Der Entgeltfortzahlungszuschuss nach 53b ASVG - unipub
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Der Entgeltfortzahlungszuschuss nach § 53b ASVG Diplomarbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra der Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz Eingereicht bei: ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Nora Melzer-Azodanloo Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Karl-Franzens-Universität Graz von Stückler Sarah Graz, November 2020
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version. Datum Unterschrift
DANKSAGUNG Schon im Kindesalter wusste ich eigentlich sehr genau, was ich später einmal machen wollte. In der Volksschule plante ich, welche höhere Schule ich besuchen wollte, welche Fächer ich belegen möchte und dass ich später einmal Rechtswissenschaften studieren will. Je älter ich wurde, umso mehr stellte sich heraus, dass ich diesen Weg immer weiterverfolge. Trotz Widrigkeiten, Krankheit und anderer Zwischenfälle konnte ich mich stets auf die Unterstützung meiner Familie verlassen. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mir das Studium ermöglicht haben, mich motivierten, inspirierten und aufbauten. Ebenso möchte ich von ganzem Herzen bei meinem Partner bedanken, der mir in der ganzen Zeit immer zur Seite stand. Sein Engagement lässt sich an dieser Stelle kaum in Worte fassen. Schließlich möchte ich mich auch noch bei meiner Betreuerin bedanken, welche während der Zeit, in der ich mich mit meiner Diplomarbeit beschäftigte, geduldig jede Frage beantwortete und mir dennoch viel Raum für selbstständiges Erarbeiten ließ.
INHALTSVERZEICHNIS 1 Einleitung.................................................................................................................................. 5 2 Vom Erstattungsbetrag zum Entgeltfortzahlungszuschuss....................................................... 7 2.1 Erstattungsbetrag .............................................................................................................. 7 2.2 Entwicklung des Entgeltfortzahlungszuschusses.............................................................. 8 2.3 Leistung ............................................................................................................................ 9 2.3.1 Höhe des Entgeltfortzahlungszuschusses .................................................................. 10 2.3.1.1 Entgelt ................................................................................................................. 12 2.3.1.2 Sonderzahlungen ................................................................................................ 14 2.3.1.3 Höchstbeitragsgrundlage .................................................................................... 15 2.3.1.4 Entgeltfortzahlungszuschuss iHv 50% oder 75% ............................................... 15 2.3.2 Anfall und Dauer des Entgeltfortzahlungszuschusses .............................................. 15 2.3.3 Rückforderungsrecht ................................................................................................. 17 2.4 Differenzvergütung ......................................................................................................... 17 2.4.1 Unfälle von Rettungsdienstmitgliedern ..................................................................... 18 2.4.2 Unfälle im Rahmen von Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe ....................... 18 2.4.3 Kostenersatz durch BMI und BMLV ........................................................................ 19 3 Anspruchsvoraussetzungen für den entgeltfortzahlungszuschuss .......................................... 20 3.1 Antragstellung ................................................................................................................. 20 3.2 Der Dienstnehmer/die Dienstnehmerin .......................................................................... 21 3.2.1 Voraussetzungen für ein Dienstverhältnis................................................................. 22 3.2.2 Sonderfälle bei Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen ................................................. 25 3.2.2.1 Geringfügig Beschäftigte .................................................................................... 25 3.2.2.2 Lehrlinge ............................................................................................................. 26 3.2.2.3 Freie Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen ............................................................ 26 3.2.2.4 Heimarbeiter/Heimarbeiterinnen ........................................................................ 27 3.2.2.5 Vorstandsmitglieder............................................................................................ 27 3.2.2.6 Besondere Beschäftigungstypen ......................................................................... 28 3.2.2.6.1 Vortrags-, Seminar- und Trainertätigkeiten ................................................... 28 3.2.2.6.2 Mitwirken im Familienunternehmen .............................................................. 29 3.2.2.6.3 Geschäftsführer/Geschäftsführerinnen und Gesellschafter/Gesellschafterinnen ........................................................................................................................ 30 3.2.2.6.4 Sportler/Sportlerinnen im Mannschaftssport ................................................. 30 3.2.2.6.5 Ärzte/Ärztinnen .............................................................................................. 30 i
3.3 Der Dienstgeber/die Dienstgeberin und sein/ihr Unternehmen ...................................... 31 3.3.1 Dienstgeber/Dienstgeberin iSd § 35 ASVG .............................................................. 32 3.3.1.1 Gesellschaften ..................................................................................................... 32 3.3.1.1.1.1 Personengesellschaft und Kapitalgesellschaft ......................................... 34 3.3.1.1.1.2 Vorgesellschaft ........................................................................................ 36 3.3.1.1.1.3 Gesellschaft bürgerlichen Rechts ............................................................. 36 3.3.1.1.1.4 Konzern .................................................................................................... 37 3.3.1.2 Überlassung von Arbeitskräften ......................................................................... 37 3.3.1.3 Wohnungseigentumsgemeinschaften ................................................................. 