DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...

 
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DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
400 JAHRE

                          SCHW
                          ARZEN
                          BERG IN MURAU.

 DIE ADELSFAMILIE
 SCHWARZENBERG
Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den
     Aufstieg einer Dynastie und erntete dafür die männliche Erbfolge.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
DIE ADELSFAMILIE
 SCHWARZENBERG
Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den
     Aufstieg einer Dynastie und erntete dafür die männliche Erbfolge.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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INHALT
                                                                                         43-47     DAS GRAB DER GRÄFIN
                                                                                                   < Freche Störung einer Toten? 1859 ließ ein
                                                                                                   Forscher den Sarg der Anna Neumann öffnen.

                                                                                         48-53     DIE STIMME DES KAISERS
   4-7   VORWÖRTER
                                                                                                   Diplomat Georg Ludwig heiratete eine Greisin.
         Thomas Kalcher und Ernst Wachernig zu Intentionen,                                        Ihr Geld verhalf ihm zur Spitzenkarriere. >
         Murau in das strahlende Licht des Interesses zu stellen.

                                                                                  54-57 / 64-65    BRÜDER AN DER MACHT
                                                                                                   Ministerpräsident, Grundherr, Kirchenfürst: die
                                                                                                   Schwarzenberger Felix, Johann Adolf II. und Friedrich.

                                                                                         58-63     POSTER: DIE DYNASTIE AUF EINEN BLICK

                                                                                         66-67     WOHER DIE HÖFE KOMMEN
                                                                                                   Grundentlastung und Kredit im 19. Jahrhundert – und das
                                                                                                   wahre Problem der Bauern: Schulden!

  8-21   MURAU - EINE ZEITREISE                                                          68-71     HEILLOS VERSCHULDET ...
         Von Eisen und Bier, Frieden und Krieg,                                                    Für Finanzfreunde: Grundentlastung und Schuldenlast –
         Rebellion und Freiheit: eine turbulente                                                   ein Beispiel aus der Region Murau.
         Ortsgeschichte.

 22-27   MACHT UND MINNE                                                                 72-77     EIN FÜRST IM FORSTHAUS
         Über 300 Jahre lang herrschten die                                                        Adolph Schwarzenberg – vom Märchenprinzen an der
         Liechtenstein über Murau. Ihr Unter-                                                      Moldau zum „Prince of Katsch an der Mur“.
         gang begann mit „Verrat“ am Kaiser. >

                                                                                  78-81 / 88-91    KAREL, DER LANDEDELMANN
 28-33   DIE NEUMANNIN                                                                             Murau steht wie kein anderer Ort für den österreichischen
         < Unheimliche Frauenkraft, aber ver-                                                      Privatmann Karel Schwarzenberg. >
         mutlich keine Hexerei: Die Herrin
         von Murau, Anna Neumann.                                                        82-87     POSTER: DIE SCHWARZENBERG-PLAYER

                                                                                        94-105     GLAUBENSKAMPF UM MURAU
                                                                                                   Von kriegerischen Bauern, kirchlichen
               34-39       POSTER: ANNA NEUMANN
                                                                                                   Ermittlern und Geheimprotestanten.

              40-42        DIE BANKERIN IHRER ZEIT                                      106-107    LITERATURVERZEICHNIS
                           Anna Neumann war Steiermarks größte Kreditgeberin.               107    BILDQUELLEN
                           Ihr System verrät viel über die damalige Wirtschaft.             110    NÄCHSTE AUSSTELLUNG
                                                                                             111   AUTOREN
                                                                                             112   IMPRESSUM
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
4                                                                                               5

                        THOMAS KALCHER
                        Bürgermeister

                                                                                                 Also geht Murau verstärkt Richtung Kultur. Die Murauer Kulturvereinigung, die Operet-
AUF IN RICHTUNG HORIZONT!                                                                        te und das Murau International Music Festival weisen diesen Weg bereits seit langem,
                                                                                                 selbstverständlich auch unsere Stadtmusikkapelle und der Musikverein Laßnitz, die
„400 JAHRE SCHWARZENBERG“ IST EIN MURAUER WEGWEISER.                                             Bürgergarde oder die Liedertafel Murau. Und dazu setzen wir nun Ausstellungen, die
         KULTUR UND WIRTSCHAFT VEREINEN SICH.                                                    zusätzlich Gäste in unsere Stadt bringen werden.

                                                                                                 ALLE ZWEI JAHRE EINE AUSSTELLUNG

E  rlauben Sie mir einen Blick in die jüngere Vergangenheit unserer Stadt Murau und un-
   seres Bezirkes. Etwa in das Jahr 1995 und die Folgejahre bis 2002. Es war dies die Zeit der
Landesausstellung „Holzzeit“ und der Holz-Symposien danach. Erfolgreiche Jahre – alleine
                                                                                                 Was heuer mit „400 Jahre Schwarzenberg in Murau“ beginnt, wird in den Jahren 2019,
                                                                                                 2021 und 2023 mit den Themen Bier, Kultur sowie Handel- und Handwerk fortgeführt.
1995 haben unsere Region in der Ausstellungszeit von Mai bis Oktober mehr als 200.000            Ein Themenkanon, der, vielfältig in Szene gesetzt, das Interesse an unserer schönen
Gäste besucht, Holz erwies sich als Publikumsmagnet. Dann 2012 – die Regionale XII.              Stadt wecken wird. Übrigens nicht nur für unsere Gäste, wohl auch für uns selbst.
Auch bei diesem Kulturfestival, dem Nachfolger der klassischen Landesausstellungen,
stand Murau im Fokus, jedoch bei weitem nicht so intensiv. Wenige 10.000 haben uns be-           Ja, das haben wir vor – und diesen Weg werden wir beschreiten. Mich freut dabei beson-
sucht zu „Treibholz – Landschaft in Bewegung“. Der Mitteleinsatz dafür war enorm.                ders das Gemeinsame, das schon nach wenigen Monaten der Vorbereitung in unserer
                                                                                                 Stadt zu spüren ist. Klarerweise gibt es auch jene, die noch zu überzeugen sein werden
Doch wollen wir nicht nach der Besucherzahl und momentanem Erfolg werten. Allerdings             von diesem Vorhaben. Deswegen schauen wir uns ab 17. Juni den ersten Kulturrundgang
ist heute klar, dass die Nachnutzung damals nicht konsequent genug verfolgt wurde. Der           in unserer Altstadt an, lassen diesen wirken und blicken dann Richtung 2019.
Grund dafür lag wohl auch in der Struktur des Bezirkes. Viele Gemeinden, viele Entschei-
dungsträger, noch mehr Interessen …                                                              DIE FINANZEN MÜSSEN PASSEN

WIR SCHAUEN IN DIE ZUKUNFT                                                                       Eine solide finanzielle Basis ist Bestandteil eines guten Projektes. Aufbauend auf freund-
                                                                                                 schaftlichen Beziehungen war es möglich, neben der finanziellen Eigenleistung der Stadt
Damit genug zur Vergangenheit, der Grund dafür ist einfach: Die Lösungen liegen in der           Murau, auch Unterstützer zu gewinnen. Diese Partner sind die Steiermärkische Bank und
Gegenwart und in der Zukunft. Aus diesem Grund hat der Murauer Gemeinderat das Heft              Sparkasse, die Brauerei Murau sowie der Landeshauptmann von Steiermark, Hermann
in die Hand genommen, um die Stadt aktiv weiter zu entwickeln – mit dem Thema Kultur.            Schützenhöfer. Ich bin allen sehr verbunden und auch hoffnungsvoll, dass sich die Zu-
                                                                                                 sammenarbeit in den kommenden Jahren intensivieren wird.
Unsere Stadt ist eine wirtschaftlich erfolgreiche. Zahlreiche Unternehmer zeigen in
Murau ihr Geschick, viele Mitarbeiter tragen ihr Bestes zu allen Erfolgen bei. Die Verwal-       400 JAHRE SCHWARZENBERG IN MURAU
tung der Stadt selbst wird effizient geführt – durchaus nach kaufmännischen Kriterien.
Damit haben wir eine solide finanzielle Basis, Murau Schritt für Schritt zu entwickeln.          1617 heiratet die betagte und wohlbestallte Stadtherrin Anna Neumann den jungen Ge-
                                                                                                 org Ludwig Graf zu Schwarzenberg und begründet eine Dynastie, die Murau bis heute
WIR SETZEN AUF KULTUR                                                                            verbunden ist. So danke ich der Familie Schwarzenberg für die angenehme Zusammenar-
                                                                                                 beit im Zuge der Vorbereitung unserer Ausstellung.
Nun zur Kultur: Sie ist ein Schlüssel zu Erfolg und Wohlbefinden. Überall dort, wo es
feinsinnig zugeht, fühlen sich die Menschen wohler und fühlen sich angezogen. Darauf             Erstmals seit 400 Jahren wird Schwarzenberg in der Stadt Murau groß präsentiert. Mit
bauen auch wir in Murau! Inspirierende Kultur, tolle Unternehmen, bürgerfreundliche              einem Konzept, dass die Geschichte der Schwarzenberg mit jener der Stadt verwebt, auf-
Stadtverwaltung, ein natürliches Umland und eine insgesamt entspannte Stimmung.                  bereitet von Ernst Wachernig (Intendanz) und Mag. Ulrike Vonbank-Schedler (Kuration).

