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ProTier – Stiftung für Tierschutz & Ethik 3/21 www.protier.ch PRO Die aiavita – ein Ort, an dem sich die Seele erholen darf «Transfarmation»: Der Ausstieg aus der Nutztierhaltung Katzenkastrationen – eine wichtige Massnahme im Tierschutz
| IMP R E S S U M | INH A LT ProTier-Magazin Editorial 3 Ausgabe 3/21 51. Jahrgang, erscheint 4 x jährlich Die aiavita – ein Ort, an dem sich die Seele erholen darf 4 Abonnement Selbstzweifel | Tierethik 7 Gönner, Paten und Spender erhalten die Zeitschrift kostenlos. «Transfarmation»: Der Ausstieg aus der Nutztierhaltung 8 Einzelnummer CHF 7.– Argentinien verbietet Lachsfarmen 12 Redaktionelle Mitarbeit Patrick Schneider, Leitung (scp) Interview | Annina Campell 13 Florian Sisolefski (sif) Bettina Ebner (ebb) Tollwut – eine in Vergessenheit geratene tödliche Viruserkrankung 15 Martina Futterlieb (fum) Wasser – Ursprung des Lebens 16 Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Weiterverwendung der Artikel «Das waren die schönsten Hoftage von allen – vielen Dank!» 17 und Bilder nur mit ausdrücklicher, Wenn das Recht Tiere nicht schützt 18 schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Die Beiträge decken Katzenkastrationen – eine wichtige Massnahme im Tierschutz 20 sich nicht zwingend mit der Meinung der Redaktion. Universalrechte, bitte! 22 Korrektorat Unser kleiner, frecher Kulturfolger – der Spatz 23 BüroPult GmbH, bueropult.ch Layout Anita Estermann Design, aedesign.ch Druck Staffel Medien AG, 8045 Zürich Titelbild Lebenshof aiavita © Peter Diem, Luzern Schau mal rein: tierisch gute Artikel im online-shop von protier Unter www.protier.ch/shop findest du tierisch gute Artikel. PRO Zum Beispiel diesen praktischen Rucksack für unterwegs oder Malstifte für Kinder – beides kostenlos – ProTier – Stiftung für ja, richtig gelesen! Es hät, solangs hät! Tierschutz und Ethik Alfred-Escher-Strasse 17 CH-8002 Zürich Telefon 044 201 25 03 tierschutz@protier.ch Spendenkonto PC 60-455782-5 IBAN CH41 0900 0000 6045 5782 5 www.protier.ch Stiftung.ProTier 2 ProTier 3/ 21
EDITORIAL | Liebe Leserinnen, liebe Leser Der Herbst wird uns, nach diesen anspruchsvollen Monaten, wieder Begegnungen und schöne Erlebnisse bescheren – da bin ich mir ganz sicher –, sowohl privat als auch beruflich. Auch wir spüren diese Bewe- gung. Auf den Lebenshöfen dürfen wieder Besucher empfangen werden, der Austausch zwischen Tier und Mensch wird wieder belebt, Kinder und Familien dürfen sich auf den Höfen der Natur wieder ganz nah fühlen. Zum dritten Mal lancierte ProTier die kolonien betreuen. Der Bericht (Seite Hoftage auf 15 Lebens- und Gnaden- 20/21) wird Ihnen die Wichtigkeit von höfen in der Schweiz. Dieses Jahr Katzenkastrationen aufzeigen. mit einer Rekordzahl von teilneh- menden Höfen sowie vielen begeis- In dieser Ausgabe dürfen wir viele terten Besucherinnen und Besu- anregende Gastkolumnen präsentie- chern. Ein Zeichen der Zeit – diese ren: Unter anderem thematisiert Ni- Begegnungen werden in Zukunft im- co Müller (Präsident Animal Rights mer wichtiger werden und die An- Switzerland) die Lücken im Tier- fragen für neu aufzubauende Höfe schutzgesetz, Robert Rauschmeier nehmen markant zu. ProTier unter- geht in seinen Zeilen auf das Thema stützt mit einem Lebenshof-Fonds Tierrechte ein und der Tierarzt Dr. bestehende Höfe bei ihren baulichen Josef Föhn behandelt in seinem Ar- Vorhaben und begleitet neue Le- tikel die Tollwut. benshöfe bei ihrem Aufbau. Endlich wieder Good News im Tier- Mit dem interessanten Bericht über schutz, diesmal aus Argentinien. Als die Transformation eines Bauern- erstes Land weltweit verbietet Ar- hofs in einen Lebenshof möchten wir gentinien die industrielle Lachszucht Ihnen das Thema auf den Seiten 8 in seinen Gewässern. Das Verbot be- bis 10 näherbringen. trifft zwar nur die Provinz Feuerland, doch diese Gewässer sind die einzi- Sie hat bereits einen Lebenshof: gen in Argentinien, die die natürli- Seraina Manzanell von der aiavita. chen Voraussetzungen für die Zucht Ihre erlebnisreiche Geschichte stel- von Lachsen erfüllen. Somit kommt len wir auf den Seiten 4 bis 6 vor. die Entscheidung einem landeswei- ten Verbot gleich (Seite 12/13). Katzenkastrationen sind eine wichti- ge Massnahme im Tierschutz. In der Ich wünsche Ihnen noch ein paar Schweiz leben zwischen 100’000 und wärmende Herbsttage und viel Freu- 300’000 besitzerlose Katzen. Die de beim Lesen unserer Reportagen. weitverbreitete Annahme, dass wir kein Problem mit unkastrierten Streunerkatzen haben, ist falsch. Ob- Patrick Schneider wohl ProTier und diverse andere Geschäftsführer Tierschutzorganisationen aktiv Auf- klärungsarbeit leisten, ist das Thema noch immer höchst brisant. ProTier ist eine der ersten Organisationen überhaupt, die seit den 1980er-Jah- ren die Kastration von freilebenden Katzen und Hofkatzen propagiert und fördert. Wir geben Kastrations- gutscheine an Bauern ab oder an Menschen, die verwilderte Katzen- ProTier 3/ 21 3
| L E BE N S H Ö F E – P R O T IE R HIL F T Die aiavita – ein Ort, an dem sich die Seele erholen darf Der klangvolle Name setzt sich zusammen aus «l’aia», was so viel wie Scheune bedeutet, und «la vita», das Leben. Ein geschützter Lebensplatz für Lebewesen in Not. Die kunterbunte, kleine Oase von Seraina Manza- nell liegt im aargauischen Mettauertal. Hier dürfen verletzte Seelen wieder heilen, Kraft tanken und zur Ruhe kommen. VON BETTINA EBNER klar, dass die Tiere Seraina ein Leben bar, der noch auf seine Verarbeitung lang begleiten werden. wartet. Der ganze Rest der insge- Als ich auf der aiavita ankomme, Seraina absolvierte eine Ausbildung samt 66 Tonnen wurde bereits im werde ich stürmisch von Mosca be- als Lehrerin. Schnell merkte sie je- nun erweiterten Auslauf der drei grüsst. Eine wunderschöne 3-jährige doch, dass ihr Herz vor allem für die- prächtigen Pferde verteilt. In den Ridgeback-Mischlingshündin, die zu jenigen schlägt, die ganz besonders kommenden Tagen wird noch Quarz- Beginn nicht so recht weiss, was sie viel Hilfe brauchen, und begann mit sand angeliefert, der nicht staubt von meinem Besuch halten soll. Sie verhaltensauffälligen Kindern zu ar- und eine angenehme, weiche Liege- ist aufgeregt und gleichzeitig etwas beiten. Zeitgleich machte sie eine fläche für die Pferde wird. scheu. Nachdem Seraina sie etwas therapeutische, tiergestützte Ausbil- ” beruhigt hat, werde ich auch von ihr dung an der Uni Zürich. Der sanierte Auslauf herzlichst empfangen. Ich fühle mich Neben der sonderpädagogischen gleich wohl in ihrer Gegenwart, und Arbeit in einem Heim absolvierte sie bietet den Pferden bin gespannt, was sie alles über ihre noch eine Coaching-Ausbildung, die die gewünschte Tritt Schützlinge zu erzählen hat. es ihr ermöglicht, ganz individuell sicherheit. So erfahre ich, dass Mosca aus Ita- auf die Bedürfnisse einzugehen. lien kommt und schon als kleiner Wel- Menschen und Tieren in schwierigen «Den Auslauf zu sanieren war drin- pe ständig herumgereicht wurde. Nir- Situationen zu helfen, wurde Stück gend nötig, damit die Pferde nicht gends konnte sie zur Ruhe kommen, für Stück zu ihrem Lebensinhalt. Und länger auf dem