38 3.3.1.4 Eheleute .............................................................................................................. 38 3.3.2 Unternehmen ............................................................................................................. 39 3.3.2.1 Unternehmensbegriffe in der österreichischen Rechtsordnung .......................... 41 3.3.2.1.1 Unternehmen iSd § 1 Abs 2 KSchG............................................................... 42 3.3.2.1.2 Unternehmen iSd § 1 Abs 2 UGB .................................................................. 42 3.3.2.1.3 Unternehmen iSd § 40 Abs 4 ArbVG und § 3 Abs 1 AVRAG ...................... 43 3.3.2.1.4 Unternehmen iSd § 1409 ABGB .................................................................... 44 3.3.2.2 Beziehung zwischen Dienstgebern/Dienstgeberinnen und „ihren“ Unternehmen . ............................................................................................................................ 44 3.3.2.3 (K)ein Unternehmen? ......................................................................................... 45 3.3.2.3.1 Private Haushalte............................................................................................ 45 3.3.2.3.2 Landtagsklubs................................................................................................. 45 3.3.2.3.3 Beteiligung von staatlichen Einrichtungen und Körperschaften öffentlichen Rechts ........................................................................................................................ 46 3.3.2.3.4 Juristische Personen des Kirchenrechts .......................................................... 46 3.4 Beschäftigung von durchschnittlich nicht mehr als 50 Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen ........................................................................................... 47 3.4.1 Ermittlung der Dienstnehmerzahl des Unternehmens ............................................... 48 3.4.2 Beobachtungszeitraum .............................................................................................. 49 3.4.3 Überschreitung .......................................................................................................... 50 3.5 Arbeitskräfteausfall aufgrund von Krankheit/Unfall ...................................................... 51 3.5.1 Unfall ......................................................................................................................... 52 3.5.1.1 Definition von Unfall und Arbeitsunfall ............................................................ 53 3.5.1.2 Sonderfälle von Arbeitsunfällen ......................................................................... 53 3.5.2 Krankheit ................................................................................................................... 55 ii
3.5.2.1 Definition von Krankheit und Berufskrankheit .................................................. 55 3.5.2.2 Sonderfälle von Krankheiten .............................................................................. 56 3.5.2.2.1 Organspende ................................................................................................... 57 3.5.2.2.2 Kosmetische, medizinisch nicht indizierte Eingriffe ..................................... 58 3.5.2.2.3 Freiwillige Schwangerschaftsabbrüche .......................................................... 58 3.5.2.2.4 In-Vitro-Fertilisation ...................................................................................... 58 3.5.3 Entgeltfortzahlungszuschuss bei Krankheit und Unfall ............................................ 59 3.5.4 Entgeltfortzahlungszuschuss im Zusammenhang mit COVID-19 ............................ 61 4 Resümée.................................................................................................................................. 64 iii
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 2. SVÄG 2003 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2003, BGBl I 2003/145 3. COVID-19-G 3. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/23 9. COVID-19-G 9. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/31 ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, JGS 1811/946 idF BGBl I 2020/16 Abs Absatz AG Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz, BGBl I 1965/98 idF 2019/63 AMFG Arbeitsmarktförderungsgesetz, BGBl 1969/31 AngG Angestelltengesetz, BGBl 1921/292 idF BGBl 2019/74 APSG Arbeitsplatzsicherungsgesetz 1991, BGBl 1991/683 idF 2017/126 ARÄG 2000 Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, BGBl 2000/44 Arb Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen ArbVG Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl 1974/22 idF BGBl I 2020/23 ARD Aktuelles recht zum Dienstverhältnis (Zeitschrift) ASchG ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl 1993/450 idF BGBl I 2018/100 ASGG Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl 1985/104 idF BGBl I 2018/100 ASoK Arbeits- und Sozialrechtskartei (Zeitschrift) ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl 1955/189 idF BGBl I 2020/105 AUVA Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AVRAG Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz, BGBl 1993/459 idF BGBl I 2020/107 BAG Berufsausbildungsgesetz, BGBl 1969/142 idF BGBl I 2020/112 BEinstG Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl 1970/22 idF BGBl I 2019/32 B-KUVG Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl 1967/200 idF BGBl I 2020/105 BMI Bundesministerium für Inneres BMLV Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport BudgetbegleitG 2003 Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71 1
BVAEB Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau B-VG Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1930/1 idF BGBl I 2020/24 BWG Bankwesengesetz, BGBl 1993/532 idF BGBl I 2019/46 DRdA Das Recht der Arbeit (Zeitschrift) DRdA-infas Aktuelle Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) ecolex Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht (1990 ff) EFZ-DV-VO Entgeltfortzahlungs-Zuschuss- und Differenzvergütungs- Verordnung, BGBl II 2018/146 idF BGBl II 2019/304 EFZ-DV-VO BVAEB Entgeltfortzahlungs-Zuschuss- und Differenzvergütungs- Verordnung für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau, BGBl II 2019/303 idF BGBl II 2019/303 EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz, BGBl I 1974/399 idF BGBl I 2018/100 EFZV Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, BGBl II 2005/64 idF BGBl II 2018/146 EFZV alt Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung, BGBl II 2002/443 idF BGBl II 2002/443 EheG Ehegesetz, dRGBl I S 1938/807 idF BGBl I 2017/59 EpiG Epidemiegesetz 1950, BGBl 1950/186 idF BGBl I 2020/104 EWIV Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung EWIVG EWIV-Ausführungsgesetz, BGBl 1995/521 idF BGBl I 2010/58 EWIV-VO Verordnung (EWG) 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl 1985 L 199/1 f folgender/e/s ff fortfolgende FS Festschrift gem gemäß GesbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GewO 1994 Gewerbeordnung 1994, BGBl 1994/194 idF BGBl I 2020/65 GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung 2
