Die richtige Ernährung bei Rheuma - Informationen und Tipps für den Alltag
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Herausgeber Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e. V. Welschnonnenstr. 7, 53111 Bonn Autor Prof. Dr. med. Gernot Keyßer Redaktion und Projektabwicklung Annette Schiffer, Katja Hinnemann Gestaltung KonzeptQuartier® GmbH, Fürth Druck Druckerei Engelhardt, Neunkirchen Überarbeitete Auflage – 30.000 Exemplare, 2020 Drucknummer A25/BV/12/20 Bild- und Rezeptnachweis iStock: baloon111, ChesiireCat, dolgachov, eyewave, gpointstudio, kajakiki, kazmulka, Lisovskaya, losinstantes, martinedoucet, mphillips007, piotr_malczyk, shironosov, stock_colors, svariophoto, vgajic, YinYang, zeleno, Zinkevych adobe.stock.com: ©timolina Kirsten Kofahl, becel, Hamburg; Informationsgemeinschaft Olivenöl, München; Kellogg’s, Frankfurt am Main; Köllnflockenwerke, Elmshorn; Maggi Kochstudio, Frankfurt am Main; Nordmilch, Bremen; fotolia Mit freundlicher Unterstützung von Bei allen Bezeichnungen, die sich auf Personen beziehen, haben wir aus Gründen der leichteren Lesbar- keit die männliche Form gewählt. Mit der gewählten Formulierung sprechen wir aber ausdrücklich alle Geschlechter an.
Liebe Leserinnen und Leser, „Ernährung“, dieses Wort gehört zu den beliebten Suchbegriffen in Inter- netsuchmaschinen. Tendenz steigend. Das hohe Interesse der Menschen an diesem Thema befriedigt das Fernsehen mit unzählige Kochformaten, die Industrie liefert Nahrungsergänzungsmittel dazu und die Marketing abteilungen der Lebensmittelhersteller erfinden das Wort „Superfood“. So wird die Ernährung Schritt für Schritt zum Heilsbringer für ein lan- ges Leben gemacht. Und nicht nur Menschen mit Übergewicht, sondern auch Schmerzpatienten, die unter Entzündungsschüben leiden, greifen verständlicherweise gern nach jedem Strohhalm, der helfen kann. Auch wenn am Ende oft nur das Portemonnaie erleichtert wird und nicht der schmerzgeplagte Körper. Wir fragen uns: Kann eine Ernährungsumstellung die Rheumaerkrankung beeinflussen? Die Antwort ist: Die richtige Ernährung ist eine wichtige Er- gänzung der medikamentösen Therapie rheumatischer Erkrankungen. Auch die mit rheumatischen Leiden einhergehenden Begleiterkrankun- gen lassen sich durch Ernährungstherapie positiv beeinflussen. Worauf zu achten ist und welche Empfehlungen wissenschaftlich gesichert sind, erfährt man in der vorliegenden komplett überarbeiteten Broschüre, die der renommierte Autor Prof. Dr. Gernot Keyßer für die Rheuma-Liga ver- fasst hat. Die Lektüre dient als erste Orientierung. Bei Lebensmittelunverträglich- keiten, starkem Über- oder Untergewicht, Osteoporose oder Osteopo- rosegefährdung durch langjährige Kortisoneinnahme ist es wichtig, die individuelle Beratung durch erfahrene Ernährungsberater zu nutzen. Spezielle Informationen werden auch zum Beispiel während eines Reha- Aufenthaltes angeboten. Ebenso lohnt eine Nachfrage beim Rheumato- logen und bei der örtlichen Rheuma-Liga. Wir sind gerne für Sie da! Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass sie viele neue Anregun- gen für ihren eigenen Speiseplan entdecken. Guten Appetit! Ihre Rotraut Schmale-Grede Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e. V. Die richtige Ernährung bei Rheuma 5
Vorwort 5 1 Kann man durch gute Ernährung einer rheumatischen Erkrankung vorbeugen? 8 1.1 Rheuma ist nicht gleich Rheuma – und Diät nicht gleich Diät! 9 1.2 Möglichkeiten und Grenzen der Diät 11 1.3 Gicht-Arthritis – ein Sonderfall in der Rheumatologie 12 1.4 Osteoporose – ein Kapitel für sich 14 2 Kann ich meine rheumatische Erkrankung durch Ernährungsumstellung günstig beeinflussen? 16 2.1 Gibt es Ernährungs- oder Lebensweisen, die das Risiko für eine rheumatische Erkrankung erhöhen? 17 2.2 Stärken Sie Ihre Abwehrkräfte – leichter gesagt als getan 18 2.3 Gibt es Nahrungsmittel mit antirheumatischer Wirkung? 18 2.4 Welche Nahrungsmittel schaden dem Körper? 20 2.5 Fasten – pro und contra 21 2.6 Die Spätfolgen rheumatischer Erkrankungen – so beugen Sie vor 22 3 Rheuma zehrt an der Substanz – Wie gleiche ich den Mangel aus? 24 3.1 Nahrungsergänzungsstoffe – die Qual der Wahl 25 3.2 Vitaminpräparate 26 3.3 Mineralstoffe 27 3.4 Eiweiß- und Knorpelschutzpräparate 28 3.5 Probiotika 28 4 Genuss ohne Reue – Rezepte für den Alltag mit Rheuma 30 5 Tipps zum Shoppen und Kochen 42 5.1 Beim Einkaufen 43 5.2 In der Küche 44 5.3 Wenn Gäste kommen 46 Im Einsatz für rheumakranke Menschen 48 Anschriften der Deutschen Rheuma-Liga 50 Informationsmaterial der Deutschen Rheuma-Liga 52 Die richtige Ernährung bei Rheuma 7
1 Kann man durch gute Ernährung einer rheumatischen Erkrankung vorbeugen? 8 Die richtige Ernährung bei Rheuma
1.1 Rheuma ist nicht gleich Rheuma – und Diät nicht gleich Diät! Die Begriffe „Rheumatismus“ und „Diät“ stammen bei Die meisten rheumatischen Leiden sind chronisch, d. h. de aus der Medizin des alten Griechenlands. „Rheu- sie begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Eine Son- matismus“ bedeutet so viel wie „das Fließende“, also derstellung innerhalb der rheumatischen Krankheits- einen Schmerz, der durch „verdorbene Körpersäfte” bilder nimmt die Gelenkentzündung bei Gicht ein. Hier in die Gelenke, die Muskulatur oder die Wirbelsäule handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, die – „fließt”. In der modernen Medizin spricht man stattdes- eine Ausnahme in der Rheumatologie – durch geeigne- sen von einem „rheumatischen Formenkreis”, zu dem te Maßnahmen im Frühstadium heilbar ist. eine große Zahl verschiedener Krankheitsbilder ge- zählt wird. Diese Erkrankungen gehen fast immer mit Da in späteren Jahrhunderten zwischen Gicht und an- Schmerzen in Gelenken, Wirbelsäule oder Weichteilen deren rheumatischen Erkrankungen nicht unterschie- einher. den wurde, standen Diätvorschriften lange Zeit im Mittelpunkt der Behandlung rheumatischer Krankhei- Krankheiten des rheumatischen Formenkreises lassen ten. Schon die Ärzte des alten Griechenlands wussten, sich in zwei große Gebiete einteilen: Die nicht-entzünd dass die Gicht-Arthritis durch übermäßigen Genuss lichen Krankheitsbilder, die vor allem durch Abnutzung von Fleisch und Alkohol ausgelöst werden konnte (sie- entstehen. Ursache sind die natürlichen Alterungsvor- he Seite 12). gänge, aber auch Überlastungen durch Übergewicht oder Schäden durch Unfälle. Abnutzungserscheinun- Diät heißt Lebensweise gen am Gelenk werden Arthrosen genannt, bei Ver- änderungen an