rutschig und löchrig nirgends war sie richtig zu Hause. wenn man Seraina beim Erzählen in gewordenen Untergrund laufen Dies ist der Grund, warum die Hündin die Augen schaut, merkt man sofort, müssen. Das Verletzungsrisiko ist sehr aufgedreht ist und niemand sie dass das weit mehr als nur Arbeit ist. einfach zu gross geworden.» wollte, bis sie endlich bei Seraina ein Gerade als sich Seraina selbst- Mir als Pferdeliebhaberin haben behütetes «Für-immer-Zuhause» ständig machte, veränderte sich es die bildschönen und freundlichen fand. Zu Serainas Hunderudel gehö- durch Corona alles. Es braucht nicht Pferde besonders angetan. Zeus, ren aber noch drei weitere Fellnasen. viele Worte, um zu beschreiben, was Molly und Sara geniessen sichtlich Und jetzt dürfen auch sie dazukom- das für eine Therapeutin bedeutet: ihren neuen, grosszügigen Auslauf. men. Die Tür geht auf und Max, Nuri keine Arbeit mehr und damit finan- Sie dürfen sich zu jeder Tageszeit und Bozo stürmen laut bellend auf zielle Schwierigkeiten. Da Seraina komplett frei bewegen und auswäh- uns zu. Schmunzelnd stelle ich fest: den Hof allein mit ihrem Gehalt über len, wo sie sich gerade am liebsten Dieser Hof wird mit Sicherheit von Wasser halten muss, grenzt diese Si- aufhalten. niemandem unbemerkt besucht! tuation an eine Katastrophe. Die fi- Vor allem die Geschichte von nanziellen Belastungen für einen Hof Zeus, einem verschmusten 6-jährigen So fing alles an … mit all seinen Tieren sind enorm. Nö- Schimmel, hat mich sehr erstaunt. Als sich die Hunde beruhigt haben tige Um- und Ausbauarbeiten an den Der schöne Wallach, der seit März und wir langsam zu den Pferden spa- Ställen, Futter für die Tiere und Tier- 2021 bei Seraina lebt, wurde in den zieren, erzählt mir Seraina ein wenig arztkosten sind dabei die grössten sozialen Medien als «zu verschen- aus ihrer Lebensgeschichte. Positionen, aber längst nicht alle. ken» ausgeschrieben. Aber wer bitte- Schon als kleines Mädchen hat sie Glücklicherweise kann sie nun wie- schön verschenkt einfach ein Pferd? sich immer hingebungsvoll um ver- der als Therapeutin und Coach arbei- Das dachte auch Seraina und meldete letzte und kranke Tiere gekümmert. ten, aber die finanziellen Engpässe sich auf die Anzeige. Zuerst passierte Und war es auch noch so klein, jedes sind längst nicht vom Tisch. nichts, dann kam ein Anruf in gebro- wurde aufgenommen und aufgepäp- chenem Deutsch, dass das Pferd drin- pelt so gut es ging. Das «Helfergen» Ein pferdegerechter Auslauf gend weg müsse und gleich vorbei- wurde Seraina sozusagen in die Wie- Auf dem Hof ist ein kleiner Haufen gebracht werde. Viel Zeit, um nach ge gelegt. Daher war es schon früh des Sedimentgesteins Mergel sicht- einem Haken an der Geschichte zu 4 ProTier 3/ 21
Fotos © Peter Diem, Luzern suchen, hatte Seraina nicht mehr, denn Stahlgerüst neu aufgebaut werden. kurz darauf stand ein Auto mit einem Rund zwei Drittel der Arbeiten sind Hier erfahren Sie noch mehr uralten, klapprigen Anhänger vor der bereits abgeschlossen, aber da die über die Arbeit und die Tür. Laderampe auf, Pferd raus und ganze Aussenwand stabil einbeto- Philosophie der aiavita: auf Wiedersehen. Und da war er nun, niert werden muss, dauert es eine der Zeus. Er hat sich mit den anderen Weile, bis alles fertig ist, um von den www.aiavita.ch Pferden sofort gut verstanden und Samtpfoten begutachtet zu werden. www.facebook.com/aiavita.ch vor allem zu Molly eine innige Pferde- Und natürlich ist auch die Beschaf- freundschaft entwickelt. fung von Metallgittern, Schweissio- Zeitgleich mit der Sanierung des den, Steinen, Kies und diversem Pferdeauslaufs kann auch der Schaf- Kleinmaterial sehr kostspielig. hintenan. Selbstlos sagt sie: «Ich stall an seinen geplanten Ort gesetzt Zurzeit leben drei Pferde, vier brauche nichts. Alles, was ich habe, und eingezäunt werden. Bisher leb- Hunde, vier Schafe und neun Katzen bekommen die Tiere.» Sie hat wirklich ten die vier Schafe in einem Proviso- in der aiavita, um die sich Seraina ein riesiges Herz für Tiere und Men- rium in der Scheune und freuen sich weitestgehend allein kümmert. Nicht schen und hilft, wo sie nur kann. ebenso wie die Pferde, den neuen nur eine finanzielle, sondern auch ei- Seraina strahlt so viel Wärme und Boden unter ihre Klauen zu nehmen. ne körperliche Mammutaufgabe. Ruhe aus und ich bin mir sicher, dass Die Bedürfnisse der Tiere stehen es ihre Bestimmung ist, Tieren und Ein gesicherter Garten bei Seraina immer an oberster Stelle. Menschen zu helfen, wieder ihren Die Katzen von Seraina dürfen sich im Ihre eigenen stellt sie dabei gerne Platz im Leben zu finden. ■ Wohnhaus aufhalten und zudem gut 90 m2 des rundum gesicherten Gar- tens nutzen. Das Gehege ist oben of- Für den dringend benötigten Auslauf der Pferde und um das gesicherte fen und hat einen Überkletterschutz. Aussengehege der Katzen fertigstellen zu können, ist die So ist die Umgebung auch für sehr aiavita von Seraina Manzanell auf Spenden angewiesen. scheue Tiere optimal eingerichtet. ProTier möchte mit diesem Bericht zur Unterstützung Im vergangenen, schneereichen Winter ist das ehemalige Holzgitter aufrufen. Spenden der Aussenanlage eingebrochen. Da- mit dies zukünftig nicht mehr passie- Ihr gespendeter Beitrag fliesst direkt der aiavita zu. Im Namen von allen zwei- und vierbeinigen hilft! ren kann, soll dieser Auslauf nun mit Bewohnern der aiavita danken wir ganz herzlich! PC 60-455782-5 stabilen Gittermatten und einem siehe Einzahlungsschein in der Heftmitte 6
S E R IE T IE R E T HIK – W IL D S KO LU MNE | Selbstzweifel Manchmal habe ich den Eindruck, dass keine Veranstaltung mehr ohne Tiere auskommt. Es ist Anfang September. Schöne Septembertage, wie ich sie mag, mit milder Wärme, Licht und Wind. Als ich Ende der 1970er-, Anfang der 1980er-Jahre ein Bub war, erlebte ich um diese Jahreszeit Alpabfahrten, Bauern- märkte boten Jungtiere feil, wir holten den letzten Schnitt für die Schafe ein und begannen mit den Vor- bereitungen der «Metzgete» im Landgasthof. VON MARKUS WILD Die Tiere waren fest in den Jahres- ablauf und in die ländliche Kultur ein- gebettet. Ich stand mittendrin, so nahe an den Vorgängen, dass ich nicht merkte, worin deren Gemein- samkeit bestand: Alle diese Tiere wa- ren dazu da, von uns besessen, ge- nutzt und letztlich getötet zu werden. Hin und wieder merkte ich es, etwa wenn ein Tier ausscherte, ein ande- res mehr schlecht als recht erschla- gen wurde oder wenn mich die Grob- heit von Menschen einschüchterte, die mit dem Leben von Tieren ihr Le- ben bestritten. Doch das Merken wird durch die Normalität häufig im Keim erstickt. Vielleicht war meine Freude an den Fuchsspuren der Aus- druck davon, dass ich an einer mir Markus Wild mit Hund Titus. Foto © Nicole Hollenstein noch nicht zugänglichen Stelle glaubte, Tiere hätten ein anderes Le- ben verdient? Federn, Häute, Darmsaiten, Knochen zu wenig verändert. Vielleicht mache Ich empfinde keine Nostalgie, oder Elfenbein, um Instrumente her- ich ja heute einfach bei einem Über- wenn ich an diese Zeit denke. Der zustellen. Ich steuere zu diesen Aus- bau mit, der den Unterbau, in dem Umgang mit Tieren war sicher nicht stellungen Texte