Die millenniumsent wicklungsziele und der klimawandel: bilanz und ausblick
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Inhalt Zusammenfassung 3 1. Einleitung: Wo stehen wir im politischen Prozess? 6 2010 – Zeit für einen Rückblick 6 Die MDG-Agenda 6 Die Klimaagenda 6 2. Zusammen denken: MDG und Klima 9 Auswirkungen des Klimawandels auf die MDG 9 Minderung, Anpassung und die MDG 9 Nachhaltiges Wachstum oder kein Wachstum? 12 Energiearmut und Klimaschutz 13 Synergien zwischen MDG & Anpassung und Klimaschutz 14 3. In Richtung eines gemeinsamen Politikverständnisses 18 Eine neue Form der Zusammenarbeit 18 MDG, Emissionsminderung und Anpassung: Integrierte Planungs- und Politikprozesse 21 Zwei Investitionspakete für die Zukunft 22 Konkurrenz um gleiches Geld: Umleitung der ODA? 23 Investitionen in die Zukunft: Neue Finanzierungsquellen 27 Im Politikprozess: Eine Post-2015-Agenda? 28 4. Literatur 30 Autoren: Sönke Kreft, Sven Harmeling, Christoph Bals, Germanwatch – Büro Bonn Winfried Zacher, Klemens van de Sand Kaiserstraße 201 D-53113 Bonn Redaktion: Daniela Baum, Katrin Schilling Tel.: +49 (0) 228 - 60492-0 Übersetzung: Sönke Kreft Fax: +49 (0) 228 - 60492-19 Design: Dietmar Putscher, Köln Germanwatch – Büro Berlin www.dietmar-putscher.de Schiffbauerdamm 15 Titelfoto: Atmosfair (Menschen), digitalstock (Dürre) D-10117 Berlin Tel.: +49 (0) 30 - 28 88 356-0 September 2010 Fax: +49 (0) 30 - 28 88 356-1 Bestellnr.: 10-2-09 E-Mail: info@germanwatch.org ISBN: 978-3-939846-66-6 www.germanwatch.org Diese Publikation kann im Internet abgerufen werden unter: www.germanwatch.org/klima/klimdg10 Gefördert von Für den Inhalt sind einzig die Autoren verantwortlich. Die Autoren danken den TeilnehmerInnen des Workshops „MDG & Klima – Zu einem gemeinsamen Politikverständnis“ für ihre wichtigen Anregungen; besonderer Dank gilt hierbei Imme Scholz, Michael Scholze und Klaus Wardenbach. 2
Zusammenfassung 1. Das letzte Jahrzehnt kennzeichnete eine pulsieren- de Globalisierung, die große Entwicklungsfortschritte auslöste. Gleichzeitig zeigten strukturelle Wirtschafts-, Ernährungs- und Armutskrisen sowie die Klimakrise vor allem in besonders armen Entwicklungsländern und in Afrika die Kehrseite des existierenden Wachstumsmo- dells. Klimaresiliente Landwirtschaft als wichtiger Beitrag für Ernährungs- 2. Die Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Deve- sicherung und ländliche Entwicklung. Foto: Gertrud Falk lopment Goals – MDG) mobilisierten erfolgreich Unter- stützung und führten zu Errungenschaften im Kampf ge- 7. Nur durch den richtigen politischen und konzeptionel- gen Hunger, Krankheit und Analphabetentum. Trotzdem len Rahmen können sich Entwicklungsagenda und Klima gibt es eine Umsetzungs- und Finanzierungslücke, um die agenda gegenseitig stärken. Politische Empfehlungen für MDG bis zum Jahr 2015 überhaupt erreichen zu können; diesen Rahmen sind: politischer Wille ist gefragt, um den Prozess zu beschleu- nigen. Die Klimaagenda erfuhr einen Paradigmenwechsel Einen Partnerschaftsansatz ausbauen: Entwicklungs- beim Klimagipfel 2009 in Kopenhagen. Heute sind Län- zusammenarbeit funktioniert zumindest konzeptionell derführerschaften und -koalitionen zu Klimaschutz- und als Partnerschaft, definiert durch beiderseitige Be- Anpassungsmaßnahmen ähnlich wichtig wie Verhand- richtspflicht und Eigenverantwortung der Länder für lungsfortschritte in den internationalen Verhandlungen. ihre Entwicklungsprozesse. In der Klimaagenda ist eine Partnerschaft auf Augenhöhe noch wichtiger, da we- 3. Die Auswirkungen des Klimawandels gefährden die der Industrie- noch Entwicklungsländer bisher erprobte Nachhaltigkeit der Erfolge bei den MDG. Gebiete vor- Konzepte haben, um Emissionsminderung und Anpassung herrschender Armut decken sich mit denen besonders zu erreichen. hoher Vulnerabilität gegenüber dem Klimawandel. Aller- dings tragen die MDG auch direkt zur Anpassung an den Von innovativen Institutionen in der MDG- und Klima Klimawandel bei, zum einen durch eine geringere Anfäl- debatte lernen: Beide Agenden haben innovative Insti- ligkeit gegenüber Auswirkungen des Klimawandels, aber tutionen hervorgebracht, die einen Partnerschaftsansatz auch durch erhöhte lokale Anpassungsfähigkeit. widerspiegeln. Beim „Global Fund to Fight HIV/Aids, Tuberculosis and Malaria“ z. B. sind Interessenvertre- 4. Die MDG betrachten ökologische Nachhaltigkeit als ter betroffener Bevölkerungsgruppen Teil der Entschei- Unterziel und nicht als Vorbedingung für nachhaltige dungsstruktur. Der Anpassungsfonds des Kyoto-Pro- Entwicklung. Außerdem werden die meisten Entwick- tokolls erlaubt Ländern des Südens erstmals direkten lungsfortschritte durch ein fossiles Wachstumsmodell Zugang zu Finanzmitteln, ohne Mittler, und sichert da- getragen. Deshalb gibt es einen inneren Widerspruch bei Rechnungsprüfungs- und Treuhänderstandards. Auf zwischen Entwicklung auf der einen und Klimaschutz auf Ebene der Nationalstaaten hat Bangladesch einen eige- der anderen Seite. Um diese Zweiteilung von Entwick- nen nationalen Klimafonds gegründet, der Klimaschutz lungs- und Klimaagenda zu überwinden, müssen Maß- und Anpassung in andere Politikfelder in Bangladesch nahmen das Emissionswachstum vom Entwicklungsfort- integriert. schritt entkoppeln. Auf die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen fokussie- 5. Energiezugang und -verbrauch ist eine notwendige ren: Die Architektur für Klima- und Entwicklungsfinanzie- Vorbedingung der MDG-Erreichung. Die Nutzung klima rung sollte sich an den verletzlichsten und marginalisier- freundlicher Technologien sollte deswegen ein zentraler ten Bevölkerungsgruppen orientieren. Ein Vorbild ist der Ansatzpunkt sein, um Emissionswachstum von Entwick- UN-Anpassungsfonds mit seiner strategischen Ausrich- lung zu entkoppeln. tung auf solche Gruppen. Allerdings können viele Arme in Staaten mit schlechter Regierungsführung nur schwierig 6. Zwischen den einzelnen MDG sowie Klimaschutz und durch multilaterale MDG- und Klimafinanzierung erreicht Anpassung an den Klimawandel gibt es viele Synergien. werden. Die bilaterale Zusammenarbeit hat Konzepte, um Projekte und Maßnahmen mit einer doppelten Dividende, im Kontext fragiler Staatlichkeit zu operieren. Deswegen etwa eine gegenüber Klimaveränderungen widerstands- wird bilaterale Unterstützung auch in Zukunft eine wich- fähige Landwirtschaft, die gleichzeitig die Ernährungs tige Rolle für die Arbeit mit besonders marginalisierten situation verbessert, sollten bevorzugt werden. Bevölkerungsgruppen spielen. Eine Klimaprüfung aller eigenen Maßnahmen ist dafür jedoch eine unerlässliche Vorbedingung. 3