der Wirbelsäule spricht man z. B. von Der griechische Begriff „Diät“ bedeutet „Lebensweise“ Spondylose. Ein weiteres wichtiges Leiden aus dieser und schließt daher nicht, wie heute oft angenommen, Gruppe ist die Osteoporose, bei der es zum allmähli lediglich Ernährungsfragen ein. Auch die Art, wie wir chen Verlust von Knochenmasse und zu vermehrter uns bewegen, wie wir schlafen oder wie wir mit Ge- Knochenbrüchigkeit kommt. nussmitteln wie Nikotin und Alkohol umgehen, gehört in die Planung einer „Diät“. Entzündlich-rheumatischen Erkrankungen liegt da- gegen eine krankhaft gesteigerte Reaktion des kör- Der Trend zu natürlichen Heilverfahren und der Wunsch pereigenen Abwehrsystems zugrunde. Diese kann vieler Patienten, einen eigenen Beitrag zur Eindäm- entweder auf den Bewegungsapparat beschränkt sein – mung ihrer Krankheit zu leisten, hat in der Rheumato- wie bei einer Gelenkentzündung (Arthritis) – oder sich logie das Interesse an möglichen therapeutischen im gesamten Körper ausbreiten. Das Spektrum dieser Wirkungen der Ernährungsweise geweckt. Außerdem Gruppe umfasst neben relativ harmlosen eine Reihe hat gerade in den letzten Jahren die Mikrobiom-For- von lebensbedrohlichen Erkrankungen. Die häufigste schung dazu beigetragen, gezielt nach Zusammenhän entzündlich-rheumatische Erkrankung ist das „Gelenk- gen zwischen Ernährung und chronischer Krankheit rheuma“, früher chronische Polyarthritis, heute rheu- zu suchen. Als Mikrobiom wird die Gesamtheit der im matoide Arthritis genannt. Bei dieser Erkrankung füh und am Körper lebenden Mikroorganismen bezeichnet. ren schmerzhafte Gelenkschwellungen zur Zerstörung Vor allem der Darm enthält große Mengen von Darm von Gelenkknorpel und -knochen. Spondyloarthritiden, bakterien und Pilzen, die einerseits zahlreiche nütz- wie die Ankylosierende Spondylitis (Morbus Bech- liche, sogar lebensnotwendige Funktionen ausüben, terew) sind Entzündungen, welche bevorzugt die andererseits möglicherweise zur Krankheitsentste- Wirbelsäule, gelegentlich auch die Gelenke befallen hung beitragen können. Da sich Menschen mit un- können. terschiedlicher Ernährungsweise auch im Mikrobiom Die richtige Ernährung bei Rheuma 9
voneinander unterscheiden, wird zurzeit intensiv er- lung, dass mit der Einhaltung bestimmter Essgewohn- forscht, ob Störungen des Mikrobioms rheumatische heiten eine Stärkung der Abwehrkräfte und eine „Rei- Erkrankungen unterhalten oder gar auslösen können. nigung“ von krankheitsverursachenden Umweltgiften Möglicherweise werden daher Fragen der Ernährung verbunden sei. Nichteinhaltung der Ernährungsvor- bei Rheumakranken künftig eine stärkere Bedeutung schriften sei dagegen Ursache einer Vielzahl chroni- erlangen. scher Erkrankungen. Viele Menschen in unserem Alltag bekennen sich zu Diese Auffassungen sind in der Regel nicht experimen- Ernährungslehren, die auf bestimmten, oft philo- tell bewiesen. Auf der anderen Seite sprechen sowohl sophisch geprägten Vorstellungen vom Charakter un- Tierexperimente als auch Untersuchungen an Patien serer Nahrung und der Art ihrer Zubereitung beruhen. ten dafür, dass Nahrungsmittel den Verlauf einer Neben dem seit Jahrzehnten ausgeübten Vegetaris- rheumatischen Erkrankung beeinflussen könnten. Vor mus (Verzicht auf Fleisch und Fisch) und seiner extre- allem Fettverbindungen können entzündungshem meren Variante, der veganen Ernährung (Verzicht auf mende oder entzündungsfördernde Wirkungen ent- alle tierischen Produkte) haben in den letzten Jahren falten – dies wird im Folgenden weiter ausgeführt. Es Kostformen wie die Paläo-Diät (angelehnt an die Er- existieren somit auch wissenschaftlich überprüfbare nährung von Steinzeitmenschen), Vollwertkost oder Ansatzpunkte für eine Ernährungsbehandlung in der Trennkost die Aufmerksamkeit der Medien auf sich Rheumatologie. gezogen. Ihre Verfechter vertreten häufig die Vorstel- 10 Die richtige Ernährung bei Rheuma
1.2 Möglichkeiten und Grenzen der Diät Um es gleich vorweg zu nehmen: Keine noch so durch lenke, wenn sie durch Übergewicht verursacht wor- dachte Ernährungsweise kann die medikamentöse den sind. Hier ist die Reduktionskost das wichtigste oder chirurgische Behandlung rheumatischer Erkran- Element in der Behandlung: Jedes Kilogramm Ge- kungen ersetzen. Es ist grundsätzlich falsch, schul- wichtsabnahme bringt Entlastung für Knorpel und und alternativmedizinische Verfahren im Sinne eines Bänder. Auch die Gicht-Arthritis ist eindeutig durch „Entweder – Oder“ gegeneinander auszuspielen. Ernährung beeinflussbar. In den Hungerzeiten nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gicht nahezu ver- Diätverfahren sind ein Element in der Rheumathera- schwunden. Erst als sich die Versorgung mit Fleisch pie, und ihre Bedeutung sollte weder über- noch un- oder alkoholischen Getränken verbesserte, wurde die- terschätzt werden. Eine Umstellung der Ernährung ses Krankheitsbild wieder häufiger. kann bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen die Wirkung von Medikamenten und Operationen prin- Nicht auf Basismedikamente verzichten zipiell unterstützen. Richtig angewendet, können das Lebensgefühl verbessert, Gelenkschmerzen gelindert Auf der anderen Seite sind die Möglichkeiten, mit Er- und der Verbrauch von Schmerzmedikamenten redu- nährung eine entzündlich-rheumatische Erkrankung ziert werden. grundlegend zu beeinflussen oder gar zu verhindern, sehr begrenzt (siehe Kapitel 2.1). Es wurde auch bisher Außerdem sind viele Ernährungsformen, die bei rheu keine Diät beschrieben, die in der Lage gewesen wäre, matischen Erkrankungen empfohlen werden, auch für die Entstehung von Schäden an Knorpel und Knochen die Vermeidung anderer Gesundheitsgefahren wichtig. zu verzögern, wie sie regelmäßig im Verlauf der rheu Dazu gehören vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen matoiden Arthritis oder anderer entzündlicher Gelenk (siehe Kapitel 2.6). Manche der in diesem Heft vorge erkrankungen auftreten. Die starke Entzündungshem stellten Ernährungsweisen sind der Küche des Mittel- mung, wie sie mit den heutigen Basis-Medikamenten meerraumes entlehnt. Wer die Vorzüge der italienisch erreicht wird, kann durch keine Ernährungsweise er- en oder griechischen Küche zu schätzen weiß, erkennt setzt werden. bald, dass man als Rheumatiker/Rheumatikerin auch Freude an gesunder Nahrung und ihren Zubereitungs- Zu guter Letzt sind Essen und Trinken mehr als bloße formen haben kann. Nahrungsaufnahme. Wir verbinden damit Genuss, Ent spannung und Lebensfreude. Wer möchte von einer Einige Krankheitsbilder des rheumatischen Formenkrei- Diät leben, die zwar positiv auf die Gelenkerkrankung ses sprechen besonders gut auf eine Diät an: Arthrosen wirkt, aber einfach nicht schmeckt? der „Last tragenden“ Gelenke, vor allem der Kniege- Die richtige Ernährung bei Rheuma 11
