EUCH KLASSIK - PROGRAMM 2019/20 ZÜRICH La Chaux-de-Fonds - Migros-Kulturprozent-Classics
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W IR B R I N G E N E UCH K L A S S I K 019 / 2 0 Z Ü R I C H P R O G R A M M 2 - Fo n d s f · L u zern · L a Chaux-de Be rn · G e n
E N T- C L A S S I C S L T U R P R O Z MIGROS-K/2U0 in der Tonhalle Maag Zürich 9 Pr ogr amm 201 Sonntag, 6. Oktober 2019 – Abo I Sonntag, 15. März 2020 – Abo II WIENER SYMPHONIKER HR-SINFONIEORCHESTER Philippe Jordan (Leitung) Andrés Orozco-Estrada (Leitung) Julia Fischer (Violine) Joshua Bell (Violine) → Seite 9 → Seite 27 Freitag, 8. November 2019 – Abo II Donnerstag, 28. April 2020 – Abo II ORCHESTRA DELL’ACCADEMIA MAHLER CHAMBER ORCHESTRA NAZIONALE DI SANTA CECILIA Lahav Shani (Leitung und Klavier) Sir Antonio Pappano (Leitung) → Seite 33 Francesco Piemontesi* (Klavier) → Seite 15 Montag, 11. Mai 2020 – Abo I RUSSISCHES NATIONALORCHESTER Inhaltsverzeichnis Dienstag, 21. Januar 2020 – Abo I Mikhail Pletnev (Leitung) KAMMERORCHESTER BASEL Lucas Debargue (Klavier) Migros-Kulturprozent-Classics . . . . . . . . . . . . . 3 Sylvain Cambreling (Leitung) → Seite 39 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4–5 Sol Gabetta (Violoncello) Zum Programm . . . . . . . . . . . . . . . . . 6–7 → Seite 21 Konzert 1: Wiener Symphoniker . . . . . . . . . . . . . 8–13 Konzert 2: Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia . . . . . . 14–19 Konzert 3: Kammerorchester Basel . . . . . . . . . . . . 20–25 Konzert 4: hr-Sinfonieorchester . . . . . . . . . . . . . 26–31 Konzert 5: Mahler Chamber Orchestra . . . . . . . . . . . . 32–37 Konzert 6: Russisches Nationalorchester . . . . . . . . . . . 38–45 Abos und Karten . . . . . . . . . . . . . . . . 46–47 Saalplan Tonhalle Maag Zürich . . . . . . . . . . . . . 48–49 Tourneen und Einzelkonzerte . . . . . . . . . . . . . . 50–51 Ein nachhaltiges Engagement . . . . . . . . . . . . . 52 *Schweizer Solist 3
V O R W O R T Sehr geehrte Musikliebhaberinnen und Musikliebhaber «Die lebendige Idee ist es, was die Migros ausmacht», sagte Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler Gottlieb Duttweiler revolutionierte nicht nur den Lebensmittelhandel, er setzte sich zudem im Mai 1940 – und setzte damit das Fundament, auf dem die Migros noch heute steht. Eine dafür ein, dass wachsendem Wohlstand stets noch grössere soziale und kulturelle Leistungen Ideenwelt aufbauen, eine Vision haben, mit Leidenschaft und Pioniergeist etwas verwirklichen: folgen. Deshalb gibt es das Migros-Kulturprozent, das auf der «lebendigen Idee» basiert, Das alles ist Migros-typisch. mit unterschiedlichsten Projekten etwas Gutes für die Gesellschaft zu tun. Unsere Migros-Kulturprozent-Classics sind ein Teil davon – und darauf sind wir stolz. Eine Vision hatte Dutti auch, als er im Jahr 1948 eigens die Klubhaus-Konzerte ins Leben rief: der breiten Bevölkerung Zugang zur klassischen Musik verschaffen, auf höchstem künstlerischem Herzlich Niveau und dennoch erschwinglich für alle. Migros-typisch eben. Mit den Migros-Kulturprozent-Classics haben wir die von Duttweiler geschaffene Tradition in die Zukunft übertragen. Jede Saison lancieren wir neue Formate mit dem Ziel, jungen Musizierenden beim Start ihrer Karriere zu helfen und Ihnen, wertes Publikum, neue Entdeckungen zu bieten. «Ouvertüre» heisst die neu geschaffene Talentfördermassnahme. Vor allen Konzerten – in Bern, Genf, Luzern und Zürich – erhalten ausgewählte Nachwuchstalente die Chance, auf der grossen Hedy Graber Bühne aufzutreten. So eröffnen sich neue Horizonte: den Nachwuchskünstlerinnen und Leiterin Direktion Kultur und Soziales -künstlern genauso wie dem Konzertpublikum. Migros-Genossenschafts-Bund Sie sind einzigartig und musizieren auf höchstem Niveau: die Solistinnen und Solisten, Dirigenten sowie Orchester, die in der Saison 2019/2020 der Migros-Kulturprozent-Classics auftreten. Sie zählen zu den Besten der Welt. Und sie zeigen einmal mehr: Klassische Konzerte sind nicht nur ein kulturelles Erbe, das lebendig wird, sondern sie bieten musikalische Erlebnisse, die lange nachklingen. 4 5
G R A M M Z U M P RO Verehrtes Publikum Auch in der kommenden Spielzeit möchten wir Ihnen wieder klassische Konzerte zu moderaten Besonderen Wert legen wir auch diesmal wieder auf die Förderung junger Künstlerinnen Eintrittspreisen, aber auf höchstem Niveau bieten. Dass wir hierzu Spitzenorchester aus und Künstler. Zu Beginn jedes Konzerts erhalten talentierte Sänger und Instrumentalisten ganz Europa eingeladen haben, ist kein Zufall. In einer Zeit, die mit Abschottung und neuen aus der Schweiz Gelegenheit, sich Ihnen, liebes Publikum, vorzustellen. Eine «Ouvertüre» Grenzen von sich reden macht, halten wir es für umso wichtiger, auf das Verbindende in doppelter Hinsicht: nicht nur als Einstimmung auf den Konzertabend, sondern auch als hinzuweisen. Und eines der zentralen gemeinschaftsstiftenden Elemente unseres Kontinents Türöffner für «Unsere Stars von morgen». ist eben die klassische Musik. In diesem Sinne freuen wir uns auf eine erfahrungsreiche, Grenzen überwindende Spielzeit. Aus diesem Grund heissen wir nächste Saison Orchester aus Italien, Russland, Österreich, Deutschland und natürlich auch aus der Schweiz als Gäste willkommen. Während die einen Musik aus ihrem eigenen Land präsentieren, wagen die anderen einen Blick über den Tellerrand. Auf das hr-Sinfonieorchester mit seinem Brahms-Strauss-Schwerpunkt freuen wir uns ebenso wie auf das rein russische Programm von Mikhail Pletnevs Russischem Nationalorchester – und sind andererseits gespannt, wie Antonio Pappano und die Accademia Nazionale di Santa Cecilia Musik der deutschen Romantik interpretieren werden. Das Mahler Chamber Orchestra wiederum, ein dezidiert international angelegtes Projekt, schlägt eine musikalische Brücke von West nach Ost. Mischa Damev Intendant Einzelne Konzerthighlights hervorzuheben, fällt angesichts der Breite unseres Angebots Migros-Kulturprozent-Classics schwer. Vielleicht die einem einzigen Komponisten gewidmeten Porträtabende: Brahms (Wiener Symphoniker) und Rimski-Korsakow (Russisches Nationalorchester)? Das Migros- Debüt des französischen Pianisten Lucas Debargue mit Rachmaninows 1. Klavierkonzert sollte man sich jedenfalls nicht entgehen lassen, ebenso wenig die Uraufführung von Wolfgang Rihms «Concerto en SOL» mit der Cellistin Sol Gabetta. Ein Wiedersehen gibt es mit Weltklassesolisten wie Julia Fischer, Francesco Piemontesi und Joshua Bell sowie mit Nachwuchsstar Lahav Shani in seiner Doppelrolle als Dirigent und Pianist. 6 7