und Gedanken bei die Tiere darben, letztlich doch unan- so herzlos und profitorientiert wie in und kann so ethische Probleme ins getastet lässt? ■ der Massentierhaltung. Doch am En- Bewusstsein der Besucherinnen und de gibt es keinen wirklichen Unter- Besucher bringen. Während des ers- schied. Heute stehe ich nicht mehr ten Septemberwochenendes disku- mittendrin, sondern bin aus diesen tierte ich das Kunstwerk «Babel» von Abläufen herausgetreten, ich lasse Sandra Knecht, in dem Hühner und mir das Merken nicht mehr durch die Tauben hausen. Den folgenden Tag wahnsinnige Normalität ersticken, moderierte ich in Zürich eine Diskus- ich kenne die Stelle nun genauer, von sion über Wildtiere in der Stadt und der aus wir Tiere mit anderen Augen eine zweite über kulturelle Traditio- Markus Wild sehen als mit jenen der Nützlichkeit. nen bei Schimpansen, Walen, Ratten ist Philosophie-Professor an der Das Schöne ist, dass ich dennoch und anderen Tieren. Universität Basel und beschäftigt von Tieren weiterhin umgeben bin. Ich freue mich, dass ich ein Bild sich seit mehr als zehn Jahren mit In Basel haben sich in diesem der Tiere vermitteln kann, das sich dem Geist der Tiere. Zu seinen Jahr vier Museen zusammengetan, von dem unterscheidet, in dem ich Hauptforschungsgebieten gehört um in einer gemeinsamen Ausstel- aufgewachsen bin. Freilich bleibt bei die Tierphilosophie, die sich mit lung mit dem Titel «tierisch!» die Be- aller Süsse ein bitterer Geschmack, Fragen des Mensch-Tier-Unter- ziehung zwischen Mensch und Tier als hätte ich immer noch diese Pus- schieds, des Denkens und des zu beleuchten. Dabei geht es um Kul- teln um den Mund. Obwohl überall Bewusstseins bei Tieren und mit tur, Antike, Pharmazie und Musik. Tiere vorkommen, hat sich der der Tierethik beschäftigt. Musik? Nun, Menschen verwenden Wahnsinn der Normalität noch viel ProTier 3/ 21 7
| L E BE N S H Ö F E – P R O T IE R HIL F T «Transfarmation»: Ausstieg aus der Nutztierhaltung Es sind diese alles verändernden Schlüsselmomente, diese Augenblicke, in denen Landwirtinnen und Landwirte ihre tierischen Gegenüber anders wahrnehmen als zuvor. Pia Buob, Bäuerin aus dem Emmen- tal, nahm die Herausforderung an, ihren Hof mit Nutztierhaltung in den Lebenshof Einfach sein zu «transfarmieren». VON FLORIAN SISOLEFSKI Mutter bleiben dürfen, konnte Pia je- Nutztierhaltung, das wenig bis keine doch nicht über den Schmerz hinweg- Zeit und Raum für das Realisieren Es sind Sequenzen, in denen sie los- trösten, den sie ständig empfand, und Erkennen von Alternativen bietet gelöst von der Nutzungsperspektive wenn sie Kalb und Mutter mit dem und schlichtweg ein Gefühl der Aus- nicht mehr nur mit ihren Augen, son- Bewusstsein voneinander trennte, weglosigkeit fördert. Schliesslich sind dern auch mit dem Herzen sehen, dass ihre gegenseitigen verzweifelten Generationen davor auch diesen Weg hinter ihren Tieren die Individuen mit Rufe des Suchens niemals wieder von gegangen und haben den Schmerz in ihren eigenen Persönlichkeiten und Erfolg gekrönt sein würden. Gleicher- Kauf genommen. Bedürfnissen erkennen und Verbun- massen schmerzhaft war es für sie zu Oftmals sind es jedoch in beson- denheit spüren. wissen, dass diese Kälbchen, die ge- derem Masse fehlende Informatio- Es sind Momente, von denen na- messen an einer Lebenserwartung nen, die die anfängliche, unbegründe- hezu alle Landwirtinnen und Land- von 20 Jahren noch Kleinkinder wa- te Skepsis von Bauern und Bäuerinnen wirte berichteten, die sich diesen Ge- ren, gerade einmal einen Bruchteil gegenüber Alternativen nähren. Ge- fühlen nicht mehr entziehen konnten ihres Lebens hatten erleben dürfen. lingt es jedoch, ihre Motivation durch und sich dazu entschlossen, etwas zu Irgendwann war der Punkt gekom- hilfreiche Informationen zu unterstüt- verändern. Doch wie können solche men, an dem der stete Tropfen mora- zen, öffnet sich ein grosses Feld indi- Veränderungen aussehen und sind lischer Belastung das allbekannte vidueller und zukunftsfähiger Lösun- diese nachhaltig realisierbar, ohne in Fass zum Überlaufen brachte, und sie gen, im Sinne und zum Wohle aller Sorge um die Erwirtschaftung des etwas ändern musste. Lange genug Beteiligten – der Landwirtinnen und Einkommens oder die Schuldentil- hatte sie mit ihren inneren Konflikten Landwirte, ihrer ehemaligen Nutztie- gung zu sein? Was ist, wenn diese gekämpft. Sie erkundigte sich auch re und der damit untrennbar verbun- Menschen Landwirte und Landwirtin- bereits einige Zeit vor ihrem Ausstieg denen Ökologie. nen bleiben möchten, aber nicht aus der Nutztierhaltung nach den Als Pia Buob Sarah Heiligtag vom mehr ihre Tiere «nutzen» wollen? Möglichkeiten einer Betriebsumstel- Lebenshof Hof Narr in Hinteregg kon- Geht die Erfüllung der Bedürfnisse lung. Allerdings hatte sie damals viel- taktierte, die in den letzten Jahren nach einem gerechten Umgang mit seitige Bedenken, die viele Landwirte über 70 landwirtschaftliche Betriebe ihren Tieren nur mit einem Abschied und Landwirtinnen der Nutztierhal- bei ihren Umstellungen massgeblich einher oder gibt es Alternativen? tung kennen und die Umstellungs- beraten und unterstützt hat, geschah In den letzten Jahren haben zahl- bemühungen erschweren können. genau diese Zusammenführung von reiche Landwirtinnen und Landwirte Die Hauptherausforderungen sind Information und Motivation. Mit Pias diese Veränderungswünsche gespürt jeweils sozialer Art. Sei es der Druck, Wissen über das weitreichende Mög- und sich die Frage nach einer Alter- geprägt von Bedenken des sozialen lichkeitsspektrum solcher «Transfar- native gestellt. Viele von ihnen haben Umfelds rund um die Familie, der mationen» und ihrer Individualisier- ihre individuelle Antwort gefunden Freund- und Kollegenschaft aus der barkeit wurden die ersten Pflöcke des und einen neuen Weg eingeschlagen. Landwirtschaft oder seien es einfach Wegs eingeschlagen, an dessen Ende Eine dieser Bäuerinnen ist Pia Buob unhinterfragte Sprüche aus dem der Lebenshof Einfach Sein stehen aus dem wunderschönen Emmental. Dorf, die darauf hindeuten, dass Ver- würde. Bis vor vier Jahren war ihr Hof ein änderungen im Gegenüber etwas Gegenstand solcher «Transfarma- Betrieb mit Mutterkuhhaltung. Bei auslösen, was in den eigenen kondi- tionen» ist die Abkehr von einer tier- dieser Haltungsform bleiben die Käl- tionierten Wertvorstellungen eine leidbehafteten Eier-, Milch- oder ber nach der Geburt bei der Mutter, Antwort findet. So kann es zu Konflik- Fleischproduktion, hin zu einer tier- bis sie nach ca. zehn bis zwölf Mona- ten kommen, die einen neuen Schritt freundlichen, nachhaltigen Land- ten gross genug sind, um geschlach- verhindern oder zumindest nicht ganz wirtschaft, die keiner Tiernutzung tet zu werden. sanft passieren lassen. mehr bedarf. Je nach Gegebenhei- Die Tatsache, dass die Kälbchen Eine weitere Herausforderung ist ten und Wünschen existiert die Mög- bis zu ihrem Schlachtalter bei ihrer die Abhängigkeit vom System der lichkeit, mittels eines Lebenshof 8 ProTier 3/ 21