GmbhG Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, RGBl 1906/58 idF BGBl I 2018/71 HeimAG Heimarbeitsgesetz 1960, BGBl 1954/66 wiederverlautbart durch BGBl 1961/105 idF BGBl I 2018/61 Hrsg Herausgeber idF in der Fassung iHv in Höhe von infas Informationen aus dem Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) iSd im Sinne des/der iVm in Verbindung mit JBl Juristische Blätter (Zeitschrift) KG Kommanditgesellschaft KSchG Konsumentenschutzgesetz, BGBl 1979/140 idF BGBl I 2018/58 LG Landesgericht lit litera mE meines Erachtens öarr Österreichisches Archiv für Recht und Religion (Zeitschrift) ÖBl Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OG Offene Gesellschaft OGH Oberster Gerichtshof OLG Oberlandesgericht PartG 2012 Parteiengesetz 2012, BGBl I 2012/56 idF BGBl I 2020/24 RdW Recht der Wirtschaft (Zeitschrift) Rz Randziffer S Satz SanG Sanitätergesetz, BGBl I 2002/30 idF BGBl I 2020/33 sog sogenannter/sogenannte SozSi Soziale Sicherheit (Zeitschrift) SpG Sparkassengesetz, BGBl 1979/64 idF BGBl I 2017/107 SRÄG 2015 Sozialrechts-Änderungsgesetz 2015, BGBl I 2015/162 stG stille Gesellschaft stRspr ständige Rechtsprechung 3
SV-Komm Sozialversicherungskommentar SV-OG Sozialversicherungs-Organisationsgesetz, BGBl I 2018/100 SVSlg Sozialversicherungsrechtliche Entscheidungen VAG 2016 Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, BGBl I 2015/34 idF BGBl I 2020/38 VfGH Verfassungsgerichtshof vgl vergleiche VwGH Verwaltungsgerichtshof VwSlg A Erkenntnisse und Beschlüsse des VwGH (administrativrechtlicher Teil) wbl Wirtschaftsrechtliche Blätter (Zeitschrift) WEG Wohnungseigentumsgesetz 2002, BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2020/81 wobl Wohnrechtliche Blätter (Zeitschrift) Z Ziffer Zak Zivilrecht aktuell (Zeitschrift) ZAS Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht ZellKomm Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht ZfV Zeitschrift für Verwaltung ZfVB Zeitschrift für Verwaltung, Beilage 4
1 EINLEITUNG Im Jahr 2018 wurden 4,6 Mio. Krankenstandsfälle erfasst. Verglichen mit dem Jahr 2008 ist die Anzahl somit um 32,1 % angestiegen.1 Grundsätzlich gilt die Regel, dass ohne Erfüllung der Arbeitspflicht kein Anspruch auf Entgelt besteht. Jedoch sieht das Gesetz einige Fälle vor, welche von diesem Prinzip ausgenommen sind.2 Wird der Arbeitsvertrag aus rein schuldrechtlicher Sicht betrachtet, so würde mit Ausfall der Arbeitsleistung eine Leistungsstörung vorliegen, wodurch wiederum die §§ 918, 920, 1419 und 1447 AGBG zur Anwendung kämen.3 Allerdings werden die Regeln des allgemeinen Schuldrechts von arbeitsrechtlichen Vorschriften verdrängt. Demnach kommen die Normen des ABGB dann zur Anwendung, wenn es im arbeitsrechtlichen Kontext keine speziellen Regelungen zu diesem Fall gibt.4 Gem § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 EFZG hat ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er/sie nach Antritt des Dienstes aufgrund von Krankheit oder Unglücksfall an der Erfüllung der Arbeitspflicht verhindert ist, sofern er/sie besagte Verhinderung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeiführte. Vor Juli 2018 galten für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Regelungen bezüglich der Dauer der Entgeltfortzahlung. In diesem Bereich kam es durch die Gesetzesinitiative 2017 zu Angleichungen, die sich stärker am Arbeiterrecht orientierten; somit fielen diverse Begünstigungen der Angestellten weg.5 Nach aktueller Rechtslage stehen sowohl Arbeitern/Arbeiterinnen als auch Angestellten zumindest sechs Wochen volles Entgelt zu. Je nach Dauer des Dienstverhältnisses kann sich dieser Anspruch auf bis zu 12 Wochen erstrecken. Nach dieser Zeit besteht noch ein Anspruch auf halbes Entgelt für den Zeitraum von vier Wochen.6 Die damit verbundenen Kosten werden zwischen Arbeitgeber/Arbeitgeberin und Sozialversicherung aufgeteilt. Ursprünglich wurden in Österreich in Bezug auf 1 Statistik Austria, Krankenstandsfälle, -dauer und -tage seit 1965 nach Geschlecht, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/gesundheitszustand/krankenstaen de/022362.html (11.06.2020). 2 Drs, Arbeits- und Sozialrecht: Lernen. Üben. Wissen.5 (2019), 81. 3 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/563. 4 Jabornegg/Resch/Födermayr, Arbeitsrecht6 (2017) Rz 339. 5 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/629. 6 Drs, Arbeits- und Sozialrecht: Lernen. Üben. Wissen.5 (2019), 83f. 5
Entgeltfortzahlung zwei unterschiedliche Systeme angewendet, welche einerseits im EFZG für Arbeiter/Arbeiterinnen und andererseits im AngG für Angestellte verankert waren. 7 Während Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen von Angestellten das Entgelt für die oben genannten Zeiträume weiterzuzahlen hatten, wurde das Entgelt für Arbeiter/Arbeiterinnen von deren Arbeitgeber/Arbeitgeberin bloß vorgestreckt. Von Seiten der Krankenversicherungsträger erfolgte eine Rückerstattung in Form des sogenannten Erstattungsbetrages. Diese Erstattungsbeträge wurden allerdings mit dem ARÄG 2000 beseitigt.8 Um Klein- und Mittelunternehmer zu entlasten, werden von Sozialversicherungsträgern jedoch seit 2005 wieder die durch die Entgeltfortzahlung entstandenen Kosten zum Teil rückerstattet. Diese Rückerstattung wird als Entgeltfortzahlungszuschuss bezeichnet und beläuft sich gem § 53b ASVG auf 50 % oder 75 % – abhängig von der Anzahl der Beschäftigten – des entsprechenden fortgezahlten Entgelts zuzüglich eines Sonderzahlungszuschlags.9 Die vorliegende schriftliche Arbeit beschäftigt sich mit dem Entgeltfortzahlungszuschuss. Hierbei wird zuerst die Entwicklung vom Erstattungsbetrag bis zur Entstehung des Zuschusses zur Entgeltfortzahlung in seiner aktuellen Form dargestellt. Anschließend erfolgt die Besprechung des § 53b ASVG sowie eventueller Problemstellungen und offener Fragen. 7 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/589. 8 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/590. 9 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/591. 6