Konzert 1 – Abo I Tonhalle Maag Zürich Wiener Symphoniker Sonntag, 6. Oktober 2019, 18.30 h Philippe Jordan (Leitung) Julia Fischer (Violine) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Johannes Brahms (1833–1897) Allegro non troppo Konzert für Violine und Orchester Adagio D-Dur op. 77 (ca. 43') Allegro giocoso, ma non troppo vivace Pause Johannes Brahms Allegro non troppo Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op. 98 (ca. 40') Andante moderato Allegro giocoso Allegro energico e passionato r Julia Fische 8 9
PR O G R A M M Ko n z e r t 1 Johannes Brahms (1833–1897) kernd auf die Spitze: Während die Orchester Konzert für Violine und Orchester instrumente virtuose Begleitfiguren einwerfen, D-Dur op. 77 übt sich der Solist konsequent in Mehrstimmig- So manch ein Werk, das heute als Klassiker keit. Weitere Glanzstückchen aus dem Inventar der Geigenliteratur gilt, hatte es anfangs der Kontrapunktik verbirgt Brahms geschickt schwer. Wie die Violinkonzerte Beethovens und hinter dem ungarischen Flair des Satzes. Tschaikowskis stiess auch das D-Dur-Konzert von Johannes Brahms (1878) auf Skepsis: Johannes Brahms (1833–1897) Brahms war schliesslich Pianist, kein Streicher. Sinfonie Nr. 4 e-Moll, op. 98 Zudem dachte er in sinfonischen Strukturen, Jede der vier Sinfonien von Johannes Brahms pure Virtuosität war ihm ein Gräuel. Pablo de beginnt anders: schmerzlich zerrissen die erste, Sarasate, einer der grössten Geiger seiner Zeit, friedvoll die zweite, kämpferisch die dritte. Am brachte die Vorbehalte gegen op. 77 auf den Anfang der 1885 vollendeten Sinfonie Nr. 4 Punkt, als er lästerte, er wolle nicht mit dem steht eine Geigenmelodie, so wehmütig und Instrument in der Hand der einzigen Melodie des verträumt, als sei sie eben erst erfunden. Spon- ganzen Stücks lauschen. taner Einfall oder nicht – interessant ist, was Bei dieser Melodie handelt es sich um das in Brahms im Verlauf des Satzes aus diesem der Tat berückende Oboensolo zu Beginn des Gebilde macht. Er benutzt es nämlich als Stein- zweiten Satzes. Was Sarasate verkannte: dass bruch für zahlreiche weitere Themen und Brahms weder auf gesanglichen Schmelz noch Motive, in denen das Kernintervall der Melodie, auf instrumentale Brillanz verzichtet, beides die Terz, eine entscheidende Rolle spielt. allerdings in ein komplexes kompositorisches Das ist typisch für einen Komponisten, der Gefüge einbindet. Solist und Orchester sind romantische Empfindsamkeit und kühlen Kons- absolut gleichberechtigt, und das von Beginn an: truktionswillen in sich vereinigt. Im Finale der Johannes Brahms So herrscht im 1. Satz bei der Vorstellung der Sinfonie treibt Brahms diesen (scheinbaren) Hauptthemen geradezu brüderliche Eintracht. Gegensatz auf die Spitze, indem er nach Art Auch im Adagio hat die Oboe zwar das erste, die barocker Meister ein achttaktiges Thema 30 Sinfonie etwas leichtgewichtiger angelegt, als Anfangsschwierigkeiten setzte sich die Vierte Sologeige aber das zweite und vielleicht wichti- Variationen unterwirft. Auch hier beruht alles elegisches Andante und turbulent-grimmiges sowohl beim Publikum als auch bei den Fach gere Wort, indem sie die Bläsermelodie weiter- auf der Terz als zentralem Baustein – klanglich Scherzo. Nichtsdestotrotz verweisen auch sie kritikern rasch durch. Heute gilt sie als End- und führt, umformuliert und so den Ablauf des Satzes aber durchläuft dieser Satz Ausdrucksextreme dank des archaischen Tonfalls (Andante) und Gipfelpunkt nicht nur von Brahms’ orchestralem entscheidend bestimmt. Im Finale treibt Brahms von erschütternd über zärtlich bis majestätisch. kontrapunktischer Techniken (Scherzo) auf Œuvre, sondern der romantischen Sinfonie die Gleichberechtigung der Partner augenzwin- Demgegenüber sind die beiden Mittelsätze der Brahms’ kompositorische Doppelstrategie. Nach schlechthin. 10 11
INTE R P R E T E N Philippe Jordan Im Herbst 2020 wird Philippe Jordan Musik Jordans Wirken ist auf etlichen CDs und DVDs Ko n z e r t 1 direktor der Wiener Staatsoper. Ein weiterer dokumentiert, vor allem im Bereich der Oper: Mosaikstein in der glanzvollen Karriere des «Salome», «Tannhäuser», «Carmen» und «Figaro», Schweizer Dirigenten, die 1994 mit einem Enga- um nur einige zu nennen. Für die Aufnahme der gement am Stadttheater Ulm begann. Von da an «Alpensinfonie» mit dem Orchester der Pariser ging es steil bergauf: Assistent von Daniel Oper erhielt Jordan den renommierten CHOC Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden de l’année 2010. Mit den Wiener Symphoni- (1998), Chefdirigent in Graz (2001) und schliess- kern, deren Geschicke er seit 2014 leitet, ist die Wiener Symphoniker lich musikalischer Direktor der Opéra National Einspielung sämtlicher Beethoven-Sinfonien Die Wiener Symphoniker, im Jahr 1900 als zeit 2021 wird Andrés Orozco-Estrada seinen de Paris (2009). Dazu Gastspiele in New York, geplant; zum Jubiläumsjahr 2020 soll der Zyklus Orchester des Wiener Concertvereins gegrün- Posten übernehmen. Als Kulturbotschafter Wiens London, Mailand, München sowie bei den Fes- komplett vorliegen. det, machten schon bald durch Ur- und Erstauf- bestreitet das Orchester jährlich mehrere Kon- tivals von Glyndebourne, Bayreuth und Salzburg. führungen bedeutender Werke, wie Bruckners zerttourneen ins europäische und aussereuro- Neunter oder Mahlers Sechster, von sich reden. päische Ausland, mit den Bregenzer Festspielen Julia Fischer Auch nach dem Zweiten Weltkrieg mangelte besteht schon seit 1946 eine erfolgreiche Julia Fischers Werdegang steckt voller Superla- dence ist Julia Fischer hochbegehrt, wie ihre es dem Orchester niemals an Qualität, sondern Kooperation. Durch rege Konzerttätigkeit in den tive: jüngste Hochschulprofessorin Deutsch- Engagements in Berlin, Dresden, Amsterdam, lediglich an einem eigenen musikalischen Profil. Wiener Aussenbezirken, durch Benefiz- und lands, meistverkauftes Klassikdebüt auf iTunes Frankfurt und bei den Festspielen Mecklenburg- Zu seinen Leitern zählten Dirigenten wie Herbert Jugendkonzerte findet zudem eine Rückbesin- und von der Süddeutschen Zeitung zur «Jahr- Vorpommern belegen. Ihre Ausnahmestellung von Karajan, Wolfgang Sawallisch oder Carlo nung auf die Ursprünge des Orchesters statt, das hundert-Geigerin» geadelt – mit gerade einmal zeigt sich auch darin, dass sie mittlerweile den Maria Giulini. Seit 2014 ist Philippe Jordan Chef- gegründet wurde, um möglichst vielen Menschen 23 Jahren. Seit dem Sieg beim Yehudi-Menuhin- CD-Labels den Rücken gekehrt hat und stattdes- dirigent der Symphoniker; mit Beginn der Spiel- klassische Musik nahezubringen. Wettbewerb 1995 hat sie so ziemlich alles sen ganz auf Selbstvermarktung setzt. 2016 gewonnen, was die Musikszene an Auszeich- wurde ihr in ihrem Heimatort München zudem nungen bietet, vom Gramophone Award über das Bundesverdienstkreuz verliehen. Und als den Diapason d’Or und den Echo Klassik bis hin wäre all dies nicht genug, ist Fischer auch noch zum Midem Classic Award. Als Artist in Resi- eine ausgezeichnete Pianistin. r Julia Fische an Philippe Jord 12 phoniker 13 Wiener Sym