1.3 Gicht-Arthritis – ein Sonderfall in der Rheumatologie „Gicht“ und „Rheuma“ werden oft in einem Atemzug te, Spargel oder Rosenkohl können größere Mengen genannt, obwohl die Gicht im eigentlichen Sinne keine Harnsäure enthalten. Nach neuen Forschungsergebnis rheumatische Erkrankung ist. Es handelt sich bei die- sen führt diese Harnsäure aber wesentliche seltener sem Leiden um eine Stoffwechselerkrankung, bei der zur Auslösung einer Gicht, so dass von diesen pflanz es zu einer erhöhten Konzentration von Harnsäure im lichen Nahrungsmitteln nicht mehr abgeraten wird. Blut kommt. Dieses Abfallprodukt des Zellstoffwech- sels kann von einigen Menschen nicht optimal über Nicht nur die Aufnahme, sondern auch die behinder- die Nieren ausgeschieden werden. Daher kommt es te Ausscheidung von Harnsäure über die Niere lässt bei einem Überangebot von Harnsäure zu Ablagerun- den Harnsäurespiegel ansteigen. Daher können Nah- gen dieser Substanz in kristalliner Form in Gelenken, rungsmittel, die selbst harnsäurearm sind, aber die Nieren, aber auch Weichteilen. Ansammlungen von Ausscheidung von Harnsäure behindern, Gichtanfälle Harnsäurekristallen in der Gelenkflüssigkeit können zu begünstigen – auch diese sind in der Tabelle ange- Gichtanfällen führen. Der Betroffene erlebt dies als eine führt. Für den Gichtpatienten ist eine ausreichende heftige Arthritis, die überaus schmerzhaft ist und bei Trinkmenge wichtig: Trinken Sie dabei vor allem ka- chronischem Verlauf zu Gelenkschäden führen kann. lorienfreie Getränke wie klares Wasser, Tee oder Kaf- fee. Alkoholische Getränke sind zu meiden, da sie die Für die Behandlung der Gicht stehen heutzutage zwar Harnsäureausscheidung über die Nieren behindern. wirksame Medikamente zur Verfügung – Betroffene können die Erkrankung aber mit einer Umstellung Heilsame Diät ihrer Ernährung günstig beeinflussen. Dazu sollte der von Gicht betroffene Patient, jedoch auch gesunde Eine sehr wichtige Maßnahme zur Vorbeugung von Personen mit erhöhten Harnsäurewerten auf den Gicht ist die Einhaltung eines normalen Körperge- Puringehalt der Nahrung achten. Purine sind die Aus- wichts. Bei Übergewichtigen kann die Abnahme von gangssubstanzen für die Bildung von Harnsäure. Eine 5 bis 10 kg bereits zu einer Senkung des Harnsäure- genauere Aufstellung purinarmer und purinreicher spiegels im Blut führen. Unter Beachtung der oben Lebensmittel enthält die Tabelle auf Seite 13. genannten Empfehlungen ist die Gicht vermeidbar. Durch die Kombination von medikamentösen und Dabei gilt die Faustregel, dass Lebensmittel mit einem diätetischen Maßnahmen sowie eine Beeinflussung Puringehalt von mehr als 150 mg pro 100 g zu vermei- des Lebenswandels gehört die Gicht in der Mehrzahl den, bzw. deutlich eingeschränkt aufzunehmen sind. der Fälle zu den Erkrankungen, die heilbar sind, bzw. Liegt der Harnsäuregehalt zwischen 50 und 150 mg einen günstigen Verlauf nehmen können. Dies setzt je- pro 100 g, sollte eine Aufnahme von einer Mahlzeit pro doch die aktive und motivierte Mitarbeit des Patienten Tag nicht überschritten werden. In der Liste sind vor al- voraus. lem tierische Produkte aufgelistet. Auch Hülsenfrüch- 12 Die richtige Ernährung bei Rheuma
Mittlerer Purin- und Harnsäuregehalt einiger Lebensmittel Purine gebildete Harnsäure Lebensmittel pro 100 g (in mg) pro 100 g (in mg) Milch 0 0 Joghurt 0 0 Quark 0 0 Eier 2 4,8 Salatgurke 3 7,2 Hartkäse 4 7,2 Tomaten, Paprika 4,2 10 Kartoffeln 6,3 15 Eiernudeln (gekocht) 8,4–21 20–50 purinarm Walnüsse 10,5 25 Spargel 10,5 25 Reis (gekocht) 10,5–14,7 25–35 Weißbrot 16,8 40 Blumenkohl 18,9 45 Champignons 25,2 60 Rosenkohl 25,2 60 Mettwurst 26 62 Erdnüsse 29,4 70 Weizen 37,8 90 Bratwurst 40 96 mittlerer Purin-Gehalt Bier (auch alkoholfrei) 42 100 Kabeljau 45 108 Wurst 42–54,6 100–130 Fischstäbchen 46,2 110 Putenschnitzel 50,4 120 Fleischbrühe 58,8 140 Fisch (gegart) 63 150 Fleisch (Schwein, Rind, Kalb – mager, frisch) 63 150 purinreich Hähnchenbrustfilet (frisch) 75,6 180 Schinken 85 204 Schweineschnitzel 88 211,2 Ölsardinen 200 480 Sprotten 335 802 Nahrungsmittel, die in größeren Mengen Gichtanfälle, unabhängig vom Harnsäuregehalt begünstigen: Alkoholika (Schnaps), Bier, Softdrinks (Cola, Limonade), süße Fruchtsäfte, Früchte mit hohem Fruktosegehalt (v. a. Trockenfrüchte: Pflaumen, Aprikosen, Mango, Rosinen) (Quelle: www.internisten-im-netz.de, Dalbeth N et al. Ann Rheum Dis 2010; 69: 1738-43) Die richtige Ernährung bei Rheuma 13
1.4 Osteoporose – ein Kapitel für sich Osteoporose bedeutet den allmählichen Verlust von figer Osteoporose als NichtraucherInnen, auch wenn Knochenmasse. Schleichender Knochenabbau führt der Grund für diese Beobachtung noch nicht ermittelt zu einer Ausdünnung der Röhrenknochen und der Kno werden konnte. Außerdem schaden stark phosphat- chenbälkchen. Die Folge sind Knochenbrüche nach und oxalathaltige Lebensmittel den Knochen, weil sie kleinsten Unfällen oder Rückenschmerzen, die durch Kalzium binden und so dem Körper entziehen. Eine oft Einbrüche der Wirbelkörper entstehen. Bei Frauen unterschätzte Phosphatquelle sind Colagetränke, die nach den Wechseljahren ist dieser Abbauprozess be- obendrein Karies verursachen und durch ihren hohen sonders stark ausgeprägt. Zuckergehalt zur Überernährung beitragen. Fleisch- und Wurstprodukte sind ebenfalls phosphatreich. Und Ernährungsfragen sind für den Stoffwechsel des Kno- schließlich schwächt übermäßiger Alkoholkonsum chens enorm wichtig. Kalzium ist einer der entschei- nachweislich unser Skelett. denden Bausteine der Knochensubstanz. Unser Kör- per ist ungefähr bis zum 26. Lebensjahr in der Lage, Knochenmasse aufzubauen – danach verliert der Kno- Tipps für den Alltag chen allmählich wieder an Festigkeit. Eine kalziumrei- → Bei der Gestaltung einer Diät für Patienten che Ernährung von Kindheit an schützt also im Alter mit rheumatischen Erkrankungen sollte vor Osteoporose. man sich an wenige Grundsätze halten, die- se dann aber konsequent befolgen. Blinder Knochengewebe formt sich aber auch bei körperlicher Eifer schadet nur, und Diäten sind keine All- Belastung, während Bewegungsmangel zum Verlust heilmittel. Dennoch