konzepts die Tiere auf dem Hof zu möglichkeiten, betreutes Wohnen da jemand zuhause ist in diesem behalten. oder auch Burnout-Prävention und Körper, der genauso lebenslustig ist Um so schnell wie möglich die -Rehabilitation an. wie der Hund im Körbchen. Oder es Schlachtungen zu beenden und ein Für Pia kommt endlich zusam- kann eine lange Geschichte des Mit- neues Kapitel in ihrer und der Ge- men, was zusammengehört, und mit leidens sein, die als solche in die ei- schichte ihrer Tiere aufzuschlagen, ihrer humorvollen, vor Energie strot- gene Person integriert wird, weil musste jedoch schnell gehandelt wer- zenden Art inspiriert sie bereits heu- derv Ausweg nicht gesehen wird. den. Da ihre Rinder nicht alle auf dem te viele weitere Menschen, Verände- Darüber hinaus gibt es die ökologi- zukünftigen Lebenshof Platz hatten, rung nicht zu scheuen, sondern sich sche Motivation der heutigen Zeit, bedurfte es einer Ausweichmöglich- freudig in sie hineinzustürzen. da zahlreiche ökologische Faktoren keit, die schliesslich auf dem Chäppis- und Folgen, die mit der Nutztierhal- Hof in Oberwangen (SG) gefunden Gibt es einen typischen Fahrplan tung in direkter Verbindung stehen, wurde. Damit die Umplatzierung der für «Transfarmationen»? unseren Planeten schädigen – seien Herde SanftMUHt so schnell wie Um diese Frage näher zu beleuchten, es die Treibhausgas-Emissionen aus möglich passieren konnte, war Pro- gilt es, sich erneut der notwendigen der Fleischproduktion, die Wald- und Tier sofort bereit, die notwendige Keimzelle aller «Transfarmationsbe- Regenwaldrodung zur Gewinnung Startfinanzierung für die ersten zwei strebungen» zu widmen – der Moti- von Anbauflächen zur Tierfutterpro- Monate zu übernehmen. vation. Diese kann sehr unterschied- duktion, die hochgradig ineffiziente Im Zuge dessen entwickelte Pia ein licher Natur sein. Landnutzung der Fleischproduktion, persönliches Konzept ihres zukünfti- Wie bereits im Fall von Pia Buob der immense Wasserbedarf oder die gen Lebenshofs Einfach Sein. Neben geschildert, kann ein Motiv im auf- hinzukommende Wasserverschmut- ihren wunderbaren tierischen Be- kommenden Konflikt zwischen Nutz- zung durch die Überdüngung und wohnern, deren Zahl sich aktuell auf tierhaltung und tierethischen Über- den Einsatz von Pestiziden und Me- knapp 100 Tiere beläuft und die un- legungen und Wertvorstellungen dikamenten. terstützt durch zukünftige Paten- liegen. Es kann ein Moment sein, wo Als Letztes gibt es noch die wirt- schaften liebevoll versorgt werden einem Tier zum ersten Mal in die Au- schaftliche Motivation, denn auch können, bietet sie Übernachtungs- gen geschaut und erkannt wird, dass finanzielle Aspekte und Überlegun- Foto © Peter Diem, Luzern 9
gen zur Zukunftsfähigkeit können wie der Notwendigkeit einer Einkom- Lebensmitteln wie Hafermilch oder eine Rolle spielen. Betrachtet man mensquelle etc. Erbsenprotein, die Integration von beispielsweise die ruinösen Preis- Dieses Reinfühlen in das Gegen- sozialen und psychologischen Arbei- kämpfe bei Milchprodukten, blickt über ist elementarer Bestandteil der ten mit Menschen oder die Schaffung man auf die Entwicklung des Markts «Transfarmationsprozesse». Schliess- von Übernachtungsmöglichkeiten. So mit dem kontinuierlich steigenden lich sind die nachhaltigsten Verände- kann es notwendig werden, vorhan- Marktanteil vegetarischer und vega- rungen die, die von Herzen kommen dene Tiere umzuplatzieren, Tierpaten- ner Lebensmittel oder erkennt man, und mit Leidenschaft gelebt werden. schaften zu organisieren, Maschinen dass die klimaschädlichen Subven- Die Ergebnisse, in Kombination mit und Know-how für den Anbau und tionen, beispielsweise in Form von den Möglichkeiten vor Ort und dem die Produktion von Lebensmitteln zu Direktzahlungen, falsche Anreize set- Wissen über mögliche Alternativen, beschaffen, beratendes Fachpersonal zen und in Zukunft wohl mindestens sind die Basis für weitere Gespräche für spezifische Themen zu akquirie- einer Revision unterzogen werden, und die sukzessive Weiterentwicklung ren, Finanzierungsgespräche für Um- so lässt sich auch hier die Motivation und ganzheitliche Betrachtung des baumassnahmen zu führen oder auch einer Abkehr von der Nutztierhal- Vorhabens. Abnehmer für die zukünftig produ- tung identifizieren. Je nach den Erkenntnissen aus zierten Lebensmittel zu finden. Wie in vielen Bereichen, gibt es dem eben dargelegten Prozess und Das allen gemeinsame Ziel ist im- nicht eine ausschlaggebende Motiva- immer im Sinne der Landwirtinnen mer ein nachhaltig aufgestellter Be- tion, sondern es ist ein Zusammen- und Landwirte werden weitere Schrit- trieb ohne Nutztierhaltung und im Ein- spiel. Schliesslich hängen tierethische te eingeleitet. Diese sind unterschied- klang mit dem Wohlbefinden der Be- Aspekte immer auch mit der Sphäre licher Natur und stark vom ange- treiber und Betreiberinnen. Ein Hof, der der Ökologie zusammen und umge- strebten Weg abhängig. Grundsätzlich sich der zukünftigen Unterstützung kehrt. Ebenso hängt die seelische Ge- kann dieser Weg ein ganzes Spekt- gewiss sein kann und exemplarisch sundheit mit dem Wohlsein im eige- rum an Möglichkeiten annehmen. dafür steht, was möglich ist, wenn nen Wirkungsfeld und mit der finan- Von einem Lebenshof mit Zugang für Motivation und Information aufeinan- ziellen Sicherheit zusammen. die Öffentlichkeit bis zu einem kom- dertreffen. Ein Hof, dessen positive Die Beleuchtung der Motivation pletten Verzicht auf tierische Mitbe- Veränderung in die Welt hinausstrahlt hat an dieser Stelle eine wichtige Be- wohner (dafür je nach Ort aber Raum und zeigt, wie eine Agrarwende und deutung. Letztendlich ist sie die Trieb- für Wildtiere) und dem Fokus auf den der Wandel zugunsten der Tiere, der feder der Transformationsbemühun- Anbau von Gemüse, Getreide und Menschen und der Ökologie Hand in gen und bestimmt sowohl den Aus- pflanzlichen Eiweisskulturen, die Pro- Hand gehen können und müssen. stieg aus der Nutztierhaltung als auch duktion von verarbeiteten veganen ■ die zukünftige Ausrichtung des land- wirtschaftlichen Betriebs. Dementsprechend geht die erste Kontaktaufnahme von der interes- Ein Hauptbestandteil der Arbeit von ProTier ist es, sierten Landwirtin bzw. vom interes- die Lebenshöfe in ihrer Arbeit zu unterstützen sierten Landwirt aus. Um sich ein ProTier engagiert sich auch bei Neugründungen und Umstellungen auf umfängliches Bild der Gegebenhei- Lebenshöfe. Sie sind für uns ein wichtiges Anliegen und erfahren die volle ten und Möglichkeiten zu machen, Unterstützung von uns. findet in der Regel das erste Treffen auf dem umzustellenden Hof statt. Für ProTier ist es ein Kernanliegen, den Wandel zu einem gerechten und Dabei werden nicht nur die aktuel- ethisch vertretbaren Umgang mit Tieren voranzutreiben. Insbesondere in len Umstände angeschaut, sondern der heutigen Zeit wird die Tragweite dieses Umgangs immer deutlicher. ebenso wird über bereits vorhandene Eine immens wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Lebenshöfe. Vorstellungen und Ideen gesprochen. Ihre Wirkungskraft ist von unschätzbarem Wert, da hier der Tierschutz nicht Ein wichtiger Punkt für Sarah Heilig- mehr nur Theorie, sondern gelebte Praxis ist. Sie repräsentieren allerdings tag ist es, an dieser Stelle herauszu- nicht nur neue Wege im Umgang mit Tieren aller Art, sondern zeigen zugleich finden, welche Tätigkeiten den Bau- alternative und neue Wege einer Landwirtschaft ohne Tiernutzung auf. ern und Bäuerinnen wirklich Freude Lebenshöfe sind elementare Wegbereiter des angestrebten und notwendigen bereiten und mit welchen zukünftigen Wandels hin zu einer Welt des fairen und ethischen Umgangs mit Tieren. Aufgaben sie sich identifizieren kön- Sie stellen sich den mit der tranditionellen Tierhaltung verbundenen Proble- nen. Um diese Leidenschaften nach men und entwickeln und begehen Lösungswege. aussen zu kehren, hilft oftmals ein Gedankenexperiment. Dabei sollen Spendenkonto die betroffenen Personen die Ideal- PC 60-455782-5, IBAN CH41 0900 0000 6045 5782 5 vorstellung ihres Betriebs und ihrer PRO Rolle darlegen – ganz fiktiv, ohne das www.protier.ch Stiftung.ProTier Bedenken eventueller Restriktionen 10 ProTier 3/ 21