Konzert 2 – Abo II © Eric Richmond Warner Classics Tonhalle Maag Zürich Orchestra dell’Accademia Nazionale Freitag, 8. November 2019, 19.30 h di Santa Cecilia Sir Antonio Pappano (Leitung) Francesco Piemontesi (Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Carl Maria von Weber (1786–1826) Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» (ca. 10') Frédéric Chopin (1810–1849) Allegro maestoso Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 (ca. 41') Romance – Larghetto Rondo – Vivace Pause Robert Schumann (1810–1856) Sostenuto assai – Allegro ma non troppo Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 (ca. 40') (mit einer langsamen und feierlichen Einleitung) Scherzo. Allegro vivace Adagio espressivo Allegro molto vivace Pappano Sir A ntonio 14 15
PR O G R A M M Kon z er t 2 Carl Maria von Weber (1786–1826) der Wiederkehr der Anfangsthematik in die Chopin selbst allerdings dürfte dem Ouvertüre zur Oper «Euryanthe» Schranken gewiesen wird. Am guten Ende der langsamen Satz den Vorzug gegeben Die Uraufführung des «Freischütz» 1821 in Berlin Oper lässt diese Ouvertüre keinen Zweifel – dass haben: eine Romanze in E-Dur, die vom war ein derartiger Triumph für Carl Maria von es bis dorthin ein weiter Weg ist, aber auch nicht. Klangkontrast zwischen gedämpften Weber, dass der nächste Schritt nur folgerichtig Streichern und klar gezeichneter Klavier- erschien: die Komposition einer heroisch-drama- Frédéric Chopin (1810–1849) melodie lebt – «wie ein Traum im Mond- tischen Oper. Der Auftrag hierzu kam aus Wien, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 licht» (Chopin). Adressatin dieses nächtli- als Librettistin wählte Weber die Romantikerin Das Klavierkonzert e-Moll markiert eine Wende chen Grusses war Konstancja Gladkowska Helmina von Chézy. Dramaturgische Schwächen im Leben Frédéric Chopins. Seine Premiere gewesen, eine junge Sängerin, von der sich des Textbuchs gelten als Hauptgrund, warum erfolgte im Rahmen von Chopins Warschauer Chopin 1830 ebenfalls hatte verabschieden sich «Euryanthe» trotz erfolgreicher Premiere Abschiedskonzert im Oktober 1830; wenige müssen. Mit dem Klavierkonzert konnte er Frédéric Chopin nie so recht durchsetzen konnte. Was umso Wochen später verliess er Polen Richtung Paris. wenigstens eine klingende Reminiszenz an bedauerlicher ist, als Webers Oper entwick- Auch dort diente ihm das Stück Anfang 1832 als sie mit in die Fremde nehmen. lungsgeschichtlich für Wagners Musikdramen Einstand und Türöffner. Anwesend waren Satz, einer romantischen Paraphrase über ein den Boden bereitet. neben der pianistischen Crème de la Crème – Robert Schumann (1810–1856) Stück aus dem «Musikalischen Opfer». Aber An den «Lohengrin» etwa erinnert nicht nur vom Kalkbrenner, Hiller, Mendelssohn – auch Ver Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 auch schon in den Anfangstakten des Werks, Inhalt her vieles: Ritterromantik, das Thema der leger, Klavierbauer und vor allem: potenzielle Die 2. Sinfonie von Robert Schumann ist das wenn Bläser- und Streicherstimmen gegenein- Gattentreue, Verklärungsszenen und eine spezi- Kunden aus Adel und Bürgertum, für die er in Dokument einer Krise – biografisch wie kom ander in Konkurrenz treten. elle Figurenkonstellation. Auch stilistisch setzte der Folge als Klavierlehrer arbeiten würde. positorisch. Schumann selbst bekannte später, Als weiteres Vorbild ist Franz Schubert zu nen- Weber Massstäbe für die Zukunft: durch drama- Sie alle konnten sich anhand des e-Moll-Kon- er habe sie «im December 1845 noch halb nen, dessen Entdeckung als Sinfoniker ja auf tische Deklamation, die Weitung geschlossener zerts überzeugen, dass der junge polnische Emi- krank» geschrieben, und meinte auch, man Schumann persönlich zurückgeht. Schuberts Formen, instrumentale Effekte und Ansätze zu grant über Geschmack, Stilsicherheit und eine müsse ihr dies anhören. «Erst im letzten Satz grosse C-Dur-Sinfonie stand mit ihrer über- einer Leitmotivtechnik. exzellente Klaviertechnik verfügte. Im ersten fing ich an mich wieder zu fühlen; wirklich wurde schäumenden rhythmischen Energie und ihren In der Ouvertüre zu «Euryanthe» verfolgte Weber Satz des Werks sind es drei Themen, die Chopin ich auch nach Beendigung des ganzen Werkes Sehnsuchtsklängen für Schumanns Werk Pate. einen ähnlichen Ansatz wie in der zum «Frei- auf seine unnachahmliche Weise durch Ver wieder wohler.» Zur Gestaltung innermusikalischer Konflikte und schütz»: Zentrale Themen der Oper werden nicht zierungen und Umspielungen subtil verfeinert. Im Vorfeld der Sinfonie hatte Schumann einge- deren Überwindung wiederum griff Schumann bloss vorgestellt, sondern zu einem konflikthaf- Ganz anders das Finale, eine pianistische Tour hend Kontrapunktstudien betrieben und sich mit auf einen dritten Komponisten zurück: Ludwig van ten Ablauf verdichtet. So mündet der anfängliche de Force im Stil eines polnischen Volkstanzes, der Musik Johann Sebastian Bachs beschäftigt. Beethoven. Im Finale ist es sogar ein Beethoven- Jubelton unerwartet in eine mystische Geigen- des Krakowiak. Noch heute lässt sich erahnen, Hierdurch lernte er eigenem Bekunden nach das Zitat, das für die endgültige Bestätigung von passage, die auf die Geisterszene des ersten Akts welchen Eindruck die kaum gezügelte Wildheit Komponieren noch einmal neu. Tatsächlich C-Dur sorgt: eine Zeile aus dem Liederzyklus vorausweist. Aus ihr entwickelt sich ein immer dieses Rondos auf das Pariser Salonpublikum spielt das Schaffen Bachs eine bedeutende «An die ferne Geliebte», mit der Schumann ein- dichteres, turbulenteres Fugato, das zuletzt von gemacht haben mag. Rolle für die 2. Sinfonie, vor allem im langsamen mal mehr seine Liebe zu Clara bekundete. 16 17