Kultur ist ein „Inhalt“, der zusehends in den Hintergrund geschoben worden ist. Im Zuge          Gemäß dem Wappenspruch des jubilierenden Fürstenhauses Schwarzenberg „Nil nisi
von Finanz- und Wirtschaftskrisen wurde auf vieles geachtet, nicht jedoch auf die Ab-            rectum“ soll auch für Murau gelten: Nur geradeaus, aufregenden Jahren entgegen!
sicherung und Ausweitung der Budgets für Bildung und Kultur. Ein Fehler der politisch
Verantwortlichen, wie ich meine, der auf Dauer nicht guttut. Nicht der Seele, nicht dem          Lernen Sie Murau kennen und lieben! ¡
Hirn. Nicht der Wirtschaft, nicht unserem Zusammenleben.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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                       ERNST WACHERNIG
                       Intendant

                                                                                                Murau beginnt seine Emotionen rauszuhauen.
     DIE SEELE BRAUCHT DAS
                                                                                                KULTUR ENTFACHT WIRTSCHAFT
             KULTUR IST MORAL. UND WÜRDE DIE MORAL
              UNTERGEHEN, DANN GEHT ALLES SAUSEN.                                               Kann Kultur das leisten? Kann sie Wirtschaft entfachen? Die Antwort darauf lautet: Ja.
                                                                                                Denn (sehr oft) dort, wo man mit Kultur von sich reden macht – mit Musik, Theater und
                                                                                                weiteren feinsinnigen Spielarten – floriert auch das Ökonomische. Denn Wirtschaft wird

L  asst uns nachdenken, lasst uns etwas festlegen. Und dann hauen wir unsere Emotio-
   nen raus. Dann stellen wir uns in ein Licht, das uns behagt. In ein Licht, das auch vielen
anderen gefallen sollte.
                                                                                                umso glaubwürdiger, wenn es gediegen zugeht. Vor diesem Hintergrund ist ein Kul-
                                                                                                tur-Investment auch Wirtschaftsförderung. Dies impliziert freilich nicht, dass die pure
                                                                                                Förderung der Wirtschaft, die direkte Geldinjektion in Wirtschaftsstandorte und Unter-
                                                                                                nehmen, durch Kultursponsoring ersetzt werden könnte.
Murau hat also nachgedacht. Dazu: herzliche Gratulation!
                                                                                                ZUM EINSTIEG ALSO SCHWARZENBERG
Ein Bürgermeister, ein Stadtrat, ein Gemeinderat, die Bürgerinnen und Bürger – sie ha-
ben sich als Team immer aufs Neue zu finden, haben gemeinsam Trainingsmethoden zu               Und oben auf dem Bergerl, da steht a … Schloss (mit Kapelle). Die Murauerinnen und
entwickeln, die gute Resultate bringen. Resultate, die Zufriedenheit nach sich ziehen.          Murauer werden, gemeinsam mit ihren Gästen, einen erfrischend neuen Blick für die
Resultate, aus denen sich ein „Ruhepolster“ weben lässt, auf dem der Geist sich erholt,         Entwicklung der „Perle an der Mur“ entwickeln. Die Stränge des Werdens einer Stadt
um die Zukunft zu denken. Manchmal träumerisch, manchmal real, doch immer zu einem              und ihrer Parallelstruktur, des Adelshauses, werden mithilfe einer Ausstellung zu einem
Ziel führend.                                                                                   Gefüge, mit wesentlichen und scheinbar weniger wesentlichen, kleinen und großen
                                                                                                Szenen. In der Altstadt, entlang der Mur und im Schloss Murau.
Die Zufriedenheit ist ein inspirierender Motor.
Die Selbstzufriedenheit wäre ein solcher nicht.                                                 2019 – EIN JAHR, IN DEM MURAU IHR BIER SEIN WIRD

MURAU, DIE „PERLE AN DER MUR“                                                                   Sollten wir uns in zwei Jahren wieder in Murau treffen, dann wird Ihnen Bier kredenzt.
                                                                                                Murauer Bier sowieso, aber auch „Bier“ als Festival, bestehend aus Musik, Theater und
„Perle an der Mur“, so schlicht kann kitschig klingen … Die süffige Stadt des Murauer           weiteren feinsinnigen Spielarten … Ich spüre schon, darauf freuen wir uns gemeinsam.
Bieres, die erfolgreiche Enklave der Alternativenergie, die (selbst-) vergessene Holzstadt,
die Ansiedlung des Handels und des Gewerbes, das lebendige Zentrum von Künstlern und            UND NUN: HERZLICHEN DANK!
Kunsthandwerkern, das steirische Städtchen mit einer Altstadt aus dem Mittelalter und
mit großartiger Architektur der Gegenwart.                                                      Wenn die Stadt Murau zwei Einheimischen die Gestaltungsverantwortung für biennale
                                                                                                Ausstellungen und Kulturspaziergänge überträgt, dann darf ich mich dafür bedanken.
Murau hat nachgedacht. Hat dabei versucht, aus Vergangenem das Nächste zu denken.               Ich danke Mag. Ulrike Vonbank, die eine grandiose historische Aufarbeitung hingelegt
Ohne Geschichte keine Zukunft.                                                                  hat, die als Kuratorin sehr umsichtig agiert und die unkonventionelle Zugänge mit
                                                                                                Freude zugelassen hat. Um mit Ulrike zu sprechen: Es ist fein gewesen. Und, Ulrike –
Murau hat die Kultur für sich entdeckt. Freilich, seit Jahrhunderten leben Murauer „kulti-      nicht nur mitunter ; )
viert“, nunmehr hinterlegt mit einem ästhetischen Programm. Die Themen, alphabetisch
gereiht, heißen: Bier, Handel und Handwerk, Kunst und Kultur, Schwarzenberg.                    PS. Der Dank gilt auch den Handwerkern des Bauhofes Murau, die eine Ausstel-
                                                                                                lung nicht nur aufbauen, sondern diese auch mitdenken. Die Installationen nicht
In Biennalen nähert man sich Themen mit feinem Sinn und bereitet diese auf. Der Start           nur montieren, sondern – etwa die blauen Schiff-Holz-Bloche in der Mur – auch
heißt Schwarzenberg, die Umsetzung ist ein Kulturspaziergang. Die Begründung dafür              ausschneiden. Peter Gruber, schön, dass Sie für einige Wochen aus der Pension zu-
ist eine einfache – die Adelsfamilie ist seit 400 Jahren in Murau ansässig.                     rückgekehrt sind! ¡
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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                                      Ulrike Vonbank-Schedler

          MURAU - EINE ZEITREISE
          VON EISEN UND BIER, FRIEDEN UND KRIEG, REBELLION
           UND FREIHEIT: EINE TURBULENTE ORTSGESCHICHTE.

    D   as Feudalsystem, das im Wesentlichen bis zur Einführung der konstitutionellen Mo-
        narchie 1848 herrschte, war streng hierarchisch aufgebaut. Der oberste Landesherr
    überließ seinen militärischen Gefolgsleuten die Nutzung von Teilen seines Landes samt
    den darauf lebenden Bewohnern, die persönlich unfrei waren und herrschaftliches Land
    bestellten. Die Belehnten waren dem Höhergestellten dafür Kriegsdienst und Abgaben
    schuldig. Die Kette dieser Abhängigkeiten reichte bis zum König, der in der mittelalterli-
    chen Vorstellung Vasall Gottes war.

    Mit der Errichtung von Burgen und der Gründung von Märkten entstanden bis zu Beginn
                                                                                                 Bild links: Ältes-
    des 14. Jahrhunderts neue Zentralorte mit wirtschaftlichen und sozialen Sonderrechten,       te Landkarte der
    die den Grundherren Prestige, den Bürgern Freiheiten und beiden Einnahmen brachten.          Steiermark (Gegend
                                                                                                 um Murau ist weiß
    DIE LIECHTENSTEIN                                                                            eingekreist). Wolf-
                                                                                                 gang Lazius, 1545

    Ulrich von Liechtenstein (um 1200 –1275) gründete Murau als Handwerker- und Händler-
    siedlung im Bereich des heutigen Raffaltplatzes, mit einer Burg südöstlich vom heutigen
    Schloss. Die Lage an einer von Mur und Ranten durchschnittenen Talenge war strategisch
    ideal – sowohl zur Verteidigung als auch zur Kontrolle des Handels (Mauteinnahmen).

    Schon wenige Jahre nach der Gründung Muraus wurde die Burg von den Truppen des
    Böhmen-Königs Ottokar II. zerstört. Otto II. von Liechtenstein, der Sohn Ulrichs, ließ
    sie „von keiner besonderen Größe und auf altgothische Art“ wieder aufbauen. Während
    seiner Herrschaft erfolgte die Erweiterung der Stadt um den heutigen Schillerplatz. Hier
    wurde die Bevölkerung der älteren Kaufmannsiedlung St. Egidi angesiedelt. Auch der Bau
    eines wesentlichen Teils der Stadtbefestigung sowie der Baubeginn der Stadtpfarrkirche
    fallen in seine Herrschaftszeit.                                                             Ulrich von Liechten-
                                                                                                 stein (um 1200-1275).
                                                                                                 Buchmalerei Detail,
    1298 verlieh Otto II. den Murauer Bürgern jene Rechte, die die Judenburger bereits hatten.   1305–1340, Heidelberger
    Zentrale Bereiche des Privilegs betrafen die Förderung des städtischen Handels sowie         Liederschrift
    den Schutz und die Reglementierung des Handwerks (Vorläufer von Zunftord-                    (Codex Manesse)

    nungen) unter Berücksichtigung einiger sozialer Aspekte. Eine Vorschrift be-
    sagte, dass mehrmals im Jahr die Maße für Wein und Bier überprüft werden
    mussten, was darauf hindeutet, dass Bier schon damals verkauft und nicht
    nur für den Eigenbedarf hergestellt wurde. Das Privileg regelte Verwal-
    tungsstrukturen, Zivilrecht und Gerichtskompetenzen des Marktrichters
    ebenso wie Abgaben und Verpflichtungen der Bewohner an die Herrschaft.
    Es gewährte den Murauern Bürgerrechte und Freiheiten, die sie wesentlich
    von den Bauern der Umgebung unterschieden.

