententeam der Fachhochschule
den, wobei Wärmeenergie gewonnen und                St.Gallen den Young Leader Award gewon-
Strom produziert werden kann.                       nen und lässt sich regelmässig Fachfragen von
Vor der Inbetriebnahme der BlackBox® wurde          engagierten Studententeams vertieft erarbei-
der Grossteil der Tonermodule ins Ausland ex-       ten. Dies immer mit der Zielsetzung, Mehr-
portiert. Mit der BlackBox wird damit ein Bran-
                          ®
                                                    wert für die Materiallieferanten aus Industrie
chenproblem nach schweizerischen Umwelt-            und Gewerbe wie auch für die Abnehmer in
standards gelöst. CO2-aufwendige Exporte ent-       den Stahlwerken und Metallhütten im In-
fallen damit und die Umwelt wird mit dieser         und Ausland zu schaffen.
Lösung nachhaltig entlastet.
                                                    Weitere Informationen zu soRec und deren         CEO Christoph Solenthaler (links) und Markus
                                                                                                     Stengele (Leiter Qualitätssicherung, rechts) zeigen das
Ein weiteres einzigartiges Innovationsprojekt       Innovationen finden Sie unter www.sorec.ch
                                                                                                     von Toner befreite Restmaterial.
steht kurz vor der Realisierung. Zusammen
mit der ETH Zürich wurde eine neuartige, au-
tomatisierte Verarbeitung von elektronischen         Die 1953 gegründete Solenthaler Recycling AG ist ein Unternehmen der soRec Gruppe
Kleinst­geräten mit Lithium-Ionen-Batterien          mit Sitz in Gossau (SG). Die Firma wird in dritter Generation von den Brüdern Christoph (CEO)
entwickelt. Diese Geräte beinhalten meist ver-       und Ralph (CFO) Solenthaler geführt. Sie beschäftigt sich mit den Geschäftsfeldern Indus­
klebte oder verschweisste Batterien, welche          trieentsorgung (Eisen und Metalle), Elektronikschrottrecycling sowie Kommunalrecycling. Am
in den Demontagebetrieben nicht mehr hän-            Standort Gossau, der auch mit der Schiene erschlossen ist, betreibt die Firma unter anderem
disch demontiert werden können. Neben dem            eine Mühlen- und sensorbasierte Sortieranlage, eine Schrottschere (für Schienen, Träger, Ar-
zunehmenden Risiko eines Zwischenfalls mit           mierungseisen) und eine Metallpaketierpresse.

                                                                                                                                           Nr. 4/2021  17
SCHWERPUNKT

Entwicklungsschwerpunkt Wil West

Auf in die Realisierungsphase!
                                              Mit Wil West soll an der Kantonsgrenze zwischen Thurgau und
                                              St. Gallen ein Wirtschaftsareal mit überregionaler Ausstrahlung
                                              entstehen. Doch bevor das Projekt realisiert werden kann, stehen
                                              in den nächsten Jahren zahlreiche politische Entscheide an – eine
                                              Bewährungsprobe für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in
                     Adrian Rossi             der Ostschweiz.
                     Projektmitarbeiter IHK

                                              Es ist aktuell das wohl ambitionierteste Bau-   Verkehrsträger, darunter einen neuen Auto-
                                              vorhaben der Ostschweiz: das Standortvorha-     bahnanschluss an der A1, zwei neue Bahnhal-
                                              ben Wil West. In den nächsten Jahrzehnten       testellen, eine direkte Buslinie sowie zahlrei-
                                              soll im Westen der Stadt Wil ein Wirtschafts-   che flankierende Massnahmen. In Bezug auf
                                              areal mit bis zu 3000 Arbeitsplätzen entste-    die Lage und die Erreichbarkeit werden damit
                                              hen. Angesiedelt werden sollen dabei vor-       ausgezeichnete Voraussetzungen geschaffen,
                                              nehmlich Unternehmen aus wertschöpfungs-        denn Wil liegt an den Achsen St. Gallen–Zü-
                     Silvan Künzle            intensiven Branchen. Das Standortvorhaben       rich und Toggenburg–Bodensee. Damit
                     Projektmitarbeiter IHK
                                              beinhaltet Mobilitätsmassnahmen über alle       konnte die Region schon im vergangenen