2 VOM ERSTATTUNGSBETRAG ZUM ENTGELTFORTZAHLUNGSZUSCHUSS 2.1 Erstattungsbetrag Zusammen mit dem EFZG wurde im Jahre 1974 der sog Entgeltfortzahlungsfonds eingerichtet, beide waren einerseits als Entlastung für Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen und andererseits als Schutz vor möglichen Kündigungen von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen aufgrund häufiger Krankheitsfälle angedacht. Vom Erstattungsfonds sollten vor allem kleinere Betriebe profitieren. Zum einen wurden Kleinbetriebe bei Ausfällen ihrer Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen entlastet, zum anderen ließ sich die Entgeltfortzahlung leichter kalkulieren.10 In der Stammfassung bestand gem § 8 EFZG idF ASRÄG 1997 (BGBl I 1997/139) für gesetzliche Krankenversicherungsträger die Pflicht, den Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen das fortgezahlte Entgelt sowie einen Pauschalbetrag im Ausmaß von 27,2 % des Entgelts zur Abdeckung der Lohnnebenkosten zurück zu erstatten.11 Sollte die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, auf der die Entgeltfortzahlung gründet, vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht worden sein, bestand gem § 8 Abs 6 EFZG idF ASRÄG 1997 kein Anspruch auf den Erstattungsbetrag.12 Mittel für die sog Erstattungsbeträge stammten aus Beträgen der Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen; außerdem war ein befristeter Beitrag seitens der Unfallversicherungsanstalt vorgesehen sowie unter Umständen ein Zuschuss vom Bund.13 Von 1978 bis 1993 kam es zu einem stufenweisen Abbau der Erstattungsbeträge. Bereits hier zeigte sich eine Tendenz zur Förderung von Kleinbetrieben. Mit der 2. Nov zum EFZG, BGBl 1978/664 erfolgte eine Einschränkung der Erstattung von Lohnnebenkosten. Jene wurden nur noch Kleinbetrieben erstattet, welche 15 % der Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen ausmachten. Daraufhin wurden die Erstattungsbeträge für die Entgeltfortzahlung mit Ausnahme von Kleinbetrieben zuerst auf 80 % (4. Nov zum EFZG, BGBl 1981/596) und schließlich auf 70 % (BGBl 1992/834) eingeschränkt.14 10 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 6. 11 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 1. 12 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/590. 13 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 1. 14 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 4. 7
Mit einer Angleichung der Entgeltfortzahlung der Arbeiter/Arbeiterinnen zu jener der Angestellten mit 1.10.200015 erfolgte die Auflösung des Entgeltfortzahlungsfonds.16 Die hohe Belastung und die mit Krankenstandsfällen einhergehenden Kalkulierungsprobleme führten in manchen Fällen zu Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer/Arbeitnehmerin und Arbeitgeber/Arbeitgeberin; es handelte sich dabei um einvernehmliche Auflösungen des Dienstverhältnisses mit einer Wiedereinstellungszusage nach der Genesung, um Entgeltfortzahlungsfälle zu vermeiden. Diese Praxis wurde allerdings „vom VwGH als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts angesehen“.17 2.2 Entwicklung des Entgeltfortzahlungszuschusses Im Rahmen des BGBl I 2002/155 wurden mit 1.10.2002 wieder Zuschüsse an Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen eingeführt. Jene Zuschüsse richteten sich ausschließlich an Klein- und Mittelunternehmer, die regelmäßig weniger als 51 Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen beschäftigten, und gebührten nur bei Arbeitsverhinderungen aufgrund von Unfällen, sofern deswegen Entgeltfortzahlungen für die Dauer von mehr als 3 Tagen anfielen. Zu Beginn galt der Zuschuss nur bei Dienstnehmern/Dienstnehmerinnen, welche bei der AUVA versichert waren.18 Dies wurde mit Art 73 BudgetbegleitG 2003 (BGBl I 2003/71) auf die Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen ausgedehnt. Der Zusammenschluss zwischen dieser Versicherungsanstalt und der Versicherungsanstalt des österreichischen Bergbaus ließ gem Art 1 2. SVÄG 2003 (BGBl I 2003/145) eine Änderung des Gesetzestextes folgen. Hiernach stand der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung auch Versicherten der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau zu.19 Am 4.7.201820 trat die Entgeltfortzahlungs-Zuschuss- und Differenzvergütungs-Verordnung in Kraft. Begründet wurde dies mit einigen Änderungen von § 53b ASVG sowie der Ermöglichung einer besseren Übersicht der Verordnung an sich.21 Mit dem SV-OG (BGBl I 2018/100; in Kraft seit 1.1.2020) erfolgte eine Veränderung bezüglich der Sozialversicherungsträger, sodass gem Art 1 SV-OG unter anderem die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) und die 15 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 8. 16 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 9. 17 Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 12; vgl VwGH 27.4.2011, 2008/08/0176, ARD 6175/5/2011 = infas 2011, 245 = ZfVB 2012, 63. 18 § 53b Abs 1 ASVG idF BGBl I 2002/155; Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 53b ASVG Rz 14. 19 Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 (351). 20 In Bezug auf die 75%-Zuschussregelung tritt die Verordnung rückwirkend mit 1.7.2018 in Kraft. 21 Lindmayr/Tuma, Zuschüsse der AUVA nach Entgeltfortzahlung – BGBl, ARD 6606/20/2018. 8
Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) zur neuen Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) verschmolzen; die ursprünglich in § 53b ASVG verankerte VAEB existierte nunmehr nicht weiter. Allerdings wurde im Rahmen der Gesetzesänderung eine idente Bestimmung im B-KUVG eingeführt sowie eine eigene Entgeltfortzahlungs-Zuschuss- und Differenzvergütungs-Verordnung (EFZ-DV-VO BVAEB) erlassen, die inhaltlich der EFZ-DV-VO entspricht.22 2.3 Leistung Generell wird unter einer Leistung eine bewusste Vermögenszuwendung verstanden. Hiermit wird versucht einen bestimmten Zweck zu erreichen. Dementsprechend kann eine solche Leistung auch zurückgefordert werden, sollte ohne rechtfertigenden Grund geleistet worden sein.23 Im österreichischen Sozialversicherungsrecht werden dem Versicherten/der Versicherten gewisse Leistungen seitens des Sozialversicherungsträger gesetzlich (gesetzliche Pflichtleistung) oder auf einer Satzung basierend (satzungsmäßige Mehrleistung) zugesprochen. Dieses Leistungsverhältnis wird „auch als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis gesehen“.24 Innerhalb des sozialversicherungsrechtlichen Rechtsschutzes wird zwischen Verwaltungs- und Leistungssachen entschieden. Zweitgenannte werden taxativ25 im Gesetz aufgezählt (§ 65 Abs 1 Z 1-8 ASGG; § 354 ASVG)26, während gem § 355 ASVG nicht explizit erwähnte Rechtsstreitigkeiten Verwaltungssachen sind.27 Da es sich beim Entgeltfortzahlungszuschuss um einen Leistungsanspruch aus der Unfallversicherung handelt, liegt damit eine Leistungssache iSd § 354 ASVG vor. Im ersten Schritt entscheidet der zuständige Sozialversicherungsträger als Behörde mit Bescheid über den Zuschuss zur Entgeltfortzahlung.28 Wird gegen diesen Bescheid ein Rechtsmittel erhoben, so entscheiden ordentliche Gerichte darüber.29 Mit Anrufung des Gerichts tritt der Bescheid der Verwaltungsbehörde außer Kraft; das Prinzip der sukzessiven Kompetenz greift.30 Außerdem ist der Zuschuss nach § 53b ASVG eine Sozialrechtssache iSd 22 Sabara, Änderungen im Bereich des Entgeltfortzahlungs-Zuschusses und der Differenzvergütung, ARD 6671/2/2019. 