Decolonizing Geography Education - Post- und dekoloniale Ansätze im

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Decolonizing Geography Education - Post- und dekoloniale Ansätze im
Decolonizing Geography Education –
                                            Post- und dekoloniale Ansätze im
                                                  Geographieunterricht

Dr. Andreas Eberth
Leibniz Universität Hannover, Institut für Didaktik der Naturwissenschaften, Didaktik der Geographie

                     Fortbildungstag „Geography Education for Future“, 17.02.2021
Decolonizing Geography Education - Post- und dekoloniale Ansätze im
GLIEDERUNG

I Theoretische Bezüge im Überblick
  •   Postkoloniale Theorie
  •   Postkoloniale Perspektiven
II Unterrichtsmaterialien: exemplarische Beispiele
  •   Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania
  •   Raummodul Subsahara-Afrika
  •   Länderklassifikationen

III Wie kann Unterricht dekolonisiert werden?
  •   Perspektiven aus den Ländern des sog. Globalen Südens integrieren
  •   Doppelte Komplexität und Kontroversität berücksichtigen
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Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

Postkoloniale Theorie
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               Postkoloniale Perspektiven

• Postkolonialismus als eine Widerstandsform gegen die koloniale
  Herrschaft und ihre Konsequenzen
• Postkoloniale Perspektiven sind sowohl rückblickend auf die Zeit
  des Kolonialismus, als auch auf neokolonialistische Strukturen in
  der Gegenwart gerichtet (Kolonialitäten).
• Intention postkolonialer Perspektiven: in eurozentrische
  Narrative intervenieren und hegemoniale Strukturen
  transformieren
                                            (vgl. Castro Varela & Dhawan 2015, S. 16ff.)
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                Postkoloniale Perspektiven

                     „Der ‚Dekolonialismus‘ versteht sich als
                     Intervention, als eingreifende Praxis: So wie
                     Länder von Kolonialherren befreit wurden, gilt es
                     Wissenschaften, Denken und Alltagspraxen von
                     Kolonialität zu befreien.“
                                               (Kastner & Waibel 2012, S. 23)
Dekolonialisierung
                     Dekolonialisierung „muss es darum gehen, die Beschränkungen zu
                     analysieren, die die Orte des Denkens dem Denken selbst auferlegt
                     haben. Dies sollte aber umgekehrt nicht dazu führen, dass der Ort
                     des Denkens als determinierend für dieses Denken begriffen wird.“
                                                                   (Kastner & Waibel 2012, S. 33f.)
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                   Postkoloniale Perspektiven

                     • Es bedarf Bildungsangeboten, die dekoloniales Denken als
                       infragestellendes, zweifelndes, kritisches Denken verstehen.
                     • Dekoloniales Denken verfolgt als Ziel eine Form des Lernens, mit der
                       das koloniale Wissen gleichsam verlernt werden kann und ‚anderes’
                       Wissen zur Veränderung der Welt kennengelernt und diskutiert
Verlernen lernen       werden kann.
                     • ‚Verlernen‘ kann so als aktive kritisch-kollektive Intervention
                       verstanden werden, mit dem Ziel, hegemoniale Wissensproduktionen
                       zu hinterfragen und Demokratisierung zu fördern.
                                            (Castro Varela & Heinemann 2016; Capan, Garbe & Zöhrer 2020)
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Postkoloniale Perspektiven
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Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania

  „Das Dorf selbst ist mit seinen exotisch wirkenden Hütten, Feldern
       und der Lebensweise seiner Einwohner bereits eine echte
     Sehenswürdigkeit“ (S. 82). Daher sei eine Reise dorthin ein
    „Abenteuer in einem fremdartigen kulturellen Umfeld“ (ebd.).
                    Exotisierung – Othering
      „Das Ausmaß und die Häufigkeit der Schlaglöcher lassen
       die Fahrt für viele Gäste zu einem Martyrium werden,
           das sie ihr Leben lang nicht vergessen“ (S. 82).
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Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania
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Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania

     [Die] Begriffe „Entwicklung“ und „Entwicklungsländer" werden meist nur noch in
     Anführungszeichen gesetzt […]. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Begriffe
     […] eine problematische Geschichte besitzen - sie sind Teil eines mittlerweile kritisch
     hinterfragten    Denkmusters     geworden.    Es    ist    politisch   unkorrekt,   von
     „Entwicklungsländern" zu sprechen, denn damit wird eine Art Hierarchisierung zwischen
     schon entwickelten und noch zu entwickelnden Ländern und Gesellschaften hergestellt.
     […] Es ist […] problematisch, mit dem Begriff „Entwicklungsländer" eine Art
     Sammelbegriff für so unterschiedliche Gesellschaften oder Länder wie etwa Somalia,
     Brasilien und Indien zu verwenden. Diese Gesellschaften durchlaufen eine Vielzahl
     unterschiedlicher Entwicklungspfade. […] Außerdem ist es fragwürdig, […] den Westen als
     Maßstab für die Beurteilung und Einteilung in fortgeschrittene und rückständige
     Gesellschaften [anzusehen]. […] Damit wird das Entwicklungsmodell des Westens jedoch
     unhinterfragt akzeptiert.
       Quelle: Korf, B./Rothfuß, E. (2016): Nach der Entwicklungsgeographie. In: Freytag, T. et al. (Hrsg.): Humangeographie kompakt.
                                                                                                      Heidelberg, S. 163-183 (S. 164f.).
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Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania       Kulturalisierung

                                               Kersting, P. (2011). AfrikaSpiegelBilder und Wahrnehmungsfilter: Was erzählen europäische Afrikabilder
                                               über Europa? In: P. Kersting & K. W. Hoffmann (Hrsg.), AfrikaSpiegelBilder. Reflexionen europäischer
                                               Afrikabilder in Wissenschaft, Schule und Alltag. (Mainzer Kontaktstudium Geographie 12) (S. 3–10).
                                               Mainz: Geographisches Institut.
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Klettertourismus in Papua-Neuguinea und Tansania