    Die meisten Murauer Bürger betrieben, zumindest zur Deckung des Ei-
    genbedarfs, auch Landwirtschaft. Dazu nützten sie sowohl Gärten in-
    nerhalb der Stadtmauern als auch Äcker vor der Stadt. Schon bei der
    Gründung des Marktes Murau waren den Bürgern Weiderechte und
    Holzservitute zugestanden worden, deren Umfang im Verhältnis
    zum Besitz stand.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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                                                                                 Während der Herrschaft von Ulrichs
                                                                                 Enkel, Otto III. (1311 – 1340), wurde die
                                                                                 Stadt um den Neumarkt (St.-Leon-
                                                                                 hard-Platz) auf der rechten Murseite
                                                                                 erweitert, er und die Burg Grünfels
                                                                                 wurden in die Befestigungsanlage
                                                                                 einbezogen. So war auch der Zugang
                                                                                 zur Straße durchs Laßnitztal und über
                                                                                 den Priewaldsattel nach Kärnten bzw.
                                                                                 St. Lambrecht gesichert. Murau hatte
                                                                                 damit die Ausdehnung erreicht, die es
                                                                                 im Wesentlichen bis ins 19. Jahrhun-
                                                                                 dert beibehalten sollte.

                                                                                 Otto III. stiftete laut Quellen die
                                                                                 „Elisabethkirche und das Haus an der
                                                                                 Langegasse“, in dem nicht nur Kran-
                                                                                 ke, sondern auch gebrechliche und
                                                                                 arbeitsunfähige Menschen aufge-
                                                                                 nommen werden sollten – das Spital.

Stadtansicht mit                                                                Auf Basis des Vertrags der steirischen
noch bestehenden             Städte gegen die Konkurrenz von Produzenten bzw. Händlern auf dem Land und von aus-
Stadttoren um 1830.
Lithografie, J. F. Kaiser,   wärtigen Kaufleuten wurden in den 1430er-Jahren Zunftbestimmungen, die schon im
Ansichten der                Privileg von 1298 anklangen, ausgebaut. Sie förderten und schützten städtisches Hand-
Steiermark                   werk und Gewerbe, zugleich unterwarfen sie diese strengen Regeln.                                                                                                                                 Votivbild
                                                                                                                             Äußerungen verschmolzen religiöse Vorstellungen mit Forderungen zur Abschaffung so-        Brand in Murau.
                                                                                                                                                                                                                         Ölbild, Mathäus
                             Missernten und andere Katastrophen wie 1478 der Einfall von Heuschrecken, „so dick als          zialer und wirtschaftlicher Missstände. Die Anhänger des protestantischen Bundes setz-         Pichler, 1774,
                             ob es schneite“, vernichteten die gesamte Vegetation, brachten Hungersnöte und stürz-           ten sich, vom Westen kommend, bis in den Lungau durch. 1525 schloss die Stadt Murau        Sparkasse Murau
                             ten die Bauern in Schulden. Vor allem Bauern mit kleineren Höfen und wenig produktiven          sich ihnen an und musste nach der Niederschlagung des Aufstandes durch die Truppen
                             Flächen verarmten, gaben ihre Höfe auf und versuchten vermehrt, in Städte zu ziehen.            des katholischen Landesherrn und späteren Kaisers Ferdinand II. Brandschatzungssteuer
                                                                                                                             zahlen.
                             In dieser Zeit, die darüber hinaus von Überfällen und kriegerischen Auseinandersetzun-
                             gen mit Ungarn und Türken geprägt war, herrschte Niklas von Liechtenstein (1443–1487            Die Pest hatte zur Zeit des Aufstandes in Murau gewütet. Dazu kam, dass die alten
                             und 1495–1499) über Murau. Er schloss während des Krieges der Habsburger gegen die              Handelswege über die Alpen zu den Küstenstädten der Adria an Bedeutung verloren
                             Ungarn einen Neutralitätsvertrag mit dem Ungarnkönig Matthias Corvinus ab, dem                  hatten, nachdem Ende des 15. Jahrhunderts der Seeweg nach Indien entdeckt worden
                             Feind seines ehemaligen Vormunds Kaiser Friedrich III. Das führte letztlich zu seiner Ver-      war. Der Fernhandel, von dem Murau seit langem profitiert hatte, lief seither über west-
                             haftung und dem Verlust des Lehens Murau.                                                       europäische Hafenstädte. Noch bis ins 18. Jahrhundert war auf dem Torbogen von der
                                                                                                                             Anna-Neumann-Straße zur Kirchengasse in lateinischer Sprache zu lesen, dass hier seit
                             Kaiser Friedrich setzte seinen Hauptmann Balthasar von Thannhausen als Verwalter                undenklichen Zeiten für Waren, die über den Berg vulgo Priewald und mit Pferden über
                             ein und gab den Murauern etliche Privilegien, um sich ihrer Loyalität zu versichern. Sie        die Höhe des Hofwaldes nach Italien gebracht wurden, kaiserliche Maut gezahlt worden
                             durften zum Beispiel, mit Bezug auf das alte Eisenniederlassungsrecht, ein eigenes Haus         sei. Das aber hörte im Jahr 1531 auf.
                             als Niederlagsstätte kaufen und einrichten (Raffaltplatz Nr. 15, heute Brauereigebäu-
                             de). Außerdem bewilligte der Kaiser einen zusätzlichen Markt, um der Stadt nach einem           FRÜHE NEUZEIT
                             Großbrand rascher zu neuen Einnahmen zu verhelfen.
                                                                                                                             Die wirtschaftliche Situation der Stadt Murau war in der Frühen Neuzeit alles andere als
                             Erst von Friedrichs Sohn Maximilian I. erhielt der inzwischen hoch verschuldete Niklas          rosig. Um den Rückgang des Handels mit den Adriatischen Hafenstädten auszugleichen,
                             das Lehen Murau zurück. Von den finanziellen Folgen dieser Untreue sollte sich Liechten-        verlegten sich die Murauer stärker auf Handwerk und Gewerbe. Die Lodenerzeugung und
                             stein-Murau nie mehr erholen.                                                                   -verarbeitung sowie die Eisenverarbeitung in Hammerwerken wurden sehr wichtig, der
                                                                                                                             Salzhandel blieb.
                             Kriegshandlungen und plündernde Söldner bedrohten die Bevölkerung, die schon zur
                             Abwehr der Türken mit einer neuen Steuer und höheren Forderungen der Grundherren                Einen Teil ihrer Lebensgrundlage erwirtschafteten sich die Bürger durch Ackerbau und
                             belastet war. Das führte schon im 15. Jahrhundert zu Unruhen. Mit der Reformation,              Viehzucht beziehungsweise Milchwirtschaft. Dinge des täglichen Bedarfs, die sie nicht
                             Luthers Idee „Von der Freiheit eines Christenmenschen" und seinen autoritätskritischen          selbst produzieren konnten, lieferten ansässige Handwerker und Händler.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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                                                           Die Vermögenserhebung (Gültschätzung) von 1542          Die Bevölkerung Muraus war vom Dreißigjährigen Krieg zwar nicht durch direkte
                                                           zeigt, dass die Finanzverhältnisse der Murauer ex-      Kriegshandlungen betroffen, hatte aber mit einer katastrophalen Geldentwertung,
                                                           trem unterschiedlich waren: Drei Bürger besaßen         hohen Kriegssteuern und ständigen Einquartierungsbefehlen zu kämpfen. Bis um 1600
                                                           über 1500 Pfund Pfennig, 34 Bürger zwischen 683         mussten auch die Murauer Bürger im Kriegsfall gewappnete Dienstleute und berittene                 Stadttor
                                                           und 100, 68 zwischen 99 und 10 sowie drei Bürger        Begleitpersonen, Fußknechte und Heerwagen stellen. Ab 1600 trat an die Stelle des all-           südöstlich.
                                                           unter 10. Außer den Bürgern wohnten 20 Knechte,         gemeinen Landaufgebotes das Söldnerheer, das durch entsprechende Steuern finanziert                Zeichnung
                                                                                                                                                                                                                      Carl Haas
                                                           Gesellen und Tagwerker in der Stadt, die kein Haus      werden musste.
                                                           besaßen und noch weniger Geld. Um den Wert dieser
                                                           Vermögen zu veranschaulichen, seien zwei Beträge        Der Dreißigjährige Krieg brachte das Ende des Eisenhandels in
                                                           genannt, die bei der ca. 50 Jahre später stattfin-      Murau. Der Stadtrichter Wallner schrieb 1770 dazu, dass „nur die
                                                           denden Beerdigung der Anna Neumann anfielen:            ledige Eisenniederlage geblieben“ sei. Auch der Weinhandel schlit-
                                                           Ein Mittag- oder Abendessen für einen Diener der        terte aufgrund der Armut der Bevölkerung und der zunehmenden
                                                           Trauergäste kostete umgerechnet 36 Pfennig, ein         Konkurrenz durch das Bier in die Krise.
                                                           „Herrenfrühmal“ 144 Pfennig. Für ein Pfund Pfennig
                                                           hätte ein Diener also rund sechs Mal essen, ein Herr    Johann Adolf I., Reichsfürst zu Schwarzenberg, ließ 1657 in der
                                                           eineinhalbmal frühstücken können.                       Gegend um Turrach nach Kupfererzen suchen. Gefunden wurden
                                                                                                                   große Brauneisenvorkommen, für die er 1660 von Kaiser Leopold I.
                                                          Im Mittelalter war es üblich, Almosen zu geben           eine Konzession für Abbau und Verhüttung bekam. Zu dieser Zeit
                                                          - nicht zuletzt um fürs eigene Seelenheil vorzu-         gab es in Murau elf Hammerwerke an der Ranten und am Laßnitz-
Murau von Westen                                          sorgen. In der Frühen Neuzeit nahm die Armut             bach, die zum Teil von Murauer Bürgern, zum Teil von Schwar-
mit Neutor.           aufgrund von Missernten, Hungersnöten, Seuchen, Kriegen sowie kaum vorhandener Al-           zenberg betrieben wurden. Mit der Eisen- und Stahlverarbeitung
Lithographie,
V. Gunther, um 1840   ters- und Krankenversorgung zu. Die Einstellung den Armen gegenüber änderte sich. Mit        hatten es einige Hammerherren-Familien seit dem 15. Jahrhundert
                      Bettelverboten und Armenhäusern versuchte die Obrigkeit, sie aus der Öffentlichkeit          zu Reichtum und politischem Einfluss in der Stadt gebracht. Auf-
                      zu verbannen, ohne die Armut strukturell zu bekämpfen. Murau beschloss schon 1479,           grund landesfürstlicher Anordnungen, alle Hämmer mit Eisen aus
                      dass nur noch in der Kirche gebettelt werden dürfe. Nicht selten gehörten verwahrloste       Leoben bzw. Vordernberg zu betreiben (die Einnahmen gingen an
                      Waisenkinder, geistig Behinderte und Invalide zu den Insassen der Armenhäuser. Laut          den Landesfürsten), kam es immer wieder zu Eisenknappheit und
                      Stiftungsbrief hatte das Murauer Spital auch sozial-karitative Aufgaben - Arme wurden        zu Stillständen der Murauer Hammerwerke. Um den Untertanen
                      unterstützt, Findelkinder aufgenommen und „elende, ainfaltige Kinder“ auf Lebenszeit         und der Stadt Murau zu neuem wirtschaftlichem Aufschwung zu
                      versorgt. In Murau versorgten zum Teil auch Bruderschaften (Zünfte) ihre kranken, ver-       verhelfen, wurde der Betrieb im inzwischen geschlossenen Eisen-
                      armten, alten Mitglieder.                                                                    werk in Turrach wieder aufgenommen.