können sinnvolle Re- von Knochenmasse führt. So entwickeln bettlägerige geln für die Ernährung und die Alltagsgstal- Patienten sehr rasch eine Osteoporose. Bei Raum- tung unsere Lebensqualität verbessern. fahrern führt der längere Aufenthalt in der Schwe- relosigkeit ebenfalls zum rapiden Abbau von Knochen. → Übergewicht überlastet unsere Gelenke. Wer Bewegung ist daher eine Voraussetzung für den Er- starkes Übergewicht reduziert, schont sei- halt unserer Knochenfestigkeit. nen Bewegungsapparat und beugt gleichzei- tig Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkran- Ein oft vernachlässigtes Element für die Knochenbil- kungen vor. dung ist das Sonnenlicht. Unter Einwirkung ultravio- → Bewegungsmangel begünstigt die Osteopo- letter Strahlung wird das knochenstärkende Vitamin D rose und fördert die Entstehung von Über- in der Haut gebildet. Viele ältere Menschen kommen gewicht. Es muss kein Fitnessclub sein: Spa- zu selten an die frische Luft – oft, weil sie Schmerzen ziergänge, leichte Gymnastik, Rad fahren, beim Laufen haben, die durch die Osteoporose verur- Tanzen, Schwimmen, ... wichtig ist: Anfangen! sacht wurden. Bewegungs- und Lichtmangel setzen so einen Teufelskreis in Gang, der dem Knochen schadet. → Rauchen und Alkohol schaden nicht nur Herz und Leber: Auch die Knochen brechen Die Knochengesundheit wird auch von anderen Fak- bei Alkoholikern und Rauchern schneller. toren bestimmt: RaucherInnen haben deutlich häu- 14 Die richtige Ernährung bei Rheuma
Kinder im Wachstumsalter haben einen erhöhten Kal- Grünkohl). Die tägliche Kalziumzufuhr sollte aus der ziumbedarf. Auch Schwangere benötigen mehr Kalzi Nahrung stammen. Die zusätzliche Einnahme in Tablet- um. Milch und Milchprodukte sind die wesentlichen tenform wird heute kritisch gesehen und sollte von Kalziumquellen unserer Nahrung. Magermilch und einem auf Knochenerkrankungen spezialisierten Arzt Molke enthält genauso viel Kalzium wie Vollmilch. angeordnet werden. Informationen über den Kalzium- Wer keine Milch verträgt, kann seinen Kalziumbedarf gehalt von Nahrungsmitteln sind bei der Deutschen auch aus kalziumreichen Mineralwässern und kalzi- Gesellschaft für Ernährung erhältlich ( www.dge.de). umreichen Gemüsen decken (Broccoli, Lauch, Fenchel, Die richtige Ernährung bei Rheuma 15
2 Kann ich meine rheumatische Erkrankung durch Ernährungsum- stellung günstig beeinflussen? 16 Die richtige Ernährung bei Rheuma
2.1 Gibt es Ernährungs- oder Lebens- weisen, die das Risiko für eine rheuma- tische Erkrankung erhöhen? Jahrelang wurde diskutiert, ob bestimmte Nahrungs- Arthritis zu erleiden. Vor allem stark gezuckerten Ge- mittel rheumatische Erkrankungen zum Ausbruch tränken (sog. Softdrinks wie Cola oder Limonade) wird bringen können. Vermutet wurde dies für „rotes ein krankheitsfördernder Einfluss zugeschrieben. Fleisch“ (v. a. Rind- und Schweinefleisch). Die Hinweise dafür sind allerdings selbst bei Langzeitbeobachtun- Interessanterweise senkt der Verzicht auf Alkohol gen an über 100.000 Personen (!) relativ schwach. Im nicht das Risiko einer rheumatoiden Arthritis. Im Ge- Gegensatz dazu wird Fischmahlzeiten häufig eine genteil: Personen, die in geringen Mengen (!) Alkohol schützende Wirkung vor rheumatischen Erkrankungen zu sich nehmen, erkranken etwas seltener an ent- nachgesagt. Dies war bei Volksgruppen nachweisbar, zündlichem Gelenkrheuma als völlig abstinente Per- bei denen täglich größere Mengen von stark fetthalti- sonen. Die Betonung liegt dabei auf der geringen Do- gem Seefisch auf dem Speiseplan stehen, der entzün- sis: Übersteigt die Zufuhr von Alkohol die Menge von dungshemmende ungesättigte Fettsäuren enthält. 10 g pro Tag, verliert sich diese Schutzwirkung rasch wieder. Diese Menge ist schon mit einem halben Li- Nach neueren Forschungsergebnissen ist es wahr- ter Bier oder einem Schoppen (0,2 Liter) Wein pro Tag scheinlich nicht ein einziges Lebensmittel, welches überschritten! die Erkrankungswahrscheinlichkeit erhöht, sondern das Gesamtbild der Ernährungsgewohnheiten. Das Patienten, die neu an einer rheumatoiden Arthritis fängt schon in der frühesten Kindheit an: Mangeler- erkranken, fragen sich oft: Habe ich durch falsche Er- nährung im Säuglingsalter steigert das Arthritis-Risiko nährung selbst zur Entstehung der Erkrankung beige- ebenso wie eine sehr kurze oder fehlende Stillperiode. tragen? Die oben genannten Zusammenhänge lassen Eine gesunde Ernährung enthält viele Elemente: Zu ihr für den einzelnen Patienten eine derartige Schlussfol- gehört ein hoher Anteil von Obst und rohem Gemüse, gerung nicht zu – Schuldgefühle sind daher fehl am Nüssen und Ballaststoffen, wie sie in Vollkornmüsli Platz. Die einzige wirklich sinnvolle Empfehlung zur enthalten sind, aber auch der weitgehende Verzicht Vorbeugung der rheumatoiden Arthritis betrifft das auf stark gesüßte Getränke und Erzeugnisse aus rei- Rauchen: Diese Gelenkentzündung tritt bei Rauchern nem Weizenmehl sowie die verminderte Aufnahme messbar häufiger auf und verläuft schwerer als bei von Schweine- und Rindfleisch. Menschen, die sich Nichtrauchern. Das Erkrankungsrisiko steigt zusätz- nach diesen Gesichtspunkten ungesund ernähren, ha- lich an, wenn sich Raucher sehr salzreich ernähren ben in der Tat ein erhöhtes Risiko, eine rheumatoide und übergewichtig sind. Die richtige Ernährung bei Rheuma 17
2.2 Stärken Sie Ihre Abwehrkräfte – Bei Patienten, die oben genannte Medikamente ein- leichter gesagt als getan nehmen, bestehen in der Regel keine Einwände gegen Impfungen, z. B. gegen die Grippeschutzimpfung. Die- Das Thema „Ernährung und Abwehrkräfte“ ist Ge- se Maßnahmen werden sogar ausdrücklich empfohlen, genstand vieler Diskussionen und wird oft zur „Glau- mit Ausnahme einiger Lebendimpfstoffe bei hochak- bensfrage“ erhoben. Der Volksmund sagt „Essen und tiven rheumatischen Erkrankungen. Im Einzelfall soll- Trinken hält Leib und Seele zusammen“. Noch im ten Sie mit ihrem Rheumatologen über die Möglich- 19. Jahrhundert bestand die „Heilwirkung“ vieler Kran keiten von Impfungen sprechen. kenhäuser im Wesentlichen darin, dass die Kranken dort regelmäßig zu Essen bekamen und so die Krank In Drogerien, Zeitschriften und im Internet werden heit aus eigener Kraft überwanden. Unumstritten ist, häufig pflanzliche oder mineralische Präparate, Vi- dass in der Ernährung alles Extreme der Entstehung taminmischungen oder Spurenelemente angeboten, von Krankheit Vorschub leisten kann: Permanente denen die Werbung eine