Schenken Sie ein Leben auf einem Lebenshof Mit einer Patenschaft unterstützen Sie den Solidaritätsfonds für die Lebenshöfe in der Schweiz. Der Lebenshof ist ein Ort, wo Tier und Mensch auf Augenhöhe miteinander leben. Kein Lebewesen wird genutzt oder ausgebeutet. Im Zentrum dieser Höfe stehen das Wohlergehen des einzelnen Tieres und die Unterbringung und Vermittlung von Tieren in Not. Kann ein Tier in Not gerettet werden, braucht es eine schnelle und unbürokratische Lösung. Der Fonds trägt die Kosten, um das Tier zu retten, medizinisch zu versorgen oder um auf einem Hof bauliche Anpassungen vorzunehmen, so dass das Tier dort Zuflucht findet. Herzlichen Dank im Namen aller Tiere, für die wir mit Ihrer Hilfe einen Ort für ein glückliches Leben finden dürfen! Spenden hilft! PC 60-455782-5 siehe Einzahlungsschein in der Heftmitte
| P R O T IE R A K T I V Argentinien verbietet Lachsfarmen Als erstes Land weltweit verbietet Argentinien die industrielle Lachszucht in seinen Gewässern. Das Ver- bot betrifft zwar nur die Provinz Feuerland, doch diese Gewässer sind die einzigen in Argentinien, die die natürlichen Voraussetzungen für die Zucht von Lachsen erfüllen. Somit kommt die Entscheidung einem landesweiten Verbot gleich. VON MARTINA FUTTERLIEB weltweit 2’384’000 Tonnen Zuchtlachs Einsatz von Antibiotika schaffen es produziert, während gleichzeitig die die Zuchtbetriebe, dass die Lachse 2018 hatte Argentinien ein Abkommen Wildlachsbestände drastisch sinken. trotz dieser Wunden überleben. Ge- mit Norwegen zur Einrichtung von gen den Parasiten werden Pestizide ” Lachszuchtanlagen im Beagle-Kanal Nachhaltigen Fischkonsum und Insektizide eingesetzt, doch bis unterschrieben. Der Kanal ist eine na- heute gibt es noch kein hundertpro- türliche, 240 km lange Verbindung zwi- gibt es nicht – nachhaltig zentiges Gegenmittel. schen Atlantik und Pazifik. Etwa zwei ist nur, wenn man Fische Bakteriellen Krankheiten wird Drittel des Kanals stellen gleichzeitig leben lässt. ebenfalls durch die prophylaktische die südliche Grenze zwischen dem ar- Behandlung mit Antibiotika entge- gentinischen und dem chilenischen Lachse mögen kaltes, klares Wasser – gengewirkt. Die Grenzwerte dafür Teil von Feuerland dar. Ein Bündnis somit sind nicht alle Gewässer dazu sind von Land zu Land unterschied- aus Umweltschützern, Vertretern loka- geeignet, Lachsfarmen zu errichten. lich. Laut Greenpeace werden Lachse ler Fischerfamilien und der Tourismus- Dort, wo die Bedingungen passen, in Chile mit der 700-fachen Antibioti- branche hatte sich jahrelang für ein reiht sich eine Farm an die nächste, ka-Menge behandelt, verglichen mit Verbot der industriellen Lachszucht wobei die Anlagen aus mehreren ihren Artgenossen in Norwegen. Der eingesetzt. Nun, drei Jahre nach dem Käfignetzen bestehen, die je bis zu giftige Cocktail aus Chemikalien und Abkommen, wurde vom Provinzpar- 500’000 Fische enthalten. Anfangs Antibiotika gelangt ungefiltert in die lament ein Verbot der Lachszucht ein- sind die Lachse noch klein, aber schon umliegenden Gewässer und schädigt stimmig verabschiedet. «Mit diesem nach kurzer Zeit drängen sie sich in auch alle anderen Organismen. Gesetz schützen wir ganz Südpatago- den Netzen, wie Sardinen in der Dose. Ausserdem befinden sich viele nien», sagte María Laura Colazo von Lachsfarmen aufgrund der klimati- Feuerlands Grüner Partei, «und das Massentierhaltung unter Wasser schen Bedingungen genau auf den Verbot wird auch auf die chilenische Wie auch die Massentierhaltung an Wanderrouten der Wildlachse. In den Seite des Kanals ausstrahlen». Land bieten Fischzuchtfarmen durch Farmen grassierende Krankheiten Auch im Nachbarland Chile regt die beengten Platzverhältnisse einen übertragen sich so auf die Wildlachse, sich seit Längerem Widerstand gegen perfekten Nährboden für Krankhei- die aber im Gegensatz zum Zucht- die Lachszuchtindustrie und 2019 ten und Parasiten. Insbesondere die lachs nicht behandelt werden. Wäh- wurden nach öffentlichem Druck und Seelaus richtet immer wieder grosse rend die Zuchtlachse Medikamente Protesten der indigenen Gemein- Schäden an. Dieser Kleinkrebs lebt bekommen, sterben die Wildlachse schaft der Yagán bereits installierte auf der Haut der Fische und beisst an den Viren und Parasiten. Norwegen Lachskäfige in Puerto Williams auf kontinuierlich kleine Stückchen ab. war einmal das lachsreichste Land der chilenischen Seite des Beagle- Es entstehen grosse, klaffende Wun- der Erde, mittlerweile gibt es nur Kanals wieder abgebaut. Chile ist den, die normalerweise zum Tod der noch 450’000 Wildlachse, dafür eine nach Norwegen der zweitgrösste Fische führen. Nur durch immensen halbe Milliarde Zuchtlachse. Lachsproduzent weltweit und produ- ziert jährlich 900’000 Tonnen Lachs, der in die ganze Welt exportiert wird. Wussten Sie … • dass Aquakulturen die Überfischung der Meere sogar verstärken? Der Hunger nach Lachs ist gross • dass Aquakulturen die Abholzung des Regenwalds vorantreiben? Vor 60 Jahren noch ein Luxusprodukt, • dass die Lachse durch ihre unnatürliche Fütterung kein rosa Fleisch das den Reichen vorbehalten war, ist mehr haben und Farbstoffe zugesetzt werden müssen, um die originale Lachs heute zum Billigprodukt ge- Farbe vorzutäuschen? worden, das sich praktisch jede und • dass Lachse Raubfische sind, aber in den Zuchtanlagen vorwiegend jeder leisten kann. Diese Entwicklung vegetarisch ernährt werden? machte vor allem die Einführung von • dass Fische sensible Wesen sind mit komplexen Sozialstrukturen? Zuchtanlagen möglich, in denen Tau- • dass die industrielle Lachszucht nur unter massivem Einsatz von sende Lachse gleichzeitig aufgezogen Pestiziden, Insektiziden und Antibiotika möglich ist? werden können. Im Jahr 2020 wurden 12 ProTier 3/ 21