Kultur und Bildung eigenen sich, um                          Dazu bedarf es aber einer Abwendung von sog. „Paket-
 „Veruneindeutigungen und Regelüberschreitungen zu           Kulturen“ (Reuter 2018, S. 270), die nach wie vor Grundlage
ermöglichen sowie Raum für Existenzen und                    einiger Bildungspläne darstellen. „Kultur ist vielmehr ein
Artikulationen jenseits der gerade gültigen Normalität       Fluss, der sich aus vielfältig synchron und diachron
zu schaffen. Sie dienten und dienen nicht nur für die        verknüpften     Bedeutungen        und     Praktiken   speist.
Befriedung sozialer Spannungen im Interesse von              Bedeutungen, Identitäten und Praktiken liegen dann nicht
Privilegierten, nicht nur zum Verweis auf die                entweder in der einen oder der anderen Kultur, sie gehen
angestammten sozialen Plätze, sondern auch als Vehikel       durch sie hindurch und beziehen sie aufeinander – die
für soziale Mobilität, als Raum zur Entfaltung von           Formel hierfür lautet ‚hybrid‘. Die Welt gleicht dann weniger
Selbstermächtigung und als Schauplatz und Instrument         einem Mosaik, dessen Steinchen die einzelnen Kulturen sind.
sozialer Kämpfe. [...] Kultur und Bildung so verstanden,     Sie gleicht vielmehr einer Kulturmelange im Sinne einer
sollen den Kampf gegen Ungleichheit unterstützen und         wechselseitigen kulturellen Durchdringung globaler und
Privilegien umverteilen, anstatt diese zu bestätigen und     lokaler Sinnbezüge, die in alltäglichen Praktiken mobilisiert
zu reproduzieren. Unverzichtbar für dieses Verständnis       und reproduziert wird.“
waren und sind Perspektiven aus dem Globalen Süden.“                    (Reuter 2018, S. 270; Hervorhebungen im Original)
                                    (Mörsch 2016, S. 180)
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6
                                       Raummodul Subsahara-Afrika
#   Inhalt

               1                                         3                                                    5                                                     7
             Gratwanderung zwischen Klischee           Geschundener Kontinent?                         24
             und Wahrheit                         6                                                         Abgehängter Kontinent?                           54   Kompetenzen vernetzen, überprüfen,
                                                             Das Armenhaus der Welt                    25
             1.1 Von der Wahrnehmung zum Urteil    7   3.1   Afrikas Zukunft ist jung                  26
                                                                                                                Afrika – Verlierer der Globalisierung?       55
                                                                                                                                                                  nachweisen und erweitern        80
             1.2 Subsahara in Printmedien          8   3.2   Hunger tötet leise                        28
             1.3 Subsahara im Fernsehen            9   3.3   Aids macht arm und Armut macht Aids       30   5.1 Schlechte Infrastruktur bremst                    7.1 Kompetenzen vernetzen                           81
                                                       3.4   Migration                                 32       Wirtschaft aus                               56   7.2 Kompetenzen überprüfen                          82
                                                                                                            5.2 Wachstum durch Anschluss                          7.3 TERRA KLAUSURTRAINING                           84
               2                                                                                                an das globale Dorf?                         58       Zehn Tipps zum Bearbeiten einer Klausur         84
                                                         4                                                  5.3 M-Pesa – Vorbild aus Afrika                  60       Eine Klausur zum Üben:
             Armer Kontinent?                     10                                                        5.4 Ruanda – Vorbild für Subsahara-Staaten?      62       Kein Licht für Kenia – Theorie und Praxis von
                                                       In Problemen versinkend?                        34
                 Zwischen Hoffen und Bangen       11                                                                                                                  Entwicklungshilfe                               85
             2.1 Reiche Natur                     12   4.1 Natürlich benachteiligt?                    35                                                         7.4 Literatur für die Schülerhand                   88
                 Nationalparks als Chance         14   4.2 Desertifikation – ein lösbares Problem?     36
                                                                                                                                                                  7.5 Glossar                                         89
                 Reich und doch arm
                 Verflucht sei das Erdöl
                                                  16
                                                  18
                                                           Wälder als Schutzwall
                                                       4.3 „Land Grabbing“ – eine moderne Form
                                                                                                       38     6                                                   7.6 Sachregister                                    92
             2.2 Und dann ist es dunkel …         20       des Landraubs?                              39                                                         Nachweise                                           94
                 Strom für Afrika                 22   4.4 Ökologische Probleme
                                                                                                            Perspektivloser Kontinent?                       64   Anforderungsbereiche und Operatoren                 96
                                                           des Tropischen Regenwaldes                  41
                                                           Shifting Cultivation – eine angepasste
                                                           Landnutzungsform?                           42   6.1   TERRA METHODE: Projekt Entwicklungshilfe   65
                                                           Die Plantage – eine Betriebsform                 6.2   Hilfe zur Selbsthilfe                      68
                                                           ohne Zukunft?                               43
                                                       4.5 Klimawandel: Afrika besonders betroffen     44
                                                                                                            6.3   Es geht auch anders: Fair Trade            70
                                                       4.6 Rohstoffe oder Entwicklung?                 46   6.4   Chinas umstrittenes Engagement             72
                                                           Blutige Diamanten                           47   6.5   „Löwen“ auf dem Sprung                     74
                                                           Uranabbau in Niger                          48
                                                                                                            6.6   TERRA METHODE: Synoptische Raumanalyse     76
                                                           Verantwortungslosigkeit
                                                           der Verantwortlichen                        50         Kenia – Vier Blicke                        78
                                                       4.7 Darfur – eine Region kommt nicht zur Ruhe   52
3.4 Migration                                 32
                                                        Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