23 Zankl, Bürgerliches Recht9 (2020) Rz 235. 24 Resch, Sozialrecht (2017) 13. 25 OGH 16.3.2004, 10 Ob S 25/04f, ARD 5531/15/2004. 26 Resch, Sozialrecht (2017) 49. 27 Resch, Sozialrecht (2017) 50. 28 Pfeffer, Einstweiliger Rechtsschutz in Sozialrechtssachen (1996) 3. 29 Resch, Sozialrecht (2017) 50. 30 Pfeffer, Einstweiliger Rechtsschutz in Sozialrechtssachen (1996) 3. 9
§ 65 ASGG, weshalb diese Rechtsstreitigkeiten in den Zuständigkeitsbereich der Arbeits- und Sozialgerichte fallen.31 2.3.1 Höhe des Entgeltfortzahlungszuschusses Gem § 53b Abs 2 Z 2 ASVG gebührt dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin, sofern die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ein Zuschuss iHv 50 % des entsprechenden fortgezahlten Entgelts inklusive allfälliger Sonderzahlungen unter Beachtung der eineinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage. Die im Gesetzestext verwendete Phrase „des entsprechenden fortgezahlten Entgelts“ verweist auf die Entgeltfortzahlung, die nach § 3 EFZG, § 8 Abs 1 AngG oder § 1154b ABGB erfolgt.32 Weiters bringt dies zum Ausdruck, dass der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung nur für jenen Zeitraum zusteht, in welchem tatsächlich eine Entgeltfortzahlung erfolgte. Wurde dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin aufgrund verspäteter Meldung für eine bestimmte Anzahl an Tagen kein Entgelt ausgezahlt, hat der Sozialversicherungsträger für eben diesen Zeitraum keinen Zuschuss zu leisten.33 Aus dem Gesetzestext lässt sich somit ableiten, dass sich die Höhe des Entgeltfortzahlungszuschusses am fortgezahlten Entgelt bemisst. Grundsätzlich gilt in Österreich das Prinzip „Arbeitsleistung gegen Entgelt“. Kommt es jedoch zu einer Dienstverhinderung, ist zu klären, wer das Risiko trägt. Dieses Problem wird mit Hilfe der sog Sphärentheorie gelöst.34 Dabei wird zwischen der Sphäre des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin (§ 8 Abs 1 AngG, § 2 EFZG)35, der Sphäre des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin (§ 1155 ABGB)36 und der neutralen Sphäre37 unterschieden. Eine Dienstverhinderung aufgrund von Krankheit oder Unglücksfällen wäre dabei der Sphäre des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin zuzuordnen; demnach wäre die Dienstverhinderung auch von ihm/ihr zu vertreten. Allerdings sehen arbeitsrechtliche Bestimmungen stattdessen eine – wenngleich zeitlich begrenzte – Entgeltfortzahlung vor.38 31 Melzer-Azodanloo, Neues in der Sozialversicherung zu Krankheit und Unfall: der Entgeltfortzahlungszuschuss nach § 53b ASVG, in Resch (Hrsg), Krankenstand: Arbeits- und sozialrechtliche Probleme (2007), 68 (68); OGH 22.5.2006, 10 Ob S 58/06m, ARD 5705/8/2006. 32 Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 (354). 33 Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 (355). 34 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/563. 35 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/566. 36 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/565. 37 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/567. 38 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/586. 10
Ziel der Entgeltfortzahlung ist es, den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin so zu stellen, dass er/sie durch den Ausfall seiner/ihrer Arbeitsleistung wirtschaftlich keinen Nachteil hat;39 um dieses Ziel zu erreichen, werden das Bezugsprinzip, das Durchschnittsprinzip oder das Ausfallsprinzip angewendet.40 Nach einhelliger Meinung41 wird bei einer Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG das fiktive Ausfallsprinzip verwendet. Das fortzuzahlende Entgelt richtet sich bei jener Berechnungsmethode „nach dem am Beginn der Dienstverhinderung zu erwartenden Verdienstausfall, während der Eintritt von außerordentlichen Umständen während der Dienstverhinderung den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht mehr beeinflusst“42. Wie die genaue Berechnung des fortgezahlten Lohns erfolgt, ist dabei von der Form der Entlohnung abhängig. 43 Gem § 8 Abs 1 AngG behält ein Angestellter/eine Angestellte bei Dienstausfall aufgrund einer Krankheit oder eines Unglücksfalls seinen Entgeltanspruch. Der Wortlaut des Gesetzestextes fordert nicht explizit die Anwendung eines bestimmten Prinzips. Ableitbar ist jedoch der Sinn und Zweck der Bestimmung. Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin sollte trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung des Angestellten/der Angestellten seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag weiterhin erfüllen: unterdessen ist der Angestellte/die Angestellte nicht gezwungen seine Arbeit wieder aufzunehmen.44 Die überwiegende Meinung45 geht leitet hiervon die Anwendung des Bezugsprinzips ab, wonach für die Entgeltfortzahlung das zuletzt verdiente Entgelt herangezogen wird.46 Holzer bezeichnet hingegen das Lohnausfallsprinzip als einzige Form der Entgeltfortzahlung, welche einen dienstverhinderten Arbeitnehmer/eine dienstverhinderte Arbeitnehmerin nicht schlechterstellt.47 39 Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 1. 40 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/599. 41 Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 2; Binder, Zur Bemessung und Dauer von Entgeltfortzahlungsansprüchen, ZAS 2007, 100 (100); Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/599; OGH 11.6.1997, 9 Ob A 169/97m, ARD 4910/5/98. 42 Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 4. 43 Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 5. 44 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG10 § 8 Rz 114. 45 Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG10 § 8 Rz 113f; OGH 6.4.1994, 9 Ob A 603/93, DRdA 1995, 148 (Geist) = infas 1994, A 159 = ARD 4567/18/94. 46 Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 102. 47 Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 16. 11