Klima und Entwicklung integrieren: Zurzeit werden in Die MDG nicht gegen die Klimaagenda ausspielen: Die vielen Staaten Entwicklungsplanung sowie Klimaschutz Transformation in Armutsminderung, Anpassung und Kli- und Anpassung unabhängig voneinander vorangetrieben. maschutz braucht öffentliche und private Mittel in der Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es jedoch wichtig, Höhe mehrerer Hundert Milliarden USD pro Jahr. Die dass z. B. Anpassungsmaßnahmen von den gleichen Ak- richtigen politischen Rahmenbedingungen müssen ge- teuren umgesetzt werden wie Entwicklungsmaßnahmen. setzt werden, um private Kapitalströme in klimafreund- Ebenso muss Anpassung und Klimaschutz in die existie- liche Entwicklungsmaßnahmen umzuleiten. Dies bein- renden Entwicklungs- und Armutsminderungsstrategien haltet auch hohe Klimaschutz-Ziele der Industrieländer, integriert werden. damit der Kohlenstoffmarkt zur Transformation über- haupt beitragen kann. Im Gegenzug ermöglicht dies der Nationale Ansätze, um Anpassung und Klimaschutz zu Entwicklungszusammenarbeit, Klimaschutzmaßnahmen integrieren: Es gibt verschiedene Ansätze für das Main- immer auch mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung zu streaming von Anpassung und Klimaschutz. Abhängig von verfolgen. Im Anpassungsbereich sollte ein Konzept der der Situation vor Ort können z. B. die Umweltministerien Zusätzlichkeit in der Bereitstellung der Finanzen ange- (normalerweise federführend für Klimapolitik) gestärkt wendet werden, damit Gelder aus dem Bereich der Ar- werden, damit diese ihr Thema bei anderen Ministerien mutsminderung nicht zur Klimafinanzierung umgeleitet besser besetzen können, oder andere Ministerien können werden. direkt durch externe Geldmittel zu einer Integration des Klimathemas in ihre Arbeit bewegt werden. Spezielle Neue innovative Finanzquellen für Entwicklung und Kli- Anpassungs- oder Klimawandelstrategien können ebenso ma einführen: Investitionen in die bevorstehende Trans- eine Integration befördern. formation sind angesichts knapper öffentlicher Kassen schwierig. Deswegen ist jetzt politischer Wille gefragt, Politischen Willen schaffen: Politisches Kapital für Ent- um neue, innovative Finanzierungsquellen zu erschließen. wicklung, Anpassung und Klimaschutz durch Regierungs- Viel versprechende Ansätze sind die Versteigerung von chefs ist hilfreich, um gemeinsame Planungsprozesse und Verschmutzungsrechten für die Flug- und Schifffahrts- Maßnahmen zu ermöglichen. Länder, die schon heute industrie oder eine Abgabe auf Finanztransaktionen. Auf Anpassung und Klimaschutzpolitik integriert und insti- nationaler Ebene bieten sich z. B. eine Ticketabgabe auf tutionalisiert haben, lassen dies oft durch die Ebene der Flugreisen und zusätzliche Erlöse aus der Versteigerung Regierungschefs koordinieren. von Verschmutzungsrechen an. Einen transformativen Diskurs erreichen: Trotz zum Teil Unmittelbarer Fokus auf erreichbare Bausteine in der unterschiedlicher Herausforderungen brauchen sowohl MDG- und Klimapolitik: In naher Zukunft sollte noch die Klimakrise als auch die MDG einen transformativen nicht auf einen neuen Entwicklungsdiskurs post-2015 Politikansatz weg vom „weiter so, wie bisher“. Dieses fokussiert werden, sondern auf Maßnahmen mit schnel- Verständnis soll sich auch in nationalen Diskursen über ler und konkreter Wirkung: Finanzierungszusagen für Entwicklung niederschlagen. Entwicklungszusammenarbeit zu erfüllen, neue Finan- zierungsquellen einzuführen und mehr Kohärenz durch Maßnahmen im Bereich MDG, Klimaschutz und Anpas- einen Umbau der Landwirtschafts-, Fischerei- und Han- sung als Investitionen in die Zukunft definieren: Die be- delspolitik zu fördern, müssen auf der MDG-Agenda ganz nötigte Politikantwort kann als zwei Investitionspakete oben stehen. Die nächste Runde der Klimaverhandlungen verstanden werden: Zum einen ein Investitionspaket in sollte sich um konkrete Maßnahmen für Anpassung, Tech- die klimafreundliche Zukunft, bestehend aus politischen nologietransfer und den Stopp des Regenwaldabbaus und finanziellen Investitionen in Erneuerbare Energien, kümmern. Energieeffizienz und Energienetze, zum anderen ein In- vestitionspaket für eine klimangepasste Zukunft, beste- Hin zu einem gemeinsamen Politikverständnis von Klima hend aus Maßnahmen, die auch für die MDG relevant sind: und Entwicklung: Viele Akteure starten schon heute Sozio-ökonomische Entwicklung, Zugang zu Nahrung und Versuche, die Post-2015-Agenda zu besetzen. Nach 2015 Wasser, Gesundheitsmaßnahmen sowie klimaspezifische müssen die Themen Entwicklung und Klima zusammen- Investitionen etwa in Klimamodelle und -daten oder auch geführt werden. Dabei geht es jedoch um die richtige in Katastrophenvorsorge. Balance zwischen der Breite der Analyse und Themen sowie der konkreten Umsetzbar- aber auch Erklärbarkeit Trotz knapper öffentlicher Mittel Zukunftsinvestitio- hin zu einer Transformation. Der Prozess des Rio+20- nen nicht gefährden: Einige Industriestaaten, darunter Gipfels 2012 eröffnet die Chance, das Rio-Konzept der Deutschland, planen ihre Ausgaben für Klimamaßnah- Nachhaltigkeit durch konkrete Maßnahmen zu „Grünem men und Armutsminderung zu reduzieren, nicht anzu- Wachstum“ wieder mit Leben zu erfüllen. heben. Die Erfüllung vergangener Zusagen als Teil der Investitionspakete für die Zukunft ist eine Frage des poli- tischen Willens. 4
„Zusammen denken!“ Maßnahmen sollten Synergien im Bereich der MDG, Klimaschutz und Anpassung nutzen. Diversifizierte Landwirtschaft ist eine gute Versicherung gegen Fehlernten infolge von Wetterextremen und anderen Katastrophen. Foto: RajeshKC 5
1. Einleitung: Wo stehen wir im politischen Prozess? 2010 – Zeit für einen Rückblick bietet der Entwicklungsgipfel vom 20. bis 22. September 2010 in New York die Chance, die politische und öffent- Das Jahr 2010 markiert den Beginn der zweiten Dekade liche Unterstützung für eine Beschleunigung des MDG- des Jahrtausends. Es eröffnet die Möglichkeit, zurück- Prozesses zu mobilisieren. Diese Debatte geht auch nach zuschauen auf Erfolge und Misserfolge der Menschheit dem Gipfel weiter. hin zu einer gemeinsamen, würdevollen und nachhalti- gen Zukunft. Diese Rückschau sollte genutzt werden, um den Kurs für eine gemeinsame Agenda für Länder und Die Klimaagenda Menschen zu entwickeln. Der bisherige Höhepunkt der Klimaagenda war der Welt- Der Beginn des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends klimagipfel 2009 in Kopenhagen. Zuvor gab es allerdings stellte einen nie gesehenen Aufstieg der Globalisierung große Paradigmenwechsel. Ursprünglich wurde Klima- dar, der mehr Menschen aus der Armut brachte als zuvor, politik als Synonym für Klimaschutzpolitik verstanden. der aber auch die Unterschiede zwischen Arm und Reich Erst 2007 bei der Klimakonferenz in Bali, standen in verstärkte und den Ressourcenverbrauch noch weiter den Verhandlungen Diskussionen zur Anpassung an den über die Kapazitätsgrenzen der Erde trieb. Klimawandel gleichberechtigt neben dem Klimaschutz. Diese Einsicht beruht auf der Tatsache, dass die Auswir- Das Ende des letzten Jahrzehnts war gekennzeichnet kungen des Klimawandels schon heute viele Länder tref- durch einen Zustand der ständigen Krisen: Eine huma- fen und nicht mehr vermeidbar sind. Außerdem wurde nitäre Krise in den Jahren 2007 und 2008, ausgelöst zunehmend klar, dass – anders als bei anderen Umwelt- durch steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise, eine beispiellose Wirtschaftskrise, die Industrie- wie auch viele Entwicklungsländer hart getroffen hat und darüber Kasten 1: schwebend eine Klima- und Umweltkrise, die sich zuneh- Die Millenniums-Entwicklungsziele mend jedem offenbart. Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger Die MDG-Agenda Ziel 2: Die Millenniums-Entwicklungsziele, als Teil der Millenni- Primarschulbildung für alle ums-Erklärung von Staatschefs aus der ganzen Welt im Jahr 2000 angenommen, setzen das Jahr 2015 als Zeit- Ziel 3: Gleichstellung der Geschlechter/Stärkung marke, um konkrete Ziele in den Bereichen Armutsminde- der Rolle der Frauen rung, Zugang zu Nahrung, Bildung, Gleichberechtigung der Geschlechter, Gesundheit sowie ökologischer Nach- Ziel 4: haltigkeit zu erreichen. Darüber hinaus versprechen sie Senkung der Kindersterblichkeit eine Neuorientierung der Entwicklungszusammenarbeit. Ziel 5: Während es bei manchen Millenniumszielen große Fort- Verbesserung der Gesundheitsversorgung schritte gab, hinken andere hinterher. Außerdem zeigen der Mütter sich geografische Unterschiede: Die meisten Erfolge wei- sen Asien und Südamerika auf, während Subsahara-Afrika Ziel 6: weiterhin unterdurchschnittlich abschneidet.1 Die MDG Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und und der sie begleitende Diskurs sorgten für mehr Auf- anderen schweren Krankheiten merksamkeit für die Entwicklungszusammenarbeit und Ziel 7: führten zu einer maßvollen Aufstockung der Entwick- Ökologische Nachhaltigkeit lungsbudgets. Nichtsdestotrotz gibt es noch erhebliche Abstimmungsmängel der Politiken der Industriestaaten Ziel 8: und eine hervorstechende Lücke zwischen versproche- Aufbau einer globalen Partnerschaft für Ent- nen Geldern für Armutsbekämpfung und den tatsächlich wicklung erfolgten Zahlungen (siehe Kasten 2). Fünf Jahre vor 2015 1 Die MDG wurden ursprünglich als globale Ziele formuliert, die größtenteils eine Fortschreibung existierender Trends widerspiegel- ten (Vandermorteele, 2009). Dass die Zielgrößen den MDG-Fortschritt in Afrika durch dessen absolut höhere Armut verzerrt darstel- len, wurde von verschiedenen Autoren beschrieben, etwa Deaton (2003), Clemens et al. (2006) und Easterly (2009). 6
Kasten 2: MDG-Bilanz: Schritte statt Sprünge Bei manchen MDG gab es Fortschritte, während an- verbessert, trotzdem nicht ausreichend für eine er- dere hinterher hängen. Der Entwicklungsbericht 2010 folgreiche Zielerfüllung. der Vereinten Nationen zeigt, dass trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise insbesondere die wirtschaft- Der Ausblick im Bereich ökologischer Nachhaltigkeit liche Entwicklung in Asien dazu beiträgt, den Anteil ist besonders düster: Zwar zeigt die globale Ent- der Menschen unterhalb der Armutsgrenze zu halbie- waldungsrate Zeichen der Abschwächung, sie bleibt ren. Aber es gibt auch Rückschläge: Die Ernährungs- dennoch beunruhigend hoch. Der Anstieg von Treib situation etwa verschlechterte sich infolge der Ernäh- hausgasen beschleunigt sich und auch der globale rungs- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/2009. Biodiversitätsverlust verschlimmert sich zusehends. In anderen Bereichen gibt es vielversprechende Fort- Auch wenn eine Delle für 2010 erwartet wird, steigen schritte, trotzdem genügt es nicht, um die Ziele bis die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit weiter 2015 zu erreichen. Zum Beispiel erhöhten zwar vie- moderat an. Allerdings reichen die geschätzten 108 le Länder die Einschulungsrate, gleichwohl erscheint Milliarden USD im Jahr 2010 nicht aus, um die Ziele Primarschulbildung für alle bis 2015 nicht erreichbar. des G8-Gipfels in Gleneagles zu erreichen. Die Zu- gewinne in vielen Ländern sind zu langsam, um wie Die Gesundheitssituation vieler Menschen hat sich vereinbart die öffentliche Entwicklungszusammen verbessert, nur die Kinder- und Müttersterblichkeit arbeit (ODA) bis 2015 auf 0,7 Prozent des BIP aufzu sinkt nicht schnell genug, um die Ziele zu erfüllen. stocken. Das Jahr 2010 dient als wichtiger Indikator, Der Zugang zu wichtigen Medikamenten gegen HIV/ weil sich viele Länder verpflichtet haben, bis dahin Aids, Tuberkulose, Malaria und Masern hat sich stark 0,51 Prozent zu erreichen. themen – das existierende Entwicklungsmodell nicht mit Kopenhagen brachte nicht den Paradigmenwechsel, der den notwendigen Klimaschutzmaßnahmen vereinbar ist. für ein rechtlich bindendes Abkommen gegen den Klima- Letzten Endes muss sich das gesamte Wachstumsmodell wandel notwendig war und, was noch wichtiger ist, das ändern, wenn die Welt vor einem gefährlichen Eingriff in Verhalten von Regierungen und Finanzmärkten verändert das Klimaregime geschützt werden soll (dies entspricht hätte. Stattdessen fährt die Klimapolitik nun zweiglei- einem Temperaturanstieg von unter 2 °C, siehe Kasten 3). sig, mit fortgesetzten Klimaverhandlungen auf der einen Kasten 3: Das Klima-Problem2 Emissionen in Industrie Klimawandel verstärkt staaten müssen stark Den globalen schon heute viele gesenkt und bis zum Temperaturanstieg Stressfaktoren, die die Jahr 2050 fast vollkom- auf soweit wie möglich Lebensbedingungen men gestoppt (-95 %) unter 2 °C begrenzen armer Bevölkerungs- werden. gruppen beeinflussen. Die Herausforderung ist, Entwaldungsraten Menschen, insbesondere Anpassung: müssen bis zum Jahr 2020 die Verletzlichsten, mit weltweit um mindestens Das Unvermeid den Kapazitäten für eine 75 % vermindert werden. bare bewältigen Anpassung an aktuelle und zukünftige Änderun- Emissionen in Entwick- gen auszustatten. lungsländern müssen Dies beinhaltet finanzi- ab 2020 sinken; dazu ist Minderung: elle und technische Un- eine hohe Unterstützung Das Vermeidbare terstützung durch einen durch Industrieländer vermeiden geeigneten institutionel- notwendig. len Rahmen sowie durch Wissens- und Informa- Menschen mit den tionstransfer, so dass Fähigkeiten ausstatten, die Menschen ihr Leben, sich an aktuellen und Lebensbedingungnen zukünftigen Klimawan- und gesunde Ökosyste- del anzupassen me sichern können. (Eigene Zusammenstellung basierend auf Erkenntnissen von Meinshausen, 2009) 2 Meinshausen et al. haben errechnet, dass für eine 80%-Chance, den globalen Klimawandel auf unter 2° zu begrenzen, das weltweite CO 2e-Budget bis 2050 1.300 Gt beträgt, wovon ein Drittel bereits in der ersten Dekade des Jahrhunderts emittiert wurde. Die Politik- empfehlungen in Kasten 3 basieren auf diesem Budget und Dekarbonisierungsraten von Volkswirtschaften, die technisch machbar sein müssen. 7