IN T E R P R E T E N Sir Antonio Pappano Seine britisch-italienische Staatsbürgerschaft auch das italienische Opernrepertoire liegt. Kon z er t 2 lebt der 1959 bei London geborene Antonio 2006 brachte ihm die Einspielung von «Tristan Pappano seit vielen Jahren auch dirigentisch aus: und Isolde» mit Plácido Domingo einen von mitt- als Künstlerischer Leiter des Royal Opera House lerweile vier Echo Klassik ein, 2013 erhielt er in London sowie des Orchestra dell’Academia den International Opera Award als Dirigent des Nazionale di Santa Cecilia in Rom. Entdeckt Jahres. Auch die gesellschaftlichen Auszeich- wurde Pappano von Daniel Barenboim, der ihn nungen Pappanos spiegeln seine Verwurzelung als Assistenten nach Bayreuth mitnahm; wei- in zwei Ländern: 2012 wurde er mit dem Ver- Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia tere Stationen waren die Opernhäuser von Oslo dienstorden der Italienischen Republik geehrt Gegründet 1908, widmete sich das Orchestra Renommee – und das mittlerweile wieder sehr und Brüssel. Pappano gehört zu den wenigen und zusätzlich von der Queen geadelt. dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in erfolgreich auch auf dem Gebiet der Oper. Die Dirigenten weltweit, denen sowohl Wagner als seinen Anfangsjahren ausschliesslich dem sin- Einspielungen von Puccinis «Madama Butterfly» fonischen Repertoire. Werke wie Respighis mit Angela Georghiu, von Rossinis «Stabat Francesco Piemontesi «Fontane» und «Pini di Roma» wurden urauf Mater» mit Anna Netrebko sowie von Verdis Zehn Jahre ist es her, da kürte die BBC Francesco Londoner Wigmore Hall aufzuführen. Höchstes geführt, prominente Dirigenten wie Mahler, «Aida» mit Jonas Kaufmann und Anja Harteros Piemontesi zum «New Generation Artist» – der Kritikerlob gab es auch für seine Aufnahme der Strauss, Toscanini und Furtwängler gaben sich erlangten Kultstatus und wurden mit Preisen Startschuss zu einer internationalen Karriere, die 24 Préludes von Debussy (2015), der er 2018 den die Klinke in die Hand. Unter der Leitung von überhäuft. Unter den jüngeren Veröffentlichun- den aus Locarno stammenden Pianisten mittler- ersten Band von Liszts «Années de Pélérinage» Giuseppe Sinopoli und Daniele Gatti, vor allem gen sind die drei Sinfonien von Leonard Bernstein weile rund um die Welt geführt hat. Piemontesi, folgen liess. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» aber seit der Amtsübernahme durch Antonio zu nennen, der von 1983 bis zu seinem Tod ausgebildet von Klavierlegenden wie Alexis pries seine «subtile Anschlagtechnik», für die Pappano 2005 erspielte sich das Vorzeige Ehrenpräsident des Orchesters war. Weissenberg, Murray Perahia und Alfred Brendel, «Neue Zürcher Zeitung» ist er schlichtweg ein ensemble aus Italiens Hauptstadt internationales spielte im Concertgebouw Amsterdam, in der «Klangzauberer». Seit 2013 prägt Piemontesi das Berliner Philharmonie, in den USA, in Japan Musikfestival Settimane Musicali di Ascona als und China. 2016/17 wurde ihm die Ehre zuteil, künstlerischer Leiter. sämtliche Mozart-Sonaten in der renommierten emontesi Francesco Pi Pappano Sir A ntonio ilia di Santa Cec ll’Accadem ia Nazionale 18 Orchestra de 19
Konzert 3 – Abo I Tonhalle Maag Zürich Kammerorchester Basel Dienstag, 21. Januar 2020, 19.30 h Sylvain Cambreling (Leitung) Sol Gabetta (Violoncello) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Igor Strawinski (1882–1971) Vivace – Moderato «Concerto in Re» für Streichorchester (ca. 22') Arioso. Andantino Rondo. Allegro Wolfgang Rihm (*1952) «Concerto en SOL» (ca. 20') Uraufführung Pause Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) Andante con moto – Allegro un poco agitato Sinfonie Nr. 3 a-Moll Vivace non troppo «Schottische» op. 56 (ca. 40') Adagio Allegro vivacissimo – Allegro maestoso assai Sol Gabet ta 20 21
PR O G R A M M Ko n z e r t 3 Wolfgang Rihm Igor Strawinski (1882–1971) huldigt augenzwinkernd italienischem Belcanto: ssen Sinfonien vollendet. Ihre Anfänge freilich «Concerto in Re» für Streichorchester Celli und erste Geigen wetteifern hier um die reichen ins Jahr 1829 zurück, als der junge Aufführungen von Igor Strawinskis Concerto in elegantere Melodielinie. Das Schlussrondo setzt Komponist die Britischen Inseln besuchte und Re sind für das Kammerorchester Basel geradezu dann wieder auf motorische Energie; lediglich vor allem in Schottland zahlreiche Reiseeindrü- eine Verpflichtung, steht man doch in der Tra- im Mittelteil kommt sein Perpetuum-mobile- cke sammelte, die sich auch kompositorisch dition von Paul Sachers legendärem Basler Charakter kurzzeitig zum Erliegen. niederschlugen. So notierte er angesichts der Kammerorchester, das von 1926–1987 bestand Ruinen des Holyrood Palace in Edinburgh einen und dem das Concerto gewidmet ist. Sacher Wolfgang Rihm (*1952) musikalischen Einfall, der zur Keimzelle des hatte es zum 20-jährigen Jubiläum seines «Concerto en SOL» Uraufführung langsamen Satzes wurde: «Ich glaube, ich habe Ensembles bei Strawinski in Auftrag gegeben. Der erfolgreichste lebende deutsche Kompo- heut da den Anfang meiner Schottischen Sym- Trotz vielfältiger Verpflichtungen kam der Kom- nist – dieses Etikett kommt eindeutig Wolfgang phonie gefunden.» ponist der Bitte nach; im Januar 1947 erfolgte Rihm zu. Kompositionsstudent schon als Schüler, Dass es ganze 13 Jahre bis zur Fertigstellung des die Uraufführung. gelang ihm mit 22 der Durchbruch bei den musik ebenso wie im Vokalen, wobei v.a. seine Werks dauerte, dafür lassen sich mehrere Gründe Stilistisch gesehen, bildet das Concerto in Re Donaueschinger Musiktagen. Zu seinen Lehrern Bühnenwerke besondere Beachtung fanden. ins Feld führen. Auf der direkt anschliessenden den Abschluss von Strawinskis mittlerer, der zählten Wolfgang Fortner, Karlheinz Stockhausen Illuster ist auch die Riege seiner Uraufführungs- Italienreise fehlte dem jungen Komponisten die neoklassizistischen Schaffensphase, zu der und Klaus Huber, in deren Fussstapfen Rihm solisten: Daniel Barenboim, Anne-Sophie Mutter, Inspiration, die «Schottische Nebelstimmung», Werke wie das Capriccio für Klavier und bald selbst trat. Nach vierjähriger Lehrtätigkeit Steven Isserlis, Renaud Capuçon, um nur einige wie er schrieb. Später kamen allgemeine Über- Orchester (1929) oder das Concerto in Es (1938) in München übernahm er 1985 die Professur für zu nennen. Bei der Eröffnung der Elbphilharmonie legungen hinzu, die Schwierigkeit, nach Beetho- gehören. Ein letztes Mal bedient sich der Komposition in seiner Heimatstadt Karlsruhe. Hamburg stand ebenfalls ein neues Rihm-Werk ven ein überzeugendes sinfonisches Konzept zu Komponist hier dezidiert barocker Formen Der Schweiz ist er seit 2016 eng verbunden: als im Zentrum. Von seinen zahlreichen Auszeichnun- entwickeln – überlagert von der Frage, wie viel und Tonfälle – in einer spielerisch aufge- Leiter der von Pierre Boulez begründeten Lucerne gen seien hier nur der Ernst von Siemens Musik- «Programm», also Inhalte, man einem Orches- lockerten Atmosphäre, die an Bachs Branden- Festival Academy. preis, der Grawemeyer Award sowie das