2.3.1.1 Entgelt Grundsätzlich gibt es im Arbeitsrecht keine Legaldefinition für den Begriff Entgelt. 48 Zumeist erfolgt die Bemessung des Entgelts in Geld, jedoch wird jede Gegenleistung des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin für die erfüllte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin als Entgelt angesehen.49 Echte Aufwandsentschädigungen wie beispielsweise der Ersatz von Fahrt- und Hotelkosten bei Dienstreisen fallen allerdings nicht unter den Entgeltbegriff.50 Abzugrenzen hiervon sind jedoch überhöhte Aufwandsentschädigungen;51 als solche sind Aufwandsentschädigungen anzusehen, die den Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin – im Zusammenhang mit seiner/ihrer Arbeitsleistung – gar nicht oder nur im geringen Ausmaß treffen.52 Dies wäre dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin für eine Dienstreise ein Ticket in der ersten Klasse ersetzt wird, obwohl der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin eigentlich weiß, dass die betroffene Person zweite Klasse fährt.53 Sowohl Barzahlungen als auch bargeldlose Lohnzahlungen werden als Geldlohn bezeichnet.54 Davon abzugrenzen ist das sog Naturalentgelt, worunter all jene Leistungen fallen, die eben nicht in Geld bemessen werden.55 Somit sind Waren aller Art – beispielsweise Kleidung oder Nahrungsmittel –, aber auch die Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung sowie die Möglichkeit einen Dienstwagen auch privat nutzen dürfen als Formen von Naturalentgelt anzusehen.56 Werden in Kollektivverträgen Mindestentgelte mit festen Geldbeträgen vorgegeben, so sind diese nach dem sog Barzahlungsgebot auch in Geld zu entrichten.57 Anders als der Zeitlohn, der auf durchschnittlich geleistete Stunden in bestimmten Zeiträumen – beispielsweise Jahr, Monat oder auch Woche – Bezug nimmt,58 bezieht sich die Lohnhöhe bei 48 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/123. 49 Jabornegg/Resch/Födermayr, Arbeitsrecht6 (2017) Rz 265. 50 Drs, Arbeits- und Sozialrecht: Lernen. Üben. Wissen.5 (2019) 79. 51 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 188. 52 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/127. 53 OGH 28.11.1996, 9 Ob A 57/00y, ASoK 1997, 228 = ARD 4829/97. 54 Jabornegg/Resch/Födermayr, Arbeitsrecht6 (2017) Rz 269. 55 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 189. 56 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/136. 57 VwGH 27.7.2001, 95/08/0037, DRdA 2003, 338 (Löschnigg). 58 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/146. 12
erfolgsabhängigem Entgelt auf einen bestimmten Leistungserfolg des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin.59 Der Leistungslohn tritt in unterschiedlichen Formen auf, wobei der Akkord wohl am häufigsten vorkommt.60 Früher wurde das sog Geldakkordsystem angewendet. Im Gegensatz zum heute vorrangig angewendeten System begnügte sich das Geldakkordsystem damit einen Akkordsatz pro Leistungseinheit festzusetzen.61 Das Zeitakkordsystem hingegen kennt einerseits Zeitfaktor und andererseits Geldfaktor.62 Jener Faktor lässt sich dabei so berechnen, dass zum kollektivvertraglichen Zeitlohn ein bestimmter Prozentsatz addiert wird, der Akkordzuschlag heißt. Ergebnis dieser Rechnung ist der sog Akkordrichtsatz. Wird dieser wiederum durch 60 geteilt, ergibt das den Geldfaktor – auch Minutenfaktor genannt.63 Beim Zeitfaktor handelt es sich um die Zeit, welche für eine Leistungseinheit durchschnittlich benötigt wird.64 Der Verdienst des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin errechnet sich schließlich durch das Multiplizieren von Zeitfaktor, Geldfaktor und der Anzahl der erbrachten Leistungseinheiten.65 Akkordarbeiten können auch von mehreren Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen verrichtet werden; tritt dieser Fall ein, ist von Gruppenakkord die Rede.66 Eine andere Form von leistungsbezogenem Entgelt ist die Prämie. 67 Darunter wird eine Vergütung verstanden, die für einen besonderen Erfolg in Bezug auf die Arbeitsleistung ausgezahlt wird.68 Der Erfolg kann dabei sowohl eine Mengenleistung (Quantitätsprämie) sein, als auch an andere Kriterien anknüpfen – beispielsweise besondere Ausnützung von Roh- und Werkstoffen oder Güte und Genauigkeit der Arbeit (Qualitätsprämie).69 Aufgrund der Verknüpfung mit bestimmten Arbeitserfolgen ist die Prämie grundsätzlich ein bedingtes Entgelt. Anzumerken ist jedoch, dass in besonderen Fällen – wenn der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin den 59 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/148. 60 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 191. 61 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/149. 62 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 192. 63 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/150. 64 Jabornegg/Resch/Födermayr, Arbeitsrecht6 (2017) Rz 275. 65 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 192. 66 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/152. 67 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 193. 68 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/153. 69 OGH 2.6.1981, 4 Ob 135/80, DRdA 1982, 403 (Holzer); Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/153. 13
Eintritt der Bedingung für die Prämie treuwidrig verhindert – auch bei Nichteintritt das leistungsbezogene Entgelt ausgezahlt wird.70 Ebenso ist die Provision zu nennen.71 Hierbei handelt es sich um eine – zumeist prozentuelle – Beteiligung an den Geschäften des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin; damit ist die Provision neben der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auch von der Markt- und Geschäftslage abhängig.72 Allerdings muss die Beteiligung nicht prozentuell an die Arbeitsleistung geknüpft werden. Es besteht die Möglichkeit einen fixen Betrag als Provision zu vereinbaren.73 Empfänger dieses Leistungslohns können in unterschiedlicher Form auftreten. Während Vermittlungsvertreter Geschäfte einleiten – der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat dabei das Recht das Geschäft entweder zu genehmigen oder abzulehnen –, können Abschlussvertreter – als Handlungsbevollmächtigte – Geschäfte selbst zum Abschluss bringen.74 2.3.1.2 Sonderzahlungen Unter dem Begriff sind Leistungen zu verstehen, die entweder von Seiten des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin freiwillig ausgezahlt werden oder aber beispielsweise aufgrund langer Betriebszugehörigkeit geschuldet werden. Sonderzahlungen ergeben sich für gewöhnlich aus dem Kollektivvertrag anstatt aus dem Gesetz.75 In Österreich sind Weihnachts- und Urlaubsremunerationen – sog dreizehntes und vierzehntes Gehalt – gängig.76 In § 53b ASVG wird angegeben, dass sich der Entgeltfortzahlungszuschuss auch auf allfällige Sonderzahlungen bezieht. Sind durchschnittlich nicht mehr als 50 Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen in einem Unternehmen beschäftigt, steht gem § 4 Abs 1 EFZ-DV-VO bzw § 4 Abs 1 EFZ-DV-VO BVAEB neben dem fünfzigprozentigen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung ein Zuschlag für Sonderzahlungen iHv 8,34 % des tatsächlich fortgezahlten Entgelts (ohne Sonderzahlungen) zu. Tritt der Fall ein, dass ein Unternehmen im Durchschnitt weniger als 10 Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen beschäftigt, beläuft sich dieser Zuschlag auf 12,51 % (§ 5 EFZ-DV-VO bzw § 5 EFZ-DV-VO BVAEB). 