                      Als Anna, geb. Neumann von Wasserleonburg, verwitwet nach Hans Jakob Freiherr von            AUFSTAND, PEST UND HUNGERSNOT
                      Thannhausen, 1565 nach Murau kam, um Christoph von Liechtenstein zu heiraten, war
                      die Herrschaft Murau hoch verschuldet. Anna, die das Einmaleins des Wirtschaftslebens        Die Rebellion gegen die Willkür der Tabak-Monopolverwaltung, in
                      von ihrer Mutter gelernt hatte, deren Alleinerbin sie war, kaufte 1574 die Herrschaft        deren Verlauf 44 Bauern in Murau inhaftiert wurden, erreichte 1714
                      Murau samt Stadt und Hoheiten von den Liechtensteinbrüdern und war damit Herrin              ihren Höhepunkt. 400 Soldaten wurden in Murau, St. Peter und
                      von Murau. Sie brachte die von den Liechtenstein stammenden Weide- und Holzrech-             Ranten einquartiert, um die Ruhe wiederherzustellen. Bürger und
                      te der Murauer Bürger, die immer wieder zu Streitigkeiten geführt hatten, in eine neue       Bauern mussten die Kompanie im Winter 1714/15 unterbringen und
                      Form und teilte sie auf die damals 101 Bürgerhäuser auf. Durch die Möglichkeit, ihre Spar-   verpflegen, was aufgrund der vorangegangenen Missernten und
                      pfennige kapitalverzinst einzulegen, beteiligte sie ihre Untertanen am wirtschaftlichen      der herrschenden Hungersnot eine schwere Belastung war.
                      Erfolg. Sie veranlasste auch die Erweiterung des Spitals und die Ausstattung der Murauer                                                                                                        Stadttor-
                      Kirchen.                                                                                     1715 brach die Pest in Murau so massiv aus, dass die Stadt abgesperrt wurde und man             Rindermarkt
                                                                                                                                                                                                            [Friesacher Tor] und
                                                                                                                   die Soldaten für die Pestwache einsetzte. Die im Lazarett und den Quarantäne-Hütten      Armensündersäule.
                      DER DREISSIGJÄHRIGE KRIEG                                                                    außerhalb der Stadt untergebrachten Pestkranken konnten bald nicht mehr mit Lebens-         Zeichnung Johann
                                                                                                                   mitteln versorgt werden, da die Bauern aus Angst vor Ansteckung kein Getreide mehr in            Gradt, 1868
                      Georg Ludwig Graf zu Schwarzenberg, der letzte Ehemann Anna Neumanns, war wäh-               die Stadt lieferten. Die 187 Pesttoten des Pfarrgebiets Murau wurden auf dem Lazarett-
                      rend des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) die meiste Zeit auf diplomatischen Reisen.      friedhof bei Grünfels, im Stadtgraben vor dem Friesachertor, am Tieranger und nördlich
                      Trotzdem ließ er ab 1628 das Schloss Murau in seiner heutigen Form bauen und stiftete        des Gießübltores begraben. Auf die Murauer Wirtschaft wirkten sich die Seuche und die
                      1643 Kapuzinerkloster und -Kirche. Mit ihm erlosch 1646 die bayerische Linie der Schwar-     Absperrung der Stadt katastrophal aus. 1717 wurde zum Dank für das Ende der Pest die
                      zenberg. Sein Universalerbe wurde Johann Adolf I. aus der in Böhmen ansässigen nieder-       Mariensäule vom Bildhauer Balthasar Brandstätter auf dem heutigen Schillerplatz er-
                      ländischen Linie. Der Schwarzenberg-Besitz in Bayern und Böhmen war damals durch             richtet.
                      den Dreißigjährigen Krieg stark verwüstet, die steirischen Güter aber gehörten zu den
                      ausgedehntesten und bestbewirtschafteten in der Steiermark.
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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              MERKANTILISMUS                                                                             Richtung Scheifling. Die Bevölkerung musste nicht nur höhere Kriegssteuern zahlen,
                                                                                                         sondern auch Lebensmittel, Heu und Hafer an die Franzosen abliefern. Die Bauern hatten
              Schon 1598 waren auf Befehl von Ferdinand II. protestantische Geistliche und Lehrer des    danach fast keine Pferde und Ochsen mehr, was die Bestellung und Aberntung der Felder
              Landes verwiesen worden. Ab 1599 wurden protestantische Bürger aufgefordert, ihren         sehr erschwerte.
              Glauben abzulegen oder binnen sechs Wochen das Land zu verlassen, 1628 erhielt der
                                                                                                                                                                                                   Bader-Bahnhofs-
              Adel dasselbe Ultimatum. Die Ausweisungen von Protestanten verursachten nicht nur          Am 25. Dezember 1800 besetzten Franzosen die Stadt Murau, Anfang 1801 kam es zu            brücke v. Süden,
              menschliche Tragödien, sie verringerten auch die Einwohnerzahl und schwächten damit        Plünderungen und Ausschreitungen im oberen Murtal. Am 21. 1. 1801 schickte das Kreis-                 1890
              die Wirtschaftskraft der Region.                                                           amt Judenburg (dem Murau unterstellt war) eine Liste, wie viel jeder
                                                                                                         Bürger als Kostenersatz für die Verpflegung der feindlichen Truppen
              Um den Verlust weiterer „menschlicher Ressourcen“ ans feindliche Preußen zu verhin-        abzuliefern habe. Auch 1804, im dritten Koalitionskrieg, waren fran-
              dern, schwenkte das Kaiserhaus unter Karl VI. (1685–1740) und Maria Theresia (1717–1780)   zösische Truppen in der Steiermark. Nach dem Frieden von Preßburg
              zur Zwangsumsiedelung der Protestanten nach Siebenbürgen um, ein abgelegenes Ge-           verließen die Franzosen Anfang 1806 das Land, drei Jahre später be-
              biet der Monarchie, das auch Bastion gegen die Türken war.                                 setzten sie Murau zum letzten Mal. Doch nicht nur die Franzosen, auch
                                                                                                         die eigenen Truppen verlangten von der Bevölkerung Verpflegung und
                                           Diese Maßnahme entsprach einer merkantilistischen             Geld. Die Koalitionskriege führten 1811 zum Staatsbankrott der Habs-
                                           Grundhaltung. Zur Deckung der hohen Kosten für das Heer,      burger-Monarchie und zum Niedergang der Wirtschaft.
                                           die wachsende Verwaltung und die teure Hofhaltung wur-
                                           den im Merkantilismus wirtschaftssteuernde Maßnahmen          DAS ENDE DES FEUDALSYSTEMS
                                           zur Steigerung der Produktion, zur Förderung des Exports
                                           bei gleichzeitigem Schutz des Binnenmarktes durch hohe        Ab Februar und März 1848 breitete sich in großen Teilen Europas eine
                                           Einfuhrzölle u. ä. ergriffen. Dazu zählte auch die Einrich-   Revolution aus, deren politische Ziele u. a. gewählte Volksvertretun-
                                           tung von Zucht- und Arbeitshäusern, in denen die unterste     gen, verantwortliche Ministerien anstelle absolutistischer Regierun-
                                           soziale Schicht, nicht selten Opfer wirtschaftlicher und      gen und Pressefreiheit waren. Soziale Ziele waren die Beseitigung
                                           politischer Katastrophen, der Produktion zugeführt wurde      feudaler Strukturen (Untertänigkeit, Grundherrschaft) und die recht-
                                           – wenn nötig, unter Zwang.                                    liche Gleichstellung aller Staatsbürger. Die Revolution wurde letztlich
                                                                                                         militärisch niedergeschlagen, Metternich floh nach England und Kaiser
                                           In diesem Sinne erließ Maria Theresia auch 1748 eine Eisen-   Ferdinand I. dankte ab. Am 21. November 1848 wurde unter Minister-
                                           ordnung u. a. zur Beseitigung der „grossen Unordnung und      präsident Felix Fürst zu Schwarzenberg eine neue Reichsregierung
                                           sozialer Missstände“. Die Steiermark wurde in vier Ham-       gebildet. Der damals 18-jährige Franz Joseph I. wurde zum Kaiser der
                                           merviertel eingeteilt, Murau gehörte zum Viertel Murbo-       nunmehr konstitutionellen Monarchie gekrönt.
                                           den mit 32 Hämmern und 48 Feuern. Geregelt wurden die
                                           Förderung von Manufakturen und Export sowie die Konfis-       Trotz Niederschlagung der Revolution blieb eine Reihe von Errungen-
                                           zierung ausländischer Eisenwaren.                             schaften bestehen. Eine davon war die Verstaatlichung von Gerichts-
Murau von                                                                                                barkeit und Verwaltung. In Murau wurden 1849/1850 ein Bezirksamt
Osten, 1889   Für die Steiermark wurde die Eisengewinnung und -verarbeitung als förderungswürdiger       (Bezirkshauptmannschaft), ein Bezirksgericht und ein staatliches
              Wirtschaftszweig festgelegt. Um die Produktion anzukurbeln, wurden die einschrän-          Steueramt eingerichtet. Nach mehrmaligen Änderungen wurden Justiz
              kenden Zunftregelungen aufgeweicht bzw. durch „Fabriksprivilegien“ umgangen. Fürst         und Verwaltung 1868 endgültig getrennt. Der politische Bezirk Murau
              Josef Adolf Schwarzenberg erhielt 1781 die Konzession zur Errichtung einer „Fabrik“ für    umfasste drei Gerichtsbezirke und 46 Gemeinden.
              „Englische Feilen und andere Eisen Geschmeide Waren“ in Murau.
                                                                                                         Die bedeutendste Neuerung aber war die Grundfreiheit und Grun-                              Bahnhofsbrücke
              Im Geist des Merkantilismus wurden in Murau die Fährfahrts- und Niederlagsmaut             dentlastung der Bauern – sie wurden freie Eigentümer der von ihnen bewirtschafteten       (Steinerne Brücke)
                                                                                                                                                                                                  und ehemalige Post
              und die Handelsprivilegien für die Eisenniederlage aufgehoben. 1787 war die Stadt so       Liegenschaften. Die finanzielle Entschädigung der ehemaligen Grundherrschaft wurde
              verarmt, dass sie die Herrschaft um Übernahme des Stadt- und Landgerichtes inklusive       zwischen Bauern, Staat und Grundherren gedrittelt. Die Bauern mussten ihr Drittel in-
              Adelsgerichtsbarkeit und Grundbuchamtsführung bitten musste. Wenig später wurde            nerhalb von 40 Jahren zahlen. Schon vor der Grundentlastung litten sie zum Teil unter
              das Spital samt den dazugehörenden Gründen versteigert, da die Stadt den Erhalt nicht      hohen Schulden, die vor allem durch die Auszahlung von Erbteilen, den Erwerb neuer
              mehr finanzieren konnte. Spital samt Elisabethkirche gingen an die Schwarzenberg, die      Gründe und durch Vorschusszahlungen an die Grundherrschaft entstanden waren.
              es zur Versorgung ihrer Angestellten nutzten.                                              Zusammen mit den Zahlungen für die Grundentlastung war das für kleinere oder hoch
                                                                                                         verschuldete Höfe mitunter existenzbedrohend. Landlose Bevölkerung zog vermehrt in
              KOALITIONSKRIEGE                                                                           Ballungsräume, wo sie hoffte, mit Fabriksarbeit ihr Auslangen zu finden. Die Umsetzung
                                                                                                         dieser Maßnahmen in Murau oblag Johann Adolf II., dem Bruder von Ministerpräsident
              Anfang April 1797 zogen französische Truppen plündernd ins obere Murtal; die Koaliti-      Felix, Fürst zu Schwarzenberg, der die Voraussetzungen dafür mitgestaltet hatte.
              onskriege (1797–1809) zwischen der Habsburgermonarchie und den Franzosen unter
              Napoleon hatten begonnen. 150.000 französische Soldaten marschierten von Judenburg
DIE ADELSFAMILIE SCHWARZENBERG - Eine Frau, Anna Neumann von Wasserleonburg, legte den Grundstein für den Aufstieg einer Dynastie und erntete ...
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                     Die gewonnen Freiheiten unterstützten eine gründerzeitliche Aufbruchstimmung. In           wurde 1870 mit der Regulierung der Mur für die Flößerei begonnen. Erste Probefahrten
                     Murau gab es diverse infrastrukturelle Verbesserungen und städtebauliche Verände-          vom Gestüthof bis Unzmarkt gab es ein Jahr später. 1880 startete der reguläre Flößbe-
                     rungen, neue Unternehmen und Vereine entstanden. Ganz im Sinne der Sommerfrische           trieb von Ramingstein bis Unzmarkt, der nach dem Bau des Elektrizitätswerks 1908 wie-
                     wurde zudem der Grundstein für den Tourismus gelegt.                                       der eingestellt wurde.