Bundes- terwerk zumuten durfte. burgische Konzerte erinnert. Geht es darum, Rihms Schaffen zu beschreiben, verdienstkreuz mit Stern genannt. Schliesslich Die gefundene Lösung jedenfalls begeisterte Der 1. Satz ist ein beschwingtes Vivace im fällt immer wieder ein Begriff: Subjektivität. noch ein Blick auf seine Schüler, zu denen u.a. zeitgenössische Hörer auf Anhieb. Jeder Satz Giguen-Rhythmus, das den Gegensatz von D-Dur Eigene Wege zu finden, eine eigene Sprache zu Jörg Widmann, Philip David Hefti und Rebecca der a-Moll–Sinfonie setzt einen anderen inhalt- und d-Moll lustvoll ausspielt. Immer wieder entwickeln, das ist für ihn der Wesenskern Saunders zählen. lichen Schwerpunkt (Natur – Volksfest – Rui- treten einzelne Instrumente nach Art eines künstlerischer Ästhetik; Dogmatismus begreift nen – Kampf), ohne die formalen Vorgaben der Concerto grosso, solistisch oder in Kleingruppen, er als «Zeichen der Schwäche». In diesem Sinne Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) Tradition zu vernachlässigen. Zudem ist das Werk aus dem Streicherverbund hervor. Dagegen wir- standen seine Werke oft quer zu den Trends, Sinfonie Nr. 3 a-Moll «Schottische» als Zyklus angelegt: durch Mendelssohns Vor- ken die beiden eingeschobenen Moderato- eben weil sie so stark vom Künstler-Ich geprägt Von der Nummerierung lasse man sich nicht schrift, die vier Sätze ohne Pause hintereinander Abschnitte mit ihren blockhaften Tutti-Akkorden sind. Kompositorisch fühlt sich Rihm in allen täuschen: Mendelssohns «Schottische» wurde zu spielen, ebenso wie durch verwandtschaft regelrecht statisch. Der 2. Satz, ein Arioso, Genres zu Hause, in der Kammer- und Orchester- erst 1842 und damit als letzte seiner fünf gro- liche Beziehungen zwischen den Hauptthemen. 22 23
INTE R P R E T E N Sylvain Cambreling Mit Sylvain Cambreling gastiert ein Dirigent bei ereilte: Opernchef in Frankfurt (1992–1997), in Ko n z e r t 3 Migros-Kulturprozent-Classics, der in den ver- Stuttgart (2012–2018), dazwischen Chefdirigent gangenen Jahrzehnten vor allem in der deut- des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und schen Musiklandschaft Spuren hinterliess. Freiburg, Gastspiele in Wien, Salzburg, an der Danach sah es anfangs gar nicht aus, beschränkte Met, der Scala. Zweimal wurde Cambreling zum sich Cambrelings Wirken als junger Dirigent doch Dirigenten des Jahres gekürt, für die Einspielung zunächst auf sein Heimatland Frankreich, die von Messiaens Orchesterwerken gab es 2009 Oper Lyon und das Pariser Ensemble Intercon- den Jahrespreis der Deutschen Schallplatten- Kammerorchester Basel temporain. 1981 ging er nach Brüssel. Am dorti- kritik. Aktuell hat der «Universalist unter den Dass ein Orchester auch ohne festen Dirigenten Romantik bis zur Moderne, die man mit regel- gen Opernhaus La Monnaie arbeitete er dann so Dirigenten» seine Zelte bei den Symphonikern auf höchstem Niveau musizieren kann, beweist mässig vergebenen Kompositionsaufträgen erfolgreich, dass ihn ein Ruf nach dem andern in Hamburg aufgeschlagen. das Kammerorchester Basel seit mehr als zwei bereichert. Unter seinem Ersten Gastdirigenten Jahrzehnten. Gegründet 1984 als Serenata Giovanni Antonini beteiligt sich das Orchester Sol Gabetta Basel, erfolgte die Umbenennung im Jahr 1999; an einer neuen Gesamtaufnahme von Haydns Schon mehrmals war sie im Rahmen von Migros- in Olsberg sowie Auftritte mit den renommier- seither verzichtet man auch auf einen Chefdiri- Sinfonien, zusammen mit Heinz Holliger wird Kulturprozent-Classics zu hören: die argentini- testen Orchestern weltweit, von den Berliner, genten. Wie beim legendären Basler Kammer- man zudem Schuberts Sinfonien einspielen. sche Cellistin Sol Gabetta, die seit Jahren ihren Wiener und Münchner Philharmonikern bis zum orchester von Paul Sacher ist die stilistische Grossen Wert legt das Ensemble auch auf die Wohnsitz in der Schweiz hat. Obwohl erst Ende Orchestre National de Radio France und den Bandbreite des Ensembles gross: Sie reicht von Musikvermittlung an Kinder und Jugendliche. 30, kann Gabetta auf eine beeindruckende musi- Tschechischen Philharmonikern. «Sie versprüht der Alten Musik – die auf historischen Instru- 2008 erhielt das Kammerorchester Basel einen kalische Laufbahn zurückblicken: 3. Preis beim eine fast unbändige Musizierlust, lässt den menten präsentiert wird – über Klassik und Echo Klassik. ARD-Musikwettbewerb 1998, mehrfache Echo- Cellobogen vor Freude tanzen», urteilte die Klassik-Preisträgerin, Premio Gardel 2009 und Presse. Und Gabetta gibt diese Freude an der zuletzt der Herbert-von-Karajan-Musikpreis. Musik weiter: als Moderatorin des BR-Klassik- Dazu hochgelobte CD-Einspielungen, eine stetig Magazins «KlickKlack», das vor allem junge wachsende Fangemeinde, ein eigenes Festival Menschen anspricht. Sol Gabet ta g Sylva in C ambrelin 24 ester Basel 25 Kammerorch
Konzert 4 – Abo II © Werner Kmetitsch Tonhalle Maag Zürich hr-Sinfonieorchester Sonntag, 15. März 2020, 18.30 h Andrés Orozco-Estrada (Leitung) Joshua Bell (Violine) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Johannes Brahms (1833–1897) Allegro non troppo Konzert für Violine und Orchester Adagio D-Dur op. 77 (ca. 43') Allegro giocoso, ma non troppo vivace Pause Richard Strauss (1864–1949) «Don Juan», Sinfonische Tondichtung (ca. 20') Richard Strauss Suite aus der Oper «Der Rosenkavalier» (ca. 25') o-Estrada Andrés Orozc 26 27
PR O G R A M M Richard Strauss Kon z er t 4 Johannes Brahms (1833–1897) instrumente virtuose Begleitfiguren einwerfen, mannsthal mit Skepsis zu begegnen. Nach den Konzert für Violine und Orchester übt sich der Solist konsequent in Mehrstimmig- hochambitionierten Vorgängerwerken «Salome» D-Dur op. 77 keit. Weitere Glanzstückchen aus dem Inventar und «Elektra», letztere auf einen Hofmannsthal- So manch ein Werk, das heute als Klassiker der der Kontrapunktik verbirgt Brahms geschickt Text, wirkte der «Rosenkavalier» wie eine Flucht Geigenliteratur gilt, hatte es anfangs schwer. Wie hinter dem ungarischen Flair des Satzes. in die heile Welt von 1740. Dem widersprach der die Violinkonzerte Beethovens und Tschaikowskis Dichter mit der Bemerkung, es sei «mehr von der stiess auch das D-Dur-Konzert von Johannes Richard Strauss (1864–1949) Vergangenheit in der Gegenwart, als man ahnt». Brahms (1878) auf Skepsis: Brahms war schliess- «Don Juan», Sinfonische Tondichtung Eine gewisse Aktualität, oder besser Überzeit- lich Pianist, kein Streicher. Zudem dachte er in «Don Juan» gehört nicht nur zu den ersten Ton- lichkeit, gehört im «Rosenkavalier» also zum sinfonischen Strukturen, pure Virtuosität war ihm dichtungen