       4             Raummodul Subsahara-Afrika
10
     In Problemen versinkend?                      34
11
12   4.1 Natürlich benachteiligt?                  35
14   4.2 Desertifikation – ein lösbares Problem?   36
16       Wälder als Schutzwall                     38
18   4.3 „Land Grabbing“ – eine moderne Form
20       des Landraubs?                            39
22   4.4 Ökologische Probleme
         des Tropischen Regenwaldes                41
         Shifting Cultivation – eine angepasste
         Landnutzungsform?                         42
         Die Plantage – eine Betriebsform
         ohne Zukunft?                             43
     4.5 Klimawandel: Afrika besonders betroffen   44
     4.6 Rohstoffe oder Entwicklung?               46
         Blutige Diamanten                         47
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

Raummodul Subsahara-Afrika
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

                                        Raummodul Subsahara-Afrika
                                                                                 4. Darstellung Afrikas in den unterschiedlichen Bildformen

                            Frequenzanalyse aller Textmaterialien                                              Frequenzanalyse aller Bildmaterialien
                                                      N=132                                                                             N=120

                                                                                                                               4,2% 2,5%

                              8; 6%          17; 13%

                                                                                                                       33,3%

                                                                                                                                                          60%
                                                              107; 81%

                                                                                                                        negativ     neutral     positiv    gar nicht
                                            negativ    neutral     positiv

                                                                                 Abbildung 15: Darstellung Afrikas in allen Bildmaterialien (eigene Darstellung)
Abbildung 3: Frequenzanalyse der Darstellung Afrikas in allen Textmaterialien

                                                                                                                      Frequenzanalyse Bildformen
                                Frequenzanalyse Themenauswahl                                                                           N=120
                                                      N=132                                                                             1; 1%
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

           Raummodul Subsahara-Afrika

„Die kritischen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungsdiskurse
aus dem globalen Süden wie inzwischen auch aus dem globalen Norden finden
sich in den Schulbüchern nirgendwo wieder. [...] In den untersuchten [...]
Unterrichtsmaterialien zeichnet sich ein kolonial-rassistisches Bild von Afrika und
Schwarzen Menschen ab. Trotz der vereinzelten Versuche, andere Perspektiven
einzubringen, bleibt die Mastererzählung in den Büchern ungebrochen weiß.“
                                                                (Marmer et al. 2015, S. 120; 124)
anhand sozioökonomischer Indikatoren wie dem seit 1990 jährlich vom United Nations Development
                                            Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen
                                            Programme (UNDP) berechneten Human Development Index (HDI) ist eine häufig gewählte
                                            Aufgabenstellung in Klassen- und Abschlussarbeiten und wird bisweilen auch durch die Anwendung
                                            einfacher Geographischer Informationssysteme geübt, was auch in aktuellen unterrichtspraktischen
                                            Publikationen deutlich wird (Mayenfels 2018). So arbeiten auch Mönter und Lippert (2016: 97)
                                            heraus, dass der Begriff ‚Entwicklungsland’ nach wie vor auch in geographischen
                                            Unterrichtsmaterialien dominiert. Die derartige Analyse des Entwicklungsstands und entsprechende
                         Länderklassifikationen
                                            Einordnung der Länder der Erde bleibt aber „aufgrund der begrenzten Zahl eingesetzter Indikatoren
                                            nur eine Hilfsgröße für die tatsächliche Lebenssituation der Bevölkerung“ (Kulke 2017: 215).

                                             Ländergliederung in Zeiten des sog. kalten Krieges

• Konstruktion von Differenzlinien,          basierend auf politisch-ökonomischen Ordnungen
                                             Erste Welt = westliche marktwirtschaftliche Industrieländern

  Othering, Erhöhung der eigenen Position    Zweite Welt = östliche sozialistische Staatshandelsländer
                                             Dritte Welt = übrige blockfreie Länder, überwiegend Entwicklungsländer
                                             Ländergliederung der Weltbank
• (Ab-)wertende Termini                      basierend auf jährlich aktualisierten Werten des Pro-Kopf-Einkommens
                                             Low Income Countries = Länder mit niedrigem Einkommen
• Geprägt von westlichem                     Middle Income Countries = Länder mit mittlerem Einkommen
                                             High Income Countries = Länder mit hohem Einkommen
  Entwicklungsparadigma bzw.                 Ländergliederung der Vereinten Nationen (UNDP)
                                             basierend auf jährlichen aktualisierten Daten des Human-Development-Index (HDI)
  Vorstellungen vom ‚guten Leben‘;           Länder mit niedrigem Entwicklungsstand = HDI unter 0.550
                                             Länder mit mittlerem Entwicklungsstand = HDI zwischen 0.550 und 0.699
  neoklassisches Wirtschaftsverständnis      Länder mit hohem Entwicklungsstand = HDI zwischen 0.700 und 0.799
                                             Länder mit sehr hohem Entwicklungsstand = HDI ab 0.800
• Fachlich nicht mehr aktuell:               Länder mit besonderen Merkmalen
                                             LDC: Less Developed Countries = Entwicklungsländer
  ‚Industrieländer‘ = durch den tertiären    LLDC: Least Developed Countries = geringst entwickelte Länder
                                             Vier Einkommensniveaus nach Rosling (2018)
  und quartären Sektor geprägte              Stufe 1 = Pro-Kopf-Einkommen < 2,00 USD pro Tag
                                             Stufe 2 = Pro-Kopf-Einkommen zwischen 2,00 USD und < 8,00 USD pro Tag
  Wissensgesellschaften                      Stufe 3 = Pro-Kopf-Einkommen zwischen 8,00 USD und 32,00 USD pro Tag
                                             Stufe 4 = Pro-Kopf-Einkommen > 32,00 USD pro Tag
• Im Widerspruch zur Intention der           Ländergliederung nach der Theorie der fragmentierenden Entwicklung
                                             Globaler Norden = „eine mit vorteilen bedachte, privilegierte Position“ (glokal 2012: 4)
  Sustainable Development Goals (SDGs)       Globaler Süden = Länder, „die gemeinhin mit Unterentwicklung assoziiert werden“ (Scholz 2017:
                                             11).
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