                     Eine k. k. Poststation wurde am Schillerplatz eingerichtet. Am Rindermarkt (St.-Leon-      ERSTER WELTKRIEG UND JUNGE REPUBLIK
                     hard-Platz) wurde das ehemalige Dienerhaus zu einer Krankenanstalt umgebaut, in der
                     auch Stadtarme untergebracht wurden. Die Kanzleien von Gericht und Steueramt über-         In ganz Europa zogen Freiwillige und Wehrpflichtige, zum Teil mit wehenden Fahnen, in
                     siedelten vom Schloss an den Raffaltplatz. Die Schule am Schillerplatz, das Schwimmbad,    den Ersten Weltkrieg (1914–18). Die Stimmung sollte bald umschlagen – Gemetzel auf den
                     der Stadtpark und die steinerne Murbrücke (Bahnbrücke) wurden gebaut, die Murauer          Schlachtfeldern, Einsätze gegen die Zivilbevölkerung, zähe Stellungskriege, Giftgasein-
                     Sparkasse wurde gegründet. 1894 ging die Murtalbahn, 1908 das Elektrizitätswerk in         sätze …                                                                                    Promenade,
                                                                                                                                                                                                             nach 1927
                     Betrieb. Das Grazer-, das Salzburger-, das Bader-, das Fleischbrücken- und das Neutor
Bahnhof,
vor 1918             wurden abgerissen. Die Gründung des Männergesangsvereins, der freiwilligen Feuer-          Murau blieb von direkten Kriegshandlungen verschont, doch
                                                   wehr, des Turnvereins, der Musikkapelle und des Verschö-     die Versorgungslage war katastrophal. Gründe dafür waren
                                                   nerungsvereins (später Fremdenverkehrsverein) fallen in      Missernten, fehlende männliche Arbeitskräfte sowie darnie-
                                                   diese Zeit.                                                  derliegende Produktions- und Handelsstrukturen. Truppen-
                                                                                                                einquartierungen machten der Stadt zu schaffen, 1917 kam es
                                                   Den Großteil der Erträge aus der „Ablöse für die Aufga-      aufgrund der schlechten Verpflegung zur Meuterei.
                                                   be der vormaligen Untertanen“ investierte Johann Adolf
                                                   II. in den monumentalen Umbau von Schloss Frauenberg         Schon 1915 mangelte es so sehr an Rohstoffen, dass das Kriegs-
                                                   in Böhmen. Das Ziel, das er beim Antritt der Herrschaft      ministerium das Sammeln von Brennnesselstängeln zur Fa-
                                                   1833 formuliert hatte – Industrie zu errichten, um die       sergewinnung anordnete. Ein Jahr später musste Metall für
                                                   Ertragsgrundlage den neuen Umständen anzupassen –,           die Kriegsmaterialsammlung abgegeben werden, die meisten
                                                   verfolgte er großteils in Böhmen. Im Bezirk Murau ließ er    Kirchenglocken und die großen Orgelpfeifen wurden dabei
                                                   das Eisenwerk in Turrach modernisieren, Unterkünfte für      zerstört. Ab 1915 waren Flüchtlinge und Kriegsgefangene in
                                                   Mitarbeiter und eine Schule errichten.                       Murau untergebracht, sie wurden in der Landwirtschaft und im
                                                                                                                Straßenbau eingesetzt. 200 bis 300 Kriegsgefangene bauten bis
                                                   Dampfmaschine und Eisenbahn ließen die Eisennachfra-         1917 die Straße nach Stallbaum (Stolzalpe).
                                                   ge so stark wachsen, dass der Bedarf von den heimischen
                                                   Produzenten nicht mehr gedeckt werden konnte. Der            Nach dem ruhmlosen Ende des Krieges – zehn Millionen tote,
                                                   Ausbau des Schienennetzes ermöglichte den Eisenimport        zwanzig Millionen verwundete Soldaten, sieben Millionen zi-
                                                   aus Regionen, wo Hochöfen mit Koks befeuert und von          vile Opfer – wurde die Erste Republik gebildet, unter denkbar
                                                   großen Gesellschaften betrieben wurden (Böhmen, Mäh-         ungünstigen Vorzeichen: Neben immensen wirtschaftlichen
                                                   ren, Ungarn und England).                                    Schwierigkeiten, hoher Arbeitslosigkeit und katastrophaler
                                                                                                                Versorgungslage gab es eine Hyperinflation, die zur Währungs-
                                                   Um konkurrenzfähig zu bleiben, genehmigte Johann Adolf       reform führte. 1925 wurde der Schilling eingeführt.
                                                   II. 1863 die Einführung der Bessemer-Methode, die weni-
                                                   ger Brennstoff benötigte und besseres Roheisen lieferte.     Im Murau der Zwischenkriegszeit gab es einige Projekte zur
                                                   Zwei Jahre später waren drei Konverter und 280 Beschäf-      Verbesserung von Beschäftigungssituation und Infrastruktur:
                                                   tigte im Einsatz.                                            Erweiterung des Elektrizitätswerks, Ausbau der Wasserversor-
                                                                                                                gung, Ausbau von drei Bürgerschulklassen und Einrichtung eines
                                                   Im Bilanzbericht von 1869 hieß es, dass die Turrach eine     Kindergartens, Rückkauf und Renovierung des alten Rathauses
                                                   der wertvollsten fürstlichen Besitzungen in der Steier-      in der Anna-Neumann-Straße, Umbau der Renati-Häuser am
                                                   mark sei, die letzten zehn Jahre hätten aber gezeigt, dass   Schillerplatz für die Murauer Sparkasse. Der Bau der Kinderheil-
                                                   alle fürstlichen Eisen- und Hammerwerke mit Ausnahme         stätte und des Kurhauses auf der Stolzalpe in mehreren Etappen
Flößerei – Floßbau                                 von Vordernberg nur Verluste gebracht hätten. Ab den         von 1920 bis 1929 brachte, wie der Bau der Molkerei neben dem
in Ramingstein,      1870er-Jahren verschlechterten sich die Absätze. 1899 wurde die Eisenhütte verpachtet      Friesachertor, nachhaltige Arbeitsplätze.                                                   Murau von
um 1900                                                                                                                                                                                                    Süden, 1880
                     und zehn Jahre später endgültig geschlossen. Den Hammerwerken erging es nicht bes-
                     ser, sie unterlagen der Konkurrenz der Walzwerke. Zwischen 1805 und 1870 wurden die        Murpromenade, Tennisplätze, Skiabfahrten, Rodelbahnen und eine Sprungschanze be-
                     meisten Murauer Hammerwerke geschlossen.                                                   lebte den Tourismus. Auch das Schwimmbad samt Badegastwirtschaft und Sonnenbad
                                                                                                                wurde erneuert. Und trotzdem stieg die Zahl der Arbeitslosen in der Steiermark im selben
                     Mit dem massiven Rückgang des Holzverbrauchs durch die Schließung der eisenerzeu-          Maß wie der Zuspruch für die NSDAP. 1932 konnten die Nationalsozialisten in der Steier-
                     genden und -bearbeitenden Betriebe wurde der Holzhandel Thema. Um den mühsamen             mark ihre Wählerstimmen im Vergleich zu 1928 versechsfachen.
                     und kostspieligen Überlandtransport auf schlecht ausgebauten Straßen zu umgehen,
18                                                                                           19