von Richard Strauss, sondern auch Konzept. Weshalb Strauss hier auch bewusst ein Gräuel. Pablo de Sarasate, einer der gröss- zu den interessantesten. Anders als bei späte- auf den Paradetanz des 19. (nicht des 18.) Jahr- ten Geiger seiner Zeit, brachte die Vorbehalte ren Werken – dem «Till Eulenspiegel» oder der hunderts zurückgreift, auf den Wiener Walzer gegen op. 77 auf den Punkt, als er lästerte, er «Alpensinfonie» zum Beispiel – schwieg sich nämlich – ganz zu schweigen von seinem eige- wolle nicht mit dem Instrument in der Hand der Strauss über das Programm, also den Inhalt des nen Personalstil, der zwar die Modernismen einzigen Melodie des ganzen Stücks lauschen. Stücks, aus. Die Passagen aus Lenaus Vers- zunehmend selbstbewusst – um ganz zuletzt, der «Elektra» meidet, aber immer noch erkenn- Bei dieser Melodie handelt es sich um das in drama, die er der Partitur voranstellte, ergeben auf dem Gipfel des Triumphs, umzuschlagen in bar zeitgenössisch ist. Inhaltlich spiegelt sich der Tat berückende Oboensolo zu Beginn des lediglich ein Psychogramm des Helden; von Melancholie und Lebensüberdruss. diese Haltung im Vergänglichkeitsmonolog der zweiten Satzes. Was Sarasate verkannte: dass einer «Handlung» kein Wort. Und doch lässt sich Und genau diese Kombination aus kraftstrotzen- Feldmarschallin: «Die Zeit, die ist ein sonder- Brahms weder auf gesanglichen Schmelz noch diese als Reigen von Liebesabenteuern, von der, sexuell grundierter Diesseitigkeit und fah- bar Ding.» auf instrumentale Brillanz verzichtet, beides Werbung, Eroberung und Abschied leicht nach- lem, ersterbendem Abgesang in Moll fügt sich Vordergründig arbeitet der «Rosenkavalier» mit allerdings in ein komplexes kompositorisches vollziehen. nahtlos in die Entstehungszeit (1888) der Ton- den üblichen Versatzstücken einer musikali- Gefüge einbindet. Solist und Orchester sind Das liegt v. a. an der Prägnanz der Themen, die dichtung ein: eine von Fortschrittsglauben und schen Komödie, mit Intrigen, Verkleidungen und absolut gleichberechtigt, und das von Beginn an: so plastisch gestaltet und raffiniert instrumen- Optimismus geprägte Epoche, die aufkommende Liebe auf den ersten Blick. Auch die Figuren sind So herrscht im ersten Satz bei der Vorstellung der tiert sind, wie es wohl nur ein Richard Strauss Endzeitstimmung nur mühsam kaschierte. «Don bekannt: der lüsterne Baron, die alternde Dame, Hauptthemen geradezu brüderliche Eintracht. vermochte. Dem überschäumenden Elan der Juan» wurde Strauss’ erster grosser Erfolg. das junge Liebespaar. Hinter diesen Typisierun- Auch im Adagio hat die Oboe zwar das erste, die Anfangstakte wird sich kein Hörer entziehen gen aber werden immer wieder die Menschen Sologeige aber das zweite und vielleicht wichti- können – mit dieser auffahrenden Gebärde tritt, Richard Strauss (1864–1949) erkennbar, ihre Selbstzweifel, ihre inneren gere Wort, indem sie die Bläsermelodie weiter- nein: stürmt Don Juan selbst auf die Bühne. Suite aus der Oper «Der Rosenkavalier» Widersprüche. Aus der Musik zur Oper wurde führt, umformuliert und so den Ablauf des Satzes Später beruhigt sich die Musik, sorgt für Intimi- Eine Rokoko-Oper im Jahr 1911? Aus der Feder viel später (wohl 1944 durch Arthur Rodzinski) entscheidend bestimmt. Im Finale treibt Brahms tät und solistisches Liebesgeflüster (Geige, zweier Künstler, die man eher der Avantgarde eine Orchestersuite zusammengestellt, die nicht die Gleichberechtigung der Partner augenzwin- Flöte, Oboe). Aufhalten lässt sich ein Don Juan zurechnete? Es gab durchaus Grund, dem neuen der Handlung folgt, sondern mit einer rauschen- kernd auf die Spitze: Während die Orchester davon nicht, im Gegenteil, seine Auftritte klingen Projekt von Richard Strauss und Hugo von Hof- den Walzerepisode endet. 28 29
INTE R P R E T E N Andrés Orozco-Estrada Andrés Orozco-Estrada stammt aus Medellín, ter übernehmen wird, die Symphoniker nämlich. Ko n z e r t 4 doch seine musikalische Karriere ist eng mit der Dazwischen liegen seine Debüts mit den Berliner Stadt Wien verbunden. Hier studierte er sechs Philharmonikern (2017), bei den BBC Proms und Jahre lang Dirigieren, feierte 2004 seinen Durch- den Wiener Philharmonikern (beide 2018). «Ich bruch als Einspringer mit Bruckners Vierter und dirigiere um mein Leben!», bekannte er einmal, wurde 2009 zum Chef des Tonkünstler-Orches- und tatsächlich machte ihn seine mitreissende, ters Niederösterreich gekürt. Nach weiteren hochemotionale Art sowohl in Frankfurt wie im Leitungspositionen in San Sebastián und Hous- Baskenland zum Publikumsliebling. Das Land hr-Sinfonieorchester ton folgte 2014 mit dem Wechsel an die Spitze Österreich drückte seine Zuneigung auf offizielle Die Anfänge des Orchesters liegen im Jahr 1924, Inbal, Hugh Wolff und Paavo Järvi erhielt das des hr-Sinfonieorchesters der nächste Karriere- Weise aus: durch Verleihung der Ehrenstaatsbür- als Radio Frankfurt seine Hörer mit Live-Musik hr-Sinfonieorchester, so der Name seit 2005, sprung. Und der übernächste steht 2021 an, gerschaft an den Kolumbianer. aus dem Studio überraschte. Unter dem Namen neue Impulse. Projekte wie Barock+, die Klang- wenn Orozco-Estrada erneut ein Wiener Orches- «Frankfurter Rundfunk-Symphonie-Orchester» biennale für zeitgenössische Musik und das wurde v. a. die zeitgenössische Moderne gepflegt, Music Discovery Project, mit dem man ein jun- Joshua Bell Werke von Arnold Schönberg, Paul Hindemith ges Publikum anspricht, zeigen die künstlerische Man nennt ihn den «Poeten an der Violine» – und der Ausflüge in den Jazz- und Rockbereich, an der oder Kurt Weill etwa. Nach dem Krieg blieb man Bandbreite des Orchesters. Die Auszeichnungen wirklich ist das kantable, ausdrucksvolle Spiel Seite von Musikern wie Chick Corea oder James dieser Linie treu und nahm durch die Verpflich- für seine CD-Einspielungen sind vielzählig, dar- des US-amerikanischen Geigers Joshua Bell Taylor. Mehr als 40 CDs hat Joshua Bell mittler- tung eines farbigen Chefdirigenten (Dean Dixon) unter zwei Grammy-Nominierungen, mehrere unverkennbar. Schon als 14-Jähriger konzertierte weile veröffentlicht und dafür diverse Auszeich- sowie durch Gastspiele in Osteuropa auch in Echos, der Cannes Classical Award und der er mit einem Profiorchester, drei Jahre später nungen erhalten, vom Gramophone Award über gesellschaftlicher Hinsicht eine Vorreiterrolle Grand Prix du Disque. folgte sein Debüt in der New Yorker Carnegie den Diapason d’Or bis zu einem Grammy für die ein. Unter der künstlerischen Leitung von Eliahu Hall. Ein weiteres Markenzeichen Bells: künstle- Ersteinspielung des Violinkonzerts von Nicholas rische Neugier. Zu seinem Repertoire gehören Maw. Auch als Dirigent ist der 1967 geborene Vivaldis «Vier Jahreszeiten» ebenso wie Violin- Musiker höchst erfolgreich: 2011 kürte ihn die konzerte von Barber, Bloch, Goldmark und von Academy of St Martin in the Fields zum Nachfol- Zeitgenossen, daneben gönnt er sich immer wie- ger ihres legendären Gründers Neville Marriner. Joshua Bell trada A ndré s Orozco-Es 30 rc hester 31 hr-Sinfonieo