Seite, aber auch zunehmend Initiativen und Maßnahmen Deshalb ist es so wichtig, die verschiedenen Aktivitä- von einzelnen Ländern und Regionen. Der Klimagipfel ten abzustimmen: Erneuerbare Energien zu fördern und Ende 2010 in Cancun bietet die Chance, erste Meilenstei- gleichzeitig Armut zu bekämpfen, oder Widerstands- ne in diesem Prozess zu setzen. fähigkeit gegenüber Klimaveränderungen unterstützen und gleichzeitig Nahrungssicherheit zu verbessern. Der Die Welt steuert auf einen Zustand globaler Unsicher- zweite Teil dieses Hintergrundpapiers versucht daher die heit zu. Ökonomische Unsicherheit trifft auf menschli- möglichen Synergien aufzuzeigen. che Verwundbarkeit, Klimapolitik verschränkt sich mit Energiepolitik. Aber es gibt Lösungen. Kasten 4 zeigt Durch eine integrative Ausführung lassen sich nicht alle die vier Dimensionen der Sicherheit. Die MDG-Debatte Synergien maximieren bzw. Zielkonflikte vermeiden. Der fokussiert traditionell auf menschliche Sicherheit sowie dritte Teil dieser Studie widmet sich daher den notwen- ökonomische Entwicklung und die Klimadebatte verortet digen politischen und konzeptionellen Rahmenbedingun- sich in der Klima- und Energiesicherheit. Zwischen den gen, die gemeinsame Stärken betonen und Konkurrenz- einzelnen Bereichen gibt es Synergien, aber auch Kon verhältnisse abbauen. kurrenzen und Zielkonflikte. Kasten 4: Vier Dimensionen der Sicherheit Klima Klima- sicherheit agenda en na ste se s + as del Er hm aß as r, ne tc t, W an -A Umbau der Energiesysteme sm ep ue t e ei aw us o h ng ng rb be le m su l a K ar dh he Kli ut vor as k a + Arbeitsplätze durch e un ko un sic s ei rh . np lo En e s s de g m A + er he m G ng n gi r u ge im en en äh un is rn k ch ir er fE w au Aus - + dezentralisierte Energieversorgung Mensch Energie liche sicherheit - Agrartreibstoffe Sicherheit - Auswirkungen des Klimawan- dels, vorzeitiges Abschreiben energieintensiver Infrastruktur n -U + te W St lfah ng os oh eu r t tu - uk ht le ek er s a ic tr ic r gi m uf as n he er it g fr in Ei En te ab In k te nk lf e er om ür n ge fe ig lti Ef en m ha n - en w ch k-i + sv na o c er -L te ilu ng MDG- Wirtschaft liche Agenda Sicherheit (eigene Darstellung) 8
Fünf Jahre vor „Ablauf“ der MDG und mit einem als des letzten Jahrzehnts, alle mit weltweiten Auswirkun- gescheitert wahrgenommenen Klimagipfel könnten Ent- gen, verdeutlichen, dass die Krisen der Zukunft vielleicht scheidungsträger wie auch Menschen aus der Praxis das schon morgen beginnen. Klimasicherheit und ein stabiles Jahr 2010 nutzen, um ihre Erwartungen auf niedrigere Klima ist ein globales Gemeingut, das nur durch eine ge- und „realistischere“ Ziele herunter zu schrauben, statt meinsame, globale Antwort zu retten ist. Die vernetzte die klaffende Finanzierungs- und Umsetzungslücke anzu- Weltgemeinschaft zeigt aber auch, dass Erfolge in den gehen. Angesichts der Herausforderungen der Zukunft anderen Dimensionen nicht von einem Land alleine er- darf die Zielmarke nicht gesenkt werden. Die Krisen reicht werden können. 2. Zusammen denken: MDG und Klima Dieser Abschnitt beleuchtet die Beziehung zwischen den Minderung, Anpassung und die MDG Millenniums-Entwicklungszielen und der Klimaagenda. Zunächst werden Auswirkungen und Synergien zwischen Die Rahmenkonvention der Vereinten Nationen über Kli- den Agenden im allgemeinen betrachtet. Anschließend maänderungen (UNFCCC) hat das übergeordnete Ziel, erfolgt eine genaue Darstellung des Beitrags der ein- eine „gefährliche“ Störung des Klimasystems zu verhin- zelnen MDG zu Emissionsminderung und Anpassung an dern. Die beiden Strategien dazu sind Minderung des den Klimawandel. Projekte von Nichtregierungsorgani- Klimawandels bzw. Klimaschutz (um das Ausmaß der Stö- sationen, bilateralen und internationalen Organisationen rung des Klimasystems zu begrenzen) sowie Anpassung geben Beispiele für das Zusammenwirken. an den Klimawandel (damit die Störung nicht „gefährlich“ wird).3 Auswirkungen des Klimawandels Klimaschutzmaßnahmen lassen sich einfach vergleichen:4 auf die MDG Die Einheit des Erfolges ist die Reduktion/Vermeidung von Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalenten. Erfolg im Die gravierendsten Änderungen durch den Klimawan- Klimaschutz steht also zunächst in keiner direkten Ver del werden sich nicht kurzfristig, d. h. vor 2015, zeigen. bindung zu Erfolgen bei MDG-Maßnahmen. Natürlich Mittel- und langfristig stellt sich ein anderes Bild dar. kann man Synergien betonen und gleichzeitig Klima- Dennoch darf das Thema nicht als reines Langfristthema schutzmaßnahmen sowie MDG-Aktivitäten voranbrin- behandelt werden. Vielmehr müssen MDG-Maßnahmen gen. schon heute den Klimawandel berücksichtigen, um Erfol- ge nachhaltig zu sichern. Auch der IPCC (Intergovernmen- Anpassungsmaßnahmen lassen sich dagegen weniger ein- tal Panel on Climate Change) zeigt auf, dass die Regionen fach kategorisieren. McGray et al. (2007) analysierten mit geringem Fortschritt bei den MDG in Zukunft auch mehr als 100 Anpassungsprojekte weltweit und kamen besonders stark vom Klimawandel betroffen sein werden zu dem Schluss, dass die meisten in den Bereich bishe- (Yohe et al., 2007). Kasten 5 zeigt Beispiele, wie sich riger Entwicklungsprojekte fallen, die für das Erreichen Klimawandel negativ auf die MDG auswirkt. der MDG ebenso wichtig sind. Kasten 7 zeigt die Band- breite von Anpassungsaktivitäten von einem Fokus auf Die oben stehende Analyse geht von einem kontinuier- menschliche Verwundbarkeit bis zu einer Ausrichtung lichen Klimawandel aus. Eine wesentlich höhere Gefahr auf bestimmte Auswirkungen des Klimawandels. Da mit geht jedoch von abrupten Änderungen von Ökosyste- einem Großteil der Auswirkungen erst in der Zukunft zu men aus. Viele dieser ‚Kippelemente’ haben direkte Aus- rechnen ist und die genauen Auswirkungen unklar sind, wirkungen auf Leben und Lebensgrundlagen – sie sind bevorzugen die meisten Entscheidungsträger Projekte deswegen relevant für die MDG-Debatte. Zu den in der mit einem Fokus auf Vulnerabilität. Wissenschaft diskutierten Kippelementen gehören die Umwandlung des nördlichen Amazonas-Regenwaldes in Während Fortschritte bei den MDG sehr eng verbun- eine Trockensavanne, das Abschmelzen von Gletschern den sind mit dem Abbau von Vulnerabilität gegenüber und Eiskappen sowie stärkere oder schwächere Monsune Auswirkungen des Klimawandels, sind sie dennoch nicht in Asien und Afrika (vgl. Lenton et al., 2008). das selbe: Armutsminderung reduziert nicht automa- tisch die Verwundbarkeit armer Bevölkerungsschichten gegenüber klimatischen Stressfaktoren. Ein Beispiel ist die Förderung von Garnelen-Aquakultur als Mittel zur Ar- 3 Vgl. Artikel 2 der UNFCCC. 4 Von diesem Grundsatz gibt es in der Praxis jedoch auch Ausnahmen, z. B. durch undurchsichtige Anrechnungsregeln, etwa im Wald bereich (LULUCF). 9