                                             Die Weltwirtschaftskrise und die Entstehung politischer       Papier, alles, alles, alles sammeln wir“. Das war wörtlich gemeint – von den erst 1929 ein-
                                             Massenbewegungen, welche die bürgerliche Demokratie           geweihten Kirchenglocken bis zu ausgebürstetem Menschenhaar wurde alles als wert-
                                             für die schlechte Lage verantwortlich machten, führten        voller Rohstoff verwertet.                                                                        Arbeit im
                                                                                                                                                                                                          Hammerwerk
                                             dazu, dass sich in den meisten jungen Nationen der Zwi-
                                             schenkriegszeit autoritäre Regime durchsetzten. 1933 in-      1944 trat die „Österreichische Freiheitsbewegung“
                                             stallierte Engelbert Dollfuß in Österreich den autoritären    in Murau in Erscheinung. Ihr gehörten neben Öster-
                                             Ständestaat. Folge des Februaraufstands 1934 gegen die        reichern, Zwangsarbeitern und englischen und ame-
                                             Ständestaatregierung war das Verbot der Sozialdemokra-        rikanischen Kriegsgefangenen auch Häftlinge an, die
                                             tischen Partei. Folge des Juliputschs 1934 war das Verbot     aus Schloss Lind, einem Außenlager des KZ Maut-
                                             der NSDAP.                                                    hausen, befreit worden waren. Die Murauer Gruppe
                                                                                                           stand unter der Leitung des Sozialdemokraten Karl
                                             NATIONALSOZIALISMUS                                           Vallant. Der spätere Landtagspräsident Karl Brun-
                                                                                                           ner war nach seiner Freilassung aus dem Zuchthaus
                                              Bei der „Volksabstimmung“ über den bereits vollzogenen       Karlau in Graz im April 1945 ebenfalls Mitglied. Einen
                                              „Anschluss ans Deutsche Reich“ im April 1938 stimmten        Tag nach der Kapitulation des NS-Regimes am 8. Mai
                                              99,87 Prozent der Steirer für den „Anschluss“, 40.000 Per-   1945 marschierte die Rote Armee in Graz ein und be-
Murau Brand,                                  sonen waren vom Stimmrecht ausgeschlossen. In Murau          setzte einen Großteil der Steiermark. Karl Brunner,
1913           gab es zwei, in Stallbaum (Stolzalpe) eine Neinstimme. Im Mai wurden die „Nürnberger        englischen Kriegsgefangenen und einer ukrainischen
               Rassengesetze“ in Österreich wirksam, mit denen die Diskriminierung und Verfolgung          Zwangsarbeiterin verdankt das obere Murtal bis Ju-
               von Millionen Menschen legitimiert werden sollten – so auch die der jüdischen Murauer       denburg, dass es von den Briten befreit wurde.
               Familien Reitmann und Humburger.
                                                                                                           Das größte Infrastrukturprojekt der NS-Zeit in Murau,
               Die Murauer Gendarmeriechronik berichtet, dass noch im Herbst 1938 „mit dem Ausbau          der Ausbau der Straße Scheifling/Murau, wurden
               und der streckenweisen Verlegung der Landstraße Scheifling/Murau begonnen“ wurde,           zum überwiegenden Teil von internierten Sinti und
               bei der „die noch arbeitslosen Personen im Rajon Arbeit u. Brot“ fanden. Im September       Roma sowie von Kriegsgefangenen umgesetzt. Die
               des Jahres wurde für die Steiermark die Vollbeschäftigung bekannt gegeben. Das „Ar-         Ortsumfahrung Murau und die Verlegung der Straße
               beitslager für Anhaltehäftlinge“ (Lager Triebendorf) wurde am 1. Juli 1939 mit 250 Inter-   im Ortsteil Triebendorf wurden in der Nachkriegs-
               nierten „bezogen“, die für die Grazer Baufirma Beyer & Co Zwangsarbeit im Straßenbau        zeit fertiggestellt. In Murau entstanden außerdem
               leisteten.                                                                                  1941/42 unter der Leitung der Deutschen Arbeits-
                                                                                                           front zehn zweigeschossige Häuser (Typ Südtiroler
               Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939, der daraus resultierenden       Siedlung) mit 36 Wohnungen in der Roseggerstraße
               Mobilmachung sowie der Inhaftierung und Vertreibung aller von den Nazis unerwünsch-         und vier zweigeschossige Häuser mit 16 Wohnungen
               ten Personen kam es nicht nur in Murau, sondern im ganzen „Deutschen Reich“ zu ei-          in der Gustav-Baltzer-Straße.
               nem Mangel an Arbeitskräften. Die landwirtschaftliche und die industrielle Produktion
               lebensnotwendiger und kriegswichtiger Güter war gefährdet. Auch die Murauer Brauerei        In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde die Le-
               wäre damals wegen Arbeitskräftemangels fast eingestellt worden. Die Ausweitung des          bensmittelversorgung noch schlechter, die ersten
               „Reichsarbeitsdienstes“ auf Mädchen, die Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt,         Jahre waren nur mit Hilfslieferungen aus dem Aus-
               mit fortschreitendem Krieg immer mehr Kriegsgefangene sowie ins „Deutsche Reich“            land zu überstehen. In der Steiermark gab es 1946
               verschleppte zivile Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten sollten den Arbeitskräf-      noch ca. 76.000 Displaced Persons und Vertriebene.
               temangel ausgleichen. In der Murauer Gendarmeriechronik hieß es 1943: „Die Zahl der         In Murau waren es vor allem „deutsche Umsiedler“,
               ausländischen Arbeiter erreichte in diesem Jahre bereits 2.700 Personen (männlich und       die zum Teil im Lager Triebendorf untergebracht wa-
               weiblich).“                                                                                 ren.
                                                                                                                                                                                                                Murau,
               Am 17. August 1940 wurde der gesamte im „Deutschen Reich“ gelegene Schwarzen-               Um die katastrophale Versorgungslage des Bezirks mit Frischwaren zu verbessern, wurde         Grübl-Hammer
               berg-Besitz beschlagnahmt. Am 4. Dezember 1940 übertrug Hitler diesen dem Gauleiter         Peter Brandstätter die Genehmigung für den Großhandel erteilt. Während der NS-Zeit
               von Oberdonau, August Eigruber, persönlich zur Verwaltung und Nutzung zugunsten             hatte man ihm die Zulassung als Obst- und Gemüsegroßhändler wegen „politischer Un-
               des Reichsgaues Oberdonau. Die Schwarzenberg-Besitzungen in der Steiermark und in           zuverlässigkeit“ – er war Sozialist – verweigert.
               Franken übergab Eigruber im Frühjahr 1941 den dortigen Gauleitern. Der Ertrag der in
               Oberdonau sowie im Protektorat gelegenen Ländereien war die mit Abstand größte ein-         INDUSTRIALISIERUNG UND GLOBALISIERUNG
               zelne Einnahme im Haushalt der Gauselbstverwaltung Oberdonau.
                                                                                                           Die Technisierung der Landwirtschaft prägte die Nachkriegszeit. Mit der Entwicklung
               Mit fortschreitendem Krieg wurde die Versorgungslage immer prekärer. Lebensmittel-          von der Handarbeit zur Vollmechanisierung stieg das Verhältnis von Arbeitskraft zu Er-
               karten gehörten längst zum Alltag, es fehlte an allem. Ein Slogan des Winterhilfswerks,     trag sprunghaft an. Um 1900 erzeugte ein Beschäftigter den Nahrungsbedarf von zwei
               das Haus- und Straßensammlungen durchführte, war „Lumpen, Knochen, Eisen und                Menschen, um 1950 den von fünf, bis 1970 stieg die Relation auf etwa 1:16 und 1998 auf
20                                                                                          21