70 OGH 10.4.2008, 9 Ob A 22/08p, DRdA 2010, 62 (Wolfsgruber) = ZAS-Judikatur 2008, 174 (Reiner) = ZAS 2008, 284 (Resch) = ASoK 2008, 369 = ARD 5892/2/2008 = wbl 2008, 390; Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/154. 71 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht5 (2015) 192. 72 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/155. 73 OGH 29.5.1979, 4 Ob 15/79, Arb 9797. 74 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/156. 75 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/169. 76 Löschnigg, Arbeitsrecht13 (2017) Rz 6/168. 14
2.3.1.3 Höchstbeitragsgrundlage Gem § 108 Abs 3 ASVG ist die eineinhalbfache Höchstbeitragsgrundlage bei der Bemessung des Entgeltfortzahlungszuschusses zu beachten. Unter dieser Höchstbeitragsgrundlage wird jene Einkommensschwelle verstanden, die die Obergrenze für die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen darstellt. Es handelt sich dabei um einen täglichen Wert (Kalendertag).77 Die allgemeine Beitragsgrundlage darf im Durchschnitt des Beitragszeitraums (oder eines Teiles davon) gem § 45 Abs 1 ASVG die festgelegte Höchstbeitragsgrundlage nicht überschreiten; ermittelt und kundgemacht wird die Höchstbeitragsgrundlage jährlich für das folgende Kalenderjahr vom Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (§ 108 Abs 1 ASVG). Für den Entgeltfortzahlungszuschuss bedeutet dies, dass er in seiner Höhe mit der eineinhalbfachen Höchstbeitragsgrundlage begrenzt wird. 2.3.1.4 Entgeltfortzahlungszuschuss iHv 50% oder 75% Grundsätzlich gebührt der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung iHv 50%, wenn der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin durchschnittlich nicht mehr als 50 Personen beschäftigt (§ 53b Abs 2 Z 1 ASVG). Sollte der Dienstgeber/die Dienstgeberin regelmäßig weniger als 10 Dienstnehmer/Dienstnehmerinnen beschäftigen, steht ihm/ihr gem § 53b Abs 2a ASVG ein Entgeltfortzahlungszuschuss iHv 75 % zu. Der Zuschuss für sog Kleinunternehmer gilt seit 1.7.2018.78 2.3.2 Anfall und Dauer des Entgeltfortzahlungszuschusses Grundsätzlich stehen Zuschüsse vom Sozialversicherungsträger gem § 4 Abs 1 EFZ-DV-VO bzw § 4 Abs 1 EFZ-DV-VO BVAEB bei Arbeitsverhinderungen aufgrund von Krankheit ab dem elften Krankenstandstag zu, sofern diese Dienstverhinderung für einen längeren Zeitraum als zehn aufeinanderfolgende Tage andauerte. Anders verhält es sich bei Arbeitsverhinderungen, denen ein Unfall zu Grunde liegt. Hierbei muss die Arbeitsunfähigkeit bloß länger als drei aufeinanderfolgende Tage andauern, wobei der Dienstgeber/die Dienstgeberin bereits ab dem ersten Tag Anspruch auf den Entgeltfortzahlungszuschuss hat. 77 § 45 Abs 1 ASVG; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 45 ASVG Rz 1; Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 108c ASVG Rz 3. 78 Shubshizky, Anhebung der AUVA-Zuschüsse zum Krankengeld für Kleinbetriebe, ASoK 2017, 473. 15
Pro Dienstnehmer/Dienstnehmerin und Arbeitsjahr (Kalenderjahr) stehen dem Dienstgeber/der Dienstgeberin Zuschüsse für höchstens 42 Kalendertage Entgeltfortzahlung zu. Dabei ist anzumerken, dass die maximale Anspruchsdauer auch für ein und denselben Krankheitsfall – wenn dieser denn zumindest 52 Tage lang andauert – ausgeschöpft werden kann.79 Es ist vom Gesetzgeber somit nicht vorgesehen, dass die ersten zehn Tage, für die kein Zuschuss zur Entgeltfortzahlung gebührt, in den Höchstanspruchszeitraum von sechs Wochen mit hineingerechnet werden.80 Dem Gesetzestext ist aufgrund des expliziten Hinweises auf Arbeitsjahr und individuellen Arbeitnehmer/individuelle Arbeitnehmerin, für den/die der Zuschuss gebührt, zu entnehmen, dass nicht beanspruchte Tage mit Jahreswechsel verfallen und im Folgejahr nicht zusätzlich zum neuen Kontingent in Anspruch genommen werden können.81 Daraus ist allerdings auch zu schließen, dass bei einem Arbeitsausfall, der so gelegen ist, dass er in einem Arbeitsjahr beginnt und im nächsten erst endet, mit Beginn des neuen Arbeitsjahres auf das volle Kontingent an Zuschusstagen in eben diesem Jahr zugegriffen wird. Es wird dabei angenommen, dass auch in Falle einer Krankheit, welche das Arbeitsjahr überschreitet, eventuelle restliche Tage aus dem alten Arbeitsjahr nicht im neuen konsumiert werden können.82 Der Beginn des Arbeitsjahres richtet sich – anders als das Kalenderjahr – nach dem Beginn des Arbeitsvertrages. Wenn das Beschäftigungsverhältnis mit 2. September beginnt, wird der Zeitraum vom 2. September bis 1. September des darauffolgenden Kalenderjahres als Arbeitsjahr angesehen.83 Dabei ist zu beachten, dass die Zusammenrechnungsregelung nach § 2 Abs 3 EFZG für unterbrochene Dienstverhältnisse beim selben Arbeitgeber/derselben Arbeitgeberin nicht analog zur Anwendung kommt.84 Anzumerken ist, dass der Wechsel vom Lehrling zum Facharbeiter nicht als die Begründung eines neuen Dienstverhältnisses gewertet wird. Sollten zum Zeitpunkt des Wechsels alle 79 Melzer-Azodanloo, Zur Höchstanspruchsdauer des Entgeltfortzahlungszuschusses, OGH 17.8.2006, 10 Ob S 123/06w, DRdA 2008, 257 (257). 80 OGH 17.8.2006, 10 Ob S 120/06d, ARD 5729/7/2006. OGH 17.8.2006, 10 Ob S 123/06w, DRdA 2008, 257 (Melzer-Azodanloo) = infas 2007, 26 = ZAS-Judikatur 2007, 18 = JBl 2007, 194 = ARD 5729/7/2006. 81 Melzer-Azodanloo, Zur Höchstanspruchsdauer des Entgeltfortzahlungszuschusses, OGH 17.8.2006, 10 Ob S 123/06w, DRdA 2008, 257 (259). 82 Melzer-Azodanloo, Zur Höchstanspruchsdauer des Entgeltfortzahlungszuschusses, OGH 17.8.2006, 10 Ob S 123/06w, DRdA 2008, 257 (259f); OGH 12.9.2006, 10 Ob S 108/06i, DRdA 2007, 147 = ARD 5729/8/2006. 83 Melzer-Azodanloo, Neuerungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, in Kietaibl/Resch, Aktuelle Änderungen im Arbeitsrecht: Gleichstellung Arbeiter und Angestellte und Datenschutz NEU (2019), 17 (25). 84 OGH 13.6.2017, 10 Ob S 54/17i, DRdA-infas 2017, 294 mit Bespr von Marischka = ecolex 2017, 1097 (Windisch-Graetz) = ARD 6560/10/2017 = RdW 2017, 708. 16