Konzert 5 – Abo II © Marco Borggreve Tonhalle Maag Zürich Mahler Chamber Orchestra Dienstag, 28. April 2020, 19.30 h Lahav Shani (Leitung und Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Darius Milhaud (1892–1974) Prélude. Modéré «La création du monde», op. 81 (ca. 18') Le chaos avant la création. Fugue La naissance de la flore et de la faune La naissance de l’homme et de la femme. Vif Le désir Le printemps ou l’apaisement Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Allegro Konzert für Klavier und Orchester Andante Nr. 2 F-Dur op. 102 (ca. 20') Allegro Pause Ludwig van Beethoven (1770–1827) Allegro con brio Sinfonie Nr. 5 c-Moll, op. 67 Andante con moto «Schicksals-Sinfonie» (ca. 35') Allegro Allegro i Lahav Shan 32 33
PR O G R A M M Kon z er t 5 Darius Milhaud (1892–1974) ten Abschnitt seine Vereinigung zelebriert wird bindlich im Ton, mit frechen Themen im Jung den er an seine erste Moll-Sinfonie stellte. In «La création du monde», op. 81 (Soli von Klarinette und Saxophon). Das kurze pionierstil und einem wehmütigen Mittelsatz diese Zeit fallen einige markante Ereignisse poli- Die «Ballets Suédois» waren ähnlich wie Finale schliesslich kombiniert Motive der vor- von Chopin’scher Eleganz. Wenn da nur die tischer wie privater Art: die drohende Nieder- Diaghilews berühmte «Ballets Russes» ein hergehenden Sätze und deutet so die zyklische kleinen, versteckten Widerborstigkeiten nicht lage gegen Napoleon, das Eingeständnis irre- hauptsächlich in Paris aktives Ensemble, das Struktur irdischen Lebens an. wären: falsche Akkorde, schrille Zwischentöne, versibler Ertaubung, aber auch ein neues künst- durch innovative Tanzproduktionen von sich Spott über pianistische Leerfloskeln und im lerisches Niveau seit Beendigung der «Eroica». reden machte. In den fünf Jahren seines Beste- Dmitri Schostakowitsch (1906–1975) Finale ein 7∕ 8 -Takt, der zum Stolpern bei Höchst- Welches Konzept verfolgte Beethoven in der hens arbeitete das Team um den Schweden Konzert für Klavier und Orchester geschwindigkeit einlädt … Keine künstlerische neuen Sinfonie? Jean Börlin mit Künstlern wie Ravel, Honegger, Nr. 2 F-Dur op. 102 Leistung? In diesem Fall wird man dem Kompo- Dass die berühmten Anfangstöne der Fünften für Satie und Cocteau zusammen. 1923 entstand Mit seinem F-Dur-Klavierkonzert bereicherte nisten getrost widersprechen dürfen. das Schicksal stehen, das «an die Pforte klopft», das Ballett «La création du monde» mit Musik Dmitri Schostakowitsch im Jahr 1957 das Reper- ist bekannt. Entscheidend aber ist der musikali- von Darius Milhaud. Bei der Uraufführung toire um ein Werk, das beim Publikum ausser Ludwig van Beethoven (1770–1827) sche Prozess, den sie in Gang setzen. Beethoven erregte es grosses Aufsehen: nicht nur wegen ordentliche Beliebtheit geniesst und auch von Sinfonie Nr. 5 c-Moll, op. 67 schreibt nicht einfach eine Sinfonie, die in Moll seines Inhalts, der sich afrikanischer Schöp- Fachkritikern geschätzt wird. Eine bemerkens- Vier Jahre lang, von 1804 bis 1808, arbeitete beginnt und in Dur endet, sondern er inszeniert fungsmythen bedient, sondern auch wegen der werte Ausnahme bildete Schostakowitsch selbst. Ludwig van Beethoven an seiner 5. Sinfonie – diese Entwicklung als folgerichtig, um nicht zu spektakulären Kostüme von Fernand Léger. Und, Es enthalte «keine nennenswerte künstlerische ein deutliches Zeichen für den hohen Anspruch, sagen notwendig. In vier Stufen wird das natürlich, wegen der Musik: Sie ist ganz unver- Leistung», schrieb er an einen Freund. Ehrliche Schicksal überwunden: So scheint C-Dur am kennbar vom Jazz inspiriert, den Milhaud 1920 Selbstkritik oder Schutzbehauptung? Ende von Satz eins bereits erreicht, als eine in London und 1922 in New York hatte studieren Fest steht zumindest, dass es Solokonzerte im düstere Coda dieses Ergebnis wieder einkas- können und von dem er begeistert war. sozialistischen Realismus nicht leicht hatten. siert. Im zweiten Satz wird der lyrische Gesamt- Bluesharmonien prägen bereits das meditative Schostakowitschs 1. Klavierkonzert von 1933, eindruck zusehends durch Marschsignale auf Vorspiel, bevor Milhaud im zweiten Satz, der das eine selbstbewusste Absage an spätroman- gebrochen – Vorahnung des finalen Triumphs. das Chaos vor dem Schöpfungsakt malt, eine tisches Virtuosentum darstellt, wurde aufgrund Selbst das (nicht als solches bezeichnete) Fuge im Jazzstil präsentiert. Klanglich höchst seines ätzenden Sarkasmus kaum noch gespielt. Scherzo lebt ganz von musikalischen Konflikten, effektvoll, wandert das Fugenthema vom Kon- Und das 1947 komponierte Violinkonzert, das und hier, in den letzten Takten, erfolgt dann end- trabass zu Posaune, Saxophon und Trompete, künstlerischen Ernst mit humanistischem Ethos gültig der Umschwung zum erlösenden C-Dur. um anschliessend das gesamte Orchester in verbindet, musste sieben Jahre lang auf seine Der Schlusssatz ist Jubel pur, dessen weltum- seinen Bann zu ziehen. Im dritten Satz, bei der Uraufführung warten. spannendes Ethos durch Zusatzinstrumente wie Erschaffung der Lebewesen, kehrt dieses Op. 102 ist daher ein Konzert «durch die Hinter- Piccolo, Posaunen und Kontrafagott zum Aus- Material verwandelt wieder. Danach hat das tür»: ein Geburtstagsständchen für den 19-jäh- druck kommt. «Dem Schicksal in den Rachen erste Menschenpaar zu den flotten Rhythmen rigen Sohn Maxim, der sich auf eine Karriere als greifen» – hier geschieht es musikalisch. eines Cakewalks seinen Auftritt, bevor im fünf- Pianist vorbereitete. Klassisch im Aufbau, ver- Dmitri Schostakowitsch 34 35