Lachszuchtbetriebe sind mitverantwortlich für den Rückgang der Wildlachspopulation. Foto: zvg Tote Zonen unter den «Schlachtgewicht» erreicht hat. Alle ren dann das natürliche Gleichgewicht, Lachszuchtfarmen diese organischen Materialien sam- indem sie beispielsweise mit heimi- Lachse sind eigentlich Raubfische. In meln sich unter den Käfigen. Durch schen Arten um Futter konkurrieren. Zuchtfarmen werden sie aber mitt- den Verfaulungsprozess wird der lerweile mit einer Mischung aus 80% Sauerstoff im Wasser verbraucht und Fische fühlen Schmerz und Soja, Fischmehl und Fischöl gefüt- es entsteht eine tote Breimasse, die Stress tert. Das Soja stammt meist aus den Meeresgrund überzieht und jeg- Es gibt mittlerweile zahlreiche Stu- grossen Plantagen in Südamerika, liches Leben unmöglich macht. Die dien, die belegen, dass Fische sowohl wo dafür grosse Flächen Regenwald Gewässer übersäuern und es kommt Schmerz als auch Stress empfinden. abgeholzt werden. Fischmehl und zu vermehrter Algenblüte. Je nach So konnte man beispielsweise nach- -Öl stammen normalerweise aus Strömung zieht sich dieses Phäno- weisen, dass Fische in einem Aqua- Wildfang, somit tragen Aquakulturen men auch kilometerweit die Küsten rium tagelang auf Nahrung verzichte- sogar zur Überfischung der Meere entlang. Die Leidtragenden sind die ten, da es diese nur in einem Bereich bei, anstatt sie zu vermindern. lokale Bevölkerung, der Tourismus gab, in dem sie Stromschlägen aus- Durch diese unnatürliche Fütte- und die lokale Fischerei. gesetzt waren. Die Fische in den Far- rung fehlt den Lachsen der natürliche men leiden enorm unter den schlech- ” Farbstoff Astaxanthin, der ihnen die Tiere in Gefangenschaft ten Haltungsbedingungen, den Krank- charakteristische rötlich-rosa Farbe heiten und Parasiten, doch ihr stum- verleiht. Wildlachse nehmen Asta- versuchen immer ihren mes Leiden wird von niemandem xanthin mit ihrer natürlichen Nah- unangenehmen Bedingun- wahrgenommen. rung auf, die unter anderem aus klei- gen zu entkommen. Immer wieder dokumentieren Un- nen Krebstierchen besteht. Zucht- dercover-Recherchen von Tierschüt- lachse haben durch diesen Mangel Immer wieder kommt es zu Ausbrü- zern katastrophale Zustände: Toxine nur gräulich blasses Fleisch, deshalb chen von Tausenden Zuchtlachsen. und zu hohe Konzentrationen von setzen die Lachsproduzenten dem Diese haben aber ein verändertes Gen- Medikamenten und Antibiotika im Futter einen synthetischen Farbstoff material im Vergleich zu ihren wilden Wasser sowie verletzte, kranke und zu, um den Lachs schön rosa zu fär- Artgenossen, denn sie sind durch deformierte Fische. ben. Zucht auf die Bedingungen in den Far- Muss das sein? Mit unserem Kauf- Gefüttert werden die Lachse zwar men angepasst und für schnelles entscheid haben wir es in der Hand, maschinell und möglichst gut abge- Wachstum selektiert. Bei solchen Aus- etwas zu verändern. Jede Quittung ist stimmt, trotzdem sinkt ein Teil des brüchen vermischen und paaren sich ein Stimmzettel zugunsten oder ge- Futters auf den Grund. Dazu kommen die Zuchtlachse mit ihren wilden gen das Tierwohl und die Umwelt. Es die Fäkalien der Fische sowie die Res- Verwandten und tragen verändertes gibt heute genügend Alternativen, te der verendeten Tiere. Jeder fünfte Erbgut ein, das die Wildpopulation um Lachs und andere Fische komplett Lachs stirbt in Aquakulturhaltung an schwächt. Aquakulturen werden auch oder zumindest grösstenteils vom den Folgen von Krankheiten, Infektio- dort errichtet, wo der Lachs gar nicht Speiseplan zu streichen. nen oder Parasiten, bevor er sein heimisch ist. Entkommene Fische stö- ■ ProTier 3/ 21 13
| IN T E R V IE W MI T D E R T V- M O D E R AT O R IN A NNIN A C A MP E L L «Ich glaube fest an die Verbindung der ganzen Welt» Die sympathische Bündnerin hat sich mit dem beliebten SRF-Format «SRF bi de Lüt-LIVE» sowie mit «Wo ist dein Limit?» (SRF2) in die Herzen der TV-Zuschauer moderiert. Zudem moderierte sie die räto romanische Tagesschau «Telesguard». VON PATRICK SCHNEIDER Was wären Sie für ein Tier? Annina Campell: Am liebsten wäre ich ein Vogel. Am besten einer, der viel unterwegs ist – wie zum Beispiel die Schwalbe. Sowohl am Meer als auch in den Bergen daheim. Wie schön muss es sein, unseren Plane- ten auch aus der Vogelperspektive bewundern zu können. Und das Ge- fühl, im Wind zu schweben… eben – ich kann es mir nicht vorstellen. Könnte es aber gerne. Warum ist Ihnen der Schutz der Tiere wichtig? Annina Campell: Ich glaube fest an die Verbindung der ganzen Welt. Die Natur, die Menschen, die Tiere, alle Lebewesen und vielleicht noch mehr. Sogar Wasser besitzt eine Energie und kann Energie wahrnehmen. Ich denke, je mehr Gutes es gibt, desto eher wird die Welt auch wieder «ge- sund». Und im umgekehrten Fall ist es eben dementsprechend negativ. Annina Campell wurde 1984 im Oberengadin geboren und wuchs im Familienhotel in Cinuos-chel Haben Sie uns eine persönliche auf. Aus der Skilehrerin wurde die aktive und aufgestellte Moderatorin, die schon immer von Tiergeschichte zu erzählen, die Mensch- und Tiergeschichten fasziniert war. Foto: zvg Sie in schöner Erinnerung tragen? Annina Campell: Sehr gerne denke Ein wunderschönes Gefühl. So viele tet. Ich gebe das meinen Kindern ganz ich an meine Kindheits- und Jugend- Erinnerungen sind in mir hochge- bewusst mit auf den Weg. Oft bespre- tage zurück: Mit meinen drei Ponys kommen, aber auch Dankbarkeit, che ich mit Anna Nina die Problema- Lady, Vanessa und Blacky sowie den dass ich nun mit meiner Tochter wie- tik der Klimaerwärmung und versu- Hunden Mina und Bellina und den der zurück zu den Tieren finde. che so, meinen Beitrag ein Stück weit beiden Zwerggeisslein Pexly und zu leisten. Das geht natürlich nicht, Adrares bin ich dreimal die Woche Was tragen Sie selbst zum Schutz ohne es vorzuleben: wenn möglich im Engadin ausgeritten und habe des Klimas und der Tiere bei? Zug statt Auto, Licht löschen, Plastik unsere Wälder erkundet. Ein knap- Annina Campell: Ich denke, die aktuel- reduzieren, ausborgen statt neu kau- pes Jahrzehnt ging das so, dann le Bewegung in der Gesellschaft, die fen, Wasser aus während dem Zähne- folgte eine fast 20-jährige Pause. ein geschärftes Bewusstsein für Acht- putzen, Wäsche aufhängen statt tum- Und jetzt, vor genau zwei Wochen, samkeit der Umwelt gegenüber för- blern usw. Und im Umgang mit sass ich seit sehr Langem wieder auf dert, ist super. Es macht Hoffnung. Tieren ist es mir einfach wichtig, dass einem Pferderücken. Dank und mit Die Sensibilisierung für den Planeten meine Stadt-Kids den Zugang zur meiner kleinen – oder eben schon und seine Vielfalt – also auch die Tier- Tierwelt haben. Und zwar nicht nur grossen – Tochter bin ich wieder im welt, schon in Kindesjahren – fördert im Zoo und im TV, sondern eben auch Engadin durch die Wälder gezogen. sicher, dass jeder einen Beitrag leis- im 1:1-Kontakt. ■ 14 ProTier 3/ 21