                                                                                                                                  Nachholende Entwicklung

                                                                                                                                                                               Entwicklungsindikatoren
                        Länderklassifikationen

                                                                      Entwicklungsland

                                                                                                                                                                                                         Entwicklungshilfe

                                                                                                                                                                                                                                                                              Unterentwicklung
                                                                                                                                                            Marginalsiedlung
                                                                                                               Marginalisierung

                                                                                                                                                                                                                                                           Hunger in Afrika
                                                                                                                                                                                                                                          Kulturerdteile
                                                                                         Industrieland

                                                                                                                                                                                                                             Hackbauern

                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Dritte Welt
Ein Blick in Lehrpläne bzw.
Kerncurricula

                                                                                                         HDI
                                    Rheinland-Pfalz, Sek. I               x                 x            x
                                    Baden-Württemberg                                                    x         x                    x                       x                    x
                                    Berlin                                x                                                                                                          x                                                                                            x                 x
                                    Bremen                                x                 x                                                                                                                 x
                                    Hessen                                x                 x            x
                                    Hamburg                               x                 x                                                                                                                                  x
                                    Mecklenburg Vorpommern, Sek. I        x                 x                                                                                                                 x                               x                                                     x
                                    Mecklenburg Vorpommern, Sek. II                                                                                                                  x                        x
                                    Niedersachsen, Sek. II                                                                                                      x                    x                                                        x
                                    Nordrhein-Westfalen, Sek. I           x                 x                                                                                        x                                                                                                              x
                                    Nordrhein-Westfalen, Sek. II          x                 x            x         x                                                                 x
                                    Sachsen-Anhalt                        x                 x
                                    Saarland, Sek. I                                                                                                                                                                                                           x
                                    Saarland, Sek. II                     x                 x            x         x                                            x                                                                                                                 x                 x
                                    Sachsen                               x                              x         x                                                                 x                        x
                                    Schleswig-Holstein, Sek. I                              x                                                                                                                                                 x                                                     x
                                    Schleswig-Holstein, Sek. II           x                 x                                                                                        x
                                    Thüringen                                                            x
                                    Bayern                                x                 x                                                                                        x
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

III Wie kann Unterricht dekolonisiert werden?
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 1
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 3
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              „Eine Welt, in der viele Welten                                                                                    4

                                                                                                                                                                                                                                                        Perspektiven erweitern
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              koexistieren können, lässt sich nur durch                                                                                          5
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              verteilte Arbeit und gemeinsame Ziele in der                              „Entwicklungshilfe hat                                   6
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Vielfalt […] erreichen. [Wir brauchen die           dazubeigetragen, die Armen noch ärmer zu                                       7
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Möglichkeit] in einen […] Dialog unter              machen und Wirtschaftswachstum zu                                              8
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       „Wenn wir unser
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Gleichen zu treten, in einen gemeinsame             verlangsamen. Entwicklungshilfe ist nicht                                      9
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Verhalten nicht ändern,
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Gang hin auf eine Welt, deren Horizont 'das         konstruktiv und eine humanitäre und                                            10
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       wird unser Planet weiter

Perspektiven von Menschen aus dem sog. Globalen                                                                                                                                                                                                                                                               freie Leben' und nicht der 'freie Markt' sein
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              wird, 'das gute Leben' und nicht das 'besser
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  ökonomische Katastrophe.“
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Dambisa Moyo, Ökonomin aus Sambia
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       zerstört. Den Menschen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       werden die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 11
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 12
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 13

Süden aufgreifen; kritisch-reflexive Zugänge fördern
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               leben als andere' und letztlich eine                                                                    Lebensgrundlagen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               kommunale […] Konstruktion, die keines                                                                                            14
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       entzogen, die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Masterplans bedarf. Sollte es dennoch einen                                                                                       15
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Gesellschaft kommt ins
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Masterplan geben, so wird er in einem                                                                                             16
                                                                                                                                                                                                                                                348 | Alltagskulturen in den Slums von Nairobi                                                                                                                         Wanken. Die meisten
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               kummunalen Prozesse entwickelt werden                                                                                             17
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Konflikte […] sind
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Zu
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               undoftnicht von einer Elite, die weiß was gut                         „Es geht darum, dieses in                                   18
 Kenia                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Nebeneffekte unseres
                                                                                                                                                                                                                                                                                                               für alle ist.“                                     Bewegung befindliche Afrika ohne die                                           19
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Wirtschaftsmodells, das
Andreas Eberth                                                                                                                                                                                                                                                                                                Walter D. Mignolo, Literaturwissenschaftlicher      gängigen Worthülsen wie ‚Entwicklung‘,                                         20
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       so gierig nach Rohstoffen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              aus Argentinien                                     ‚wirtschaftlicher Durchbruch‘, […]                                             21
Bilder vom Leben in den Slums
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       ist, dass es anderen die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  'nachhaltige Entwicklung‘ zu denken, die                                       22
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Ressourcen stiehlt. Und