IN T E R P R E T E N Kon z er t 5 Mahler Chamber Orchestra Lahav Shani Das Mahler Chamber Orchestra ist eng mit dem Yuja Wang. Für eine Berlioz-Einspielung von Wird nach den grössten dirigentischen Nach- nic, bei der Staatskapelle Berlin, wurde 2017 Wirken Claudio Abbados verknüpft, der 1986, 2003 gab es den Deutschen Schallplattenpreis, wuchshoffnungen unserer Zeit gefragt, fällt Ständiger Gastdirigent der Wiener Symphoniker noch in Zeiten des Kalten Kriegs, das Gustav eine Beethoven-Aufnahme mit Martha Argerich immer wieder ein Name: Lahav Shani. «Ein und ein Jahr später sogar Chefdirigent der Phil- Mahler Jugendorchester als musikalisches Frie- wurde für den Grammy nominiert. Zu den zahl- Ausnahmetalent», so der Deutschlandfunk, ein harmoniker von Rotterdam. Damit nicht genug, densprojekt gründete. Elf Jahre später bewog reichen Tourneen des MCO kommen einige «Temperamentsbündel», ergänzte der Wiener wird er ab 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta das Erreichen der Altersgrenze einige seiner «Residenzien», etwa seit 2009 in den Metropo- «Standard». 2013, mit 24 Jahren, triumphierte die Leitung des Israel Philharmonic Orchestra Mitglieder, ein neues Ensemble zu etablieren – len Nordrhein-Westfalens. Neben Abbado war der Israeli beim Gustav-Mahler-Dirigentenwett- übernehmen. Mit dieser Berufung schliesst sich auch hieran hatte Abbado wesentlichen Anteil. der junge Daniel Harding von Beginn an das bewerb in Bamberg und erhielt daraufhin Ein ein Kreis, für den in Tel Aviv geborenen Lahav Seitdem hat das Mahler Chamber Orchestra, als Gesicht des Orchesters; er wurde mittlerweile ladungen von den besten Orchestern weltweit. Shani, der auch ein exzellenter Pianist ist: Trat Projektgemeinschaft von Elitemusikern, mit den zum Ehrendirigenten gekürt. Als Artistic Part- Shani gastierte beim City of Birmingham Sym- er doch schon als 16-Jähriger zusammen mit besten Solisten weltweit zusammengearbeitet, ners fungieren derzeit Mitsuko Uchida, Teodor phony Orchestra, beim Los Angeles Philharmo- Mehta und den Philharmonikern auf. darunter Anna Netrebko, Jonas Kaufmann und Currentzis und Pekka Kuusisto. Lahav Shani stra 36 mber Orche 37 Mahler Cha
Konzert 6 – Abo I © Xiomara Bender Tonhalle Maag Zürich Russisches Nationalorchester Montag, 11. Mai 2020, 19.30 h Mikhail Pletnev (Leitung) Lucas Debargue (Klavier) Programm «Ouvertüre»: Unsere Stars von morgen (ca. 10') Sergei Rachmaninow (1873–1943) Vivace Andante Konzert für Klavier und Orchester Allegro vivace Nr. 1 fis-Moll op. 1 (ca. 39') Nikolai Rimsky-Korsakov (1844–1908) Introduktion. Andante sostenuto Tanz der Vögel. Allegro Suite aus der Oper «Schneeflöckchen» (ca. 15') Cortège. Allegro alla marcia Tanz der Possenreisser. Vivace Pause Nikolai Rimsky-Korsakov Allegro – Allegretto alla marcia Allegro – Maestoso Suite aus der Oper Allegro – Moderato – Andantino – Allegro – Andante – «Das Märchen vom Zaren Saltan» (ca. 25') Lento – Moderato – Allegro Nikolai Rimsky-Korsakov Vorspiel: Lob der Einsamkeit. Larghetto alla breve Hochzeitszug – Überfall der Tataren. Allegretto – Suite aus der Oper «Die Legende Allegro assai von der unsichtbaren Stadt Kitesch» Die Schlacht am Kershenez. Allegro (arr. Maximilian Steinberg) (ca. 25') Der selige Tod der Jungfrau Fewronia – Die Wallfahrt zur unsichtbaren Stadt. Larghetto – Andante non troppo – Più mosso gue Lucas Debar 38 39
PR O G R A M M Kon z er t 6 Sergei Rachmaninow (1873–1943) gesten auf, behält den energischen Bewegungs- Konzert für Klavier und Orchester impuls aber bei. Auf halber Strecke beruhigt Nr. 1 fis-Moll op. 1 sich das Geschehen kurzzeitig, bevor der Solist Sergei Rachmaninows 1. Klavierkonzert ist das mit furiosen Triolenpassagen einen packenden Werk eines 18-Jährigen, der gerade sein Studium Schlusspunkt setzt. am Moskauer Konservatorium beendete. Auch wenn es Vorbilder wie Schumann, Chopin und vor Nikolai Rimsky-Korsakov (1844–1908) allem Grieg nicht verleugnet, weist es doch vor- Suite aus der Oper «Schneeflöckchen» aus in Rachmaninows berufliche Zukunft. Bei Nikolai Rimsky-Korsakovs Leben und Werk stehen einer Teil-Uraufführung des Werks im März beispielhaft für die Suche eines Künstlers nach 1892 lobte die Presse «Geschmack, Sensibilität, den ihm eigenen Ausdrucksmitteln. Als 17-Jähri- Melodie, Eleganz und unbezweifelbares hand- ger stiess der Sohn eines Verwaltungsbeamten werkliches Können» des jungen Mannes. zum Kreis um Balakirew, wo man ihn nicht nur Der Anfang des Konzerts gleicht einem Fanal: ermunterte, die Laufbahn eines Komponisten ein- Auf eine Unisono-Fanfare der Bläser antwortet zuschlagen, sondern ihm auch ästhetische Vor der Solist mit einer überfallartigen Akkord- gaben machte: Hinwendung zu Stoffen der russi- Kaskade. Die eigentlichen Hauptthemen des schen Geschichte, Studium der Volksmusik, 1. Satzes dagegen sind lyrischen Charakters, Abgrenzung von «westlichen» Einflüssen. Schon dunkel timbriert und atmen bereits die typische bald galt der junge Rimsky neben Mussorgski und Rimsky-Korsakov Rachmaninow-Aura mit ihrem sehnsüchtigen Borodin als grosser Hoffnungsträger des Kreises. Auf und Ab. In der Durchführung findet ganz all- Mit der Übernahme einer Professur am Peters- mählich ein Rollentausch statt: Zunächst hat das burger Konservatorium 1871 begann die allmäh- Musikalisch hat die Abkehr von den Balakirew- Nikolai Rimsky-Korsakov (1844–1908) Orchester allein das Wort, dann bringt sich das liche Abnabelung vom Mentor Balakirew. Auch Idealen dem Werk nicht geschadet, eher im Suite aus der Oper Klavier als Begleiter ins Spiel, etabliert sich als im Opernschaffen von Rimsky schlägt sich dies Gegenteil. In «Schneeflöckchen» erweist sich «Das Märchen vom Zaren Saltan» Dialogpartner und übernimmt zuletzt die Führung. nieder: Behandelte sein Erstling «Das Mädchen Rimski-Korsakow als begnadeter Charakter- Den «Hummelflug» kennt jeder – aber wer kennt Der liedartig angelegte 2. Satz lebt von reizvollen von Pskow» noch ein historisches Thema, spielt zeichner und Klangzauberer. Einen kleinen Ein- die Oper, aus der er stammt? Nikolai Rimsky- Dialogen des Klaviers mit Fagott, Horn und ande- seine dritte Oper «Schneeflöckchen» in mär- druck davon gibt die Suite aus der Oper: die von Korsakov schrieb «Das Märchen vom Zaren ren Bläsern. Hier erweist sich Rachmaninow als chenhafter Vorzeit. Schneeflöckchen, die Toch- vielen Vogelrufen durchzogene Vorahnung des Saltan» im Alter von 55 Jahren, auf dem Höhe- ausserordentlich klangsensibler Komponist mit ter von Frühlingsfee und Väterchen Frost, begibt Frühlings (Introduktion), der zwitschernde Vogel- punkt seines Ruhms. Als Dozent am Petersburger Sinn für Orchesterfarben. Das Finale nimmt den sich unter die Menschen, lernt die Liebe kennen, tanz (zweiter Satz), der feierliche Aufzug des Konservatorium, erfolgreicher Opernkomponist zu Beginn des Konzerts etablierten Gegensatz aber auch den Tod. Als am Ende der Frühling Zaren mit seiner unregelmässigen Taktgliede- und letztes aktives Mitglied des «Mächtigen von Orchester-Unisono und virtuosen Klavier- Einzug hält, schmilzt sie dahin. rung und der wilde Tanz der Possenreisser. Häufleins», des Kreises um Mussorgski und 40 41
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