Kasten 5: Auswahl von Auswirkungen des Klimawandels auf die MDG Millenniums- Beispiele für Klimawandelauswirkungen Entwicklungsziel Bekämpfung von extremer n Projektionen des Klimawandels legen nahe, dass die Lebensgrundlagen Armut und Hunger (Ziel 1) vieler Armer, z. B. Gesundheit, Zugang zu Wasser, Häuser und Infrastruktur, bedroht sind. n Der Klimawandel wird voraussichtlich den Weg und die Höhe wirtschaft lichen Wachstums durch Änderungen in natürlichen Systemen und Ressour- cen, Infrastruktur und Arbeitsproduktivität begrenzen. Eine Verringerung des Wachstums trifft durch verringerte Einkommensmöglichkeiten direkt die Armen. n Vermutlich verändert der Klimawandel auf regionaler Ebene die Nahrungs sicherheit. Insbesondere in Afrika wird mit einer verschlechterten Nah- rungssituation gerechnet. Nachteilige Auswirkungen auf die Nahrungsmit- telversorgung könnten auch in Südamerika und in Süd- sowie Südostasien zu Tage treten. Gleichstellung der Ge- n Besonders in Entwicklungsländern arbeiten Frauen überproportional in di- schlechter/Stärkung der rekter Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen, die verletzlich gegenüber Rolle der Frauen (Ziel 3) dem Klimawandel sind, z. B. in der Landwirtschaft. n Die traditionelle Rolle der Frau als Hauptnutzerin natürlicher Ressourcen, als primäre Bezugsperson in der Familie und Arbeiterin, die in unbezahlter Arbeit (Subsistenzwirtschaft) beschäftigt ist, zeigt, dass Frauen am stärks- ten vom Klimawandel gefährdet sind. Gesundheitsbezogene Ziele: n Klimawandel hat einen direkten Einfluss auf hitzebedingte Sterblichkeit und Krankheiten als Folge von Hitzewellen (obgleich weniger Kältetote in Bekämpfung von schweren einigen Regionen auftreten könnten). Krankheiten (Ziel 6) n Klimawandel könnte das Vorkommen einiger überträgerbasierter Krank- Senkung der Kindersterb- heiten erhöhen (z. B. Malaria oder Dengue-Fieber) und die Anfälligkeit für lichkeit (Ziel 4) wasserbürtige (z. B. Cholera oder Ruhr) und nahrungsmittelbedingte oder andere ansteckende Krankheiten erhöhen. Verbesserung der Gesund- heitsvorsorge der Mütter n Kinder und schwangere Frauen sind besonders anfällig für wasser- oder (Ziel 5) überträgerbasierte Krankheiten. Anämie durch Malaria ist verantwortlich für ein Viertel der Kindersterblichkeit in Afrika. n Der Klimawandel wird sich wahrscheinlich in sinkender Menge und Qualität des Trinkwassers niederschlagen, wodurch ein starker Anstieg von Durch fallerkrankungen und -toten droht. Verluste in der landwirtschaftlichen Produktion durch die verringerte Produktivität der natürlichen Ressourcen wird insbesondere in Afrika der Mangelernährung Vorschub leisten – ein wichtiger Krankheitsfaktor bei Kindern. Ökologische Nachhaltigkeit n Der Klimawandel ändert wahrscheinlich die Eigenschaften und Produktivi- (Ziel 7) tät natürlicher Ressourcen, einige könnten irreversibel geschädigt werden. Darüber hinaus könnte sich die biologische Diversität verringern und die bereits existierende Umweltzerstörung verschlimmern. Aufbau einer globalen Part- n Klimawandel ist ein weltweites Problem, das neue Kooperationsformen be- nerschaft (Ziel 8) nötigt, besonders hinsichtlich des gemeinsamen Klimaschutzes und anderer öffentlicher Güter und in der Unterstützung von Entwicklungsländern in ihren Anpassungsprozessen. (verändert nach OECD, 2009) 10
Kasten 6: Glossar des Anpassungs-Jargons Anpassung: Initiativen und Maßnahmen, um die Emp- Kapazität zur Selbstorganisation sowie die Kapazität, findlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme ge- sich an Stress und Veränderungen anzupassen, zu be- genüber tatsächlichen oder erwarteten Auswirkungen wahren. von Klimaänderungen zu verringern. Sensitivität: Sensitivität ist der Grad, zu dem ein Sys- Anpassungsfähigkeit: Die Gesamtheit der Fähigkei- tem durch Klimavariabilität oder Klimaveränderung ten, Ressourcen und Institutionen eines Landes oder beeinflusst wird, sei es negativ oder positiv. einer Region, um wirksame Maßnahmen zur Anpassung Verwundbarkeit/Vulnerabilität: Verwundbarkeit ist umzusetzen. das Maß, in dem ein System gegenüber nachteiligen Auswirkungen von Klimaänderungen: Je nachdem ob Auswirkungen von Klimaänderungen, einschließlich Anpassung einbezogen wird, kann zwischen potenziel- Klimavariabilität und Extremwerte, anfälllig ist und len und verbleibenden Auswirkungen unterschieden nicht damit umgehen kann. Verwundbarkeit ist abhän- werden: gig von der Art, dem Ausmaß und der Geschwindig- keit der Klimaänderung und -schwankung, denen ein Resilienz: Die Fähigkeit eines Gesellschafts- oder System ausgesetzt ist, seiner Sensitivität und seiner Ökosystems, Störungen aufzunehmen und gleichzei- Anpassungskapazität. tig dieselbe Grundstruktur und Funktionsweisen, die (basierend auf IPCC-Glossar) mutsminderung. Die damit einhergehende Vernichtung derung den Faktoren für Vulnerabilität besondere Auf- von Mangroven führt gleichzeitig zu einer höheren Vulne- merksamkeit zu schenken und die Verletzlichsten in den rabilität, besonders der armen Bevölkerung, gegenüber Fokus der Bemühungen zu stellen. Ein armutsorientierter Extremereignissen. Ebenso mindern Anpassungsprojekte Ansatz in allen drei Bereichen – MDG, Minderung und nicht unbedingt die Verwundbarkeit der Armen. Ein Bei- Anpassung – kann erhebliche Synergien freisetzen. Alle spiel sind großräumige Anpassungsmaßnahmen im Was- Ziele können hierbei von einem rechtsbasierten Ansatz serbereich; diese Projekte hatten in der Vergangenheit profitieren, der wirtschaftliche, soziale und kulturelle oft negative Auswirkungen auf betroffene Gruppen.5 sowie bürgerliche und politische Rechte durchsetzt und Fortschritte für die ärmsten Bevölkerungsgruppen ver- Um negative Effekte zu vermeiden ist es wichtig, sowohl spricht (vgl. Kasten 8). bei den MDG als auch im Rahmen von Anpassung und Min- Kasten 7: Bandbreite der Anpassungsmaßnahmen MDG-Fortschritte spielen eine wichtige Rolle, um Treiber der Verwundbarkeit zu verändern Vulnerabilitätsfokus Wirkungsfokus Treiber der Vulnera- Kapazitäten für Pro Klimarisiken managen Klimawandel angehen bilität entkräften blemlösung schaffen Maßnahmen, um Maßnahmen, die sich Maßnahmen, um Ar Maßnahmen, die Klimainformationen ausschließlich mit mut und andere nicht- tragfähige Strukturen in Entscheidungspro- direkten Auswirkun- klimabezogene Stress- zur Problemlösung zesse zu integrieren gen des Klimawandels faktoren zu vermin- aufbauen beschäftigen dern, die Menschen verletzlich machen Traditionelle Entwicklungsfinanzierung Neue und zusätzliche Klimafinanzierung (Nach Mc Gray et al., verändert durch Klein, 2008) 5 Ein Beispiel ist das Lesotho Highland Water Project: Ein mehrere Milliarden schweres Wasserprojekt, um Trinkwasser aus den Drakensbergen nach Pretoria und Johannesburg umzuleiten, das sich als nachteilig für die lokale Bevölkerung erwies (vgl. Hildyard, 2005). 11