                                                                                                                                         lizenziert für Inst.f.Didaktik d.Naturwissenschaft Institut f. Didaktik d. Geographie am 02.03.2018
von Nairobi reflektieren                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          bisher dazu gedient haben, Afrika zu                                           23
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       die Bestohlenen werden
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  beschrieben, vor allem aber, die Mythen des                                    24
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       sich erheben. Man hat
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Westens auf die Entwicklungsverläufe                                           25
Der hier vorgestellte Unterrichtsentwurf basiert auf empirischen Forschungs-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       eine ökologische
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  afrikanischer Gesellschaften zu projizieren.                                   26
arbeiten des Autors und hat den Anspruch, das eigene Bild vom Leben in einem                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Zeitbombe und die
Slum in Nairobi zu reflektieren und die Perspektive der Bewohner dieser Stadt-                                                                                                                                                                                                                                                                                    […] diese Kategorien […] [haben] die                                           27
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       ökonomische - und man
gebiete – also gleichsam eine „Innensicht“ – kennenzulernen. Der Konzeption                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      28
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              „Zu oft wird Afrika noch immer als hilfloses        besondere Kreativität Afrikas ebenso                 weiß nicht, welche zuerst
liegen die geographischen Konzepte space und place zugrunde, die sich eignen,
verschiedene Perspektiven auf einen Raum aufzuzeigen.                                                                                                                                                                                                                                                         Opfer dargestellt. Diese Darstellungen              verleugnet wie dessen Fähigkeit, Metaphern                                     29
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       explodiert.“
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              versäumen es, eine andere Realität zu               des eigenen Zukunftspotenziales zu                                             30
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Vandana Shiva,

             H                                                                                                                                                                                                                                                                                                erfassen, nämlich die, dass jeden Tag zig                                                                                          31
                       äufig sind es negative Merkmale, anhand derer      bert 2013, S. 176). Durch die Verbindung beider Kon-
                       Slums charakterisiert werden. In einschlägigen     zepte kann es gelingen, ein tiefergehendes und multi-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  formulieren. Diese Begriffe kollidierten mit         Naturwissenschaftlerin
                       Definitionen – etwa von UN-Habitat oder in         perspektivisches Verständnis eines Raumes zu erhalten:                                                                                                                                                                              Millionen afrikanischer Frauen und Männer           der kulturellen, sozialen, politischen und                                     32
              geographischen Lexika – werden im Wesentlichen              „What begins as undifferentiated space becomes place                                                                                                                                                                                                                                                                                         und
              Aspekte unzureichender Infrastruktur aufgezählt.            as we get to know it better and endow it with value“                                                                                                                                                                                ihren Geschäften nachgehen, ihr Leben               wirtschaftlichen Komplexität der                                               33
              Diese Perspektive ignoriert, dass „(...) informal settle-   (Tuan 1977, S. 6).                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Wissenschaftsphilosophin
              ments are the ‚homes of people’, at the beginning and the                                                                                                                                                                                                                                       verantwortungsvoll und fleißig führen und           afrikanischen Gesellschaften.“                                                 34
              end of the day, and everyday realities are often norma-     Alltagskulturen von Jugendlichen
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       aus Indien
              lized for residents, regardless of the poverty, hardship,
                                                                          in den Slums von Nairobi                                                                                                                                                                                                            sich um ihre unmittelbaren und erweiterten          Felwine Sarr, Sozialwissenschaftler aus dem                                    35
              or grief that that form of ‚normal’ might be“ (Myers
              2011, S. 71). Die geographischen Konzepte space und         Im Rahmen einer empirischen Studie wurde mit Jugend-                                                                                                                                                                                Familienangehörigen kümmern.“                       Senegal                                                                        36
              place können helfen, verschiedene Blickwinkel zu be-        lichen zusammengearbeitet, die in Korogocho, einem
              rücksichtigen.                                              Slum im Nordosten Nairobis, geboren wurden, dort auf-                                                                                                                                                                               Wangari Maathai, Friedensnobelpreisträgerin                                                                                        37
                  Space kann dabei als geographischer Raum verstan-       gewachsen sind und heute noch dort leben. Sie sollten
              den werden, „innerhalb dessen sich Menschen und             Fotos aufnehmen, die bedeutende Aspekte ihres Alltags-                                                                                                                                                                              aus Kenia                                                                                                                          38
              Objekte sowie deren Beziehungen an spezifischen             lebens zeigen. Im Sinn der reflexiven Fotografie (siehe
              Standorten verorten lassen“ (Freytag 2014, S. 16). Die      dazu Eberth 2018) wurde anschließend im Rahmen von                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     39
              Perspektive auf den Raum als space gibt Orientierung        Interviews näher auf die Bedeutung der ausgewählten
              und verdeutlicht raumstrukturelle Aspekte. Karten (sie-     Motive eingegangen. So wurde es möglich, Einblicke in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 40
              he M 1) und Statistiken geben Auskunft über entspre-        das Leben im Slum Korogocho aus der Perspektive der
              chende Charakteristika Nairobis. Nach der letzten Volks-    Bewohner zu erhalten. In der Auswertung wird deut-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 41
              zählung (2009) leben gut drei Millionen Menschen in
              Nairobi, wobei sozio-ökonomische Disparitäten und Se-
                                                                          lich, dass vor Ort zahlreiche engagierte Maßnahmen ge-
                                                                          troffen und kreative Projekte gestartet werden, um die
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 42
              gregation durch die Tatsache deutlich werden, dass 60–      Lebensbedingungen zu verbessern (vgl. Eberth 2017a;                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    43
              70 % der Stadtbevölkerung auf nur 5 % der Stadtfläche       b). Insofern gelingt es einigen Jugendlichen, ein aktiver
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   „Stoppt die Entwicklungshilfe um die Afrikaner
              leben (vgl. K’Akumu und Olima 2007, S. 93; Eberth 2017,     Teil der Gesellschaft zu sein und in Gestaltungsprozes-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                44
              S. 184). Auf der Karte Nairobis ist das Ausmaß dieser       sen zu partizipieren (vgl. Eberth 2016).
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   zu retten! Nach einem halben Jahrhundert
              Disparitäten erkennbar; was nicht deutlich wird, ist            In Bezug auf Stadtentwicklungs- und Aufwertungs-                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   45
              die Bedeutung, die diese Situation für die Bewohner         prozesse wird derartigen Bottom-up-Aktivitäten ein                                                                                                                                                                                                                                       Entwicklungshilfe in Afrika ist der Kontinent
              bestimmter Stadtviertel hat.                                enormes Potenzial zugeschrieben: „(...) our greatest                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  46
                  Mittels des geographischen Konzepts place kann          resource and opportunity to solve the African urban                                                                                                                                                                                                                                      ökonomisch desorientiert. Heutzutage sind die
              daher die Perspektive erweitert werden. Neben struk-        crisis lies with the people who effectively build the cities
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              „Das Verständnis der Welt ist sehr viel breiter                                                                                   47
              turellen Aspekten werden ergänzend auch subjektive          through their tenacious efforts to retain a foothold there                                                                                                                                                                                                                               traditionellen Wirtschaftszweige zerstört. Afrika
              Wahrnehmungen und Bedeutungszuschreibungen in               – the agents of slum urbanism. (...) instead of regarding                                                                                                                                                                           und vielfältiger als das Verständnis der                                                                                          48
              den Blick genommen. Ins Zentrum der Betrachtun-             the urban poor and excluded urbanities as the problem,                                                                                                                                                                                                                                   braucht nicht mehr Geld, sondern den Aufbau
              gen rücken „die ästhetischen, emotionalen, kulturel-        we should recognize the energies and ingenuity that                                                                                                                                                                                 westlichen Welt. Der Übergang in eine                                                                                             49
              len und spirituellen Verbindungen von Menschen mit          they marshall to retain their place in the city, despite                                                                                                                                                                                                                                 einheimischer Institutionen.“
              places; die Rolle von places in ihrem jeweiligen Iden-      the odds against them“ (Pieterse 2014, S. 205). Dieses                                                                                                                                                                              pluriversale Welt der Vielfalt gelingt über Wege,                                                                                 50
              titäts-, Orts- und Zugehörigkeitsgefühl sowie die Art       Engagement resultiert aus einer Verbindung der Jugend-                                                                                                                                                                                                                                   James Shikwati, Ökonom aus Kenia
              und Weise, wie sie places erleben und nutzen“ (Lam-         lichen mit ihrem Heimatort als place.                    ∎∎                                                                                                                                                                         die aus einer eurozentrischen Perspektive                                                                                         51
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              undenkbar sind.“                                                                                                                  52
10                                                                                                         Praxis Geographie 3|2018                                                                                                                                                                                                                                 M 3 Statements aus Afrika, Asien und Südamerika
                  lizenziert für Inst.f.Didaktik d.Naturwissenschaft Institut f. Didaktik d. Geographie am 02.03.2018                                                                                                                                                                                        Arturo Escobar, Anthropologe aus Kolumbien
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                                      Perspektiven erweitern