Stärkung der Abwehrkräfte Unterernährung genauso wie maßlose Völlerei, aber zuschreibt. Wissenschaftliche Beweise für diese Eigen- auch zu einseitige Ernährung. Schwieriger zu beant- schaften fehlen oft oder halten einer gründlichen Prü- worten ist die Frage, welchen Stellenwert die durch- fung nicht stand. Zudem sind viele dieser Mittel aus- schnittliche Alltagskost für die Gesundheit des Einzel- gesprochen teuer. Bitte wenden Sie sich auch hier an nen haben kann. ihren behandelnden Arzt, bevor Sie diese Präparate anwenden. Stress vermeiden Unsere Fähigkeit, Krankheiten zu widerstehen, ist von 2.3 Gibt es Nahrungsmittel mit vielen Einflüssen abhängig: Von den Erbanlagen und antirheumatischer Wirkung? vom Lebensalter genauso wie von der Stressbelas- tung, von regelmäßigem Schlaf, von Umweltfaktoren Die einzige Erkrankung aus dem rheumatischen For- wie Luftverschmutzung, Lärm, klimatischen Faktoren menkreis, die mit Ernährung im Frühstadium prinzipi- u. v. a. m. Bei Patienten mit entzündlich-rheumatisch ell heilbar ist, ist die Gicht-Arthritis. Allerdings werden en Erkrankungen kommt zu diesen Faktoren noch ein auch bei der Gicht heute fast immer Medikamente weiterer hinzu: Die Schwächung des Immunsystems eingesetzt, die rascher und zuverlässiger wirken als durch entzündungshemmende Medikamente. Diese eine reine Ernährungstherapie. Die Erfahrung lehrt, Schwächung ist notwendig, denn Krankheiten wie die dass nur wenige Gicht-Patienten zu einer radikalen rheumatoide Arthritis entstehen durch eine zu hohe Umstellung der Ernährung mit weitgehendem Ver- Aktivität unseres Immunsystems. Der Preis für die Ein- zicht auf Fleisch und Wurstwaren, Bier und andere dämmung der Erkrankung ist daher eine etwas höhe- alkoholische Getränke bereit sind. re Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Bei der rheumatoiden Arthritis ist die Frage, ob sich die Um diesen Infektionen vorzubeugen, empfehlen sich Erkrankung mit einer Ernährung günstig beeinflussen eine Reihe einfacher, aber wirksamer Maßnahmen. lässt, sehr gründlich untersucht worden. Die Entste- Dazu gehört eine ausgewogene Ernährung, auf die im hung einer Gelenkentzündung wird durch Botenstof- Kapitel 2.3 und 2.4 näher eingegangen wird. Ebenso fe verstärkt, die aus Fettverbindungen, so genannten wichtig ist aber die Abhärtung: wechselwarme Du- Lipiden, in der Zellmembran stammen. Bestimmte schen, häufige – möglichst tägliche – Bewegung an der Lipide in der Nahrung können die Produktion dieser frischen Luft, ausreichend Schlaf. Rauchen und über- Botenstoffe beeinflussen und dadurch anti-entzünd- mäßiger Alkoholgenuss führen auch zu erhöhter In- lich wirken. Dies gilt zum einen für mehrfach un fektanfälligkeit. gesättigte Fettsäuren, die sog. Omega-3-Fettsäuren, 18 Die richtige Ernährung bei Rheuma
welche vor allem in Fischölen vorkommen. Auch ein- hohem Fettanteil werden durch Joghurt und mageren fach ungesättigte Fettsäuren, wie sie in Olivenöl Käse ersetzt. Tierisches Eiweiß wird überwiegend als gefunden werden, beeinflussen Entzündungen eher Fisch zugeführt. Besonders vorteilhaft – wegen des ho- günstig. Eine Behandlung der rheumatoiden Arthritis hen Fischölanteils – sind dabei Seefische wie Makrelen mit reinem Fischöl in einer Dosis von mindesten 2,7 g oder Hering. Die übrigen Fette werden in Form von der aktiven Omega-3-Fettsäuren vermindert Gelenk- Oliven- und Rapsöl oder pflanzlicher Margarine aufge- schmerzen und – in geringerem Maße – auch die Ge- nommen. Deutlich reduziert wurde der Fleischkonsum – lenkschwellung. Über eine Schutzwirkung auf die Ge- einmal pro Woche Rind oder Schweinefleisch ist bei lenkzerstörung ist jedoch nichts bekannt. dieser Kostform das Maximum. Der Vorteil dieser Diät liegt in der Tatsache, dass auch Herz- und Gefäßerkran- Fisch statt Fleisch kungen günstig beeinflusst werden können. Außerdem lässt sie sich sehr schmackhaft gestalten, so dass bei Eine Diät mit hohem Seefischanteil (800 g Fisch pro entsprechender Schulung viele Patienten bei dieser Woche) hat in klinischen Tests zu leichten Verbesserun- Kostform bleiben. gen der Zahl geschwollener Gelenke und der allgemei- nen Schmerzstärke geführt. Auch die konsequente Ein- Auch eine Reihe von Pflanzenölen (Borretsch, Nachtker- haltung einer sog. „mediterranen Diät“, die der Küche ze, Walnußöl, Schwarzkümelöl) besitzen entzündungs- der griechischen Inseln entlehnt ist, linderte nach drei hemmende Eigenschaften. Bei diesen Substanzen Monaten die Schmerzen von Rheumapatienten. Diese existieren allerdings kaum wissenschaftlich aussage- Diät enthält insgesamt wenig Fett, aber einen hohen kräftige Ergebnisse bezüglich ihrer Wirkung bei rheu- Anteil von Früchten und Gemüsen. Milchprodukte mit matischen Erkrankungen. Die richtige Ernährung bei Rheuma 19
2.4 Welche Nahrungsmittel schaden dem Körper? Eine gesunde Ernährung zeichnet sich durch Vielfalt Getränke mehr Gelenkschmerzen und -schwellungen aus. Nahrung schadet immer dann, wenn sie zu ein- zu haben. Dabei werden jedoch ganz unterschiedli- seitig oder zu reichhaltig ist. Überernährung ist die che Lebensmittel genannt: häufig Fleisch, aber auch häufigste Ursache von Verschleißerscheinungen in Süssigkeiten, Wein, Zitrusfrüchte oder Kaffee. den Kniegelenken. Aber auch Rückenschmerzen wer- den durch Übergewicht begünstigt. Es gibt seltene Fälle von Lebensmittelallergien (z. B. auf Kuhmilch), die mit Gelenkschmerzen einhergehen. Die Osteoporose kann durch Lebensmittel ungünstig Beobachten daher Patienten eine Zunahme ihrer beeinflusst werden. Darauf wurde in Kapitel 1.3 näher Krankheitserscheinungen unter bestimmter Kost, soll- eingegangen. Patienten mit rheumatoider Arthritis te dies ernst genommen werden. Unterstützung kann wollen oft wissen, ob ihre Erkrankung durch Nahrungs- dann eine qualifizierte Ernährungsberatung bieten, mittel ausgelöst oder unterhalten wird. Versuche, die von einigen Rheumatologen bereits angeboten durch systematische Untersuchungen Arthritis-auslö wird. sende Nahrungsmittel zu finden, sind jedoch bisher gescheitert. Allerdings gibt ein gewisser Prozentsatz – Vegetarische Kost pro und contra zwischen 5 und 20 % der Rheumatiker/innen – auf Be- fragen an, nach Aufnahme bestimmter Speisen und Die bereits erwähnte Vermutung, dass Fleisch, insbe- sondere „rotes“ Fleisch von Schweinen und Rindern, an der Entstehung und Unterhaltung von rheuma- tischen Gelenkentzündungen beteiligt sein könnte, hat zu wissenschaftlichen Untersuchungen Anlass gegeben. Der Vegetarismus unterscheidet zwischen zwei Formen fleischfreier Diät: Vegane Kost verzichtet auf jede Form tierischer Lebensmittel, während ovo- lacto-vegetabile Kost die Verwendung von Milch, Milchprodukten und Eiern erlaubt. Es gibt keine über- zeugenden Beweise dafür, dass entzündlich-rheumati- sche Erkrankungen durch diese Kostformen langfristig günstig beeinflusst werden. Bei Patienten mit hochaktiver rheumatoider Arthri tis, die durch die Erkrankung unter einem Eiweißab bau leiden, ist der völlige Verzicht auf tierisches Protein nicht zu empfehlen. Aus den oben bespro- chenen Gründen sollte dabei jedoch der Anteil von Rind- und Schweinefleisch deutlich reduziert werden. Rindfleisch aus biologischer Weidehaltung enthält ei- nen etwas höheren Anteil entzündungshemmender ungesättigter Fettsäuren als Fleisch aus konventio- neller Erzeugung. 20 Die richtige Ernährung bei Rheuma