T IE R G E S U ND HE I T | Tollwut – eine in Vergessenheit geratene tödliche Viruserkrankung Seit 1999 ist die Schweiz offiziell frei von Tollwut, trotzdem impfen wir unsere Tiere immer noch dagegen und werden dies auch in Zukunft tun. Symptome beträgt etwa drei Monate. Sehr strenge Vorschriften Die sogenannte Inkubationszeit kann für die Einführung von Tieren aber auch mehrere Jahre betragen. aus Tollwutrisikogebieten Sobald das Virus das zentrale Nerven- Darum sind die Vorschriften sehr system – Rückenmark bzw. Gehirn – streng: Elektronische Markierung, erreicht hat, hilft keine Therapie mehr. gültige Impfung und offizieller Pass Darum ist es enorm wichtig, bei Ver- sind Mindestanforderungen für den dacht auf eine Infektion sofort zu rea Grenzübertritt. Für Tiere aus Tollwut- VON DR. JOSEF FÖHN gieren: Auswaschen der Wunde, Imp- risikogebieten gelten besonders fung und passive Immunisierung mit strenge Vorschriften. So muss mittels In meinem bereits über 30-jährigen Tollwutantikörpern. Titerbestimmung der Nachweis einer Berufsleben habe ich gewiss weit Zu Beginn der Krankheit dominie- Wirksamkeit der Tollwutimpfung ge- über tausend Hunde und Katzen ge- ren grippeähnliche Symptome wie führt werden. gen die Tollwut geimpft, obwohl der Fieber und Schüttelfrost, dann be- Auf der Website des Bundesamts letzte Fall in der Schweiz sich vor steht oft ein Juckreiz in der Nähe der für Landwirtschaft und Veterinärwe- über 25 Jahren ereignet hat und un- Bissstelle, später dominieren die sen («Mit Hund, Katze oder Frettchen ser Land seit 1999 offiziell frei von mannigfaltigen Erscheinungen einer über die Grenze») können die ent- dieser Viruskrankheit ist. Ich selbst Hirnentzündung: Lähmungen, Krämp- sprechenden Einreisebestimmungen habe dieses Krankheitsbild in meiner fe, Tobsuchtsanfälle und Aggressivi- für alle Länder nachgeschlagen wer- Praxis bisher auch noch nie gesehen. tät. Klassisch ist die Angst vor Um- den. Dies ist sehr wichtig, denn bei Warum also impfen wir gegen eine weltreizen (Wasser, Luftzug, Licht, Nichtbefolgen droht eine kosten- Krankheit, die es in der Schweiz gar Geräusche), die zu Wutanfällen führt. pflichtige Quarantäne, eine Geldbus- nicht mehr gibt? Dafür gibt es folgen- Der Tod tritt meist innert 14 Tagen in- se und im schlimmsten Fall die Eu- de ernsthafte Gründe: folge einer Lähmung des Atemzent- thanasie des betroffenen Tieres. rums im Stammhirn ein. Hunde und Katzen, die in der Schweiz Jährlich sterben immer noch Das unvorstellbar qualvolle Lei- bleiben, müssen nicht gegen Tollwut über 60’000 Menschen an den der Patienten, das in den meisten geimpft werden. Wer aber mit seinem der Tollwut Fällen zum Tod oder zu schwerster Vierbeiner über die Grenze fährt, Weltweit sterben immer noch über Behinderung führt, und die Heimtü- muss eine gültige Tollwutimpfung 60’000 Menschen jährlich – vor allem cke der langen Inkubationszeit erklä- nachweisen können, die mindestens in Asien, Afrika und Südamerika – an ren unser grosses Interesse an der drei Wochen vor dem Grenzübertritt dieser heimtückischen Krankheit, an Elimination der Tollwut. Die in den durchgeführt wurde. ■ der prinzipiell Säugetiere und Vögel Siebzigerjahren erstmals in der erkranken können und die vor allem Schweiz durchgeführte orale Immuni- durch Fledermäuse, Wildtiere wie sierung von Füchsen mittels Impfkö- Füchse oder Eichhörnchen und durch dern führte schliesslich zum Erfolg: unsere Haushunde und Hauskatzen 1996 wurde der letzte Tollwutfall dia- auf den Menschen übertragen wird. gnostiziert. Unser Land gilt seit über zwei Jahr- Die Inkubationszeit beträgt zehnten als tollwutfrei. Auch unsere Dr. Josef Föhn zwischen drei Monaten Nachbarn haben die Tollwut sehr er- ist seit über 20 Jahren als Tierarzt und mehreren Jahren folgreich bekämpft. Der illegale Im- in Kleinandelfingen im Zürcher Die im Speichel der Tiere vorhandenen port von Hunden und Katzen aus Toll- Weinland tätig. ProTier unterstützt Viren gelangen über Biss- oder Kratz- wutrisikogebieten stellt aber nach ihn und seine bäuerliche Kund- verletzungen ins menschliche Gewebe wie vor eine Gefahr für uns dar. schaft finanziell bei Katzenkastra- und wandern entlang der Nervenzel- tionen. len oder über die Blutbahn ins Zentral- nervensystem. Die Dauer zwischen www.wyland-vets.ch Ansteckung und Auftreten der ersten ProTier 3/ 21 15
| N AT U R NE T Z P FA NNE N S T IL Wasser – Ursprung des Lebens Weiher und Tümpel sind wichtige Lebensräume, viele Arten starten hier ins Leben. Aber mit dem Bau eines Weihers ist es nicht getan: Um das kleine Gewässer vor dem Verlanden oder Überwuchern zu be- wahren, muss es regelmässig gepflegt werden. VON DIANA MARTI UND VINCENT SOHNI, NATURNETZ PFANNENSTIL Jedes Stillgewässer – und sei dies ein noch so kleiner Tümpel im Gar- ten – wird innert weniger Wochen von Libellen oder Wasserläufern be- siedelt. Aber auch Kleinstlebewesen wie Kleinkrebse, Rädertierchen, Fa- den- und Strudelwürmer lassen sich bald im Wasser beobachten. Mit et- was Glück nutzen auch einheimische Amphibienarten wie Grasfrosch, Bergmolch oder auch die Erdkröte den Weiher zum Laichen. Biodiversitäts-Hotspot Nehmen Sie sich eine Auszeit und setzen Sie sich an einen Weiher. In Ein künstlich angelegter Weiher kann naturnah gebaut werden und somit ein wichtiger jeder Jahreszeit lassen sich dabei Wasserlebensraum sein. Foto © quadra gmbh Tiere beobachten. Im Frühling wuseln diverse Larven gische Gleichgewicht des einheim- Bei der ganzen Pflege darf aber nicht am Grund und die Molche suchen ihr ischen Lebensraums. zu viel weggeräumt werden. Röh- Laichgewässer auf. Im Frühsommer richtpflanzen und Hochstauden soll- holen Rauch- oder Mehlschwalben Gepflegt in den Winter ten nicht im Herbst abgeschnitten lehmhaltiges Material für ihren Nest- Unterhaltsarbeiten sollten am besten werden. Zahlreiche kleine Insekten bau. im Herbst oder Winter vorgenommen und Spinnen überwintern in hohlen Im Hochsommer flattern Schmetter- werden, damit Flora und Fauna nicht aufrechten Stängeln! Diese können linge wie der Schillerfalter oder der beeinträchtigt werden. Jetzt ist daher im Frühling entfernt werden. Danach Trauermantel vorbei oder die Kleine der ideale Zeitpunkt für folgende Ar- wird der Weiher wieder der Natur Pechlibelle tanzt über die Wasser- beiten: überlassen und sollte bis im Herbst oberfläche. • Algen, Laub und schwimmendes nicht gestört werden. ■ Im Herbst nutzen Zugvögel Flachwas- Material mit einem Kescher serzonen zum Baden und Trinken und abfischen. Amphibien gehen zu Steinhaufen am • Abgesunkenes Material und Ufer, die sie als Winterquartier nut- Schlamm entfernen. Zum Schutz zen. der Kleintiere und Wasserpflanzen: Im Winter können in Weihern mit aus- Teilbereiche sein lassen als Rück- reichend Tiefe Larven und manches zugsort. Damit Kleintiere zurück Kleintier selbst unter dem zugefrore- ins Wasser kriechen können, nen Eis überleben. das abgefischte Material ein paar Tage liegen lassen. Goldfische haben keine Feinde – • Invasive Neophyten und über- Naturnetz Pfannenstil sie auszusetzen ist verboten mässig stark wachsende Pflanzen- Rötelstrasse 84 Leider werden immer wieder (Gold-)- bestände wie Schilf entfernen. 8057 Zürich Fische in den Weihern ausgesetzt. • Bäume und Sträucher zurück- Diese haben keine Feinde und fres- schneiden und mit dem Material www.naturnetz-pfannenstil.ch sen liebend gerne alle Arten von Lar- einen Asthaufen anlegen. naturnetzpfannenstil ven und zerstören damit das ökolo- • Wiesen mähen. 16 ProTier 3/ 21