                    etwa 1:70. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der im Agrarbereich Beschäftigten auf ein    Der seit dem 19. Jahrhundert ausgebaute Tourismussektor ist ein weiterer volkswirt-
                    Sechstel, die Hektarerträge verfünffachten sich, die Milchleistung der Kühe stieg um das   schaftlicher Faktor, der wesentlich auf den landschaftlichen Qualitäten der Region
                    Dreifache.                                                                                 aufbaut. 2011 waren im Sektor Beherbergung und Gastronomie in Murau 156 Personen
                                                                                                               beschäftigt.
                    Der wachsende Bedarf an Arbeitskräften in der seit den 1950er-Jahren forcierten Indus-
                    trie konnte nur durch die frei werdenden Arbeitskräfte aus dem Agrarbereich gedeckt        Die wirtschaftlichen Schwerpunkte der Bezirkshauptstadt Murau sind Dienstleistung,
                    werden. Eine starke Abwanderung der ländlichen Bevölkerung setzte ein – hauptsächlich      Handel und Verwaltung. Nicht außer Acht gelassen werden darf trotzdem das produzie-
                    in das Grazer Becken, die obersteirischen Industriegebiete, nach Wien und Westöster-       rende Gewerbe, das volkswirtschaftlich eine etwas größere Rolle als der Handel spielt.
                    reich. Als Arbeiter hatten die Menschen ein regelmäßiges Einkommen, angemessene
                    Sozialversicherung, geregelte Arbeitszeit und Urlaubsanspruch.                             Entwicklungsziele Muraus sind es, die Nahversorgung zu erhalten bzw. zu reaktivieren
                                                                                                               sowie die Wertschöpfungskreisläufe zu intensivieren.
                    Trotz schwindender Bevölkerung (von 3.217 im Jahr 1947 auf 2.768 im Jahr 1951) war Wohn-
                    raum im Murau der 1950er-Jahre knapp – die Ansprüche waren gestiegen. Wohnhäuser           Eines noch: Wir haben Glück, dass wir in dieser Zeit in dieser Region leben: Hier ist seit
                    an der Roseggerkreuzung und in der Johann-von-Lederwasch-Gasse wurden errichtet,           über 70 Jahren Friede - das Fundament, auf dem sich Europa und damit Murau entwickeln                Plan der
                    doch das deckte nicht den Bedarf. Immer mehr Einfamilienhäuser wurden außerhalb der        konnte. ¡                                                                                       Stadt Murau.
Murau, Firstfeier                                                                                                                                                                                           Zeichnung, Gregor
Hauptschule, 1954   alten Stadtgrenzen gebaut.                                                                                                                                                               Lederwasch, 1785

                                                Industrialisierung und Globalisierung gingen auch an Murau
                                                nicht spurlos vorbei. Klein- und Mittelbetriebe, die in den
                                                1950er- bis 70er-Jahren boomten, konnten der Konkurrenz
                                                von Industrieprodukten nicht standhalten. So sperrte die
                                                Firma Murtex 1992 ihre Pforten und übersiedelte mit der
                                                gesamten Betriebsausstattung nach Ungarn. Der Vorgän-
                                                gerbetrieb, der bei wechselnden Besitzverhältnissen 1975
                                                mit 110 Arbeitnehmern seinen Beschäftigungshöchststand
                                                verzeichnen konnte, war 1953 als Murauer Wollstube ge-
                                                gründet worden.

                                                Betriebe, die den Strukturwandel mit neuen, zukunftswei-
                                                senden Strategien für sich genutzt haben, sind die Brauerei
                                                Murau (100 Mitarbeiter) und die Murauer Stadtwerke (70).
                                                Das Landeskrankenhaus (LKH) Stolzalpe mit seinen über
                                                500 Mitarbeitern ist trotz Ausgliederung einiger Bereiche
                                                ein wichtiger Arbeitgeber für die Region. Darüber hinaus
                                                gewährleisten das LKH, die ansässigen Ärzte und das Ge-
                                                sundheitszentrum (2007 eröffnet) die Basisversorgung der
                                                Bevölkerung. Das Elternhaus, das 1978 im Kapuzinergarten
                                                in Betrieb genommen wurde, und die Lebenshilfe decken
                                                den Betreuungs- und Pflegesektor ab.

                                                Die Entwicklung Muraus zur Schulstadt wurde 1952 mit der
                                                Gründung einer gemeinnützigen Gewerbe-Genossenschaft
                                                für die Berufsschule eingeleitet. Der dringend nötige Neu-
                                                bau der Hauptschule erfolgte 1954. Dem folgten BORG und
                                                HBLA, die Hauptschule II, das neue Gebäude für den Kinder-
                                                garten, die Gesundheits- und Krankenpflegeschule auf der
                                                Stolzalpe und die neue Berufsschule. Bildung ist für Murau
                                                längst auch ein Wirtschaftsfaktor.
Berufsschule,
1950er Jahre
                    Nicht zu vergessen ist der Verwaltungsbereich – trotz Strukturveränderungen sind
                    Murau BH und Bezirksgericht erhalten geblieben. Das bedeutet einerseits Vorteile für
                    die Bevölkerung, andererseits Arbeitsplätze in Murau.
22                                             23

                                       Anne-Catherine Simon

                   MACHT UND MINNE
     ÜBER 300 JAHRE LANG HERRSCHTEN DIE LIECHTENSTEIN ÜBER
     MURAU. IHR UNTERGANG BEGANN MIT „VERRAT“ AM KAISER.

     V    om Wunsch, das Badewasser der Geliebten zu schlürfen, sangen die Comedian
          Harmonists 1920. Ein steirischer Künstler hat die Gruppe wohl auf diesen kuriosen
     Liebesbeweis gebracht. Der Minnesänger Ulrich von Liechtenstein soll „bis zum letzten
     Schluck“ das Waschwasser seiner Angebeteten getrunken haben. Er zog angeblich auch
     als Frau Venus verkleidet von Venedig bis Böhmen und erstritt in Frauenkleidern Turnier-
     siege, ließ sich in Graz seiner Liebesherrin zuliebe die Oberlippe beschneiden und sogar
     einen Finger abhacken, den er ihr hübsch eingewickelt schickte. Zumindest erzählt er das
     alles über sich, in einem der ersten deutschen Ich-Romane.