Kasten 8: Ein rechtsbasierter Ansatz, um die Verletzlichsten in den Fokus zu rücken Die meisten Industrie- wie Entwicklungsländer haben n Vulnerable und ernährungsgefährdete Bevölke- sich international bindend dazu verpflichtet, die wirt- rungsgruppen zu identifizieren schaftlichen, kulturellen und sozialen Grundrechte ihrer Bürger wie das Recht auf Nahrung und Wasser n Existierende rechtliche Regelungen an die Bedürf- zu respektieren, zu schützen und durchzusetzen. nisse dieser Gruppen anzupassen Die Anwendung des rechtsbasierten Ansatzes auf n Nachzuweisen, dass ihre Politik ausreichend auf die MDG, Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen hat Verletzlichsten fokussiert nicht nur symbolischen Wert, sondern impliziert kon- krete Verfahrensänderungen. n Die Ergebnisse ihrer Politik zu überwachen und Rechenschaft abzulegen Ein Beispiel ist die „voluntary guideline on the imple- Eine Stärke des Ansatzes ist, Beteiligungsverfahren mentation of the right to adequate food in the context für betroffene Bevölkerungsgruppen aufzusetzen und of national food security”, womit die Regierungen sich prozessrechtliche Garantien zu verankern, so dass be- verpflichtet haben: troffene Gruppen entsprechend ihrer bürgerlichen und politischen Rechte eine Beschwerdemöglichkeit haben (Harmeling & Bals, 2008). Ein weiterer Bereich von Anpassung ist die Klimaresilienz oder Unmüßig, 2006). In der Klimaagenda tritt dieses von Entwicklung. Das bedeutet, dass Investitionen so- Defizit zu Tage, wenn sich eine Konkurrenz zwischen wohl in Klimaschutz als auch Entwicklung die erwarteten Klimaschutz und Entwicklung ausmachen lässt. Klimaauswirkungen beachten. Da viele Klimarisiken der- zeit noch unbekannt sind, bedeutet dies, vermehrt mit Eine wachstumsorientierte Strategie mit fehlender Be- Szenarien zu arbeiten. Außerdem sind kontinuierliche trachtung natürlicher Grenzen ergibt ein zweifaches Beobachtungs- und Lernzyklen notwendig, um sich an Dilemma: Zunächst einmal ist ein Zukunftsmodell, das veränderte Bedingungen anzupassen. Technologien soll- physikalische Grenzen ignoriert, langfristig zum Schei- ten nach dem Vorsorgeprinzip ausgewählt und generell tern verurteilt. Hohe Kosten folgen, wenn sich Länder solche Ansätze bevorzugt werden, die ein späteres Um- auf dem falschen Entwicklungspfad befinden und ge- steuern ermöglichen. In der Entwicklungszusammenar- zwungen sind, ihre Politiken zu ändern. Zweitens gefähr- beit ist ein systematisches Untersuchen der Projektziele det der jetzige Entwicklungspfad, der auf einer linearen hinsichtlich der Klimarisiken – das so genannte `Climate Produktionskette von der unregulierten Ausbeutung von Proofing‘ – ein erster Schritt. Rohstoffen bis hin zu einer unregulierten Entsorgung in die Geosphäre beruht, schon jetzt viele Umweltleis- tungen. Diese wiederum sind oftmals die Lebensgrund- Nachhaltiges Wachstum oder kein lage einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen. Das Wachstum? Millennium Ecosystem Assessment hat errechnet, dass zurzeit 60 Prozent der Umweltleistungen über ihre Trag- Wirtschaftliches Wachstum galt schon immer als zent- fähigkeit hinaus belastet werden (Reid et al. 2005). Klima- raler Faktor für die MDG im Allgemeinen und für MDG 1 wandel kommt oftmals noch als Belastung hinzu. – Verringerung der Armut – im Speziellen. Dies steht im Widerspruch zur Millenniums-Erklärung, der die MDG Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Fortfüh- entnommen wurden und die eher den Schlussfolgerungen ren eines nicht-nachhaltigen Wachstumsmodells unver- des Rio-Gipfels von 1992 folgt: Das Wachstumsmodell hältnismäßig die Ärmsten belastet. Nicht nur weil Ent- der Industriestaaten belastet die Ökosysteme bereits wicklungsfortschritte für sie angesichts globaler Kapa- bis an ihre Grenzen und ist nicht übertragbar auf die bis- zitätsgrenzen nicht mehr zu halten sind, sondern weil lang wirtschaftlich unterentwickelten Länder. ihre Abhängigkeit von Naturgütern sie auch besonders anfällig für eine Überbelastung der Ökosysteme macht Eine eingeschränkte Betrachtung der MDG ohne den (Hamilton, 2006). Kontext der Millenniums-Erklärung bedeutet, die Dimen- sion der ökologischen Nachhaltigkeit in die Peripherie Um die Bedürfnisse der armen Bevölkerungsschichten zu der Ziele abzuschieben, statt sie als Vorbedingung für erfüllen, ist es notwendig, mehr zu produzieren und kon- Erfolg anzusehen (für weitere Kritik vgl. WBGU, 2005 sumieren. Dies wird nur funktionieren, wenn es gelingt 12
Ein Beispiel für solch einen „Sprung“ in der Entwicklung Kasten 9: Ein normaler und ein ist die Errichtung funkbasierter Telekommunikations- „leap-frogging“-Entwicklungspfad netze statt in Festnetze zu investieren – dies geschieht bereits in vielen Entwicklungsländern. Ein für das Klima relevantes Beispiel ist ein „Leapfrogging“ von Energiein- frastrukur, indem direkt Niedrigemissionstechnologie Intensität der Ressourcennutzung aufgebaut wird statt fossile Energieträger zu nutzen Typischer (Switchasia, undatiert). Entwicklungspfad Allerdings hat bisher kein entwickeltes Land substan zielle Änderungen in seinen Konsum- und Lebensmustern erreicht. Anstiege im Verbrauch haben Einsparungen Ressourcen- verbrauch durch höhere Effizienz oft zunichte gemacht. Das bedeu- Leapfrogging tet nicht, dass eine klimafreundliche Entwicklung unmög- lich ist. Es zeigt aber, dass weitergreifende Strategien notwendig sind, um eine klimafreundliche Entwicklung zu ermöglichen. Ohne den empirischen Beweis bleibt es ein schwieriges Unterfangen, die wahrgenommene jetzt Zeit Konkurrenz zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und ökologischer Nachhaltigkeit zu entkräften. (Switchasia, undatiert) Energiearmut und Klimaschutz wirtschaftliches Wachstum vom Wachstum der Ressour- cennutzung und Emissionen zu entkoppeln. Eine Mög- Ein verbesserter Zugang zu Energie – Elektrizität, Hei- lichkeit ist, Investitionen in Entwicklungsländern richtig zung und Mobilität – ist eine wichtige Voraussetzung für zu platzieren, um ein „leap-frogging“ zu erreichen. Ent- das Erreichen der MDG. Elektrizität etwa ist sehr wich- wickelte Länder haben erhebliche Investitionen in ineffi- tig für die soziale Infrastruktur, wie z. B. Gesundheit und ziente Technologien getätigt. Leap-frogging in Entwick- Bildung, sowie für Anpassung an den Klimawandel. Ein lungsländern bedeutet, schon heute direkt in saubere, Minimum an sicherer Energie ist notwendig, um produk- effiziente Technologien zu investieren und deshalb nicht tive Tätigkeiten zu ermöglichen, die das Fundament für im Wachstumspfad der Industrieländer gefangen zu sein Entwicklung sind. (siehe Kasten 9). Kasten 10: Entwicklung des Energieverbrauchs in Abhängigkeit vom Entwicklungs fortschritt Stufe 3 Stufe 2 Bedürfnisse moderner Stufe 1 Gesellschaften Produktive Nutzung Moderne Energieformen Grundbedürfnisse Elektrizität, moderne Treib für viel mehr Anwendungen, stoffe und andere erhöhte Nachfrage Elektrizität für Licht, Gesund- Energieformen zur Verbesse- nach Kälte und Wärme heit, Bildung, Kommunikation rung der Produktivität in der (für Räume und Wasser), (50-100 kWh pro Kopf und Jahr) Landwirtschaft: persönliche Mobilität Moderne Treibstoffe und Tech- Wasserpumpen zur Bewässe- (Elektrizitätsverbrauch ent- nologien zum Kochen rung, Bodenbearbeitung, spricht ca. 2000 kWh und Heizen Weiterverarbeitung, pro Kopf und Jahr) (50-100 kgoe moderner Treib- Transport der Ernte stoffe oder Biomasse für verbesserte Kochöfen) (AGECC, 2010) 13
Angepasste Anbaumethoden erhöhen den Ertrag und erlauben eine beachtliche Speicherung von Kohlenstoff sowie ein großes Potenzial für Erneuerbare Energien. Foto: RajeshKC gieversorgung auch direkte Emissionseinsparungen: Die Bedeutung eines sicheren Energiezugangs als bestim- Beispiele hierfür sind der Ersatz alter Technologien oder mender Faktor für den MDG-Fortschritt hat das UN-Mil- die Vermeidung von Entwaldung (die größte Emissions- lennium-Projekt (2005) dazu bewogen, Energieziele als quelle vieler Entwicklungsländer) durch Alternativen ein weiteres MDG zu formulieren (siehe United Nations, zur Holzkohle sowie die Nutzung klimaschädlicher Treib 2005). Für den MDG-Gipfel 2010 ist eine höhere Auf- hausgase als Biogas. merksamkeit für das Energiethema zu erwarten.6 Während die Erfüllung der Grundbedürfnisse der Armen zu kaum höheren Emissionen führt (siehe Kasten 10)7, Synergien zwischen MDG & Anpassung würde eine Ausweitung produktiver Tätigkeiten durch- und Klimaschutz aus einen beachtlichen Emissionszuwachs bedeuten. Die Klima-Herausforderung erfordert jedoch, die weltweiten Kasten 11 zeigt wichtige Synergien zwischen dem Er- Emissionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent zu reduzie- reichen bestimmter MDG-Ziele und -Unterziele sowie ren – es gibt keinen Spielraum für Anstiege. Dies unter- von Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen auf. Fall- streicht nochmals die Bedeutung eines schnellen Wech- studien aus Afrika und Asien stellen dar, wie sich bei sels zu klimafreundlichen Technologien (AGECC, 2010). den konkreten Projekten ein doppelter Nutzen erzielen lässt. Dennoch gibt es auch potenzielle Konflikte. Der Hierbei ist die Angebots- (Niedrigemissionstechnolo- Abschnitt endet mit einem Ausblick auf die Rolle der gien) und Nachfrageseite (Negawatt8, die kostengüns- Agrotreibstoffe; oft als Klimaschutzmaßnahme kommu- tigste der sauberen Energieressourcen) gleichermaßen niziert, haben sie unter bestimmten Umständen negative wichtig. Oft ergeben sich durch den Ausbau der Ener- Auswirkungen auf die MDG. 6 Ban Ki-moons Beratergremium zu Energie- und Klimawandel (AGECC) hat einen Bericht veröffentlicht, der zu zwei Schlussfolgerun- gen kommt: Erstens sollte ein globales Ziel gesetzt werden, das universellen Energiezugang für menschliche Grundbedürfnisse bis 2030 sicherstellt. Zweitens soll ein weiteres Ziel formuliert werden, das eine Reduzierung der CO 2-Intensität der Weltwirtschaft um 40 % vorsieht, was einer Verdoppelung vergangener Intensitätsreduktionen entspräche. 7 Elektrische Energie für menschliche Grundbedürfnisse wie in Kasten 10 dargestellt würden zu CO 2-Emissionen von 60 kg CO 2e füh- ren; wenn Energie für Kochen und Heizen durch LPG (Flüssiggas) gedeckt wird, kommen noch 80-160 kg CO 2 hinzu. Durch Anwendung von Solar- oder anderer Erneuerbaren Technologie kann man diese Ausstöße nochmals reduzieren. Zum Vergleich: Die jährlichen CO 2- Emissionen pro Kopf in Deutschland sind 9.700 kg. 8 Negawatt ist ein Ausdruck für Energie, die nicht produziert werden muss aufgrund entsprechender Einsparungen durch erhöhte Ener- gieeffizienz. 14
Kasten 11: Mögliche Synergien zwischen der MDG- und der Minderungs- und Anpassungsagenda MDG-Ziel Beispiele für Synergien Bekämpfung von extremer n Gemeinsamer Ansatz, um marginalisierte und vulnerable Bevölkerungsgruppen zur Armut und Hunger Zielgruppe zu machen. Anwendung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes (siehe (Ziel 1) Kasten 8). • Den Anteil der Menschen halbie- ren, die weniger als einen US- n Schaffung von Arbeitsplätzen durch erneuerbare Energiesysteme. Dollar pro Tag zum Leben haben. • Den Anteil der Menschen n Neues Landwirtschaftsmodell, das die Nahrungssicherheit erhöht: Erhöhte Produk- halbieren, die Hunger leiden. tivität der Kleinbauern, verbessertes Bewässerungsmanagement und diversifizierte • Beschäftigung in ehrbarer Anbausysteme. Trotzdem besteht ein Risiko der Fehlanpassung (Produktionszuwächse Arbeit für alle erreichen, auch durch Intensivierung, extern entwickeltes Saatgut usw.), die insbesondere soziale für Frauen und Jugendliche. Aspekte der Anpassung erodiert (eigenständiges Lernen und Entwicklung eigener Ansätze). Außerdem haben solche Maßnahmen teilweise enorme CO2-Emissionen zur Folge (Energiebedarf für Düngemittel). Primarschulbildung für alle n Ausreichende Bildung ist eine Voraussetzung für Anpassungsfähigkeit, insbesondere (Ziel 2) selbstständiges Lernen. n Bildungsinstitutionen sind wichtige Triebkräfte für Wandelungsprozesse. Lehrpläne sollten zu Klimawandel, -schutz und -anpassung sensibilisieren. In der Katastrophen- vorsorge sind Schulen schon heute ein integraler Bestandteil für Kampagnen, sowohl für Bewusstseinsbildung als auch konkrete Maßnahmen. Ähnlich fokussieren Klima- schutz-Kampagnen schon heute auf Schulen, etwa www.greatpowerrace.org. Gleichstellung der Geschlechter n Frauen sind verletzlicher gegenüber Auswirkungen des Klimawandels. Die Beseitigung (Ziel 3) von Geschlechterungleichheit ist ein wichtiger Faktor, um die Verwundbarkeit der ge- samten Gesellschaft zu reduzieren. n Frauen haben oft eine vermittelnde Funktion in Gesellschaften, deshalb hat eine Stärkung der Rolle der Frau möglicherweise große Auswirkungen auf