… auf dem Weg ins Pluriverse
•   Am Horizont des Dekolonialisierungsprozesses steht „eine transmoderne, globale
    und vielfältige Welt.“ (Mignolo 2012, S. 67f.)
•   „Die Zukunft wird weder von einem einzigen Lebensstil […] regiert, noch wird sie von einem einzigen
    Befreiungs- und Dekolonialisierungsprojekt diktiert werden. […] Eine Welt, in der viele Welten
    koexistieren können, lässt sich nur durch verteilte Arbeit und gemeinsame Ziele in der Vielfalt [...]
    erreichen.“ (Mignolo 2012, S. 204f.)
•   Dekolonisierung als Prozess: „[…] in einen pluriversalen Dialog unter Gleichen zu treten, in einen
    gemeinsamen Gang hin auf eine Welt, deren Horizont ‚das freie Leben‘ und nicht der ‚freie Markt‘ sein
    wird, ‚das gute Leben‘ und nicht das ‚besser leben als der andere‘ und letztlich eine kommunale und
    pluriversale Konstruktion, die keines Masterplans bedarf. Sollte es dennoch einen Masterplan geben, so
    wird er in einem kommunalen Prozess entwickelt werden und nicht von einer Elite, die weiß was gut
    für alle ist.“ (Mignolo 2012, S. 207)
•   Ziel des Unterrichts: „to pluralise epistemologies in our everyday lecturing work.“ (Khoo et al. 2020, S.
    56)
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Doppelte Komplexität und Kontroversität       „binäre Geographien“
                                            (Verne & Müller-Mahn 2020, S.
                                                                   951).
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             Doppelte Komplexität und Kontroversität

Das Weißsein der Frau, die es sich offenbar leisten kann, einen Strauß Schnittblumen, der
ausschließlich einen temporären und primär symbolisch-ästhetischen Gebrauchswert besitzt, zu
kaufen, lässt sie bzw. weiß gelesene Frauen als privilegiert erscheinen – dabei wird die Kenianerin im
Sinne subalternisierender Prozeduren auf eine weniger machtvolle und mit weniger
Handlungsfähigkeit versehene Position im Diskurs verwiesen (vgl. Tietje 2019, 155); dies kann als
rassistisch bezeichnet werden, denn „racism also involves the manipulation of power to mark ‚white’
as a location of social privilege“ (Kobayashi & Peake 2000, S. 393). Unterschiede markieren, mit
dem Zweck der Abgrenzung gegenüber anderen, um soziale, politische und wirtschaftliche
Handlungen zu begründen, die der eigenen Gruppe einen privilegierten Zugang zu Ressourcen
sichert und andere Gruppen vom Zugang zu Ressourcen ausschließt – dies ist eine der gängigen
Definition von Rassismus (vgl. Hall 2004; vgl. Rommelspacher 2011). Den Aspekt der
Machtverhältnisse betont Rommelspacher besonders, wenn sie Rassismus definiert als „ein System
von Diskursen und Praxen, die historisch entwickelte und aktuelle Machtverhältnisse legitimieren
und reproduzieren. […] In diesem Sinne ist Rassismus immer ein gesellschaftliches Verhältnis“ (2011,
S. 29; Hervorhebungen im Original).
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         Doppelte Komplexität und Kontroversität