zuschussfähigen Tage ausgeschöpft worden sein, beginnt mit dem Ende der Lehrzeit und Beginn des Facharbeiterdienstverhältnisses kein neues Kontingent.85 2.3.3 Rückforderungsrecht Sollte der Zuschuss zur Entgeltfortzahlung zu Unrecht an den Dienstgeber/die Dienstgeberin ausgezahlt worden sein, kann sich der jeweilige Sozialversicherungsträger auf sein Rückforderungsrecht nach § 7 EFZ-DV-VO bzw § 7 EFZ-DV-VO BVAEB berufen; zu einer solchen nicht gerechtfertigten Auszahlung von Leistungen durch den Sozialversicherungsträger kann es beispielsweise kommen, wenn falsche Angaben seitens des Dienstgebers/der Dienstgeberin weitergeleitet werden. Liegen berücksichtigungswürdige Umstände (insbesondere schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Dienstgebers/der Dienstgeberin) vor, liegt es im Ermessen des Sozialversicherungsträgers, ob er auf die Rückforderung des Zuschusses ganz oder teilweise verzichtet; außerdem besteht die Möglichkeit die Rückzahlung in Raten zu gestatten.86 Das Recht auf Rückforderung zu Unrecht geleisteter Zuschusszahlungen verjährt gem § 107 Abs 2 lit b ASVG binnen drei Jahren. In einer älteren Fassung der EFZV räumte § 6 eine kürzere Frist von zwei Jahren ein. Der Judikatur des VfGH zufolge ist diese Verkürzung gesetzeswidrig, da der Verordnungsgeber nicht dazu ermächtigt gewesen ist, abweichende Regelungen zu § 107 ASVG zu erlassen.87 Der OGH verneinte außerdem die Anwendbarkeit des damaligen § 6 EFZV in laufenden Verfahren, in denen sich der behandelte Sachverhalt vor der Aufhebung durch den VfGH ereignet hatte.88 2.4 Differenzvergütung Neben dem Zuschuss zur Entgeltfortzahlung wird durch § 53b ASVG sowie den beiden dazugehörigen Durchführungsverordnungen auch noch die sog Differenzvergütung geregelt. Eingeführt wurde diese mit BGBl I 2013/139. Gem § 53b Abs 3 ASVG wird beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen für Schädigungen ab dem 31.7.2013 Dienstgebern/Dienstgeberinnen die Differenz zwischen dem Zuschuss zur Entgeltfortzahlung und der tatsächlichen Höhe der geleisteten Entgeltfortzahlung einschließlich der Sonderzahlungen vergütet. Für die Erhaltung dieses Zuschusses ist nach erfolgter Entgeltfortzahlung ein Antrag – nach Möglichkeit auf elektronischem Wege – der örtlich 85 LG Korneuburg, 6.12.2011, 8 Cgs 202/11h, SVSlg 60.313. 86 Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 (355). 87 VfGH 25.11.2013, V 17/2013, ASoK 2014, 73 = SVSlg 62.905 = RdW 2014, 58 = ARD 6380/13/2014. 88 OGH 23.4.2014, 10 Ob S 9/14t, ZAS-Judikatur 2014, 270 (Sonntag) = DRdA 2015, 97 (Kneihs). 17
zuständlichen Landesstelle der AUVA zu übermitteln.89 § 7 EFZ-DV-VO bzw § 7 EFZ-DV-VO BVAEB gilt auch für Differenzvergütungen; dementsprechend können zu Unrecht erfolgte Auszahlungen zurückgefordert werden (vgl 2.3.3). 2.4.1 Unfälle von Rettungsdienstmitgliedern Die Differenzvergütung gebührt, wenn der Grund für die Dienstverhinderung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin auf einen Unfall zurückzuführen ist, der gem § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG einem Arbeitsunfall gleichzustellen ist. Im Detail sind hiervon Mitglieder des Roten Kreuzes, freiwilliger Feuerwehren oder anderer Rettungsdienste (vgl § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG) betroffen, welche im Rahmen von Übungen, Einsätzen oder Ausbildungen einen Unfall haben. § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG bezieht sich ausschließlich auf ehrenamtliche Tätigkeit für die jeweiligen Rettungsdienste. Im Falle von entgeltlicher Tätigkeit bei einem solchen Rettungsdienst ist anzunehmen, dass die betroffene Person vermutlich in der Unfallversicherung pflichtversichert (vgl 3.2) ist.90 Darüber hinaus wird differenziert, ob es sich um ein Mitglied der Organisation oder einem freiwilligen Helfer handelt; bei jenen und ehrenamtlich tätigen Sanitätern (§ 14 Abs 1 Z 1 SanG) bezieht sich der Versicherungsschutz ausschließlich auf den Einsatz, während bei Mitgliedern auch Übungen und Ausbildungen mit abgedeckt sind.91 2.4.2 Unfälle im Rahmen von Katastrophenschutz und Katastrophenhilfe Neben den Mitgliedern diverser Rettungsdienste erfahren diese Sonderregelung auch Personen, die gem § 7 Abs 3 APSG nach Entlassung aus dem Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst ihre Arbeit nicht aufnehmen können, weil sie im Rahmen der Katastrophenhilfe oder des Katastrophenschutzes einen Unfall erlitten. Grundsätzlich entsteht der Entgeltanspruch gegenüber dem Dienstgeber/der Dienstgeberin erst wieder mit Antritt zur Arbeit.92 Ist der Antritt aus Gründen, welche seitens des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin nicht zu vertreten sind (vgl Sphärentheorie 2.3.1), nicht möglich, wird ihm/ihr dennoch der Anspruch auf Entgelt zu. Hierbei ist zu beachten, dass durch § 7 Abs 3 APSG der Anspruch nicht geschaffen wird, sondern lediglich eine Ausnahme für die Regelung geschaffen wird, welche vorschreibt, dass der Dienst zuerst wieder angetreten werden muss.93 89 Henhofer in Kuras, Handbuch Arbeitsrecht (Stand 1.3.2019, rdb.at) Kap 7.1.6.1. 90 Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 176 ASVG Rz 111. 91 Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 176 ASVG Rz 113. 92 OLG Wien 25.7.2003, 9 Ra 72/03d, ARD 5452/7/2003. 93 Spitzl/B. Gruber in Neumayr/Reissner (Hrsg), ZellKomm3 § 7 APSG Rz 2. 18
2.4.3 Kostenersatz durch BMI und BMLV Auch wenn die Differenzvergütung für Dienstgeber/Dienstgeberinnen von dem zuständigen Unfallversicherungsträger ausgezahlt wird, wird die Last dieses Zuschusses tatsächlich nicht von ihnen getragen. Gem § 53b Abs 4 ASVG ersetzt das Bundesministerium für Inneres die Kosten der Differenzvergütung, wenn die Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin in einem Unfall als Mitglied eines Rettungsdienstes (vgl 2.4.1) begründet liegt; ebenso werden die Kosten getragen, sollte der Arbeitsantritt nach dem Zivildienst nicht möglich sein. Kann der der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin nach seiner/ihrer Entlassung aus dem Präsenz- oder Ausbildungsdienst seine Arbeit nicht wieder direkt wiederaufnehmen, wird die Differenzvergütung gem § 53b Abs 5 ASVG vom Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport übernommen. 19
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