Klimaschutz und Anpassung. n Lehren für das Klima-Mainstreaming lassen sich aus Erfahrungen des Gender-Main streaming gewinnen. Die Gesundheitsziele n MDG 4: Vermehrte Krankheiten durch den Klimawandel treffen im Wesentlichen Kinder bis zum 5. Lebensjahr in Entwicklungsländern. Insbesondere Durchfallerkran- Senkung der Kindersterblichkeit kungen sind ein wichtiger Ansatzpunkt für Anpassungen, besonders bei Extremereig- (Ziel 4) nissen, und zur Senkung der Kindersterblichkeit. Atemwegserkrankungen, denen viele Kinder zum Opfer fallen, können durch eine Verbesserung der Innenraumluft durch Verbesserung der Gesundheits verbesserte Kochstellen vermieden werden – eine Maßnahme mit hohem Treibhausgas- versorgung bei Müttern Minderungspotenzial. Dies könnte auch niedrige Geburtsgewichte und Säuglingssterb- (Ziel 5) lichkeit reduzieren. Kampf gegen schwere Krankheiten n MDG 5: Ebenso lässt sich die Gesundheit von Müttern verbessern, da Frauen am meis- (Ziel 6) ten unter schlechter Innenraumluft leiden. Ein erhöhter Geburtenabstand ist eine sehr effektive Methode, Kinder- und Müttersterblichkeit zu reduzieren: Zwei Millionen Kinder und viele Mütter könnten vor dem Tod gerettet werden, wenn die Zeit zwischen Geburten auf zwei Jahre verlängert wird. Solche Maßnahmen helfen ebenso Bevölke- rungswachstum und Emissionszuwachs einzudämmen. n MDG 6: Schwere Krankheiten (z. B. HIV) schränken schon heute die Möglichkeit zur Selbsthilfe in vielen Ländern ein. Erfolg im Kampf gegen HIV, Malaria und Tuberkulose ist eine wichtige Vorbedingung für Anpassungskapazität und für die Produktivität, um Klimaschutzmaßnahmen durchzuführen. Der Klimawandel erhöht die Zahl der Malaria- fälle in bisher nicht betroffenen Regionen. Ökologische Nachhaltigkeit n Viele Überschneidungen bestehen zwischen Klimaschutz, Anpassung und dem Natur- (Ziel 7) und Artenschutz. Die Vernichtung von (tropischen) Wäldern führt zu Artenverlust und • Die Grundsätze der nachhaltigen treibt den Klimawandel an. Die Vermeidung tropischer Entwaldung sichert Biodiver- Entwicklung in der Politik und den sität. Allerdings können Maßnahmen, die sich nur auf den Kohlenstoff konzentrieren, Programmen der einzelnen Staaten in großräumiger Umwandlung von natürlichen Wäldern hin zur Plantagenwirtschaft verankern und die Vernichtung von resultieren. Umweltressourcen eindämmen. • Den Trend zum Verlust der Biodi- n Auswirkungen des Klimawandels werden sich größtenteils in einer veränderten Was- versität umkehren serverfügbarkeit niederschlagen. Investitionen in heutige Schwachstellen – Wasser • Halbierung des Anteils der Men- infrastruktur und -regulierung – sind Vorbedingungen für zukünftige Anpassungs- schen ohne dauerhaft gesicherten maßnahmen in diesem Bereich. Dafür ist schon heute eine strikte Klimaprüfung der Zugang zu sauberem Trinkwasser Maßnahmen notwendig. (eigene Zusammenstellung nach BMZ, 2006; Ifejika Speranza, 2010; UNISDR, 2007; Watts, 2006; Patz et al. , 2006; Wilkinson, 2006; Smith, 2009; WHO, 2009) 15
Fallstudie 1: Effiziente Brennholzkocher: Energiezugang und Klimaschutz Wer: Atmosfair; Lernen, Helfen, Leben; DARE (Developmental Association for Renewable Energies)9 Wo: Nördliches Nigeria Im Norden Nigerias führte die Feuerholznachfrage den Geschäftsmodells erlaubt. Durch die eingesparte zu starker Entwaldung und Wüstenbildung. Da regio- Menge Holz sind die finanziellen Amortisationszeiten nale Vorkommen erschöpft sind, wird das Holz heute für die Öfen sehr gering. Einnahmen aus dem Verkauf hauptsächlich aus südlichen Provinzen eingeführt. Als werden für eine Ausweitung des Angebots verwen- Folge daraus sind die Kosten erheblich gestiegen, das det. Das Projekt wird durch zwei Atmosfair-Partner Verhältnis der Energie- zu den Nahrungsmittelkos- implementiert: Die deutsche Organisation Lernen, ten liegt bei 10:1 (Europa 1:1). Hoch-effiziente Ko- Helfen, Leben organisiert den Kauf und den Trans- cher mildern dieses Problem ab, da sie um 80 Prozent port, während die nigerianische Organisation DARE sparsamer als herkömmliche Kocher sind. Der Kocher für den Zusammenbau und Verkauf zuständig ist. 2,7t kann sowohl tagsüber als auch nachts benutzt werden CO 2 werden pro Jahr durch einen Ofen gespart. Dies und macht daher keine Änderung des Kochverhal- entspricht etwa einem Hin- und Rückflug Frankfurt – tens notwendig. Die Haushalte sparen Geld, immer Dakar. Das Projekt generiert Emissionszertifikate in wenn sie den Kocher benutzen – ein guter Anreiz für der Höhe von 30.000 Tonnen. Es entspricht dem CDM den täglichen Gebrauch. Das Projekt hat auch eine Gold Standard, dem höchsten zur Verfügung stehen- Technologietransfer-Komponente: Die Bauteile für die den Zertifizierungsstandard. Herde stammen aus Deutschland und werden in Ni- geria zusammengebaut. Sobald der Markt in Nigeria Es gibt mehrere Synergien zu den MDG: Armutsmin- aufgebaut ist, soll die gesamte Produktion verlegt derung – MDG 1 (weniger Zeit muss mit Holzsammeln werden. Der Ofen kostet ca. 100 e. Die Finanzierung verbracht werden, mehr Zeit für andere Arbeiten) wie durch Atmosfair ist zwar ausreichend für die gesamten auch Gesundheit – MDG 4,5,6 (weniger Feinstaub, Kosten, trotzdem wird der Ofen für 60 e verkauft – weniger Innenluftbelastung, weniger Atemwegser- ein Preis, der auch für arme Haushalte finanzierbar krankungen). ist und gleichzeitig den Aufbau eines selbsttragen- Fallstudie 2: Katastrophenvorsorge und Bildung Wer: Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe10 Wo: Bagerhat, Bangladesch Der Distrikt Bagerhat zählt zu den sehr marginali in der die Bevölkerung Zuflucht findet. Durch die sierten Regionen in Bangladesch mit einem be- Ausstattung von Schutzgebäuden mit einer Meer- sonders hohen Anteil extrem armer Familien. Geo- wasserentsalzungsanlage können täglich zirka grafisch grenzt Bagerhat an die Sunderbans, das 8.000 Liter Trinkwasser erzeugt werden, die zirka größte Mangrovengebiet der Erde, und ist mas- 800 Familien versorgen. Damit verbessert sich auch siv von Grundwasserversalzung durch den Meer- die Gesundheitssituation und Durchfallerkrankun- esspiegelanstieg sowie tropische Zyklone betroffen, gen bei Kindern gehen zurück. Zukünftig sollen die die durch den Klimawandel an Intensität und Häu- Schutzgebäude auch für den regulären Schulbetrieb figkeit deutlich zunehmen. Diakonie Katastrophen- öffnen und damit die ortsnahen Bildungschancen – hilfe und Brot für die Welt fördern den Bau von MDG 2 – der lokalen Bevölkerung verbessern. sturm- und hochwassersicheren Schutzgebäuden, 9 http://www.atmosfair.de/unsere-projekte/projekte00/nigeria-effiziente-brennholzkocher/ 10 http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index _ 38 _ DEU _ HTML.php 16
Sie können auch lesen