„das formelle Erlangen der Unabhängigkeit der
ehemaligen Kolonien und Protektorate in Asien
und Afrika nach dem Zweiten Weltkrieg […; hat]
nicht das Ende des westlichen Imperialismus
herbeigeführt. Die epistemologischen und
materiellen Bedingungen, auf welche sich der
europäische Kolonialismus stützte, gestalten
weiterhin unsere Welt.“
                              (Dhawan 2011, S. 12)
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

Doppelte Komplexität und Kontroversität
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Doppelte Komplexität und Kontroversität
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             Doppelte Komplexität und Kontroversität

„[Die] Komplexität der Welt und die Perspektivabhängigkeit der Erkenntnis [lässt sich]
nicht mehr mit einfachen Wahrheiten erfassen.“ (Rhode-Jüchtern 2013, S. 29)

Es besteht „die Notwendigkeit, einer reflektierten und kritischen Abwägung von […]
unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Werten und Wertorientierungen, die beim
jeweiligen Problem relevant sind. Diese Auseinandersetzung mit konkurrierenden
Wertmaßstäben bei der Analyse vorgefundener raumrelevanter Entscheidungen von
Politik, gesellschaftlichen Gruppen oder Individuen, aber auch die eigene Positionierung,
das Erarbeiten eines eigenen ethischen Urteils und das Ableiten eigener
Handlungsentscheidungen – all dies ist per se äußerst anspruchsvoll, denn es macht ein
hohes Maß an Reflexivität erforderlich.“ (Mehren et al. 2015, S. 6 f.)
Theorie – Unterrichtsmaterialien
                                                      generell und zu jeder Zeit des Jahres ökologisch vorteilhaft zu
                                                                                                                                                                Implikationen
                                                                                                                                                             - Grund-
                                                                                                          einzelne Aussagen oder Berechnungen zu verifizieren oder fal-

                                                                                                                                                                                                           lizenziert für Inst.f.Didaktik d.Naturwissenschaft am 13.11.2020
                                                      sein: „Die Frage, ob es sich ökologisch vertreten lässt, einen
                                                                                                          sifizieren, um herauszufinden, welche die „richtigen“
                                                      Apfel zu verspeisen, der um die halbe Welt transportiert wur-     annahmen und somit die „richtigen“ Ergebnisse sind.
                                                      de, ist schwieriger zu beantworten, als man gemeinhin glaubt.
                                                      Mehr als 20 000 Kilometer legt ein neuseeländischer Apfel zu-
                                                      rück. […] Doch die Importäpfel sind besser als ihr Ruf. Es kann
                         Doppelte Komplexität und Kontroversität
                                                      sogar sein, dass sie ökologisch vorteilhafter sind als das Kon-
                                                      kurrenzprodukt vom Obsthof nebenan“ (Neubacher 2012,                                                   Komplexität
                                                      S. 74). Ausschlaggebend ist hierbei, dass die teils monatelange
                                                      Lagerung deutscher Äpfel in Kühlhäusern viel Energie benö-
                                                      tigt und CO2-Emissionen verursacht, welche die Klimabilanz             → Vielfalt und Vernetzung von Einflussgrößen. Charakteristisch:
                                                                                                                             „[…] Wechselwirkungen […], die nicht linear-dimensional
Thematisiert werden sollte „einerseits unser Umgang mit
                                                      negativ beeinflussen. In Südafrika oder Neuseeland hingegen
                                                                                                                             verlaufen, sondern mehrseitig und rückgekoppelt“
                                                      kommt die Ernte in der Regel direkt in großen Mengen auf das
äußerer Vielfalt wie ethnischer Diversität oder eine Vielfalt
                                                                                                                             (Rempfler/Uphues 2001, S. 38)
                                                      Schiff. An der Universität Bonn wurden differenzierte Berech-

an Lebensentwürfen, sowie andererseits auch unser
                                                      nungen unter Einbezug etwa des Dieselverbrauchs oder des
                                                      Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln in der neu-
                                                                                                                                „faktische Komplexität“                 „ethische Komplexität“
Umgang mit vielfältigen Wahrheiten einer uneindeutigenseeländischen Apfelproduktion angestellt. Ergebnis: Es hängt
                                                      von der Jahreszeit ab, welcher Apfel ökologisch vorteilhafter
Welt. Denn genau das ist unsere Welt: uneindeutig.    ist: „Im Herbst und Winter gewinnt der Apfel aus Deutsch-
                                                                                                                             hohe Komplexität der Sachlage           ethische Unsicherheiten,
                                                      land. Doch mit jedem Monat, den er im Lager künstlich frisch           (vgl. Bögeholz/Barkmann 2005, S. 211)
Menschen sind ständig Eindrücken ausgesetzt, die      gehalten wird, verschlechtert sich seine Ökobilanz […]“ (Neu-
                                                                                                                                                                     ungeklärte Gewichtung
                                                                                                                                                                     möglicher Handlungsziele (vgl.
unterschiedliche Interpretationen zulassen, unklar    bacher 2012, S. 75).                                                                                           Bögeholz/Barkmann 2005, S. 211–214)

erscheinen, keinen eindeutigenKomplexität
                                      Sinn ergeben,
                                                 – Vielfalt und sich zu
                                Vernetzung von Einflussgrößen                                                                                     oft verstärkt                           geprägt durch
widersprechen scheinen, widersprüchliche                              Gefühle                                                                     durch
                                Wie in diesem Beispiel sind viele Zusammenhänge in der glo-
auslösen, widersprüchliche Handlungen                       nahezulegen
                                balisierten Welt schwer durchschaubar:     Kann ich z. B. mit

scheinen. Kurz: Die Welt voll von   Ambiguität.“
                                Sicherheit sagen, dass es für die Textilarbeiterinnen in Bang-
                                ladesch besser ist, wenn ich keine von dort stammenden Bil-
                                                                                                                                fachliche Kontroversen                 moralische Kontroversen