     Wie viele Orte können sich mit einem so ausgefallenen Landesherrn schmücken? Der
                                                                                                 Bild links: Ulrich
     um 1200 in Judenburg geborene Minnesänger war der Gründer von Murau und auch der            von Liechtenstein
     Erbauer der ersten Burg Murau. Man sollte diesem Dichter freilich nicht allzu viel von      (um 1200-1275).
     dem glauben, was er in seinem Buch „Frauendienst“ über sich schreibt. Denn was die          Buchmalerei, 1305–
     Minnesänger des Mittelalters als eigene Erlebnisse zum Besten gaben, war größtenteils       1340, Heidelber-
                                                                                                 ger Liederschrift
     erfunden. Walther von der Vogelweide sang damals am Wiener Hof schon von höchst             (Codex Manesse)
     handfester Liebe, sein Schüler Ulrich von Liechtenstein war da altmodischer; er trieb die
     „hohe Minne“, den lebenslangen Liebesdienst eines Ritters an einer unerreichbaren ho-
     hen Dame, zu überbordenden letzten Blüten.

     Nein, Ulrich war nicht der „Narr im hohen Dienst“, zu dem spätere Zeiten ihn gemacht
     haben. Er war ein fabelhafter Dichter und zugleich einer der wichtigsten Adeligen und
     politischen Akteure im damaligen Herzogtum Steiermark – das seit 1192 unter den Ba-
     benbergern eine Art Nebenland des Herzogtums Österreichs mit besonderen Vorrechten
     war.

     HOHE MINNE, HOHE POLITIK

     Die steirischen Liechtenstein – die mit der österreichischen Adelsfamilie Liechtenstein
     gar nichts zu tun haben, außer dass sie später gelegentlich untereinander heirateten –
     entstammten dem Adelsgeschlecht der Traisen-Feistritz. Dieses hatte im heute nieder-
     österreichischen Traisental und bei Knittelfeld Güter, ihm ist auch das Chorherrenstift
     Seckau in der Steiermark zu verdanken (in dem Ulrich von Liechtenstein heute begraben
     liegt). Ein Vorfahr Ulrichs verlegte den Familiensitz in das obere Murtal und baute dort
     im 12. Jahrhundert bei Judenburg die Burg Liechtenstein. Von ihr hat die Familie ihren
     Namen.

     Die Liechtenstein waren Ministerialen, so nannte man die Elite unter den Dienstleuten
     der damaligen Herrscher. Diese Schicht, zu der auch Nicht-Adelige gehörten, stieg seit
     dem 13. Jahrhundert gesellschaftlich auf, wurde reicher und angesehener. Auch viele
     nichtadelige Ritter und Bedienstete bauten sich in dieser Zeit eigene Burgen und stiegen
     in den niederen Adel auf. Wichtige Ministerialengeschlechter in der Steiermark waren
     damals etwa die Wildon, Pettau, Stubenberg – und eben auch die Liechtenstein.
24                                                                                            25

                          Ulrichs Vater war Kämmerer, also Finanzverwalter, des Landesfürsten. Ulrich selbst             Fast hundert erhaltene Urkunden erzählen davon, was Ulrich von Liechtenstein in sei-
                          lernte, was ein angehender Ritter damals zu lernen hatte, Lesen und Schreiben gehörten         ner politischen Laufbahn so alles unterschrieben und getan hat – etwa als Zeuge, Bür-
                          nicht dazu. Seine Verse hat er zeitlebens diktiert. Als Kind war er Page einer Adeligen, die   ge, Schiedsrichter oder Vermittler des Landesherrn. Er bescherte Judenburg seine erste
                          ihm später als Objekt dichterischer Anbetung diente. Der Babenberger Herzog Leopold            Wasserleitung und ließ die Frauenburg bei Unzmarkt bauen – Unzmarkt gab es damals
                          VI., dessen Wiener Hof damals ein Zentrum des Minnesangs war, schlug ihn 1223 zum              freilich noch nicht, es wurde ebenfalls von einem Liechtenstein, aber vermutlich erst um
                          Ritter.                                                                                        1300 gegründet. Ulrich half auch, den Anschluss der Steiermark an das Habsburgerreich
                                                                                                                         vorzubereiten, starb aber vier Jahre, bevor es dazu kam, im Jahr 1278.

                                                                                                                         DER „KOLLABORATEUR“ FLIEHT NACH TIROL

                                                                                                                         Die Kämpfe zwischen Ottokar und dem römisch-deutschen König Rudolf I., die Franz
                                                                                                                         Grillparzer viel später zum Drama „König Ottokars Glück und Ende“ inspirierten, erleb-
                                                                                                                         te der alte Ulrich von Liechtenstein noch mit. Sein Sohn und Erbe Otto II., der nächste
                                                                                                                         Herr von Murau, war sogar mittendrin: als einer der Adeligen, die 1276 im Stift Rein dem
                                                                                                                         Habsburger Rudolf die Treue im Krieg gegen Ottokar
                                                                                                                         schworen, und zwei Jahre später in der Schlacht bei
                                                                                                                         Dürnkrut, wo Ottokar endgültig besiegt wurde. Rudolf
                                                                                                                         ernannte Otto kurz darauf zum Landrichter, also zum
                                                                                                                         höchsten Richter. Später wurde Otto oberster Käm-
                                                                                                                         merer der Steiermark; diesen erblichen Titel behielten
                                                                                                                         die Liechtenstein über Generationen.

                                                                                                                         Ulrich hatte am liebsten in der Frauenburg bei Unz-
                                                                                                                         markt gewohnt, sein Sohn bevorzugte das während
                                                                                                                         Ulrichs Haft zerstörte Schloss Murau, das er wieder
                                                                                                                         aufbauen ließ. Ein Meilenstein der Murauer Stadtge-
                                                                                                                         schichte fällt ebenfalls in diese Zeit: Otto gab dem
                                                                                                                         Markt die Rechte, die Judenburg bereits hatte. Er
                                                                                                                         ließ in Murau den ersten Lehrer einsetzen und die St.
                                                                                                                         Matthäuskirche als Murauer Pfarrkirche weihen. Dort
                                                                                                                         wurde er 1311 auch begraben, wie die meisten seiner
                                                                                                                         Nachkommen.

Frauenburg bei                                                                                                           Unter den Liechtenstein erreichte Murau bald eine
Unzmarkt im Vier-         Vor allem als Gefolgsmann von Leopolds Sohn und Nachfolger Friedrich II., dem „Streit-         Ausdehnung, die bis ins 19. Jahrhundert fast unver-
tel Judenburg, in der
Ulrich v. Liechtenstein   baren“, machte Ulrich von Liechtenstein Karriere. Dieser letzte Babenbergerherzog galt         ändert bleiben sollte. Doch mit der Familie ging es
vornehmlich wohnte.       als schwierig und unberechenbar, er war ständig im Zwist mit benachbarten Landesfürs-          finanziell bergab, 1392 musste sie die Herrschaft
Kupferstich, Georg        ten und zeitweise sogar mit dem Kaiser. Dieser setzte ihn 1236 als Herzog von Österreich       Murau wegen hoher Schulden sogar verpfänden. Im
Matthäus Vischer,
vor 1681
                          und Steiermark ab und ächtete ihn. Ulrich von Liechtenstein soll sich in dieser Zeit bei       15. Jahrhundert stellten die Liechtenstein aber noch
                          den steirischen Adeligen für Friedrich eingesetzt haben. Als dieser zurückkehrte, machte       einmal einen bemerkenswerten Landesherrn: Niklas                                                    Gefäß eines
                          er Ulrich zum Truchsess. Damit war Ulrich für die Hofhaltung zuständig und übte nun,           von Liechtenstein. Sein Vormund, Landesherr und freundschaftlicher Gönner war Her-           Degens, 1450-1480.
                                                                                                                                                                                                                       Zeichnung Carl Haas
                          wie sein Vater als Kämmerer, ein Spitzenamt aus. Wenige Jahre später freilich, 1246, starb     zog Friedrich V., der später Kaiser Friedrich III. wurde. Niklas war ihm eng verbunden und
                          Friedrich II. in der Schlacht an der Leitha, die Babenberger starben mit ihm aus und das       begleitete ihn auch zur Königs- und zur Kaiserkrönung.
                          Land fiel zunächst kurz an die Ungarn, dann an Böhmen.
                                                                                                                         Der Familienhaushalt schien sich unter ihm zu erholen, Niklas kaufte viele durch alte
                          Durch diese politischen Turbulenzen manövrierte sich der nicht nur literarisch kreative        Schulden verlorene Besitzungen wieder zurück, und neue dazu. Doch wie so oft in der
                          Ulrich von Liechtenstein offenbar geschickt und karrierebewusst. Mit dem böhmischen            Murauer Geschichte machte der Krieg alle Mühen zunichte. Als die Ungarn unter Mat-
                          Ottokar II. Přemysl, der 1261 Herzog von Steiermark wurde, hatte er von früher noch gute       thias Corvinus in der Obersteiermark einfielen und Niklas keine kaiserliche Hilfe erhielt,
                          Beziehungen. Unter ihm gelangte er auch wieder zu einem hohen Amt, dem des Mar-                machte er den Ungarn Zugeständnisse (wofür er vom Kaiser Friedrich III. geächtet wur-
                          schalls; später wurde er Landrichter der Steiermark, also Vertreter des Landesherrn. Aber      de). Diese übernahmen schließlich von 1480 bis zum Tod von Matthias Corvinus 1490 die
                          die Beziehung zum Böhmenkönig war eine Berg- und Talfahrt. Als Ottokar sich – gegen            Herrschaft in Murau.
                          den ihm feindlichen gesinnten Adel – der steirischen Burgen bemächtigte, wurde Ulrich
                          1268 sogar festgenommen und war ein halbes Jahr in Böhmen inhaftiert. Das von ihm
                          erbaute Schloss Murau wurde zerstört.
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