2.5 Fasten – pro und contra Fastenkuren werden häufig für die naturheilkund- Fettreserven werden leider erst spät mobilisiert. Au- liche Behandlung von Patienten mit rheumatoider ßerdem kann es bei längeren Fastenperioden zum Arthritis empfohlen. Für länger als 10 Tage dauernde Abbau von Eiweiß aus Muskulatur, Knochen und Fastenkuren existieren bei RA-Patienten keine aussa anderen Geweben kommen. Gerade für Patienten mit gekräftigen Forschungsergebnisse. Der Einfluss kurzer aktiver RA wirkt sich ein derartiger Eiweißverlust ne- Fastenperioden von 7 bis 9 Tagen wurde jedoch wis gativ aus, denn die Gelenkentzündung an sich führt senschaftlich untersucht, in der Regel an Patienten mit bereits zu verstärktem Abbau von Eiweiß. Daher sind milder und stabil eingestellter Erkrankung. Eine Linde- Fastenkuren allenfalls bei übergewichtigen Patienten rung von Gelenkschmerzen lässt sich dabei nachwei- mit gut eingestellter rheumatoider Arthritis zu emp- sen, allerdings halten diese Effekte in der Regel nicht fehlen. lange an. Warum manche Patienten vom Heilfasten profitieren, ist noch nicht eindeutig geklärt. Fastenkuren sollen von Ärzten mit Erfahrung in der Diättherapie durchgeführt werden. Die medikamen- Auch wenn die Vorstellung von einer „Reinigung“ oder töse Therapie sollte dabei unbedingt fortgesetzt wer- „Entschlackung“ durch Fasten zunächst einleuchtend den. Wichtig ist auch hier, die schulmedizinische und scheint, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, die naturheilkundliche Behandlung nicht gegeneinan- dass die rheumatoide Arthritis durch Umweltgifte der auszuspielen, sondern die Vorzüge beider Gebiete entsteht. Außerdem wurde nicht überzeugend belegt, zu vereinen. dass Fasten tatsächlich Giftstoffe aus dem Körper ent- fernt. Denkbar ist, dass körpereigene, entzündungs Was ist das optimale Körpergewicht für hemmende Stoffe – Glucocorticoide – für die positi- Rheumapatienten? ven Effekte des Fastens verantwortlich sind. Lässt man gesunde Personen fasten, kommt es zu einer vermehr- Fettleibigkeit führt zu gesundheitlichen Problemen. ten Freisetzung dieser Hormone, die neben der Hem- Allerdings muss auch die „gertenschlanke Figur“ nicht mung von Schmerz und Entzündung auch für die Be- das anzustrebende Ideal für Rheumapatienten sein. reitstellung von Energie aus körpereigenen Reserven Arthritispatienten mit einem leichten Übergewicht verantwortlich sind. hatten in statistischen Erhebungen eine besser zu füh- rende Erkrankung und litten seltener an Herz-Kreislauf Fasten nur bei Übergewicht Erkrankungen als Patienten mit Normal- oder gar Untergewicht. Leicht Übergewichtige mit einem Body- Der Gewichtsverlust beim Fasten kommt in den ersten Mass-Index zwischen 25 und 30 sollten auf ihre kör Tagen und Wochen vor allem durch die Darmentlee- perliche Fitness achten, regelmäßig Sport treiben und rung zustande. Parallel dazu werden kurzfristig ver- weitere Gewichtszunahme vermeiden, ein „Herunter fügbare Energiespeicher, z. B. in der Leber abgebaut. hungern“ auf ein Idealgewicht ist jedoch kein Muss. Die richtige Ernährung bei Rheuma 21
2.6 Die Spätfolgen rheumatischer Erkrankungen – so beugen Sie vor Die häufigste Spätfolge entzündlich-rheumatischer wie die Mitglieder einer Selbsthilfegruppe. Bewe- Erkrankungen ist der Verlust der Gebrauchsfähigkeit gungsmangel heißt oft auch Mangel an Begegnung von Gelenken, der bis zur Invalidität führen kann. und Gespräch, an Freundschaften und Zuwendung. Auch die Osteoporose tritt bei Rheumatikern früher Vereinsamung als Spätschaden einer rheumatischen und schwerer auf als bei Gesunden. Lange Zeit galt in Erkrankung – das darf nicht sein! Über Bewegungs- der Medizin der Satz „Am Rheuma stirbt man nicht“. angebote informieren die Verbände der Deutschen Mittlerweile hat sich jedoch die Erkenntnis durchge- Rheuma-Liga (siehe Seite 50) setzt, dass entzündlich-rheumatische Erkrankungen die Betroffenen sehr wohl wertvolle Lebensjahre kos- ten können. Neben einer höheren Rate von Infektio- Tipps für den Alltag nen wurde in statistischen Erhebungen eine größere → Achten Sie bei Ihrer Ernährung auf Ausge- Häufigkeit von Herzinfarkten und Schlaganfällen fest- wogenheit. Lebensmittel mit günstiger gestellt. Man vermutet heute, dass die ständig vor- Wirkung für Herz und Gelenke sind Pflan- handenen Entzündung die Gefäßwände schädigt und zenöle mit hohem Anteil an ungesättig- dadurch zur Arteriosklerose beiträgt. ten Fettsäuren. Diese sollten Butter und Schmalz weitgehend ersetzen. Spätschäden vorbeugen → Einmal in der Woche Schweine- oder Rind- Die beste Vorbeugung von Spätschäden bei rheuma- fleisch ist ausreichend. Der Bedarf an tischen Erkrankungen ist eine qualifizierte Betreuung Tierischem Eiweiß sollte stärker über Fisch, durch rheumatologisch erfahrene Ärzte. Wenn die insbesondere Seefisch wie Makrele, oder Gelenkentzündung durch geeignete Maßnahmen un- Hering gedeckt werden, da dieser entzün- terdrückt werden kann – möglichst bis zum vollstän- dungshemmende Fischöle enthält. digen Verschwinden von Krankheitszeichen – ist dies → Kaufen Sie nach Möglichkeit beim regionalen der sicherste Schutz vor Folgeschäden. Anbieter, um frische Ware mit geringen Transportwegen zu bekommen (Wochen- Doch was können die Patienten selbst für die langfristi- markt, Gemüsehändler, lokale Angebote ge Sicherung der Gesundheit tun? Glücklicherweise gilt: im Supermarkt). Es gibt keinen Widerspruch zwischen den Empfehlun- gen für eine Diät bei rheumatischen Erkrankungen und → Achten Sie auf mögliche Zusammenhänge denen zur Verhütung von