                                                  lig-T-Shirts kaufe? Fördere (Bauer    2018,
                                                                               ich mit dem  KaufS.von
                                                                                                   12)Rosen aus
                                                  Kenia in jedem Fall nicht-nachhaltige Entwicklungen wie                    widersprüchliche wissen-                widersprüchliche Auffassungen
                                                  einen unkontrollierten Wasserverbrauch oder Entwaldung?                    schaftliche Erkenntnisse und            über „gutes richtiges Handeln“
                                                  Sollte ich also auf den Kauf grundsätzlich verzichten? Was ge-             Expertenmeinungen
                                                  nau ist bei den teureren Fairtrade-Produkten anders?
          Ohl, U. (2013): Komplexität und Kontroversität.  Herausforderungen
                                                      Derartige  Themen sind durchdes Geographieunterrichts
                                                                                      eine ausgeprägte Komple-mit
                                                   hohem
                                                  xität, alsoBildungswert.   In: Vernetzung
                                                              eine Vielfalt und  Praxis Geographie.
                                                                                            zahlreicherH.Einfluss-
                                                                                                          3, S. 4-8.         → mangelnde Gewissheiten, unsicheres Wissen, Nicht-Wissen
                                                  größen, gekennzeichnet. Gerade bei den zukunftsbedeut-
Theorie – Unterrichtsmaterialien - Implikationen

Doppelte Komplexität und Kontroversität
Literaturempfehlungen

Methoden wie storytelling u.a. nutzen…
https://www.vnb.de/learn2change-die-welt-durch-bildung-
veraendern-transforming-the-world-through-education/
Literaturempfehlungen   www.mangoes-and-bullets.org
Literaturempfehlungen
•   Eberth, A. (2020): Racist Roses? – Ein kritischer Kommentar aus postkolonialer Perspektive zur Rosenzucht in Kenia. In: OpenSpaces – Zeitschrift für Didaktiken
    der Geographie 02 (02), S. 42-50.
•   Eberth, A. (2018): Bilder vom Leben in den Slums von Nairobi reflektieren. In: Praxis Geographie. H. 3, S. 24-31.
•   Eberth, A. (2019): Alltagskulturen in den Slums von Nairobi. Eine geographiedidaktische Studie zum kritisch-reflexiven Umgang mit Raumbildern. (Sozial- und
    Kulturgeographie 30). Bielefeld.
•   Eberth, A./Röll, V. (2021): Eurozentrismus dekonstruieren. Zur Bedeutung postkolonialer Perspektiven auf schulische und außerschulische Bildungsangebote. In:
    ZEP – Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik. (Beitrag angenommen; im Erscheinen).
•   Eberth, A./Heilen, L. (2020): Rezension: Diercke Geographie und Sport. Raumrelevante Freizeitaktivitäten kompetenzorientiert unterrichten. In: OpenSpaces –
    Zeitschrift für Didaktiken der Geographie 02 (02), S. 52-62.
•   Bauer, T. (2018). Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt. Stuttgart: Reclam.
•   Bechtum, A. & Overwien, B. (2017). Kann postkoloniale Kritik Schule machen? Über ihre Grenzen und Potenziale für (entwicklungs-)politische Bildungsarbeit. In
    H.-J. Burchardt, S. Peters, N. Weinmann (Hrsg.), Entwicklungstheorie von heute – Entwicklungspolitik von morgen (S. 59–84). Baden-Baden: Nomos.
•   Castro Varela, M. & Heinemann, A.M.B. (2016): Ambivalente Erbschaften. Verlernen erlernen! In: Zwischenräume #10, 12.
•   Castro Varela, M. & Khakpour, N. (2019). Sprache und Rassismus. In: B. Hafeneger, K. Unkelbach & B. Widmaier (Hrsg.), Rassimuskritische politische Bildung.
    Theorien – Konzepte – Orientierungen (S. 33–44). Frankfurt am Main: Wochenschau.
•   Danielzik, C.-M. (2013). Überlegenheitsdenken fällt nicht vom Himmel. Postkoloniale Perspektiven auf Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung.
    ZEP – Zeitschrift für Internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 36(1), 26–33.
•   Marmer, E., Sow, P. & Ziai, A. (2015). Der ‚versteckte‘ Rassismus – ‚Afrika‘ im Schulbuch. In: E. Marmer, P. Sow (Hrsg.), Wie Rassismus aus Schulbüchern spricht.
    Kritische Auseinandersetzung mit ‚Afrika‘-Bildern und Schwarz-Weiß-Konstruktionen in der Schule. Ursachen, Auswirkungen und Handlungsansätze für die
    pädagogische Praxis (S. 110–129). Weinheim/Basel: Beltz Juventa.
•   Kersting, P. (2011). AfrikaSpiegelBilder und Wahrnehmungsfilter: Was erählen europäische Afrikabilder über Europa? In: P. Kersting & K. W. Hoffmann (Hrsg.),
    AfrikaSpiegelBilder. Reflexionen europäischer Afrikabilder in Wissenschaft, Schule und Alltag. (Mainzer Kontaktstudium Geographie 12) (S. 3–10). Mainz:
    Geographisches Institut.
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