H O F TA G E 2 0 21: R Ü C K BL I C K | «Das waren die schönsten Hoftage von allen – vielen Dank!» Bei prächtigem Wetter fanden am Wochenende vom 11. und 12. September, in Zusammenarbeit mit 15 Höfen, die dritten Hoftage Schweiz statt. Mit rund 700 angemeldeten Besuchern und ausgebuchten Füh- rungen war das Interesse wiederum riesig. VON BETTINA EBNER unter die Haut. Und genau so soll es se erst möglich gemacht. Die Hofbe- sein, denn nur was man liebt, das sitzerinnen und -besitzer haben sich Die Hoftage sind eine Initiative von schützt man auch gerne. Zeit genommen für die Besucher und ProTier und wurden 2019 ins Leben ge- Ein wunderschönes Erlebnis wa- ihnen ausführlich die bewegenden rufen. Das Ziel dieses Anlasses ist es, ren die Hoftage auch für die vielen Geschichten ihrer Tiere erzählt. Tipp- die Höfe mit ihren vielen Tierpersön- neugierigen und interessierten Kin- topp vorbereitet leisteten sie an den lichkeiten der Öffentlichkeit zugäng- der. Sie durften Esel und Zwergscha- Durchführungstagen grossartige Ar- lich zu machen. fe füttern, eine Schlange streicheln, beit. Es ist eine wahre Freude für uns, Die Tiere dürfen an den Hoftagen einer Bartagame hallo sagen und so- die Hoftage mit ihnen durchzuführen. nicht nur aus der Ferne bestaunt, son- gar Kattas mit süssen Rosinen beglü- Danke auch allen Besucherinnen dern auch gestreichelt, gekrault und cken. «Wie schön, solche Tiere habe und Besuchern, die Patenschaften liebkost werden. ich noch nie gesehen und schon gar übernommen haben und mit einer «Um Tiere zu verstehen, muss nicht streicheln und füttern dürfen.» Spende die Höfe direkt unterstützt man die Möglichkeit haben, ihnen in Dies ist nur eine Aussage von vielen haben oder dies noch tun werden. die Augen zu schauen.» Dies ist die der begeisterten Kinder. Wir hoffen, dass die Erlebnisse noch Aussage einer Besucherin, die neben An dieser Stelle bedankt sich Pro- lange in den Herzen bleiben und der mir ganz sanft eine kleine Eselstute Tier bei allen teilnehmenden Höfen unermüdliche Einsatz der Höfe für die streichelte. Worte, die mir sehr nahe- und bei allen fleissigen Helferinnen Tiere noch lange nachwirkt. ■ gingen. Solche Tierbegegnungen be- und Helfern ganz herzlich. Sie alle ha- rühren unser Herz und gehen direkt ben solche unvergesslichen Erlebnis- Mehr Bilder auf www.protier.ch Lebenshof Aurelio in Büron (LU) mit Claudia und Beat Troxler: «Die Tiere sollen einfach leben dürfen». Foto © Peter Diem, Luzern 17
| P R O T IE R A K T I V Wenn das Recht Tiere nicht schützt Das Schweizer Tierschutzrecht gilt eigentlich als sehr streng. Doch je genauer man hinsieht, desto mehr Lücken entdeckt man. Tierschutzvergehen ziehen oft lapidare Strafen nach sich. Und viele Gewalt an Tie- ren ist auch schlichtweg legal. Die Leidtragenden sind die Tiere, vom Kater im Haus über den Schwan im See bis zum Küken in der Zuchtanlage. Organisationen wie ProTier und Animal Rights Switzerland fordern deshalb grundlegende Verbesserungen. und Katzen zu vernachlässigen. Doch te besagt das Tierschutzgesetz, dass diese Verbote sind wenig wert, wenn man nur für das Wohl der Tiere sor- sie nicht eingefordert werden. Gleich- gen muss, «soweit es der Verwen- zeitig weist aber auch das Gesetz Lü- dungszweck zulässt». Diese Grenz- cken auf: Das Schlimmste, was man ziehung unterscheidet immer noch Tieren antun kann, ist oft legal. Neh- die verbotene ‚nutzlose‘ von der er- men wir das Beispiel eines männli- laubten ‚nützlichen‘ Gewalt am Tier. chen Kükens in einer Legehennen- Das haben wir bis heute nicht konse- VON NICO MÜLLER, PRÄSIDENT Zucht: Kaum ist es geschlüpft, ganz quent geändert. ANIMAL RIGHTS SWITZERLAND neu auf der Welt, wird es in einem Ändern könnte man vieles. Man Industrie-Apparat mit Gas getötet könnte zum Beispiel damit anfangen, So passiert im Kanton Neuenburg: und entsorgt. Denn männliche Küken dass man die Probleme anerkennt: Ein Mann überfährt mit seinem Mo- werden nie Eier legen. Für die Indus- Es ist ein Problem, dass wir Tiere am torboot einen Schwan – und lacht da- trie sind sie Abfall. Das Schweizer laufenden Band für Profit töten. Und rüber. Das ist nur eine von vielen Tierschutzrecht sieht darin überhaupt dass wir ihr Wohlergehen systema- schlimmen Geschichten, die man in kein Problem. tisch verletzen. Und dass wir Tier- Datenbanken von Schweizer Tier- Wer die Schwächen und Lücken schutzdelikte so lapidar bestrafen. schutz-Straffällen finden kann. Doch des Schweizer Tierschutzrechts ver- Und dass manche Kantone im Tier- der eigentliche Skandal beginnt hier stehen will, muss in die Geschichte schutzvollzug noch nachlässiger erst: Für das verstörende Vergehen schauen. Ungefähr um das Jahr 1800 sind als andere. Und dass der Bund gab es von der kantonalen Veterinär- herum begannen Adlige in Grossbri- nicht über Gewalt an Tieren infor- behörde gerade einmal eine Busse tannien, sich um Tierquälerei zu miert, obwohl das für die Prävention von 200 Franken. Es könnte teurer kümmern. Ihre ursprüngliche Über- absolut entscheidend wäre. Geht es sein, einmal falsch zu parkieren. Zu- legung war: Was, wenn die Armen um den Tierschutz in der Schweiz, ist dem: Für solche Straftaten ist eigent- eine grausame Lust an Tierquälerei die Liste der Probleme lang und viel- lich die Staatsanwaltschaft zustän- entwickeln? Werden sie bald auch fältig. Lösungen gibt es erst, wenn dig. Doch man leitete den Fall gar Menschen quälen – auch Adlige? So die Schweizer Bevölkerung sie ver- nicht erst an sie weiter. wurden im Verlauf des 19. Jahrhun- langt. Oder nehmen wir ein Beispiel aus derts immer mehr Gesetze gegen Das Klischee vom starken Schwei- dem Kanton Zürich: Eine Halterin «Tierquälerei» erlassen. Darunter zer Tierschutzrecht hat perfide Aus- kümmert sich nicht um ihren Kater. verstand man nutzlose Gewalt am wirkungen: Genau weil so viele Men- Sein Fell ist verfilzt, eine eingewach- Tier, die aus purer Grausamkeit ver- schen glauben, in der Schweiz laufe sene Kralle ist entzündet, hinzu übt wird. Gewalt am Tier, die der Pro- bereits alles gut, verbessert sich kommt eine schwere Entzündung der duktion von Konsumgütern diente, nichts. Umso verheerender ist es, Maulhöhle und eine Nierenerkran- war ausgenommen und erlaubt. Sie dass der Bund mit seinen Kampag- kung mit Blutarmut. Welches Leiden war ja nicht aus reiner Grausamkeit nen für «Schweizer Fleisch» das blin- das Tier in seinen letzten Wochen motiviert. Die Produktion von Pelz, de Vertrauen ins Tierschutzrecht und Tagen durchleben musste, kann Leder, Fleisch, Eiern und Milch wur- noch weiter bestärkt. Wo früher der man sich kaum vorstellen. Man ent- de entsprechend nicht in Frage ge- wenig sympathische Spruch «Alles schied sich für die Einschläferung. stellt. andere ist Beilage» prangerte, steht Für diese schwere Vernachlässigung Dieser alte und sehr beschränkte heute: «Der feine Unterschied». Der gab es von der Staatsanwaltschaft Tierschutzgedanke wurde ab der Unterschied zwischen ausländi- lediglich eine Busse von 100 Fran- Mitte des 19. Jahrhunderts auch in schem und Schweizer Fleisch, so will ken. der Schweiz aufgenommen. Er legte die Lobby-Werbung uns weisma- Was diese Beispiele zeigen, sind den Grundstein für die ersten kanto- chen, ist das starke Schweizer Tier- Lücken in der Umsetzung des Tier- nalen Tierschutzbestimmungen, aus schutzrecht. In diese trügerische schutzrechts. Es ist zwar verboten, denen sich später das heutige Tier- Werbung stecken Schweizer Steuer- Schwäne auf qualvolle Art zu töten schutzgesetz entwickelte. Noch heu- zahlende jährlich mehrere Millionen 18 ProTier 3/ 21
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