Herz-Kreislauferkrankungen. zwischen Gelenksymptomen und Nahrungs- Was für die Gelenke gut ist, schützt auch das Herz. aufnahme. Lebensmittelunverträglichkei- Umgekehrt schaden die Risikofaktoren, die auch bei ten als Ursache von Gelenkschmerzen sind Nicht-Rheumatikern Gefahr für Herz und Kreislauf selten. Hier kann eine Ernährungsbera- bedeuten, bei Rheumatikern doppelt: Bewegungs- tung weiterhelfen. mangel, Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuß, Über- → Wer eine Fastenkur durchführen möchte, gewicht durch zu fettes und zu reichhaltiges Essen för- sollte sich vorher mit dem Rheumato- dern die Entstehung Herz- und Gefäßleiden, belasten logen beraten. Nicht Jede(r) ist für das aber auch die Gelenke und fördern Osteoporose. Fasten geeignet. → Was den Gelenken nützt, schützt auch das Bleiben Sie um jeden Preis in Bewegung! Schließen Herz. Bewegung ist die beste Diät! Sie sich anderen Menschen an, um aktiv zu bleiben. Dies können Nachbarn oder Freunde ebenso gut sein 22 Die richtige Ernährung bei Rheuma
Die richtige Ernährung bei Rheuma 23
3 Rheuma zehrt an der Substanz – Wie gleiche ich den Mangel aus? 24 Die richtige Ernährung bei Rheuma
3.1 Nahrungsergänzungsstoffe – die Qual der Wahl In Zeitschriften und Fernsehwerbung sowie zuneh- Milchprodukte und Eiweißquellen enthält, nicht in mend im Internet werden Nahrungsergänzungsstoffe ernährungsbedingte Mangelsituationen geraten. in schwer überschaubarer Zahl angeboten. Das Ange- bot reicht von Vitaminpräparaten, Spurenelementen Bei Patienten mit schweren entzündlich-rheuma- und Heilerden bis zu Gelatinekapseln, Soja-, Hefe- und tischen Erkrankungen kann es jedoch gelegentlich zu Algenextrakten oder pulverisiertem Muschelkalk. einem Mehrbedarf an bestimmten Vitaminen und Spu- renelementen kommen. Hier werden Präparate mit Diese Präparate werben in der Regel damit, Mangelzu klar festgelegten Inhaltsstoffen medizinisch verord- stände an Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen. net. Die Tatsache, dass sich viele Menschen im Alltag Neben allgemein positiven Effekten für Gesundheit wenig leistungsfähig fühlen, ist hingegen häufig an- und Fitness wird häufig auch Linderung bei Erkrankun- deren „Diät“-faktoren zuzuschreiben: zu viel Stress, zu gen wie Asthma, „allgemeiner Immunschwäche“ oder wenig Schlaf, Missbrauch von Genussmitteln u. a. m. „Rheuma“ in Aussicht gestellt. Nicht jedes der frei verkäuflich angebotenen Mittel ist Es ist unmöglich, zu allen derartigen Substanzen Stel- harmlos und nebenwirkungsfrei. Allergische Reaktio- lung zu nehmen. Grundsätzlich lässt sich aber fest- nen sind bei allen Präparaten prinzipiell möglich. Vita- stellen, dass wir im Alltag bei einer ausgeglichenen mine und Spurenelemente können in zu hoher Dosis Ernährung, die genügend frisches Obst und Gemüse, auch Schäden verursachen. Die richtige Ernährung bei Rheuma 25
3.2 Vitaminpräparate Für Vitaminpräparate gilt das unter 3.1 gesagte in Vitamin D in der Haut verantwortlich ist (Ein Solarium besonderem Maße: Die Quelle von Vitaminen sollte ist dafür kein Ersatz!). Der Sonnenlichtmangel betrifft immer die Nahrung selbst sein. Eine Zufuhr von Vita vor allem Menschen in Alten- und Pflegeheimen, die minen aus medizinischen Gründen ist nur selten erfor- sich nicht mehr aus eigener Kraft im Freien bewegen derlich und sollte mit dem behandelnden Arzt abge- können. Empfohlen wird ein täglicher Aufenthalt an sprochen werden. der Sonne von mindestens 30 Minuten, wobei Gesicht und Unterarme der Sonne ausgesetzt sein sollten. Wer- Vitamin C ist in vielen frischen Gemüsen und Obst den diese Zeiten nicht erreicht, sollten 400 bis 800 sorten enthalten. Es wird durch Kochen leicht zerstört, Einheiten Vitamin D von außen zugeführt werden. Die daher sind Mangelzustände gerade in der Winterzeit Gabe von Vitamin D sollte ärztlich angeordnet und bei schlechterem Angebot an Frischobst möglich. Der überwacht werden. Überdosierungen können schädi- tägliche Bedarf liegt bei etwa 60 mg. Da Vitamin C für gende Folgen haben. die Bildung von Bindegewebe benötigt wird, wurde ein Mehrbedarf bei rheumatischen Erkrankungen, bei Vitamin E (α-Tocopherol) spielt ähnlich wie Selen (sie- denen Bindegewebe geschädigt wird, angenommen. he unten) eine Rolle bei der Ausschaltung schädlicher Ein positiver Einfluss einer vermehrten Vitamin C–Zu- Sauerstoffverbindungen (sog. Sauerstoff-Radikale). Bei fuhr auf derartige Erkrankungen konnte jedoch bisher Rheumatikern wird ein krankheitsbedingt höherer Be nicht bewiesen werden. darf an Vitamin E diskutiert. Die täglich benötigte Menge von 12 mg Vitamin E wird in der Normalkost Auf die Rolle von Vitamin D wurde bereits eingegan- problemlos gedeckt. Wichtige Quellen von Vitamin E gen. Gerade bei älteren Menschen besteht die Gefahr sind Sonnenblumen- und Weizenkeimöl, aber auch eines Vitamin D-Mangels, der die Entstehung einer Fisch, und viele Obst- und Gemüsesorten. Mittlerweile Osteoporose fördern kann. Dazu kann eine zu gerin- gibt es Hinweise dafür, dass die zusätzliche Einnah- ge Zufuhr von Vitamin D mit der Nahrung beitragen: me von Vitamin E-Präparaten in hohen Dosen das Ri- Fisch, z. B. Sardinen und Thunfisch, aber auch Eier und siko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen könnte. bestimmte Sorten Pflanzenmargarine enthalten Vita- Diese Präparate werden daher für Rheumapatienten min D. Bedeutsam ist aber auch der Mangel an natür- nicht empfohlen. lichem Sonnenlicht, welches für die Entstehung von 26 Die richtige Ernährung bei Rheuma