18          Nr. 4/2021
SCHWERPUNKT

Jahrzehnt von Verdrängungseffekten im                    ein klares Bekenntnis zum Standortvorhaben.
Grossraum Zürich profitieren. Die Vorzeichen             Auch der Bund würdigte das Vorhaben positiv         «Die Ostschweiz ist eine viel­
stehen also gut, dass die Region mit Wil West            und beteiligt sich massgeblich an der Finan­        fältige Region mit vielfältigen
dereinst zu einem dynamischen Wirtschafts­               zierung von Wil West. Dennoch stehen wich­           Interessen. Bei Projekten mit
standort wird.                                           tige politische Entscheide erst noch an. Bis       nationaler Ausstrahlung müssen
                                                         Wil West Realität wird, müssen in den betei­        wir auch über­regional zusam­
Komplexe Projektorganisation                             ligten Kantonen und Gemeinden die Parla­              menstehen: Nicht das Tren­
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.               mente wie auch das Volk zahlreiche Bausteine       nende, sondern das Verbindende
Schon aufgrund der Grösse erfordert ein                  des Projekts bewilligen (vgl. Textbox). Folglich    muss im Vordergrund stehen.»
Raumplanungsprojekt wie Wil West ein be­                 müssen nicht nur die involvierten Gemeinden           Urs Alder, Präsident Industrieverein
sonderes Mass an Koordination; die geogra­               hinter dem Projekt stehen, sondern die ge­                  Appenzell Ausserrhoden
fische Ausgangslage kommt in diesem Fall                 samte Region. Damit wird Wil West zur Be­
noch erschwerend hinzu. Die Grenze zwi­                  währungsprobe für die Ostschweiz. Eine Be­
schen den Kantonen St. Gallen und Thurgau                währungsprobe, die es unweigerlich zu ge­          Überzeugung. Es liegt an uns, an der Ost­
verläuft durch die Region. Wil ist eine St. Gal­         winnen gilt.                                       schweizer Bevölkerung, der Politik und auch
ler Gemeinde, das geplante Areal Wil West                                                                   der Wirtschaft, diese Chance zu ergreifen
liegt jedoch auf Thurgauer Boden, wovon der              Eine grosse Chance – für die                       und nach jahrelanger Planung endlich die Re­
Kanton St. Gallen wiederum Grundeigentü­                 ganze Region                                       alisierungsphase einzuleiten.
mer ist. In das Projekt involviert sind nebst            Deshalb ist es wichtig zu verdeutlichen, dass
zwei Kantonen auch der Bund sowie der Ver­               Wil West eine grosse Chance ist, und das
ein Regio Wil mit den 22 Gemeinden der                   nicht nur für die Region Wil, sondern für die
Wirtschaftsregion Wil. Folglich überrascht es            Ostschweiz im Allgemeinen. Gelingt es, ins­
wenig, dass der politische Prozess umfang­               besondere Unternehmen aus wertschöp­
reich und komplex ist.                                   fungsintensiven Branchen am Standort anzu­
                                                         siedeln, profitieren wir alle von deren Investi­    Wil West: Wichtige politische
Bewährungsprobe                                          tionen und den in diesem dynamischen und            Entscheide stehen an
für die Ostschweiz                                       attraktiven Wirtschaftsareal entstehenden Ar­       November 2021: In der Novembersession
Soll das Projekt gelingen, muss eine Vielzahl            beitsplätzen. Als Leuchtturm und Einfallstor        behandelte der Kantonsrat St.Gallen den
von politischen Akteuren an einem Strang                 in die Kernregion Ostschweiz vermittelt das         Sonderkredit zur Arealentwicklung Wil
ziehen. Bislang funktionierte diese Zusam­               Projekt Aufbruchstimmung und wirkt sich po­         West. Der Beschluss unterliegt dem obliga­
menarbeit gut: Bereits 2018 unterzeichneten              sitiv auf die Wahrnehmung der Ostschweiz            torischen Finanzreferendum (voraussicht­
die involvierten Gemeinden und Kantone eine              und deren Standortattraktivität aus. Auch in        lich Ende 2022).
                                                         politischer Hinsicht hätte ein erfolgreiches Wil    Bis Ende 2022: Der Grosse Rat Thurgau
                                                         West eine herausragende Signalwirkung. Als          entscheidet über den Netzbeschluss Drei­
      «Wil West ist eine grosse                          gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit          brunnenallee (untersteht dem fakultativen
      Chance für die ganze Ost­                          zwischen zahlreichen Akteuren hat Wil West          Referendum).
      schweiz. Nutzen wir sie!»                          das Potenzial, eine Blaupause für die über­         Ab Ende 2022: Bewilligungsverfahren zur
  Markus Probst, Präsident Arbeitgeber­                  regionale Zusammenarbeit zu werden. In der          Netzergänzung Nord. Dabei äussern sich
    verband Sarganserland-Werdenberg                     Ostschweiz mit ihrer fragmentierten politi­         in Wil der Stadtrat und das Parlament im
                                                         schen Landschaft ist diese Zusammenarbeit           Rahmen einer Anhörung; deren Entscheid
                                                         keineswegs selbstverständlich. Kurzum: Wil          untersteht dem fakultativen Referendum.
Charta, welche gemeinsame Ziele definiert.               West kann beweisen, dass der «Kantönli­             Zudem entscheidet auch der Kantonsrat
Die Gemeinden der Region Wil verzichten zu­              geist» überwunden werden kann.                      St. Gallen über die Netzergänzung Nord,
dem zugunsten von Wil West auf weitere ge­                                                                   wobei dessen Beschluss erneut dem fakul­
werbliche Einzonungen auf ihrem Gebiet –                 Wirtschaft unterstützt Wil West                     tativen Referendum untersteht.
                                                         Aus Sicht der IHK St. Gallen-Appenzell ist klar:    Im Rahmen der flankierenden Massnahmen
                                                         Die leistungsfähige Infrastruktur und die Ent­      zu Wil West müssen zudem die Gemeinden
                                                         wicklungsmöglichkeiten von Wil West kom­            der Region Wil finanzielle Mittel genehmi­
                                                         men der gesamten Ostschweizer Wirtschaft            gen. Da deren Finanzierung aber noch nicht
                                                         zugute. Damit dieses einzigartige Standort­         abschliessend geklärt ist, ist unklar, wann
Wil West soll dereinst ein Wirtschaftsareal mit bis zu
                                                         vorhaben jedoch realisiert werden kann, be­         welche weiteren politischen Entscheide ge­
3000 Arbeits­plätzen werden, doch bis dahin ist es
noch ein weiter Weg. (Quelle: WILWEST)                   nötigt es überregionale Unterstützung und           fällt werden müssen.

                                                                                                                                            Nr. 4/2021  19
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