3.3 Mineralstoffe Selen schützt den Körper von schädlichen Sauerstoff- Eisen wird für die Bildung des roten Blutfarbstoffes verbindungen und kann damit ebenfalls anti-entzünd- benötigt. Eisenmangel führt zur Blutarmut, erkennbar lich wirken. Schweinefleisch und Fisch sind wichtige an leichter Erschöpfbarkeit, Konzentrationsschwäche Quellen für Selen. Bei Patienten mit RA liegt Selen in und blassem Aussehen. Viele Patienten mit entzünd- verminderter Konzentration in den Körperflüssigkeiten lich-rheumatischen Erkrankungen haben eine Blutar- vor. Ein positiver Effekt einer Selenzufuhr auf den Ver- mut und nehmen daher Eisenpräparate ein. Allerdings lauf der rheumatoiden Arthritis konnte allerdings bis- liegt nicht immer ein echter Eisenmangel vor. Häufig her nicht festgestellt werden. ist auch eine Eisenverwertungsstörung: Die chroni- sche Gelenkentzündung blockiert die Blutbildung im Zink ist ein regulierender Faktor bei der Bildung von Knochenmark, so dass auch reichlich zugeführtes Ei- Bindegewebe. Dieses Metall ist wichtig für das sen nicht zu vermehrter Blutbildung sondern unter Um- Wachstum, die Wundheilung und die Funktion des ständen zur schädlichen Eisenüberladung führen kann. Immunsystems. Patienten mit rheumatoider Arthri- tis weisen verminderte Zinkspiegel im peripheren Blut Eisenverwertungsstörung abklären auf. Allerdings gilt auch für die Behandlung mit Zink- präparaten: ein Nutzen für die Behandlung bei rheu- Auf der anderen Seite kann es bei Rheumatikern zu matoider Arthritis konnte trotz umfangreicher wis- schleichenden Blut und damit Eisenverlusten durch senschaftlicher Untersuchungen nicht nachgewiesen Schleimhautschäden kommen, die wiederum durch werden. antirheumatische Medikamente verursacht werden können. Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob bei Blut- Auf die enorme Bedeutung von Kalzium für den Kno- armut ein echter Eisenmangel oder eine Eisenverwer- chenstoffwechsel wurde im Abschnitt 1.3 bereits ein- tungsstörung vorliegt. Ein echter Eisenmangel sollte gegangen. unbedingt ausgeglichen werden. Die richtige Ernährung bei Rheuma 27
3.4 Eiweiß- und Knorpelschutzpräparate Knorpel und Knochen enthalten Eiweiße, aber auch an der Entstehung der Arthritis haben oder lediglich komplexe Kohlehydratverbindungen wie Chondroitin (harmlose) Folgeerscheinungen sind, wird zurzeit sulfat und Hyaluronsäure. Seit Jahren werden daher untersucht. Aus diesem wissenschaftlichen Problem Eiweiß- und Kohlehydratverbindungen aus tierischem resultiert eine für den Alltag wichtige Frage: Kann Knorpel- und Knochengewebe als Heil- und Schutz- ich mit von außen zugeführten Bakterien oder Hefen mittel für eine Vielzahl von Gelenkerkrankungen an- einen positiven Einfluss auf die Erkrankung ausüben. geboten. Auch eine Reihe von wissenschaftlichen Damit kommen die Probiotika ins Spiel: lebende Mik- Studien hat die Wirksamkeit von einigen dieser Sub roorganismen, die gesundheitsfördernde Effekte aus stanzen untersucht. üben sollen. Die am längsten als Probiotika angewen deten Organismen sind Milchsäurebakterien, aber Zumindest für Chondroitinsulfat wurde ein – vergleichs auch Hefen und andere Einzeller werden angeboten. weise geringer – positiver Effekt auf den Knorpelstoff Probiotika können als angereicherte Lebensmittel wechsel beschrieben – allerdings kamen nicht alle (z. B. Joghurt-Produkte), als Nahrungsergänzungsmit- Studien zu diesem Ergebnis. Für Gelatineverbindun- tel oder in Form von Arzneimitteln eingenommen gen liegen keine Wirksamkeitsnachweise vor. Das in werden. Gelatine enthaltene Eiweiß ist auch ein Bestandteil der täglichen Nahrung, so dass die zusätzliche Zufuhr Eine Reihe von klinischen Studien hat sich mit einer in Kapselform wenig sinnvoll erscheint. möglichen entzündungshemmenden Wirkung der Probiotika befasst. Die Ergebnisse sind jedoch bis- her enttäuschend geblieben. Bei RA-Patienten und 3.5 Probiotika solchen mit Spondyloarthritiden besserten sich die Krankheitszeichen nach Einnahme von Probiotikaprä- Entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die RA paraten entweder gar nicht oder nur unwesentlich. können mit Veränderungen der Darmflora einherge- Damit können Probiotika für rheumatische Erkrankun- hen, also mit der Zusammensetzung der verschiede- gen zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden, nen Mikroorganismen, die unseren Darm besiedeln allerdings sind in Zukunft möglicherweise neue wis- (siehe Kap. 1.1.). Ob diese Veränderungen einen Anteil senschaftliche Ergebnisse zu erwarten. 28 Die richtige Ernährung bei Rheuma
Tipps für den Alltag → Nahrungsergänzungsstoffe sind bei ausgegli- erlaubt, kommt einer gesunden Ernährung chener Ernährung in der Regel überflüssig. sicher näher als eine Ernährungsweise, die zu wenig frisches Gemüse und Obst einbezieht. → Prüfen Sie jedes Angebot sorgfältig. Ein hoher Preis für ein Nahrungsergänzungspräparat ist Tipps für den Alltag nicht gleichbedeutend mit guter Qualität oder exzellenter Wirksamkeit. Fordern Sie schriftli- → Essen Sie grundsätzlich nur an einem einzigen che Informationen an, die eindeutig belegen, Platz in ihrer Wohnung. So entfällt Vieles, was welche Inhaltsstoffe im Produkt enthalten sind. man „nebenher“ verzehrt. Fragen Sie nach wissenschaftlichen Untersu- → Viele kleine Mahlzeiten sind besser als wenige chungen zur Wirksamkeit bei Ihrer Erkrankung. große! → Allgemeine Aussagen wie „Stärkung der Ab- → Langes, gründliches Kauen und kleine Bissen wehr“, „Entschlackung“, „Gelenkschutz“ lassen das Sättigungsgefühl früher eintreten – verschleiern oft, dass ein messbarer, positiver die Mahlzeiten können verkleinert werden. Effekt der angebotenen Stoffe fehlt. Fragen Sie sich vorher, was Sie mit diesen Mitteln kon- → Süßigkeiten und Snacks vor dem Fernseher sind kret erreichen wollen: Weniger Schmerzen? gefürchtete Dickmacher! Gesünderen Schlaf? Bessere Konzentrationsfä → Essen Sie ausreichend Ballaststoffe, die mit higkeit? Prüfen Sie anschließend kritisch, ob wenig Kalorien den Magen füllen: Rohes Gemü- dieses Ziel erreicht wurde! se, Vollkornbrot, Obst. → Sprechen Sie mit dem Arzt Ihres Vertrauens → Trinken Sie ausreichend, aber möglichst ohne über die entsprechenden Präparate! Kalorien! Oft wird Hungergefühl eigentlich durch Durst verursacht und kann durch Trinken Leben Vegetarier gesünder? unterdrückt werden. Unsere Vorfahren waren Sammler und Jäger. Der → Die meisten Menschen sind nicht zu dick, weil Stoffwechsel des Menschen ist daher auf eine sie zu viel essen, sondern weil sie sich zu wenig gemischte Nahrung eingestellt. Bestimmte Eiweiß- bewegen! Fangen Sie an mit einem Sport, der bausteine und Vitamine, die unser Körper nicht Ihnen Spaß macht – aber ohne übertriebenen selbst bilden kann, werden ganz überwiegend aus Ehrgeiz! Totale Erschöpfung motiviert nicht tierischen Nahrungsmitteln bezogen. zum Weitermachen! Eine ausschließlich pflanzliche, d. h. vegane Diät → Lassen Sie sich nicht entmutigen! Oft kommt kann daher Mangelerscheinungen auslösen, wenn es nach ersten Erfolgen zu keiner weiteren dem nicht gegengesteuert wird. Allerdings neh- Gewichtsabnahme, denn Fettreserven werden men Bundesbürger im Durchschnitt zu viel Fleisch erst sehr langsam mobilisiert! Man braucht und Wurstwaren zu sich. Eine vegetarische Diät, einen langen Atem! die die Einnahme von Eiern und Milchprodukten Die richtige Ernährung bei Rheuma 29
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